1878 / 59 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 09 Mar 1878 18:00:01 GMT) scan diff

Verurtheilten ihre Strafen erlassen, umgewandelt oder

eßt worden. Wie der „Petit Parisien“ aus guter e erfahren haben will, sind die Linken des Senats

ents{lossen, den Verfassungstreuen in der neuen mini- PrEnen Majorität einen großen Plat En und ¿hnen s der Wa len der Senatoren auf Lebenszeit erhebliche Vortheile, nämlich von je zwei Sißen einen zu gewähren, während ihnen bis jeßt nur einer von dreien zufiel. Aus Versailles wird telegraphirt, daß die Rechte des Senats es sich sehr angelegen R läßt, die Konstitu- tionellen eines Besseren zu be een diese sollen aber bestimmt erklären, daß sie das Gesey Über den Belage- rungszustand und die Preßamnestievorlage in ihrer ursprünglichen Fassung unterstüßen werden. Dagegen scheinen fie hinsichtlih der Frage, ob das Ausgabenbudget votirt werden soll, ehe das Einnahmenbudget eingebracht wor- den ist, mit der Rechten gehen zu wollen. Der Senats- ausschuß für das Preßamnestiegeseß hat an Stelle des Hrn. Veutavon Hrn. Batbie zu seinem Berichterstatter ernannt. Die Bestimmungen der Vorlage, denen zufolge die Amnestie nur den zwischen dem 16. Mai und 14. Dezember Been Vergehen (der ursprüngliche Text sagt: Vergehen und Verbrechen) zu Gute kommen und auch auf Verleumdun- gegen Privatpersonen ausgedehnt werden joll, sind von E Auss{uß gestrihen worden; für die Rüczahlung der Geldstrafen hat dieser die Periode vom 1. Fanuar bis zum 31. Dezember 1877 angenommen. Der „Gaulo1s“ schreibt: „Jm Verfolg der Note des „Fournal officiel“ hat der Generalkommissar der Weltausstellung gestern dem Fürsten Hohenlohe die Pläne der Lokale mitgetheilt, welche den Sendungen aus Deutschland angewiesen sind. Wie wir Get sollen sie einen sehr beträhtlihen Umfang haben.“ ersailles, 8. März. (W. T. B.) Jn der T E A Sizung der Deputirtenkammer lenkte der legitimistische Deputirte Baudry d'Asson die Aufmerf)amkeit der FRegie- rung auf einen Artikel des Journals „Réveil“, in welchem den Katholiken s{huldgegeben wird, daß sie Ver- chwör.r seien und zu einem Kriege mit dem Auslande chürten. Der Conseils-Präsident und Justiz-Minister Du- aure, gab zu, daß der Artikel ein heftiger sei, erklärte in- deß, für die Regierung liege kein Anlaß vor, ohne Weiteres einzusdreiten: es müsse den Beschuldigten überlassen werden, Jelbst die Jnitiative zu einer gerihtlihen Verfolgung zu er- greifen. Italien. Rom, 8. März. (W. T. B.) Die Depu- tirtenkammer hat mit 227 von 384 Stimmen Cairoli um Präsidenten gewählt. Die Wahl der Vize-Prä - Ebenen soll morgen vorgenommen werden. Die Ge- rüchte, daß das gesammte Kabinet nah der heutigen Sitzung der Kammer seine Entlassung genommen habe, ent- behren, zuverlässigen Mittheilungen zufolge, der Begrün- dung. Die „AgenziaStefani“ meldet, der französische Botschafter beim päpstlichen Stuhle, Baron Baude, habe in Folge der Ernennung des Kardinals Ry zum Staatssekretär um seine Abberufung gebeten. Kardinal Franchi habe ein Rundschreiben an die päpstlichen Nuntien gerihtet und dieselben darin zu cingehen- den Mittheilungen über ihre Beziehungen zu den Regierungen, bei denen sie beglaubigt seien, aufgefordert. Gleichzeitig habe anchi Auskunft darüber gewünscht, wie die Regierungen einen Wechsel der Politik des Vatikans in festem, aber doch jedenfalls weniger aggressivem Sinne ansehen wür- den. Bezüglich der Meldungen über die Beglücckwün- fGung des neuen Papstes durch den König Hum- ert und die darauf erfolgte Antwort des Papstes theilt die „Agenzia Stefani“ mit, der König habe einen hohen italienishen Prälaten beauftragt, den neuen Papst in seinem Namen zu beglückwünschen, und der Papst habe dem König mündlih durch dieselbe Mittelsperson gedankt.

Amerika. Washington, 8. März. (W. T. B.) Der Schatsekretär Sherman macht bekannt, daß er bis auf Weiteres Zeichnungen in Gold und Silber auf Certi- fikfate zu den vierprozentigen Obligationen entgegen- nehmen werde.

Der russisch-türkische Krieg.

St. Petersburg, 8. März. (W. T. B.) Die „Agence Russe“ erklärt die Nachricht, daß der von Bulgarien zu leistende Tribut als Garantie für die russische

riegsentschädigung dienen solle, für unrichtig, es sei überhaupt keinerlei Garantie dafür im Friedensvertrage stipulirt.

Konstantinopel, 8. März. (W. T. B.) Dem Ver- nehmen nach hat die Pforte die Mächte in einer Note er- sucht, eine Pression anf Griechenland auszuüben, damit dasselbe den Aufstand in Thessalien und Epirus und auf Kreta nicht ferner begünstige und nähre. Falls diescr Schritt wirkungslos bleiben sollte, würde ein starkes türkishes Truppencorps nah Thessalien gesendet und von dem Panzergeshwader unter Hobart Pascha unterstüßt werden. Nach Kreta sind bereits Truppen abgegangen, zum Kommandanten von Kreta ist Nouri Pascha, zum Chef des Generalstabs Mehemed Ali Pascha ernannt. Nach Odessa sind mehrere türkishe Beamte Is Leitung der Rückbeförderung der in Rußland befindlichen tür- Tishen Gefangenen abgegangen. Prinz Hassan von Egypten ist f eingetroffen. Dem «gp gus nah wäre r Pascha als Vertreter der Türkei auf dem Kongresse

ignirt.

__ London, 8. März. E T. B.) Jn der heutigen Sißung des Oberhauses erklärte Lord Derby auf eine An- frage Lord Delaware's, er könne nicht sagen, wann die Re- gierung in der Lage sein werde, die Friedensbedingun- gen vorzulegen. Auf eine Anfrage Lord Granvill&@s erwiderte Derby, die Konferenz oder der Kongreß solle in Berlin stattfinden. Die Regierung verhandele jeßt mit den anderen Mächten, namentlich mit Oesterreih, über die Basen au die Konferenz. Die englische Regierung habe bereits in

bekannten Depesche erklärt, daß sie keine Verände-

rungen in den dur den europäischen die ag, getroffenen i

Arrangements anerkennen könne, bis sie die Zustimmung der übrigen Mächte erhalten habe. Die Regierung habe sich da- hin ausgesprochen, daß -niht einfach ein Theil, vern der ganze Vertrag zwischen Rußland und der Türkei dem Kon- gresse unterbreitet werden sollte. Dem Lord Dunraven er-

rte Lord Derby, die persishe Regierung habe ver- Jichcrt, daß sie kein Abkommen mit Rußland betreffs der

Abtretung eines Disiriktes am Kaspischen Meere getroffen

abe.

9 Jm Unterhause erklärte der Shaßkanzler in Be- antwortung einer Anfrage Lord Hartingtons, den Zeitpunkt des Zusammentritts der Konferenz vermöge er noch nicht anzugeben. Jn einer gestern eingegangenen Mittheilung der österreihish-ungarishen Regierung wcrde Berlin als Kon- ferenzort vorgeshlagen, England habe keinerlei Bedenken gegen die veränderte Wahl des Konferenzortes und in diesem Sinne bereits geantwortet. Lord Lyons werde unzweifelhaft der Vertreter Englands auf der Konferenz bleiben.

Wie.n, 9. März. (W. T. B.) Wie die „Presse“ meldet, sind bisher noch keinerlei authentische Mit- theilungen über die Friedensbedingungen hier ein- getroffen. Das St. Petersburger Kabinet habe die Anzeige hierher gelangen lassen, daß es sofort von dem Friedens- instrument volle Kenntniß geben werde, sobald Jgnatieff das- selbe dem Kaiser Alexander überreicht haben würde. Nach einer weiteren Meldung der „Presse“ würde in der heutigen Sizung der Delegationen außer dem Kredit von 60 Mil- lionen auch ein Antrag auf einen Nachtragskredit von 7 es für die bosnishen Flüchtlinge eingebracht werden.

Pest, 8. März. (W. T. B.) Der „Pester Korresp.“ wird aus Wien vom heutigen Tage gemeldet: Gestern Abend fand bei dem Baron Wen kheim ein freundschaftlicher Fdeen- austaush der ungarischen Delegirten über die orienta- lische Frage statt, dem auch Graf Andrassy beiwohnte. Die Anwesenden {lossen fich größtentheils der Ansicht an, daß die Vorlage des Ministers der Auswärtigen Angelegen- heiten in der Subkommission sür auswärtige Angelegenheiten verhandelt werden solle. Aus dem Jdeenaustaush über die Frage, zu welchem Zwecke die 60 Millionen gefordert würden, \öpften die Anwesenden fast ausnahmslos die Beruhigung, daß durch die bisher befolgte Politik die Fntere)jen der Monarchie in keiner Weise verleßt oder gefährdet seien und das bisher Geschehene in voller Harmonie mit dem stehe, was Graf Andrassy der Subkommission der letzten Delegation er- klärt hatte, wobei er in Aussicht gestellt hatte, daß von der Ab- siht einer Okkupation Bosniens gar nicht die Rede sein könne, folglich auch niht davon, daß der verlangte Kredit zu diesem Zwecke verwendet werden solle. Die Kreditforderung habe lediglich den Zweck, im Falle der Nothwendigkeit einer Mobi- lisirung die Bedürfnisse derselben zu deckden. Die Anwesenden gewannen die Ueberzeugung, daß die Kreditforderung in der Subkommission mit Beruhigung angenommen und ohne Schwierigkeit votirt werden dürfte. :

Malta, 8. März. (W. T. B.) Vier englische Panzer- \chiffe werden hier bleiben, um weitere Befetle in Empfang zu nehmen. Das Transportschiff „Euphrates“ geht mit 1068 Mann Truppen an Bord nah England, der „Serapis“ nah Jndien. Vier minder große Schiffe sind nah den Dar- danellen abgegangen, eins nah Kreta.

Aus dem Wolffshen Telegraphen-Bureau.

Wien, Sonnabend, 9. März, Nahmittags. Die Kredit- vorlage an die Delegationen besagt: Bei der gegenwärtigen Sachlage ist die Möglichkeit niht ausgeschlossen, daß die ge- meinsame Regierung genöthigt werden könnte, zur Wahrung der „Znteressen der Monarchie außerordentliche Maßregeln zu ergreifen. Jn diesem Falle muß die gemeinsame Regierung in der Lage sein, sofort die entstehenden Kosten decken zu können und daher um die Ermächtigung bitten, die desfallsigen Auslagen bis zur Höhe von 60 Millionen Gulden bestreiten zu dürfen. Mit dieser Summe sollen niht etwaige Anschaffungen zur Kom- pletirung der Ausrüstung der Armee bewirkt werden, sondern es sollen hierdurch der gemeinsamen Regierung die Mittel ge- währt sein, damit sie auf ihre Verantwortung rechtzeitig solche Maßregeln treffen könne, die bei einer raschen Verwerthung der Vortheile, welche die Organisation der Armee bietet, allein geeignet sind, die Monarchie vor jeder Gefahr und Ueber- rashung zu sichern. /

Wien, Sonnabend, 9. März, Nachinittags. Jn der Vorlage an die Delegationen, betreffend die Bewilligung der gemeinsamen Auslagen sür das zweite Quartal 1878, heißt es: Da sih die Jndemnität auf den Zeitraum eines halben Jahres erstreckt, sieht sich das Ministerium in die Nothwen- digkeit * verseßt, auch um die Bewilligung von drei Mil- lionen für Rechnung des außerordentlihen Heereserfor- dernisses pro 1878, sowie ferner von 726 700 Gulden für Rechnung des außerordentlichen Marine-Erfordernisses zu er- suchen, weil si in diesen Erfordernissen Bedürfnisse befinden, deren Sicherstellung unter allen Verhältnissen ohne Beein- trächtigung der Schlagfertigkeit der Armee niht aufgeschoben werden kann.

Nr. 10 des „Central -Blatts für das Deutsche Reich“, herausgegeben im Reichskanzler-Amt, hat folgenden In- halt: Allgemeine Verwaltungssachen: Ausweisung von Ausländern aus dem Reichsgebiet, Münz- und Bankwesen: Uebersicht über die Ausprägung von Reichsmünzen; Goldankäufe der Reichsbank ; Uebersicht Über die bis Ende Ianuar d. J. eingezogenen Landes- münzen. Justizwesen: Uebersiht der Geschäftsthätigkeit des Reichs-Oberhandelsgerits in den Jahren 1873 bis 1877. Zoll- und Steuerwesen: Bestellung eines Stations-Kontroleurs. Marine und Schiffahrt: Ertheilung eines Flaggenattestes. Konsulatwesen : Ernennung 2c. :

Nr. 10 des „Justiz-Ministerial-Blatts“ hat fol- genden Inhalt: Allgemeine Verfügung vom 4. März 1878, be- treffend die Außercours\feßzung “verschiedener Landes - Silber- und Kupfermünzen.

Statistische Nachrichten.

Im Anschluß an die Veröffentlißung ih Nr. 53 d. Bl, gere wir, nach den ZusammenstelUungen des Kaiserlichen statistischen Amts, die nacfolgende Uebersicht des Seeschiffahrtsverkehrs in den m RA Hafenpläßen des Reichs während des Jahres 1876,. in welcher die Zahl der diesen Verkehr ver- mittelnden Schiffe durch die halbe Anzahl der ein- und. ausgelaufenen Schiffe ausgedrückt worden ift.

Es verkehrten in den Häfen von Hamburg 5056 Schiffe von 2 202 827 Register-Tons, Kiel 4779 Sch. von 303 813 Reg. T., Stettin 2573 Sch. von 071 525 Reg. T., Lübeck 2514 S ch. von 323 412 Reg. T., Neufahr- wasser 1627 Sch. von 390 132 Rega. T., Königsberg 1360 S. von 208 929 Reg. T., Flensburg 1358 Sh. von 81 404 Reg. T., Bremer- haven 1244 Sch. von 649 761 Reg. T., Eckensund 1204 S. von 30 219 Reg. T., Memel 1038 Sch. von 176235 Reg. T., Pillau 805 Sh. von 220476 Reg. T., Bremen 720 Sch. von 33 604 Reg. T., Brake 691 Sch. von 97 922 Rea. T., Swinemünde 690 Sch. von 166 279 Reg. T., Rostok 688 Sch. von 71646 Reg. T., Altona 634 Sh. von 65 522 Reg. T., Geefiemünde 493 Sch. von

189 005 Reg. T., Neumühblen 476 S. von 33 443 Reg. T., Stral- “erd 418 Sé. von 44462 Reg. T., Wismar 400 Sch. von 40 877

eg. T., Harburg 380 Sch. von 27 840 Rega. T., Emden 309 Sch. von 27 883 Reg. T., Leer 293 S. von 39 940 Reg. T., Papenburg 266 S. von 5 776 Reg. T., Tönning 241 Sch. von 95 489 Reg. T. Wolgast 188 S. von 26 744 Reg. T. Die BEE der den Seeverkehr in diesen 26 wichtigsten deutshen Häfen vermittelnden Schiffe betrug 30 445 mit einem Gesammt-Raumgehalt von 6 145 165 Reg. T.; in sämmtlichen übrigen deutschen Haferpläßen verkehrten nur 15169 Schiffe von zusammen 537 764 Reg. T. Unter den oben angeführten Hauptverkehrshäfen treten wieder mehrere dur besonders starken Damyfschiffsverkehr hervor, nämlich: Hamburg 2905 Dampssch. von 1724779 Reg. T., Stettin 1170 Dämpsch. von 399 106 Reg. T., Kiel 1109 Dampfsch. von 141 546 Reg.- T., Lübeck 918 Dampfs. vou 176865 Reg. T., Bremerhaven 461 Dampfsch. von 394 310 Reg. T., Königsberg 352 Dampfsch. von 128 042 Reg. T., Pillau 335 Dampfs. von 157 873 Reg. T., Neufahrwafser 314 Dampfsch. von 141 406 Reg. T., Swinemünde 250 Dainpfich. von 117 117 Reg. T., Tönning 143 Dampfsch. von 90525 Reg. T., Geestemünde 83 Dampfsch. von 48 482 Reg. T. Im Ganzen betrug die Zahl der den Verkehr in diesen 11 Häfen vermittelnden Dampfschiffe (durch die Hälfte aller cin- und aus- gegangenen aus8gedrückt) 8040 mit einem Gesammtraumgehalt von 3 920 051 Reg. T., während si im Vorjahre der Dampfschiffs- verkehr in denselben 11 Häfen nur auf 7545 Dampfschiffe mit 3431 522 Reg. T. bezifferte. Den bedeutendsten Verkehr unter dies fen 11 Häfen hatte Hamburg: er war, der Gesammttragfähigkeit aller dort ein- und ausgelaufenen Dampfer nach, nahe gleich demjenigen der übrigen 10 Häfen zusammengenommen.

Gewerbe und Handel.

Ueber den Stand des Konkurses der Ritterschaftliccn Privatbank ergiebt ein im leßten Konkurstermin erstatteter Bericht des Vorsitzenden, daß die Verhältnisse sih für die Gläu- biger des infolventen Instituts keineswegs ungünstiger gestaltet haben. Die „Ostsee-Zeitung“ theilt in dieser Beziehung u. A. Folgendes mit: Im ersten Termin hatte man die Passiva auf 21 000000 geschäßt, denen ca. 15 000 000 realisirbare Forderungen gegenüber- standen, also etwa 70%. Die Passiva haben sich nun allerdings höher gestellt. An unzweifelhafien Forderungen an die Bank waren zum ersten Termin angemeldet 17 000000 #, zum zweiten weitere 9 500 000 6, zujammen 23 200000 A Dem gegenüber ist es den Aktivis zu Gute gekommen, daß sie sehr bescheiden geshätt sind. Es find jeßt 7 500 000 Æ im Depositum, außerdem ift uo ein Ueber- {uß von ca. 50000 X vorhanden, der als Betriebsfonds dienen soll. Ferner sind 8} Millionen Mark noch sicher zu erwarten, also ergiebt die Masse immer noch 70 ‘/9. Eine erste Vertheilung der eingegan- genen Gelder an die Gläubiger ift in Höhe von eiwa 334%/ für An- fang Mai in Aussicht genommen.

Die Stettiner Speicher-Aktien-Gesellschaft wird für das Jahr 1877 eine Dividende von 73/6 zur Vertheilung bringen. Verkehrs-2nstalten.

München, 7. März. (Allg. Ztg.) Die Bahnlinie von Eggenfelden nach Pocking längs des Nott-Thales ift zur Zeit in Bauangriff genommen, und es wird an derselben bereits rüftig gearbeitet. Die nunmehr genehmigte Alternativlinie von Neu- markt über Oberdietfurt nach Eggenfelden (statt Gang- hofen) ift theilweise in genereller Projektirung begriffen, theils {on der Grund erworben und der Bahnkörper gezogen. Der Markt Massing wird unweit von der Bahnlinie berührt werden. Außer- dem werden noch in das Bahnneß die Orte Oberdietfurt, Cggen- felden, Pfarrkirchen, Anzenkirchen, Schwaibach, Karpfham (Gries- bah) und Potking gezogen. Von da wird die Bahn voraussich:lih ihre Fortsetzung direkt nah Pafsau erhalten. Im Herbst 1879 darf der Cröffnung der Streckte Neumarkt a. R.-Pocking entgegen- gesehen werden.

New-York, 8. März. (W. T. B.) Der Hamburger Postdampfer „Herder“ ist heute Morgen 6 Uhr hier eingetcoffen.

Berlin, 9. März 1878.

Der Direktion des Krollschen Theaters ist es gelungen, Frl. Ernestine Wegner, sowie Fr. Walther-Trost und Hrn. Kurz vom Wallner-Theater zu einem einmaligen Gastspiel zu gewinnen. Dieselben werden morgen, Sonntag, in drei kleineren Stücken : „Die Sünderin“ von G. v. Moser, „Der Herr von Pa- pillon“ und „Mamsell Uebermuth“ auftreten.

Am Freitag, den 15. d. M., find:-t im National-Theater zum Besten eines Stipendienfonds des hiesigen So- phien-Gymnasiums eine Aufführung der „Antigone“ des So- phofles mit der Musik von Mendelssohn statt. Die Bühne wird zu diesem Zwet der alten attishen Scenen gemäß eingerichtet. Die Titelrolle hat Frl. Rosa Hildebrand, die Heroine des Königlichen Hoftheaters in Hannover, übernommen. Den Gesang der herrlichen Chöôre wird die akademisce Liedertafel, unter Leitung des Hrn. Musikdirektors Richard Schmidt und unter Mitwirkung des Königlichen Domsängers Hrn. Kuliccke ausführen. Der Berliner Symphoniekapelle ist die Ausführung der Justrumentalmusik übertragen. Bei der Tüchtigkeit der gewonnenen Kräfte verspricht En Aufführung der „Antigone“ sonach einen besonderen Kunst- genuß.

Die Direktion des Belle-Alliance-Theaters hat be- \{lossen, die Preise für die Aufführungen des Volksftücks „Cine Geldheirath“ an den Wochentagen zu ermäßigen. Die erste Vor- stellung zu diesen ermäßigten Preisen findet am Montag statt.

Das dritte und leßte diesjährige Abonnements-Konzert der Hrn. Dr. Hans Bischoff und Gustav Holländer fand am Donnerstag im Saale des Architektenhauses statt. Das Programm brachte zunächst ein bisher hier noch nit gehörtes“ neues Werk von Gr. Ries, eine Suite in F-dar für Violine. Dieselbe besteht aus 9 Säßen, von denen besonders der 4, die Romanze, dur ihren melodischen Gehalt und der legte, Burleske betitelt, dur die darin entwidelte frische, neckische Komik ansprechen. Das Musikstück boi Hrn Holländer reiche Gelegenheit, die anerkann- ten bedeutenden Vorzüge seines Spieles in Auffassung und Vortrag in hellem Lichte zu zeigen. Von dem Beifall, der jeder Nummer des Stückes folgte, darf er den Haupttheil seiner Interpretation desselben beimessen. Das Accompagnement, auf dem Klavier, welcher Theil bedeutend hinter dem 1: Fipance zus rück tritt, hatte Hr. Dr. Bischoff übernommen. Derselbe eie später noch Schumanns s{hwierige Klaviersonate in Fis-moll mit seinem künstlerishen Verständniß, während Hr. Heinrih Grünfeld unter großem Beifall zwei kleine Cellostüke vortrug. An Instrumentalpiecen bot das Programm noch das interessante G-dur- Trio (op. 112) von Raff, welches zum Schluß des Konzertes von den onzertgebern und Hrn. Grünfeld in gelungener Weise zu Gehör gebraht wurde. Einen besonderen Genuß bot der Gesang der Fr. Erler, welche eine Anzahl Lieder von Brahms, Jensen, Rubinstein, Hoffmann 2c. überaus wirkungsvoll vortrug. Fr. Erler ist als eine bedeutende Konzertsängerin in den musika- lischen Kreisen Berlins längst bekannt und erntete auch in diesem Konzert wiederum allgemeine lebhafte Anerkennung. Trefflich unter- sttüßt wurd: die Sängerin durch die geshmackvolle, verständnißvolle Klavierbegleitung des Hrn. Erler.

Redacteur: ‘J. V.: Riedel.

Verlag der Expedition (Kessel). ODruck: W. Elsner.

Drei Beilagen (einschließlich Börsen-Beilage).

Berlin:

Erste Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

M 59.

Personalveränderungen.

Königlich Preußiscze Armee,

Ernenuuungen, Beförderungen und Verseyzungen. Im aktiven Heere. Berlin, 28. Februar. v. Salisch, Pr. Lt. vom Inf. Regt. Nr. 60, als aggr. zum Inf. Regt. Nr. 84 verseßt. 2. März. v. Treskow, Hauptm. und Comp. Chef vom Inf. Regt. Nr. 83, dem Regt. unter Beförderung zum überzähl. Major aggregirt. Caemmerer, Hauptm. vom Generalstabe ÁV. Armee-Corps, als Comp. Chef in das Inf. Regt. Nr. 83 ver- eßt. Milson, Major z¿. D., zuleßt Escadr. Chef im Hus. Regt.

r. 1, in der Armee und zwar als überzähl. Major mit einem Patent vom 29. Septbr. 1876 als aggr. bei dem Drag. Regt. Nr. 12 wiederangestellt. Mackensen, Pr. Lt, aggr. dem Ulan. Regt. Nr. 15, unter Beförderung zum Rittmeister und Escadr. Chef, vorläufig ohne Patent, in das gen. Regiment einrangirt. Graf vou der Scbulenburg, Sek. Lt. à la suits des 1. Garde- MNegis. z. F., in das Drag. Regt. Nr. 15 einrangirt. Reinhard, Hauptm. à a snite des Inf. Regts. Nr. 75, dem Regt. aggregirt. 9. März. v. Horn, Sek. Lieut. vom 2. Garde-Regt. z. F., zum 1. April cr. von dem Commando bei der Unteroffiz. Schule in Bie- brich entbunden.

Abschiedsbewilligungen. Jm aktiven Heere. Berlin, 28. Februar. Frhr. v. Tettau, Oberst a. D., zuleßt Brigadier der 10. Gensd. Brig., mit der Erlaubniß zum ferneren Tragen der Unif. des Kür. Regts. Nr. 3 Graf Wrangel, Wermelskirch, Major a. D., zuleßt Abtheil. Commdr. im Thüring. Feld-Artillerie- Regt. Nr. 19, mit der Erlaubniß zum ferneren Tragen der Uniform des Thüring. Feld-Art, Negts. Nr. 19, zur Disposition gesteüt. 2. März. v. Kramsta, Sek. Lt. von der Res. des Garde-Kür. NRegts., der Abschied bewilligt.

XVVZ, (Königlich Württembergisches) Armee-Corps.

Ernennungen, Beförderungen und Versetzungen. Im ea D eere. 21. Februar. v. Müller, Hauptm. im Inf. Regt. r. 126, zum Landjäger-Bez. Commdr. ernannt. 25 Februar. v. Besenfelder, Major und Abtheil. Commdr. im Feld-Art. Regt. Nr. 29, zum Commdr. des Fuß-Art. Bats. Nr. 13 ernannt. Jung, Major und etatsm. Stabsoffiz. im Feld- Art. Regt. Nr. 13, als Abth. Commdr. i. d. Feld-Art. Regt. Nr. 29 versetzt Strack v. Weißenbach, Major und Battr. Chef im Feld-Art. Regt. Nr. 29, zum etatsm. Stabsoffiz. ernannt. Forte n bah, Pr. Lt. im Feld-Art. Regt. Nr. 13, unter Vers. in das Feld-Art. Nezt. Nr. 29, zum Hauptm. und Battr. Chef, Osterberg, Sec. Lt. im Feld-Art. Regt. Nr. 13, zum Pr. Lt., befördert. 4. rz. Oel- hafen, Zeughauptm. beim Art. Depot Ludwigsburg, der Charakter als Zeuzmajor verliehen.

In derx Kaiserlichen Marine.! ?

Grnennungen, Beförderungen, Verseßungen 2c. Berlin, 26. Februar. Riehl[, Korvettenkapitän a. D., mit der Erlaubniß zum Tragen seiner bisher. Unif. zur Disp. gestellt.

BeranntmäcGung,

Nach- Vorschrift des Geseßes vom 10. April 1872 (Geseß-Samml. S. 357) sind bekannt gemacht:

1) der Allerhöchste Erlaß vom 9. Januar 1878, betreffend die Verleihung des Enteignungsrechts an die Stadtgemeinde Berlin be- züglich der zur Anlage einer Straße von der Markusstraße nah der im Anschluß an die Verlängerung der e zu erbauen- den neuen Brüdcke über die Spree, sowie zur Verbreiterung der Markusstraße auf der Strecke von der Langenstraße bis zum Grünen Weg erforderlichen Grundstücke, durÞ das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Potsdam und der Stadt Berlin Nr. 6 S. 38, ausge- geben den 8. Februar 1878;

2) der Allerhöchste Erlaß vom 12. Januar 1878, betreffend mchrere Abänderungen des Statuts des Linden-Steiner Deichver- bandes vom 21. Oktober 1863, durch das Amtsblatt der Königlichen S evi zu Breslau Nr. 8 S. 37/38, ausgegeben den 22. Februar

(8; 3) der Allerhöch{ste Grlaß vom 16, Januar 1878, betreffend die Verleihung des Enteignungêrehts an die Stadtgemeinde Berlin, bezüglich des zur Verbreiterung des Potsdamer Platzes und der Pots- damer Straße erforderlichen Grund und Bodens, durch das Amt8- blatt der Königlichen Regierung zu Potsdam und der Stadt Berlin Nr. 8 S. 50/51, ausgegeben den 22. Februar 1878.

Statistische Nachrichten.

Ueber die Waaren-Ein- und Ausfuhr des allgemei- nen österreih - ungarishen Zollgebietes und Dal- matiens im Jahre 1877 entnehmen wir der „Wiener Zeitung“ folgende Angaben: Der Gesammthandel8werth des Waarenverkehrs im allgemeinen österreichish-ungarischen Zollgebiete betrug nah dem von der K. K. Permanenzkommissiou sür die Handelswerthe für das Jahr 1876 festgestellten Ausmaße zusammen 1 230 869 832 F1. gegen 1 124 878 898 FI. im Jahre 1876, also für 1877 mehr 105 990 934 F1.

iervon entfielen auf die Einfuhr 574 165 133 Fl. gegen 534 245 051

[. (also + 39 920 028 F[.); auf die Ausfuhr 656 704 699 Fl. gegen 990 633 847 Fl. (also + 66070 852 Fl.). Diese Summen enthalten jedoch nicht den Gesammtwerth der sämmtlichen im Jahre 1877 aus dem Auslande und den Zollaus\{chlüssen ein- und dahin ausgeführten Waaren , sondern nur die Ein- und Ausfuhrwerthe der in diesen Uebersichten nachgewiesenen wichtigeren Panbectgegep tände, Der Mehr- werth der Waareneinfuhr von 39920082 Fl an welchem mit Ausnahme von 5 Larifklassen alle übrigen partizipiren, wurde vorzugsweise veranlaßt: durch die stärkeren Bezüge an Webe- und Wirkstoffen (29,2 Mill.), an Garten- und Feldfrüchten (14,3 Mill.), an Garne (6,2 Mill.), an Fetiwaaren und fetten Oelen (3,1 Mill.), an Petroleum, Farb- und chemischen Hülfs\toffen (2,2 Mill.), dann an Maschinen und Kurzwaaren (2,1 Mill.). Der Gesammtmehrwerth der Waarenausfuhr von 66 070 852 Fl. ist zunächst“ dem gesteigerten Erxporte an Garten- und Feldfrüchten (53 Mill.), an Brenn-, Bau- und Werkstoffen (12,7 Mill.), an Rohzucker (3,3 Mill.), an Webe- - und Wirkwaaren (2,9 Mill.), an Maschinen und Kurzwaaren (2,2 Mill.), dann an Leder- und Lederwaaren (2 Mill.) zuzuschreiben. Der Handelswerth der ein- und ausgeführten Edelmetalle und Münzen aus denselben beziffert sih auf zusammen: 42 722 618 Fl. gegen 65 823 096 Fl. im Jahre 1876 (mithin 1877 23 100 478 Fl.). Hiervon kommen auf die Einfuhr: 28 315 114 Fl. gegen 35 494 082 Fl. (mithin —7 178 968 Fl.) und auf die Ausfuhr: 14107 504 Fl. gegen 30 329 014 F[. (mithin 1877 15 921 510 Fl.). Der berechnete Fotthetrag für die in den vorliegenden Uebersichten aufgeführten

aaren entfällt rücksichtlih des allgemeinen österreichish-ungarishen Hollgebietes zusammen mit 19 822 528 Fl. gegen 19273 450 §l., mithin 1877 +4 549078 Fl. Hiervon kommen auf die Einfuhr

Berlin, Sonnabend, den 9. März h 19045 545 Fl. im Jahre hin 1877 #4597272 Fl.), auf die Ausfuhr 179711 F]. gegen 227905 Fl. (mithin 1877 —48194 Fl.). Der Mebrertrag an Eingang8;öllen wurde zumeist durch den größeren Import an rohem Kaffee und Gewürzen, an Schweinefett und Olivenöl, an Petroleum, an Garnen und an Maschinen veranlaßt. Der Aus- fall an Eingang#zöllen gründet sich auf zurüccktgebliebenen Export an rohen Kalb-, Schaf-, Lamm-, Ziegen- und Hasenfellen, sowie an Hadern. An Zöllen und Nebengebühren sind in den im Rei hs- rathe vertretenen Königreihen und Ländern (mit Ausnahme von Dalmatien) faktisch eingeflossen zusammen 17 496 392 Fl. gegen 17081264 Fl. im Sahre 1876 (1877: + 415028 FS1.). Hiervon sind Eingangszölle 17 165 376 Fl. gegen 16 706 827 F[. im Jahre 1876 (— 458549 Fl.), Aus8gangszölle 154559 F[. gegen 199 667 Fl. (— 45108 Fl.), Nebengebühren 176 357 F[. gegen 174770 Fl. (+ 1587 BL). Der offiziele Gesammt- werth des Waarenverkehrs von Dalmatien betrug zu- fammen: im Jahre 1877 21308 352 Fl. gegen 21 685 749 Fl. im Jahre 1876 (— 377 397 Fl.). cs a entfielen auf die Einfuhr 13 075 069 Fl. bez. 13 657747 Fl (— 582678 F1.), auf die Aus- fuhr 8 233 283 Fl. bez. 8028 092 F[. (+ 205 281 Fl). Die be- rechneten CEingangszölle von den in diesen Nachweisungen enthaltenen Waaren . betrugen 342 900 Fl. gegen 347 656 Fl. im Jahre 1876 (daher 1877 4756 Fl.). Der wirkliche Zollertrag für die sämmt- lichen nah Dalmatien eingeführten Waaren erreichte 358 278 F. gegen 348 306 Fl. im Jahre 1876 (mithin im Jahre 1877 + 9972 Fl.).

19 642817 Fl. gegen 1876 (mit-

Die Ausgrabungen zu Olynpia. XXRI. (Vergl. Ne. 51 d. Bl. )

Olympia, 21. Februar. Als ein zweites Centrum für die Arbeiten dieses Winters bot sich uns neben dem Zeus- tempel das Heraion dar. Auch die Umgebung dieses Tem- pels galt es weiter aufzuklären. Eine Erweiterung des Erd- abstihs rings um denselben bis auf ca. 8 m vom Stylobat legte im Norden die {hon von Pausanias 6, 19, 1 erwähnte Stufenterrasse frei, welche zu den Ausläufern des Kronion- hügels hinaufführt. Dicht vor der Mitte der Ostfront fanden ih die Fundamente eines Altars oder dergl. Der Haupt- eingang des Tempels war offenbar an der Süstostecke. Dies be- weisen nicht nur vorgelegte niedrigere Stufen, sondern auch die Richtung der in die Säulen eingelassenen Jnschrifttafeln, deren Einsaßspuren sich noch erhalten haben auch zwischen den Säulen muß einst, den Standspuren nach zu schließen, ein ganzes Archiv von Jnschristplatten gestanden haben. Diese Südostecke wurde in römischer Zeit dur einen Springbrunnen und mehrere Ehrenstatuen geschmüdckt, deren Basen sih noch erhalten haben. Nach den Jnschriften standen auf denselben die Bildsäulen elisher Honoratioren und deren weiblicher Fa- milienglieder; unter ihnen auch ein später Nahkomme des Phidias, der als solcher das heilige Ant eines Reinigers des goldelfenbeinernen Zeuskolosses bekleidete. Von diesen Posta- menten mögen die Statuen herstammen, die wir aus den späten Mauern an der Ostseite des Tempels hervorgezogen haben (Bericht XIX,), leider ohne ihre Köpfe.

Am 15. Fanuar haben wir nun au einen Kopf jener Epoche gefunden und zwar in der Erde unter einer jener Mauern, die in später Zeit aus lauter Säulentrommeln vom Heraion zusammengewälzt in doppeltem Zuge die Südfront des Heraions begleiten. Es ist das ein anmuthiger weib- licher Porträtkopf, überlebensgroß, der Haartraht nach zu schließen, etwa aus dem Anfang des ersten nahchristlichen Jahrhunderts ; die Anordnung der Locken entspricht der Hof- sitte augusteischer Zeit.

Dringt man an der Süd- und Westseite des Heraions unter das Niveau der antiken Statuenbasen, der Wasserlei- tungen und Abflußrohre hinab, die sich, von den Höhen Herabkommend, im Westen des Tempels förm- lich drängen, so gelangt man in eine Fundschicht, die für uns die ältesten Epochen griechisher Kultur repräsentirt. Charakteristisch für dieselbe ist besonders eine

ewisse Klasse kleiner Thierfiguren aus Bronze, die

K hier, wie überall in der Altis, wo man in tiefere Schichten gedrungen ist, bereits zu vielen Hunderten gefunden haben. Es sind meist Ochsen, Kühe, Pferde; aber auch Hirsche, Hasen, Vögel kommen vor, oft so roh gearbeitet, daß man die ge- meinte Thiergattung gar nicht zu bestimmen wagen kann, bis- weilen aber auch mit aller Sorgfalt arhaisher Kunstübung gebildet. Einige derselben haben zu tektonishen Zwecken, zur Verzierung von Gefäßhenkeln und dergl. gedient; die bei weitem größere Masse bilden aber sicher Votivgaben, wie man sie in der Umgegend aller größeren Kultstätten angetroffen hat. Auch menschlihe Figuren und Geräthschaften , die sih hier im Klei- nen nachgcbildet finden, wie Wagen, Dreifüße und dergl. follten der Gottheit geweiht werden. Aermere Leute ließen fih wohl auch an Thier- und Menschengestalten aus gebranntem Thon genügen, von denen die hier gefundenen das Aeußerste an grotesker Rohheit leisten.

An der Schaßhäuserterrasse ist mit der Ausgrabung der Thesaurenfundamente so weit fortgefahren worden, daß wir bald hoffen dürfen, sämmtlihe eilf Thesauren freigelegt zu haben, welhe Pausanias auszählt. An plastishen Funden 1st hier für jeßt nur ein kleiner männliher Marmortorso (21. Januar) zu erwähnen, der in eine späte Mauer ver- baut war.

Sclossen sih die Arbeiten um den Zeustempel, das “Heraion und die Thesauren eng an die Resultate der vorigen Ausgrabungsepoche an, so habe ih im Folgenden der neuen Unternehmungen zu gedenken, welhe wir im Auftrage des Direktoriums in Angriff genommen.

In den beiden ersten Aus Vini t d pa war man vom Zeustempel als Centrum in sieben strahlenförmig angeord- neten Gräben nah S., W., N.-W., N. und N.-O. vorgegangen. Dieses cs von Gräben wurde nun zunächst dur einen von der Mitte der Zeustempelfront nach Osten ziehenden Graben vervollständigt, welcher, in seiner Mitte nah S.-O. umbiegend, auf einen römischen Ziegelbau am Alpheios zu- geht, das sogenannte Octogon (Octogongraben).

U A878,

Dieser Graben führte am 16. November v. J. {on in ca. 3m Tiefe zu einem schönen plastishen Funde: einer vier- edigen Marmorbasis, an der sowohl die obere Hälfte als die Rückseite abgesplittert waren. Die drei erhaltenen Seiten zeigten ih mit Reliefs guten griechischen Stiles, etwa der Diadochenzeit, bedeckt. An zwei gegenüberliegenden Seiten sieht man Herakles mit dem nemeischen Löwen ringend und als Sieger auf dem lang hingestreckten, gewaltigen Thiere sißend. Die dritte Seite is mit einer figurenreichen Dar- stellung bedeckt, deren Sinn sich nicht enträthseln läßt, da hier, wie auch an den anderen Seiten, die Obertbzile der Siaurén fehlen: links eine thronende Frau, von der \ich ein Mann eilenden Schrittes wegbegiebt, um auf eine Gruppe von vier langbekleideten Frauen zuzuschreiten.

Als wir im Octogongraben tiefer hinabstiegen, that si uns hier dasselbe Gewirre von späten, aus Trümmern zu- sammengeflickten Hütten auf, wie vor der Ostfront des Zeus- tempels, dicselben Keltern und Gräber. Wichtig wurde aber besonders die Thatsache, daß sich in dieser Mauer bis auf eine Entfernung von 100m vom Zeustempel zahlreiche Fr a g- mente von der ODstgiebelgruppe und der Nike des Paionios verbaut fanden; aus der Giebelgruppe auch ein Kopfstük, das wohl dem Tnieenden Wagenlenker der linken Giebelfeite angehört eine deutlihe Mahnung, die Hoffnung auf die fehlenden Glieder und Köpfe der Giebelgruppen und der

| Nite so lange nicht auszugeben, als nicht das ganze Gebiet im

Osten des Zeustempels aufgedeckt ist.

Noch tiefer in den eigentlih antiken Boden eindringend, stießen wir in ciner Entfernung von mehr als hundert Metern östlih vom Zeusiempel auf römishe Mosaikfußböden, was wir wohl als ein Zeichen dafür nehmen durften, daß wir uns wahrscheinlich schon außerhalb der Altis befänden. Und in der That durchziehen den Graben wenige Meter näher zum Zeus- tempel hin zwei mächtige Quadermauern in nordsüdlicher Nichtung, von denen die östlichere in. ihrer Verlängerung nah N. das Ostende der Schaßhäuserterrasse treffen müßte, also gerade den Punkt, wo sich nach Pausanias der für die Kampf- rihter bestimmte Eingang in das Stadion befand. Diese Mauer also, oder vielleiht ihre mehr nah W. ge- legene Begleiterin, wird als Ost-Altismauer die Grenze des heiligen Gebietes bezeihnen , das sich mithin nah dieser Seite gegen 100 m weit von der Osftfront des Zeustempels aus crstreckt haben würde.

Im S. besitzen wir Vielleicht in einer der hon durch die frühern Ausgrabungen aufgedeckten Mauern des sogen. West- grabens die Südgrenze der Altis, etwa 107 m vor der Südseite des Zeustempels. Bedürfen aber diese Annahmen noch einer Bestätigung durch den Fortgang der Ausgrabungen und entbehren wir im W. bis jet noch jeder Kunde über die Ausdehnung der Altis nach dieser Seite hin, so dürfen wir dafür hoffen, über die Nordmauer der Altis sehr bald genau unterrichtet zu sein.

Die zweite neue Aufgabe nämlih, die uns gestellt war, bestand in der Untersuhung und Verfolgung dreier antiker Quadermauern, welche sich in dem vom Zeus- tempel nah N.-W. zum Kladeos hin ziehenden Graben gezeigt hatten. Zu diesem Zwedle wurde vom Heraion nah W., auf die Tüdliche dieser Mauern zu, ein Graben ge- zogen, der uns die wichtigste der Entdeckungen diefes Winters brahte die Reste des Philippeion, jenes fsäulen- umgebenen Rundbaues, welhen König Philipp von Make: donten nah der Niederwerfung der Hellenen bei Chäroneia (338 v. Chr.) errichten ließ. Da dieses Gebäude zum Gegen- stande eines besonderen Berichts gemacht werden wird, hier nur so viel, daß von demselben nur die beiden S en Fundamentringe unzerstört geblieben find, daß aber fast sämmt- liche übrigen Bauglieder in den über die Fundamente hin- ziehenden späten Mauern der Umgebungen vorgefunden wur- den. Jn denselben steten zum Theil auch die Reste meh- rerer sich ringförmig zusammenschließenden Marmor- basen, des einzigen, was uns von den Goldelfenbein- bildern des Königs, seines großen Sohnes und seiner übri- gen Familienmitglieder geblieben is, deren Statuen sämmt- lih Leochares gefertigt hatte. Aus jenen späten Mauern wurden außerdem eine kopflose weibliche Gewandfigur römischer Arbeit hervorgezogen (25. Dezember 77) und eine Marmorstatuette des auf eincm Felsen, wie es scheint, trunken hingelagerten Herafkles (11. Januar 78); auch dieser Sta- tuette, deren Arbeit frühestens der späteren griechishen Zeit an- gehört, fehlt der Kopf. Jn der das Philippeion umgebenden Erde wurden außer zahlreihen Bronzegegenständen und Votiv- thierfiguren ein s{chöônes spannenhohes Bronzefigürchen ausgegraben, eine weibliche, reich bekleidete Gestalt archaischen Stiles (20. Februar). Ferner ein liegender Löwe aus Kalkstein, ca. 60 cm lang, von sehr alterthümlicher s{höner Arbeit mit s{huppenartig behandelter Mähne; er scheint als Wasserspeier gedient zu haben (gefunden 16. Februar). Etwas weiter gegen W. fanden sich zwei werthvolle, alterthümliche Bronze-Jnschriften. i : :

Von den Mauern im N.-W.-Graben erwiesen sih zwei als einem und demselben Bezirke angehörig, der ein genau nach den Himmelsgegenden orientirtes Quadrat von mehr als 66 m Seitenlänge gebildet und in seiner gewaltigen Ausdehnung fast den ganzen N.-W. der Altis eingenom- men zu haben scheint. Ob in demselben das Prytaneion der Eleer gefunden ist, das nach Pausanias nahe am Philip- peion lag, kann erst der Fortschritt der Ausgrabungen lehren. Jst dies der Fall, so haben wir in einer gewaltigen Quader- mauer, die ca. 6 m nördlih an der Nordseite des Prytaneions entlang läuft, wahrscheinlich die Nord-Altismauer und dürfen hoffen, bald das Thor derselben zu finden, das dem Gymnasion gegenüberlag und zwishen Philippeion und Pry- taneion angenommen werden muß. Die Altis hätte fih dann ca. 110 m von der Nordseite des Zeustempels na

erstreckt. Dr. Georg Treu,