1878 / 49 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 26 Feb 1878 18:00:01 GMT) scan diff

j Der Kommissarius des Bundesraths, Geheime Justiz- Rath Hagens, führte sodann aus, die Mittheilung, wel(he dem Abg. Lasker gemacht worden sei, müsse er als eine sehr unge- naue und unvollständige bezeihnen. Es habe sich damals um ein Nothgeseß in sehr beschränkten Umfange gehandelt und er habe nit erflärt, daß das Reichs-Justiz:Amt, etwa wegen mangelnder Arbeitskraft, niht im Stande sei, die Angelegen- heit zu regeln, sondern, daß es nicht angemessen erschiene, dieses Nothgeseß als solhes von Reichswegen in die Hand zu nehmen. Uebrigens glaube er niht, daß in den betreffenden Kreisen die Anshauung herrsche, daß diesen sogenannten fundirten Papieren das Vorrecht zu- stehe. Schon 1869 und ebenso bei Berathung der Konkurs- ordnung fei darauf aufmerksam gemacht worden, daß ein solches juristishes Vorrecht für diese Papiere nicht vorhanden sei. Dennoch fei es für zweckmäßig erachtet worden, daß ihnen dasselbe gewährt werde, und hinsichtlih dieser Zweckbmäßigkeit stimme das Reichs-Justi;-Amt mit dem Reichstage überein. Indessen sei es eine andere Frage, ob dieses Vorrecht sofort mit wirkender und rückwirkender Kraft gegen die anderen be- stehenden Schuldverhältnisse jeßt {hon konstituirt werden solle. Zudem erschiene es niht angeme}sen, diese Angelegenheit ohne eine Regelung der Verhältnisse der Eisenbahn-Prioritäts- Obligationen, welche ebenso wihtig und bereits vorbereitet sci, zu erledigen. j 2 Der Abg. Dr. Lasker replizirte, nach der amtlichen Erklä- rung des preußischen Justiz-Ministers, im Landtage habe der- selbe bereits im Oktober die Reichsregierung auf die Regelung dieser Sache aufmerksam gemacht; es sei dies also nicht erst vor so kurzer Zeit geshehen. Was die Sache selbst betreffe, so sei es zwar zu billigen, daß die Reichsregierung die Bethei- ligung an dem Nothgeseße eines Einzelstaates abgelehnt habe; dies entschuldige aber nicht die Verzögerung der reichsgeseß- lichen Regelung. Jm Volke bestehe der Glaube, daß den betreffen- den Obligationen ein Vorrecht eingeräumt sci, zudem sei es auf den Pfandbriefen häufig gedruckt, daß den Fnhabern Prioritäts- rehte an den Hypotheken zustehen. Vor allen Dingen müsse man sich hüten, die einfache jurijlishe Angelegenheit bezügiih der Ge- währung einer formellen Sicherheit mit einer zu gewährenden materiellen Sicherheit zu verquicken. Die leßtere sei durch die Statuten der Gesellschaften meistens dadurch gewährt, daß niht mehr Pfandbriefe ausgegeben werden sollen, als Hypo- theken im Tresor sind. Eine Vermishung mit national- ökonomischen Elementen würde die leichte Lösung der Frage verschieben. Wenn auch das Geseß in dieser Session nicht mehr vorgelegt werden könne, so sei es doch unumgänglich nothwendig, einen Endtermin und die Sicherheit zu haben, daß die Angelegenheit in absehbarer Zeit ihre Regelung fin- den werde. - Der Bevollmächtigte zum Bundesrath Staatssekretär Dr. Friedberg erwiderte, die preußische Regierung habe zwar zu der von dem Abg. Lasker bezeichneten Zeit das Ansuchen gestellt, daß das Reichs-Justiz-Amt diese Sache in Angriff nehmen möge. Seine vorherige Aeußerung habe sich nur darauf bezogen, daß dieses Ansuchen nicht in dem Maße dringlih gewesen sei, um ihn zu veranlassen, von seinem Ar- beitsplan abzugehen. Als brennend sei die Frage erst vor 8 bis 9 Wochen von einer Regierun ezeihnet wor-

Den ) i ? das mo tse eter Ho thgr sr ls die Agfahe Fink L Abtuzelflaat beseitigen wollte. Durch

eine Vermishung mit nalionalökonomishen Dingen wolle er die an sih schon sehr heikle Frage niht noch kompliziren.

Der Abg. Windthorst (Meppen) bernerkte, was die Sache betreffe, so stimme er mit dem Abg. Lasker L E über- ein. Auch bezweifle ex nicht, daß sich die Thätigkeit des Reichs-Justiz-Amts in energisher Weise entwickele. Er erhebe deshalb keinen Tadelsspruch gegen die Errichtung von zwei neuen Nathsstellen. Nur wünsche er, daß hierbei auch die ge- meinrechtlihen Staaten in Berücksihtigung gezogen würden. Die Abgg. Forkel und Rückert sprachen ihr Bedauern aus, daß die Abgrenzung der Bezirke der Landgerichte niht von Reichswegen festgestellt, sondern den Partikularstaaten über- lassen worden sei, und baten, auf die Abhülfe dieser Uebel- stände zu dringen.

Hierauf erklärte der Staatssekretär Dr. Friedberg, die von den Vorrednern beregten Mißstände seien die Schuld der bestehenden Geseßgebung, welche den Patri- fularstaaten das Recht der Organisation gebe, soweit sie sih über dieselbe mit ihren Ständen zu einigen vermöchten. Von manchen dieser Organisationen müsse er allerdings sagen, daß sie mit dem Geist der Justizgeseßgebung nicht vollständig im Einllange ständen, und wenn die Reichsjustizverwaltung dabei ein entscheidendes Wort mitzusprehen hätte, so würde sie wohl Veranlassung nehmen, dasselbe in Betreff einiger dieser Organisationen geltend zu machen. Der Reichs- Justizverwaltung stehe zwar verfassungsmäßig die Auf- ficht über die Ausführung der Reichsgeseße in den Einzel- staaten zu. Von dieser Befugniß könne sie nux Ge- brauch machen, wenn die Ausführung in flagrantem Wider- spruh mit den Gesezen selbst stehe. Nachdem man aber einmal die Bildung größerer und kleinerer Landgerichtsbe- zirke in den Einzelstaaten zugelassen habe, liege ein solcher Fall hier niht vor. Er wolle niht die verfaßungsmäßigen Grenzen seiner Befugniß überschreiten und die berechtigte Empfindlichkeit der Einzelstaaten verleßen. Einzelne Parti- kularregierungen hätten sich in freundliher Weise in Verbin- dung mit dem Reichs-Justiz-Amt über diese Fragen geseßt und da habe sich das Reichs-Justiz-Amt für berechtigt erachtet, warnend oder bittend seine Meinungen auszusprehen. Weiter zu gehen halte er im Jnteresse der - Neichsinstitutionen für gefährlih und bitte den Reichstag, nicht dazu drängen zu wollen.

ZU Kap. 66 (Neichs - Ober- Handelsgericht) Tit. 4 (Sub- alternbeamten) rügte es der Abg. Wölfel, daß die Sekretäre des Reichs-Ober-Handelsgerichts mit einem Dur{hschnittsgehalt von 3900/6 in den Etat eingestellt seien, während die Beamten gleicher Kategorie bei der Verwaltung des Reichs-Jnvalidenfonds, bei dem Rechnungshof des Deutschen Reichs, beim Reichs- Justiz-Amt und beim preußishen Ober-Tribunal ein um 300 f höheres beziehen. Er wünsche eine Ausgleichung im nächsten Etat herbeigeführt zu schen. Der Abg. Grumbrecht ¡nas G) für die entsprehende Erhöhung {hon in diesem

at aus.

Der Staatssekretär Dr. Friedberg erklärte, daß die Erhöhung nach reifliher Erwägung nicht gefordert sei, erstens, weil man die ne alia Berlins nicht unbe- dingt mit denen Leipzigs gleichstellen könne, zweitens aber hauptsähli, weil man in Rüdlsicht auf die demnäwstige Reorganisation dcs Reichs-Ober-Handelsgerihts in das Neichs- geriht und die dadurch nöthig werdende Neu-Ausfstellung des Etats von einer Mehrforderung abgeschen habe.

Nachdem der Abg. Freiherr von Malßahn-Gülß bemerkt daß er es nit für angezeigt halte, falls die Negierung na reifliher Erwägung eine Erhöhung nicht verlange, dieselbe aus der Mitte des Hauses zu veranlassen, wurde der Etat der Reihs-Justizverwaltung genehmigt. :

Es folgte die Berathung des Etats des Reichs-Eisen- bahn-Amts. i

Zu Kap. 67 der Ausgaben (Besoldungen) ergriff der Abg. von Benda das Wort. Das Amt koste sehr große Summen, deshalb wünsche er cine Darlegung von den Plänen und Zukunsftsabsichten, welhe man mit dem Een bans Amte, verbinde, und ebenso eine ausführliche Darlegung über die Geschäftsthätigkeit desselben im verflossenen Jahre, wie sie in früheren Jahren der „Reichs-Anzeiger“ gebracht habe.

Der Kommissar des A ME een Ober-Regierungs- Rath Koerte erklärte, das Reichs-Eisenbahn-Amt werde sich auch ferner den Aufgaben eifrig widmen, welche nach Verfassung und Gesetz ihm oblägen. Ueber seine Pläne sei er nicht in der Lage Auskunft zu geben, wohl aber über seine Geschäftsthätigkeit im verflossenen Fahre, falls das Haus es wünschen sollte allerdings nicht in einem ershöpfenden Bilde, sondern nur in allgemeinen Umrissen. Er könne ver- sichern, daß das Reichs-Eisenbahn-Amt auch im verflossenen Jahre bestrebt gewesen sei, seine gescßlihen und verfassungs- mäßigen Aufgaben zu erfüllen, und daß der Vorwurf des Mangels an Berufseifer niht gere{htfertigt sei.

Der Abg. Berger wünschte zu erfahren, wieviel Rathë- stellen augenblicklih im Reichs-Eisenbahn-Amt unbeseßt seien und ob in demselben noch an einem Reichs-Eisenbahngeseße gearbeitet. werde. Derselbe Kommissar erklärte, im Reichs- Eisenbahn-Amt sei augenblicklich eine Raths- und eine Hülfs- arbeiterstelle unbesezt. An dem La MReIeEe würde eifrig fortgearbeitet, und noch in leßter Zeit habe er an diesbezüg- lichen Berathungen im preußischen Handels-Ministerium Theil enommen. Ob die letzteren praktishe Folgen haben würden, önne er nit sagen.

Hierauf ergriff das Wort der Reichskanzler Fürst von Bismarck: s

Ich hatte im Laufe des Sommers Nachricht darüber bekommen, daß unter verschiedenen der verbündeten Regierungen die Frage er- örtert wurde, ob es nit an der Zeit und nothwendig sei, ein Neichs- Eisenbahngeseß vorzulegen. Jch habe auch geglaubt, daß diese Ar- beiten soweit geförd-rt werden würden außerhalb der preußischen Regierung, daß eine Vorlage noch im Laufe dieser Reichstagsfession von Seiten mehrer der größeren Bundesregierungen entweder gemein-

fam oder von einer von ihnen zu erwarten sei. Theils um in den Einzelbestimmungen einen Maßstab der

Kritik für die zu erwartende Vorlage zu haben, theils auch um, falls eine solche Vorlage, die aus mehreren Gründen mir erwünschter wäre, als eine preußische, ganz ausbleibt, doch dies Vakuum, soweit an uns liegt, ausfüllen zu Tönnen, habe ich mich mit dem preußischen A ven uar und mit dem Reihs-Eisenbahn-Amt dahin ver- i

ändigt, daß unsererseits gemeinsam ein Reichseisenbahngesez aus- gearbeitet würde, mit der Absicht, es vorzulegen, wenn von Sei- ten anderer Regierungen weder eine Vorlage, noch eine Verstän- digung mit uns in dieser Frage gesucht wird. Dieser Geseßentwurf ist soweit fertig, daß er jeßt das Stadium der Vorprüfung im preußi- {en Staats-Ministerium beginnen kann, was nothwendig ist, da er die Form eines Antrages dex preußischen Regierung haben würde und für die Einzelheiten #& is vergewisserz müssen, ob und in- niemois wir Der Þreußifchtu Tfimmen* dafür im Mei che sier find,

So wie die Dinge jelt liegen, Habe ih erleben müssen, daß ¡wei -sachkundige Präsidenten des Reichs-Eisenbahn-Amts hinter- einander entweder den Abschied, oder minder günstig situirte Dienst- verhältnisse vorgezogen haben, weil die Ansprüche, die an ihr Pflicht- gefhl in der Stellung eines Präsidenten des Reichs-Eisenbahn-

mtes gestellt waren, die moralishen Ansprüche, so außer Ver- hältniß weitergingen, als die Mittel, die ihnen zu Gebote standen, diesem ihrem Pflihtefühle zu genügen, daß fie es ablebnten, in dieser Stellung länger zu verharren, und ih fürchte, daß es mir in der jeßigen Lage auch nur {wer gelingen wird, Sr. Majestät dem Kaiser eine Persönlichkeit bezeihnen zu können, die gleichzeitig bereit und geeignet wäre, diese Stellung zu übernehmen. Das Nei{hs-Eifenbahn-Amt deëwegen zu beschneiden, oder fortzu- schneiden, halte ih doch nicht für indizirt ; denn wir können so rasch die Zwecke, zu denen es geschaffen ist, doch nicht aufgeben. Mag es immerhin in einem Theile seiner Funktionen eine zeitlang ruhen, die rihterli&en und andere Funktionen, die es auszuüben hat, werden ihm immer bleiben. Aber ich hoffe do, die Zeit wird kommen, wo ih auch für die Stellung des Präsidenten wieder ciner findet, weil für die zu erfüllenden Pflichten die Mittel, ihnen zu genügen, im Neichs- eiscnbahngeseß werden gegeben werden. Ob der preußische Antrag auf ein solches resp. einer vou den anderen Regierungen noch in dieser Sibßung eingebracht wird, darüber vermag ih vorweg keine sichere Antwort zu geben, denn Niemand kann wissen, wie lange die Ver- handlungen darüber dauern. Aber daß die Meichéverwaltung den jeßigen Zustand als keinen normalen und dauernden betrachtet, das wollte ih hier aus\prechen.

Auf eine Anfrage des Abg. Schröder (Friedberg), ob das

Reichs-Eisenbahn-Amt keinen Einfluß auf die Regelung der vielbeklagten Differentialtarife habe, antwortete oer Reichs- kanzler Fürst von Bismarck: Ich halte die Beschwerden, denen der Herr Vorredner über die jeßige Sach- und Rechtslage Ausdruck gegeben hat, für vollständig berechtigt und theile im wesentlichen die Anshauungen, die er geltend gemacht hat, namentlich auc über die nachtheiligen Wirkungen der Differentialtarife und das darin liegende Recht einer Gesetzgebung, die viel tiefer eingreift als die Zollgeseßgebung, und welches auf diese Weise zersplittert ift. JIch würdige diese Beschwerden, aber ih muß zu gleicher Zeit meine Machtlosigkeit bekennen, ihnen abzuhelfen; in dem jeßigen Zustand der Dinge bin ih dazu ganz außer Stande. Seit Jahren fühle ich mich in meinem Gewissen dazu getrieben, die Mittel dazu fehlen mir aber gänzlih. Zu er- örtern, weshalb sie mir fehlen, dazu mangelt mir heute die Zeit und der Beruf. Ich will mich nur dagegen verwahren, daß etwa dem Reichskanzler, dem Reih8-Eisenbahn-Amt für die Uebelstände, deren elen ich anerkenne, eine Verantwortlichkeit zugeschrieben werde. :

Wenn ich Ihnen aus der Praxis ein Beispiel anführen darf, welches niemand betrifft als mich selbs, und wobet ih deshalb keine mißliebige Kritik gegen irgend jemand anderen übe, so ist es Fol- gendes. Die Differentialtarife, die innerhalb der den Rhein parallel laufenden Linien ftattfinden, erzeugen bei der Verwaltung der Eisen- bahnen der Reichslande das Bedürfniß, ihrerseits auch mit Hülfe der auswärtigen belgischen Bahnen Differentialtarife einzurichten, die wieder cine, wie ih glaube, für beide Interessirte verderbliche Konkurrenz gegen die innere deutshe Linie herstellen. Jh bin nun in der Lage, in Bezug auf die Reichslande die ministerielle Entscheidung über diese Dinge zu haben, in Bezu al das fkonkurrirende Preußen als Minister betheiligt zu f in. S habe mich deshalb bcmüht, beide, soviel ih konnte, unter einen Hut zu: bringen und zuleßt geglaubt, ih würde dies im Wege der dur- greifenden Verfügung können. Da is mir aber von der einen Seite, die sih beschwert fablte, entgegengehalten worden, der betreffende Beamte glaube die Verantwortlihkeit für die Resultate dieser Verfügung nicht Übernehmen zu können, und sei lieber bereit, auf seinen Posten zu verzihten, weil er den Fiskus,

dem er angehöre, doch nicht auf dies: Wcise schädigen könne. Jch

befinde mich also in der Lage, zwei konkurrirende Fisci zu vertreten,

und obshon ih in Bezug auf den cinen die Entscheidung habe, iw Bezug auf den andern aber als Minister-Präsident cinen Einfluß, so kann ich doch in reinem Gewissen aub nicht zu der P Stellung gelangen, von der aus ih den einen Fiskus aufzug:ben bâtte, die Nachtheile, die er d!rch die Konkurrenz des andern erleidet, in Ruhe zu tragen. I habe deshalb, so abgeneigt ih einem solben Zustand bin und fo sehr ih ihn bekämpie, mi genöthigt aesehen, diese beiden konkurrirenden, und ich glaube, wenn sie alles berechnen, mit Schaden gegen einander fahrenden Rivalen bestehen zuw lassen, obschon ih beider Minister bin.

In Folge einer Bemerkung des Abg. Richter (Hagen), - er wünsche vom Reichskanzler eine Erklärung, ob das Reichs- Eisenbahn-Projekt aufgegeben sei, erklärte der Reichskanzler Fürst von Bismark: i j

Ich vermag diese Erklärung mit Bestimmtheit nicht zu geben, indem mir bisher diejenigen Ergebniffe der Ermittelungen und Ent- \{hließungen der preußischen Ressorts, die als Vorbedingung noth- wendig sind, um mir ein Urtbeil darüber zu bilden, nicht vorliegen.

Nachdem noch die Abgg. Frhr. Nordeck zur Rabenau, Graf Udo u Stolberg und Dr. Löwe sich über diese Frage geäußert, bemerkte der Kommissarius des Bundesraths, Geh. Ober-Negierungs- Rath Körte, das Reihs-Eisenbahn-Amt habe fortgeseßt darauf Bedacht genommen, daß alle durhgehenden Züge, welche zur Bewältigung des Verkehrs nothwendig seien, eingeführt würden. Wo sich also Mißstände herausstellten, werde es nur eines Antrages bedürfen, um, wenn thunlich, Abhülfe herbeizuführen. Die Stellung des Reichs-Eisenbahn-Amtes zu den jeßigen Neformverhältnissen werde am besten durh den Bundesraths- beshluß vom 15. Dezember 1876 präzisirt, wonach die Fest- stellung der Maximalverhältnisse den einzelnen Landesregie- rungen ebenso vorbehalten sei, wie die Genehmigung der Differentialtarife. Dem Reichs-Eisenbahn-Amt sei somit für seine Kontrole eine gewisse Richtung angewiesen, die dur einen späteren Bundesrathsbeschluß vom 16. April 1877 noch wesentlih erweitert und ergänzt worden fei.

Die Positionen wurden genehmigt.

Bei dem Etat des Auswärtigen Amtes bekämpste der Abg. Freiherr von Schorlemer-Alst die geforderte Gehalts- erhöhung für den Botschafter in London um 30 000 # als unnöthig, während der Abg. von Bennigsen für diesclbe ein- trat, damit auch den nicht reihen Berufsbeamten Gelegenheit gegeben werden könne, in den diplomatishen Dienst des Reiches zu treten. i : i

Nach demselben ergriff der Reichskanzler Fürst von Bismarck das Wort: e

Ich kann an die leßten Worte des Herrn Vorredners anknüpfend sagen, daß dieser sehr enge Kreis sich vermuthlich noch mehr ver- engern wird, wenn der Beweis geliefert würde, daß die Reichsregie- rung auf das Votum des Reichstags-hin dauernd nicht Dasjenige zu gewähren vermag, was nach der Ueberzeugung dessen, der den Posten versehen soll, und nah der Ueberzeugung aller derjenigen Regierungen, die in der gleichen Lage sind, dort Botschafter zu haltez1, nothwendig ift. Denn wenn es sich s{on zeigt, daß die großen Botschaften mehr und mehr Monopol sehr reicher Leute werden, fo is das auch für reie Leute cine Mission, die nit ohne Opfer stattfindet. Ih meine niht nur das Zulegen zu dem Gehalte, sondern ih meine die Vernachlässigung der eigenen Interessen zu Hause. Wer ein großes Vermögen hat in den Kategorien, die bisher dazu bereit und geeignet gewesen sind, hat es gewöhnlich in großem Grundbesiß, und das ist eine ziemlich verwicckelte Verwaltung, und jeder, der in der Lage ist, von einer großen Verwaltung eigenen Grundbesites lange Zeit vollständig abwesend sein zu müssen, wird ab und zu fich eine’ Lalanzireuze Berathung darüber machen, ob er nit in seinen eigenen Einnahmen mehr verliert, als er für den Dienst, den er leistet, erhält, und das ist vermuthlich auc der Falk bei cinem In- haber des Postens, um den es sich handelt, der recht bedeutende Be- sißungen zu Hause hat, die während S Abwesenheit leiden.

Man kann darüber streiten, welche Summe ist nothwendig, da- mit der Botschafter einer großen Macht an einem theuren Orte, wie London, \chicklich und ohne Schaden diese Macht vertritt und dabei die foziale Stellung aufrecht erhält, die von einem Botschafter einer großen Macht erwartet wird? Jch kaun Ihnen mathematish nicht nachweisen, daß 120000 nicht reihen, 150000 4 aber dazu ausreichend sind; wenn es sich indessen findet, daß der Be- theiligte, der ein Urtheil darüber haben muß, dauernd bei der Erklärung beharrt und ih habe ihn font in keiner Rich- tung anspruchsvoll gefunden daß diese Einnahme nicht hin- reicht, um die Ausgabe zu deen, die ihm sein Amt auferlegt, wenn die Rechnung seiner finanziellen Leistung und seines Haushalts bei der Prüfung im Auswärtigen Amt dasselbe Ergebniß hat, so könnte ih immer noch mißtrauisch werden und sagen, das ift eine einseitige Auffassung von uns, und felbst die erxorbitanten pekuniären Leistungen wie für Jemanden, der ein großes Haus in London halten muß, be- rehtigen nicht dazu. E

Ich finde z. B. in einer gestrigen Zeitung, die mir zufällig in die Hände fiel, daß der Bankier Hope eine Soiree gegeben habe, bei der die Konditoreirechnung 8009 Thlr. betrug. i i

Nun wird Niemand von einem Botschafter, der nit Banquier und nicht Vanguier Hope ift, verlangen, daß er fich ähnlihen Er- centricitäten Hingiebt, aber dividiren Sie diese Summe mit 10, und ziehen Sie noch die He davon ab, so bleibt es immer ein Be- weis, daß in London für gewisse Luxusleistungen ganz ungeheure An- forderuzgen “und Preise sind: L

Wenn nun auf Grund dieses exceptionellen Maßstabes außer uns vier andere Großstaaten zur Berechnung derselben Summe kommen, wie diejenige, welche wir fordern -nur alle einige Tau- send Mark bis zu 12000 4 höher außerdem ihrem Botschaster noÞ Emolumente geben, die bei uns nicht üblich sind, nämlih Ent- shädigungen für besondere Feste und besondere Leistungen, dann muß ih doch zu der Ueberzeugung kommen, daß doch unsere Nehnung un- gefähr die richtige ift.

Der erste Herr Redner hat über unsere \{wierige finanzielle Lage ge Ich glaube, daß Oesterreih und Ftalien auch nicht wefent- ih günstiger daran sind und daß Rußland unter den jeßigen Ver- hältnissen auch keine Ersparnisse im Lande macht, aber wir schen, daß diese Mächte mebr geben wie wir und daß sich in ihren Ländern Niemand findet, der darüber auch nur eine Bemerkung macht. Ich bin mitunter etwas beshämt in meinem deutschen Gefühle, wenn tch sehe, wie z. B. in Frankreich, wo die Parteien sicher viel erbitterter, feindseliger, ja, ih möchte sagen vor Kurzem zum Bürgerkriege bereit einander gegenüberstehen als bei uns, sobald von au8wärtigen Dingen die Rede ift, jede Kritik shweigt, wenn es sich um die äußere Chre und das Ansehen Frankreichs handelt, und dort selbst die heftigsten Oppo- nenten, die dortige klerikale Partei, nie dazu kommt, daß sie dem jeßigen ihr feindlihen Ministerium des Auswärtigen in der ge: ringsten Kleinigkeit, fei es durch eine indiskrete Frage, oder hemmende Bemerkung Schwierigkeiten maht. Es is für uns vielleicht uner- reihbar, abèr für mich in meinem vielleicht etwas weit getriebenen Nationalgefühl wax es immer beshämend, daß bei uns solche Fraktionen ihren augenbli&cklihen oppositionellen Standpunkt all- emeinen Interessen der Nation nach außen hin auch nur in

leinigfeiten nicht zum Opfer bringen, die doch im ganzen selten sind.

Auf eine Entgegnung des Abg. Freiherrn von Schorlem-r- Als, in welcher derselbe chließlih erklärte, er werde gegen die Mehrforderung stimmen , replizirte der Reichskanzler Für st von Bismarck: :

Ich halte es doch nicht für richtig, daß die Beziehungen mit mehr als einer Regierung, auf welche die Motive anspielen, nur die Arbeit des Botschafters vermehren; die hat er niemals gescheut. Aber der Herr Vorredner stellt fi{ch doch unerfahrener in den

| Anschein hat, und zwar den, wie ich

tverbältnifsen Hin, als er eigentli ist, wenn er annimmt,

diese Beziehungen zwishen den Vertretern des Reichs und

Angehörigen einzelner Staaten, seien es höher gestellte, seien es Privatleute ohne gesellshaftliden Verkehr, ohne Re- präsentation abgeht. Wenn das für den einzelnen Fall auch eine ziemlih unbedeutende Sache ist, so ist doch im Ganzen mit dem Perkehr mit vielen Regierungen auch eine Vermehrung der Repräsen- tation verbunden. Ih will gar nicht sprechen von dem einfachen Einladen zu Tische. Der Herr Vorredner mat mir z:: jeder Zeit Korwürfe darüber, daß ih unästhetishe Beispiele anführte, wenn ih auf derlei eingehe. Aber wenn er auf solche Details eingeht, pon Kinderwagen spricht, aber den amtlichen Versicherungen un- interessirter Regierungen keinen Glauben {enken will, dann muß ih auf diese eben unästhetischen Details eingehen. Der Herr Norredner gerade nöthigt mih dazu. Also, wenn etwa ein Mitglied

N cines regierenden deutschen Hauses hinkommt, wenn dort angesehene

Persönl!chkeiten cines Staates hinkommen, wenn der Herr Vorredner , B. hinkäme und hätte mit dem Botschafter Geschäfte, so glaube ih, würde es der Botschafter für seine Pflicht halten, ihn zu si einzuladen; wenn eine höher stehende Persönlichkeit, namentlich von einer der übrigen Bundesregierungen, die doch neben der Aufgabe der eigenen Vertretung die Vertretung des Reichs verlangen dürfen, ch will sagen, ein Mitglied eines regierenden Hauscs hintäme, fann der Botschafter niht immer umhin, seine Equipage zur Ver- fügung zu stellen, mit herumzufahren, vorzustellen, die Frauen der Botschafter würden ähnliche Pflichten gegenüber hohen Frauen haben. (Es gcht daraus hervor, daß man mehr bedarf ih komme nicht wieder auf den Kinderwagen aber mehr bedarf als Eine Equi- page; au selbst die Frau eines Diplomaten hat ihre Amtspflichten, sie hat ihre Vorstellungen, Visiten und Einsührungen zu Wagen zu machen. Ä E

Der Herr Vorredner is, wie ich äußerlich vernehme, auch mit landwirths{aftlihen Verhältnissen vertraut, also auß mit der Kistunatfähigkeit der Pferde. Man kann eine Equipage, die man dreimal gebraucht hat, nit noch ein viertes Mal benußen an dem- selben Tage, man bedarf also mehr als einer; kurz und gut, ih laute mathematisch nachweisen zu können, daß nicht blos die Ge- (äfte, sondern auch die Repräsentationskosten ganz erheblih durch die Thatsache erhöht werden, daß der Botschafter niht blos die Reichsregierung, sondern auch 25 Bundeëregierungen vertritt.

Wenn der Herr Vorredner sich darüber beklagt, daß ich Acuße- rungen eines Reichétagtabgeordneten über Mängel, die das Budget darbietet, niht mehr zugeben wollte, so weiß Jeder, der in diesem Saale is, daß das eine Uebertreibung war. Aber, daß der Herr Vorretner mi naher mundtodt machen wollte und mir den Vor- halt mat, daß alle die Gründe, die ich mündlich angeführt habe, nicht in der Vorlage bereits gedruckt stehen, meine Herren, wenn das cin Bedürfaiß des Herrn Vorredners ist, so wäre das für meine köôrperlihe Gesundheit eine ganz außerordentliche Er- leichterung, wenn ich rur mehr in Schrift und Druck verkehren müßte und mein Erscheinen überflüssig wäre, weil der Herr Vor- redner Empfindlichkeit darüber zeigte, daß ich den gedruckten Be- merkungen noch einige mündlihe hinzufügte. Davn hat der Herr Vorredner die unrihtige Behauptung aufgestellt, als hätte ih die Botschafter mit den Banquiers gleistellen wollen. Ih habe aber auédrücklih es ausgesprochen, daß ich das nicht thue, ih Habe nur hervorgehoben, daß abnorme Luxusverhältnisse vorhanden sind. Ban- quier8s, die achttausend Thaler für Zuckerwerk oder, wie Vorredner sagt, für Cotillontouren ausgeben, giebt es hier nicht. Wenn der Herr Vorredner mir einen nennen kann, der in Berlin eine solche Konditorrehnung für eine Soiree zahlt, so will ih sagen, ih habe Un- recht gehabt. Ich habe nur dargethan, daß die Preisverhältnisse in London andere find als hier. Man kommt in Berlin mit weniger aus, als in London, das habe ich ausgeführt und ges{hlossen, daß wahrscheinlich der Botschaster oder Magnat, wie es dem Herrn Vor- redner gefiel zu sagen, in London mehr braucht, als er in Berlin brauchen würde.

Wenn der Herr Vorredner sich \{ließlich über Mangel an Mit- theilungen über Politik beschwerte und dem Botschafter sein Gehalt bestreiten will, weil ih hier nicht ofen genug in Mittheilungen ewesen bin, so muß ih fagen, er steht damit ziemli iselirt. I Ede seitdem die Zeitungen aus ganz Europa gelesen und vielmehr die Ansicht gefunden, ih hätte eher zu viel als zu wenig gesagt. Dem Herrn Vorredner fehlt vielleiht etwas, was ih noch hätte

y sagen sollen, irgend etwas, was nach außen hin Verstimmung gegen

mih und unsere Politik bätte erregen können. Das fehlt ihm viel- leiht, daß das nit darin steht, und ich werde mich hüten, es hin- ¡uzufügen, soweit ih es vermeiden kann.

Hierauf sprah noch der Abg. Richter (Hagen) gegen die Erhöhung. Dieselde wurde aber genehmigt.

Bei der Position „Botschafter in St. Petersburg“ führte der Abg. Frühauf aus, daß es ein dringender Wunsch nit nur der deutschen, sondern ebensosehr der russishen Handelswelt sei, daß eine Erleichterung des Grenzverkehrs zwishen Deutsch- land und Rußland herbeigeführt werde. Man hoffe, daß der Reichskanzler das gegenwärtige politishe Verhältniß zu Ruß- land benußen werde, um in diesem Sinne zu wirken. Er bitte deshalb um Auskunft, ob noch in dieser Session eine Er-

i lärung darüber zu erwarten sei, welches Resultat die etwaigen

Verhandlungen mit Rußland zur Erleichterung des Grenz- verkehrs gehabt haben.

Der Reichskanzler Fürst von Bismarck erwiderte: Ich würde dem Herrn Vorredner dankbar gewesen sein, wenn er von einem örtlich näheren Standpunkt gesprochen hätte. Jch weiß nicht, woran es akustisch liegt, ich habe hier nur bruch- stülweise so viel hören können, daß - er von Erschwerungen des Grenzverkehrs gesprohen hat, aber durcaus nit die Einzelheiten seiner Argumente. Der Schluß und die Frage, mit erhobenem Ton gesprochen, sind vollständig bis zu mir ge- drungen, und ih muß fie leider dahin beantworteen, daß ich sehr zweifle, daß wir im Laufe dieser Session ein Ergebniß der Ver- handlungen, dic augenblicklich {weben und über die einer meiner Herren Kollegen im Bundesrath Ihnen vielleiht naher eine Mit- theilung machen wird, zu crwarten hätten. Ih möchte überhaupt in diesem Jahre wie im vorigen vor der Täuschung warnen, daß politische Freundschaften und Nachbarschaften nothwendig Hand in and gehen müssen mit übereinstimmenden Ansichten in Bezug auf bußzoll und Grenzbehandlung. Die politischen Beziehungen haben darauf keinen Einfluß, können ihu auch nicht haben; dem wenn es guch in diesem Augenblick für viele den | meine, unritigen An- hein, als sei unsere Freundschaft für Rußland wichtiger als die wussishe Freundschaft für uns, \o wechseln solche Momente in der Geschichte doch außerordentlich ras, zu ras, um davon die Zollverhältnisse und D gen Einrichtungen, die dauernd auf die erkehrsverhältnisse einwirken, abhängig zu machen. Nehmen Sie an, daß uns heute aus übershießender Liebe, die stärker wäre, als die wirthschaftlihe Theorie, in Rußland die Grenzen und die lagbäume vollständig und ohne Beschwerden geöffnet würden, Und nun käme vielleiht nah 3 oder 5 Jahren, wenn der deutsche Handel sich darauf eingerihtet hat, eine Wendung, wo wir vielleiht die Kombinationen “sind ja denkbar Rußlands Unterstüßung dringend brauchen, und Rußland wollte agen: ja, erst richte einmal deine Zollgeseße so ein, daß wir Alles nah Vergnügen dahin abseßen können, und erkläre dih damit ein- verstanden, daß wir unsere Zolleinrihtungen wiederum ebenso {huß- ööllnerish einrichten, wie früher; i glaube, der Herr Vorredner hat zu gründlich über die Dinge nachgedacht, um darauf hinaus zu wollen, daß die weselnde politische Konjunktur JebeNels ausgenüßt werden könnte für dergleichen. Das kann ganz vorübergehend sein und wirkt naher umgekehrt. b wir auf dem Wege der Unterhandlung und des fortgeseßten Vestrebens, die russishe Regierung davon zu überzeugen, daß ihre

Theorie die unrichtige und unsere die richtige sei, Vortheil haben werden, das ist zu wünschen, aber ich habe fein schr großes Vertrauen darauf. Für meine Ueberzeugung liegen nah wie vor die cinzigen Maßregeln, durch die wir, ich weiß nit, ob dur{chs{lagend, -—= eine Wirkung auf die russische Zollgeseßzgebung üben fkönnen, in der Abwehr durch unsere eigene Zollgeseßgebung vermöze der Differenz, um die es den Russen beschwerlicher ift, ihre eigenen Produkte statt nah preußischen Häfen nach Riga und Reval bringen zu müssen, wenn wir einen der- selben entsprehenden Zoll auf alle russishen Produkte legen, die unsere Grenzen passiren, dann glaube ich, daf dieses Argument \{ließliÞ niht ohne Einfluß auf Rußland bleiben - wird. Auf wissenschaftlihem Gebiete aber glaube ih niht, daß wir die Russen überzeugen werden.

ZU der Position „Generalkonsulat von Guatemala“ wünschte der Abg. Dr. Hänel Auskunft über die angebliche Mißhandlung des deutschen Konsuls in Nicaragua. Nach den Zeitungsnahrihten fei der deutshe Konsul dort miß- handelt worden. Die Gerichte hätten ihre Rechtshülfe verweigert und darauf solle der Generalkonsul von Guatemala in einer energischen Erklärung die Eröffnung des Rechts- weges, eine Entschädigung der Mißhandelten und eine Ehrenerklärung gefordert, eventuell mit dem Einschreiten eines deutschen Kriegsschiffes gedroht haben. Diese Forderung sei nah den Angaben der Zeitungen von Nicaragua zurücgewiesen worden. Da authentische Nachrichten über den erwähnten Vorfall niht zu Gebote ständen, so richte er an die Vertreter der Reichsregierung die Frage, ob der Stand der Sache es erlaube, nähere Mittheilungen darüber zu machen.

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Staats-Minister von Bülow, erklärte hierauf:

Auf die eben vernommene Anfrage erlaube ich mir mit dem Schluß anzufangen und zu erwidern, daß eine Denkschrift, wie sie der Herr Vorredner als wünschenswerth bezeihnet hat, vorbereitet und fast vollendet ist, und je nachdem die Umstände es erlauben, dem Reichstage vorzelegt werden wird. Wir hätten gewünscht, es {on jeßt zu thun, die Frage war aber, womit sich die zweite Frage be- antwortet, noch nicht so weit erledigt, daß wir in diesem Augenblick mit sämmtlichen Dokumenten vor die Oeffentlichkeit treten konnten ; es wird aber vermuthlih in sehr kurzer Zeit nihts mehr im Wege sein, und wird dem Auswärtigen Amt nur erwünscht sein, dur die Vorlage der Dokumente möglichst bald den Beweis zu führen, daß diejenigen Veröffentlihungen, welche von anderer Seite und \po- radish vorgeführt sind, den Fall nicht vollständig und nicht ganz so darlegen, wie er vom Auswärtigen Amt aufgefaßt ist und nach meiner Ueberzeuzung hat aufgefaßt werden müssen.

Wenn der Herr Vorredner zugleich eine nähere Erläuterung über den Stand der Sache gewünscht hat, noch ehe diese Denkschrift vorgelegt wird, so kann ich in der Hinficht Folgendes sagen.

Der Fall als folcher is von dem Herrn Vorredner kurz, aber im wesentlichen ribtig angegeben worden; ih erlaube mir indessen, namentlich weil über den Anfang der Sache manche unrichtige Darstellun- gen verbreitet worden sind und zwar von jenseits des Oceans, noch Folgendes anzuführen.

Es haben zwei Fälle vorgelegen, wo theils der deutsche Konsulats- verweser, theils der deutsche Konsul selbst, die Brüder Eifenstuck mißhandelt worden find, einmal durch Angriffe mit Nevolver- \hüsfsen, das andere Mal durch einen förmlichen Ueberfall durch Polizeisoldaten, welche von einem Regierungsbeamten dazu angestiftet oder angewiesen waren. Schon in dem ersten Fall hatte der deutsle Geschäftéträger den amtlichen Antrag gestellt, die Sache zu untersuchen, weil, wenn eine solche Untersuchung nicht stattfände, das Attentat leiht wiederholt werden könne. Die Untersuchung unterblieb. Das zweite Attentat fand ungefähr 4 Wochen später, im Dezember 1876 statt; es wurde der Konsul, sein Bruder, dessen Gattin und cine sie begleitende Dame, eine Sticjtochter dês Konsuls, die ihren Mann verlassen hatte, von diefem Leßteren, einem Hrn. Leal, überfallen, von den Soldaten mit Kolbenstößen und anderweitig mißhandelt, die junge Frau, die den Hrn. Leal früher verlassen hatte, cntsührt, die andere zu Boden geworfen und 1woie gesagt, mit Kolbenstößen verleßt, der Bruder, Paul Eifenstuck, recht ernsthaft mißhandelt, ebenso seine Frau, deren Zustand eine besondere Scho- nung erforderte, endlih der Konsul und sein Bruder, der Konsulats- verweser, zum Gefängniß geführt. Alle diese Attentate würden wahr- scheinlich dur eine sofortige Bestrafung der Schuldigen, durch cine rechtzeitig eröffnete Untersuchung des ersten Attentats, auf die der Konsul und sein Bruder sofortantrugen, vermieden sein. Ginesolche Untersuhung fand aber au beim zweiten nicht statt. Nach langen Weigerungen wurde eine Untersuchung eingeleitet, wie sie auch durch die dortigen Geseße s{on vorgeschrieben war. Dieselbe endigte in das Detail will ich nicht eingehen, das wird spätcr die Denkschrift bieten mit Niederschlagung. Das einzig praktishe Resultat der ganzen Untersuchungen, sowohl der von den Brüdern Eisenstuck ins Werk gesetzten Privatklage, als der ex officio eingeleiteten und abgelehnten Strafklage, war folgendes, daß der Bruder Eisenstuck, dem bei dem stattgefundenen Handgemenge ein nit gebrauchtes Taschenpistol ent- fallen war, destalb in Strafe genommen und zu einer Gefängniß- respektive Geldstrafe verurtheilt wurde, daß aber von Denjenigen, die überfallen hatten, kein Einziger bestraft oder zur Untersuchung gezogen worden ist, im Gegentheil ihnen gegenüber die Ansicht fest- gehalten wurde, sie wären eigentlih die Beleidigten und Ueberfalle- nen. Zur näheren Charakteristik dient, daß ein Zeugniß aller Be- theiligten, auch Derer, die nicht im Streit felbst gewesen waren, nit eingezogen ist. Die Sache hat, au nah der Ansicht eines dortigen Nechtsgelehrten, die wir urs verschafft haben, mit einer vollständigen Justizverweigerung geendigk

Sobald die Sache hierher kam, lag dem Auswärtigen Amt die Frage vor, ob und wie der deutsche Konsul als folcher zn {hüten sei. Es wäre die Sache mit der Bestrafung der {huldigen Beamten leicht erledigt worden, es hat aber die dortige Regierung, wie ich mit Be- dauern konstatiten muß, diese fortdauernd verweigert. Die inzwischen stattgehabten Veröffentlihungen, die Verhandlungen und Besprechungen, die Versuche befreundeter Mächte, von denen ih namentlih England und Nordamerika nennen kann, die unsern Standpunkt vollitändig theilten, haben zu keinem weiteren Ziel geführt, als daß gegen uns Denk- riften und Aktenstücke veröffentlicht sind, wclche, um in diesem Augenblick der s{webenden Verhandlungen niht mehr zu sagen, jeden- falls unserer Auffassung nichts weniger als entsprechen.

Es kommt dabei für uns in Frage: bat der deuts{we Konsul als solcher Anspruch auf Entschädigung, auf Sühne? Hat das Reich die Pflicht und das Recht, die Vertretung des Konsuls in Anspruch zu nehmen und durchzuführen ?

Es kann nicht zweifelhaft sein, daß der Konsul als solcher einen vollen Anspruch auf diese Vertretung und diesen Schuß hat, wie es die internationalen Verträge und Gewohnheiten zusihern. Es kommt dabei in Betracht, daß Hr. Eisenstuck und sein Bruder zu den ange- schensten und ruhigsten Einwohnern des Landes gehören ; des besten Rufes genießen. Ébeuso hat unser Geschäftsträger mit großer Sorg- falt und Ueberlegung, mit anerkennenswerther Energie und gleichfalls mit anzuerkennender Mäßigung die Sache behandelt.

Dafür, daß der Konsul zu {hüten ist, beziehen wir uns auf die Beispiele anderer Reiche und des Vent e Reichs. Jh erinnere daran, daß, als vor zwei Jahren der deutsche und der französische Konsul in Salonik von einem Volkshaufen ermordet wurden, es \o- fort feststand, daß eine Genugthuung gegeben werden müssez ja, es wurde dieselbe 24 Stunden nachher voa der Pforte angeboten und nach theilweise niht ganz leihten Verhandlungen vollständig und zur Befriedigung geleistet. J erinnere an den Fall von Guatemala, dessen der Herr Vorredner erwähnte, wo der englishe Konsul Magen von einem dortigen Beamten mißhandelt und ins Ge- fängniß geworfen wurde. Die Regierung von Guatemala matte Gen den folgenden Tag freiwillig alle Entschuldigungen, die verlangt werden konnten und stellte Alles zur Disposition, was

als Strafe gegen den Beamten zu erlaugen war, und dennoch {ritt die englisde Regierung, weil sie amtlih erklärte, die Mißhandlung ibres Konsuls nicht ungesühnt lassen zu kögnea, dazu, außerdem Strafsummea zu exequiren, die viel höher waren, als wir beanspruchen zu Tôönnen glaubten. j

Ich will die Beispiele nicht vermehren, sie liegen zahlrei vor. Es kommt für das Deutsche Reich darauf an, von der Regierung zu Nicaragua diejenige Sühne zu erhalten, die wir für richtig und füc den Schuß unserer Landsleute, uamentlich für den amtlichen Cha- rakter des Konsuls für nothwendig halten. Das Auswärtige Amt hat vom Anfang der Sache an immer daran festgehalten und Hält noch daran fest, daß freundlihe Verhandlungen, daß die Darlegung des Rechtsstandpunktes, die Hervorhebung dessen, was für die Sühne spricht, die wünschenswertheste Erledigung herbeiführen werde. Wir haben aber bis jeßt feinerlei Entgegenkommen gefunden, es ist sogar die leiseste Entschuldigung Seitens der dortigen Regierung verweigert worden. Unter diesen Umständen kann ich für den Augenblick und nach Lage der Sache nihts weiter sagen, als daß wir beschäftigt sind, die Küstz zu rekognoësciren.

Der Abg. Schmidt (Stettin) fügte hinzu, daß nach einer Notiz des „Reichs-Anzeigers“ die englische Negierung sich bereit erklärt habe, weil ein deutshes Kriegsschiff sich nicht an der Küste von Nicaragua befunden habe, mit seiner Streitmacht zur See für Angehörige des Deutschen Reichs einzutreten. Es habe sich in diesem Falle, wie auch sonst, der Grundsaß der Solidarität befreundeter Mächte bekundet. Es sei jedo der Augenblick nahe, daß Deutschland seine Jnteressen mit eigenen Kriegsschiffen an der Küste von Nicaragua vertreten werde.

Der Staats-Minister von Bülow bemerkte hierzu:

Ich kann nur bemerken zur näheren Aufklärung, daß si die Angabe des Herr2 Vorredners wahrscheinlih beziehen wird auf den ersten Ausbruch dieser unerwünschten Streitigkeiten. Es war damals ein deutsches Kriegs\chiff nicht in der Nähe, und die großbritannisce Regierung hatte die überaus dankbar anzuerkennendz Gefälligkeit, weil in der That die Aufregung groß und die Sicherheit des Konsuls bedroht zu sein sien, dem einen oder dem andern ihrer Schiffe den Auftrag zu geben, in international-r Gefälligkeit den Schutz der deutschen Unterthanen uad des Konsuls zu übernehmen; eiz caglisches Kriegs\chif ging dorthin und hat einige Wochen dort stationirt. Der Herr Vorredner hat übrigens ganz Recht, wenn er sagt, daß deutsche Schiffe jeßt bald in der Lage sein werden, wenn es nöthig ist, diesen Schu allein zu Übernèhmen.

Bei Titel 44, Konsulat in Chicago, empfahl der Abg. Schmidt (Stettin) die Errichtung eines Konsulats in Cincinnati, wo über 50 000 Deutsche lebten und ein Stadttheil bereits den Namen Klein-Deutschland, little Germany, führe.

Der Kommissar des Bundesraths Wirkliche Geheimer Rath von Philipsborn stimmte dem zu und führte aus, daß in Chicago die Unkosten des Konfulates durch die Einnahmen mehr als gedeckt würden. Für Cincinnati würde der Kosten- punkt gleih günstig sein.

Der Abg. Dr. Kapp drückte seine Befriedigung darüber aus, daß die Fnteressen Deutschlands in Amerika gut ver- treten seien, und daß auch der Kostenpunkt diese Frage nicht ershwere; er befürwortete ebenfalls die Errichtung eines Kon- sulats in Cincinnati, welches seiner geographischen Lage nah dazu am besten geeignet sei. Nachdem noch der Abg. Frühauf im Namen zahlreicher Handelskammern den Wunsch ausge- sprochen hatte, daß die Zahl der deutschen Konsulate im süd- westlichen Rußland vermehrt werden möchte, wurden die übrigen Positionen dieses Etats ohne Debatte genehmigt.

Um 47 Uhr vertagte das Hcus die weitere Spezial- berathung.

&n der heutigen (10.) Sizung des Neichstaaæcs, welcher der Präsident des Reichskanzler-Amts, Staats-Minister Hofmann und mehrere andere Bevollmächtigte zum Bundes- rath bewohnten, scßte das Haus die zweite Berathung des Gesehentwurfs, betr. die Feststellung des Reichshaushalts- Etats für das Etatsjahr 1878/79 mit dem Etat des Reichs- kanzler-Amts für Elsaß-Lothringen, fort. Es ergriffen hierzu das Wort die Abgg. Schneegans und Rittinghaujen. Der Etat wurde unverändert genehmigt.

Bei dem Etat des Rechnungshofes wünschten die Abgg. von Benda, Richter (Hagen) und Rickert zu erfahren, ob ein faktishes Bedürfniß für die Neuschaffung einer Direktoren- und einer Rathsstelle beim Rechnungshofe vorliege, wie die- selbe im Etat gefordert wird.

Der Präsident des Reichskanzler-Amts, Staats-Minister Hofmann, erwiderte, daß ein folches Bedürfniß nach dem Urtheile des Präsidenten des Rechnungshofes und nah den vergleichenden Beobachtungen des Neichskanzler-Amts ent- schieden vorliege. Von diesem Etat wurden 2400 446 gestrichen. (Schluß des Blattes.)

Nach der vom Reichs-Eisenbahnamt veröffent- lihten, in der Ersten Beilage enthaltenen Uebersicht der Betrieb3-Ergebnisse deutscher Eisenbahnen—exfkl. Bayerns im Monat Januar d. J. stellt sh auf den 85 Bahnen, welche in dem Zeitraume vom 1. Januar 1877 bis Ende Januar 1878 im Betriebe waren und zum Vergleich gezogen werden können :

Die Einnahme aus allen Verkehrszweigen im Monat Ja- nuar d. J. bei 42 Bahnen höher und bei 43 Bahnen geringer, als in demselben Monat des Vorjahres, und die Einnahme pro Kilo- meter 1m Monat Januar d. J. bei 37 Bahnen höher und bei 48 Bahnen (darunter 15 Bahnen mit vermehrter Betriebs- länge) geringer, als in demselben Monat des Vorjahres. Bei den unter Staatsverwaltung stehenden Privat-Eisenbahnen einschließlich der Annaberg-Weiperter und Chemniß-Würsch- niger Eisenbahn beträgt Ende Januar d. J. das ge- sammte konzessionirte Anlagekapital 1251 939 800 M 416 265 900 (A Stammaktien, 44595 000 #( Prioritäts- Stammaktien und 791 078900 / Prioritäts-Obligationen) und die Länge derjenigen Strecken, für welche dieses Kapital bestimmt ist, 4545,32 km, so daß auf je 1 km 275 259 entfallen. Bei den unter Privatverwaltung stehenden Privat- Eisenbahnen auss{ließlich der Uelzen-Langwedeler Eisen- bahn beträgt Ende Januar d. J. das gesammte kon- zessionirte Anlagekapital 2989 193 507 M (1 066 612 858 M Stammaktien, 331 611 000 /6 Prioritäts-Stammaktien und 1 590 969 649 é Prioritäts-Obligationen) und die Länge der- jenigen Strecken, für welhe dieses Kapital bestimmt ist, 11 911,64 km, fo daß auf je 1 km 250948 M kommen.

Der Bundesrathsbevollmächtigte, Herzogli fachsen- meiningische Staats-Minister G iseke ist von hier abgereist.

Oesterreich-Ungarn. Pest, 25. Fébruar. (W. T. B.) Der Reichstag seßte die Verathung der Zollvorlage fort und genehmigte die Erhebung der Zölle in Gold. Hinsichtlich des Kaffseezolles wurde der von der Regierung vorgeschla-

gene Zoll von 24 Fl. angenommen.