1842 / 356 p. 2 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung) scan diff

27, Advokat Storm mit 26 und Landrath Rumohr mit 24 Stim- men. Hierauf ging man zur Tagesordnung über.

Deutsche Bundesstaaten.

Múnchen, 16. Dez. (Nürnb. K.) [Sechste öffentliche Sitzung der Kammer der Abgeordneten. Gdebteas ¿Wenn ich//, so äußerte sih nunmehr der Ab Lotdnete Freiherr von Thon-Dittmer, „das Wort ergreife, um über den der hohen Kammer e Berathung und Schlußfassung heute vorgelegten Ent- wurf zu sprechen, so kann ih nicht gemeint seyn, die Verdienste Göthe’s zu schildern, oder mich in eine Kritik hierüber einzulassen ; kann weder gemeint seyn, ihn als Dichter zu preisen, noch ihn in seiner national - politischen Bedeutung herabzuziehen. Es isf richtig, AE man sowohl in der einen wie in der anderen Beziehung hierüber Vieles sagen könnte. Es is insbesondere dem großen Dichter oft der Vorwurf mac worden , daß er als Deut scher zu einer Zeit, wo Deutsche Einheit so sehr noth that, keine Worte bierfür hatte, sondern stumm blieb. Fudessen steht immer fest, und darüber sind wir gewiß Alle einig, daß Göthe ein Stern erster Größe gewesen, der Über Deutschlands Horizont hinunter ge angen. Von diesem Ge- sichtspunkte ausgehend und dieser Rücksicht duldigend, erscheint es als ein Werk der Pietät, wenn man Deutschland die Sammlungen und das Haus eines Mannes zu erhalten strebt, dessen unsterblicher Ruhm als Dichter so fest begründet ist, Jch kann in dieser Bezichun nur auf Das hindeuten, was mehrere Redner vor mir treffend un besser gesagt haben, als ih es sagen könnte. Allein gleihwohl drängt es mich, diejenigen Erwägungen in Kürze zu berühren, welche die Worte, mit denen der Herr Minister den Geseß-Entwurf einführt, und die Gründe, durch welche er unterstüßt werden will, hervorrufen, und wenigstens in mir unabweislich rege gemaht haben. Mir scheint es vor Allem hôchs erfreulich, wenn der Deutsche Bundestag wieder einmal ein Ledencarcen giebt. Jch leugne nicht, daß mi oft ein unangeneh- mes Gefühl beschlihen hat, von den Bestrebungen dieses hohen Deutschen Areopags so selten etwas zu hören, und daß, wenn hier und da von demselben etwas auftauchte, es bei Vielen nur Mißstim- mung erregte und erregen mußte.// (Der zweite Präsident unterbrechend: „Jch glaube nit, daß es am Orte is, dergleichen Beziehungen auf den Deutschen Bund in Anregung zu hbringen.// Der Redner : „Sowohl der Geseß-Entwurf als auch die Motive dazu erwähnen selb| des Deutschen Bundes.) „Um so er- freulicher scheint es mir, wenn mehrere Deutsche Bundes- Mitglieder den Entschluß angeregt - haben, das gemeinsame Band der Deutschen nationalen Einheit auch hier wieder fester ziehen zu wollen, auf daß es nimmermehr geld| werden könne. Es cheint mir schr richtig bemerkt worden zu seyn, daß es hier auf die größere oder geringere Bedeutung der Sache nicht anzukommen habe, und daß im Großen wie im Kleinen, daß in allen Beziehungen der Deut- sche Gemeingeist gefördert und gepflegt werden m ßte. Es heißt aber in den Motiven zu dem Geseh - Entwurfe: „Es soll der gesammten Nation ein neuer Beweis des Antheils geliefert werden , welchen die Deutschen Regierungen an der Verherrlichung des Deutschen Namens durch die literarischen Bestyebungen hochbegabter Geister nchmen.// Ge- wiß cin herrlicher und großartiger Entschluß! Möchte er uns zu der Schlußfolge berechtigen, daß der hohe Deutsche Bund auch fernerbin die Verherrlichung des Deutschen Namens nicht blos durch die Erhaltung literarischer Werke von Verstorbenen , sondern auch durch Beshübung der Bestrebungen und Leistungen von Männern der Feßtzeit vor Augen behalten werde! Möchte er uns zu der Hoff- nung berechtigen , daß wir für Alles, was uns noth thut und was ausgesprochen werden soll und muß, daß wir für alle geistigen Interessen au bei dem Deutschen Bunde Schuß finden und daß, mit einem Wort, ein den Anforderungen der Zeit entsprechendes allgemeines Preßgeseß von Seiten des Bundes uns ret bald ge- eben werde! Es if der gegenwärtige Geschß- Entwurf in unserer ammer eingeführt als „dem lebhaftesten Gefühle für Alles, was Deutsche Ehre, Déutschen Ruhm betrifft , entkeimt./ Wer wollte diesem hochachtbaren Grunde etwas entgegenfstellen? Wer wollte es nicht laut bekennen , daß dieser hohe Deutsche Sinn , der uns vom Thron herab überall entgegenwebt, uns mit Freude und Hoffnungen erfüllen muß? Aber gewiß liegt der Wunsch eben so nabe, daß die- ser Deutsche Sinn bei allen Marie en gleih lebendig seyn mdchte, daß überall hin der Deutsche Sinn fich entwideln, daß die Deutsche Volksfreiheit und ein Rechtszustand besichen möge, wo immer Deutsche Stimme ertönt und Deutsches Wort geredet wird; daß aber nicht allein Deutsche Nationalität, sondern auch Deutsche Freihcit gehoben werde. „Nationalität i| nichts ohne Freiheit, Freiheit nichts ohne Nationalität‘; also las ich unlängst von ei- nem Touristen in einem dffentlihen Blatte. Derselbe sagt fer- ner: ¡„Das Vaterland des civilisirten Menschen is nicht die Scholle allein , sondern der Staat, und näher die Art des Staats. Die Nationalität als solche is eine Thatsache der Natur. Geist und Ge- schichte wird sie ersi durch die Bewegung der Freiheit. Nationalität und Freiheit Pgmmen bilden ers den Begriff eines Volkes als Per- son. / Jch glaube, der Mann hat ein sehr wahres Wort gesprochen. Blicken wir aber bin nach der Weser und Leine, schen wir wie cin biderbes Deutsches Brudervolk dort schon lange Zeit im heißen Kampfe mit der Geseßlosigkeit und Willkür pegriffen ist, und durch Jahre langes Ringen es noch immer nicht dahin bringen konnte, einen Zustand der Geseßlichkeit und vernünftigen Freiheit zu erwirken, wie im Gegentheil, den kräftigsten Stimmen an dem Deutschen Bun- destage zum Trohe, und dem dentlichen in allen Deutschen Kam- mern laut gewordenen Unwillen zum fn denden Hohne, ein Zu- ftand forte cht, der gewiß widernatürlich ist. / (Der zweite räsident: „Fch ersuche den ersten Secretair, sich zu mäßigen. // edner: „Jch glaube, die Schranken der Mäßigung nicht zu úber- treten; die Bemerkungen, welche ich S habe, gehören zur Sache.// Der zweite Präsident: „Jch muß sie auf die Geschäfts - Ord- nung verweisen, welche dergleichen Anregungen und Beziehungen ver- bietet.// Der Redner: ;„Die Geschäfts - Ordnung verbietet nicht, Deutschlands Zusiand und gemeinsame Juteressen in der Kammer zu berühren.// Der zweite Präsident: ¿Es kommt Alles auf die Art und Weise an, wie dergleichen Gegenstände zur Sprache gebracht werden.//) „Jch sage, sehen wir diesen Zustand noch immer Lo U welcher alle Bande des Vertrauens zu lôsen droht, dann wäre f gewiß an der Zeit, daß von der Quelle aus, woher der ge- genw tige Geseß-Entwurf kommt, daß im hohen Rath in der alten Krd- Bungesia am Main auch hier für Deutschen Ruhm und Deutsche Ehre 1 Iden N Eme erklinge, und daß endlich erzielt würde, wonach gerung 4A ad 4 D mpfen unsere Deutschen Brüder vergeblich ais ein „Unternehmen, das zur Ehre rischen Vaterlandes gereichen soll -/ "J gebe das zuz allein sehr richtig hat ein sehr verehrter Redner, Baron von Frauenhofen darauf aufmerksam gemacht / daß ar Vieles im Lande Lassen Sie uns, meine Herren, nicht vergessen, daß unsere geistigen Jnteressen im Inlande noch eines rdßeren fortbauen lnd bofen, daß Ne Regierung, (uben fe Besen Grunde / egierun eines der ersten Schriftsteller des Ce ia taEN Bete Andenten ehrende Anerkennung zu widmen beabsichtigt// und uns zur Unt r flúzung dieses Gedankens werkthätig zu seyn auffordert , auch im eigenen Lande uns die Mittel nicht entziehen oder eng erzi zuwä- en werde, wo es gilt? die geistigen Jnteressen des Landes seldî u eben und zu schüßen „Und die Bedingungen zu eben , unter denen allein sich jo große Geister bilden können, wie dthe gewesen. Fa meine Herren, lassén Sie uns hofen, daß unsere Schulen, welihe, wir dürfen es nicht verhehlen, bei dem Vielen, was für sie ge- cieht, zum großen Theile noch an den nothwendigsten Mitteln arben daß unsere Lehr-Fnstitute und hdheren Bildun s-Ansial- ten, welche zum Theil verkümmern , oft der gehdrigen Le tung und

2440 den! daß für unsere Universitäten Männer ausgezeichneten Rufs ge- wontien, aber auch erhalten werden, daß unsere Akademie eine selbst- ständige bleibe, und ihre Selbstständigkeit nah innen und nach außen bewahrt werde, lassen Sie uns hoffen, daß, indem man von uns die Anerkennung früherer Verdienste fordert, gleiher Schritt in An- erkennung desjenigen, was die ge enwärtige Zeit fordert, eittgchalten werden mdge. Von dieser ficht ausgehend, stimme ih für den Geseß-Entwurf, und „Zlaube auch, daß die Kammer demselben ihre Zustimmung geben könne, und daß sie auf sglche Weise sich der Ehre, die erste in Deutschland zu seyn, in welcher der vorliegende Gegen- L dur Sprache gebraht wurde, niht unwürdig zeigen wird.// folgt.

Zufolge einer, an den Königl, Ministerial-Commissair, Konsul und Kommerzien-Rath Bartels in Nürnberg, ergangenen Ent- s{lieung des Königl. Ministeriums des Jnnern, hat Se, Ma- jestät der König die Zulassung der Rheinschifffahrts- Assekuranz- Gesellschaft zu Köln in Bayern bis auf weitere Allerhöchste Ver- fügung unter der Bedingung genehmigt, daß die Gesellschaft bei ihren Versicherungs-Geschäften mit Bayerischen Unterthanen einen vor Bayerischen Gerichten verantwortlichen Jnländer als Haupt- Agenten ausfstelle, sobald der Kommerzien-Rath Bartels die Agen- tur niederlegen sollte, und daß für die etwa- weiter aufzustellenden Agenten die Genehmigung der betreffenden Kreis - Regierung ein- geholt werde.

Hannover, 21. Dez, Der König hat, auf geschehene Wahl und Präsentation von Seiten der Ösnabrükschen Provin- gial:Landschaft, den Geheimen Kanzlei - Secretair Lehzen hieselbst zum SGLIe Und ordentlichen Mitgliede nicht-adeligen Stan- des des Königl. Schaß-Kolleziums ernannte.

Desterreich.

4 Prag, 19. Dez. Die seit dem Jahre 1796 bestehende Gesellschaft patriotischer Kunstfreunde, welche die Aufnahme der bildenden Künste, Weckung und Pflege des guten Beschmacks zum Zwecke hat und mit der Aufstellung einer bleibenden Gemälde- Gallerie spâter auch eine Akademie für Malerei und Plastik ver- einigte, ist vor einigen Jahren durch die Verbindung mit dem Kunst-Verein für den Ankauf und die Verloosung der besten zur jährlichen Kunst - Ausstellung gelangenden Bilder auf eine sehr ersprießliche Weise erweitert worden. Wie die Kunst-Ausstellung von dem Fortschreiten, so zeigt auch die stets zunehmende Anzahl der Mitglieder des Kunst-Vereins von der zunehmenden Verbrei- tung des guten Geschmacks und dem wachsende Sinne dafür. Unsere leßte Gemälde-Ausstellung, 341 Nummern zählend, gehörte nab dem Urtheile vielerfahrener Männer zu den ausgezeich- netesten in ganz Deutschland, und enthielt Zusendungen von Künst- lern ersten Ranges, Entréegelder und verkaufte Kataloge liefer- ten einen Ertrag von beinahe 2000 Fl. C. M,, die Actien von 2199 Mietgliedern gewährten eine für den Bilder-Ankauf und das Vereinsblatt zu verwendende Summe von 10,995 Fl, und für 20 vom Vereine, dann 24 von Privatén angekaufte Bilder, wurde den an der Ausstellung theilnehmenden Künstlern ein Betrag von 10,268 Fl. C. M, zugewendet, Außerdem wirkt unser wackerer Akademie-Direktor Ruben nach allen Richtungen schaffend und an- regend, sein Wirkungskreis erweitert sich stets, seitdem unser um die Landes-Verschónerung so hochverdienter Regierungs-Chef dessen Beirath für alle das Kunstfach berührenden öffentlichen Gegen- stände in Anspruch nimmt. Die \chon vor zwei Jah- ren bei der Berufung Ruben's uns gewordene Hoffnung: denselben mit einer größeren öffentlichen Arbeit für unsere Stadt beschäftigt zu wissen, rückt nun auch ihrer baldigen Erfül:

lung entgegen, da die Gesellschaft patriotischer Kunstfreunde bereits den Beschluß gefaßt hat, den No von 20,000 Fl. C. M, auf die Ausführung großer Fresfko-Gemälde zu verwenden. Für den Fall, daß die im ganzen Lande veranstalteten Sammlungen von Beiträgen für die würdige Begehung der auf das Jahr 1845 fallenden 500 jährigen Jubelfeier unserer Universität einen solchen Erfolg haben, daß der projektirte Umbau des Karolinums zu einem entsprechenden Universitäts - Gebäude durch die gesammelten Bei- träge bestritten werden fann, is die Gesellschaft patriotischer Kunstfreunde entschlossen, mit dem erwähnten Betrage der Universicät ein Geschenk zu machen, um die zu erbauende große Aula mit Fresken ausschmücken zu lassen, Wäre jedoch feine bestimmte Aussicht für den baldigen Umbau der Universität, dann soll das auf der Höhe des Volksgartens liegende, von Ferdinand I. erbaute Lustshloß (irrig für Tycho de Brahe?s Observatorium allgemein d durch den Akademie - Direktor Ruben im Jnnern mit großen Fresko-Malereien nah Süjets aus der Geschichte Böhmens geziert werden, Auf welche von beiden Arten das {dne Projeft übrigens ausgeführt werden möge, jeden- falls wird es der bei uns schon so lange brach liegenden Kunst einen neuen Aufschwung verleihen.

Spaníen.

Madrid, 12. Dez. Die Gerüchte von beabsichtigten Staats- streichen und Suspendirung der individuellen Freiheit erhalten sich noch immer, allein dessenungeachtet fahren die meisten hiesigen Blätter fort, sich sehr heftig über das Benehmen des Regenten auszusprechen.

Die heutige Nummer der Gaceta enthält Folgendes: „Die Journale der Opposition benußen Alles, um die Regierung anzu- flagen. Der Regent kommt im Hauptquartier an, und drei Tage darauf fragen die Journale, was er vor der belagerten Stadt thue. Man macht dem General:Capitain ein Verbrechen aus dem Aufschub, den er den Rebellen bewilligt. Als alle Mittel der Ver- sóhnung erschópft sind, wendet man die Artillerie an, und nun ändern die erwähnten Journale ihre Taktik; indem sie der ro- mantischen Poesie die dstersten Farben entlehnen, entwerfen sie ein furchtbares Gemälde von jenem bombardirten Plate, von jener großen zerstörten Stadt, Heut klagt man denselben General der Grausamkeit an, den man, wenn er noch länger gezögert hätte, der Feigheit beschuldigt haben würde.“

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Inland.

X Stolpe, 17. Dez. Die gestern hier stattgehabte Feier der vor hundert Jahren erfolgten S des S oa Feine marschalls Fürsten Blücher von Wahlstatt, war für die ganze Stadt und die von allen Seiten zusammengestrdmte Bevölkerung us weiten Kreises der Umgegend ein wahrer Freudentag. Die Bürgerschaft und die Sch engilde feierten dies Fest durch ein Mittagsmahl Und einen Ball im Schütenhause. Morgens um s Uhr nahm der zu dieser Feier hier eingetroffene kommandirende g eneral des 2ten Armee-Corps, General- ieutenant von Wrangel, fern Milte E O Bit pt: des 5ten Hu-

- , e dem hiesigen Landwehrstamme die Parade ab, nachdem derselbe zuvor dem Mealatna die

Pflege entbehren, und in ihren Geldmitteln nicht so gesiellt sind wie fe es zu seyn verdienen , daß diese gehoben und Vitielsers s

hatte. Mit dem sichtbarsten Eindrucke der Freude und des Dankes hatten sowohl Offiziere als Soldaten die neuen Be- weise der Gnade ihres Königs vernommen und si still gelobt, des ehrenvollen Namens der „Blücherschen] Husaren“ und des

Dem um 2 Uhr stattgefundenen Mittagsmahle des Offizier-Corps hatten sich eine große Anzahl der früber im Regiment gedienten, ausgeschiedenen Offiziere, der Magistrat, die Geistlichkeit und die Gutsbesißer der Umgegend angeschlossen. Den Unteroffizieren und Husaren war durch die Gnade des Königs ein Abendessen und Tanz bereitet, bei welchem Anstand und Frohsinn bewiesen, wie tief die Leute die ihnen gewordene Ehre empfanden, Den Tag beschloß eine allgemeine Erleuchtung der Stadt, welche ohne Auf- forderung des Ortsvorstandes die Theilnahme der Bürger für dies E E Fest und ihr treuer lobenswerther Sinn hervorgeru- en hatte.

Die Handels-Kammer vou Bordeaux und die Zuckerfrage.

A Bordeaux, 16. Dez. Unsere Handels-Kammer hat zwei Delegirte, nämlich die Herren Damas den jüngeren und Ed, Fabre beauftragt, dem Handels-Minister persönlich eine Vor- stellung zu Überreichen, worin die absolute Nothwendigkeit des gänzlichen Aufhörens der Rübenzucker - Fabrication dargethan ist. Auch sämmtlichen Übrigen Ministern, so wie den Handels - Kam- mern der bedeutendsten Städte des Landes, wurde Abschrift dieses Aktenstückes mitgetheilt.

Im Eingange desselben wird die Regierung an ihr feierlich gegebenes Versprechen erinnert, bei Eröffnung der Session der Kammern einen Geseß - Entwurf über die Zuckerfrage vorzulegen ; das Vertrauen und die Zuversicht ausgesprochen, daß dieses er- sprechen auch wirklih erfüllt werde, aber auch erklärt, daß damit allein noch nicht geholfen sey. „Nach so. vielen Zögerungen, falschen Maßregeln, unaufhörlich wiederholten Opfern muß endlih eine definitive Lösung erfolgen, um die Ungewißheit zu beseitigen, welche seit so langer Zeit die bei der Frage betheiligten Pei benachtheiligte.“ Die Eingabe geht dann nach wiederholter Bitte, um Vorlegung des zugesagten Geseßes auf Reflexionen über die Grundlagen über, auf welchen dieses Geseß beruhen müsse. Die ganz ausnahmsweise ruindöse Lage, in welche die bei der Zucker- frage betheiligten Jnteressen durch das bisherige falsche Ver- fahren durch die Widersprüche der Geseßgebung gekommen, sey eben s0 s{âdlich den politishen wie den Handels- Interessen Frankreichs, und um ihr ein Ende zu machen, sey nur ein energisches Mittel geeignet, das der Schwierigkeit bis zum Herzen dringe, das Uebel in seiner Wurzel abschneide. Dieses bestehe einzig in der Unterdrúckung der inländischen Zucker - Fabri- cation mit Entschädigung derselben. Die Motive dazu seyen die Aufrechthaltung und Kräftizung der Seemacht Frankreichs. Be- sonders die Ereignisse der leßten Jahre hätten die Wichtigkeit derselben und die Nothwendigkeit ihrer fortschreitenden Entwicke- lung dargethan, wenn Frankreich seinen Rang in der Europäischen Wagschale behaupten wolle. „Die Erfolge Englands auf fast allen Punkten der Erde mússen unsere Aufmerksamkeit im höchsten Grade rege machen“, sagt die Eingabe an den Minister, „und ZJhnen das Mas der Opfer jeder Art geben, die wir uns auferlegen müssen, um nicht hinter dieser grofßien Bewegung zurückzubleiben! Der Staat

fann mit Geld sih Schiffe verschaffen ; seine See-Schulen können ihm treffliche Marine : Offiziere liefern; aber er kann auf seiner Flotte nicht Matrosen in hinreichender Zahl bilden; die Rekruti- rung der See - Armee geschieht und kann nur geschehen in der Handels - Marine; daher müssen älle Bemühungen der Regierung unaufhörlih auf Entwickelung dieser Handels-Marine zielen. Sie wissen aber, Herr Minisker, daß der Transport des Rohrzuckers das mächtigste Mittel is, dieses Resultat zu erlangen, und diese Transporte wären der Französischen Marine gesichert von dem Tage an, wo die Unterdrúckung des Rúbenzukers den Zucker von den Kolonieen und dem Auslande zur Verproviantirung unserer Maáârkte herbeiriefe.“

Aber das Jnteresse des Schaßes, heißt es dann weiter, sey nicht minder dabei betheiligt. Seit oa Jahren habe diese Schmaroßer : Jndustrie (wie in der Eingabe die Rübenzucker - Fa- brication genannt wird) dem Schaßbe enorme Opfer auferlegt. Er würde dagegen davon beträchtliche Einkünfte ziehen von dem Tage an, wo die Französischen Märkte nur noch durch den Rohrzuer ver- sehen würden. Die Französischen Manufaktur: Produkte würden vermehrte Absaßwege finden bei den Völkern, welche Frankreich den Zucker liefern würden, den die Kolonieen nicht zu liefern ver- möchten. Jene Völker würden dann auch die hohen Zölle auf die Französischen Manufaktur - Produkte ohne Schwierigkeit herab- seßen und so diesen noch erweiterter Absaß zu Theil werden. Aller- dings sey es ein ernster und anormaler Schritt, die Unterdrückung einer Jndustrie zu verlangen, wie wenig auch diesen Na- men eine Production verdiene, die sich einem ungeheuren Schmuggel hingebe und sich nur auf Kosten der Schiff- fahrt, des Schaßes und der Kolonieen zu erhalten vermöge, Es falle der Handels - Kammer auch \{chwer, eine solche Maßregel zu verlangen; aber sie habe das Bewußtseyn, seit funfzehn Jahren alle erdenklichen Anskrengungen gemacht zu haben, um einen so äußersten Schritt zu vermeiden. Es sey nicht die Schuld der Seehäfen, wenn trob ihrer wiederholten Warnun- gen die Dinge auf den Punkt gekommen seyen, daß kein Heilmit- tel außer dem äußersten mehr vorhanden sey, und wenn sie, die stets sich für eine weise Handels-Freiheit aussprachen und noch de- ren aufrichtige Vertheidiger sind, sich gezwungen sehen, in der Un- terdrúckung der Rübenzucker-Jndustrie den einzigen Weg des Heils zu suchen. Es sey nun einmal dahin gekommen, daß eine der zwei Zndustrieen unter der Konkurrenz der anderen unterliegen müsse. Bei dieser Alternative könne die Wahl nicht zweifelhaft seyn: Der inländische Zucker músse vor den großen Jnteressen der Marine, des Schaßes und der Kolonieen zurückstehen. Aber indem man ihn be- seitige, müsse man gerecht gegen ihn seyn, und deshalb verlange man eine Schadloshaltung für ihn. Nachdem die Rübenzucker:Jndustrie über alle Maßen aufgemuntert, ihr während so vieler Jahre eine Prâmie von 49 Fr. 50 Cent. per 100 Kilogramme gewährt wor- den sey, die noch jeßt 22 Fr. betrage, nachdem die Kapitalien ein- mal în diesen fatalen Weg gedrängt worden, wäre es mehr als hárt, diese Jndustriè aufhören zu machen, ohne sie zu entschädigen. Die Regierung habe Zeit und Mittel genug gehabt, die Frage gründlich zu skudiren, in dieser Beziehung könne also der Vorle- gung eines Gesetzes Über Unterdrückung des Rübenzukers nichts entgegenstehen. Würde aber die Regierung statt derselben die Glelhhelt der Auflagen auf beide vorziehen, so müsse diese Gleich: stellung wenigstens unverweilt Plaß greifen, und zwar durch Herabseßung der Auflage auf den Kolonialzucker insoweit, bis die- selbe jener auf den Rübenzucker gleichkomme, aber ja nicht durch

Allerhöchsten Verfügungen vom 42ten d. M. bekannt gemacht

Erhöhung der Auflage auf den leßteren bis zu der Ziffer der Auf:

Wahlspruchs ihres unsterblichen Chefs stets würdig zu bleiben. .

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den Kolonialzucker. Jede Zögerung aber wäre den Jn- a e D Selbáfer und En im höchsten Grade nach:

ig. “i ® Vir sehen vorher“, heißt es, „daß die Taktik der Vertreter der einheimischen Jndustrie seyn wird, die Regierung zu unter- stüßen in dem Falle, wo sie die Gleichstellung in einer Frist von drei Jahren z. B. vorschlagen würde, um dann durch ein Amen- dement eine noch längere Periode zu erlangen, nach deren Aus- lauf der Ruin der Kolonial- und Maritim - Jnteressen vollendet wäre, und indem sie_ sich noch vorbehielten, eben aus diesem Ruin sich später eine Waffe zu machen, um die Aufrechthaltung einer Industrie zu verlangen, die nur mit Hülfe der exorbitantesten Pri- vilegien und shwersten Opfer für den Staat in finanzieller Be- ziehung, wie in Hinsicht auf die Seemacht, leben und emporkom- men fonnte. Die Herabseßung der Auflage würde den Vortheil haben, den beträchtlichen Schmuggel mit dem Rübenzucker zu ver- mindern, welcher um o größer ist, je höher die Ziffer der Auf- lage darauf ist: sie (die Herabsezung) würde folglich die Gleich- stellung thatsächlicher und die Ausschließung des Rohrzuckers von unseren Märkten allmälig aufhören machen. Wir sagen die Aus- schließung, weil in unseren Augen die Gleichstellung so unmöglich und illusorish ist, daß wir nicht zweifeln, daß unter der Herr- schaft dieser Maßregel der einheimische Zucker früher oder später den Rohrzucker gänzlih von unseren Märkten verdrängen wird.“

Zur Unterstüßung dieser Ansichten wird sich auf die Erklärun- gen der einheimischen Fabrikanten selbst bei den verschiedenen vor- genommenen Untersuchungen bezogen, dann auf den precairen Zu- siand der Kolonieen in Folge der gegenwärtigen Geseßgebung über den Zucker sowohl als der Frage der Sklaven - Emancipation, welche ohne Unterlaß die Kolonisten bedrohe und bei ihnen jeden Gedanken an Zukunft und industrielle Fortschritte hemme, sie so verhindernd, die Vortheile der Fortschritte der Wissenschaft zu be- nußen, um den Kampf mit dem Rübenzucker bestehen zu können. Herr Humann, der doch sicherlich bei Erhebung der Auflagen für den Schaß Niemanden an Strenge und Genauigkeit nachgeskan- den, habe selbst zugegeben, daß die Erhebung der Auflage vom Rúbenzucker mit Schwierigkeiten úberladen, Verhinderung der De- fraudation mit demselben unmöglich sey, und jedes Jahr hätten die Ziffern, wenn man die Quantitäten des wirklich versteuerten Zuk- kers mit denen, die zum Verbrauche kamen, vergleichen wolle, be- wiesen und würden auch ferner beweisen, wie unwiderstehlich die Verlockung zu einem so lukrativen Schmuggel sey, troß aller Geseße dagegen. Man werde gegen die durch die erwähnte Herabseßung der Auflage zu erzielende Gleichstellung das Defizit einwenden, welches daraus für den Schaß entstehe. Dieses werde aber zum Theil durch die wirksamere Erhebung der Auflage, zum Theil durch die nothwendig eintretende Ausdehnung des Verbrauchs wieder ausgefüllt werden, Auch die Disfferentialzölle auf den aus- ländischen Zuer müßten herabgesekt werden, welches System man auch annehmen möge; vorzüglich nothwendig sey dies bei Unterdrückung des Rübenzuckers gegen Entschädigung, denn dann müßte man wegen Decken des ganzen Ausfalls, den die Kolonieen nicht zu decken vermöchten, sih an das Ausland wenden, In beiden Fällen also dürfe der Differentialzoll 10 Fr. per 100 Kilogr. nicht Übersteigen; dadurch sey der Kolonial-Zuker hinrei: chend geschüßt, den Konsumenten feine zu schwere Last auferlegt, und zugleich die Handels-Marine begünstigt. Die Handels-Kam- mer bezieht sih dabei auf die dem Minister schon am 26. De- zember 1841 überreichten Berechnungen, und faßt am Schlusse ihrer Eingabe ihre Verlangen noch einmal zusammen in: Unter- drúckung des Rúben - Zuckers mit Entschädigung der Fabri- fanten und Herabseßung des Differentialzolles auf ausländischen Zucker auf 10 Fr. per 100 Kilogr., als einzige wirkliche Hülfe in der gegenwärtigen Lage; eventuell aber unmittelbare Gleichstellung der Auflage auf beide Zucker auf dem Wege der Herabseßung und nicht der Erhöhung derselben.

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Afghanistan.

Erster Artikel. Geschihtlihe Rückblicke. Zwiespalt in den Herrscher} as Geschlehtern. Reise- Berichte. | Eth nographisches.

Durch die Proclamation, welche der jeßige General- Gouver- neur von Ostindien, Lord Ellenborough, am 1. Oktober d. J. erlassen hat, ist nun der unter seinem Vorgänger, Lord Auckland, eingeleitete und ins Werk geseßte Feldzug nach Afghanistan, zur Vertreibung Dost Mohamed's und Restituirung Schach Sudscha?s, ziemlih unumwunden als eine Uebereilung bezeichnet worden. Fast jeder Paragraph jenes Manifestes ist ein Vorwurf für die yon den Whigs befolgte Jndische Politik. Ob es für das Ansehen der Britischen Herrschaft in Asien nicht dienlicher gewesen wäre, mit Stillschweigen úber das hinwegzugehen, was als Jrrthum oder Fehler einer früheren Verwaltung erschien, skatt es so offen zu rügen, dies fann dem Englischen Jnteresse zur Entscheidung úber- lassen werden, Wo politische Parteien einander in der Regierung ablósen, kommen dergleichen Recriminationen zwar immer vor, doch pflegt man sie wenigstens in offiziellen Aktenstúcken, die fúr die Oeffent- lichkeit bestimmt sind, möglichst zu vermeiden. Die Proclamation Lord Ellenboroughs hat daher auch einen gewaltigen Sturn in der Whig - Presse erregt, und es sind darüber, so wie über die ganze Verfahrungsweise des General-Gouverneurs von Ostindien in Bezug auf Aghanistan, ohne Zweifel heftige Debatten im Par- lament zu erwarten. Namentlich beschuldigt man ihn, er habe ursprünglich die Britischen Truppen aus Afghanistan ohne Wei- teres zurückziehen wollen, sie möchten nun vorher Genugthuung für die erlittene Schmach erlangt haben oder nicht, und dann will man wieder aus der Proclamation desselben, in der von den Ge- fangenen gar feine Rede is, jedenfalls so viel schließen, daß er von der Befreiung dieser Leßteren die Räumung Afghanistan's nicht abhângig zu machen Willens gewesen,

Alle diese Streitpunkte haben indeß jest nur noch ein Par- tei-Jnteresse, nachdem wir wissen, daß es den Britischen Waffen vor dem Abzuge aus Afghanistan nicht an Genugthuung gefehlt hat, und daß die Gefangenen sich bereits in der Mitte der Zhrigen befinden, Das Wichtigste für eine unbefangene Be- trachtung is eine Zusammenfassung der Prinzipien, welche die gegenwärtige Regierung Großbritaniens über die in Jndien in Bezug auf dessen nordwestliche Gränze zu beobachtende Politik hegt und festzuhalten beabsichtigt, so wie der Erfahrungen und Ueberzeugungen, welhe man durch die Expedition nach Afghani- stan und ihren Verlauf gewonnen oder bestätigt gefunden. - Ob diese Ueberzeu ungen und Prinzipien bei den Tories schon vor dem unglücklichen Ausgang der Expedition durchaus festgestanden haben, wie von ihrer Seite behauptet wird, ist hier ebenfalls nicht zu untersuchen.

So viel is sicher: man weiß jeßt, wenn man es bisher noch

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vor 1839 besucht, sich selbst Über die dortigen Zustände getäuscht, oder ihre Regierung schlecht unterrichtet, oder gar absichtlich, aus irgend einem persönlichen ZJnteresse, dieselbe irregeleitet, oder wenn

diese auf ihre Berichte nicht genug geachtet, wie dem nun sey, geordneten Staats - Verband bilden, daß vielmehr in politischer Hinsicht eine völlige Anarchie unter den mit jenem Namen bezeich- neten Volksstämmen herrscht, und daß unter solchen Verhältnissen eine auf das Europäische Prinzip der Legitimität zu gründende Herrschaft einer Dynastie, wovon man bei der Wiedereinsezung Schah Sudscha's ausgegangen, etwas rein Chimärisches sey. Eine Dynastie erhâlt sich hier nur am Ruder, so lange sie durch energische Regenten repräsentirt wird; von National - Anhänglich- keit an eine Herrscher - Familie kann nicht gesprochen werden, wo Úberhaupt die Elemente fehlen, welche zu einer in sich zusammen- hängenden Nation gehören. Wo in einer Stadt oder Gebirgs- Veste ein Häuptling sich Ansehen zu verschaffen weiß, da gehorchen ihm die umwohnenden Stämme, so lange er den Zügel mit kräf- tiger Hand führt und sie ihren Vortheil bei der Ünterordnung finden; die mächtigsten dieser Häuptlinge erstrecken ihre Herrschaft über weitere Gebiete, und nominell war in der That von den Nachfolgern Achmed Schachs, der Afghanistan in der Mitte des vorigen Jahrhunderts von Persien losriß und unabhängig machte, stets einer das Oberhaupt des ganzen Afghanen-Reichs; aber die- ses Reich war selbst in seinem Umfang fortwährend so shwan- fend, wie das Zusammenhalten der Stämme, aus denen es be- stand, und die alte Feindschaft zwischen verschiedenen dieser Stämme, wie namentlich zwischen den Duranis und Gildschis, machte bald nah Achmed’s Tode das momentane Band wieder locker, bis auch innerhalb des Durani-Stammes die Geschlechter der Baruksehi?s und Suddosehi’s mit einander zerfielen und unter Dost Moha- med's, eines Baruksehi, Herrschaft wicderum in diesem Geschlecht Familien-Spaltungen ausbrachen.

Dies Alles freilih war längst befannt; aber entweder wollte es Lord Auckland nicht beachten, oder er hielt das Wesentliche und Bleibende in den Afghanischen Volkszuständen für unwesent- lih und vorübergehend, als er Schah Sudscha, dessen Schwäche man noch dazu früher schon hinlänglich kennen gelernt hatte, und der von den Britischen Agenten als ein Mann ohne Herrscher- geist geschildert worden war, aus dessen Zurückgezogenheit in Lu- diana wieder hervorzog und ihn, einen Suddosehi, folglich, wie man annahm, legitim und populair, an Dost Mohamed?s Stelle von neuem auf den Thron seßen wollte, Die Verlegenheit war allerdings groß, da Dost Mohamed Chan, zu dem man Alexander Burnes abgeschickt hatte, um mit ihm zu unterhandeln, von einer Aussöhnung mit Rundschit Singh, dem Maharadscha von Lahore, nichts hôren mochte, wofern dieser nicht das von ihm eroberte Gebiet von Peschauer herausgâbe, ein Verlangen, welches der General- Gouverneur nicht zu unterstüßen geneigt war. Dazu fam nun die damalige gereizte Stimmung der Britischen Regie- rung gegen Rußland, welche durch das Verhalten des Russischen Gesandten in Persien und durch die Unterhandlungen Russischer Agenten in Afghanistan, worin man eine Gefährdung der Britisch- Indischen Jnteressen erblickte, so sehr gesteigert wurde, daß man nicht rash genug dem Vordringen eines solchen Einflusses entgegentreten zu können glaubte, Dies mag denn wohl den Hauptanstoß zu der Expedition gegeben haben. 5

Aber ehe die Britischen Truppen in Afghanistan einrücten, mußte man in Ostindien schon lange von den zufriedenstellenden Erklärungen wissen, die von Seiten Rußlands unterdessen mit Hinsicht auf die Schritte des Grafen Simonitsh und des Capi-

tain Witkewitsch erfolgt waren, Erklärungen, welche Lord Pal- merston als vollfommen befriedigend und beruhigend úber Ruß- lands Absichten bezeichnet hatte, Es war also noch Zeit , die Ex- pedition nach Afghanistan zurúckzuhalten, und daß dies nicht ge- schehen, wird sowohl den Lords Palmerston und Auckland als Feh- ler vorgeräckt, wie noch mehr dem unglücklichen Alexander Burnes, der, wie man sagt, nach seiner genaueren Kenntniß von der Lage der Dinge in Afghanistan, von dem Unternehmen durchaus hâtte abrathen sollen, und der nun selbst auf so traurige Weise ein Opfer Üübereilter Politik geworden.

Doch es schwebt noch so viel Dunkel úber dem Ursprung dieser Unternehmung, daß ein sicheres Urtheil Über die Sache jeßt schwerlih schon gefällt werden kann. Eben so werden über den ganzen Verlauf der Begebenheiten in Afghanistan seit Schach Sudscha?’s Jnthronisation noch nähere Aufklärungen von Augen- zeugen abzuwarten seyn, ehe man den Zusammenhang aller dor- tigen Verhältnisse wird übersehen können. Die bisherigen zerstreu- ten Mittheilungen waren meist sehr wirr und abspringend, und die Preclamation Lord Ellenborough?s belehrt uns nur im Allge- meinen, daß beständige Anarchie, Verbrechen und Empörungen in Afghanistan geherrscht haben und noch herrschen, daß selbst Schach Sudscha?s Treue gegen die Britische Regierung zweifelhaft wurde, daß er also eben so nur ein vermeintliher Freund, wie Dost Mohamed ein vermeintliher Feind Englands war, daß er keine Popularität genoß, und daß er zuleßt durch Meuchelmord ums Leben gekommen. Man will daher, wie der General-Gouverneur sagk, fortan den Afghanen feinen Souverain mehr wider ihren Willen aufdringen, sondern es ihnen selbst überlassen, sich eine Regierung zu geben, So, indem die Britische Armee sich hinter den Sultledsch zurückziehe und Afghanistan für immer räume, glaubt man Ostindien gegen einen von Westen her drohenden Feind, wenn es überhaupt einen solchen gäbe, weit mehr gesichert, weil ein solcher Feind erst noch die Gebirgs- Pässe und wilden Volksstâmme Afghanistans, die Flüsse des Pendschab und den Jndus zu Úberwinden haben würde, ehe er Jndien sich nähern könnte, als wenn man Afghanistan beseßt hielte und durch Bri- tische Waffen dem Thron eines Schattenkönigs zur StÜte diente, wodurch man die Afghanen nur aufs Aeußerste erbittern und zu Bundesgenossen jedes Feindes der Britischen Nation und des Britisch-Oftindischen Reichs machen würde.

Ferner geht aus der erwähnten Proclamation noch hervor, daß Afghanistan vollständig geräumt werden und die Armee über den Sutledsch zurückehren, also auch keine Punkte weiter am Indus oder im Pendschab beseßt halten soll, wonach es scheint, daß General Nott blos deshalb von dem Englandschen Corps sich hat trennen und von Kandahar den Umweg über Kabul hat nehmen müssen, weil man vermuthlich General Pollock’s Corps allein nicht für stark genug hielt, um der bei Kabul konzentrirten Hauptmasse der Afghanen gehörig zu imponiren und sich nach Befreiung der Gefangenen einen ungestörten Rückzug durch die Kurd-Kabul- und Keyber-Pâässe zu sichern.

Endlich soll, der Proclamation zufolge, für jeßt noch mit feinem der Afghanen-Häuptlinge irgend eine Art von Vertrag oder Bündniß abgeschlossen werden, sondern man will erst abwarten, ob aus der ge- genwärtigen Anarchie eine geordnete Regierung sich entwieln wird, die hinreichende Aussicht aut Stabilität darbietet, um sich mit ihr in nähere Beziehungen seßen zu können. Söhne Schach

nicht gewußt, wenn die Britischen Agenten, welche Afghanistan

Es hat also feiner der udscha's auf weitere Unterstüßung von Seiten

scheint auch bereits allen ehrgeizigen Gedanken entsagt zu haben z denn er befindet sich bei dem Corps des General England, welches den Gränzen schon sehr nahe ist, und geht mit diesem nach Ost- indien zurúck. Ein anderer aber, Sefter Dschông, isk in Kandahar man ist jeßt überzeugt, daß die Afghanen nichts weniger als einen aren in welchem Verhältniß aber er zu den dortigen

olfsftâmmen sich befindet, und woraus sein Anhang besteht, isk

nicht bekannt. Föttih Dschóng, ein dritter Bruder, der sih nah Schah Sudscha?)s Ermordung in Kabul als dessen Nachfolger betrachtet und in der Citadelle behauptet hat, ging dem Corps des General Pollock, als dasselbe von Dschellalabad anrüdckte, bis Gundamuck entgegen und zog mit ihm zusammen im Bala Hissar ein, vermuthlich hoffend, die Engländer würden ihn nun als König proflamiren. das Land auch verlassen, wenn es den Britischen Truppen nicht gelänge, Akbar Chan, den Sohn Dost Mohamed?s, gefangen zu nehmen.

Da er sich aber hierin geirrt, so heißt es, er wolle

Akbar Chan is also, allem Anschein nah, von Schach Sud-

\cha?s Tode bis auf diesen Augenblick der mächtigste, angesehenste und gefürchtetste Häuptling unter den Afghanen gewesen, und von ihm vorzüglich is ohne Zweifel der stets wiederholte Angriff und Widerstand derselben gegen die Britischen Truppen angeschürt worden. Um ihn finden wir eine Menge anderer Hôäuptlinge ver- sammelt, die von ihm, wenn auch theilweise nicht ohne Wider- spruch, sich leiten lassen. Anstifter -des ersten Gemebßels in Kabul, in welchem Alexan- der Burnes den Tod fand. Tage darauf aus dem Gebiet von Balkh, wohin er nach seines Vaters Niederlage und Gefangennehmung sih geflüchtet hatte, in Kabul ein, aber er war dann auch gleih der Mittelpunkt und die Seele aller ferneren Unternehmungen der Afghanen.

Vielleicht war er auch von fern her der

Zwar traf Akbar Chan erst einige

Wie es nun, bei der anscheinend allgemeinen Feindseligkeit der

Leßteren gegen die Engländer, nah dem Abzug des Kabulschen Corps und nach dessen fast totaler Vernichtung in den Kurd- Kabul-:Pâssen dennoch dem Schah Sudscha, bis er durch Meu- chelmord fiel, und dann seinem Sohne Föttih Dschông noch so lange möglich gewesen, in der Citadelle von Kabul sih zu halten; ob sie dort noch eine so starke Leibwache von Kussilbaschis, Per- sischen Söldnern der Afghanen - Häuptlinge, in ihrem Dienst hat- ten, daß Akbar Chan das Unternehmen scheute, sie aus jenem festen Plaß zu vertreiben, oder ob sie ihm zu unbedeutend und ungefährlich schienen, um sie einer Beachtung für werth zu halten, oder endlich, ob sie selbsk eine falsche, doppelte Rolle spiel: ten und es abwechselnd mit beiden Parteien hielten, alle diese Fragen sind noch in Dunkel gehúllt.

Bon den jeßt ausgeliefer- ten Gefangenen wird man vielleicht einigen näheren Aufschluß über das Verhältniß unter den Af, hanen-Häuptlingen und Stäm- men im Verlauf dieses Jahres erhalten können.

Noch manche andere Fragen über die inneren Verhältnisse Afghanistan's in dieser leßten Zeit werden erst nach und nach ihre Beantwortung finden, manche auch wohl ungeldst bleiben, weil die Engländer doch meist auf die Occupation einiger festen Pläße be- schränkt geblieben und mit den verschiedenen Volfksstämmen in dem gebirgigen Jnnern des Landes noch viel zu wenig in Berüh- rung und Verkehr gekommen sind, als daß sie ganz sichere Kunde Úber deren gegenseitige Verhältnisse und Stimmung haben fönn- ten. Man sieht, die Akten in dieser Sache sind noch lange nicht geschlossen; man hat blos kahle Fakta, aber es fehlt der eigentliche Zusanmenhang. Ÿ ; i :

Unter diesen Umständen muß jede Nachricht erwünscht seyn, die

uns von neueren Reisenden und von Theilnehmern des leßten Feldzu- ges úber Afghanistan und sein Volk mitgetheilt wird. Die bisgheri- gen Hauptquellen waren noch immer die Schriften des Sultan Baber, der zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts dieses Land eroberte, dann der Beriche Moune Stuart Elphinstone’s úber feine Mission an den Hof von Kabul im Jahre 1809, wo damals noch Schach Sudscha regierte, und aus neuerer Zeit die Reise des Ca- pitain Burnes nah Kabul, der Tartarei und Persien, die derselbe in den Jahren 1831 1833 unternommen und deren Beschrei- bung er 1834 in drei Bänden herausgegeben wurde. Die leßten Jahre haben die Literatur über Afghanistan zwar sehr vermehrt, doch is darunter Weniges von solchem Werth wie die obengenannten Werke. Das Wichtigste bleibt auch unter diesen der Nachlaß des Capitain Alexander Burnes, dessen gesammeltes und zum Theil schon verarbeitetes Material, úber seine Mission nach Kabul im Jahre 1836 und über seinen dortigen Aufenthalt in den beiden folgenden Jahren, nah dessen Tode von seinem Bruder geordnet worden und kürzlih unter dem Titel: „Cabool, being a personal narrative of a journey to and residence in that city”, in London erschienen ist, Nächst diesem sind die interessantesten neueren Publicationen úber Afghanistan von Vigne, Masson, Atkinson, Volney und Harland. Vigne bereiske vor eini- en Jahren die Länder am oberen Jndus und hielt sich dann eine Zeit lang am Hofe Dost Mohamed's auf. Atkinson und Volney machten als Britische Offiziere den Britischen Feldzug nah Af- ghanistan mit und haben ihre Skizzen über die dortigen Zustände so eben publizirt.

Masson, dessen dreibändiges, ebenfalls ganz kürzlich erschiene: nes Werk „„Narrative of various journeys in Balochistan, Affgha- nistan and the Panjab“ betitelt ist, hatte schon seit 1826 Afghani- stan und einen Theil von Persien als Privatmann bereist und wurde später als Britischer Agent in Kabul angestellt, wo er mit Alexander Burnes, als dieser mit größeren Vollmachten dort ein: traf, bald in Kollisionen kam und deshalb seine Entlassung neh- men mußte, Seine Gereiztheit hierüber is auch auf sein Urtheil Úbergegangen, welches daher nur mit Vorsicht aufgenommen wer- den darf; sein Buch trägt fast den Charakter einer Streitschrift gegen Burnes, der seinerseits freilih auch nicht immer sine ira et studio beobachtet und geschrieben zu haben scheint.

Harland endlich is ein Amerikaner, der zuerst als Wundarzt in Diensken der Ostindischen Compagnie stand, als solcher den Birmanen - Krieg mitmachte, dann aus Sucht nach Abenteuern eine Reise nah Afghanistan unternahm, dort für Schach Sudscha intriguirte, sodann zu Rundschit Sing nach Lahore ging, Gouver- neur zweier Provinzen des Pendschab wurde, nach siebenjährigen Diensten aber den Maharadscha aus Unzufriedenheit verließ und zu dessen Gegner, Dost Mohamed, nah Kabul sich begab, welchem er bis zu seiner Flucht als Ober-Befehlshaber aller seiner regulairen Truppen diente und unter anderen die Schlacht bei Dschumrud über die Seikhs gewann. Jett lebt Harland wieder als Privatmann in den Vereinigten Staaten und hat in diesem Jahre zu Philadelphia ein „Memoir über Jndien und Afghani- stan, nebst Bemerkungen Über den jeßigen aufgeregten und friti- schen Zustand und Über die Zukunft dieser Länder, so wie über die Niedermeßelung der Britischen Armee in Kabul und die Britische Politif in Jndien, nebst einer ausführlichen Charafkter:Zeichnung Dost Mohamed's und seines Hofes u. s. w.“ herausgegeben. Der

Titel des Buches, der noch weiter fortgeht und unter Anderem auch einen Kommentar zu einer Prophezeiung Daniels anzeigt,

der Ostindischen Regierung zu rechnen, Der eine derselben, Timur,

verrâth schon etwas selbskgefällige Redseligkeit, und davon zeigt sih E Verfasser auch in seinen Erzählungen allerdings niche