1901 / 70 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 22 Mar 1901 18:00:01 GMT) scan diff

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führungen des Herrn Abg. Heine geschwiegen, denn ih glaube, ih bin berechtigt, zu s{chweigen, solange feine faßbaren That- fachen vorgebracht. werden. Es mag ja nach Ansicht des Herrn Abg. Heine in der Weise eines zünftigen Advokaten liegen, den Gegner mit unbekannten Dingen zu überrumpeln und mit unfaßbaren Allgemein- heiten anzugreifen, aber der Gerechtigkeit und dem Interesse der Sache wird damit nicht gedient, und f\olange so verfahren wird, werde ich auf das, was man hier vorbringt, auch ferner niht antworten. (Leb-

hafter Beifall.)

Abg. aase- Königsberg (Soz.): Der preußische Justiz- Minister f wohl im Gefühl seiner Schwäche, auf die gegen ihn erhobenen Angriffe antworten zu müssen, ausgeblieben. Jh selbst bin in der Lage, einen pan der Beeinflussung der Gerichte durch fert Schönstedt mitzutheilen. Die Leiter der Fera lgen Landwirth- haftskammer stellten Strafantrag gegen den Verleger eines fozial- demokratischen Blattes; die Herren Graf Klinckowstroem und Graf Kalnein-Kilgis wurden von dem Staatsanwalt und Ober-Staatsanwalt abgewiesen; sie riefen nun nicht das Oberlandesgericht an, sondern Graf Klinckowstroem beschwerte sih im preußischen Herrenhause über die Unzulänglichkeit der staatsanwaltlihen und polizeilihen Thätigkeit und verlangte eine generelle Anweisung des Justiz-Ministeriuums an die

taatsanwaltschaften, er wünschte sogar direkt die Beeinflussung der

ihter; er verlangte eine generelle Anweisung an die Gerichte, um thnen klar zu machen, daß es sich in solchen Fällen niht um bloße

reßvergehen handele. Der Justiz-Minister wandte sich gegen dieses

erlangen mit sehr {önen Worten, sprach von der verfassungs- mäßigen Unabhängigkeit der Gerichte 2c., aber er sprach gleih- eitig davon, die Gerichte / möchten diesen Anregungen ent- sprechend nachprüfen, ob sie sich in Zukunft anders zu verhalten ätten. Er verlangte damit Selbsteinkehr von den Richtern; ein deutliherer Wink mit dem Zaunpfahl is wohl niht denkbar. Graf Klinckowstroem konnte aber nit einsehen, weshalb niht direkte Jn- \truktionen in dieser Richtung an die Gerichte gegeben werden können, weil es sih doch um den Kampf gegen die Sozialdemokratie handelte. Der Minister schwieg. Inzwischen hatten die Antragsteller eine Be- chwerde an den Justiz - Minister selbst eingereiht, mit " dem Antrag, er solle die Staatsanwaltschaft zum Einschreiten an- weisen, und nach einiger Zeit traf die verlangte Anweisung ein. Die Anklage selbs wurde nun aber unter der Aufschrift «Streng vertraulih“ mit der Abschrift der justizministeriellen Anweisung an die Kammer abgegeben. Ein folcher Dru ist aus- eübt worden, und daß er ungeseßlich war, beweist das „streng ver- raulih“. Die Verfügung des Justiz-Ministers ist daher den Akten nicht einverleibt worden. Nun kam, was zu erwarten war; der Staatsanwalt hielt eine Brandrede gegen den Angeklagten, be- antragte drei Monate Gefängniß wegen Beleidigung sämmtlicher Großgrundbesißer. Das Verfahren wurde zuerst eingestellt, dann vom Neichsgeriht die Wiederaufnahme angeordnet, und nun erfolgte die Verurtheilung zu \sech8 Wochen Gefängniß. Die Richter haben sich zum Dienst der Agrarier erniedrigt gegen die Sozialdemokratie. Es bleibt ein Verbrechen, trdiese Beeinflussuug auch nur versuht zu haben. Sragten auch nicht im übrigen hänfig streng vertrauliche Verfügungen an Staatsanwälte, welche fih auf das Einschreiten gegen die Soztaldemokratie beziehen? Uns schadet ein folches Vorgehen niht, Schaden erleidet nur die Justiz. Die Justiz ist bestehlich geworden in dem Sinne, daß sie von den herrschenden Anschauungen sich derart Eee läßt, daß sie niht mehr den geraden Weg der Rechtsprechung geht.

Staatssekretär des Reichs - Justizamts Dr. Nieberding:

Meine Herren! Jh möchte nur zwei kurze Konstatierungen vor- nehmen: Erstens, daß in dem Vortrag des Herrn Vorredners Nichts enthalten war, was auf eine Verlegung des Reichsrechts \chließen ließe, was also eine Verantwortlichkeit des Reichskanzlers begründen könnte, was demgemäß hier im Hause mit Recht gegenüber der Neichs- verwaltung zur Sprache gebraht werden könnte.

Zweitens, daß die Thatsachen, die der Herr Redner hier angeführt hat, uns nicht bekannt sind, daß wir deshalb vollständig außer ftande uns befinden, darüber uns zu äußern: daß also die Art und Weise, wie der Herr Vorredner hier seine Beshwerden vorbringt, durhaus dana angethan ist, uns etwaigen Angriffen gegenüber wehrlos zu machen. Ob das für eine sahgemäße Behandlung der Dinge der angemessene Weg ist, stelle ih dem Urtheil des Hauses anheim.

Abg. Beh - Coburg tritt dem Antrag Gröber bei und empfiehlt dann deï von ihm mit Unterstüßung von Mitgliedern der Freisinnigen Vereinigung, der Nationalliberalen, des Zentrums und von Elsässern eingebrahten Antrag wegen Entschädigung für uns{uldig erlittene Untersuchungshaft. Das Haus habe {on wiederholt einstimmig die verbündeten Regierungen um einen solhen Gesetzentwurf ersucht.

Staatssekretär des Reichs-Justizamts Dr. Nieberding:

Meine Herren! Ich möchte doch die verbündeten Regierungen gegenüber den Ausführungen des Herrn Vorredners vor dem Vor wurfe {üten, als ob fie in der vorliegenden Frage eine Verzögerung eintreten ließen, die durch die Verbältnifse nit gerechtfertigt wird. Die vorliegende Resolution stellt ein Problem zur Lösung, das, ich möchte sagen, seit 14 Jahrhunderten die wissenschaftlichen und praktischen Kreise in allen Kulturstaaten Europas beschäftigt bat, das bis jeßt aber noch in” feinem größeren Staate seine Erledigung gefunden hat troy der Sympathie, die ihm überall entgegen- gebraht wird. Wenn unter folhen Umständen die verbündeten Regierungen bis jeßt auch noch Nichts fertig gebracht haben, so wird sih der Herr Vorredner darüber nicht wundern können und ein Vorwurf läßt \fich daraus gegen die verbündeten Regierungen nit herleiten. Wenn nun aber die Resolution sogar verlangt, daß wir bis zur nähsten Session einen entsprehenden Gesetzentwurf aufstellen sollen, so glaube ih, würde ih meine Pflicht gegenüber dem boben Hause vernachlässigen, wenn ich nicht von vornherein erklärte, daß eine derartige Aufgabe für uns unlösbar ist.

Abg. Heine: Es ist zu einem tig gen Zusammenwirken nothwendig, daß man aus gutem Willen zur gemeinsamen Arbeit schreitet, au} wo man nicht verpflichtet ist. Durch das Verfahren des preußischen Justiz-Ministers wird ein Zusammenwirken direkt un- möglih. Herr Haase theilt einen Fall mit, der den Minister Schôn- stedt persönlich betrifft; der Staatssekretär Nieberding kann keine Aus-

, Tunft geben. Jett aber sagt er: Warum greifen Sie den Minister

Schönstedt an? Wir fragen: Warum ift der Herr nicht hier, um Auskunft zu geben? Wir können uns doch nicht mit der Thatsache der Abwesen- heit abweisen lafsen. Jh soll vage Beschuldigungen ausgesprochen haben. Von dem Fall Schmidt hat der Herr Staatssekretär au

nicht ein i-Titelchen abzustreiten versucht. Auch Herr Schocsiedt vollständig unterrichtet; der Fall ist ja dur alle Zeitungen gegangen. Es sind sechs Wochen ins Land gegangen; wenn ih vage L esu f gungen ausgesprochen e warum sagt man denn nicht, was wahr und was unwahr is? Nicht daß Minister Schönstedt den Schmidt einen \{chwachen Mann genannt hat, verüble ih ihm, es daß er weiter nihts darüber gesagt hat, daß er orte der Entrüstung gegen mich, a kein Wort, auch nicht das- leiseste, des Tadels gegen die Leute gesunden hat, die diese Aktion gegen midt vera aßt und ausgeführt haben. Und warum \pricht der Minister Schönstedt niht die Mißbilligung jenes Dortango deutlih und offen aus? Wohl deshalb, weil ja

Leute ligt sind, gegen die tnan niht mißbilligend kann. Di rte, welche mich in Differenz mit Dein

Präsidenten gebracht haben, rale ih gebraucht, und wollte sie auch ebraucht i meine t war es ni zu behaup der aiser habe auf die Richter ines Dat s g:

Abg. Beckh-Coburg wendet ih gegen die Absage des Staats- fekretärs, die mit dem allgemeinen Empfinden des Volks durchaus nicht im Einklang stehe. Î

__ Damit ‘\{ließt die Diskussion. Die Resolution Bech wird unter Streihung der Worte „Sofort bei Beginn der nächsten Session“ fast einstimmig angenommen, ebenso die Resolution Gröber.

Bei den Ausgaben für das Reihs-Schaßamt fragt der

Abg. von Kardorff (Np.), wann der neue Zolltarif vorgelegt werden werde. Es habe fich das Gerücht verbreitet, daß die Vor- legung in dieser Session niht mehr mögli sei. Für alle Mitglieder sei es von höchstem Interesse, zu wissen, woran man sei, um die Dis- positionen für den Sommer zu treffen. :

Staatssekretär des Reichs - Schaßamts Freiherr von Thielmann:

Meine Herren! Der Zolltarif ist im Reihs-Schayamt, wie dem hohen Hause bekannt ift, soweit die Zollabtheilung des Reichs- Schaßamts daran betheiligt ist, bereits abgeschlossen. Er unterliegt gegenwärtig einer gemeinsamen Berathung mit denjenigen anderen Ressorts des Reichs, welhe wichtige Interessen, welhe durh den Zolltarif berührt werden, zu vertreten haben. Diese Berathungen dauern bereits einige Wochen, und ih habe begründete Hoffnung, daß fie im Laufe dieses Monats noch werden abgeshlossen werden können. Ob mit dem Abschluß dieser Berathungen die leßten zweifel- haften Punkte erledigt sein werden, kann ich heute noch nicht sagen. Es ist möglich; aber auch das Gegentheil ist mögli. Hieran wird sih aber eine Arbeit anschließen, die jedenfalls einige Wochen in Anspruch nehmen muß, nämlich der Neudruck des ganzen umfangreihen Werks, an welchem bei diesen Berathungen verschiedene, theils kleinere, theils wihtigere Aenderungen vorgenommen worden sind. Das Werk ist mit seiner Begründung und den statistischen Beigaben außerordentlih umfangreih, und dieser Neudruck wird des- halb einige Wochen in Anspruh nehmen, \odaß ih nit voraussehen kann, daß früher als im Laufe des April der Zolltarif so weit vor- bereitet scin wird, um den verbündeten Negierungen im Bundesrath vorgelegt werden zu können. Wie lange die Berathungen des Bundes- raths über den Zolltarif in Anspruch nehmen werden, bin ih gegen- wärtig nicht in der Lage, Ihnen zu sagen. (Heiterkeit.)

Bei dem Etat des Reichs-Eisenbahnamts geht der

Abg. Stolle (Soz.) auf den angeblichen preußisch-\ächsis{en Eisenbahn-Zollkrieg nochmals ein und sucht aus amtlihem Material nachzuweisen, daß der Nückgang der Rentabiliät der sächsischen Bahnen durch die Tarif- und Inftradierungspolitik der preußischen Eiseabahn- verwaltung herbeigeführt fei. Man könne ein folches kleinlihes Ver- halten des größten Staates in dem geeinten Deutschen Reich nur bedauern. Thatsächlich seien au die preußischen Wagen, wenn sie auf sächfis{hes Gebiet überträten, niht ges{miert. Wann werde das Reichs-Eisenbahnamt einschreiten? Redner trägt dann Beschwerden über die Ueberbürdung der Eisenbahnbeamten und Eisenbahuarbeiter und über die angeblih ungebührlihe Ausdehnung der Arbeitszeit vor.

Präsident des Neichs-Eisenbahnamts Dr. Schulz: Bezüglich des Eisenbahnkrieges beziehe ih mich auf die Aeußerungen des sächsischen Herrn Bevollmächtigten in der zweiten Lesung. Die Behauptung von den nit geschmierten Wagen hat der Minister der öffentlichen Arbeiten \hon im preußischen Landtage in das Bereich der Märchen verwiesen. Das Reichs-Eisenbahnamt findet mit seinen Vorstellungen bei den einzelstaatlichben Eisenbahnverwaltungen durchaus Gehör und Berü- sichtigung. Für die bessere Unterbringung der Eisenbahnbeamten und -Arbeiter ist in den leßten Jahren recht viel geschehen; desgleichen au für die baulihe Unterhaltung der Eisenbabhngebäude und der Bahnhöfe. Für letztere find in den leßten Jahren nicht weniger als 285 Millionen Mark ausgegeben worden.

Abg. Dr. Müller-Sagan (fr. Volksp.) hält eine Erledigung der von Herrn Stolle angeregten Materie bei der dritten Lesung nicht für angezeigt, \priht aber au seinerseits über die übermäßige Aus- dehnung der Arbeitszeit durch einzelne Direktoren seine Mißbilligung aus. Redner dankt für die rasche Ausführung der Reichstags- resolutionen, betreffend die Tarifermäßigungen für Militärurlauber.

Nach einer Erwiderung des Abg. Stolle wird dieser Etat angenommen.

Beim Etat der Reihs-Post- und Telegraphen-Ver waltung erinnert der

Abg. von Glebocki (Pole) an den polnisGen Adressenüber- setzungêîstreit. Jett, bei der dritten Lesung des Etats, sei. die einzige noch übrige Gelegenheit, in diefer leidigen Frage zu einer Ver- ständigung zu fommen. Wenn man jedem Postamt ein vollständiges Verzeichniß aller Ortsnamen polnisch und deutsch überwiese, würde auch obne die beiden Ueberseßungsstellen auszukommen sein. Redner führt unter Zitierung ciner Reibe von Einzelfällen aus, daß dur

| die Uebersetzungsstellen nur eine höht unliebsame Verzögerung in der

Bestellung der Sendungen verursaht werde. Besonders beklagt er sich über die Willkür, mit welher dieser oder jener polnishe Zusatz auf der Adresse als unstatthaft behandelt worden sei.

Staatssekretär des Reichs-Postamts von Podbielski:

Auf alle Einzelheiten jeßt bei der dritten Berathung des Etats einzugehen, versage ich mir; wohl aber bin ih verpflihtet, einige Ausführungen des Herrn Vorredners rihtig zu stellen, damit nit in der Bevölkerung eine falshe Auffaffung über die Aufgabe der Ueber- seßzungsstellen Play greift.

Meine Herren, wir haben zu scheiden zwischen denjenigen Sendungen, die an den Postshaltern aufgeliefert werden, und den durch die Briefkasten aufgegebenen. Bei den ersteren kann nun und nimmermehr die Uebersezungésstelle in Frage kommen; an den Post- shaltern weisen wir gleich die Sachen zurück, deren Aufschriften eine sichere Bestellung ausschließen. Die Uebersetzungéstellen sollen nur dazu dienen, diejenigen Adressen klar und richtig zu stellen, die nit an den Schaltern, sondern dur die Briefkasten uns zur Beförderung über- geben werden. Das ist ein sehr wesentlicher Unterschied. Ferner sind die Uebersetzungsstellen ledigli ein Versu. Sollten die Ueber- seßzungsftellen niht dem entsprehen, was die Verwaltung davon er- wartet, so werden sich die Herren damit abfinden müssen, daß wir die Sendungen, deren Aufschrift den Empfänger und den Bestimmungsort nicht deutlih und so bestimmt bezeichnet, daß jeder Ungewißheit vor- gebeugt wird, als unbestellbart behandeln. (Lebhafte Zwischenrufe von den Polen. Sehr gut !)) Dann kommen Sie auf den Punkt vielleiht wollen Sie ihn (Zurufe) gut, Sie werden die Antwort von meiner Seite wahrlih niht zu vermissen haben. (Lebhaftes Bravo rechts und links. Unruhe bei den Polen.)

Was weiter die Frage anlangt, ob eine Adresse den Bestimmungen der Postordnung entsprechend deutlih und bestimmt ist, so liegt das und muß das unterliegen der Entscheidung des einzelnen Beamten, der mit den Sendungen Befassung hat. (Sehr richtig!) JIch kann unmöglich bis ins Detail einen Beamten instruieren, was er zurück-

weisen soll, was niht. Das unterliegt der individuellen Auffassung

| S j 5 des damit beshäftigten Beamten. (Zurufe.) Gewiß, der 5 hat sih, wenn er Versehen begeht, zu verantworten; aber s L auch die Verantwortung dafür, daß die Sendungen wirkli ord trägt mäßig beschaffen sind. (Sehr richtig!) 4 Der Schwerpunkt und den wollen Sie nit verrüg Herren! liegt darin: Sie haben, statt die Postbeförder leihtern, durch Jhr Vorgehen den Postdienst geradezu ershwert zweifellos damit weite Kreise Deutschlands geschädigt. . (Sehr ridtia! Dagegen Front zu mahen, habe ih die Pflicht, und dagegen 2) ih auch Front machen. Die gesammte Bevölkerung legt Mere darauf, daß die Briefe {nell und richtig befördert werden; wen. Herren darauf keinen Werth legen, so machen wir eben Jhnen ge s über und, um weitere Kreise niht zu s{ädigen, zur Zeit einen Vers mit den Ueberseßungsstellen. Uebrigens, etatsrechtlih habe ih nicht Aa besondere Beamte für diesen Dienst; er wird nur neben dem Laufes Dienst versehen. Deshalb müssen die im Ueberseßungsbureay L \häftigten Beamten wechseln. Daraus ergiebt sich naturgemäß, dz eben nicht so s{nell, wie Sie wünschen, sie fich mit der Lösung dies Räthsel befassen. (Sehr gut! und Heiterkeit.) N Weiter meine Herren folhe Angaben, wir bevorzugten die von deutschen Firmen aufgegebenen Briefe, wenn sie polnische Adressen tragen, gegen die von polnischen Firmen aufgegebenen, sind wirkli Ammenmärhen anders kann ih es nit bezeihnen. Wie \olley wir denn an dem Brief erkennen, daß er von einem Deutschen gy gegeben ist? (Lebhafte Zustimmung und Heiterkeit. Zurufe.) f Ja, das ist doch unmöglich. (Zurufe.) Gut, der Herr Vorredrz ruft mir zu, der Name des Absenders stände darauf. Sie babe wirklih eine Anschauung von dem Postdienst, die mit der Wirklichkzit nicht übereinstimmt. Man hat früher geglaubt, ein Postbeamte hâtte Zeit sämmtlihe Postkarten zu lesen. Ueber die Anschauung is man längst hinweggekommen; in den seltensten Fällen wird der Post: beamte im Drange seiner Dienstgeshäfte die Zeit finden, id un etwas Anderes als die Aufschrift der Sendungen zu bekümmern. Glauben die Herren wirklich, daß ih cine solche Instruktion nad dem Absender der Postsendungen zu forschen und demnach zu expedieren herausgeben könnte wie sollte diese nur geheimgehalten werden können bei unseren Tausenden von Beamten?! Jh kann versither mit meiner ganzen Person trete ih dafür ein —, daß weder je cine solche Instruktion herausgegangen ist, noch je herausgehen wird. Jh halte das für eine absolute Unmöglichkeit. : Was die Verseßung polnischer Beamten betrifft, so habe ig hon im vorigen Jahre einem der Herren ganz bestimmt erklärt: id habe nur die Pflicht, wirkliß gute deutshe Reichspostbeamte zu er ziehen, und dazu ist es nothwendig, daß die Herren, die im vosenscen Lande geboren sind, auch mal andere Luft um die Nase und einen Begriff von anderen Verkehrsverhältnissen bekommen, damit sie z1 jeder Stelle und nicht bloß einseitig in den dortigen Verhältnissen u verwenden sind. i Meinen Wunsch habe ih schon gelegentlich der Inter: pellation ausgesprohen er befindet sich in Uebereinstimmun: mit den Bekanntmachungen der Ober - Postdirektionen in Posen und Bromberg —: - schreiben Sie deutsche Adressen. Das ist nach meiner Anficht das Erste, denn dur in erhöhtem Mz eingelieferte Briefe mit polnishen Adressen ers{weren Sie zweifzlgs unseren ganzen Postdienst, und darum müssen Sie diesem Wurid auch entgegenkommen. Ih möchte hierbei noch cins hervorbebe es mag in der Eigenthümlichkeit der Erziehung und der Svrate liegen —: fo viel s{chwierige Adressen, wie wir sie seitens der nischen Bevölkerung bekommen, erhalten wir im gesammten De:

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land nicht. Wenn ausgeführt ist, es wären auch Briefe, wo der be treffende niht unbekannte Ortsname bloß zu überseßen gewesen wäre von den Ueberseßungsstellen als unbekannt zurückgelangt kann ich darauf nur erwidern, meine Herren, aud datife Aufschriften sind zuweilen nit leiht zu entziffern. Aus diesem boben

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Hause sind mir {hon Briefe zugegangen, wo wir im Zweifel waren, ob es ein R oder B war, wenn die Buchstaben in lateinischer Sä&rifi geschrieben waren. Solche Fälle kommen überall vor, die wetden jeßt natürlih zusammengetragen.

Jch meine, die gesammte Bevölkerung unseres Vaterlandes ein vitales Interesse daran, daß der Postdienst auf das Erafkteste geführt werde. Dazu ist es nötbig, daß jeder Einzelne sein k Scherflein beitrage und niht unnütze Ershwerungen hervorrufe haftes Bravo.)

Abg. Dr. Müller-Sagan: Welche Stellung hat der Bundes rath eingenommen gegenüber der Resolution des Reichstages, no i diesem Jahre auf dem Wege des Nachtrags-Etats eine Erböbung det Anfangsgehalts für Post-Assistenten vorzunehmen ? Im Bezirk Fran furt scheint nach einer Verfügung das Bestreben zu herrschen, Ge bilfen aus dem einen Bezirk zu gewinnen. Man hat auf die Schulen einzuwirken gesucht und sogar auf Damen zurückgreifen wollen. Wie verhält fih der Staatsfekretär zu dem großen Vermögenêverluste, die einzelne, unter amtlicher Aufficht stehende Post -Spar- und Vor vereine erlitten haben? Kein Waarenhaus hat solche Verluste geda wie diese Vereine.

Staatssekretär des Reichs-Postamts von Podbielski:

Ih möchte auf die einzelnen Anfragen der Reihenfolge na eingehen.

Zunächst hat die Resolution, die seitens der Budgetkommi\nor vorgelegt war, und vom hohen Hause bereits bei der zweiten Le!uxs glaube ih, angenommen worden ist, dem Herrn Reichskanz2 die Veranlassung gegeben zu erklären - und zwar im u blickd auf die Wirkungen, die die Resolution auch auf #ÆX sämmtlichen Reichs-Etats ausübt denn auch in and Reichs-Etats finden \sich Beamtenklassen, die in gleicher Weie ihren Gehaltsabstufungen bedacht sind, wie die Assistenten der Reitck Postverwaltung —, daß in dem nächstjährigen Etat diese Aufbesseruns der Gehälter der Assistentenklassen eingestellt werden soll. Dam® meine Herren, ist, glaube ih, diese für alle Theile nicht gerade s angenehme Erörterung aus der Welt geschafft.

..

(Sch{luß in der Zweiten Beilage.)

en, meine Ung zu er,

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

M 70.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Was! weiter die Frage des Uebershusses der Bemten anbelangt, so glaube ih, vergißt der Herr Vorredner, daß es sich da um Beamte handelt, die wir wie ih des öfteren Gelegenheit gehabt habe in der Budgetkommission auszuführen im Anfang der neunziger Jahre in Ueberfluß angenommen haben, die uns jeßt auch die Sqwierigkeit bereiten, daß der Diäten-Etat länger dauert, als ih es für wünschenswerth und richtig halte. Das ist der Ueberschuß, mit dem ih noch, wie der Herr Vorredner mir wohl zugeben wird, auf Jahre hinaus zu rechnen habe, und zwar nicht allein in-der mittleren, sondern im Besonderen auch in der höberen Laufbahn. Meiner An- sicht nah sind die Anstellungsverhältnisse der Herren in der höheren Laufbahn noch wesentlich \{lechter als diejenigen in der Assistenten- laufbahn. Wenn jeßt wieder Gehilfen angenommen werden, fo ge- schieht das für die mittlere Laufbahn, und ih habe den Wunsch, daß die Gehilfen den Bezirken der einzelnen Ober - Postdirektionen selbst entnommen werden. Wenn die jungen Beamten in den ersten Jahren noch im Zusammenhang mit ihren Familien, mit ihren örtlihen Verhältnissen bleiben, fo halte ih das für ihre, wenn ih fo sagen foll, ordnungsmäßige Entwickelung für besser, als wenn sie aus dem Osten als junge Menschen von 17, 18 Jahren beispielsweise nah dem Rhein gehen müßten. Daher auch der Wunsch der Ober-Postdirektion, daß die betreffenden Aemter sich Mühe geben sollen, aus den Bezirken selbs junge Männer zu er- mitteln, die bereit find, als Gehilfen einzutreten.

Was die Verwendung weiblichen Personals anbelangt, so handelt es sich, abgesehen von den Fernsprehämtern, lediglih um die Schreib- hilfen bei den Aemtern dritter Klasse. Darüber hinaus sind keine Verfügungen ergangen.

Die Verluste bei den Post - Sparvereinen betreffend, gebe

h dem Herrn Vorredner zu: der krasseste Fall ist der in Minden, der mir auch Veranlassung gegeben hat, ein- ushreiten. Die Sparvereine werden bezirksweise verwaltet uwd bier im Reichs-Postamt findet nur alljährlich eine Kontrole duüber statt, in welher Weise die Gelder angelegt sind. Nicht nur hm Post-Sparverein in Minden hat sih übrigens ein Verlust herausgestellt, sondern wohl auch in weiteren Kreisen bei anderen Sharbereinen 2œ., die in Staats- und anderen Fonds ihre Gelder angelegt haben, sind dur die Kursrückgänge, die, wie ih glaube, wir ale zu beklagen gehabt haben (Heiterkeit), Verluste eingetreten. Auf der anderen Seite kann ih den Herrn Vorredner nur darauf hinweisen, daß \{chon jeßt dur das Anziehen der Kurse án ganz wesentlicher Theil dieser Verluste wieder eingebraht worden i, Ich habe in der Budgetkommission es auch schon ausgeführt: es handelt \sich meiner Ansicht nah bei der großen Summe von Verlusten im gesammten Reih bei der Postverwal- tung nur um einen verhältnißmäßig klcinen Bruchtheil. Die Post-Sparvereine hatten in diesen sogenannten Spielhagen-Papieren, deren Rückgang hauptsächlich in Frage kommt, nur eine Kleinigkeit von ca. 250 000 Æ angelegt; sie sind also noch glimpflih weg- gekommen. In einzelnen Bezirken ist das Unglück geschehen; es wird dafür gesorgt werden, daß der Schaden nicht erheblicher, vielmehr nah Kräften wieder eingebracht wird. Sie wissen ja, wenn derartiges sich ereignet, fordern die ängstlichen Gemüther ihre Kapitalien zurück; diesen müssen ihre Gelder voll ausgezahlt werden, nur die übrigen bleiben in der shwierigen Lage. Ich hoffe, daß diese Verluste in wenigen Jahren iberwunden sein werden. Aehnliches ist au in früheren Jahren innal vorgekommen ; die Post-Sparvèreine befinden \sih eben in der ge der übrigen Sparvereine und haben naturgemäß mehr oder tinder unter den Kursrückgängen zu leiden.

Was nun die Ausführung anlangt, daß meine hier gegebene Erklärung îber die Behandlung der Unterbeamten nicht überall sogleich befolgt worden ist, so halte ih es ja für mögli, daß irgend ein fkindisher junger Herr so etwas thut. Der Herr Vorredner hat von jungen Eleven speziell gesprohen. Wir haben nur noch Eleven von über vier Dienst- jahren, seit 1898 sind keine mehr angenommen worden. So ganz jung sind diese Herren also niht mehr. Jh kann aber weiter dem Herrn Ab- geordneten die Versicherung geben, daß ih mich im gleichen Sinne in einer Verfügung an sämmtliche Ober-Postdirektionen ausgesprochen habe, und ich erwarte, daß das, was ih darin eröffnet habe, bestimmt und voll zur Durchführung kommt. Sollte sich in der ersten Zeit einmal tine Unebenheit zeigen, sie vershwindet; denn es ist mein Wille, daß jeder Beamte so, wie es ihm zukommt, von seinen Vorgeseßten und Nitarbeitern behandelt werde.

. Abg. Werner (Reformy.): Es wird darüber geklagt, daß das rad elegraphenamt in Berlin England in der Abfertigung der tlegramme ungebührlih bevorzugt. Die Depeschen der Kausleute werden zurückgeseßzt. Auch die „Wolff'shen" Telegramme werden ganz vieührlich bevorzugt, obwohl andere Depeschen mitunter viel wvidtiger sind. Man hat mir auch den Wunsch nahegelegt, für die amten das Rauchverbot aufzuheben. Es kann nichts schaden, wenn tin Beamter in späten Abendstunden sich eine Zigarre anzündet. Für de Post-Assistenten sollte der Urlaub einheitlih geregelt werden. Belfach wird der Urlaub verweigert, wenn keine Stellvertretung vor zmnden ist. Beschwerden wegen unpassender Behandlung der Unter amten sind au mir zugegangen; ih halte aber die Sache mit den tärungen des Staatssekretärs in der zweiten Lesung, wonach eine aliprehende Verfügung in Aussicht gestellt wurde, für erledigt.

Staatssekretär des Reichs-Postamts von Podbielski: Meine Herren! I halte mih für verpflichtet, hier dem hohen

Pause Kenntniß zu geben von den Verhältnissen unseres Depeschen- verkehrs mit England, weil sonst vielleiht irrige Auffassungen Play Ieifen könnten. Zunächst handelt es ih nicht um die Telegraphen nen, auf denen der sogenannte Gegenspre(hbetried mit Hughes Wparaten stattfindet; da wird naturgemäß das Depeschenmaterial auf

n Seiten, wie es kommt, verarbeitet und erleidet keine Ver

g. Anders liegt es bei denjenigen Leitungen, die nur einseltig bir i werden, wo man nur von der elnen Stelle nah der andern

Berlin, Freitag, den 22. März

Es hatte sich nun herausgestellt, daß aus England mehr Depeschen nach Deutschland gingen als umgekehrt. Die ersteren kamen daher mit großer Verzögerung hier an. Infolge dessen habe ih den Ver- tretern des Handelsstandes in der leßten Konferenz im Neichs-Postamt im vergangenen Monat die Frage vorgelegt: was sollen wir thun, um einigermaßen gleihe Betriebsverhältnisse zu schaffen. Die Ver-

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treter waren der Ansibt, man folle den Versuh mahen alfo um eine dauernde Einführung handelt es sich vorläufig niht —, un- gleiche Serien einzuführen, also dem Engländer versuchsweise einen größeren Zeitraum zur Beförderung seiner Korrespondenz gewähren, . als dem Deutschen. Es handelt sich also nicht um eine Benach- theiligung des Verkehrs von Deutschland nah England, fondern es lag gerade im Interesse weiterer deutscher Kreise und dafür sprechen auch die von uns angestellten Beobachtungen —, daß dieselben die englishen Depeschen schneller als bisher erhalten, weil sie ihrer bedurften. Wenn der Herr Vorredner mihch nächstes Jahr fragen wird, wie die Versuche ausgefallen sind, so werde ih ihm gern darüber Auskunft geben. Es kann ja sein, daß ein Einzelner fommt, dem die jeßige, versuhsweise eingeführte Regelung nit paßt; aber ih glaube, - es entspriht dieses Vor- gehen den allgemeinen Bedürfnissen des deutshen Handels. Was weiter die Frage des Urlaubs anlangt, so kann ich dem Herrn versichern, daß au unser Streben dahin geht, den Urlaub zu erweitern, weil wir die gute Erfahrung gemacht haben, daß die Beamten, die eines Urlaubs theilhaftig geworden sind, wieder frischer an die Arbeit gehen, als wenn sie das ganze Jahr angespannt im Dienst sind.

In der Angelegenheit des Rauchverbots endlich wird mir der Herr Abgeordnete wohl zugeben, daß, wenn er mich zu Hause aufsuht - ih bin zwar ein leidenschaftlicher Raucher —, er doch von mir erwartet, daß ih ihm nicht mit der Zigarre entgegentrete. (Sehr gut!) Das is auch etwas, was für Beamte nothwendig ist. Zudem giebt es ja auch Nichtraucher (schr gut!), denen es unangenehm ist, wenn man ihnen den Rauh ins Gesicht bläst. Jch glaube daher, diesem seinem Wunsche kaun ih nicht nachgeben.

Abg. Sieg (nl.): Die Erklärung des Staatssekretärs in der zweiten Lesung in der Adressenfrage hat in allen deutschen Kreisen Posens und Westpreußens den übelsten Eindruk gemacht. Die meisten polnischen Briefschreiber kennen die deutshen Namen der Orte. Kein Deutscher dort sicht ein, warum nicht gerade im Interesse der Erleichte- rung des Postdienstes die deutsche Bezeichnung gebraucht werden foll. Ich begreife in diesen Punkten die Herren Polen nicht. Ich danke dem Herrn Staatssekretär, daß er sih heute in so energischer Weije gegen die polnische Aspiration ausgesprochen hat, und hoffe auch, daß die beiden Uebersetzungsstellen bald wieder ausgehoben werden. Für die Versetzung der polnischen Beamten bin ih ebenfalls dankbar, denn wir brauchen gerade in den polnischen Provinzen erstklassiges Beamten- material. Wir wollen Frieden mit den Polen auf der ganzen Linie ; aber dieses ist niht der Weg zum Frieden. 4

Abg. von Glebocki tritt dem Vorredner und dem Staats- sekretär entgegen. Der Sinn seines Erlasses vom 1. Februar stehe mit der heutigen Verlautbarung des leßteren in einem bedauerlichen Gegensazg. Was seit hundert Jahren stets und immet verstanden worden sei, auch wenn es auf polnischen Adressen gestanden habe, könne doch nicht plößlich für die Verwaltung zu einem Näthsel geworden sein.

Abg. von Czarlinski (Pole) ließt sich den Ausführungen des Vorredners an. i

Bei dem Etat für die Verwaltung der Reichseisen- bahnen protestiert der j ; A

Abg. Schlumberger (nl.) gegen die Bezeihnung als „frei- williger Negierungskommissar“, die ihm von der Opposition beigelegt worden sei. Er habe auch die Löhne der Eisenbahnbeamten nicht absolut für zu hoch erklärt. 5 E E :

Abg. Segitz (Soz.): Wenn Herr Schlumberger ih durch die erwähnte Bezeichnung verletzt fühlt, bin ih gern bereit, sie in Zukunft niht mehr auf ihn anzuwenden. Sachlih hat Herr Schlumberger nihts von den gegen die Reichs-Eisenbahnverwaltung gerichteten Bor- würfen entkräftet. Redner bringt eine weitere Reihe von Klagen und Beschwerden über unzulänglihe Bezahlung und Ueberbürdung der Reihs-Eisenbahnbeamten vor. Dazu, folhen Thatsachen gegenüber die gezahlten Löhne für auskömmlich ju erklären, Sbre ein besonderer Muth. Der ag Schlumberger lege einen zu großen Nachdruck auf die in den Reichslanden bestehenden Wohlthätigkeitseinrichtungen. Aus dem Buche Herkner's über „Die elsässishe Baumwollenindustrie" werde wohl der Abg. Schlumberger wissen, wie hoh man den Werth folher Einrichtungen zu veran- {lagen habe; in der Hauptsache kämen sie niht den Arbeitern, fondern den Fabrikanten zu gute und würden aus deren eigenem woblverstandenen Interesse ins Leben gerufen. Der Arbeiter müße so bezahlt werden, daß er ohne solche Wohlthätigkeit auskommen könne.

An den fortdauernden Ausgaben für Unterhaltung und

Papier nicht umsonst. Nicht nur die Zeitungsverleger, Jen auch die Papierbearbeitungs - Industrie sei für eine Herabsezung des Papierzolles eingetreten. Würde man den Zoll f erhöhen, so würde das Ausland mit Repressalien kommen zum Schaden der deutschen ervortierenden Papierbearbeitungs-Industrie. Der erhöhte Zoll würde ein Hemmniß für die ganze Kultur sein. Gerade die deutschen Zeitungen würden am meisten betroffen, die hon durch den Posttarif erheblich getroffen seien. Im Auslande könne man deutsches Papier billiger kaufen, als im Jnlande. Die Folge würde sein, daß einzelne Papterbearbeitungs-Fabriken ihren Betrieb ins Ausland verlegten. Der Bohr für Druckpapier müsse unbedingt aufgehoben werden.

Abg. Dasba ch (Zentr.) tritt ebenfalls für Aufhebung bezw. Herabminderung des Zolles im Interesse der deutschen Zeitungs- leser ein.

Bei dem Etat für das Bankwesen sucht der

Abg. Dr. Arendt (Np.) nahzuweisen, daß das Reich dur den neuen Vertrag mit der Neichsbank geshädigt werde. Das Kapital der Reichsbank müsse noch erhöht werden, wenn der Reservefonds nicht ungemessen steigen solle. Die Goldbestände der Reichsbank seien nie

so niedrig, der Durchschnittsdiskont nie so hoh gewesen wie in diesem Jahre. Man gebe einer Periode des sinkenden Zinsfußes entgegen und dabe erbeblihe Verbilligungen des Bankdiskonts zu erwarten. Darum möge der Scaßsekretär die nächste Ae möglichst niedrig ge- stattn; denn im Laufe der nächsten Jahre scien erheblih günstigere Bedi z zarten.

De ident des Reichöbank-Direktoriums Dr. Koch tritt den Aus- führungen des Abg. Dr. Arendt in einer Rede entgegen, die morgen im Wortlaut nacgetragen werden wird.

Die Berathung des Etatsgesecßes wird mit dem Ge- seßentwurf wegen Verwendung Ia nS Neichseinnahmen aus dem Rechnungsjahre 1901 zur Schuldentilgung verbunden. Durch den F 2 des Etatsgeseßes wird der Reichskanzler ermächtigt, zur Bestreitung einmaliger außerordentliher Ausgaben die Summe von 203 960 930 im Wege des Kredits flüssig zu machen, soweit dieser Betrag nicht aus Ueberschüssen des Rehnungs- jahres 1901 im eigenen Haushalt des Reichs bestritteu werden kann.

Die Abgg. von Staudy (d. kons.) und Müller-Fulda (Zentr.) beantragen, die Worte: „Soweit dieser Betrag bestritten werden kann“ zu streichen.

Abg. Müller -Fulda beantragt außerdem zum Schulden- tilgungsgeseße : „Die im Rechnungsjahr 1901 im eigenen Haushalt des Neichs si ergebenden Ueberschüsse sind ebenfalls zur Verminderung der NReichsschuld zu verwenden“.

Staatssekretär des Reichs - Shaßamts Freiherr von Thielmann:

Meine Herren! Was der Herr Abg. Müller (Fulda) eben zu seinem Antrage auf Nr. 212 der Drucksagchen, wonach der in zweiter Lesung beschlossene Zusaß zum § 2 wieder fortfallen foll, gesagt hat, fann ih, soweit es das Verhältniß der Reichs-Finanzverwaltung zur Reichs-Schuldenverwaltung betrifft, nur bestätigen. Die Reichs- Sculdenverwaltung ist eine in vielen Beziehungen vollständig selbst- ständige Behörde, gewissermaßen ein Ober-Tribunal, dessen Ent- scheidungen niht angefochten werden können. Das preußische Gesetz von 1850, auf welches die Reichs-Schuldenordnung vom 19. März 1900 Bezug nimmt, giebt der preußishen Staats-Schuldenver waltung, welhe für das Reich als MNeichs-Schuldenverwaltung fungiert, eine selbständige Stellung, welche der oberen Leitung des Finanz-Ministers nur insofern unterliegt, als dies mit der ihr nach L 6 des Gesetzes von 1850 beigelegten Unabhängigkeit vereinbar ift.

Im Reiche liegt die Sache ebenso. Die Neichs-Finanzverwaltung kann der Reihs-Schuldenverwaltung nicht vorschreiben, wie fie einen Gesetesparagraphen auslegen soll. Wenn die Reichs-Schulden verwaltung den Zusatz, den das hohe Haus in zweiter Lesung be {lossen hat, und welcher lautet: Der Herr Reichskanzler wird ermächtigt, einen gewissen Betrag von Anleihen aufzunehmen,

soweit dieser Betrag nicht aus Ueberschüssen des Rechnungsjahres 1901 im cigenen Haushalt des Reichs bestritten werden kann,

wenn also die Reichs - Schuldenverwaltung, wie geschehen, diesen Zusatz fo auslegt, daß sie niht im stande sein würde, auf Grund einer in obiger Weise beschränkten Kreditbewilligung vor dem Rechnungs- abs{luß für 1901 Schuldverschreibungen des Reichs in irgend welchem Betrage auszufertigen, so muß \sih die Reichs-Finanzverwaltung dabei bescheiden und kann keinen Widerspruch erheben. Aus diesem Grunde meine Herren, bitte ich Sie, dem Antrag der Herren von Staudv und Müller (Fulda) auf Nr. 212 der Drucksahen Ihre Zu stimmung zu geben, und dadurch die Reichs - Finanzverwaltung

15 Monate

Ergänzung der Ausstattungsgegenstände, sowie für Beschaffung von Betriebsmaterialien sind in zweiter Lejung von den ge forderten 9 176 000 M eine halbe Million gestrihen worden. Abg. A ugst (d. Volksp.) kommt bei diesem Titel auf die Art des Kohlenbezugs der Eisenbahnverwaltung zurück. | Beim Etat der Zölle und Verbrauchssteuern (Titel 1, „Zölle“) bestreitet der i s Abg. Horn - Goslar (ul.) dem Abg. Richter gegenier, daß eine Steigerung der Papierpreife in dem behaupteten Umfang eingetreten sei, und nimmt das Papiersyndikat in Schutz. Die Aufhebung des Zolles würde die deutshe Jundustrie für Druckpapier auf dem Welt- markt konkurrenzunfähig und viele Arbeiter brotlos machen. Der Abg. Nichter habe wieder einmal das Juteresse des Auslandes vertreten. Abg. Nich ter (fr. Volksp.) legt dagegen Verwahrung i: Ex habe im Interesse der deutshen Papierverbraucher gesprohen. Er müsse die Verdächtigung zucückweisen, als ob jemand, der deutsche JFnteressen vertrete, die sih mit denen des Auslandes deten, für das Ausland eintrete. Es gebe doch eine Grenze auch für den Schutzzoll, wo er Vprohibitiv wirke. Die Herren sprächen sogar von Verrath, weil er, Redner, dic Preistreiberei der * apierfabriken gegeißelt babe. Die Erhöhung der Papierpreise habe sich genau |o_voll zogen, wie er in der zweiten Lesung behauptet habe, nämlich um 35 bis 509%. Die großen Zeitungen hätten einen geringen Rabatt; unter 27 Æ# sei kein Druckpapier zu bekommen, einzelne Fabriken zablten 129/69 Dividende. Gerade die Rentabilität des Vor- jahres werde in den Fachzeitungen gepriesen. Die Holzstoffpreije, auf die man si beziehe, hätten nur ausnahmsweise die normale Höbe überstiegen. Allerdings sei das Papier seit 30 Jahren billiger geworden, aber nur, weil cs niht mehr aus Lumpen, sondern aus Holzstoff ber- gestellt werde. Jn demselben Verhältnisse seien aber auch die Zei- tungen billiger geworden. Daß die Amerikaner die deutsche Industrie

lelegraphieren kann; nur um diese handelt es ich.

ruinieren würden, sci eine Phantasie; die Amerikaner lieferten

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zu wirtbschaften, ohne die in diesem Etatsgeseß ihr zur gestellten Kredite benutzen zu können.

Wenn dagegen die Bestimmung, welche würde, in das Schuldentilgungsgeseß wieder aufgenommer babe ich noch auf einige andere verfassungsreckcht

| merksam zu maden. Art. 70 der Reichsverfafsun

allen anwesenden Herren bekannt ist, handelt der Vorjahre. Eine dreißigjährige Praxis Sinn untergelegt, der seitdem in allen funden hat, daß die Uebershüfe Etat nah ihrer Feststellung, das folgenden Jahres, vorweg als entlasten dadurch indirekt die Bunt an neuen Einnahmen cin geringerer Matrikularbeiträge fh verringert

Meine Herren, es wird deute dr Delefoen 2 legung des Art. 70, wie id dermatde, mannes heitritten Ih möttc Ihnen sagen, dai im IntrerSe der Bunrdeäaaden, auch im Interesse des DeutiSen Neis am dicder dard derg Jahre beroährten Autlegung taehelten M. Die Bundetitaritor haben si bercits derd d Suden da: lox Leder, cit ciner Nee vem Jabren Felder Metorrtzäge zus den Ucderweiiungtoaorre ortänkert zurn Briten comer Spe Sdwder tilgung. Ader c wäirde den Hawbdalt der einzelnen Bumdeitaeüure

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