1878 / 29 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 02 Feb 1878 18:00:01 GMT) scan diff

Die Rede, welche der Staats-Minister Dr. Frieden- thal in der 55. Sißzung des Hauses der Abgeordneten am 30. v. M. bei Gelegenheit der Berathung über den Antrag der Abgg. Pilet und Dr. Szuman (Adelnau), betreffend die Ueberweisung des dem älteren landschaftlihen Verbande des Großherzog- thums Posen früher gewährten, jeßt zurückgezahlten Kapitals von 600 000 / an die Hülfskasse der Provinz Posen, ge- halten hat, und welche in unserm Berichte (\. Nr. 27 d. Bl.) über jene Sißung nur kurz erwähnt worden is, hat folgen- den Wortlaut:

Meine Herren! Auf die Frage, ob die Provinzial-Hülfskafsen zur Erreiiung des Zweckes der Befriedigung des Kreditbedürfnisses der bäuerlichen Grundbesitzer in Posen durch Staatskapitalien ver- stärkt werden sollen, habe ich woh: keine Veranlassung mehr einzu- gehen. Diese Frage ist in der Budgetkommission zwischen den Mit- gliedern derselben und den Kommifsarien der Regierung ers{chöpfend erörtert worden; die Gründe, weshalb die Budgetkommission diesem Antrag Folge geben zu sollen niht geglaubt hat, hat der Herr Referent Ihnen vorgeführt. Jh habe nur über denjenigen Theil des ursprünglihen Antrags mich näher zu äußern, welchen die Kommission des hohen Hauses Ihnen unterbreitet. Was meine Stellung zur frage des Kredits des bäuerlihen Grundbesit:es in Posen betrifft, so habe ich früh:r mehrfach Gelegenheit gehabt, mi in diesem hohen Hause darüber auszusprehen, und ih glaube, ih kann auf diese Aeußerungen verweisen. Sie ergeben, wie sehr ih das Bedürfniß anerkenne, und wie hart ich über die Art der Kreditbefriedigung \tets geurtheilt habe und noch heute urtheile, welche als Landeskalamität das Mark des Bauernstandes in Posen aussaugt. Es ift auch von dem Herrn Referenten hervorgehoben worden, daß ich mich bemüht habe, in der Beziehung nicht nur platonisch mich zu verhalten, sondern denjenigen Weg zu gehen, der .nach meinem Dafürhalten am rascesten und erfolgreihsten Das Ziel erreichen sollte, welches ih erreichen will, die Begründung eines genossen taftlihen Kreditinstituts für den Rustikalstand in Posen im Anschluß an die bestehende neue Posener Landschaft. Fch habe zu diesem Behufe und es ift dies erwähnt worden eine Versammlung von Beamten und Notabeln zu einer Kon- ferenz zusammenberufen, und in dieser Versammlung ist in ein- geh-ndster Weise die Frage erörtert worden, ob es vorzu- ziehen sei, im Anschluß an die Provinzialhülfékafse die Be- friedigung des Kredits zu suchen, oder ob es richtiger sei, im Anschluß an die bestehende Posener Landschaft dem Ruftikalstande zu helfen, oder endlich dieser leßte Punkt wurde mehr beiläufig erörtert ob es möglich sei, ein selbstständiges Kreditinstitut jns Leben zu rufen. In leßterêèr Hinsicht bin ih nach alledem, was ich bei Ge- legenheit jener Versammlung hörte und auf andere Weise über die Verhältnisse der Provinz Posen in Erfahrung gebracht habe, zu der Meinung gekommen, daß die Gründung eines {selbständigen genossenschaftlihen Instituts keine Chancen des Gedeihens und durchgreifendéèr Erfolge habe. Wie die Verhältnisse dort liegen, würde ein solches Institut gerade die Basis genossenschaftlicher Thä- tigkeit niht haben, welche zu seinem Flor nöthig ist, daß nämlich die Genossen selbst im Stande wären, durch ihre: eigene Thätigkeit und Umsicht das Institut zu leiten. Es würde darauf hinauskommen, daß diese Leitung in die Hände von Beamten gelegt werden müßte, und es würde gerade dadurch das verloren gehen, was nah meinem Dafürhalten das Wesentlichste und zugleich Erfolgreichste für die Tandwirthschaftlihen Institute ist. Ferner würde verloren gehen

die Kombination, welche darin besteht, daß dieselben Personen zugleich Schuldner und Verwalter des Instituts sind, was zur Folge hat, daß die Institute dieser Art abweichend von Erwerbsgesellshaften ihre Angelegenheiten aus\{ließlich im Interesse der Schuldner verwalten, S natürlich für die Kreditverbundenen die größten Vortheile nach sich zieht. Diese Momente wurden in jener Bersanimlung allseitig a..erkannt und zugleih hervorgehoben, daß der bäuerlihe Grundbesiß allein die genügenden Elemente für eine sichere finanzielle Selbstverwaltung nicht beine,

Es wurde ferner ein Grundsaß acceptirt, den ih ebenfalls vollständig billige daß es ein unrichtiger Gedanke fei, den Grund- besiß in wirthschaftliher Beziehung zu scheiden.

Wollen Sie, meine Herren, eine konzentri]che Thätigkeit in folchen wiuthshaftlihen Dingen, so wird “es gewiß sih empfehlen, daß der kleine und große Grundbesiß in der Solidarität feiner Fn- teressen au organish zum Ausdruck kommt, und wenn wir wirkli hierzu geeignete Gebiete haben, in einer Provinz, wo ohnehin Gegen- säße genug vorhanden find, so würden wir thöriht handeln, wenn wir diese Gelegenheit vorübergehen Tießen, den großen und kleinen Grundbesiß in ‘einem Institut zu: vereinigen, in einem Justitut ge- nofsenschaftliher Thätigkeit mit verhältnißmäßig durchgeführter Selbstverwaltung, wie sie die Landschaften haben und mit gewissen Einschränkungen auch die neue posensche Landschaft besißt. Der Segen, welcher si hieran knüpft, ist zugleich wirthshaftliher und moralischer Natur. Es hebt si bei einem solhen Institut die So- Tidität der einzelnen Genossen, indem ihnen klar wird, daß die gute Wirthschaft im Hause auch zugleih die gute Wirthschaft für die Gesammtheit im Gefolge hat. Diefer moralishe Erfolg, auf den ih gerade bei den Verhältniffen in der Provinz Posen großes Ge- wit legz, würde bei einer mit der Provinzialhülfskafse verbundenen Einrichtung fehlen. Es sind aber noch andére’ Gründe maßg.bend, welche die Provinzialhülfskafsen nicht so erfolgreih wirken lasen können. Vor allen Dingen die höheren - Zinsen. Die Provinzialkasse wird niht zu. einem so niedrigen Zinsfuß Kredit ge- währen können, wie die landschaftlihen Kreditinstitute. Die Mit-

lieder der mehrerwähnten Versammlung, Gen denen mannig- ache Meinungsverschiedenheiten über die Grundlagen des zu tailen- den Instituts vorhanden waren, gelangten nach mehrtägiger Be- rathung dazu, die Gegensäße auszugleihen. Es wurden in einem sehr ausführlichen Protokolle welches übrigens denjenigen Herren, die sih für die Sache interessiren, zur Verfligung steht, die Grundzüge des Instituts niedergelegt. Diese Grundzüge ginaen an den Auss{uß der Landschaft, welcher ihnen im wesentlichen mit wenigen Modifikationen zustimmte. So kam die Angelegen- Pei an die Generalversammlung; bis dahin waren die in Rede \te- enden 600 000 M noch. nit zurückgezahlt, und in der sicheren Er- wartung, daß die Generalversammlung jcne Vorschläge annehmen würde, erhielt ich plößlich zu meinem größten Befremden die Nach- rit, daß der Antrag, allerdings mit einer kleinen Mehrheit von 2 Stimmen, abgelehnt sei; so \heiterten die Bemühungen, in denen die anderen Herren mit mir zu gleichem Ziele sich vereinigt hatten Die Folge war, daß, da der Etat dieses Jahres, der damals in Berathung war, fest- estellt werden mußte, diese 200 000 Thlr. als Einnahmen an die

taatsfafse zurükflossen und in dem Staatssäkel vers{wunden sind. Sie mögen das wenden, wie Sie wollen, der Vorschuß ist nicht mehr in den Händen des Schuldners, und soll eine Súbvention gegeben werden, s0 muß, wie in jedem analogen Falle, durch' Gesetz für einen bestimmten Zweck eine neue Dotation bewilligt werdèn. Eine andere Form läßt fich hierfür na unserer Verwaltung und unserem Finanz- recht durchaus nicht finden.

Nun, meine Herren, von selbst versteht es sich wohl, daß meine Stellung zur Sache si durch ‘den béklagen8werthen Gang, den die Sachè' genommen hat, nicht geändert hat. Jh wünsche noch heute mit Ihnen, daß das Institut zu Stande kommt in der Weise, wie ih mir gestattet habe Jhnen vorzuführen und ih halte das mit den Herren Antragstellern für möglih. Ich selbst aber kaun in dieser Sache nichts thun, aus eigener Initiative nichts för- dern, denn Sie werden doch von mir niht erwarten; daß ich den Antrag, den ih“ veranlaßt habe, ganz in derselben Weise, Ae daß irgend ein Novuni eingétre:en ist, wieder vor dieselbe

érsanimlung- bringe. ‘Es bleibt also nichts Anderes übrig, als daß aus der Mitte der Körperschaft das wird niht {wer halten, denn so viel ich weiß, sind in diesem hohen Hause noch Mitglieder,

aufgenommen und zur Verhandlung gestellt wird. Dann komme ih in die Lage, die Sache zu unterstüßen, weil nach der Ver- fassung der posener Landschaft die Staatsregierung die Ta- gesordnung für eine Generalversammlung festzustellen, zu ge- nehmigen hat, daß für einen bestimmten Zweck eine Gene- ralversammlung stattfinde. I erkläre {on heut, daß ih diese Genehmigung geben und mi freuen werde, wenn die Angelegenheit vor eine neue Generalversammlung kommt und dort der bezügliche Antrag angenommen wird. Alfo dies ist die einzige Förderung, die von mir ausgehen kann. Was den Geldpunkt betrifft, meine Pereen, so müssen Sie selbst einsehen, daß i heute völlig außer Stande bin, Ihnen darüber Zusagen zu geben. So liegen doch die Verhältnisse innerhalb der Staatsregierung nicht, daß ich im Stande wäre, für ein Projekt, welches nicht vorliegt und dem gegenüber sich zunächst die Betheiligten ablehnend verhalten haben, antizipirend irgend eine Zrsicherung zu erlangen. Selbst der allergeneigteste Finanz-Minister würde doch niemals in der Lage sein, wenn er nit geradezu alle Eigenschaf- ten eines Finanz-Ministers von sich abstreifen wollte, sih einer solchen Behandlung finanzieller Angelegenheiten gegenüber anders als ab- lehnend zu verhalten. Mag die Körperschaft das beschließen, was sie früher abgelehnt hat. Daß selbstverständlih auf unwesentliche Modifikationen nihts ankommt, brauhe ih niht darzulegen. Es möge die Generalversammlung beschließea, mit dem Beschlusse an mi herantreten, und dann erst werde ih in der Lage sein, die Sache der Staatsregierung zu unterbreiten: dann erst wird es der Staatsregierung mögli hin, sich {lüssig darüber zu machen, ob sie es verantworten kann, ob sie es der Lage der Dinge nach für nothwendig hält, nach dem Inhalte des Statuts und nah den sonstigen Vorausseßungen, die hierbei bestimmend sein müssen, eine außerordentliche Dotation zu beantragen. Auch Sie, meine Herren, E r dann prüfen können, ob die Bewilligung gerecht- ertigt ift.

Ich resumire mi dahin, ich werde, so weit ih kann, die Ange- legenleit unterstüßen, wenn sie aus der Mitte der Korroration in dem Sinne wieder aufgenommen wird, wie sie allein gelö werden kann, und wenn das geschehen iff, wird es meine Sache sein, der t roh dzs darüber Mittheilung zu machen und Vortrag zu halten.

Jm weiteren Verlaufe der gestrigen (57.) Sißung des Hauses der Abgeordneten präzisirte zu 8. 3 des Ausführungsgeseßes zum deutschen Gerichtsver- fassungsgeseß der Abg. Dr. Lasker seine Ansicht über die Beschäftigung der Gerichts-Assessoren dahin, daß der Assessor sih an dem Gericht domiziliren lassen eta wo Geschäfte für ihn seien und ihn der Minister hinschicke, sobald er aber domizilirt sei, brauche er sich von dort nur gegen Entschä- digung fortschicken zu lassen.

Der Justiz-Minister Dr. Leonhardt erwiderte hierauf, die Bestimmung, daß der Assessor bei dem Gerichte beschäftigt werden solle, bei welhem Beschäftigung für ihn sei, sei eine ln shwankende. Uebrigens könne es darauf allein, ob er beschäftigt werden könne, niht ankommen. Es könnten per- sönlihe Rücksichten obwalten, die unter gewissen Um- P die Besaattb niht wünschenswerth machten, elbst wenn Beschäftigung vorhanden sei. Hierüber müsse dem Justiz-Minister die Verfügung zustehen.

Der Abg. Windthorst (Meppen) motivirte hierauf seinen M se der Diskussion eingebrahten Antrag, welcher autet: :

„Die Gerichts- en werd.n nach Anordnung des Justiz- Ministers bei einem Attsgerichte; einem Landgerichte oder mit ihrer Zustimmung bei einer Staatsanwaltschaft innerhalb des von ihnen gewählten Vber-LandeSgerichtébezirkes beschäftigt. Dicselben sind bei den Landgerichten u. #. w. wie Alinea 2 der Regierungè orlage“.

Außerdem beantragte der Abg. Windthorst (Bielefeld) als Zusaß zu dem Antrage Schröter und zu den Vorschlägen Der oui toti, die Verseßung von der Zustimmung des Assessors abhängig zu machen. Der Abg. Krech vertheidigte den Kommissionsantrag und erklärte, daß er auch mit dem Antrage Windthorst (Wieppen) einverstanden sei. Der Abg. Dr. Miquel wies darauf hin, daß {hon nah den Kom- missionsbeschlüssen die Gerichts - Assessoren günstiger gestellt seien als die Verwaltungs - Assessoren. Nach den Anträgen Windthorst (Bielefeld) und Schröter (Barnim) würden die Sten Orte mit Assessoren überhäuft, die übrigen aber zum Nachtheil des Justizdienstes an Assessoren Mangel leiden. Zwelentsprechender sei der Antrag Windthorst (Meppen).

Nach einem Schlußwort des Referenten Abg. Löwenstein wurden sämmtliche Anträge abgelehnt und der Vorschlag der Kommission mit dem vom Abg. Windthorst (Bielefeld) be- antragten Zusaße angenommen.

F. 4 lautet in der Fassung dcr Kommission :

E Richter eins{ließlich der Handelsrihter werden vom Könige ernannt“.

Die Regierungsvorlage lautete :

„Die Präsidenten, Senats-Präsidenten und Räthe der Ober- Landesgerichte, sowie die Präsidenten und Direktoren der Landgerichte werden von dem Könige, die übrigen Mitglieder der Landgerichte, die Handelêrihter und die Amtsrichter im Namen des Königs von dem Justiz-Minister ernannt.“

Der Abg. von Meyer (Arnswalde) bat, die Regierungs- vorlage wiederherzustellen, denn der Kommissionsvorshlag ent- halte eine Verfassungsverleßung; die Verfassung schreibe vor, daß die Richter vom Könige oder in dessen Namen ernannt werden sollen.

Der Justiz-Minister Leonhardt erklärte sein vollständiges Einverständniß mit den Worten des Abg. von Meyer; er halte den Widerspru, den sein Kommissarius in der Kommission gegen diesen Beschluß eingelegt habe, aufrecht.

Der Abg. Dr, Lasker bestritt, daß es sich hier um eine Verfassungsänderung handle. Der Referent Abg. Löwenstein bemerkte, daß die Verfassung für die Geseßgebung nur eine Alternative ausfstelle; welchen von beiden Wegen diese Geseßz- gebung nachher einschlagen wolle, stehe ihr frei.

Das Haus nahm den §. 4 nach den Komnmissions- vorschlägen an.

Jm §. 4a. s{hlägt die Kommission für die Mitglieder der Landgerichte den Titel „Landgerichtsräthe“, für die der Amts- gerichte den Titel „Amtsrichter“ vor.

Die Abgg. Michaelis und Schröter (Baznim) beantragten, den ersteren Titel in „Landrichter“ umzuöndern.

Der Ma Dr. Leonhardt sprach sich gegen jede geseßliche Fixirung der Titel aus; da man aber die Amts- richter mit den bei den Landgerichten angestellten Richtern glei stellen wolle, so müßte man wenigstens in beiden Fällen den Ausdru „Richter“ anwenden.

Für den Titel „Landgerichts-Räthe“ traten die Abgg. Windthorst (Meppen) und Loewenstein ein. Das Haus entschied sich für den Titel „Landrichter“.

daß die Richter andere Titel, als solhe, welche das Amt be-

welch: der Körperschaft entweder als Kreditverbundene odcr Mitglie- der des Ausschusses oder Mitglieder der Generalversammlung ange-

Jn Mig dessen beantragte der Abg. Windthorst (Meppen),

zeichnen, nicht führen dürsten. Gegen diesen Antrag führte der Justiz-Minister Dr. Leon-

hören daß der Antrag aus der Mitte der Körperschaft wieder"

dardt aus, daß nah Art. 50 der Verfassung dem Könige das eht zustehe, Orden und andere mit Vorrechten nicht ver- bundene Auszeihnungen zu verleihen. Uebrigens sei der An- trag im Reichstage bereits abgelehnt worden.

Nachdem si gegen den Antrag noch der Abg. Dr. Miquel und der Referent Loewenstein erklärt hatten, wurde derselbe vom Hause abgelehnt.

Bei §. 5a. „Die Gehälter der Landgerichts-Räthe und der Amtsrichter sind nah gleichen Grundsäßen zu bemessen“, be- antragte der Abg. Michaelis folgende veränderte Fassung : „Die Gehälter und Rangverhältnisse der Mitglieder der Landes- und Amtsgerichte sind nah gleichen Grundsäßen zu regeln!“ Der Referent Abg. Loewenstein konstatirte, daß die Kommission betreffs der Rangverhältnisse beschlossen habe, nichts in das Gese aufzunehmen, weil dies die bisherige Geseßgebung immer vermieden habe. Sie {lage ledigli eine Resolution vor, in welcher die Regierung aufgefordert werde, bei der künftigen Regulirung der Rangverhältnisse der E die Amtsrichter den Landrichtern gleichzu-

ellen.

Der Antrag wurde abgelehnt und 8. 5a. unverändert genehmigt.

g. 5 b. lautet: „Andere Vergütungen als die auf Geseß beruhenden Gehälter und Entschädigungen dürfen den Rich- tern für rihterlihe Geschäfte niht gewährt werden.

Unterstüßungen in Fällen eines außerordent- lichen Bedürfnisses werden von dieser Vorschrift nicht betroffen.“

Der Abg. Windthorst (Bielefeld) beantragte, die gesperrt gedruckten Worte zu streiczen, weil die hier getroffenen Be- stimmungen mit dèr Würde und Jntegrität des Nichterstandes unvereinbar scien. :

Der Justiz-Minister Dr. Leonhardt widersprach der bean- tragten Streihung, da gerade von diesen Unterstützungen oft Leben, Gesundheit und Stellung des Richters abhänge. Wenn der Antragsteller nur einige Monate lang preußischer Justiz- Minister wäre, würde er keinen solchen Antrag stellen.

__ Nachdem noch der Referent Abg. Loewenstein bemerkt, daß bis jeßt bei diesen Unterstüßungen sich noch keine Mißstände gezeigt hätten, zog der Abg. Windthorst (Bielefeld) seinen An- trag zurück. §. 5b. wurde unverändert genehmigt.

H. 5e. lautet: „Landrichter und Amtsrichter als Vor- sißende von Strafkammern an den Sißen der Amtsgerichte erhalten außer ihrem Gehalt eine im Staatshaushalts-Etat gleichmäßig zu bemessende Zulage.“

Der Abg. Wahler (Schweidniß) beantragte, den Para- graphen zu streichen. Der Justiz-Minister Dr. Leonhardt sprach si ebenfalls für Streihung aus, weil hier betreffs der Zulagen lediglih die Justizverwaltung zu entscheiden habe. Nachdem der Abg. Dr. Lasker den 8. 5e. vertheidigt und der Abg. Thilo si dagegen erklärt hatte, wurde der §8. 5c. des Kommissionsbeschlusses abgelehnt. Der §. 6 wurde ohne De- batte genehmigt.

Der §.' 7 lautet nah der Regierungsvorlage: „Die den Kirchspielsgerichten im Lande Hadeln zustehende Gerichtsbarkeit wird aufgehoben.“

Die Kommission schlägt folgende Fassung vor: „Die den Universitätsgerihten und den Kirchspielsgerichten im Lande Hadeln zustehende Gerichtsbarkeit in nicht streitigen Rechtsan- gelegenheiten wird aufgehoben.“

Der Negierungs-Kommissar, Geh. Justiz-Rath Schmidt ersuchte, unter Ablehnung des Kommissions 1ntrages, die Re- gierungsvorlage wieder herzustellen, da die Angelegenheit wegen Aufhebung der Universitätsgerichtsbarkeit am besten bei Verathung dcs Unterrichtsgesetßes entschieden werde.

Nachdem der Abg. Windthorst (Meppen) ih gegen den Antrag der Kommission, aber auch gegen den der Regierung ausgesprochen und der Abg. Köhler (Göttingen) \sich für den Kommissionsantrag geäußert hatte, wurde nah einer Bemer- kung des Referenten Abg. Loewenstein der §. 7 nah der Fassung des Kommissionsbeschlusses angenommen.

Die §8. 8 bis 13 wurden ohne wesentlihe Debatte ge- nehmigt, worauf das Haus um 4 Uhr die weitere Berathung bis Montag 10 Uhr vertagte.

Jn .den deutshen Münzstätten sind bis zum 26. Fanuar 1878 geprägt worden, an Goldmünzen : 1164 439 140 /€ Doppelkronen, 364665 370 #6 Kronen, 26 363 175 6 halbe Kronen; hiervon auf Privatrehnung: 238 163 340 6; an Silbermünzen : 71 653 095 /6 5-Markstücke, 97 810 892 6 2-Markstücke, 145 730 001 4 1-Markstüe, 71486 552 M 60-Pfennigstüde, 35717922 M 80 20:-:Pfennigstücke. Gesammtausprägung an Goldmünzen: 1 555 467 685 6; an Silbermünzen: 422 398 462 A4 80 9.

Die Gensd'armen, welche berufen sind, die Polizei- behörden in Erhaltung der öffentlichen Ordnung zu unter- stüßen, sind, nah einem Erkenntniß des Ober-Tribunals, Senats sür Strafsachen, vom 10. Januar d. J., im Sinne des Strafgeseßbuchs keine Beamten, sondern Mitglieder der bewaffneten Macht, welche im Neichs-Strafgeseßbuch (88. 113, 3, 196, 333) den Beamten gegenüber gestellt und von ihnen unterschieden werden. Der gewaltsame Widerstand gegen einen Gensd'armen in der rechtmäßigen Ausübung seines Dienstes ist daher niht auf Grund des Absag 1 des §. 113 des Strafgeseßbuchs, sondern auf Grund des Absatz 3 desselben Paragraphen zu bestrafen.

Se. Durchlaucht. der Prinz Hugo zu Schönburg- Waldenburg, General-Major à la suite der Armee, hat sih nach seiner Besißung Droyßig in Sachsen zurückbegeben.

Der General-Lieutenant Freiherr von Sell, Com- mandeur der 3. Division, und der General-Lieutenant von Manteuffel, Commandeur der 6. Division, sind zur Ab- stattung persönlicher Meldungen hier angekommen.

Wayern. München, 31. Januar, Bei Fortsezung der Spezialdiskussion über den Geseßentwurf, betreffend den Verwaltungsgerichtshof, in der gestrigen Sißung der Abgeordnetenkammer, veranlaßte noch der vom Aus- {uß gestellte Antrag, dahingehend, daß bei Durchführung der Justizorganisation die Sprengel der Amtsgerichte, Bezirks- ämter und Rentämter möglihst in Einklang gebracht, die Sive derselben thunlihst an die nämlichen Orte bestimmt werden, und die Zahl aller dieser Aemter, soweit es die Jn- teressen. der Staatsangéhörigen Ma, möglichst vermindert werden möchte, eine längere Debatte. Die Abgg. Schels und von Soden beantragten den Zusaß, daß bei der Reorganisa- tion der Kreisregierungen beide Kammern derselben vollstän-

dig getrennt und die Regierungspräsidenten beseitigt werden sollten. Nachdem sich der Staats-Minister von Pfeufer ent-

schiedew gegen die Beseitigung der Regierungspräsidenten er- flärt hatte, wurde der Ausshußantrag angenommen, der be- antragte Zusaß aber mit großer Majorität abgelehnt. eute wurde der von der Staatsregierung beantragte

neue Artikel 36, wona Fragen wegen Abtretungen für Zwecke der Landesvertheidigung niht vom Verwaltungsgerihtshof, ondern vom Gesammt-Staats-Ministerium entschieden werden ollen, mit Zweidrittelsmehrheit angenommen. Qu dem Aus- shußartikel 37, daß der Tag, an welhem das Geseß in Kraft u treten habe, durch cin besonderes Geseß bestimmt werden oll, beantragte der Abg. von Hörmann : daß das Gesetz, so- niht durch béloribéres Gesetz am 1. September 1879 in Kraft treten solle. Der Antragsteller begründete seinen Antrag eingehend und bezeihnete den Ausschußvorshlag als unnüß und unmöglich. Der Abg. Jörg sprach über die Nothwendig- feit einer gleichzeitigen Reorganisation der Verwaltung und erklärte sih deshalb für den Ausschußantrag; dann äußerte er, er werde dem Gescßentwurf zustimmen, weil die neue

nstitution eine Wohlttat für das Volk sei. Für den Aus- chußantrag sprachen noch die Abag. Rittler, von Soden und Schels. Der Staats-Minister von Pfeufer erklärte \sich für den Antrag von Hörmanns und verzichtete zu dessen Gunsten auf die Bestimmung des Regierungsentwurfs, nach welcher das Gesey am 1. Dftober 1878 in Krast zu treten hätte. Der Antrag von Hörmanns wurde jedoch abgelehnt (die ganze Rechte stimmte dagegen) und der Ausschußantrag angenom- men. Bei der Schlußabstimmung über den ganzen Ge- seßentwurf wurde derselbe, wie {hon telegraphish gemeldet, mit 104 gegen 47 Stimmen angenommen.

Sachsen. Dresden, 1. Februar. Die Zweite Kammer trat heute in die Berathung des Geseßentwurfs, Bestimmungen zur Ausführung des Gerichhtsver- fassungsgesetzes 2c. enthaltend. Zu demselben lagen zwei präjudizielle Anträge der Abgg. Freytag und Schreck vor, welche von der Voraussezung ausgingen, daß der Geseßent- wurf unvollständig sei, und von denen der erste Ausfezung der Berathung des Gesehentwurfs und lediglich Beschluß- fassung über einen von. der Deputation gestellten An- trag, nach welhem die Regierung noch um Vor- legung eines Ergänzungsgeseßes ersuht werden soll, ver- langte, der zweite die Regierung ersuht wissen wollte, den jeßigen Entwurf zurüczuziehen und einen ander- weiten Gesehentwurf, welcher die in dieser Angelegenheit mittelst Geseßes zu erledigenden Fragen umfaßt, dem jeßigen Landtage vorzulegen. Nach längerer Diskussion, in welcher der Staats-Minister Abeken die Ueberzeugung der Regierung verfocht, daß der Entwurf ershöpfend sei und es der Vorlegung eines Ergänzungsgeseßes nicht bedürfe, beshloß die Kammer auf Antrag des Abg. Lehmann gegen 11 Stimmen, beide Anträge an dic Geseßgebungs-Deputation zurüczuweisen, wo- dur sih die Berathung des Entwurfs vorläufig erledigt. Jn der Sißung vom 30. v. M. hat die Kammer die Errichtung eines Staatsgymnasiums- in Leip- zig genehmigt und dafür 463,000 A bewilligt. In der gestrigen Sißung wurde beschlossen, die Staats- regierung zu ersuhen, das die Landestrauer be- treffende Mandat, vom 16. April 1831, einer Revision zu unterziehen und hierbei Qu bestimmen, daß die Einstellung der Musik und öffentlichen Lustbarkeiten bei Landestrauer im ein- zelnen Falle durch Verordnung bekannt zu geben sei, und zwar beim Tode des Königs in Dauer von nicht über 10, beim Tode der Königin, einer verwittweten Königin und des Kronprinzen, wenn er das 21. Jahr zurückgelegt hat, in Dauer von nicht über 5 Tagen.

Anhalt. Dessau, 31. Januar. Der Landtag, dessen Einberufung durch den „Staats-Anzeiger“ bereits erfolgt ist, wird am 14. Februar zusammentreten und seine Thätig- keit mit der Berathung der Finanzvorlagen beginnen.

ern anders bestimmt

werde,

Oesterreich-Ungarn. Pest, 1. Februar. (W. T. B.) Jm Unterhause wurde heute die Debatte über das Han dels- bündniß fortgeseßt. Lonyay sprach sich in längerer Nede für die Aufrechterhaltung des gemeinsamen Zollgebietes, aber zugleich für eine treigändlerische Richtung aus und stellte den Antrag, die Verathung so lange zu vertagen, bis genügende Daten über den Handelsverkehr Ungarns mit dem Auslande und mit Oesterrei beigebracht seien und die Regierung aufzufordern, daß inzwischen die zur Verlängerung des Status quo erforder- lichen Schritte eingeleitet würden.

Schweiz. Basel, 1. Februar. (C. Ztg.) Der Bundes- rath hat die internationale Konferenz zur Berathung eines allgemeinen Eisenbahntransportrechtes auf den 13. Mai nah Bern einberufen.

Frankreih. Paris, 31. Fanuar. Pu C.) Hr. Albert Grévy hat dem Wahlenquete-Ausshusseder Depu- tirtenkammer eine Depesche mitgetheilt, welche ihm von den Mitgliedern der Subkommission zugegangen ist, die sich als die erste ihrer Art zu weiteren Erhebungen nach den süd- westlichen Departements begeben hat. Diese Abgeordneten melden, daß sie überall, und namentlich auch in La Rochelle, Seitens der Behörden die entgegenkommendste Aufnahme und bei den Zeugen die érfreulichste Bereitwilligkeit gefunden haben. Von La Nochelle sind diese Delegirten nah gegangen. Die Deputirtenkammer votirte heute das {hon vom Senate angenommene Geseß, welches dem S teung die Ermächtigung, die Pcägung von silbernen Fünffrankenstüccken einzustellen, bis zum 31. März 1879 verlängert ; ferner in erster Lesung den Geseßentwurf, betreffend die Bedingungen, unter welchen fortan außerordentliche oder Nachtragskredite eröffnet werden dürfen. Darauf wurde die Budgetdebatte wieder aufgenommen.

Versailles, 1. Februar. (W. T. B.) Fn der heuti- gen Abendsißung der Deputirtenkammer wurde ein hef- tiger Zwischenfall dadur hervorgerufen, daß der Deputirte Faure von der Rechten seinen Plaß verließ und ein Mit- eie der Linken provozirte. Als hierauf der Ordnungsruf

eantragt wurde, verließen die Mitglieder der Rechten den L E Rouher verlangte, daß die Majorität nun- mehr aufhöre, Wahlen für ungültig zu erklären, und zu ernsteren Angelegenheiten übergehe. Gambetta verwahrie die Majorität gegen den Vorwurf der Parteilichkeit und des Partei-

Unwillen Europas gegen Frankrei erregt hätten. (Wider- spruch.) Rouher griff darauf die offiziellen Kandidaturen an. Gambetta machte Rouher den Vorwurf, die mexikanische Expedition und den Krieg von 1870 verschuldet zu haben, und bezcihnete die Jraperialisten als „Schmaroßer“ und „Kammerdiener“ des Kaiserreihs. Rouher bestritt seine Mitschuld an den Unglücksfällen des Krieges von 1870/71 und behauptete, daß durch die Thorheit und Unüberlegtheit der Republikaner zwei Provinzen für Frankrei verloren ge- gangen seien. S@ließlib wurde auf einen aus der Mitte der Linken gestellten Antrag die Sißung geschlossen, um Rouher dadur das Wort zu entzichen.

Italien. Rom, 1. Februar. (W. T. B.) Der König hat heute den französishen Botschafter, Marquis de Noailles, den spanischen Gesandten, Graf Coelho de Por- tugal, und den belgischen Gesandten, van Leo, welche ihre Beglaubigungsschreiben überreichten, empfangen.

Schweden und Norwegen. Christiania, 29. Ja- nuar. (H. C.) Am Freitag, den 1. Februar, wird das norwegische Storthing eröffnet werden. Die wichtigste Frage, mit welcher dasselbe sich in bevorstehender Session zu beschäftigen haben wird, betrifft die neue Steuerauflage, welche der finanzielle Status des Landes nothwendig macht.

Der russisch-türkische Krieg...

St. Petersburg, 1 erar, (W. D. B.) Die „Agence Russe“ schreibt: Auch hier liegen keine direk- ten Nachrichten betreffs des Waffenstillstandes vor und man ist sehr erstaunt darüber. Nach den leßten direkten Nachrichten aus Konstantinopel war der telegraphische Befehl des Sultans, die Präliminarbasen anzunehmen, am 25. F zanuar von dort abgegangen. Das leßte Telegramm des Großfürsten vom 27. erwähnt nicht, daß die türkishen Bevoll- mächtigten diesen Befehl erhalten hatten. Man muß daraus ließen, daß der Befehl wegen des langen Umwegs, den der- jelbe zu nehmen hat, noch niht angekommen war, denn die formelle Jnstruktion der Kaiserlih russishen Regierung ging dahin, über den Waffenstillstand zu verhandeln, sobald die Annahme der Präliminarbasen erfolgt sei. Die mehrfach erwähnte österreihische Note beshränkt sih darauf, - den Vorbehalt des Rechtes Oesterreichs ju konstatiren, an dem Ab- {luß des definitiven Friedens theilzunehmen ein Recht, das von Rußland niemals bestritten worden ist. Sollte eine Konferenz in Vorschlag gebraht werden, so wird Rußland dagegen keinen Einspruch erheben.

London, 1. Februar. (W. T. B.) Jm Oberhause erwiderte Lord Derby auf eine Anfrage Strathedens, es habe vor 2 Tagen geheißen, die Russen hätten Burgas und T\chorlu, das nur 60 Meilen von Konsiantinopel ent- fernt sei, sowie einen Theil der Eisenbahn von Adrianopel nah Konstantinopel besezt, und eine Abtheilung derselben be- wege sich südwärts nah dem Aegäishen Meere, Neueres von einem Vormarsche auf Gallipoli habe er nicht gehört.

Jm Unterhause erklärte der Shaßkanzler North- cote auf eine Anfrage Hartingtons, der türkische Bot- schaster, Musurus Pascha, habe ein Telegramm der Pforte erhalten, wonach die allgemeinen Grundlagen für einen Waffenstillstand und Frieden gestern in Adrianopel unterzeichnet worden seien. Ob in der That die Unterzeichnung stattgefunden habe und welchen Cha- rakter die Bedingungen trügen, fei der Regierung nicht bekannt. Auf die gestern von Fenkins angekündigte Vorlage erklärte Northcote, von dem Ergänzungskredit, den die Re- gierung verlange, sei noch nihts verausgabt. (Lauter Beifall der Ministeriellen.) Sollte das Militärbudget überschritten werden, so würde das Erforderniß durch Vorlegung der ge- wöhnlichen Supplementarkredite gedeckt werden. (Fronischer Beifall der Opposition.) Auf die von Kenealy, gleichfalls gestern angekündigte Frage betreffs des Fortbestehens des Dreikaiserbun des erklärte Northcote, er habe seiner jüngsten Antwort über diesen Punkt nichts hinzuzufügen. Hier- auf wurde die Debatte über die Kreditforderung der Regierung fortgeseßt. Trevelyan bekämpfte dieselbe als einen „übelen historishen Präcedenzfall“ und spra sich mit großer Schärfe gegen den Ton aus, in welchem sih gestern der Staatssekretär des Fnnern, Croß, geäußert habe, insbesondere gegen dessen verstete, gegen Rußland gerichtete Anspielungen. Peel wendete sich gegen das Amendement Forsters, das er energisch bekämpfte und als einen Versuch bezeichnete, der Regierung Verlegenheiten zu bereiten. Lowe bestritt die Nothwendigkeit der Kreditforderung zur Stärkung des Kabinets, namentlich nach dem, was in der Thronrede ge- sagt worden sei. Lowe hob ferner hervor, der Zweck der früh- zeitigeren Einberufung des Parlaments sei sorgfältig verhüllt worden, die Kreditforderung sei ohne Sinn und Grund, Eng- land sei getäuscht, Rußland sei irregeleitet worden, warum habe denn Derby demissionirt, wenn die Absendung der eng- lischen Flotte nah den Dardanellon mit der Neutralität verein- bar gewesen sei? Das ganze Verfahren der Regierung sei nur ein „Manöver“. Die Regierung habe gefühlt, daß ihre Politik

England isolire und suche jeßt ihren Einfluß und ihre Auto- rität wieder „aufzupolstern“. Die Kreditforderung sei noch {limmer, als ein von der Regierung verlangtes Vertrauens- votum. Die Prahlerei mit Englands Reichthum sei vollends zurückzuweisen. Die Kreditforderung sei eine unberechtigte, er jei bereit, zu nothwendigen Opfern die Hand zu bieten, nicht aber dazu, daß England dem Gespötte preisgegeben werde. Die Regierung habe, um die verabsheuungswerthe Herrschaft der Türken aufrecht zu erhalten, es unternommen, die besten Friedensbedingungen für die Türkei zu erlangen, das sei das Schlimmste, was deren unglücklichen Unterthanen geschehen könne. Zum Schluß wies Lowe auf Lord Beaconsfields An- griffe gegen Rußland hin, die er als eines britischen Ministers unwürdig bezeichnete und knüpfte daran die Aufforderung, entweder dem Premier den Mund zu verschließen, oder öffent- lih zu erklären, daß Lord Beaconsfields Aeußerungen der Ansicht des Gesammtkabinets niht entsprähen. Kennaway bekämpfte das Ee Amendement. Der- selbe führte aus, daß die Bewilligung des Kredits eine Nothwendigkeit sei, da sie den Ernst beweise. Morgan wies darauf hin, daß es Angesichts der antikriegerishen Stimmung des Landes unpolilish sei, der t aas die Mittel zu ciner drohenden Stellung zu gewähren. Balfons erklärte dagegen, daß die von der Opposition angeführten Argumente ein Miß- trauensvotum, welhem die Ablehnung der Kreditforderung gleihkäme, niht rechtfertigen könnten. Cartwright

geistes und hob hervor, daß die offiziellen Kandidaturen den

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Dim aa E L G R A E I I R T S I I E

rung gestimmt, wenn eine gemeinsame Aktion Europas . gesichert gewesen wäre und wenn man dadur einen Druck auf die Türkei ausgeübt hätte. Bentinck machte aus\{ließlich die Opposition für den Krieg verantwortlich. Nichts- destoweniger sei aber die Regierung deshalb zu tadeln, weil sie Rußland nit bestimmt erklärt habe: Bis hierher und niht weiter. Smythe befürwortete den Teras Forster und \sprach sih gegen die Elastizität der Neutralität der Regierung aus. Der Unter-Staatssekretär Bourke erklärte darauf, Europa erwarte die Entscheidung des Hauses, nicht um England das Schwert zu Gunsten der Türkei ziehen zu sehen, sondern damit dadurch ein dauernder Frieden gesichert werde. Die Friedensbedingungen Rußlands würden das türkishe Reich in Europa vernihten. Dadurch würden große Probleme gc- schaffen werden. Es hänge von der Entscheidung des Hauses ab, ob ein dauernder Friede gesichert werden oder nur ein Friede geschaffen werden solle, der zu weiteren Kriegen führen werde. Die Vorlage der Regierung sei eine wesentlih friedliche, nicht eine kriegerishe Maßregel ; sie ermögliche England, seinen Einfluß in seinem eigenen Fnteresse und im Interesse Euro- pas geltend zu mahen. Goeschen glaubt, Croß müßte seinen gestrigen entflammenden Redeton bedauern, wenn der Waffenstillstand unterzeichnet sei. Goeschen wies energisch die Behauptung zurück, daß es der Opposition an Patriotismus fehle und an Achtung vor den englischen Interessen. Die in der Note des Grafen Derby aufgezählten “nteressen Englands dürsten nicht angegriff.n wcrden und seien nicht angegriffen worden. Ohne Zweifel sei es wünschenswerth, daß die Regie- rung wohlausgerüstêt zur Konferenz gehe, um den Einfluß Englands aat derselben zur Geltung zu bringen. Dies set jedoh nicht durh ein nur auf dem Papier befindliches Kriegsvotum zu erreichen, sondern durch das Bewußtsein, daß die Regierung die Stimme der Bevölkerung ver- trete. Goeschen vertheidigte Rußland; sei der Waffenstill- stand unterzeichnet, so sei jeder Schein einer Gefahr ver- \{hwunden, aber au jedè Rechtfertigung des Kredites. Die Regierung suche den Kredit nah, üm der Konferenz willen. Beach hob hervor, die wirkliche Frage sei jeßt nicht mehr die Beziehungen Rußlands zu dex Türkei, son- dern Rußlands zu den übrigen europäishen Staaten. Die Opposition thäte besser, die Regierung bei ihrem Streben, die englischen Jnteressen zu wahren, zu unter- stüßen. Die große liberale Partei werde der Regierung ihren legitimen Einfluß nicht entziehen und nicht die Armee Eng- lands lähmen, in einem Augenblicke, wo dieselbe mehr als je zur Erhaltung der Ehre und der Jnteressen Englands und der Freiheit Europas nöthig sei. Die Debatte wurde hierauf auf Montag vertagt.

Lord Beaconsfield hat ein Schreiben an den Lordmayor von London gerihtet und demselben den Eingang der unter Vorsiß des Lordmayor bei dem gestrigen Meeting in Guildhall beschlossenen Resolution mit der Ver- siherung angezeigt, daß diese spontane Kundgebung der öfz fentlihen Meinung zu Gunsten der von der Regierung be- folgten auswärtigen Politik den Bemühungen der Regierung, den Frieden zu erhalten, die Ehre der Königin zu wahren e gs Interessen des Landes zu sichern, zur Stüße dienen werde. °

Dem „Reutershen Bureau“ wird aus Konstan- tinopel von gestern telegraphirt, der Sultan habe fich tele- graphish an den Kaiser Alexander gewendet, um den Abschluß des Waffenstillstandes zu erbitten.

Dem ersten Lord der Admiralität, Smith, wurde heute im Parlamente von einer Deputation eine Resolution überreicht, welche von den den Getreider:rarkt der City besuchenden Kaufleuten beschlossen worden und derjenigen analog ist, die gestern von dem Meeting in Guildhall angenommen wurde. Smith dankte der Deputation und sprach die Hoffnung aus, daß die augenblicklih statt- findenden Verhandlungen zur Aufrechterhaltung eines ehren- vollen Friedens führen würden.

2. Februar. (W. T. B.) Dem Sthagtkanzler Northcote ist gestern eine Adresse überreiht worden, die von etwa 900 der angesehensten hiesigen Kaufleute und an- deren Londoner Geschäststreibenden unterzeichnet war und in welcher Vertrauen in die auswärtige Politik der Regierung ausgesprochen wird, Die „Morningpost“ schreibt, bis gestern Abend spät habe das auswäctige Amt noch keine Nachricht von der erfolgten Unterzeihnung der Ce eA en und der Waffenruhe gehabt, es sei jedo

rund, zu glauben, daß die Bedingungen heute würden unter- zeichnet werden. i |

Wien, 1. Februar. (W. T. B.) Die „Polit. Korr.“ ent= nimmt einer St. Petersburger Meldung von gestern, daß Fürst Gortschakoff auf die Einwendung des Wiener Kabinets gegen bedenklih erscheinende Punkte der Friedenspräli- minarien analog geantwortet habe, wie auf die niht iden= tische, aber gleichartige Remonstration des britischen Kabinets. Fürst Gortschakoff habe neuerdings nahdrüälich versichert, daß alle die europäischen Fnteressen im Allgemeinen, sowie die Fnteressen eines Staates im Besonderen berührenden Fragem niht ohne das ecuropäishe Einvernehmen geregelt werden sollten. Die in den St. Peters= burger politishen Kreisen herrshenden Dispositionen deuteten darauf hin, daß kein Grund sei, anzunehmen, daß Rußland einer Konferenzidee sich wider]eßen werde. Aus Belgrad von heute wird dem Blatte gemeldet, die Ver=- stimmung über die aus den Verhandlungen des englischen Parlaments bekannt gewordenen Friedensbedingungen gehe so weit, daß man entschlossen scheine, ohne Rücksicht auf den Waffenstillstand die Feindseligkeiten nicht früher einzu- stellen, bis das Gesammtterritorium von Altserbien in serbische Gewalt gekommen sei. :

Bukarest, 1. Februar. (W. T. B.) Jn der heutigen Sißung des Senates brahte Demeter Ghika eine Jnterpellation an die Regierung ein bezüglih des Aus- drucks von der „rumänischen nabhängigkeit mit einer genügenden Gebietsentshädigung“, welche im englischen Unterhause als Grundlage für die Friedenspräliminaz riewcitirt worden sei, und zwar namentlich darüber, ob Rumänien als kriegführende Macht an der Formulirung der Friedens- bedingungen theilgenommen habe und ob es gewiß sei, daß diese Bedingungen die * territoriale Fntegrität Rumäniens niht antasten werden. Die Jnterpellation foll am nächsten Montag zur Berathung kommen. der Deputirtenkammer wurde eine analoge Jnterpellation eingebracht. :

Paris, 1. Februar. (W. T. -B.) Der „Agence

wird aus Athen von heute gemeldet: Die

hob hervor, er hätte für die Forderung der Regie-

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