1923 / 67 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 20 Mar 1923 18:00:01 GMT) scan diff

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oleiben. (Sehe richtig! rets. Zuruse links.) Ein ge- lernterx Arbeiter mit Frau und zivei Kindern zahlt niht mehx als eiwa 6 bis 7 % seines Einkommens an Lohnsteuer. Und wenn Sie die Zahlen betrachten, die sich aus der vorliegenden Statistik für die Einkommensteuerveranlagung 1921 ergeben, so fällt auch die Behauptung in sih zusammen, als ob die nicht veranlagten Lohn- steuerpflihtigen den bei weitem größten Teil der Einkommensteuer aufbrächten. Das ist nicht zutreffend. Von dem Gejamtsoll der Einkommensteuer 1921 in Höhe von 42 Milliarden fallen nux 18,6 % auf die nicht veranlagten Lohnsteuerpflichtigen (lebhafte Nufe: Hört, hört!), während die veranlagten Steuerpflichtigen 81,4 2% zu zahlen hatten. (Erneute lebhaste Rufe: Hört, hört! Unruhe und Zurufe links.) Es ist wichtig, sih zu vergegen- wärtigen, daß die Zahl der nicht veranlagten Lohnstieuerpflichtigen 16838 Millionen betrug, während nur 122 Millionen in der Ver- anlagung den bei weitem höheren Betrag aufbrachten. (Zurufe von den Sozialdemokraten.) Auf den Kopf berechnet, betrug derx Lohnsteuerabzug bei den ihm unterliegenden Steuerpflichtigen 0609 f, während auf den Kopf der veranlagten Steuerpflichtigen 2800 4 entfielen.

Vergleicht man allerdings die in einem Zeitabschnitt ein- gehenden Beträge der Veranlagungen und Vorauszahlungen mit den Beträgen, die im gleichen Zeitabschnitt an Lohnsteuer ah- gezogen worden sind, so müssen die lebteren Beträge weit über das mitgeteilte Verhältnis hinaus ansteigen, wenn in diesem Zeit- abshuitt die Mark sih weiter entwertet hat und damit die Löhne stark gestiegen find. Dex Ausgleich kann dann erst erfolgen, wenn die Veranlagung seststeht.

Es muß dabei aber auch berüdsihtigt werden, daß sih füx die der Veranlagung unterliegenden Steuerpflichtigen die Zahlungs- piliht nah Abschluß des Steuerjahres sehr stark zusammendrängt. Das gilt insbesondere in diesem Fahre, in dem zum ersten Male mit der Steuererklärung nunmehr auch die dur Vorauszahlung nicht gedeckte Steuer zu zahlen ist, und Vermögensstenex und Zwangsanleihe hinzutreten.

Eine wesentliche Rolle hat in der Beratung des Aus{chusses auch die Frage der Wiederherstellung des Vankgeheimnisses gespielt, Es bestand auf manchen Seiten der lebhafte Wunsch, der Steuer- behörde gegenüber die Bauken in die Lage zu verseyen, jede Aus- Tunfst zu verweigern und die Auskunsftspfliht lediglich auf Straf- verfahren zu beschränken. Die Reichsfinanzverwaltung glaubt, bei ihren {weren Kämpfen gegen die doh stellenweise gesunkene Steuermoral (Zuruf bei den Vereinigten Sozialdemokraten: Stellenweise?) auf die Waffe nicht verzichten zu können, die ihr durh die Vorschriften der Reich8abgabenordnung zur Verfügung gestellt worden ist. Es darf von der Verpflichiung, den Steuer- behörden in der Aufhellung der Einkommens und Vermögens- verhältnisse zu helfen, grundsäßlih niemand entbunden werden. Auf dec anderen Seite ist gewiß nit zu verkennen, daß eine zu starke Betonung der Auskunftspfliht au der Kreditinstitute miß- lie volkswirtschaftliche Wirkungen haben kann, die sih im wesent» Uten allerdings auf psychologishem Gebiete bewegen dürften. Aus diesen Gründen haben wix uns mit dec bekannten Mildernng ein- verstanden erklärt.

Wenn nun im Ausschuß weiter allgemein auf die Reform- bedürstigkeit unseres Steuersystems hingewiesen worden ist, so stehe ih nit an, zu erllären, daß auch nach meiner Ansicht auf dem Gebiete der Vereinjahung der Steuern noh sehr viel geschehen kann. (Sehr richtig! rechts.) Den wertvollen Anregungen, die in dieser Hinsicht in den Beratungen des Steuerausschusses und hier im Plenum gegeben sind, werde ih gern nahgehen. Mit der Auf- hebung des Frachturkundenstempels und der Einarbeitung der Kapitalertragssteue« in die Körperschaftssteuer ist bereits in diesem Entwurf mit dem Abbau überflüssiger Steuern vorgegangen worden. Fh darf ferner darauf hinweisen, daß insbesondere in der Frage der Ausschaltung kleiner, niht mehr rentablex Steuer- forderungen bereits das Erforderliche veranlaßt worden l Dn übrigen muß ih mir die eingehende Prüfung vorbehalten, ob tat- Hlich, wie es angeregt wurde, eine grundlegende Aenderung ins- besondere des Einkommensteuerrechts eine Forderung der nächsten Bukunft sein kann. Die Vorteile und Nachteile müssen hier sorg- fältigst gegeneinander abgewogen twerden, und es muß insbesondere darauf geachtet iverden, daß nicht dur neue, grundlegende Aende-

‘Tungen unserer Steuerverwaltung in unüberséhbarem Umfange Schwierigkeiten gemacht werden.

Wenn man das Gesamtbild dieser Geseßesvorlage objektiv würdigt, so kanu man wohl zu der Auffassung kommen, daß dieses Geseß nichts Fertiges, nichts Endgültiges oder Danerndes bringt. Aber man tvird es nach meiner Ueberzeugung werten müssen als einen ernsten Versuch zur Veseitigung starker steuerlißer Un- gerehtigkeiten, und ih persönlich bin überzeugt, daß es sich in diesex Hinsicht auch in der Praxis bei entsprechender Handhabung als wirksam erweisen wird. Darüber sind wix uns vollkommen klar, und darin stimme ih auch mit dem Herrn Abgeordneten Dr. Herß Überein: An die grundlegende Aenderung unseres Steuersystems Und an die grundlegende Neubetrachtung unserer ganzen Finanz- politik werden wir erst in dem Augenblick herangehen können, wenn wir tatsählich Boden unter den Füßen haben. Das haben wir bis heute nit. Die Regierung wird ihrerseits bemüht sein, mit allen Kräften darauf hinzuwirken, daß sie diesen Boden unter die Füße bekommt, und wir werden das darf ih auh in diesem Zu- sammenhang noch einmal besonders betonen die Stüßungsaktion der Mark nicht etwa nur fortführen als eine Maßnahme im Rahmen unserer Abwehr. Wir halten sie bewußt fest als die Ein- leitung und erste Etappe für eine dauernde Besserung und Sanie- Tung unserer Finanzverhältnisse, Wenn wir das aber tun, wenn wir von diesen _Srundsäßlichen Vetrachtungen ausgehen und uns auch in dieser Hinsiht vor weiteren Opfern niht s{cheuen, wenn wir daran festhalten, so meine ih, meine Damen und Herren, sollte man auch diefem Gesey gegenüber die gerehte und objektive Würdi- gung nicht versagen, die es meiner Ansicht nach verdient. (Beifall)

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321. Sigung vom 16. März 1923. Nachtrag.

Die vom Reichsfinanzminister Dr. Hermes im Laufe

der zweiten Lesung der _Kohlensteuervorlage gehaltene Nede

lautet nah dem leßt vorliegenden Stenogramm, wie folat: Herrn Bericht-

Meine Damen und Herren! Dem Wunsche des

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die in meinem Auftrag bereits im Steueranss{uß Herr Staats- sekretär Zapf abgegeben hat. Die Reichsregierung wird sih wirt- schaftlichen Notwendigkeiten nicht verschließen, und sie ist bereit, einen Beschluß des Reichskohlenrats auf Ermäßigung der Steuer- säße als Grundlage für ihre Entscheidung zu verwerten.

Jh gehe über diese Erklärung, die im Steuerausshuß bereits abgegeben worden ist, im Namen der Reichsregierung noch einen Schritt hinaus. Die Reichsregierung ist bereit, ihrerseits auf Grund des § 11 die Jnitiative zu einer in ihrem Umfang noch zu bestimmenden Ermäßigung der Kohlensteuer zu ergreifen (Bravo! rechts), allerdings unter der Voraussetzung, daß auch der Bergbau seinerseits bereit sein wird, in gleicher Weise an der Senkung des Kohlenpreises mitzuwirken, wie die Reichsregierung es zu tun ent- schlossen ist. (Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.)

Preußisher Landtag. 2283. Sißung vom 19. März 1923, Mittags 12 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.) Am Ministertishe: Minister für Volkswohlsahrt Hirt -

siefer. l

Zur Beratung steht dex Ha us8halt des Minis- steriums für Vol 8wohlfahrt.

Das Haus führt die Erörterung in drei Abschnitten: Volksgesundheit, Wohnungs- und Sied- lungs8wesen, Allgemeine Volkswohlfahrt. Mit dem ersten Thema werden verbunden die ziveite Beratung der Gesezentwürfe über dte Apotheker- kammern und über die 2a hnärztekammercrn, über das Dispensierrecht omöopathischer Aerzte, die großen Anfragen der Sozialdemokraten und der Kommunisten über die Not dex Krankenkassen; der Deutschen Volkspartei über die Notlage der Aerzte und Apotheker; der Urantrag der Deutschnationalen, betreffend die Notlage der Krankenkassen- mitglieder, der Aerzte und dex Apotheker, sowie der Urantrag der Kommunisten auf Kommunali- sierung des Gesundheitswesens.

Den Bericht des Hauptausschusses erstattet dec

Abg. Dr. Faßbender (Zentr.): Der Ausshuß hat im Ordinarium u. a. die Fonds zur Bekämpfung der Tuberkulose

und der Säuglings- und Kindersterblichkeit verdoppelt und auf 20 bzw. 10 Millionen Mark erhöht, im Exèteo dnatintm u. a. die Position zur Förderung des Keinwohnungswesens ebenfalls ver- doppelt und 600 Millionen Mark eindestellt. Für „Beihilfen für

ozial- und Kleinrentnerfürsorge, insbesondere zur Arbeits- beshaffung“ hat dex Ausschuß 100 Millionen Mark in diesen Haushalt eingestellt.

Minister für Volkswohlfahrt Hirtsiefer: Meine sehr ver- ehrten Damen und Herren! Ih habe geglaubt, daß es den Beratungen förderlih sein würde, wenn“ ich zu Beginn der Beratungen über den Haushalt meines Ministeriums einen Turzen Bericht über die Tätig- keit des Ministeriums im abgelaufenen Jahre erstatte, und zwar in der Hauptsache über das, was geschehen ist.

Der Bericht über die Tätigkeit der Abteilung für Volksgesund- beitspflege in meinem Ministerium während des seinem Ende eut- gegengehenden Haushaltsjahres hat drei Punkte zu berüsihtigen: Erstens die zur Erledigung gelangten Geseÿe in Land und Neich, zweitens die erst in Beratung begriffenen Geseße oder größeren organisierten Maßnahmen, und {ließlich die Verwaltung im engeren Sinne, deren Inhalt zwar nah außen hin wenig zum Ausdruck Fommt, die aber wohl den Hauptteil dex Arbeiten beansprucht hat.

Zu dem ersten Teil, den im Laufe des Jahres zur Grledigung gelangten geseßlichen ‘Maßnahmen, kann ih mi recht kurz fassen. Jch möchte nur aufzählen, daß im Laufe des Jahres das Hebammen- gese zur Verabschiedung gelangt ist und daß, nachdem durch das Zusaßgeseß vor ganz kurzer Zeit eine Ergänzung stattgefunden hat, das Gesetz selbst zum 1, April d. J. in Wirksamkeit treten wird Auch von dem preußischen Geseh, betreffend die Bekämpfung der Tuberkulose, darf id: die Hoffnung hegen, daß es schon in den nächsten Tagen in der nunmehr vom Aus\{uß angenommenen Form Annahme finden wird. Jm Reiche ist die Ausschußberatung über das Geseßz zur Bekämpfung der Geschlehtskrankheiten zum Abschluß gelangt, und es ist anzunehmen, daß der MNeichstag selbst sich in ganz kurzer Zeit mit diesem Gesetze beshäftigen wird Der Beschluß des Landtags, dem Hause möglichst bald einen Gesetzentwurf über den Austausch von Gesundheitszeugnissen vor jeder Eheschließung vorzulegen, hat ¿u Verhandlungen geführt, und es hat si dabei herausgestellt, daß einige Schwierigkeiten bestehen, die den Erlaß eines preußischen Gesetzes über diese Frage ershweren. Es bedarf nämlich einer geseß- lien Aenderung, für deren Erlaß lediali das MNeich zuständig ist, weil es sih um das Geseßz üher den Personenstand handelt. Diese Angelegenheit wird augenblidcklick bei den Reichsbehörden in Gemein- {haft mit den auständigen preußischen Ministerien geprüft; ih hoffe, daß es gelingen wird, die dort bestehenden Schwierigkeiten in einer befriedigenden Form zu lösen.

Von kleineren Geseßen wären noch dle Geseßentwürfe über Apothekerkammern und Zahnärztekammern zu erwähnen, deren Er- ledigung bevorsteht. Von größeren Verordnungen ist vor allen Dingen die Neuordnung des Prüfungswesens für Aerzte hervorzuheben, die im RNeichsministerium des Innern unter starker Beteiligung meiner Ver- waltung in der Vorberatung im Dezember 1922 zum Abschluß ge- fommen ist, so daß voraus\ihtlih in kurzer Zeit die Vorlage an den Reichsrat zu erwarten ist,

Ferner ist im laufenden Jahre für Preußen ein neuer Erlaß über die staatliche Prüfung von Säuglingspflege- rinnen nah längeren fahmänni schen Beratungen zustande getommen, der soeben veröffentliht ift und die Sicherung der Vorbildung und |] die Anpassung der Ausbildung an die gegenwärtigen Forderungen der Gesundheitspfleae des Säuglings- und Kleinkinderalters bezwekt, Die reihsgeseßlie Regelung des Apotheker- wesens und Jrrenwe sens kommt bei der Schwierigkeit der Frage zwar langsam, aber unter der Mitarbeit unserer Ne- ferenten in den Vorbereitungen immerhin vorwärts.

| Mit besonderem Interesse aber verfolge ih die Vorarbeiten im Reiche für ein neues Nahrungsmittelgeseß, zu dem mein Ministerium seit gevaumer Zeit wichtige Beiträge geliefert hat, | Außer diesen zum Abs{chluß gelangten oder in Vorbereitung be- findlichen Gesetzen sind eine Reihe neuer Aufgaben auf organi- satorishem Gebiete in Angriff genommen worden. Vor allem ijt die Frage des Schularztwesens durch vorbereitende Erhebungen und Aufstellung von Nichtlinien so weit gefördert worden, daß zum

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meindliden Shularzkwefens in ben Haushalt deg Jabreg gestellt werden konnte. (Abgeordnete Frau Cge: Viel M Ich bedaure das auch, vereberte Frau Kollegin. Ich L J wiht ändern. Zu den wichtigsten organifatorischen Arbei, N abgelaufenen Jahres gehört au der weitere M atbs nd Gren¿shußes gegen die von E Seuchengefahr in Zusammenarbeit mit den ae N In Bearbeitung befindet fih noch ein kleiner Geseßentwurf tx Vertretung der Aerzteshaft der Provinzen Oberschlesien dat a mark sichern soll, ferner in Verfolg eines Beschlusses des Langs H ein Geseßentwurf, durch den die jeßigen Vorschriften 2M ärztlihe Ehrengerihtsbarkeit unter Bots N vom Landtag geäußerten Wünsche abgeändert werden sollen S Schließlich sind die Vorarbeiten für die E eiterunas, Aufgaben der Landesanstalt für M asferbveies inDahlem auf dem Gebiete der Reinhaltung der Luft hn: M fördert, daß mit der Tätigkeit in diesem Sinne zu B A nädhsten Berichtsjahres begonnen werden Tann, E Der Schwerpunkt der Tätugkeit der Medizinalabteilung oa auf dem Gebiete der eigentlichen Verwaltung. Es galt zuerst ‘A den Ausbau des Meldewesens sid ein zutreffendes A der im steten Wechsel befindlichen Ernährungs- und Gesundkeita, verhältnisse der einzelnen Sichten und Altersklassen der Bevölkerun, au verschaffen. Das Ergebnis kam ausdrücklich dur die Veröffent: lichung der von mir veranlaßten Erbebungen sowie dur La schiedene NRunderlasse für praftishe Maßnahmen ¿um Auédruck | Weitere Arbeiten wurden dur die Geldentwertuy R y bil dingt, Die bestehenden In stitute, die Nahrungsmittel. cid bakteriologischen Untersuchungéanstalten erforderten außerordentli hohe Zuschüsse. E Gleichzeibig mit den staatlihen Anstalten kamen aud die un, entbehrliden von Gemeinden und Wohlfahrtseinrichtungen L triebenen Krankenanstalten in eine immer s{wierigere Notlage, Jj besondere war es die Reichsgeseßgebung und die Branntwein, y Koblensteuer, die zu den an sih {hon außerordentli gestiegenen V, triebskosten trat und die Weiterführung vieler Anstalten unmögli machte oder do ganz erheblih erschwerte. Hier galt es einzuseben und zwar durch sofortige Anträge an die Neichss\tellen auf steuer- lihe Erleichterung oder Vereitstellung von Beihilfen. Meine Auf: gabe bleib es dann, die troß ihrer Höhe im Einzelfalle verhältnis, mäßig geringen Mittel {nell so zu verteilen, daß die unbedingt lebenswichtigen Anstalten betriebsfähig erbalten bleiben Tonnten. h Die Geldentwertung wang weiter dazu, die wirtschaft, lichen Verhältnisse des Heilpersonals stärker als früher zu berücsihtigen. Wahrend in normalen Seiten diese Aenderungen der Gebührenordnung für Aerzte und Zahnärzte nur in größeren Zwischenräumen von vielleidt Jahrzehnten erforderlich waren, mußte jeßt in Anpassung an die Geldentwertung allmonatlih und auleßt sogar zweimal im Monat die Gebührenordnung neu festgeseßt werden. Es bedurfte hierzu längerer Verhandlungen mit den Vertretern der Sozialversicherung und mit den Vertretern der Aerztevereinigungen. Es wurde ein ständiger Ausfchuß eingeseßt, der alle Vierteljahre die allgemeinen Grundsäße aufstellt, während die Gebühren säße selbst in meinem Muinsterium in den Zwischenzeiten neu geprüft und aufgestellt

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außer adt gelassen werden.

Noch shwieriger war die Frage für die Apothekertaxen. Untex meiner Mitwirkung wurde diese Frage durch eine ständige Kommission im Neichsministerium des Innern bearbeitet. Die ständige Anpassung der Arzneitarxen an die Bedürfnisse der Apotheker unter weitgehender Berücksichtigung der Lage der arzneibedürftigen Bevölkerung und der Krankenkassen führte dazu, daß in immer kürzeren Zwischenräumen neue Arzneitaxen und deren Grgänzungen herausgegeben twerden mußten.

Aehnliches gilt für die Aenderung der Gebühren der öffentlichen Nahrungsmitteluntersuhungsanstalten zur Untersuhung dex bei der Lebensmittelkontrolle entnommenen Proben von Nahrungêmittelu, Genußmitteln usw. Gerade heute ist die Gefahr einer Fälschung von Nahrungsmitteln außerordentli gesteigert. Andererseits müssen die Anstalten selbst lebensfähig erhalten werden, ihre Kostenträger, die Gemeinden, dürfen nit über Gebühr belastet werden, damit sie sid nit zu einer Einschränkung der Kontrolle gezwungen sehen. Eln besonderer Nahdruck wurde hierbei auf die Mil{kontrolle gelegt. Im übrigen zerfiel weiter die im Berichtsjahre geleistete Ver- waltungsarbeit in zwei zeitlidh getrennte Aufgaben, Jm ersten Halle jahr stand im Vordergrund die Abwehr der von Osten drohenden Seuchengefahr. Jn Rußland war, wie bekannt, 1921 durch Mißernte und Verbreitung ansteckender Krankheiten von thyphösem Charakler in einer seit Jahrzehnten nit erreidten Höhe eine Lage geschaffen, die für uns um so bedrohlicher war, als die starke Wanderung der hungernden Bevölkerung nah dem Westen und der mangelnde Grenz {uß in Polen uns unmittelbar bedrohten. Es wurden ausgiebige Maßnahmen zur Verhütung dieser Gefahren an den Grenzflußläufen und den Grenzübertrittstellen und den Häfen im Einvernehmen mi! dem Neichsministerium des Innern und unter Mitwirkung der preußischen Medizinalbehörden der unmittelbar bedrohten Provinzen getroffen. Unerwarteterweise sank mit dem Sommer 1922 die Erkrankungszahl in Rußland selbst, Die reichliche Unterstühung machte die hungernde Bevölkerung wieder seßhaft, So gelang eé, die Gefahr abzuwenden, che sie in nennentwerter Stärke unsere Grenzen erreiht batte.

Auch die inländischen Seuchen haben zum großen Tell infolge f kühlen und feuchten Sommers eine außerordentlich niedrige Zah erreiht, und namentlich Typhus und Nuhr sind stark abgesunken, so daß die getroffenen Vorbereitungen nit tätig zu werden brauen. Nur die infolge der vershlechterten Ernährungslage stark zunehmenden Fleischvergiftungen, die oft genug den Charakter bon A vergiftungen angenommen haben, erforderten im Inlande felbst besondere Maßnahmen. - Eine dieser Maßnahmen ist die Versorgung der Apotheken des ganzen Landes mit sogenanntem Botulisnuéferum, einem Stoff zur Heilung von Wurstvergiftungen. id Noch eine zweite ansteende Krankheit hat infolge l verhältnisse und des mangelnden Grenzshußes nit unbeträhili L genommen, die Bißverleßzung durch tollwütige Hunde und S kranke Tiere überhaupt. Auch hier sind dur Zusammenarbeit S : ständigen Beamten der menschlihen und tierischen Gesundheitép[es neue Maßnahmen zur Bekämpfung getroffen worden. fast Im Vordergrund aller Verwaltungsmaßnahmen und sie 108

erstatters entsprehend will ih gern die Erklärung wiederholen,

ersten Mal die Forderung von Mitteln nr Unterstüßung des ge-

beherrshend standen im zweiten Halbjahr die durch die Ceideno Es aufs shärfste beeinflußten Ernährungsverhältnisse und ihre

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Mt x or V“ Reichsbehörden Wavélferung Un

werden. Dabei durfte die Nücksiht auf die Erkrankten felbst nie |

gen auf die Volksgesundheit. Das Wohlfahrisministerium hat \ Geptember des vorigen Jahres, unmittelbar seit Beginn der Ver- d der Lage, dieser Frage dauernd Aufmerksamkeit geschenkt. Eu dur beständige Erhebungen und mündliche Beratungen sich E res Bild über den Gesundheits- und Ernährungszustand der i d die drohenden oder schon eingetretenen Gesundheits- ingen zu verschaffen verstanden. Es hat dur rechtzeitige Weiter- E die zuständigen Neichsbehörden beständig auf die Folgen der ¿hrungsshwierigkeiten hingewiesen. Es hat weiter in Wort und bi für die Aufklärung der Oeffentlichkeit gesorgt, und ih selber L erst kürzlih .an Hand der in meiner Abteilung gemachten Fest-

M die Presse des In- und Auslandes ausdrücklich auf den

f rang unserer Volksgesundheit hinzuweisen und die ursählichen E renbänge aufzuklären mih bemüht und habe ferner an dieser Ee im Februar eine eingehende Darstellung der ernsten gesundheit- E Lage gegeben. Aber ih habe mich nicht damit begnügt, bloß fest- ellen und Zahlen zu verzeihnen. Durch ständige Crlasse an die gindigen Gesundheitsbeamten wurden diejenigen Maßnahmen, die E. bei unserer Mittellosigkeit noch Erfolg versprechen, immer und E ‘wieder der Beachtung empfohlen: ständige gesundheitliche hhenvahung und Untersuchung der besonders bedrohten Altersklassen, keitiges Eingreifen bei den Frühformen von Erkrankungen, reht- Wine Beachtung und Abwehr der allerersten Erscheinungen, recht- tig Jnanspruhnahme der zur Verfügung stehenden Anstalten. Ich be dabei von den mir in meinem Haushalt zur Verfügung stehenden u) den darüber hinaus vom Reich überwiesenen Mitteln Gebrauch adt um in allen Provinzen die wichtigsten Anstalten der 4fossenen und offenen Gesundheitsfürsorge vor dem Zusammenbruch „1 fewahren. Ich kann auf Grund persönlicher Sühfungnahme hierbei ri besonderer Anerkennung die stets rege und der Größe ihrer Ver- qiwortung bewußte Mitarbeit der staatlichen Medizinalbeamten krorheben, die die Lasten der erhöhten Berichterstattung zu tragen hatten, die. darüber hinaus noch im verständnisvollen Zusammen-- ubeiten auf Grund ihrer Beobachtungen Anregungen gaben und die wll Sachkenntnis und Hingabe die neuübertragenen Aufgaben durch» fihren, Daneben galt es, die Bolksau frlärung selbst weiter auézubauen und durch We1ffnt und Bild, durch Vortrag und Ver- hreitung von Flugschriften die Bevölkerung in gesundheitlicher Be- jehung zu belehren, ihr Interesse wah und ihre Pflicht zur Selbst- hilfe lebendig zu erhalten. : : Wei der Vorbereitung der wichtigen Verwaltungsaufgaben stand nir der am 1. Juli 1921 geschaffene Landesgesundheitsrat, her seine Tätigkeit aber erst zu Anfang des Jahres 1922 aufnehmen bmte, in allen eins{lägigen Fragen zur Seite. Die ständigen Aus- shisse und die für besondere Fragen unter Zuziehung von Sach- hrständigen einberufenen Unterausshüsse tagten im Laufe des Haus- hilsjahres insgesamt in 23 Sihungen,

Venn aus meinen Ausführungen hervorgeht, daß die stete Arbeit he Abteilung für Volksgesundheitspflege außerordentlich vielseitig ge- wsen ist, so bin ih mir doch darüber völlig klar, daß die augenblick- lie Lage unserer Wirtschaftsverhältnisse in ihrer Rückwirkung auf (en Gesundheitszustand der Bevölkerung eine daucrnde Anspannung eller Krâfle bis auf das Aeußerste verlangt (sehr richtig! bei der Breinigten Sozialdemokratischen Partei), um wenigstens das Wenige, iu in menschlicher Kraft zur Abwehr der Folgen liegt, durchführen qi fônnen, Der Schwerpunkt ist hierbei auf Vorbeugung irgendwie termeidbarer Zusammenbrüche der Volksgesundheit, der Einrichtungen p ihrer Erhaltung und der in ihren Diensten stehenden amtlihen und þrivaten Personen zu legen. Soviel an mir liegt, werde ih mich mit ler Energie dafür einsebßen, daß diejenigen lebensfähigen Kräfte, die geeignet ersheinen, dem Zusammenbruch zu wehren, in den Grenzen d Möglichen geschüßt werden.

Wenn ih mich nunmehr den Aufgaben der Wohnungs- thteilung zuwende, so möchte ih vorab betonen, daß im ver- genen Jahre, troß der bedauerlicherweise schr verspäteten Bereit- sellung der Zuschußmittel, die Bautätigkeit zunächst sehr rege lar und sih anfänglich gut anließ, wenngleih erst ziemlich spät in br Bauperiode, nämlich Mitte Mai, mit dem Bauen begonnen kur, Die rege Gntwicklung der Bautätigkeit wird durch die be- Wienôwerte Tatsache bestätigt, daß zum ersten Male im Vorjahre bider eine Nückehr der in andere Gewerbe ab- sewanderten Bauarbeiter zu ihrer eigentlihen B e - ufstätigkeit stattfand, eine Erscheinung, die vornehmlich in den beslihen Provinzen beobahiet werden konnte.

teider hat der weitere Verlauf der Bauperiode dann nit ganz (halten, was der gute Anfang versprah. Der katastrophale Mark- lur im August des vorigen Jahres und die zunehmende Entwertung Unseres Geldes, die von diesem Zeitpunkt an einseßte und mit Niesen- shritten uns dem Abgrund nahe brachte, hat alle Voraussicht zunichte (mi und nicht nur viele Pläne vereitelt, sondern au bei einer ften Reihe begonnener Bauten die Fortführung und Vollendung wädst in Frage gestellt, Die aus der Wohnungsbauabgabe zur

tigung stehenden Mittel erweisen sich je länger desto weniger als reichend, und die Beihilfesäße blieben gegenüber den im raschen

‘po steigenden Baukosten mehr und mehr zurück. Allein dank dem Unstande, daß auf Drängen der Länder zur Fertigstellung der be- Wnenen Bauten von der Reichsregierung besondere Mittel auf dem : (ge einer mehrfachen Kredithilfe zur Verfügung gestellt wurden, ist y tfreuliherweise gelungen, die Bautätigkeit vor dem Zusammen-

0 zu bewahren. Jn Preußen sind vor kurzem die leßten Mittel u dieser Veichskredithilfe zur Sanierung unvollendeter Bauten aus- l'dittet worden. Es ist indessen leider nicht zu hoffen, daß mit ihrer ilfe die leßten Ansprüche nach dieser Nichtung voll befriedigt werden E Wir müssen vielmehr damit rechnen, daß die vollständige digung der Bauvorhaben des Jahres 1922 auch damit noch nicht trreihen sein wird. b gy! hier gleich noch ein Wort über die Aussichten für die V Bauperiode einschalten darf, so möchte ih sagen, daß ih dka nlwidlung nicht ohne große Besorgnisse entgegensehe. Der dun ag dat war soeben die Novelle zu dem Geseh über die Er- in f R Abgabe zur Förderung des Wohnungsbaues angenommen, ¡1 L Sah der Wohnungsbauabgabe vom 1, Januar 1923 ab C festgesebt wurde, leider aber nur mit einer Gültigkeits-

N , zwei Jahren! Bei der gegenwärtigen Höhe der Baukosten

s É ih die Befürchtung, daß mit den auf Grund solcher Säße

wevenden Erträgen der Abgobe das von der Reichsregierung für ie 1923 aufgestellte Bauprogramm kaum wird zur Durch-

9 gebracht werden [önnen.

h) h f den Vau von Beamtenwohnungen betrifft, so stehen dafür a kürzli von diesem Hohen Hause verabschiedete Geseh ja

besondere Mittel zur Verfügung, mit deren Hilfe bisher auc bereits mehrere Tausend Wohnungen für Staatsbeamte, Arbeiter und Lehrer sichergestellt werden konnten. Immerhin bleibt die Zahl der wohnungs- losen Beamten noch beträhtlih groß, so daß mit einer verstärkten Fürsorge auf diesem Gebiet auch in der näbsten Zukunft wird fort- gefahren werden müssen.

In diesem Zusammenhang möchte ih au darauf hinweisen, daß die zur Förderung des Grundkredits für den Kleinwohnungsbau be- gründete Preußische Landespfandbriefanstalt inzwischen ihre Arbeit mit gutem Erfolge aufgenommen hat,

Bei den geringen für die Förderung der Bautätigkeit verfüg- baren Mitteln muß mit allen Kräften versucht werden, auf eine Ver- minderung der Baustoffpreise hinzuwirken.

Im Benehmen mit dem Herrn Landwirtschaftsminister ist wie in früheren auch in diesem Jahre fiskalisches Holz für den gemein- nüßigen Kleinwohnungsbau bereitgestellt worden. Bisher sind 150 000 Festmeter den provinziellen Wohnungsfürsorgesellschaften zu Monatsdurch\chnittspreisen und zum freihändigen Verkauf zur Ver- fügung gestellt worden, worauf demnächst für das Kubikmeter nah ordnungsmäßigem Umbau cine Nükvergütung von 60 000 Mark ge- währt werden wird. Darüber hinaus sind in Ostpreußen, ins- besondere zur Vollendung des LWiederaufbaues und für ländliche Siedlungen, 60 000 Festmeter und an Oberschlesien weitere 8000 Festmeter überwiesen worden. Es schweben zur Zeit noch Verhand- lungen über die Möglichkeit einer weiteren Erhöhung dieser Holz- mengen.

Um den dringendsten Baustoffbedarf für den gemeinnüßigen Kleinwohnungsbau wenigstens teilweise zu noch angemessenen Preisen sicherzustellen und rehtzeitig bereit zu haben, sind im Benehmen mit dem Herrn Finanzminister von hier aus 3 Milliarden Mark an die provinziellen Wohnungsfürsorgegesellschaften ausgeshüttet worden. Diese sind angewiesen, die überwiesenen Mittel für die gemeinnüßigen Bauten der Provinz zu verwenden, wobei nah Maßgabe der verfüg- baren Mittel auc der Baustoffbedarf der Städte, Kreise und länd- lichen Gesellschaften zu berüdsihtigen ift.

Zwecks Preissenkung der wichtigsten Baustoffe sind mit dem Reichswirtschastsmin sterium Verhandlungen gepflogen worden, die allerdings noch nit vollends zum Abschluß gekommen sind. Es liegen bereits bindende Zusagen der Zementsyndikate vor, die 2 % des monat- lichen Gesamtumsatzes in bar zur Absenkung des Zementpreises für den gemeinnüßigen Kleinwohnungsbau bereitstellen werden, Unter Zugrundelegung der Zahlen des vergangenen Jahres würde das eine Verbilligung von rund 30 % bedeuten.

In ähnlicher Weise werden au der Kalkbund, die Gipsindastrie, Dachziegelei-Industrie und derx Eisenhandel Mittel zur Verbilligung bereitstellen.

Die Ziegel- und Glasindustrie hat auf die für den Kleinwohnungs- bau benötigten Baustoffe Nabatte von 8 bis 20 2 in Aussicht gestellt, Das Verbilligungsverfahren wird eben ¿wischen dem Reichswirtschafts- ministerium und den Ländern im einzelnen festgelegt, so daß die Bau- stoffverbilligungsmittel noch zu Beginn der Bauperiode bereiistehen werden.

Im übrigen habe ih nach wie vor der Prüfung neuer Bau- stoffe und Bauverfahren, die für den Kleimvohnungsbau in Frage kommen, meine besondere Aufmerksamkeit zugewendet.

Während die Einführung neuer technischer Verfahren zu wirt-

schaftlihen Erleichterungen Anlaß gab, mwßten umgekehrt die bau- polizeilihen Anforderungen für die Ausführung von Auf- stockungen wesentlich gesteigert werden, um Gefahrenmomente auszuschließen und die Gewähr für höhere Sicherheit zu geben,

Wenn ih mich auch bei der Freigabe von Dachgeschoß- wohnungen zu einer weiteren Nachgiebigkeit ents{lossen habe und die Einrichtung folher Dachgeshosse über das baupolizeilih zulässige Maß hinaus zu Wohnungen zugelassen habe, so habe ih das nur ungern getan und nur unter dem Zwang der Not, in der Erwartung, daß angesichts der bedeutend geringeren Kosten, die bei den gegen- wärtigen Preisen der Ausbau eines Dachgeschosses gegenüber der Er- rihtung von neuen Bauten macht, durch diese Maßnahme die Ge- winnung weiteren Wohnraumes für den Wohnungsmarkt ermöglicht wird. Allerdings darf die Verschlechterung des Wohnungszustandes, die mit dem Ausbau von Dachgeschossen eingeseßt hat, niht verewigt werden dadurch, daß auf jede Befristung solcher Ausbaugenehmigungen verzihtet wird, Nach meiner Auffassung ist eine Frist von 20 Jahren als Benußungsdauer für derartige Wohnungen angemessen, da inner- halb dieser Zeit die aufgewendeten Unkosten für die Herrichtung getilgt werden können.

Um so wichtiger ist angesihts solher, dur die zunehmende Wohnungsnot eintretenden Verschlehterung der Wohnungszustände die Ausübung der Wohnungsaufsi cht. Diese Zusammen- drängung der Bevölkerung macht es aus Gründen der Volksgesundheit und Sittlichkeit dringend erforderli, dahin zu wirken, daß troß der dichten Belegung der Wohnungen Mißstände nah Möglichkeit ver- mieden oder wenigstens abgeschwäht werden. Auch muß alles ge- schehen, um den weiteren baulihen Verfall dec Altwohnungen auf- zuhalten. Wohnungsaufsiht und Wohnungspflege können in vielen Fällen verbessernd und vorbeugend eingreifen.

Die Erhaltung des alten Bestandes an Wohnungen bildet ja auch mit eines der Ziele, die das vor kurzem verabschiedete Geseh über dev Verkehr mit Grun d- ]st üen verfolgt. Denn die Fürsorge für die Erhaltung des alten Hausbestandes war nicht zuleßt dadurch stark bedroht, daß der Haus- besiß infolge unserer ungünstigen Valuta in vermechrtem Umfange in die Hände von Ausländern überging, die den Hauskauf nur als Geld- anlage benußten, ihren Besiß als mobile Ware betrachteten und sich um den Zustand ihres Hauses wenig kümmerten.

* Die unbefriedigenden Wohnungszustände in den Großstädten, die ein Erbe schon aus der Vorkriegszeit sind wo die Zusammendrängung der Bevölkerung in Massenquartieren und Mietskasernen in den Städten die Regel bildete, machen es zur dringenden Pflicht, im Znteresse der Volksgesundheit jede siedlungstechnische Möglichkeit der Auflodckerung zu ergreifen, Jn diesem Sinne kommt es vor allem darauf an, die vorhandenen Grün- und Waldflächen in ihrem jeßigen Bestand für Erholungszwecke zu erhalten. Zur Durch» führung dieser Aufgabe hat es bislang an ausreichenden geseßlichen Mitteln gefehlt. Diese Lücke in der Geseßgebung ist inzwischen ge- schlossen worden dur das Gesetz, betr. Erhaltung des Baumbestandes und Erhaltung und Schaffung von Uferwegen.

Dieselben Grundsäße der Auflockerung müssen heute, entgegen den bisher üblihen Kongentrationstendenzen, au bestimmend sein, wo es sich darum handelt, neue und größere Gebiete einer zusammen-

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g großen Stils, dle sich über weite Flächen ausdehnt, wird die rasche Gntwicklung der Industrie zunächst in dem mitteldeutschen Braunfohlenrevier von Merseburg und Bitterfeld notwendig machen, Um die Wahrung neuzeitliher Siedlungögrundsäße bei dieser Gra s{ließung zu sichern, habe i inzwishen die Vorarbeiten für die Aufstellung cines General siedlungsplanes über dieses Gebiet eingeleitet. Desgleichen sind im Anschluß an die Verhand- lungen über die Bildung von Groß Hamburg auch für dieses Gebiet Vorarbeiten für die Aufstellung eines Generaslsiedlung8planes ein- geleitet worden.

Was sodann die Arbeiten meiner Abteilung für die allgemeine Volkswohlfahrt betrifft, so möchte ih dazu folgendes sagen. Die ungeheuren Lasten, die feindlicher Haß und Pebermut in immer wachsendem Maße unserem Volke auferlegt, bewirken, daß die Not im Lande immer größer wird. Damit erweitert ih der Kreis der Aufgaben, die meinem Ministerium gestellt werden, nehr. Denn wo könnte diese Not ihre Wirkungen fühlbarer zeigen als in dem Ministerium für Volkswohlfahrt, - das sich der Krankcn und Schwachen, der Verarmten und Vertriebenen, der Obd losen, dec geistig, fittlich und körperlich gefährdeten Jugend und der beran- wachsenden Jugend überhaupt annnehmen sol! Von den zahlreichen Aufgaben auf diesem Gebiete, die dringende Erledigung verlangen, seien nur die wichtigsten angeführt. Meine Worte werden Jhnen hoffentlih zeigen, daß es Dei der traurigen Lage unserer Finanzen leider niht mögli war, diesen Aufgaben befriedigend gereckcht zu werden. Sie werden aber, wie ih hoffe, daraus au ersehen, daß geschehen ist, was nah Lage der Verhältnisse nur irgendwie ge\ckehen konnte.

Ich wende mich zunächst der Erwerb Slojeniursorae u Ausführungsbestimmungen zu den reichsgeseßlihen Vorschriften über die Crwerbslosenfürsorge wurden ausgearbeitet. Auf eine zweckmäßige Gestaltung dieser Vorschriften und namentlih eine den Teuerungss verhâltnissen entsprechende Erhöhung der Unterstüßungssäße ist bei dem zuständigen Neich8arbeitsministerium sowie im Neichsrate Hins gewirkt worden. Während der Stand der Erwerbslosigkeit im vere gangenen Jahre verhältnismäßig günstig war, ist neuerdings infolge des französischen Einbruhs an der Nuhr eine Zunahme der Erwerbg- losigkeit sowohl im unbeseßten wie im beseßten Gebiet zu erwarten und leider zum Teil son eingetreten

Im Zusammenhange mit der ausnehmend geringen EGrwerbß- losigkeit des Sommers 1922 ist gegenüber dem Vorjahre bisher eine geringere Zahl von produktiven Notstandsarbeiten und -maßnahmen gefördert worden. Immerhin sind ohne die in das Nechnungsjahr hineinreihenden Arbeiten des voraufaegangenen Rechnungsjahres bisher 5818 Maßnahmen unterstützt worden. Hiers von entfällt erfreuliherweise ich beziehe mih hierbei auf die in meiner Antrittsrede gemachten Ausführungen auf die volkswirt- schaftlich besonders wertvollen Arbeiten der weitaus größte Teil. Denn es sind 556 Anerkennungen für Meliorationen und annähernd 5060 An- erkennungen für 11 000 Landarbeiterwohnungen sowie für 60 halbe ländlihe Siedlungen mit rund 7200 Kleinwohnungen ausgestellt worden. Die Zuschüsse und Darlehen haben etwa 1,2 Milliarden Mark erfordert, wovon auf Preußen 400 Millionen Mark entfallen, ein Betrag, der an der gegenwärtig wieder verringerten Kaufkraft aemessen, ein Vielfaches dieser Summe ausmachen dürfte.

Die allgemeine Kreditnot und die schwierige Finanzlage dex Gee meinden haben die Finanzierung von Notstandsarbeiten immer mehr ershwert, so daß die Mittel der produktiven Erwerbslosenfürsorae zum Teil weit über den ursprünglih gedahten Rahmen hinaus beantragt werden, Dieser an sich als unerwünscht zu bezeidnende Zustand hat auf Anregung und unter Mitarbeit unseres Meferates für produktive Erwerbslosenfürsorge zur Gründung der Deutschen Aktiengesellschaft für Landeskultur geführt, die ume fangreihe Kredite und auch bei Notstandsarbeiten von produktione- steigernder Wirkung für Meliorationen, Talsperren, Elektrifizierungen und Hafenbauten neuerdings in steigendem Maße Mittel gewährt, Nur dadur wird es möglich, diese Arbeiten überhaupt durchzuführen,

Die Fürsorge für die notleidenden Kreise der Sozial- und Klein» renner, die zwar in wesentlichen dem Reiche obliegt, ift auch {ändig Gegenstand meiner Beachtung gewesen. Jn®Wesondere habe ih Wert darauf gelegt, daß alle Maßnahmen des Neiches, soweit sie cine Er- leichterung der Not dieser Bevölkerungsschichten bedeuten, preußischer- seits in den geseßgebenden Körperschaften des Reichs dringend besür- wortet wuvden, Zugleih habe ich mi bemüht, die reidhérehtlide Negelung dahin zu beeinflufsen, daß die Lasten dieser Fürsorge, soweit sie niht vom Reich getragen werden, auf leistungsfähige Schultern @elegt und fomit ihre Durbführung sicbergestellt wird,

Der großen Not zu steuern, sind wie bisher, so auch weiterhin Anstalten aller Art bemüht. Aber die Lage fast aller Wohlk- fahrt8anstalten ist außerordentli \chwierig. Dur Einsah meiner Etatmittel und der vom Reichstag in dankenswerter Weise zuy Verfügung gestellten Mittel ist es bei vielen gelungen, den drohenden Zusammenbruch zu vermeiden. Es wird aber weiter kräftiaster Unter- stüßung bedürfen, namentli die für die Volksgesundheit dringend nötigen Anstalten zu erhalten.

Als vielfaher Mangel zeigt sich bei den bestehenden Sdvierig- leiten der Mittelbeschaffung, daß ein großer Teil der Anstalten bisher zu wenig Wert darauf gelegt hat, die Einnahmen durch Nebenbetriebe wie Landwirtschaft, Gärtnereien und ähnlicher Art zu evhöhen. Hierauf fördernd einzuwirken, erahte ih au sür meine besondere Pflicht.

Auf dem Gebiete der Sozialversicherun g beschränkte si die Tätigkeit des Ministeriums auf die Ausführung der Neichsgesehe und die verfassungsmäßige Mitarbeit bei allen durh die Verhältnisse gebotenen reihsgeseßliben Maßnahmen.

Unter denjenigen Beklagenswerten, die der Fürsorge des Staales bedürfen, stechen die Krüppel voran. Die Durchführung der Krüppelfürsorge, der sih die Provinzen, Kreise und Ge- meinden in anerkennenswerter, tatkräftigster Weise auf Grund des Krüppelfürsorgegesehes angenommen haben, hat immerhin gute Fort- {ritte zu verzeihnen. Aber nit nur die infolge Erwerbslosigkeit, Verarmung und angeborene Gebrechen Hilfsbedürftigen gilt es zu stüßen, sondern es wird vielmehr angzustreben sein, daß die sittlich Gefährdeten wieder auf die redte Bahn gebracht werden. In dieser Beziehung wird es notwendig sein, die Quelle vieler Verbrechen, dies Trunksucht, die sich leider wieder in erschreendem Maße brei macht, zu bekämpfen. Nach Erlaß des Notgeseßes wird es möglidj sein, der unerwünschten Zunahme des Alkoholmißbrauchs mehr noh als bisher entgegenzutreten. (Sehr richtig!)

Auch in diesem Jahre hat es mir am Herzen gelegen, bei der

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hängenden Besiedlung zu ershließen. Eine fsolhe Er-

Durchführung der Fürsorgeerziehung Anordnungen gy