1909 / 21 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 25 Jan 1909 18:00:01 GMT) scan diff

Abg. Freiherr von Gamy (Reichsp.) : Wir sind mit der weiteren Verhandlung 2 C im O einverstanden. Dem Wunsche des

bg. von Brockhausen kann Rehaung getragen werden, wenn wir heute die zweite Beratung aussezen und die Regierung ersuchen, urs inzwischen weiteres Material namentli über die finanzielle Bedeutung des Gesetzes für die einzelnen Staaten vorzulegen. In der Finanz» kommission würden wieder prinzipielle Fragen auftreten, wie die Veredlung der Matrikularbeiträge Usw. und dann würden uns in der Kommission wieder 10 bis 15 Regierungsvertreter aus den ein- elnen Staaten und au der preußische Finanzminister ihre Ansichten darlegen wollen. Der richtige Weg wäre, die zweite Beratung erst in 8 oder 14 Tagen vorzunehmen, damit die Regierung weiteres

aterial vorl z Siellvertertender Bevollmähtigter zum Bundesrat, preußischer

Generaldirektor d ten Steuern Walkach: Wir müßten do wissen, welches Det Un beschafft werden soll. Wenn es si um die finanzielle Wirkun für die einzelnen Staaten handelt, so kann ih eXlären, daß es schlechterdings unmögli ist, in dieser kurzen Zeit Ins L darüber zu bee E late Sum

Urde t , daß î e, davon abzusehen.

A hausen (d.-kons.): Es läßt sich manGmal etwas rasch machen, wie wir es kürzli gehabt haben, als für eine Kommissionsberatung alles per Telegraph gemacht wurde. Aus A Gehalt der Beamten kann ein gewöhnlicher Kalkulator mit Zu ei die Steuer herausrechnen. ü besser ist, die Sache in dem kleineren Gremium - einer zu besprehen. Jh ersuhe, nah dem alten Usus des Hauses, u

uns einer größeren Fraktion eine Kommissionsberatung S A Ua auch hier zu versahren und eine Kommission von 14 gliedern einzuseßen.

Generaldirektor der direkten Steuern Wallach hebt u es ervor, daß es nicht nur auf das Gehalt, sondern auf das ge zu e Sinkommen der Beamten ankomme, H daß dieses Material s@lechter-

ngs n sei.

: Aba Dr Zehn f: A erklärt namens seiner Freunde, daß sie damit einverstanden seien, daß von einer Kommissionsberatung Abstand genommen werde.

Abg. Gamp (Ry.) schlägt nohmals vor, daß die Reese Sr de cht werde, tas Material inzwischen zu beschaffen, das ja eigentli erst für die Finanzreform gebrauht werde. Es könnte also eventuell noch in der dritten Lesung darauf zurückgekommen werden.

Staatssekretär des Jnnern von Bethmann Hollweg

Dem von dem Herrn Abg. Freiherrn von Gamp - Masfsaunen soeben ausgesprochenen Wunsche wird nachgegeben werden, soweit es irgend mögli ift, und zwar so s{nell wie mögli. (Bravo!)

: Strombeck wiederholt, daß seine Fraktion die Vor- lage Tk nit Lératei hat, und er nit im Namen der Fraktion ge- \proien habe. i Zæa

Damit schließt die

ierauf wird die gestern abgebrochene Besprehung über die Pierpellationen, a Handhabung des Nei chs- verei ehes, forigeseßt. é bo, gelt e n (Pole) : Der Staatssekretär hat nah ge- wohntem, aber innerlih nit bewährtem Rezept ih auf Zeitungs- abshnitte bezogen und {ih in erster Linie berufen auf Aeußerungen einer politischen Zeitung, zU der wir in keinerlei Beziehungen . “Der Abg. Noeren hat bereits mit Recht darauf hingewiesen, daß wir in vielen Beziehungen mit den Aeußerungen dieses Biattes durchaus niht nur nicht einverstanden sind, sondern, wenn fie den Charakter annahmen, den der Staatssekretär carakterisiert hat, sie durchaus verurteilen. Die Mitglieder polnischer Nationalität in Rheinland und Westfalen dafür strafen zu wollen, daß ein politishes Blait sih in durchaus auch von uns zu verdammenden Ausführungen ergeht, ist ebenso falsch, als wenn man etwa die deutshen Parteien für die Unfähigkeit der Beamten verantwort- L machen wollte. Auch für Aeußerungen von Rednern oder Redakteuren, die manmal in etwas temperamentvoller Weise fich äußern, kann die polnische Bevölkerung nicht verantwortliÞh gemacht werden: Wir haben stets Aeußerungen und Tendenzen verurteilt, die darauf abzielten, den kirhlihen Standpunkt unserer Bevölkerung zu erschüttern. Der Staatssekretär hat darauf hingewiesen, daß die Polen {ih absonderten von den Deutschen und sich zu Vereinen zusammens{lössen. Fch leugne , daß diese Absonderungsgelüste einen deut[chseindlihen Charakter haben. Der Zusammenschluß

der Polen zu Organisationen und Vereinen entspriht einem ü Man fann uns do niht zumuten, daß Mtechtigten B verzihten. Das wäre ein Verzicht auf

wir auf unsere Nationalität ein immanentes Recht, das 1e n ; ür ih’ in

um, N aus die S Ls A Welt zusammenzuhalten, und. Ge E Recht wollen Sie uns Polen nit einräumen. und dieses selbe Re lferungskreise, die sh im Westen aufhalten, u die arbeitenden Bevoll S MmenzusSließen und kamerad!chaftlih haben ein Bedürfnis, wan Suteressen zu verfolgen, fi zunerhalb der Grenzen der Geseße bre u bewahren. Daß sie sub hohen Scha ihrer Nationa ih durhaus bestreiten. e Tendenzen verfolgen, e den Spracenparagraphen selbst alt e Vereinögelrb Ten daß seitens der gesamten ink anlangt, so_muß ih seltenen l in der prinzipiellen Wüctt ein öst bedauerlier mfa d hat ein Umfall g ürdigung des Sprachenparagraphen {stattgefun A ' Nissinade er dur einerlei Erklärungen im Verlaufe der Brustton dec aen gerechtfertigt ist. Wenn jemand im fs diesen eberzeugung bei dem ersten Einbringen des Gesegentwur d Sprachenparagraphen auf das s\chärs|te verurteilt hat, so bre nach meiner Ansicht die inneren Ueberzeugungen des Saiten Liberalismus aus\{chlaggebend gewesen, und wenn von vielen Seiten, N von der Rechten, gestern darauf hingewiesen worden u, daß für solhe Auseinanderseßungen der Reichstag keine Zeit habe, jo möhte ih entgegnen, daß bei #0 \chwerwiegenden Inter- essen großer Beoölkerungskreise die Zeit des Reichstages nw" verloren ist, wenn er der Berechtigung der Maßnahmen gadgcht, mit denen diese Bevölkerungskreise bedacht worden sind. bia Staatssekietär hat auch auf den Inhalt von Zeitungen PEiewiesen, die eine feindselige Stimmung gegen das Zentrum eret Diese Ausführungen tes Staatssekretärs sind nicht Wablk Gott sei Dank, hat sowohl das Zentrum wie die polnischen Ge omitees den Wahnsinn erkannt, gemeinsam die SFnteressen ihrer er B zu unterstüßen. Das bedeutet eine gesunde Entwicklung in hofe eurteilung öffentliher Fragen, Wir begrüßen dies und Ini, daß dieses Band sich immer fester und fester Bare T0: Sie wissen, daß in der leßten Zeit die furcht- I aG bebenkatastrophe in Jtalien die ganze Welt aufgeregt wer aus allex Welt Kundgebungen der Sympathie für das Nun Gee roffene Volk in Sizilien und Kalabrien eingegangen sind. Uns fernfi, enwärtigen Sie si, daß dies eine Teilnahme für eine Führung ende Bevölkerung ist, und wenn Sie sehen, daß unter eines Lantner Regierung und unter Zustimmung der Geseßzgebung von Unsere das nit unter Naturereignissen zu leiden“ hatte, eine Schubbefoh[e Standpunkte verwerflihe Politik gegen die etgenen R enen getrieben und ‘diese von Haus und Hof vertrieben Ney an begreifen Sle es, - daß diejenigen, die systematisch an befoblen erb, an der ökonomischen Vernichtung threr eigenen Pflege- menslig, gearbeitet haben, nicht das Necht haben, für sih die nahme Feen Gefühle in Anspruch zu nehmen, die ih in der Teil- zue italienischen Unglülichen bekundet hat. Vergegenwärtigen

seinem ej dur Geseß dem unshuldigen Arbeiter verboten ist, auf E genen Grund und Boden sich ein Häushen zu bauen, daß versagt t seiner Nationalität allein die Möglichkeit, si anzusiedeln, rd, und Sie werden den Eindruck ermessen können, der in

jede Nationalität für ch in Anspru Anspruch nehmen. Die

der ganzen Welt durch ein derartiges S erweckt wird. Der Abg. Junck hat gestern geleugnet, daß die ganze Welt die Politik einer ôkonomishen Zurückdrängung eines großen Teiles der Be- völkerung des Reiches verurteilt. Ih glaube, er irrt sich darin; in der ganzen Welt haben diese Maßnahmen ein großes berechtigtes, tiefgehendes Aufsehen erregt. Wenn wir diesem geseßlichen Unrecht mit einer gewissen Zuversicht gegenüberstehen können, fo liegt das in der tiefen Erkenntnis der lebendigen sittlichen Kräfte, die in unserem Volkstum ruhen. Wir sehen mit Ruhe diesen Stürmen, die auf Uns eindringen, entgegen, aber das eine mögen Sie sich gesagt sein lassen: über die Leiche einer Nation geht niht der Weg ¿zum Ideal und wirklichen Fortschritt, er führt zur Barbarei.

Staatssekretär des Jnnern Dr. von Bethmann Hollweg:

Meine Herren! Ih bitte um Gehör für zwei kurze Worte als Erwiderung auf die Ausführungen des Herrn Abg. Fürsten Radziwill. Er hat dem von mir beigebrahien Material die Beweiskraft abs gesprochen, weil, so ungefähr sagte er, ih nach einem gewohnten, aber niht bewährten Rezept mi auf Zeitungsausschnitte bezogen hätte. Meine Herren, ich habe es yeinlich vermieden, beliebige Zeitungs- artikel hier zu zitieren. Ih hätte eine Menge davon gehabt. Ich habe das nit getan, ich habe mich beschränkt auf zwei polnische Zeitungen, den „Wacrus polski* und die „Zjednoczenie“, und das sind nit beliebige Zeitungen. Allerdings, der Herr Fürst Radziwill hat au sie von seinen Rockshößen abgeschüttelt. Er hat ge- sagt, er habe nichts mit ihnen zu tun, er verdamme, was sie schrieben. Ih freue mich, daß er das getan hat, und ih danke ihm.

Aber diese beiden Zeitungen find die sazungsmäßigen (Zurufe von den Polen: Nicht wahr!) der „Wiarus polski* ist der sahungsmäßige (Widerspru bei den Polen) gewesen! meine Herren, gewesen! (Zurufe bei den Polen.) Ich kann nit verstehen. Lassen Sie mich, bitte, aussprehen. 4

Im § 27 der abgeänderten Saßungen des polnishen Gewerk- vereins zu Bohum vom 17. Januar 1904 steht :

Organ der Vereinigung soll der „Wiarus polski“ in Bochum sein (hört! hôrt! rets), » doc können die Vereinigung betreffende Bekanntmathungen auch in anderen Zeitungen veröffentlicht werden. (Hört ! hört! rets.)

Meine Herren, der „Wiarus polski“ ist das Publikationsorgan, und ebenso ist es jegt die „Zjednoczente". Der „Wiarus polski“ ift außerdem, und noch mehr als das, das Publikationsorgan gewesen für das Wahlkomitee, von dem ih Ihnen gesprochen habe, das neben dem Polenbund der Vorläufer gewesen ist für diejenigen Organisationen, aus denen ih die polnishe Berufsvereinigung herausgebildet hat. Nun, wenn i Organe nehme, die die offiziellen Publikationsorgane dieser Berufsvereinigung sind, so sind das nit nebensächliche Organe, so sind das nicht zufällige Zeitungsstimmen, welche darin zu Wort kommen. (Sehr richtig! rechts und bei den Nationalliberalen.) Und ebenso vor- sichtig gewesen bin ih bei meinen Zitaten von Rednern in Versammlungen der polnischen Berufsvereinigung. Auch da hätte ih noch viele andere Redner zitieren können; aber ih habe- mi beshränkt eine oder zwei Ausnahmen habe i vielleicht gemahi auf die Aeußerungen von Beamten der polnischen Berufsvereinigung. Ich bin also sehr vorsichtig gewesen in dem Material, das ich- Ihnen vorgeführt habe.

Nun sagt der Herr Abg. Fürst Radziwill: im Westen drängen sich große Massen polnisher Arbeiter zusammen, sie tun nichts anderes, als si zusammenzushließen, um ihre Nationalität zu be- wahren; wie kann man dem entgegentreten, wie kann man das tadeln und kritisieren! Meine Herren, ich habe mi bisher von jedem Tadel, von jeder Kritik in meinen Ausführungen absihtlich frei- gehalten. Ih habe bloß Tatsahen vorgeführt, ohne sie zu würdigen. SJch habe Ihnen die Tatsache vorgeführt, daß sich in dieser polnisGen Berufsvereinigung die Arbeiter nach ihrer polnischen Nationalität zusammens@hließen. Sie mögen dies tun. Aber ih habe Ihnen weiter gezeigt die Einzelheiten will ich Ihnen nicht nohmals vorlesen —, daß dieser Zusammens{luß in der Schürung des Hasses gegen das Deutschtum seinen Ausdruck findet (sehr rihtig! rechts und bei den Nationalliberalen). Das will ih heute in der Tat ausdrücklih als Gegenstand meines Tadels und meiner Kritik bezeichnen, daß von der polnishen Berufsvereinigung in jeder Weise der Haß unserer polnischen Mitbürger gegen alles, was deuts ist, geschürt wird, daß sie gewarnt werden, trgend einer deutschen Vereinigung beizutreten, sei es gewerk[haftliher, sei es ge- selliger Natur, daß sie aufgefordert werden mit dem Wahlspruch: „Der Seine zu dem Seinen!* bei keinem Deutschen zu kaufen. Und das alles in einem kerndeutshen Lande. Soll das von Ihnen ver- teidigt werden? frage ih den Herrn Fürsten Radziwill? (Sehr rihtig! rets und bet den Nationalliberalen.)

Der Herr Fürst Radziwill hat wiederholt gesagt und ih glaube ihm auf sein Wort —, daß diese Bestrebungen, welche den Haß gegen das Deutshtum predigen, bei ihm keine Billigung finden. Fch wiederhole, ih glaube ihm vollkommen, nur will ich hoffen, er erreicht es, daß die Schürung dieses Hasses gegen das Deutschtum auf- hört. Erst wenn er das erreiht haben wird, wird er das Fundament geschaffen haben, auf dem er Worte von so hohem Pathos an den

Reichstag richten darf, wie er es zum Sÿhlusse seiner Rede getan hat.

Erft dann! (Lebhafter Beifall. Widerspruch und Zischen bei den Polen und Sozialdemokraten. Wiederholter \türmischer Beifall rechts und bei den Nationalliberalen.)

Abg. Ledebour (Soz.): Ih war auf das hödhste überrascht, daß irgend jemand es wagen würde, si{ch darüber zu beschweren, daß wir niht mehr Beschwerden vorgebracht hätten. Selbst der Staats- sekretär mußte zugeben, daß ihm eine Fülle von Beschwerden zugegangen sei. Troß alledem stellt sich der Abg. Dr. Junck hier hin und findet es beschämend, daß niht noch mehr Beschwerdèn angeführt wurden. Beshämend is, daß \sich hier ein Ab- geordneter findet, der sich zu einer der sogenannten liberalen

arteien zählt, und sich darüber entrüstet, daß er kein Gefühl ba welche skandalösen Zustände in der Verwaltung daraus heryor- gehen, daß so viele Beschwerden über die Handhabung des Gesetzes haben vorgebracht werden müssen. Das zeigt, wie ihm ¡jedes staatsmännische Gefühl fehlt, wie ihm das Ghrgefühl des freten Mannes abgeht. (Vizepräsident Kaempf: Sie haben einem Mit- gliede des Hauses das G dbgesprochen.) Das Chrgefühl eines freten Mannes . - - (Vizepräsident Kaempf: Ih rufe Ste deshalb zur Ordnung!) Die bisherige Praxis der Behörden hat in Sachsen das Vertrauen der Bevölkerung auch zu den Gerichten er- chüttert. Die Leute beschweren sich überhaupt selbst bei dem unglaublichen Nerhalten der Beamten, die in der frivolsten Weise Versammlungen auflösen, gar nicht mehr. Sie erklären einfa: es nügt ja gar nichts; wir wissen, daß wir doch unrecht bekommen. Daß Sie (zu dem sächsischen Bundesbevollmächtigten Geh. Rat Dr. Fischer) anderer Ansicht sind, bezweifle ih gar nicht; ih \prehe

von denjenigen, welhe dur diese Vorkommnisse direkt betroffen worden find. Die Abgg- Sunck und Müller-Meiningen haben ein Loblied auf das Geseß angestimmt und gemeint, auch die Sozial- demokraten müßten voller Begeisterung dafür sein. Das Geseh hat tatsählich eine Reihe von Verbesserungen für einige deutsche Staaten gebracht, für Süddeutschland aber und selbst in einigen Punkten für Preußen hat es Verschlechterungen gebraht. Das Ent- sceidende ist, daß es verkoppelt ist mit einem Ausnahmegesetz egen einen Bevölkerungsteil, der etwa 4 Millionen zählt. Dieses Nusnabmegesch macht uns das Vereinsgeseß vollkommen unannehmbar, und wegen dieser Verkoppelung unterschreiben wir noch heute den von anderen Herren früher gebrauchten Ausdru, daß es eine Schande ist, daß dieses I überhaupt zustande kommen konnte. Die Block- mehrheit ist ja bei der Durdornouag des Gesetzes die Mitshuldige des Staatssekretärs ; wenn die B ockmehrheit dem Staatssekretär ein Nertrauensvotum erteilen will, fo fommt mir das gerade #0 vor, als wenn die Firma Tippelskirch u. Co. dem Staatss minister von Podbielski ein Zeugnis dafür ausstellen wollte, daß er ein hohgebildeter und Jelbstloser Staatsmann sei. as Gese läßt der Verwaltungspraxis, läßt den Beamten, Lands räten und Gendarmen einen viel zu großen Spielraum. Das ist ja der Fehler, daß man glaubt, die Befugnisse der Beamten nicht genau umgrenzen zu können, daß man nur in allgemeinen Umrifsen oll- maten fixiert und alles übrige den Gerichten überläßt. Das muß \{chließlichz zum Willkürregiment der Bureaukratie führen. Ganz natürli gewöhnt sich dann die Mehrzahl der ausführenden

Beamten an, die möglihst \{ärfste Auslegung, die den Volks- freiheiten möglidhst entgegengeseßte andhabung anzuwenden j Je der ation ¿u

Betreffende doch \chließlich allen alls nur eine E erwarten. Die Beamten wissen auch, daß für ihr Ayancement nichts vorteilhafter ist, als wenn sie die Geseßze möglichst {rof anwenden; wenn sie milde verfahren, dann laufen sie Gesahr, abgeseßt zu werden. Die erste von meinem Freunde Brey vorgebrahte Beshwerde ging von einer Dame aus. Der Staats- sekretär hat cAN nah seinen Informationen sei das Ver- halten des Betreffenden gerechtfertigt, weil während des Vor- trages der Dame gesGlem Se Dinge zur Sprache gebraht worden seien. Die Dame reibt, fie habe am Schlusse ibrer Ausführungen auch ein Streifliht auf die Hamburger Verhältnisse im Sinne der Bestrebungen der abolitionistischen Föderation werfen wollen. Das scheint mir denn doch den Beamten keineswegs zu rechtfertigen, und es bleibt bestehen, daß die Dame ungereht behandelt worden ist. Der weitere Fall, daß ein Polizeibeamter, der Bürgermeister von Thorn, die Gastwirte aus bau- und feuerpolizeilihen Gründen aufgefordert habe, von jeder Versammlung 24 Stunden vorher ihm Anzeige zu erstatten, soll durch die NRektifikation erledigt sein. Wie sich solche Beamten au solhen Rektifikationen gegen- über verhalten zu dürfen glauben, ergibt ih daraus, daß der- selbe Beamte erst vor wenigen Tagen mit derselben Motivierung demselben Wirt die Abhaltung einer Versammlung verboten hat. In Falkenberg in der Mark untersagte der Amtsvorsteher von Alvens- leben, dem bekannt wurde, daß in mehreren Orten Bersammlungen abgehalten werden follten mit dem Thema: „Die Fee eines früheren Gemeindevorstehers“, einfah die Versammlung un drohte eine Strafe von 100 4 an. Das is doch die reine Paschawirtschaft, d. h. wie sie früher in der Türkei Mode war. Wir rieten dem Wirt, si einfach um den B nit zu kümmern; er war au so vernünftig, und bis heute hat der Pascha von Alvensleben noch nihts weiter von {i hören lassen. Ich frage den Staatssekretär: Was eshieht mit einem Amtsvorsteher, der fich eines solchen unglaublihen mtsmißbrau(s shuldig mat ? Da müßte doch ein Exempel statutert werden. Der Reichstag hat si geweigert, die Begriffé „Oeffentlichkeit“ und „politishe Angelegenheit“ zu definieren ; daraus ‘entstehen diese Uebergriffe. Wenn man sagt, das läßt si nicht definieren, dann darf man eben Gesege mit solchen Kautschukbegriffen nicht erlassen. Aber noch in diesen Tagen hat der preußishe Ministerpräsident, um seiner \{wankenden Kanzlerherrlihkeit cine neue Stütze zu geben, sh bei den Konservativen einzuschmeiceln versucht und seine Bereitwilligkeit zu neuen Ausnahmegeseßen ca die Sozialdemokratie zu erkennen gegeben. Wenn er das Ausnahmegeseß als möglich hinstellte, sobald die Negie- rung die Ueberzeugung gewonnen habe, „daß die vorhandenen Mittel f bei einer starken E Anwendung niht mehr ausreichen“ o liegt darin geradezu ein Appell an die Beamten, die Geseßze sta und furchilos gegen die Sozialdemokratie anzuwenden und die Soztal- demokratie unter Mißbrauch des' Gesetzes zu \{hikanieren. Mit den- selben Gründen, wie - die Anwendung des Sprachenparagraphen au die polnischen Berufsvereine, könnte der Staatssekretär 2A ein Ausnahmegeseß gegen die Sozialdemokratie Der Staatssekretär selbst Hat allerdings ein gutes Herz, aber wenn er Material gegen landslose internationale Sozialdemokratie haben will, so braucht er ch nur an ten Reichskanzler zu wenden; der wird ein Aus- nahmegesez son begründen. Eventuell brauchte man sich nur ver- trauensvoll an den Abg. Müller-Meiningen zu wenden, der würde einen Kommentar \chreiben, daß das Gesez nicht das will, was es sagt, sondern daß es will, was der A Bt und der Staats- sekretär von Bethmann Hollweg sich gedaht haben. Der Abg. Roeren hat bereits diese erstaunlihe Auslegung des Sprachenparagraphen nah- gewiesen, und der Abg. Gothein hat abermals festgestellt, daß eine ganze Anzahl von Freisinnigen nicht für das Gesey gestimmt hätten, wenn fie diese Auslegung gekannt hätten (Abg. [le r-Meiningen ruft: Namen nennen !) Ich habe keine Veranlaffung, die Namen zu nennen, ih kenne sie niht, wenden Sie sh an Ihren Parteifreund Gothein. Diese Dissidenten hätten genügt, um das Gese zu Fall zu bringen. Im Plenum i} niemals von den Vertretern der Mehrheitsparteien Dder von dem Staatssekretär eine vollkommen unzweideutige Auskunft gegeben worden, ob der Sprachenparagraph auf die polnishen Berufs- vereine angewendet werden soll. Der Staatssekretär hat nur gesagt, daß er seine Erklärung, daß die Berufsvereine nicht unter den Syprachenparagraphen fallen, nicht auf die christlih-sozialen Berufs- vereine beshränke. Es hieß sodann, in der Kommission seten Aeußerungen gefallen, aus denen sich deuten lasse, daß die Regierung die polnischen Berussvereine nicht ausnehmen wolle von dem Spracenparagraphen. Was gehen mih aber Privatgesprähe auf Hinterireppen oder au in einer Kommission an, wenn ihre Bes deutung niht im Plenum festgestellt ist. Der Abg. Müller-Meiningen hatte damals flar gefragt, aber der Staatssekretär unklar geantwortet und dann sogar auf die wiederholten Fragen metnes Freundes Hue und von mir überhaupt geschwiegen. Der Staatssekretär hätte mindestens in der dritten Lesung in einer so wichtigen Sache klare Auskunfl geben müssen. Wie würde wohl ein deutsher Richter mit einem Manne ab- fahren, der unter solchen Bedingungen, wie der Staatésekretär von Beth- mann es fertig gebracht hat, einen Kontrakt zustande brächte? Der Mann würde verurteilt oder mindestens der Kontrakt für nichtig erklärt werden. Wie dieses Geseg zustande gebracht ist, das verträgt h nit mit der Offenheit, Klarheit und Rechtlichkeit, die im parla- mentarischen Verkehr beim Zustandekommen von Geseßen herrschen soll Der Abg. Roeren hat hon den Kommentar des Abg. Müller per» lesen. Daraus geht hervor, daß die Gewerkschaften gleihmäßig be- handelt werden sollten. Das haben nit bloß die Polen, das Zentrum und die Sozialdemokraten, sondern sogar freisinnige Blätter \o- aufgefaßt, und wenn der Abg. Müller das anders gemeint haben wollte, dann mußte er es vor allem in seinen Kommentar hinein- schreiben. Was verstehen Sie (zum Abg. Müller gewendet) denn ergentlih unter einem Kommentar? (Zurufe.) MReizen Sie den Abg. Müller nicht, einen neuen Kommentar zu {reiben Klarer wird die Sache in seinem Kopfe und in seiner Feder niht. Der Abg. Roeren warf dem Abg, Müller einen unglaublichen logischen Salto mortale vor, um sich aus der Affäre zu ziehen. Wie suht nun der Abg. Müller zu beweisen, daß er die politischen Berufsvereine niht gemeint du wenn er sagt: „Gleichviel welcher politishen Richtung“. r schreibt : ih hatte nur an die gesamten deutshen Gewerkyereine gedacht. Gr schreibt zu dem Kommentar in der „Frankfurter Zeitung“ weiter: Jch hatte dahin nur alle politischen, d. h. fozialpoliti\chen und parteipolitishen Richtungen dieser Bewegung im Auge, nici

begründen. viel zu die vater-