1923 / 56 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 07 Mar 1923 18:00:01 GMT) scan diff

um die Tätigkeit der französisGen Ingenieure bei den deutschen JIndustrielien und dem Lransportdienst zu unterstügen. Keine Störung, keine Veränderung in dem normalen Leben der Be- völferung folle erfolgen.

(Erneute Nu?!e: Hört! hört!) In Nube und Ordnung könne sie weiter arbeiten.

Ich habe die Pflicht, meine Damen und Herren, diesen am 9.- Januar dieses Jahres gegebenen Worten Frankreihs die Wirk- Tihkeit gegenüberzustellen und die Bilanz diefer 7} Wochen zu zichen.

Ich beginne mit der Passivfeite. Der beshräukte Gebrauch, den Frankreich von Soldaten machen wollte, umfaßt 5 Divisionen mit 2 Generalkommandos, etwa 75 Tanks und Hunderte von Flug- zeugen (hört! Hhört!), und um!iaßt weiße und farbige Truppen. (Lebhafte Nufe: Hört! hört!) Und was geshah, um das normale Leben der Bevölkerung autrecht zu erhalten, sie in Ruh: und Ordnung weiter arbeiten zu lassen? Zunächst hat Fraukreich beansprucht, daß seine Befehle von Beamten und Nichtbeamten vollzogen würden. Zuerst hat es sih dabei no&H bemüht , jeweils Rechtsvorwände vorzu\hüßen. Als das Suchen danach au dem ge- übten Advokaten zu mühevoll und zu schwierig wurde, hat man es aufgegeben und, ohne sich weiter unm die Nehtsgrundlage zu kümmern, nah Beschluß der französischen und belgishen Regierung Verordnung über Verordnung erlassen, die jegliBen Nechtsbodens entbehren. Dabei rechneten fie nicht mit der alten Beanitentreue. Da Mahnung und Warnung vergeblich blieben, sollten Zwang und Druck helfen. In weichem Umfang mit Ausweisungen und Ver- haftungen gewütet wird, darüber statt abscließender Ziffern uur einige Beispielziffern nah dem Stand der leßten Tage!

So find aus dem Bereich der Beichsverkehröverwaltung 71, der Neichspoftverwaltung 99 Beamte, der NReichsfinanzverwaitung 279 Be- amte (hört! bört!), von preußishen Staats- und Gemeindebeamten rund 1000, gegen 700 Schußpolizeibeamte (erneute Rufe: Hört! hört !), in der bayerischen Pfalz seit dem 11. Januar 87 Beamte, aus Baden neun auegewiesen und vertrieben worden. Aus der NReichsverkehrs- verwaltung waren bis vor wenigen Tagen 29, aus der Reich8post- Verwaltung 22, aus der Neichsfinanzverwaltung 26 Verurteilungen gemeldet, ganz abgesehen von den Verurteilungen, die vielleicht hier zur cauntlichen Kenntnis noch nit gekommen sein möge.

Das Berfahren ist ja auch für Massenanwendungen einfach

genug (iehr wahr! rechts und bei den D. D.): die Tür geht auf, Vifiziere und Gendarme treten ein, paden den Beanuten, und fort gebt es ins Gefängnis. (Lebhafte Rufe: Hört, hört!) Es folgt eine rasche Anilageerhebung vor dem Kriegsgeriht, meine Damen und Herren, „Kriegsgericht“ mitten im Frieden (hört, hört!) und im Dienst einer friedlihen JIngenieurkommijsion | (Hört, hört ! Un- erhört !) Einnände der Verteidigung werden kurz erledigt, Beschlüsse und Urteile aus vorher gefertigten Niedershrifsten verlesen. (Hört, hört} Lange Gefänguisstrafen und hohe Geldstrafen sind das Schicksal der Männer, die ihrem Vaterland bie ges{chworene Treue halten und den recht&widrigen Weisungen der Eindringlinge nicht folgen. (Pfuirufe.) Tage- und wochenlang werden die Verbasfteten in Zellen eingesperrt, die fonst nux zu kurzer Aufnahme für Landstreicher bestimmt sind. (Lebhafte Rufe : Hört, hört! Pfui !) Tagelang erhalten fie nichts als ein Stück Brot zur Nahrung. Die deutsche Zuchthausordnung sieht für den verurteilten gemeinen Vers brechber bas Recht vor, Besuche von Verwandien zu empfangen. Die verurteilten deutichen Bürgermeister zu besuchen, ist ihren Frauen nicht gestattet worden! (Stürmische Nufe rets, in der Mitte und bei den D, D.: Hört! hört! Pfui!) Auch Besuche von Vertretern und Bertreterinnen des interalliterten Noten Kreuzes wurden abgewiesen (Grneute lebhafte Rufe: Hört! hört! Ptui! Zuruf von der D. Vp.: Die Furcht vor der Wahrheit !) Die Franzosen wissen wohl, warum {ichr rihtig); denn die Untezifunftéräume find so aller Einrichtung bar, daß die Franzosen sih ihrer schämen inüßten. Die Ehre deutscher Männer wird durch folche schändlihe Ge- fangenschaft nicht gemindert, sondern vermehrt. (Stürmische Brayo- rute.) Aber wie ist diese Schande mit der Ehre des französischen Volfes zu vereinbaren? (Sehr wahr! und Lachen rechts, in der Mitte und bei den D. D.)

So haben Ausweisungen und Verhafiungen ganze deutsche Be- hörden ibres Hauptes und ihrer Glieder beraubt. Die Negierungen des beseßten und des Einbruchsgebiets haben, wenn nicht den ganzen Bestand, so do den weitaus größten Tell ihrer Beamten verloren. Große Städte im Rheinland. und in Westfalen, in Nheinhessen, in der Pfalz sind durch Ausweisungen und Verhaftungen ihrer Bürger- meifter beraubt worden.

Brutal und zynisch ohnegleichen ist durchweg bei diesen Ausweisungen verfabren worden. (Sehr richtig! im Zentrum und bei den D. D.) Die Ausgewiesenen wurden aus ihren Wohnungen cder Amtsräumen beraus verhaftet und über die Grenze geshleppt. Auch die Familien, darunter Kranke, Frauen und Kinder, bat man im altbesezten Gebiet mit auêgewiefen, fie genötigt, ihre Habseligkeiten in kürzester Frist in Sicherheit zu bringen, und ihre Wohnungen bes{lagnahmt. Mit überlegter Grausamkeit ist der Eindringling vorgegangen; denn es ift ihm ganz genau befannt, wie {wer es bet der herrscheuden Wohnungs- not im unbefegten Gebiet ist, neue Wohnungen zu finden.

Anch die Abbeförderung der Auëgewiesenen ins unbesezte Gebiet wird mit beflissener Nücksichtslosigkeit vollzogen. Truppweise werden die Auëgewiesenen auf Lastautos geladen und unter Quälereien der fie beglcitenden Soldaten oft in stundenlanger Fahrt fortgeführt. (Lebhafte Pfuirufe.) Personen von mehr als 60 Jahren wurden in ïalter Winternacht auf ihnen unbekannter Landstraße ausgesetzt. (Leb? Hafte Nute: Pfui! Unerhört!) Eine Folge soldher Wilikür ist der Tod des Negierungédirektors der Forstkammer in Speyer, der am 9, Februar in Heidelberg einige Tage nach seiner brutalen Ver \chleppung aus Spever verstarb.

Aus der Fülle der Nechtsbrüche will ih nur einige Beispiele er- wähnen, deren fich die zügellose Soldateska bei der Verhaftung ihrer wehrlofen Opfer schuldig gemacht hat.

Der fast 60 jährige Oberbürgermeister von Oberhausen wurde feslgcnoummen, weil er es ablehnte, den Betriebsleiter der Elektrizitäts- werke zur Stelle zu schaffen und ihn damit der Verhaftung zu über- an!worten. (Lebhafte Rufe: Hört! Hört! Pfuil) In Gegenwart feiner entrüstet protestierenden Leamten wurde er gefesselt (er, neute lebhafte Nute: Hört! Hört! Pfui!) in seinem Krafit- wagen weggefübrt. Er, der Bürgermeister von Essen und zwei andere treue Beamte wurden während der UntersuGungsbaft in eincm balbduntien Kellerraum untergebracht, der nur 18 cbm Huêmaß balte, und dort über 8 Tage festgehalten. (Erregte Pfui-

rufe.) Eine Abordnung des deuts{chen Roten Kreuzes wurde troß mehrmaliger Vorstellungen bei dem General Fournier nicht zu einem Besuch bei den Gefangenen zugelassen Selbst der Gattin des Vi zermeisters von Essen wurde der Besuch ihres Mannes von demelben General in |chroffer Form verweigert. (Hört! hört! und Pfui.) Jet sitzen die genannten Männer zur Verbüßung ihrer Strafen in dem Männergefängnis in T üsseldorf in Ginzelhatt unter \chärfster Bewachung. Als Nahrung erhalten sie tranzösiscbe Gefängnisfost. Beide Bürgermeister find nach ärztlißhem Zeugnis krank. (Erneute Pfnirufe.)

Besonders roh wird gegen die braven Schußzpolizei- beamten vorgegangen, die unter größter Aufopferung bis zur Grenze der Selbstverleugnung ihren {weren Dienft verrichtet haben. (Sehr richtig!) Zahlklos find die Fälle, in denen sie, weil sie dem Gindringling pflihtgemäß den Gruß verweigerten, mit der Neit- peitsche ge\{lagen (große Erregung) und au! das s{werste mißhandelt worden sind. In Gelj1enkirchen wurde ein Schutzpolizei= beamter, der ein ohne Beleuchtung durch die Straßen faufendes Auto anhielt, von den Insassen, französischen Offizieren, tödlih veileßt. (Pfuirufe.) Da die Kameraden, des Getroffenen das Feuer erwiderten und die französischen

Offiziere verleßzten, wurde ein Strafzug nach Gelfen- tiren unternommen. Kavallerie und Infanterie besetzten das Nathaus und die Hauptwache der Schutzpolizei. (Zuruf

rets: Schande!) Die Sqchugpolizei wurde entwaffnet und aus dem Wachtgebaude herausgetrieben. Die Beamten mußten mit aufgehobenen Händen zwishen den französishen Infanteristen marschieren und wurden în Haft genommeu. Der Oberbürgermeister, der zweite Bürgermeister, ber Polizeipräfident, der Kommandant der Schutzpolizei und der Neichêsbankdirektor wurden verhaftet. Der Stadt wurde eine Geldbuße von 100 Millionen Mark auferlegt. (Hört! Hört!) Da die Stadt die Zahlung verweigerte, wurde am nächsten Tage die zroangéweiïe Beitreibung versuht. Banken wurden beshlagnahmt. (Erregte Nufe: Pfui! Räuber) Jn Gefchäften wurden die Kasseu geplündert, Bürgern auf der Straße das Geld abgefordert (große Erregung); Kolbenftöße ersegten die Quittung. Auch gegen ganze Städte. wendete sich der Uebermut der fremden Soldateska. In ReckTinghaufen führte-der-franzsfi)e Divisions- general Laiguelot acgen die Bevölkerung ein wahres Schreckens- regiment. Entgegen den französishen Befehlen nahm er in so ftarfem Maße Lebensmittellieferungen in Anspruch, daß die Berufs- organisätionen der Arbeiter und Beamten um der Versorgung der Einwohnershaft willen die Geschäftsleute veranlassen

mußten, die Abgabe von Lebensmitteln an die französischen Truppen einzustellen. Der General f\tellte daraufhin an

den Bürgermeister und den Vertreter des Polizeipräsidenten die Forderung, die Gewerbetreibenden zu uneinges{ränktem Verkauf an die Truppen zu zwingen. Als fich die beiden Beamten hierzu außerstande erklärten, sagte ihnen der General wörtlich, er werde vor den \{ärfsten Maßnahmen nicht zurüschrecken, bis Reklinghausen vor ihn auf den Knlen liege (stürmische Ent- rüstungsrufe), das Wohl der Bevölkerung sei ibm gleichgültig. (Erneute Entrüstungsrufe) Diesen Worten entsprachen ‘die Taten des Generals. Durh ein Jagdkommando ließ er die Posten der Schuyzpolizei in robester Weise von der Straße entfernen. Unter Kolbenschlägen wurden die Beamten auf ein Lastauto geworfen und in Haft genommen. Tanks fuhren in den engen Straßen auf. Die Fußgänger wurden mit Kolbenshlägen, Fußtritten und Reitpeitsche mißhandelt und hin- und hergetrieben. (Wiederholte stürmishe Ent- rüstungérufe.) Frauen, ältere Leute und Kriegsbeschädigte, die nicht nell genug flüchten konnten, wurden zu Boden geschlagen. (Hört! Hört!) Abends gegen 9 Uhr drangen Offiziere in das Stadttheater ein, wo „König Lear“ vor vollbesetztein Hause aufgeführt wurde, vers» trieben die Zuschauer, von denen drei Viertel Frauen waren, indem fie mit der Neitpeitsche auf sie einshlugen und dazu die Marseillaise sangen. (Langanhaltende große Grregung.) An den Ausgängen des Theaters wurden die Flüchtenden, die ihre Garderobe im Stich lassen mußten, mit Neitpeitschenhieben und Kolbenshlägen von anderen

dort aufgestellten Offizieren und Mannschaften empfangen und bis an die Haltestelle der Elektrishen Bahn verfolgt. - Die in der Stadt verhasteten Personen wurden in der Friedhofshule eingesperrt.

' Sie mußten- sih in Neih und Glied aufstellen und regungslos ver-

harren, währeud Offiziere, - Unteroffiziere - und “Maunschaften - ihnen wabhllos Dhrfeigen, Kolbenshläge und Fußtritte verseßten. (Lebhafte Pfuirufe.) Cinzelne der eingelieferten Schußzpolizeibeamten, die als Kriminalbeamte laut Vereinbarung mit dem französishen Kommando mit Nevolvern ausgestattet waren, wurden derart zugerichtet, daß sie bewußtlos zu Boden sanken (hört! bört!) und am Boden liegend noch mit Fußtritten bearbeitet wurden. (Hört! Hört!) Die Ge- fangenen, denen man Mantel und Hut abgenommen hatte, mußten die Nacht auf dem blanken Boden verbringen ; Lebensmittel wurden ihnen nit verabreiht. Erst kurz vor der Entlassung am Abend des nächsten Tages wurde thnen Nahrung angeboten, doch wurde zur Bedingung gemacht, daß sie ihre gute Behandlung und Verpflegung s\chriftlich besheinigten. (Erregte Rufe: Unerhört !) Dreißig Gefangene, die beim Vorgehen dec französischen Truppen in Nachbarorten verhaftet und in dem Gymnasium in Recklinghausen untergebracht worden waren, wurden gezwungen, ohne Decke auf dem Boden zu liegen. Ein Posten mit Bajonett wachte darüber, daß niemand aufstand, sich segte oder spra. Die Verpflegung war völlig unzulänglih, Waschgelegenheit und fonstige notwendige Einrichtungen wurden versagt. Aerztliche Behandlung wurde selbst dann verweigert, als ein Vertreter des Noten Kreuzes festgestellt hatte, daß se{chs Ver- wundete ärztliGer Behandlung bedurften. (Hört! Hört!) Die Ver- treter des Noten Kreuzes wurden daraufhin nit mehr zugelassen. (Hört! Hört !)

In Herne verübten französishe Soldaten ähnlibe Ausschreitungen gegen die Bevölkerung. Die Plünderungen der Handelskaminer in Bochum, des Flugplatzes in Gelsenkirhen sind noch in frischer Er- lnnerung. Willkür und Unmenschlichkeit rihtet fih auch gegen Kranke, Obdachlose und Kinder. (Pfuirufe.) Der Bevölkerung von Essen wurde ein Viertel der vorhandenen Krankenbetten entzogen; das Heim der Aermsten der Armen, das Obdachlosenasyl, wurde beschlagnahmt. In Gelsenkirchen wurden unschuldige Kinder aus dem Waisenhaus auf die Strafe gesezt. (Pfuirufe )

Selbst vor Morden s{reckten die Truppen nicht zurück. So \chossen in Oberhausen in der Naht vom 20. zum 21. Februar zwei französische Soldaten in der Nähe des Bahnhofs ohne jede Ver- anlassung auf zwei Schußpolizeibeamte, verleuten den einen tödlich

und verwundeten den anderen {wer, Die Bluttaten in Bochum an

22. und in Oberhausen am 23 Februar brachten drei Personen \Hw Verwundungen, zweien den Tod. (Pfuirufe.)

Meine Damen und Herren,- lassen Sie mich mit diesen wenigen Beifpielen abschließen. Sie stellen nur einen Bruchteil des Unrecßtz dar (lebhafte Zustimmung), das an unseren Biüdern und Schwestery täglich verübt worden ist. Die Absicht ist klar: Auchöhlung der Behörden, Eatternung unbequemer Kräfte im Beamtentum, im politishen Leben und im Geistesleben, Einshüchterung der Einwohner: Mit den Beamten teilen sih deshalb die Führer des politischen Lebens, die Führer der Gewerkschaften, die Vertreter der freien öffente lichen Meinung, der Presse, in die Ehre der Bedrückung. Jm Namen der Nation, in der die berühimnteste der Formulierungen der Menschen, rechte stattfand (LaH2n !), der Nation, in der die Freiheit der Presse vornebmlih gepredigt wurde, im Namen eben dieser Nation wird dag offene Wort verfebnt, ist das Verbot der Zeitungen zur Strafe dafür, daß fie die Wahrheit sagen, längst gang und gäbe geworden (hört t hört !), teilen die Schriftleiter das Los der Ausweisungen und Ver« haftungen. :

Der Präsident dieses hohen Hauses hat vorgestern bei feierlihem Aulaß gesagt, die Welt werde entscheiden, wo in diesem Kampfe die Ehre liegt. Jh frage: wo ist hier die Ghre ? bei den \chimpflih Gefangenen und brutal Mißhandelten oder bei den Vertretern der Nation, die sih gern die ritterliße nennen läßt? (Lachen und Rufe rechts: Räuber!) Ist die Ehre auf Seiten Frankreichs oder bet Deutschland, bei denen, die unbekümmert um Freiheit, Gefundheit und Leben ihrem Vaterlande die Treue halten oder bei denen, die widerrehtlich und mit Waffengewalt in ein friedlihes Land ciu gedrungen, defsen arbeitsame Bürger zuun Vaterlandsverrat zwiugen wollen ? (Nufe rechts: Verörehervolk!) So ficht die Passivfeite

ere

der französish-belgischen (Rufe auf der äußersten Linken. Grregte Gegenrute rechts. Glode des Präsidenten.)

Meine Damen und Herren! So sieht die Pasfivseite der frau zöfisch-belgishen Siebenwochenbilanz in ihrem ersten und ain meisten belastenden Posten aus. Auch in Frankreih \{chämt man fich feiner anscheinend, denn inan wagt es nit, der Welt und dem eigenen Bolke die Wahrheit zu sagen. (Sehr richtig!) Was Nechtsbruch ind Gewalt getan, soll eine lügnerisGe Propaganda verdecken, der kein Mittel \{hkecht genug ift, und die mit einem dichten Net von Häschern und Spionen die Bevölkerung in den leidenden Gebieten und felbst das unbeseßte Deutsclaud überzieht. Deshalb Heraus mit den Tatsachen des Necchtsbruchs und derx Greuel (fehr gut !), wie sie wirklich find, heraus vor die Welt, damit die Weit ein unvartetis{es Urteil fällen kann, wo Recht und Unrecht liegt, sih niht von der Berantwoortung dur Nichtwiffsen zu be freien vermag und nicht die amtlichen Mitteilungen leihtherzig in den Wind schlägt, in denen wix unter Ablehnung der Verantwortung auf die Gefahren hingewiesen haben, die eine von ihrer Negierung losgelöste, von ihren Führern entblößie Bevölkerung in ih birgf, wenn fie täglih Uebermenschlihes an Grausamkeiten und Schuhe losigkeit erfährt. (Lebhafte Zustimmung.) -

Daß Rechtésbruch ges{ah, meine Damen und Herren, zeigt eiu Blick auf den Vertrag von Versailles, zeigt ein Blick auf diejen Vertrag, der uns den Frieden bringen follte! Den Vonvurf der Greuel erbärtet {on des Wenige, was ih Ihnen darüber ge!ag!, und das selbst Herr Poincaré nicht - bestreiten kaun, weil es die absolute Wahrheit is. (Erneute lebhafte Zustimmung.) An die Zeiten des dreißigjährigea Krieges mahnt, was an Verbrechen gegen Leib und Leben, Geld und Gut in den Zeiten der „Jngenieur- mission“ an Nuhr und Nhein im Jahre 1923 geschieht! (Sehr gut!)

Haben diese „Ingenieure? wenigstens zu den fehlenten Mengen an Kohle und- Koks verholfen? Das Gegenteil, meine Damen und Herren, ist der Fall. Und damit kommen wir zum zweiten Posten der Passivseite der fransösishen Bilanz. Nund 143 Millionen Tons Koble sollte Deutschland im Jahre 1922 liefern. Unter Anspannung aller Kräfte, unter weitesigehender Verweisung des Eisenbabn- uud Privatbedarfs auf englishe Kohle, troß sch{werster Belastung der Wirtschaft war es gelungen, - die Leistungëziffern im wesentlichen zu erreichen und die rüdfländigen Reste auf ein knappes Maß zurü zuschrauben. Fortlaufend follte Frankreich nunmehr 46 500 Tons arbeitétäglih bekommen, ohne daß es sich irgeudwie selbst zu bemühen, irgendeine Hand in Bewegung zu fetzen brauchte. (Hört! hört! rets.) Aber Frankreich. bat geglaubt, des - willigen Fleißes freier Arbeiter nicht - zu bedürfen. Das -Ergebuis ist; daß es in der Zeit vom 11. Januar bis 5. März an Kohle statt 2,1 Millionen Tons, die ihm zu liefern gewesen wären und die es wie bisher ganz oder bis auf einen geringen Nestbestand erhalten Hätte, im ganzen 74000 Tons erhielt (hört! hört !); etwas mehr, meine Damen und Herren, als ein tôgliher Vetrag, der zu liefern gewesen wäre, An Holz follten an Frankreich im Jahre 1922 166 000 Festmeter geliefert werden. Davon erhielt cs 92 000. Die Lieferung der res lichen Festmeter wurde bis zum 31. März 1923 zugesagt. Alle Bor kehrungen waren getroffen. Zufolge des Einbruch{s in das Nuhrgebiet erhielt es nichts hiervon. Die französis(en Ingenieure haben hiernach ficher nicht einmal ihr Gehalt verdient. (Sehr gut !)

Den Werten, die bierdur für Frankreih und Belgien an Koble, Koks und Holz verloren gingen, treten hinzu die Einbußen ait foustigen Reparationsleistungen, an Vieh, Maschinen, Wiederaufbal stoffen, Chemikalien. :

Als dritter Posten auf der Passivseilie erscheinen die un geheuren Aufwendungen für Entsendung und Unterhalt der Truppe die nur zu einem ganz geringen Bructeil gedeck sein können dur die durch Naub und Diebstahl ihnen zugefallenen Papiermarkbeträgt (sehr gut !), sowie die Werte, die die Truppen zur Unterstützung der Tätigkeit der Ingenieure im Ruhrgebiet Tag für Tag haben 1 steigendem Maße vernichten, und die Ausgaben, die dem Reiche ¿Uu? Aufrechterhaltung des wirtschaftlichen Lebens und zur Fürsorge füt die Bevölkerung täglih erwachsen.

(Fortsegung in der Ersten Beilage.)

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Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr. T y r o l, Charlottenburs.

Verantwortlich für den Anzeigenteil : Der Vorsteher der Geschäftsstellt ; Rechnungsrat Vengering in Verlin. Verlag der Geschäftsstelle (Mengering) in Berlin.

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt, Berlin, Wilhelmstr. 32.

Drei Beilagen und Erste, Zweite, Dritte und Vierte Zentral-Handelsregister-Beilagt

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4A.) Le d 93.13 A4,

ESrste Beilage

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zum Deutschen NeichSanzeiger und Breußischen Staatsanzeiaer

Berlin, Mittwoch, den 7. März

1923

(Fortsezung aus dem Hauptblatt.)

So, meine Damen und Herren, fieht die Passivseite der französis{- belgischen Ruhr- und Rheinbilanz aus und damit ist die Bilanz zu

“Ende; denn eine Aktivseite hat sie niht. (Sehc richtig!) Was

immer an Produkten an Frankreih gelangt ist, ist nur am Wege aufgelesen, wie das Geld aus der Tasche friedliher Bürger, {t nicht im Wege ordentliher Förderung und Abtransports erreiht. Was immer an Eisenbahnen militarisiert ist, ist nah Zahl dec Züge und Betriebésicherheit so fkümmerlih, daß es jeder Beschreibung spottet. Unproduktivität auf der ganzen Linie statt der angeblih erhofften Produfktivität (sehr wahr! rets) das ist mit einem Worte das Kennzeichen des Ruhrunternehmens, des Unternehmens für die Erfassung produktiver Ptänder. Diese lluproduftivität wird nur gesteigert durch die völlige Abs{hnürung des RNubr- und Rheingebiets, die Arbeitslosigkeit derselben Bevölkerung herbeizuführen bezweckt, der durch die Erklärung der französischen Regierung Muße, Ordnung und Weiterarbeit zugesichert wurde. (Sebr wabr! reis.) zrogdem i Herr Poincaré mit dem Ergebnis zufrieden. (Heiterfeit.) Weniger zufrieden, fürchte ich, werden die Aktionäre dieses Vaternehmens8 fein; denn sie werden nit nur keine Dividende beziehen, foudern erheblihe Zubußen zahlen müssen, um das Uaterichiien zu finanziereu. Von 100 Hochöfen in Lothringen nd nie noch 20 in Betrieb. (Hört! hört!) Der Kokspreis in Franlrceid ist für den März auf das Doppelte des Januar gestiegen. eute find T7 bis 78 Francs notwendig, um ein englisches Pfund u befoimmen, gegenüber 66 bis 67 Anfaug Januar und 25 in der eit vor dem Kriege, so daß heute son der französische Nentnec hut !, der Kauffraft seiner Nente an der Weltparität gemessen beschränkt is. Das Anleihebedürfnis Frankreihs zur Deckung der Fosteu des Kuhrunternehmens wächst täglich und die finanzielle rung wird demnächst dem französischen Steuerzahler und dem ¡zösischen Rentuer präsentiert werden (fehr rihtig!), die, wenn sie u fagen Hälten ficher nicht in das Nuhrunkernehmen hinein Jangen Wäreit, i m wieviel besser wäre es da gewesen, meine Damen und | _wena Herr Poincars -die Hand ergriffen hätte, die wir ihm ait mnserm Pariser Vorschlag erneut eutgegengestreckt haben. (Sehr var Wir baben ihm damals angeboten, eine fofort am Welk- nil zu Vlacierende Anleibe den französishen Zwecken aus- umutworien mit einem festen Saße für Amortisation und Zinsen. Und dan wäre allerdings dic Bilanz Frankreichs eine andere ge- weico. Dann bâtte sie nätnlih keine Passivseite. sondern nur eine livseite. (Sehr gut) MNichtiger als Herr Poincaré dürfte ein auderer interasliierter Staatsmann die wahre Saclage vorausgesehen aben Gr haf, wie er im englischen Unterhause erklärte, bei der cuferenz in Paris am 3. Januar gesagt, daß Frankreich mit der urbsübeung seinesEFMuhrvlans eine Katasirophe berbeiführen weeto. Wenn er am 13. Februar im Unterhause sagte, daß Frank- rei vis bahla nts aus dem Nuhrgebict gewinnen könne, fo ist vaé beute, am 6. März, nicht auders. (Sebr richtig) So wird es bleiben. So wenig die erste Etapve der Invasion, so wentg die zweite Fiapve der Justallation etwas erreicen konnte, fo wenig wird Herr Poincars mit der tritten Etapve der Abs{hnürung und des Terrois ein wirts{afllides Ziel erreiden können. (Lbhafte Zu- slimunug rechts und in der Mitte.) Eins aber hat er {on erceidt: stärker und einmütiger ist die Ges{lossenheit der deutscen Bevölkerung an Nuhr und Nhein zum Widerstand ents{lossen als je. (Stürmische Zustimmung) Er wird -es und kann es bleiben; deun Tanks und Maschinengewehre baben doch ihren Sinn verlozen, wo sich ihnen niemand gegenüberstellt, (Sehr gut!) Der Schwerthieb geht in die Luft. Waffenlos, im groben Sinne des Wortes, hat Deutschland seine starle Wehr im Willen des freien Mannes, der dem Necbte gehorcht, sich der Gewalt aber mit verschränkten Armen entsagt. (Bravo!) Geschüße und Dymamit mögen gut fein, cine Fabrik oder ein Bergiverk zu zerstören, nicht aber um fie zu be- treiben, Mit Armeen mag man Kolonfalländer erobern und die Eingeborenen in Schrecken seten, mag man die friedliße Durch- driuoung afrifaniscker Sultanate betreiben, aber man wird keinem Industriegebiet Produktion abgewinnen können. Es i} eine Miß- atung des Geistes, wenn man glaubt, die räumliche Besitzergreifung enfscoide, (Sehr richtig! rechts, in der Mitte und bei den Soz.) rade dieses Gebiet an der Nuhr kat feine eignen tiefen Ge- heine und Gesege (fehr ridtig!), die sich am Vergewaltiger rächen. “Und würden die Franzosen noch lange Zeit im Ruhrgebiet steben und statt der deutsGen Arbeiter fremde Kolonnen bringen: der Fluh der Unfruchtbarkeit würde sie verfolgen! (Zu- slimmung.) Ein Land der reisten industriellen Schöpferkraft, der angesvanntesten Tätigkeit würde ihnen weniger bringen als die Kosten thres Aufenthalts. Das Land, aus dem freier Wille des Aibeiteis täglich ungeheure Leistungen nah Frankreih strömen ließ, würde an Frankreihs Kraft zehren Tag um Tag. (Sehr richtig!) Das ist der passive Widerstand (lebhafte Zustimmung), den Frankreich uns zur Schuld anrechnet, den es zu brechen versucht, und den es do so lange nicht brechen kann, als der Wille des deutschen Volkes dahintersteht. (Sehr rihtig!) Wir bekennen uns heute erneut zu diesem passiven Widerstand (stürmische Zustimmung), der Waffe der Gewaltlosigkeit und des Friedens im Kampfe gegen Unrecht und Gewalt. Wir werden niht müde werden, bis das Ziel erreicht ist, das wir uns von Anfang an gesetzt haben, kein Ziel des Diktats oder der Beherrschung, wohl aber das Ziel einer freien, vernünftigen, ebrlihen, einen wahrhaften Frieden sicherstellenden Verständigung. (Bravo!) Wohl slellt es die französische Propaganda so hin, als habe die deutsche Negierung mit Lisi und Betrug die Bevölkerung zu diesem passiven Widerstand verführt, als sci er dem Volke fremd und nur die Waffe einer im Dienst des Kapitalismus stehenden Regierung. Wie unrichtig das ist, weiß jeder, er Deutschland kennt. (Sehr richtig! bei den D. D. und rechts.) Wer köunte daran glauben, daß ein solcher Widerstand, der Tag um Tag Handerte von Opfern dec fremden Willkür und Gewalttätigkeit

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preisgibt, daß ein folher Kampf geführt werden könnte unter dem Zwange einer Negierung, die in jenem Gebiet nicht einen Soldaten stehen hat, deren Polizeimacht dort entwaffnet und ausgetrieben ist, deren Verbindung aufs äußerste erschwert und gehemmt ist. (Lebhafte Zustimmung.) Wäre das nur ein von der Regierung befohlener Widerstand oder nur ein Widerstand zum Nuyen einer bestimmten Klasse, so wäre er längst zusammengebrochen. (Lebhafte Zustimmung rechts, in der Mitte und bei den Soz.) Nein, meine Damen und Herren, dieser Widerstand stammt aus den Tiefen, die tiefer sind als die untersten Flöze der Kohlenbergwerke im Ruhrgebiet, (stürmischer Beifall), er stammt aus dem Wissen des Volkes, um was es geht (erneute lebhafte Zustimmung), aus feiner Treue zur Heimat, aus seinem Willen, alles an die Verteidigung zu seßen. (Bravo! rets und in der Mitte.) Darum mußte dieser Widerstand nit erst be- fohlen werden, er war da, er ist da und wird da sein bis zum Tage der Befreiung von Zwange des Gegners. (Stürmt {er Beifall und Händeklatschen.)

Beamte und Bürger, Arbeiter uud Unternehmer, Gifenbahner und Schugpolizeimannschasten, sie alle bis zu dem fkleinslen Geschäftsmann, der auch der droherden Gebärde der fremden Bejaßung bis zum körperlihßen Zwange seine Waren verweigert, fie alle sind eins. (Bravo! bei den D. D. und rechts.)

Dieser Widerstand ist nicht auf das Gebiet an der Nuhr befchränkt geblieben, überall, wo Frankreich das Necht bra, erstand er. Drei lange Jahre hat das Nheinland und haben die am Nhein ge- legenen bêéseßten Gebiete die Anordnungen der Nheinlandkommi}sion erliragen und vollzogen, folange es nur irgend mögli fchien, sie mit dem Vertrage von Verfailles in Einklang zu bringen. Als die An- ordnungen aber deutlich dessen Boden verließen, als die französische uud belgische Regierung einfa diftierte und die Verordnungen offen- kundig nunmehr Verkünder französish-belgisher Willkür wurden, wurden Nuhr und Rhein eins im Kampf. (Bravo ! bei den D. D. und rechts.) Wir wissen, auch dieser Kampf hat seine Opfer an Leiden und Lasten. Jn heißem Dank drücken wir den Kämpfern die Hand, danken wir den tapferen Männern, deren Ehre eine ausländische Gefangenschaft nicht erniedrigt, fondern erhöht. (Erneuter lebhafter Beifall.) Wir danken ihren Frauen und Kindern und fühlen uns eins mit ihnen, nicht im aufwallenden Gefühl allein, was wertlos ist, wenn sih niht die Tat damit verbindet, sondern in der Ver- pflichtung unverbrüchlicher, wirksamer Gemeinschaft. (Bravo ! rets.)

Meine Damen und Herren! In Politif und Wirtschaft haben wir alles auf diesen Kampf einzustellen, auf diesen Kampf und diese Gemeinschaft. Die Arbeit der Megierung kannie und keunt kein anderes Ziel. (Bravo! rechts und bei den D, D.) Wohl ist es traurig, so manche Arbeit organischer Ent- wicklung zurückstellen zu müssen, traurig, von der allmählichen Ge- fundung unserer Finanzen wieder wegzukommen. Aber alle Kraft des Staales ist uun der Selbsterhaltung zuzuwenden, der Verteidigung seines Bestandes, die an der Nuhc und am Nbein geführt wird. (Erneuter lebhafter Beifall.) Die rücksihtslose Durchiührung der Notverordnung des Herrn Neichspräsidenten bietet die Gewähr, daß denen, die sich dem an si so undeutschen Handwerk der Spionage hingeben follten, die Lust daran verdorben wird. - (Bravo! rets. Zurufe von den Komm.: -Moldenhauerl Wo find die Anilin- fabrikanten? Erneutes . lebhaftes Bravo rechts. Wiederholte Nufe von deu Komm. : Moldenhauer! Erregte Pfuirufe von der D. Bp. Glodte.) Wirtschaftlih muß alles gesehen, um den Kämpfern im Nuhrgebiet Nahrung und Löhnung zu fichern und sie auch da, wo Arbeitslosigkeit einzufezen beginnt, nicht unvershuldeter Not anßheim!allen zu lassen. Noch sind die Folgen dieser Wirtschaftsstüzung nicht in allem geklärt; aber im Zusammenwirken von Staat und Wirtschaft, von Arbeitnehmern und Arbeitgebern werden wir diese Schwierigkeiten überwinden. An Kohle, Nohstoffen und Aufträgen fehlt es torerst nicht im unbesetzteu Gebiet, wiewohl der Kampf {on in die achte Woche geht und bas einheitliche Wirtschaftsgebiet durch die rechtswidrige Zollinie am Rhein zerrissen ist.

Dem Verfall der Mark ift mit verschiedenen Vaßnahmen erfolg,

reih entgegengetreten worden, und wenn die Stüßung der Mark dur neben Schiebern und Spekulanten auch manchen im ehrlichen Ringen

Stehenden s{huldlos s{chädigeu mußte, so war und ist ihre rüdz sichtslose Durhführung notwendig. (Sehr rihtig) Es gilt, die Zahluagskraft der Mark und damit auch die internationale Kauf- und Schuldentilgungskraft Deutschlands nicht ins Bodenlose sinken zu lassen (erneute Zustimmung), der neuen Preissteigerung mit allen ihren {weren Folgen und der neuen Verminderung der Sparvermögen, der öffentlichen Kassen und Stiftungen sowohl wie der privaten ent- gegenzuwirken. Troß der großen Schwierigkeiten, die unleugdar aus der nicht verschuldeten ungeheuerlihen Steigerung der Geldschöpfung kommen, werden wir in den Bestrebungen fortfahren (lebhaftes Bravo!), endlich einen festen Halt für unsere Währung zu finden. (Erneutes Bravo!)

Wirken wir so von der Währungsjeite der Prelssteige- rung eutgegen, so soll gleichzeitig eine volkswirtshaftlihe Ge- seye beachtende, privaten Bereicherungsabsichten aber s{onuungslos entgegentretende Wucherbekämpfung (sehr richtig!) einsegen, um dem gepeinigten Voll! Schuyg gegen Ausbeutung und Vertrauen zum Staat zu geben. (Bravo!) Die Möglichkeit einer wert- erhaltenden Vermögensanlage foll dem Sparer wieder zu einem wirts{haftsvernünftigen Sinn verhelfen (lebßaftes Bravo!), den alten Mittelstand, wo er in der Grausamkeit dieser Zeit noch nit unter- gegangen is}, erhalten und wieder festigen, den Aufstieg neuer wertvoller geistiger Kräfte ermöglihen und auch damit dem Staate dienen. Von dieser Stelle richte ich an alle Besitzenden die ernste Aufforderung, sich der Zeichnung dieser Goldanleihbe nicht zu wider- seßen. (Lebhaftes Bravo!) Denn gerade in diesen Zeiten der äußeren Bedrängnis wollen wir dem Staat dienen, ihn mit aller Kraft fesligen und stärken. Im Unglück erst empfinden wir alle, was wir an ihm haben. (Sebr gut!) Jst es nicht, meine Damen und Herren, als ob gerate în diefen Zeiten, in denen die Feinde ihn erntedrigen wollen,

er im deutshen Volk sich zu neuer Achtung erhöbe und zu neuer Kraft aufstiege? (Sehr gut!) Im bedrohten Gebiet haben Männer und Frauen aller Parteien \ich längst die Hände gereicht (Bravo !)- in gemeinsamer Arbeit im Abwebrkampf laben sie sich achten und s{chäzen gelernt. Nach Gedanken und Gefühl, Urfprung und Leben8gang weit vers{ieden, münden im wvaterländiscen und staatlichen in das eine große Ziel ein. (Bravo!) Ist es ein vecmessenes Hoffen, daß dieser Geist von den Grenz- marken ber aub im MBinuenland f\tark und stärker werde? (Sehr gut!) Oder ift es doch nicht bereits so, daß Parteien immer mehr zum Werkzeug werden und immer stärker si{ über allem der Staatsgedaufe als das Gemeinsame durchsezt? (Bravo !)

Jch bin gewiß, meine Damen und Herren, die Geschichte wird Parteien und Männer diefer Zeit cin dana wertea, wieviel sie für die Erhaltung der Einheit unseres Volkes gewirkt haben (lebhaftes Bravo!), und ih hoffe, meine Damen und Herren, daß wir alle und unsere ganze Zeit dann vor der Geschichte bestehen köunen. (Sehr gut!) Denn wirklich feine Zeit lehrt uns Achtung vor deu Anders- denkenden mehr als eben diese Zeit. Männer und Frauen aller Parteien zeigt sie im gleiden Kampf für den gleichen Staat, die deutiche Republik, tätig und leidend. In einer großen Gemeinschaft stehen Männer und Stände, die in anderer Auffassung groß geworden sind, die Arbeiter im Ruhrgebiet, am Nhein, die dort in vorderster Neihe kämpfen, die Männer ohne Ar und Lalm, mit keinem anderen Besi als ibrer Arbeitskraft und ihren Willen zur Entwicklung und zum Aufstieg —, sie alle verteidigen das Deutsche Neich; sie ver- teidigen damit auch die Heimat, die Zukunft ihrer Kinder.

Um diesen Staat, meine Damen und Herreu, geht es, um nichts anderes. Kohle und Holz, Geld und Gut konnte Frankreich von uns im Frieden haben bis zur Grenze unserer Leistung, kann es heute haben nah ehrlier, freier Verständigung. (Bravo! Ju der Mitte und links.) Darum geht der Kampf uicht. Auch höchster Kunst im Ordnen und Korrigieren der Tatsachen wird es nicht gelingen, eine neue Schuldlüge in Ansehen zu bringen, als ob Deutschland es gewesen wäre, das Verhandlungen uumöglich gemacht hätte. (Sehr gut!) Keine deutshe MNegierung bat die aus dem Versailler Diftat folgenden Reparationsauflagen grundsätzlih abs gelehnt. (Sehr wahr!) Jede deutsche Negierung hat das ihre getaue ihre Leistungsaufgaben im Rahmen des Möglichen zu erfüllen. Seelisch erschöpft und zerrissen, wirtshaftlih ge\{chwächt, hat Deutscha land vom Waffenfiillstand an ungeheure Werte aus feiner Wirts haft an die Gläubiger des Vertrags gegeben. (Sehe richtig!) Vom 11. November 1918 bis zum 30. September 1922 hat es Neichs- und Staatéeigentum in den abgetretenen Gebieten in Werte von 9,6 Goldmilliarden, die Saargruben im Werte von 1 Goldmilliarde übereignet, militärishe Nücklaßgüter vou 4,2 Mils liarden übergeben, See- und Biunenschiffe im Werte vou £ Milliarden, Kohle und Koks im Werte von 2,3 Milliarden, hat deuts{es CEigens tum im Auslande blutenden Herzens aufgegeben im Werte von 11,7 Milliarden (Hört ! hört!), Forderungen an seiue ehemaligen Kriegöverbündeten abgetreten und fo eine Gesfamtleistung vou 45,6 Goldmilliarden erreiht. (Lebhafte Rufe: Hört! hört!) Gleicha zeitig wurde die Abrüstung durchgeführt, die Kriegsindustrie ihree Ausrüstung entblößt. Die deutschen Leislungen und die staatlichen Verluste machen so bis zum 30, September 1922 den Betrag voi 56,59 Goldmilliarden aus (erneute Rufe: Hört! hört !), eine Summe- die beim heutigen Dollarstande dem unausdenkbaren Betrag von 289 Billionen Papiermark entspricht.

Wer in der Welt kennt diese Ziffern? Die Staaismänner dex Alliterten kennen fie wohl, die Völker aber kennen fie noch immec niht. (Sehr rihtig!) Diese ungeheuren Leistungen find nicht aus einer blühenden Volk3wirtschaft bewirkt worden, wte fie im Jahre 1913 bestand, sondern aus der erschöpften Wirtschaft des Jahres 1918, die selbst schon durh die Kosten der Kriegführung, die Verringerung und die mangelnde Erneuerung der Produktionssubstanz {weren Schaden erlitten hatte. So ist es mehr als eine bloße Schägungs daß das deutsche Volksêvermögen durch den Krieg und seine bisherigen Folgen um ungefähr die Hälfte verringert worden ist. Die Welt will das nicht hören, und doch ist es so. Auch heute wurde mik wieder, bevor ich hierher kam, eine französis@e Kundgebung vorgelegt, in der verfucht wurde, unsere Opfer an Leistungen zu vers ringern, indem wieder die alten französischen Nehenerempel aufgeführt wurden. Hierzu erkläre ih, daß die Tatsachen unserer Leistungen nicht aus der Welt geschaft werden dadurch, daß die Franzosen nur einea Teil dieser Leistungen anrechuen. (Sehr richtig! rechts, in der Mitte und bei den Ver. Soz.) Im übrigen sind die Opfer, die Deutschland bringt, auf jeden Fall noch etwas anderes als die Opfer, die Frankreich für den eigenen Wiederaufbau bringt. (Zustimmung rechts, in der Mitte und bei den Ver. Soz.). Die deutschen Opfer gehen endgültig unserer Wirtschaft verloren und kommen der Wirtschaft unserer früheren Kriegsgegner zugute. Die Opfer, die Frankreich bringt, bleiben im Lande und dienen der eigenen Wirtschaft, freilich, soweit niht die Klagen berechtigt sind, die in Fran!rcih selbst über die Vergeudung bei dem Wiederaufbau der zeiftärten Gebiete erhoben werden. (Lebhafte Zustimmung rechts und in der Mitte.)

Meine Damen und Herren! Gerade zur Mitarbeit an diesem Wiederau}bau waren wir mehr als einmal bereit. (Sehr rictig! rechts und in der Mitte.) Aber noch immer, sagt man, sei es allzu wenig, was Deut|chland geleistet habe, im Verhältnis zur Blüte seiner eigenen Wirtschaft. Auh Männer im Auslande, die in der eigenen Wirtschaft ihres Landes gut Bescheid wissen, sprechen immer noch Lon den Nicsengewinnen, die die deutsGe Wirtschaft mache. Ih will die beutige Erörteruvg nicht mit Einzelheiten belasten. Jn Wirklichkeit ist die Verzinsung der Wirtschaft tro der das pber- flächlihe Urteil täufdzenden Neunwerl!iffcrn, felbfi wenn man feinerlet Erhöhung des Aktienkapitals als zum neuen Dividendenbezug berecha tigt anerkennt, auf den ficiaecu Bruchteil eines ciuzigen Vrozents in Gold gesunken. (Hört! Hört! rechts und in der Mitte.) Noch isk in der Hochflut des Papiermarkumlauts und in der landläufigeæ Gleichsegung der Papiermark mit Goldmark diese Verarmung der Wirtschaft kaum im Julande, noch weniger im Auslande bekannk

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