1909 / 33 p. 9 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 08 Feb 1909 18:00:01 GMT) scan diff

T Ar a A mat nt er m Pm prt O R

Sh 2A Lp e: B: t D: O Lud, us L, D A R I D R E R A TRER T E R Ct 4

R R

R RR

D

zum Deutschen

M2 Be :

R ————————

(Séhluß aus der Ersten Beilage.)

Abz. Leinert (Soz.): Es ist bedauerlich, daß eine Menge erste Raten gestri@en worden sind. Die Justizverwaltung sollte in ider Eraenwärligen Krisis die Arbeitslosigkeit nicht noch verm-hren. In

agdeburg werden beim Bau eines Justizgebäudes nur Gefangene be- shäftigt; ih möchte an ten Jastizininister das dringende Grsuchen xihten, Arbeiten, die unbedingt den freien Arbeitern zustehen müssen, nicht durch Gefangene verrichten zu lassen. Bedauerlich ist, daß man den neueingerihteten Jugendgerihtshöfen nicht diejenige Freundlichkeit entgegengebrat hat, die fie doch verdienen. Wir wollen nur wünschen, daß die Jugendgerihtshöse auch wirklich den Zweck erfüllen, den fie er- füllen follen. Wir haben aber Urteile, die wirklih über ‘das hinaus- gehen, was man mit dem gesunden Menschenverstand für mögli halten ann. So wurden ein zwö!fjähriger Junge und seine dreizehnjährige Swwester zu einem Jahr Gefängnis verurteilt, weil sie auf ein Straßen- bahngleis Steine gelegt hatten. Als ein N egna tg enee esu ein- gereiht war, {stellte fich heraus, daß das Mädchen | wahsinnig war. Von einem kleinen Mädchen in Dortmund nahm das Gericht das Bewußtsein der Strafbarkeit an, weil es die Gebote und einen der Artikel des sogenannten Glaubensbekenntaisses hersagen konnte, obwohl es ein ganz zurückgebliebenes Kind war. Im heutigen Klafsenstaat gibt es vor Gericht keine Gleichheit ohne Ansehen der Person und tez Standes. Die herrishe Sprache, die gegen die Arbeiter geführt wird, wird immer milder, je höher der Angenagle steht. Ein Fürst als Verbrecher wird mit außerordentlicher Liebens- würdigkeit behandelt. Fürst Eulenburg durfte seine Familie in der Verhandlung zur Seite haben, er konnte. mit seinen Angehörigen spazieren fahre usw., Vergünstigungen, die ein Arbeiter nie erhalten âtte.- Er wurde. als „Herr Angeklagter“ angeredet, während es in amtlichen Sriftslücken hieß: „Dem Liebknecht wicd mitgeteilt“. In der Strafanstalts\tatistik werden die Frauen durchweg berabseßend mit „Weibern“ bezeichnet. Die Verurteilung unseres Genossen Marquardt in Königsberg wegen Majestätsbeleidigung zu 15 Monaten Gefängnis ist auf freisinnige Denunziation an den Haaren herbeigezogen und Tediglih darauf zurückzuführen, daß er Sozialdemokrat ist. Da- gen werden die Unternehmer sehr milde behandelt. Der Sewerbeinspektor in Hildeéheim führt zahlreihe Unfälle auf die geringe Bestrafung der Arbeitgeber für Uebertretungen der geseßlihen Arbeitershußbestimmungen zurü, Selbst das ammergeri(t hat sch über die milde _ Bestrafung von ergeben gegen die Arbeiterschupbestimmurgen gewundert und dies in einem Urteil ausgesprochen. benso milde werden Arbeitgeber be- straft, wenn sie Arbeiterbeiträge zu den Krankenkassen veruntreuen; in einem Fall ist ein solcher Arbeitgeber nur zu 9 4 Geldstrafe ver- urteilt worden. Es ist ferner vorgekommen, - daß für Gerichtskosten oder gar Anwaltskosten der Arbeitslohn gepfändet worden ist, was ungeseßzlih ist. Der § 153 G.-D. ist ursprünglich nur beim Sireite zwishen Arbeitgeber und Arbeitgeber oder zwischen Arbeitern und Arbeitern angewendet worden, jeßt wird er aber auch gegen die Arbeiter im Kampfe gegen die Arbeitgeber angewandt; wenn die Arbeitgeber gegen ihre Arbeiter einen Zwang gebrauchen, heißt es natürlih immer, sie hätten in der Notwehr gehandelt. -Bet einer Rauferei wurden harte Strafen ausgesprochen, weil es sicch um politi- sen _Parteihaß, also um eine niedrige Gesinnung handle. „Klassenjustiz“ if allerdings für diejenigen bloß ‘ein Swhlag- wort, die nit darunter zu leiden haben. Tatsache ist aber, daß die Staatsanwälte gegen die Arbeiter besonders hohe Strafen beantragen. Es ist auch leider Tatsache, daß das Zeugnis eines Schußmannes mehr gilt, als das eines Z'vilisten, In Hannover hat ein Staats-

. anwalt ‘die Strafverfolgung eines Shußtmannes wegen Mißbandlungen *

{hon daraufhin abgelehnt, daß er ohne weitere Untersuchung die Aus- Jagen des S mannes für glaubhaft hielt. Der Justizminister ollte au dafür sorgen, daß diejenigen, die si bei den leßten Wahl- rechtédemorstrationen am Sonntag in Hannover Strafbares zu \{ulden haben kommen lassen, bestraft werden, das war aber nit das Publikum, sondern die Polizei. Die Justiz ift das fur{tbarste Werkzeug, um ‘die Autorität der besigenden Klassen ¿zu [{chüß?n. (Oho! rechts.) Sie (nah rech!s) sind doch der Anschauung, daß die Justiz Jhre Anschauungen zum Ausdruck zu bringen hai. Der Justizminister sollte aber eine Anweisung geben, daß die Rehtsprehung mehr in sozialem Geiste erfolce.

Justizminister Dr. Beseler:

Einige kurze Bemerkungen zu den Anführungen der Abgg. Cafsel und Peltasohn möchte ih machen, ehe ih eine weiter? zu denen der legten beiden Redner hinzufüge. Aus den gründlichen Darlegungen des Abg. Cassel möchte ih nur datjenige berührer, was er über das Examen und die Vorbereitung ter jungen Juristen gesagt hat, weil, wie mir cs sien, unter den vielen sehr beahtenswêrten Anregungen es diejenig? war, auf welche er am meisten Gewicht legen wollte. “Meine Hezren, es ist ein sehr schwieriges Thema, welches der Herr Abgeordnete damit berührt hat. Es sind schon früher eingehende Er- wägurgen angestellt worden, um einen richtigen Vorbildungsgang, einz richtige Examensart zu finden, um der Aufgabe des Staates, gute Beamte vorzubilden, zu entsprehen. Die Ansichten sind dabei außer- „ordentli weit auseinander gegangen, und das hat sich noch dadurch gesteigert, daß neuerdings beinahe aus allen Kreisen Amegungen kommen, man möge doch au speziell diesen oder jenen gefonderten Beruf mit berückfhtigen bei der Vo:bildung derjenigen, welche später die juriflisGe Pcüfung ablegen wollen. Jch babe mir immer gesagt, daß bier eine gewisse Beschränkung geboten isi; denn wenn man zu weit geht, führt das zur Oberflällichkeit bei der Vorbildung; die rihtige Grenze zu zieken, iff unser Bestreber, aber eine s{chwierige Aufgabe.

Was speziell das Examen betcifft, so glaube i, den Herrn Abgeordneten dahin verstanden zu haben, daß er es zu {wer findet. Ich kann ni&t fagen, daß dies niemals zuträfe; es ist mögli, daß ‘Hier urd da ‘die Anforderungen zuweilen etwas höher ges{hraubt werden, als gerade erforderlich wäre. Aber im großen und ganzen, glaube ich do, daß das Richtige getroffen wird. Wie sich nun die Teßte Neuerung einbürgern und eniwickeln, wie sie wirken wird, das können wir beute noch nit fagen. Jett cine große Kommission ein- zuseßen, wie der Herr Abgeordnete es als wünschenswert andeutete, wäre ein Schritt, der zu sehr weitläufigen Erörterungen führen müßte, und ih muß zunächst ia Erwägung rehmen, ob dies zurzeit angezeigt sei; heute kann ih eine bestimmte Antwort nicht geben. Der Herr Abg. Peltasohn kat auf eine Anordrung hingewiesen, die meinem Geshmackëck nicht entsprehen würde. Er hat gesagt: es würden namentli über bie Afsefsoren Zeugnisse ausgestellt und naher benußt um ihre Qualifikation dana zu beurteilen. Gine allgemeine Anordnung don der Zentralstelle ist dahin niht ergangan. Die Zentralstelle

s auf die Berichte der Oberlandesgerihttpräsidenten und der Land-

Zweite Beilage

Berlin, Montag, den §8. Februar

gerihttpräfidenten angewiesen. Diese haben \sich ihre Kenninis der einzelnen zu \{affen, weil der Minister selber unmögli einen jeden aus eigener Kenntnis beurteilen kann. Ina welcher Weise sich die Herren aber ihr Urteil bilden wollen, muß ihrem Takt überlassen bleiben. IYH würde es nicht für richtig halten, hier gewissermaßen Sulzeugnifse ausstellen zu lassen (sehr rihtig!), sondern die Präsidenten, namentli die Landgerichtspräsidenten, sind sehr wohl in der Lage, ih an die Orte zu begeben, wo die Herren arbeiten, um durch Ein- sicht in ihre Arbeit und durch Beiwohnung bei ihren Verhandlungen ih ein Urteil zu bilden. (Sehr richtig!)

Der Herr Abgeordnete hat dann eine Frage an mich ge stellt wegen der sogenannten Nur-Notare, also derjenigen, die das Notaramt ausüben, ohne Rechtsanwalt zu sein. Es ist dies eine Einrichtung, die in einem großen Teil ‘unseres Staates namentli in der Rheinprovinz, besteht, und dort nur da durchbrochen ist, wo die Verhältnisse es dringend erfordern. Ich kann nicht sagen- daß schon abs@ließende Erfahrungen über die jeßt eingeführten Neuerungen vorliegen, aber im großen und ganzen \ind die bisher ein- gegangenen Berichte in dem Sinne ausgefallen, daß die mit großer Vorsicht in das Leben gerufene teilweise Neugestaltung viel für ch zu! haben \s{eint. Abshlizßend urteilen kann ich noch niht; aber ich werde auf meinem Wege weitershreiten und mein Urteil dur weitere Erfahrungen zu bilden suchen. :

Der Herr Abg. Mizerski hat \ich sehr ablehnend gegen die Gerichte ausgesprohen. Es ist das nicht das erste Mal, daß in diesem hohen Hause aus der Partci des Herrn Abgeordneten derartige Beurteilungen der richterlichen Tätigkeit erfolgt sind. Ich

‘Tann au heute wie sonst nichts anderes antworten, als daß die Ge-

richte dem Geseh unterstehen, und nur dem Geseß, und daß sie ihr Urteil abzugeben haben ihrer Pflicht gemäß nach befter Ueberzeugung der Richter. Ih bin nicht in der Lage, die Fälle, die der Herr Abgeordnete erwähnt hat, und auch den einen, den er etwas ins Lätherliche zu ziehen suchte, naczuprüfen. Es ist hier keine Instanz, die ein derartiges Berufungsverfahrea zulassen würde. Jh kann also weitèr nihts sagen als: ich für meine Person muß annehmen, daß die Gerichte auch die Fälle unter Berücksichtigung aller Verhältnisse nah ihrem besten Ermessen zur Entscheidung gebracht haben.

Der Herr Abgeordnete hat nebenher eine Bemerkung gemacht, und ich will darauf nur kurz eingehen, weil ich nicht Veranlassung nehmen möhte, eine sogenannte Polendebatte hervorzurufen. Gr hat gesagt, es sei den Polen versprohen worden, daß fie bei den Anstellungen ebenso behandelt wzrden sollten wle alle anderen Staatsangehörigen. Das ist ichon mehrfach in leßter Zeit von jener Seite bemerkt worden. - Ganz richtig, ein solches Versprechen ist abgegeben, aber do immer nur unter der selbstyerständlichen Vorausseßung, daß diejenigen, die den- Vorteil genießen wollen, auch die Pflihhten, die damit ver- banden sind, erfüllen (sehr richtig!); wo das nicht der Fall ist, haben fie siherlih kein Net auf sfolhe Vorteile. Was die Anstellungen anlangt, so besteht kein Grundsaß, der, wie der Herr Abgeordnete ans deutete, gegen die Verfassung. verstieße. Wir prüfen die Anstellungs- fragen von Fall zu Fall, und wean ih ein Kandidat für ein Amt nit eignet, gelangt er niht zur Anstellung; geschähe es anders, fo würden die JInieressen des Staates verleßt: werden. (Sehr rihtig !) Diese Fragen sind'ja auÿh wiederholt besprochen worden, die Antwort kann ja nur immer dieselbe sein.

Endlich der Herr Abg. Leinert. (Heiterkeit. ) Ich hatte ja er- wartet, daß von den Herren seiner Partei. ausgiebige Bemerkungen über die Rechtspflege macht werden würden. Wir wissen alle, daß die Gerihte, die Gerichtsbehörden, überhaupt die staatlicen Behörden in sehr s{lechtem Ansehen bei dieser Parte! stehen. (Sehr gut! und Heiterkeit. Abg. Hoffmann: Nicht ohne S@uld!) Ih bin gar nit verwundert darüber, daß hier eine Reihe sogenannter furht- barer Mißgriffe angeführt ist. Der Herr Abgeordnete hat sih gewiß mit den Rechtsfragen auch wissenschaftlih eingehend bes{äftigt; (Heiterkeit) denn es wäre ja sonst cigentlich nicht gut denkbar, daß er so immer etwas von oben herab über bie Tätigkeit einer großen staat- lien Institution urteilte, die do getragen wird von Männern, die ihre Lebensaufgabe darin geseht haben, das zu tun, was Pflicht und Gewissen fle lehrt. (Bravo! und Sehr gut!) Ih will nur auf zwei Punkte hinweisen, die mir- Zweifel erregt haben, ob die juristishen Kenntnisse so weit gehen, - wie man nah der Art des Auftretens doch hätte erwarten dürfen.

Es ist gesagt worden: ein Kind sei zu cinem Jahre Gefängnis verurteilt worden, weil es einen Eisenbahnzug gefährdet habe. Ja, meine Herren, das ist die Mindeststrafe, die das Geseß vorsieht. (Sehr ritig !) Also cs konnte do garnicht anders geurteilt werden, und ih weiß daher nicht, was der Herr Abgeordnete dagegen einzuwenden hat wenn er die Bestimmung überhaupt gekannt hat. (Sehr gut!)

Es ist dann von der ergangenen Verfügung, daß man sich nah dem Vorleben, nah den Umgebungen der Kinder erkundigen sollte, gesagt worden, sie treffe insofern nicht das Nichtige, als man sie au auf Erwachsene erstrecken müsse. Da hat der Herr Abgeordnete den Sinn der Verfügung ganz mißverstanden; denn sie sollte dazu dienen, Feststelungen darüber zu ermöglichen, ob der unter ahtzehn Jahre alte Angesuldigte mit der zur Erkenntnis der Strafbarkeit erforderlidhen Einsicht gehandelt habe. Das beruht auf einer besonderen Vorschrift des Strafgeseßbuchs, die fh aber nicht auf Erwachsene bezieht; es hätte also gar keinen Zweck gehabt, für die ErwaWsenen derartige Anordnungen zu treffen.

Der Herr Abgeordeie hat im Laufe des Vortrags noch einige besondere Punkte hervorgehoben; er hat insbesondere eine ganze Reihe von Prozessen angeführt, zuleßt auch einige aus Hannover. Meine Herren, wir sind doch keine Berufungsinstanzen. (Sehr richtig!) Die Gerichte haben ihren geregelien Instanzenzug durch das Gerichts- verfassungsgeseß; daran sind wir alle gebunden. Natürlich werden alle Vorgänge des Gerichtsverfahrens und der gerichtlichen Tätigkeit au hier zur Sprache gebracht werden können, aber doch nicht mit der Wirkung, daß wir hier gewissermaßen zu entscheiden hätten. Sollen

Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staalsanzeiger.

1909.

die Worte des Herrn Abgeordneten für mih bestimmt sein, so bin ih sier nit zuständig zu sagen: die Gerichte sollen so und so verfakren. (Zuruf bei den Sozialdem.: Staatsanwalt!) Auch dieses Haus ist kein Gecihtshof. Da bleibt s{ließlich nihts übrig, als daß der Herr Abg. Leinert für seine Person eine eigene Instanz bilden will für alles Gerichtliche (Heiterkeit; Rufe bei den Sozialdem.: Au! au!), daß er entscheiden will, was rihlig sei und was niht. Ih glaube nit, daß wir seinen Worten uns ohne weiteres fügen würden. (Sehr rihtig! Ruf bei den Sozialdem, : Die Staaisanwälte können Sie anweisen!) Das weiß ih! (Große Heiterkeit.)

Damit wären wohl eigentlich alle die Einzelheiten abgetan, die der Herr Abgeordnete vorgebracht hat (Rufe bei den Sozialdemokraten: Sehr bequem!), hon deshalb, weil wir sie garniht nahprüfen können. (Sehr richtig!) Das sind alles einseitige Angaben, einseitige Vors träge, einseitige Darstellungen; kein Gericht der Welt würde danach ein Urteil fällen können, sondern würde nur sagen: so sagt eine Partei. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Nun widerlegen Sie!) Nein,

Aber auf eins möchte ich eingehen: auf die Prozesse in Hannover. Der Herr Abgeordnete hat mir gestern mitgeteilt, er würde sie berührende Fragen zur Besprechung bringen; ich habe darauf, da die Zeit etwas kurz war, mi mit einer telephonishen Auskunft über die Vorgänge begnügen müssen, derentwegen nament- li die Shußleute von dem Herrn Abgeordneten getadelt worden find. Das sind Fälle, die im wesentlichen noch s{chweben; rechtlich entschieden ist nur der eine, in dem die beiden Schußleute verurtetlt worden sind, sie haben ein Gnadengesuch eingereiht, über welches bisher noch keine Entscheidung getroffen is. In dem Verfahren, welches zu einer Freisprehung führte, ist das Urteil aufgehoben und das Gericht muß nohmals entscheiden. In dem Falle, wo ein Meineid geleistet sein foll, ist Wiederaufnahmeantrag gestellt, darüber {weben noch Ermitilungen. Die Sache liegt also zurzeit auch hier nit anders, wie bei den anderen Fällen, sodaß sich nihchts weiter sagen läßt. Ih hätte das alles übrigens zwar niht erwähnt, wenn der Herr Abgeordnete niht auch auf die Vorgänge gekommen wäre, die fh kürzli in Hannover ereignet haben, und ta mödhte ih wiederum betonen, daß derartige Straßendemonstrationen do das aller- unglücklichste sind, was vorgenommen werden kann (sehr richtig! rets. Zuruf bei den Sozialdemokraten: Sind ja garniht beabsi@tigt gewesen!), und daß man es im höchsten Grade bedauern muß, daß eine große Zahl urteilsloser Leute verführt wird (sehr ritig! Zuruf bei den Sozialdemokraten: Ist ja garnicht ‘wahr!), zu solchem nußlosen und unter allen Umständen ganz erfolglosem Vorgehen. (Sehr richtig!) Leider ich habe das \hon bei früheren Gelegenheiten gesagt —, gelingt es ja sehr schwer, diejenigen zu ergreifen, welhe jene Aufzüge hervorrufen. (Sehr richtig! Zurufe bei den Sozialdemokraten: Polizei!) Diejenigen, die auf der Siraße sind, können wir vor Gericht bringen, und sie werden dann auch bestraft, soweit ihre Schuld festgestellt wird und so wird auch in Hannover vorgegangen werden. (Zurufe bei den Sozialdemokraten: Die Schuld der Polizei feststellen!) Wer aber das veranlaßt hat, das wissen wir nicht: erx hat \sich bisher noch nicht gemeldet. (Rufe rets: Leinert! Rufe bei den Sozialdemokraten: Fassen Sie ihn doch!) Damit ist von meiner Seite auch darüber genug gesagt.

Aber einen Punkt muß ih noch hervorheben: Das ift die von dem Herrn Abgeordneten erwähnte Bestrafung wegen einer Majestäts- beleidigung, die in Ostpreußen vorgekommen war. Das war eine Tat, die das paitriotishe Empfinden aller Preußen auf das \{chmerz- lihste verlegt Hat. (Lebhaftes Sehr rihtig! Lachen bei den Sozjial- demokraten.) Es war. der Versuch gemacht, in sehr vorsichtiger Form vorgehend, diese kränkenden, tUef veclegenden Aeußerurgen zu tun, ohne daß eine Bestrafung e:folgen könnte, und der, wel@er so verfahren wollte, hat fich geirrt. ‘(Levhaftes Bravo!) Er war nicht, wie er glaubte, vorsichtig genug gewesen, sondern das Geri@zt nit nur erster Instanz, sondern auch das Reichsgericht hat festgestellt, daß cine Verurteilung, wie sie der Herr Abgeordnete hier erwähnt hat, mit vollem Recht gesehen ist. Ich kann sagen, daß ih das für meine Person als eine durchâus glüdcklide Lösung dieses höchst unerfreulihen Vorgehens angesehen habe (lebhafte Zurufe bei den Sozialdemokraten), dieses höchst uncrfreulicen Vorgehens angesehen habe. (Lebhafter Beifall rets.)

Abg. Strosser (fons.): Der Abg. Cassel hat die Justizverwaltung das Stiefkind des Etats genannt. Wenn in diesem Jahre die Forderungen niht so hoh sind, wie der Justizminister gewünscht bätte, so ist das eben ein Nerdienst des Finanzministers. Uebrigens können w!r in den für Neubauten gefordert-zn Beträgen wirkli keine Sparsamkeit, für die ja - der Reichskanzler fo außerordentli warm eingetreten ift, ecblicken. Aber au an anderen Stellen tes Etals vermissen wir die Sparsamkeit und werden bet Gelegenheit darauf zurückfkfommen. Früher mag ja die Justizverwaltung im Etat etwas stiesmütterlih behandelt worden sein, in den leßten Fahren kann man das ganz gewiß nit mehr behaupten. Für hohe Sustizbeamte sind Paläste gebaut worden, die viel {ner sind als die Wohnungen unserer Minister. Diese Bauten, die über das Bedürfnis erheblih hinausgehen, legen denjenigen, welche darin wohnen, Repräsentationékosten auf, die ihnen gar nit erwünscht sind. In dieser Beziehung muß mehr Sparsamkeit geübt werden. Was der Abg. Cassel über die Repetitorien gesagt hat, können wir in jeder Beziehung unterschreiben. Ih meine auch, daß diese Repetitorien nicht nur von Privatpersonen abgehalten werden sollten, sondern als Ein- richtung der Universität festgelegt werden müßten. Der Abg. Leinert hat ein ganz besonderes Loblied auf die Jugendgerihtshöfe gesungen ; wir sind davon gar niht so sehr begeistert, weil man tatsächlich in neuerer Zeit damit begonnen hat, den Amtisrichtern immer mehr und mehr Gegenstände zu entziehen. Wir wünschen gerade, daß der Amts-- riter vor Cinseitigkeit bewahrt werde. Die Beispiele, die der Abg. Leinert bei seinen Ausführungen über die „Klassenjustiz“ angeführt hat, sind ganz außerordentlih dürftig gewesen. Die Schroffheit vor Gericht findet fich häufig gegen Mitglieder aller Stände und is durhaus nicht nur gegen Arbeiter gerichtet. Daß die Verurteilten niht wie Menschen behandelt würden, ist eine Behauptung, die im allgemeinen in keiner Weise stimmt. Mir sind ‘die Einrichtungen der Strafanstalten ganz außerordentli gut bekannt; Mißgriffe kommen sicherlih nicht mehr vor als in anderen Anstalten auch. Die Behandlung der Gefangenen