1901 / 70 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 22 Mar 1901 18:00:01 GMT) scan diff

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näâthste Jahr bieten, entbehren follen, und ih. bitte Sieëkßdeshalb, während Sie den Antrag der Herren Abgg. von Staudy und Müller (Fulda) zu § 2 des Etatsgesezes annehmen, doh nicht den Inhalt des Zusatzes, der hier gestrichen werden soll, in das Schuldentilgungs8- geseß aufzunchmen und somit dem Antrage auf Nr. 216 der Druck- sachon Ihre Zustimmung nicht zu geben.

Königlich bayerischer Bevollmächtigter zum Bundesrath, Staats- rath ter: ten: von Stengel erhebt vom Standpunkt seiner Regierung und der Neichsverfassung Bedenken gegen die beabsichtigte Art der Schuldentilgung. Die Einzelstaaten würden gerade für 1901 in Bezug auf die Höhe der Ueberweisungssteuern eine große Enttäuschung er- fahren. Das sei höchst bedenklih. In der leßten Stunde, wo die Koffer schon gepackt daständen, sollte der Reichstag fi überlegen, ob b ibtige folhen Beschluß fassen solle, wie es der Antrag Müller

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Abg. Dr. Sattler (nl.) bestreitet, daß die Sache übereilt werde, da sie hon am Sonnabend verhandelt worden sei. Man könnte vielleicht den Anleihekredit theilen und den Chinabetrag unabhängig stellen. Das würde aber in diesem Stadium der Berathung schwierig sein; und darum sei mit Freuden zu begrüßen, daß der Abg. Müller- Fulda den früheren Antrag des Abg. Nichter in das Schulden- tilgungsgesey zu schreiben beantrage. er Schaßsekretär scheine die verfassungsmäßigen Bedenken des bayerischen Vertreters nicht zu theilen. Lediglih mit Nücksiht auf die Einzelstaaten fei man dazu übergegangen, einen Theil der Reichsausgaben niht durch Matrikularbeiträge, sondern dur Anleihen zu decken. - Niemand könne auch den Reichstag hindern, so und soviel Millionen aus den An- leibedeckungsfkosten herauszunehmen und auf die Matrikularbeiträge zu schieben. Bayern habe am wenigsten Grund, sich zu beklagen, denn die bayerische ei sei eine Staatsverwaltung und habe nicht die Nachtheile, welche die preußishe Verwaltung infolge der Cisen- bahnbeförderung der Neichsvost habe. Bayern zahle auch die Matrifkfularbeiträge nachträglich.

Staatssekretär des Reichs - Schaßamts Freiherr von Thielmann:

Meine Herren! Der Herr Abg. Dr. Sattler hat einen Wider- spruch - gefunden zwischen dem, was ih gesagt habe, und dem, was der Königlich bayerishe Herr Bevollmächtigte gesagt hat, insofern als er meinte, ich hätte nur die rein praktische Seite, nämlich das Benehmen mit der Neichs-Schuldenverwaltung hervor- gekehrt, nicht aber von verfassungsrechtlichen Bedenken gesprochen, während der bayerische Herr Vertreter gerade die verfassungsrechtlichen Bedenken hervorgelehrt hätte. Wenn der Herr Dr. Sattler sih das Stenogramm meiner Rede ansieht, so wird er finden, daß ih aus- drücklich gebeten habe, bei derjenigen Auslegung des Art. 70 zu bleiben, welche sich in ciner Praxis von mehr als einem Vierteljahr- hundert herausgebildet hat, und wonach Ueberschüsse auf das übernächste Fahr als Einnahme wieder vorgetragen werden. Es besteht nicht der ge-

ringste Zwiespalt zwischen meiner Ausführung und der Ausführung des Herrn Freiherrn von Stengel, mit der rein zufälligen Auénahme, daß Herr von Stengel unsere gemeinsame Auschauung näher aus- geführt und dur eine Neihe von Beispielen erläutert hat.

Ferner möchte ih einen Jrrthum berichtigen, der dem Herrn Vorredner untergelaufen ist. Das bayerische Postreservatrecht ist kein Reservatrecht, welches das Neich chädigt (Zuruf bei den Nationalliberalen), oder welches die übrigen Bundesstaaten s{ädigt. Wenn die Neichs- post ihre Postwagen auf den Eisenbahnen im Reichspostgebiet ver- kehren läßt, ohne etwas dafür zu zahlen, fo ist für die bayerische Post das Gleiche in Bayern auf dessen Staatébahnen der Fall. Die Neichs- postwagen verkehren gratis auf den Eisenbahnen der deutschen Bundesstaaten in Norddeutschland, Baden und dem Reichslande, die bayerischen Postwagen verkehren auf den Linien der bayerischen Staats8- eisenbahn. Also kein Theil wird geschädigt.

Was aber die bayerischen Matrikularbeiträge anbetrifft, so wird durch die verschiedene Art der Verrechnung dieser Meatrifularbeiträge das Reich ebensowenig geschädigt. Es ist richtig, daß die übrigen Bundesstaaten die Matrikularbeiträge zum theil pränumerando zahlen; mit Bayern wird vierteljährlih abgerehnet. Aber andererseits trägt au Bayern innerhalb des Vierteljahrs seine Militärkosten, sodaß thatsählih das Verhältniß Bayerns, was die Zahlung und Verrechnung der Matrikularbeiträge anbetrifft, dem Reiche gegen- über ungefähr dasselbe ist wie das der übrigen Bundesstaaten.

Sqließlih möchte ih noch ein kurzes Wort einlegen für die Reichs - Schuldenverwaltung. Falls in den Worten des Herrn Dr. Sattler über das streng formalistishe Verfahren der Reichs- Schuldenverwaltung ein Vorwurf liegen follte, so möchte ich die NReichs-Sculdenverwaltung in Schuß nehmen. Eine Behörde, welcher so wichtige Fragen anvertraut sind, wie die Fragen des Neichsschulden- wesens mit seinen bgld drei Milliarden, muß sich so streng wie mög- lih an die Geseye nd an die gewissenhafte Auslegung der Gesetze halten. (Sebr richtig! rechts.) Jch glaube deshalb nicht, daß Herr Dr. Sattler mit dem Worte „formalistish“ dieser Verwaltung einen Vorwurf hat machen wollen. Wie verwidckelt diese Materien sind, ersehen Sie gerade aus dem von Herrn Dr. Saitler angeführten Bei- spiel der Jahre 1869 und 1870, wo der preußische Finanz-Minister, die preußishe Staatsschulden-Verwaltung, die Staatsschulden-Kom- mission und das Abgeordnetenhaus in einer und derselben Sache zum tbeil sehr verschiedener Meinung gewesen sind. Also, einfach sind die Sachen nicht, und die Neichs-Schuldenverwaltung hat nichts als ihre Pflicht gethan, wenn sie den Antrag des Herrn Abg. Richter, wie er in der zweiten Lesung hier angenommen is, von ihrem Standpunkte aus auf das shärfste überlegte, durhdahte und be- leuchtete.

An der weiteren Debatte betheiligen sich noch die Abgg. von Kardorff, Richter und Dr. Sattler. i

Staatssekretär des Jnnern, Staats-Minisier Dr. Graf von Posadowsky-Wehner:

Meine Herren! Ich bedauere, daß ih Sie in dieser späten Stunde noch aufhalten muß. Die vorliezgeade Frage ist uns aber vom staatsrechtlihen Standpunkt von solher Wichtigkeit, daß ih mich für verpflichtet halte, noch einige andere Gesihtspunkte zur Sache geltend zu machen. Wenn sich die Herren gütigst der Verhältnisse des Jahres 1896 erinnern, wo ih die Ehre hatte, die Neichs- Schatz- verwaltung zu führen, so hatten sih in den früheren Jahren die Einzelstaaten im Besiy reicher Uebershüsse befunden, und man war in diesem hohen Hause der Ansicht uud auch \{ließzlich in- mitten der verbündeten Regierungen, daß es eine bedenkliche Finanzgebahrung sei, fortgeseßt neue Schuldea einzugehen und gleichzeitig so große Uebershüsse den Einzelstaaten zu überweisen. Man erkannte an, daß es ein falshes System der Finanzverwaltung sei, aus Schulden Ueberschüsse zu bezahlen, denn thatsächlih

war die Finanzlage eine derartige, daß, wenn man fortgeseßt neue |

Schulden kontrahierte und Uebershüsse zahlte, man aus seinen

Schulden die Ueberschüsse bezahlte. Diese Erwägungen * führten inmittén des hohen Hauses zu einem Antrag, der meines Erinnerns damals von dem Herrn Abg. Dr. Lieber unterstügt worden ift, dahin gehend, den Theil der Ueberweisungen, der über die Matrikular- beiträge hinaus den - verbündeten Regierungen zufloß, zur Ab- schreibung von den Schulden zu verwenden. Nach recht lebhaften Auseinandersezungen au unter den verbündeten Regierungen erklärten ih die leßteren \{ließlich dazu bereit, auf ihre bis- herigen Ueberschüsse zu verzihten, unter der Voraussetzung aber, daß die ihnen aufzulegenden Matrikularbeiträge nicht böber sein sollten als die ihnen zufließénden Ueberweisungen. Und sie ‘begründeten diesen Anspruch mit der meines Erachtens durchaus berechtigten Forderung, daß, wenn sie auf ihre bisherigen Uebershüfse verzichteten, sie au bis zu einem gewissen Grade gegen das Risiko gesichert sein müßten, höhere Matrikularbeiträge in Zukunft zu zahlen, für die sie nicht Deckung vom Reiche empfingen, und ferner damit, daß cine geordnete Finanzgebahrung in den Einzelstaaten nicht möglich wäre, wenn die Einzelstaaten niemals voraussehen könnten, welche Lasten ihnen dur den Reichs-Etat in Zukunft auferlegt würden.

Entsprechend dieser Auffassung der verbündeten Regierungen ist damals unter Jhrer Zustimmung der § ®2 jenes Schema8, was seit dem Jahre 1896 für die Abschreibung der Schulden vertvendet ist, dahin gefaßt:

„Uebersteigen im Rechnungsjahre 1903"

ich will hier das leßte Schema vorlesen „die Matrikularbeiträge das Etatsfoll der Ueberweisungen für die gleiche Periode um mehr als den Betrag der für das Nechnungs- jahr 1901 über die Matrikularbeiträge hinaus erfolgenden Ueber- weisungen, so bleibt der Mehrbetrag insoweit unerhoben, als auf Grund des § 1 Mittel zur Schuldentilgung verfügbar ge- worden find.“ Aus dieser Fassung, meine Herren, ergiebt sih doch ganz flar, daß die Shuldentilgung nicht eintreten sollte, insoweit die Matrik ula r- beiträge höher sind als der Betrag der Ueberweisungen. Was will jeßt der Antrag Müller-Fulda? Nachdem die verbündeten Negierungen ihrerseits und zwar freiwillig sie hätten ja dem Gesetz die Zustimmung nicht zu ertheilen brauhen auf die großen Ueber- schüsse, die sie früher zu ihren Landeszwecken verwenden konnten, ver- zihtet haben zum Besten der Verminderung der Neichs\chuld, geht jeßt der Antrag Müller-Fulda von der Ansicht aus: «diese Schulden- abscreibung genügt nicht, man muß auch noch die bisherigen rehnungs- mäßigen Uebershüsse aus der eigenen Wirthschaft des Reichs zu einer verstärkten Schuldentilgung verwenden.

Man hat, meine Herren, ein derartiges Bestreben damals inner- halb der verbündeten Regierungen \hon vorausgesehen, und ih habe deshalb in der Sißung vom 23. März 1896 und nach vorheriger Berathung im Schoß der verbündeten Regierungen folgende Er- klärung abgegeben :

„Diese Zustimmung ist aber nur ertheilt unter der aus- drücklihen Vorausseßung, daß mit diesem Geseßentwurf der erste Schritt gethan wird in der organischen Regelung des Finanzverhältnisses zwischen Reich und Einzelstaaten, zu einer Regelung, welche zwar Uebershüsse zur Schuldentilgung ver- wendet, aber gleichzeitig die Einzelregierungen in die Lage verseyt, klare und sichere Voranschläge zu macheu, welche der Steuerkraft des Landes ent- sprechen, mit anderen Worten: Die verbündeten Regierungen haben sich in ihrer Mehrheit diesem Gesehentwurf nur. unter der Vorausfetzung angeschlossen, daß der Hauptgedanke der bisherigen Reichs-Finanzreform, abgesehen von Einzelheiten, zum Ausdruck fommt, daß, soweit Uebershüsse dem Reich aus dem bisherigen Ucberweisungsstaat zufließen, die Einzel- staaten auch die Sicherheit haben gegen wechselnde und wachsende noch größere Zubußen an das Nei ch.“

Meine Herren, wenn Sie den Antrag des Herrn Abg. Müller- Fulda annehwen, ift die Vorausseßung, unter der die Regierung seiner Zeit dem Schuldentilgungsgeseyß ihre Zustimmung ertheilte, hins- fällig geworden und nicht mehr zutreffend.

Nebme i an,- Sie bewilligen den Antrag, und die verbündeten Regierungen können ih nicht ents{ließen, dem Schuldentilgungsgeseß mit diesem Zusaß zuzustimmen, was wird die Folge sein? Wir würden zunächst gar kcine Schuldentilgung mehr haben. Wir würden nicht nur nicht die verstärkte Schuldentilgung haben, die der Antrag Müller-Fulda wünscht, sondern auch uicht die Schuldentilgung, die auf Grund des bisherigen Schuldentilgungsgeseßes stattge- funden hat.

I kann Ihnen versichern: wenn wir heute vor einer orga- nischen Regelung der Finanzverhältnisse zwischen dem Neich und den Einzelstaaten ständen, würde ih den Ausführungen des Herrn Abg. Dr. Sattler und ebenso den Ausführungen des Herrn Abg. Richter beitreten können. Wir steben aber vor einer solchen organischen Regelung nicht, und bis wir sie baben, kann ich nur rathen, den bestehenden Zustand aufrecht zu erhalten, der si, nah meiner eigenen Erfahrung als Schatsekretär, unter dem Namen der lex Lieber im Interesse der Reichsfinanzen ganz außerordentlich bewährt hat; denn es ist da- dur eine Grenze gegeben, taß die Matrikularbeiträge nicht höher bemessen “werden dürfen als die Ueberweisungen, und das kann ih den Herren versichern : es ift eine sehr werthvolle Demarkationslinie gegenüber den wachsenden Forderungen der Nessorts. Wenn Sie den Antrag Müller-Fulda annehmen, if die Konsequenz unzweifelhaft die, daß die Vorauésezungen, unter denen die verbündeten Ne- gierungen im Jahre 1896 jenem Gesezentwurf ihre Zustimmung er- theilt haben, nicht mehr erfüllt werden. Denn wenn Sie den

lebershuß des Jahres 1903 ih sche von den thatsächlichen Verbältnissen ab, aber wenn die Verhältnisse so blieben, wie in den früheren Jahren ; es ist cin Präzedenzfall, um den es sich handelt wenn Sie also diesen Ueberschuß noch neben den Bestimmungen des Schuldentilgungsgeseßes zu wver- stärkten Abschreibungen der Anleihen verwenden wollten, vermindern Sie damit die eigenen Einnahmen des Reichs im Jahre 1903 und damit steigt die Gefahr für die verbündeten Regierungen, daß sie

| vervflichtet sind, Matrikularbeiträge über die Ueberweisungssteuern

hinaus zu zahlen. Jh weiß nicht, ob wir vielleicht dur die Noth der Verbältnisse von selbst dazu kommen werden, ih würde es aber aufs aufrihtigste bedauern; denn das kann ih Ihnen versichern, daß die Verhältnisse, namentlich in den kleineren Staatswesen, die nicht in der Lage sind, neue Ausgaben in der Weise zu vertragen und zu

begleihen wie ein größeres Staatswesen, dadur auf daz hängnißvollste berührt würden.

- Im Interesse der Sache und im Interesse des Zustandekonmey dieses Schuldentilgungsgeseßes untcr Aufrehterhaltung der bigen, Praxis kann ich Sie daher nur bitten, den Antrag Müller-Fuly, /

nicht anzunehmen. (Bravo! rechts.)

Abg. Dr. von Leveßow (d. konf.) äußert ebenfalls verfassu rechtlihe Bedenken gegen den Antrag Müller-Fulda ; die Angelegenbs; müsse mindestens erst in der Kommission verhandelt werden. t

Das Haus beschließt nach dem Antrage von Staudy, Müller-Fulda. laudy:

Das Etatsgeseß und der Etat im Ganzen werden ‘in der Gesammtabstimmung definitiv angenommen.

Das Schuldentilgungsgeseß, die Petitionen und Resolutionen werden avf eine spätere Sißung vertagt. - ;

Der Präsident Graf von Ballestrem schlägt die nähe Sizung für Dienstag, den 16. April, 2 Uhr, mit der Tagesordnung vor: Geseß über die Versorgung der Kriegs: Invaliden und Geseß über das Urheberreht und {ließt kur nah 7 Uhr die Sigzung mit folgenden Worten: j

„Es bleibt nur uo übrig, den verehrten Herren Kollegen eine gute Erholung und ein frohes und glückliches Osterfest zu wünshen und zugleih die Erwartung auszusprechen, daß Sie sich recht zahlreiß am 16. April wieder einfinden.“

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 55. Sißung vom 21. März 1901, 11 Uhr.

Das Haus sezt die Berathung des Berichts der Budgetkommission über die Frage einer Verschärfung de Staatsaufsicht über die Hypothekenbanken und der dazu gestellten, bereits mitgetheilten Anträge der Kommission, der Abgg. Arend r-Labiau (kons.) und Genossen und de Abgg. Goerdeler (freikons.) und Genossen fort.

Abg. Goerdeler: Von einer Feindshaft gegen die Ltd, schaften kann bei mir keine Rede sein. Ich stimme Herrn ven Heydebrand darin bei, daß es ein idealer Zustand wäre, wenn de gesammte Hypothekenkredit für städtishen und ländlichen Grundbesig von gemeinnützigen Anstalten befriedigt werden könnte. Aber wir leben in realen Verhältnissen und müssen mit den gegebenen Um: ständen rechnen. Der städtishe Grundbesiß ist nicht dazu geeignet daß sein Kredit durch gemeinnützige Anstalten befriedigt wird; day ist schon das Risiko zu groß. Meine Freunde stehen uf dem Standpunkt, daß die Hypothekenbanken nothwendig sit. Wir sind gegen den Antrag der Konservativen, weil wir davon eine Beeinträchtigung der Hypothekenbanken befürchten. Die Ausgabe von Inhaberpapteren unterliegt geseßlih der landesherrlichen Ge- nehmigung, der Antrag von Heydebrand greift also in ein Hoheitêräät ein. Wir wünschen aber, daß von dicser Genehmigung nur ein fbr vorsichtiger Gebrau gemacht werden möge, und beantragen deshalb di: Nr. 4 in unserem Antrage. Dem Supolbetenkankaries widerspricht der Antrag nicht. Zur Vermeidung von Irrthümern und Verwec)felungen wünschen wir ferner die genaue Angabe der Firma auf den Shuld- verschreibungen. In Nr. 3 beantragen wir, daß die Obliegenheiken

des Treuhänders nit dem bestellten Staatskommissar übertragen werden. Mit dem Gescß wäre dies zwar vereinbar, wir balten es aber nit für gut. Der Treuhänder ist nichts als tir Organ der Hypothekenbank und hängt mit dieser eng zusamnen. Deshalb ift es niht wünschenswerth, daß ein staatlicher Aufsitté- beamter diese Funktion übernimmt. Auf die Anträge der Kommisfion gehe ih nicht näher ein. Wir tragen aber fein Bedenken, ibnen zuzustimmen. Die guten Hypothekenbanken werden gegen eine s{ârfere Staatsaufsicht nihts einwenden, es ist aber nöthig, das Entstehen neuer ungesunder Hypothekenbanken zu vermeiden. Durch dié An nabme der Anträge Nr. 1 bis 4 würde das Publikum beruhigt werden.

Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer- stein:

Meine Herren! Als die konservative Partei ihren Antrag im Hause eingebracht hatte, wurde mir von einem Mitgliede der fon- servativen Partei der Wunsh zu erkennen gegeben, e moge die Staatsregierung {hon vor der Behandlung des Antrags im Plenum Stellung zu demselben nehmen; es würde das die Verhandlungen im Hause wesentli erleihtern. Jch habe zwar dem Königlichen Staaté Ministerium von dem Antrag Kenntniß gegeben, war aber nit’ in der Lage, beim Staats-Ministerium zu befürworten, daß; {on jeßt Stellung zu dem Antrag genommen werde, einmal aus einem prin zipiellen Grunde. Es ist feststehender Grundsaß der Staatöregierurg daß sie erst dann Stellung zu derartigen Jnitiativanträgen ninimt wenn dieselben zum Beschluß des hohen Hauscs erhoben find. war bei dem vorliegenden Antrage nicht der Fall. Ein {wert wiegender Grund aber war der, daß aus dem Inhalt des Antrag? wobl dessen Ziel, nicht aber der Weg, auf dem das Ziel erreiht werden sollte, flar erkennbar war. Ih habe deshalb geglaubt, daß es geboten !f erst mal die Begründung des Antrags abzuwarten, um vollständi übersehen, welchen Weg der Antrag wandern will, um zu seinem Ziä zu kommen. Danach bin ih nicht in der Lage, namens der König lihen Staatsregierung Erklärungen abzugeben; nur meine persônlid Auffassung vermag ih darzuthun. /

Meine Herren, das Ziel des Antrags ist, wenn ih die Aaträs richtig verstebe und ih glaube, mi in dieser Beziehung Herrn von Heydebrand in vollem Einverständniß zu befinden | folgendes. Man wünscht, daß der Nealkredit sowohl für den ao wirthsc{aftlich benutzten, wie für den städtisch benußten Grunde dur) Einrichtungen befriedigt werde, welhe mchr oder weniger gi öffentlichen Charakter, ähnlih den Landschaften, haben. Meine B wenn wir niht mit gegebenen Verhältnissen zu rechnen bâtten, 23 mit anderen Worten tabula rasa vorlâge, um mich dieses t Worts zu bedienen, so würde ih dem Zielc des Antrags durci sympatbisch gegenüberstehen. Wenn es sih darum handelte, T Einrichtungen zu schaffen, so bin ih perfönlich der Ansicht, S, erwüns{cht wäre, den Realkredit sowohi für den landwirth, benutzten, wie für den städtisch benuyten Grundbesiß durch wt rechtliche Einrichtungen, ähnlich den Landschaften, zu befriedigen. O meine Herren, wir habea nicht tabula rasa ; wir haben die du® , längere Entwickelung gegebenen Verhältnisse zu berüdsihtigen- glaube nicht zu irren, wenn ih sage, daß über 5 Milliarden Pas briefe von Hypothekenbanken im Umlauf find. Mit sol G Verhältnissen is zu rechnen. Und so fkann man F theoretish sich auf den Standpunkt stellen, den der Anh der Herren Konservativen bezweckt, praktisch stehen der Due führung aber, wie ih glaube, unüberwindliche Schwierigkeiten -

egen. s s Meine Herren, ih sagte, daß in wesentlichen Punkten üher 2 Absichten der Antragsteller, namentlich über den Weg, den sie ?

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Ecreihung ihres Zieles betreten wollen, Zweifel bestehen. Der Anirag f pit sich nämlich nit darüber aus, ob er reichs- oder lande8gesetz-

Regelung verfolgt, und er übergeht die Frage der Entschädigung bisher mit dem Privilegium zur Ausgabe von JInhaberpapieren „hien Privatinstitute. Nun, meine Herren, ih werde auf die Be- denken, die in dieser Beziehung, theils in legislativer Beziehung, theils in anderer Beziehung bestehen, später weiter eingehen. Ich will mir iur gestatten, darauf hinzuweisen, daß die Unklarhbeit, die in dem Antrage hinsichtlich des zu betretenden Weges besteht, nah meiner quffassung auch durch die gestrigen Darlegungen des Herrn Abg. von Heydebrand nit flargestellt worden ist. Ich habe nicht entnehmen fönnen, ob Herr von Heydebrand beziehungsweise die Herren Antrag- steller den Weg der Reichsgeseßgebung oder den Weg der Landes-. geseßgebung betreten wollen.

Meine Herren, follte die reichsgeseßliche Regelung beabsichtigt sein, fo bedingt dieselbe eine Aenderung des § 795 B. G.-B., nah dem der einzelne Bundesstaat über die Ausgabe von Inhaberpapieren zu entscheiden hat. Diese Bestimmung entspricht einem lebhaften Wunsch der meisten Einzelstaaten. Ihre Abänderung würde außerordentlich s{wierig sein. Meine Herren, ich will nur darauf hinweisen, daß sämmtliche: süddeutschen Staaten Einrichtungen, wie sie Preußen besißt, zur Befriedigung des Realkredits für landwirthschaftlich benußten Grundbesiß niht haben, daß die Bedürfnisse des Realkredits sowohl tür landwirthschaftlich benußten, wie für städtisch benußten Grund- besiy dort ‘durch Erwerbsgenossenschaften, durch Privatinstitute befriedigt werden, daß man dort mit dieser Einrichtung voll- ständig befriedigt is, Laß ch, wie behauptet wird, Mißstände daraus nicht ergeben haben, daß alfo bei der reichsgeseßlihen Regelung voraussichtlich ein Widerstand der f\üd- deutshen Staaten gegen Aenderungen, welche auf dem Wege der Reichsgesezgebung erstrebt werden follten, zu erwarten ist. Meine Herren, die landesgeseßzlihe Negelung würde nur die preußischen Hypo- thekenbanken treffen; an ihrer Stelle würden fofort die süd- und mitteldeutshen in das Geschäft in Preußen einrüdcken; abgesehen von der unberechtigten Schädigung der preußischen Institute, würde dann nah meiner Auffassung im Sinne der Antragsteller das Ziel nicht erreicht werden.

Meine Herren, was die Entschädigungsfrage anbetrifft, so hat Herr von Heydebrand, wenn ih ibm richtig gefolgt bin, sich gestern zemlih kurs mit der Entschädigungsfrage abgefunden. Er stellte, ohne eingehend diese Ansicht zu begründen, die Behauptung auf, ohne mch meiner Meinung die Richtigkeit dieser Behauptung zu beweisen, daß cin Entschädigungsanspruch nicht bestehe.

Jn der Einleitung zum Allgemeinen Landreht befindet

4 eine Bestimmung, die nach der Auffassung der land- niibschaftlihen Verwaltung darüber keinen Zweifel auffommen läßt, dß, wenn Privilegien ertheilt find, später zurückgezogen oder ein- geibränkt werden, den Besißern diefer Privilegien ein voller Ent- shädigungsanspruch zusteht. Und nun stelle ih die Frage auf die Frage ist meines Erachtens gestern von Herrn von Heydebrand überall nidt berührt —: Falls man das Ziel seines Antrags erreihen will, und falls meine Behauptung richtig is, daß ein Entschädigungs- anspruh besteht, und daß derselbe befriedigt werden muß, wer soll diese Entschädigung zahlen? Daran ist doch nicht zu denken, daß der Staat die Befriedigung der wahrscheinlih einen größeren Umfang an- nehmenden Entschädigungsansprüche übernimmt. Dann bliebe nur der Weg, daß die neuen Kreditinstitute, die an Stelle der jet bestehenden Hypothekenbanken treten sollen, mit diesen Entschädigungsansprüchen belastet würden, was vielleiht von vornherein ihre Exristenzmöglichkeit in Frage stellen würde.

Meine Herren, ich gehe dann über zu einem andern Punkte. Die Thatsache steht fest, daß bereits cin öffentlich rechtlihes Institut zur Befriedigung des \tädtisch benußten Grundbesißes besteht. Eine solche Einrichtung besteht für die Stadt Berlin. Meine Herren, wvibrend der Werth der Hypotheken in der Stadt Berlin \sih son in Jahre 1895 auf 4173 Millionen Mark beziffert, hat dieses Justitut, welches 32 Jahre als öffentlich-rehtlihe Einrichtung besteht, y Ende 1899 nur eine Pfandbriefssumme von 88 Millionen in Um- luf. Trotz einer länger als 32 jährigen Thätigkeit hat das Berliner Fnstitut also nur eine geringe Bedeutung erlangt.

Meine Herren, ih glaube, aus den Darlegungen mit Fug und Necht folgern zu dürfen, daß einem geseßlichen Eingreifen in diese Verhält- nisse sehr große Schwierigkeiten entgegenstehen. Selbstverständlich erachte ih cine rückwirkende Wirkung solber Gesetze als ausgeschlossen. Die Ausgabe von 5 Milliarden Pfandbriefen bliebe danah fortbestehen und würde durch die neue geseylide Regelung unberührt. Der Aendérung der bestehenden Geseßgebung stehen aber erhebliche gesey- lie Bedenken entgegen und der Erfolg würde ein sehr zweifelhafter sein. Der Antrag wird einen wesentlichen Erfolg nicht zeitigen; er wird wahrsheinlich sich als undurchführbar erweisen.

Meine Herren, wenn ih vorhin sagte, daß ih mit dem Ziele des Antrages, den Herr von- Heydebrand namens der lonservativen Partei gestellt hat, mich einverstanden erklären fônne, vorausgeseßt, daß das Ziel zu erreichen ist, so folgt daraus, daß ich mit dem größeren Theil der Darlegungen, die Herr von Heydebrand nah dieser Richtung zur Begründung seines Antrags ausgesprochen hat, mih im wesentlichen einverstanden «eflâren kann. Bedauern muß ih aber, daß Herr von Heydebrand gestern gegen die landwirthschaftlihe Verwaltung einen recht s{arfen Vorwurf erhoben hat, der, wie ih meine, nicht berehtigt und nicht begründet ist.

Wenn ih mich recht erinnere und ich stüge mih dabei auch uf einen Artikel in der „Neuen Preußischen Zeitung“, in dem, glaube i, zutreffend die Darlegungen des Herrn von Heydebrand nach dieser Richtung wiedergegeben sind —, so hat der Herr Abgeordnete, um es fn auszudrücken, der Landwirthschaftlihen Verwaltung vorgeworfen, sie in der Wahrnehmung der Oberaufsicht über die Hypotheken- banken ihre Pflicht nicht erfüllt habe. Meine Herren, ih möchte das

gentheil behaupten und bin in der Lage, dafür den Beweis an- jutreten. Nach dem Ergebniß der ‘bisher angestellten Ermittelungen ist die Auffassung berechtigt, daß die Inhaber von Pfandbriefen der Preußischen Hypothekenaktienbank auch gegenwärtig noch als gesichert anjusehen sind, obgleih im Laufe des leyten Jahres ih

Verhältnisse der Bank durch \trafrehtliße Handlungen und andere Umstände nicht unwesentlich verschlechtert haben.

ît die Pfandbrief-Jnhaber besteht meines Erachtens für ihr Kapital wie für ihren Zinsgenuß wohl vollständige Deckung. Dies ist Weifellos mit das Verdienst der Staatsaufsicht, die rechtzeitig und

mit der nöthigen Energie durch den Bankinspekior u. f. w. eingegriffen hat. Meine Herren, wenn in dem leßten Jahre die Verhältniffe der Bank durch strafretlihe «Handlungen fich vershlechtert haben, sodaß vielleicht anzunehmen oder \fogar wahrscheinlich ist, daß die Besitzer der Aktien {wer geschädigt werden, so glaube ih doch mit Fug und Necht aussprechen und behaupten zu dürfen, daß auch eine wesentliche Verschärfung der Staatsaufsicht die Ausführung von Vergehen oder Verbrechen nit verhindern kann (sehr richtig!), wie beispielsweise auch die Polizei nicht in der Lage ist bei der allerstrengsten Kontrole ihrerseits, zu verhindern, daß Mord, Todtschlag oder sonitige Ver- brechen gesehen. (Sehr richtig!)

“Meine Herren, was den Umfang der Staatsaufsicht betrifft, f fann ich anerkennen, daß \ich eine Verschärfung empfiehlt. Ein- verstanden bin ich mit den Darlegungen des Herrn von Heydebraud, der gestern, wie ih glaube, durchaus richtig die Grenze bezeichnete, welche die Staatsaufsiht niht überschreiten darf. Wenn ich Herrn von Heydebrand richtig verstanden habe, bezeichnete er diefe Grenze dahin, daß die Staatsaufsicht nie so weit gehen dürfe, daß sie im wesent- lichen die Leitung des Kreditinstituts ganz oder theilweise übernehme; die Staatsausfsicht darf also gewissermaßen niemals in die Direktion eines solchen Kreditinstituts mit eintreten. Mit dieser Auffassnng, meine Herren, kann ih mich im vollen Maße einverstanden erflären, im wesentlichen au {hon aus dem Gruntde, weil es sich um Erwerbsgenossenschaften handelt. Es ift ausges{lossen, daß der Staat für Erwerbsgenossenschaften Funktionen ausübt, die sich mit wesentlichen Funktionen der Ver- waltung solcher Institute decken. Aber, meine Herren, auch aus einem anderen Grunde würde ih ein \solches Vorgehen für in hohem Grade bedenklih erachten: Würde die Staatsaufsicht fo weit ausgedehnt werden, so würde nah meiner Meinung daraus zu folgern sein, daß der Staat für jeden Ausfall, den der Privatbesig von Pfandbriefen an solchen Instituten erleidet, unbedingt in vollstem Maße haft- bar ift.

Meine Herren, dann hat Herr von Heydebrand gestern gesagt: es sei ihm unerklärlih, daß die Staatsaufsichtsbehörde so spât von - den bedenklihen Vorgängen -bei diesen Kredit- instituten Kenntniß erlangt habe, während die Presse namentlich erwähnte Herr von Heydebrand die „Frankfurter Zeitung“ diese be- denklichen Zustände gekannt habe. Um ein triviales Wort zu ge- brauchen, meinte anscheinend Herr von Heydebrand, die Spaten auf dem Dache haben si {hon erzählt, welche Unrecßtmäßigkeiten bei den Hypothekenbanken vorkämen. Lange bevor Mittheilungen in der Presse erfolgten, hat die landwirthschaftlihe Verwaltung durch den bestellten Bankinspektor sih bemüht, über die Transaktionen, die bei den Hypo- thekenbanfen vorgekommen waren, fsich volle Klarheit zu verschaffen. Uebrigens berufe ih mich auf eine Acußerung, die Herr von Hevde- brand gestern selbst gethan hat. Er führte aus, daß ein Direktor eines solchêh Instituts ihm gesagt habe: wenn Sie auch die shärfste Staatsaufsicht einführen und dieselbe dem geschicktesten Staatskommissar übertragen, so ist doch der Direktor eines solchen Institutes, wenn er dazu gewillt ist, im stande, den Staatsfommissar hinters Licht zu fübren, bezw. die wirkliche Sachlage zu verschleiern.

Wie schwierig die Verhältnisse und ihre Klarstellung sind, geht daraus hervor, daß, nachdem jeßt bereits in größerem Umfange Er- mittelungen über die Transaktionen, die dort vorgekommen sind, \tatt- gefunden haben, doch volle Klarheit noch nicht geschaffen ist. Aber, meine Herren, niht zur Rechtfertigung oder Entschuldigung der land- wirtbschaftlihen Verwaltung führe ih folgende Thatsache an: bis vor kurzem hat die Reichsbank die Papiere der Preußischen Hypo- tbekenaktienbaûük an erster Stelle für beleihungsfähig erklärt.

Nun glaube ich do, daß ein Finanzinstitut wie die Reichsbank, die täglich mit allen Kredit-Jnstituten in geshäftliher Verbindung steht, besser in der Lage war als die Staatsaufsichtsbehörde, sich einen flaren Einblick in Verhältnisse der Hypothekenbanken zu erwerben und zu erhalten. Daraus, daß die Reichsbank die Sachlage an- s{cinend auch erst spät richtig beurtheilt hat, ziehe ih den Schluß, daß die wirklihe Sachlage shwer zu übersehen war.

Meine Herren, im wesentlichen glaube ih mich auf diese Dar legungen beschränken zu dürfen. Gestüßt auf dieselben, spreche ich die Bitte aus, den konservativen Antrag angebrahtermaßen nicht anzu- nehmen, ich erachte ihn für niht ausführbar.

Meine Herren, privatim ist mir gestern von cinigen Abgeordneten mitgetheilt, daß die Absicht bestehe, die verschiedenen Anträge einer fommissarishen Prüfung zu unterwerfen. Sollte diese Absicht bestehen und von dem hohen Hause gebilligt werden, fo kann ih mich mit solhem Vorgehen nur einverstanden erklären. Jch wünsche, daß aus der Sache ein greifbares Ergebniß hervorgeht. Die Grenze, in welcher sich die vershärfte Staatsaufsicht balten muß, babe ich in Ueber- einstimmung mit Herrn von Heydebrand dargelegt, innerhalb solcher Grenze ist Verschärfung der Staatsaufficht sehr erwägungswerth.

Noch einen Punkt möchte ih hervorheben. Als der Deutsche Landwirthschaftsrath in diesem Jahre hier tagte, war eine größere Anzahl von Vertretern aus Bayern anwesend, unter ibnen ein Herr, der dem Realkreditwesen in Bayern besonders nahesteht. Ih habe mih mit demselben eingehend darüber unterbalten, in welcher Weise, abweichend von der preußischen Staats- aufsiht, die Staatsaufsicht in Bayern geführt werde. Ich habe fest- stellen können, daß im großen Ganzen der Umfang der Staatsaufsicht und deren Einrichtung in Bayern ih in derselben Grenze und Aus- gestaltung wie bei uns in Preußen bewegt. Ich glaube, daß man daraus, daß eider in Preußen troß der Staatsaufsicht Mißstände hervorgetreten sind, nicht allgemein die Behauptung herleiten darf, daß es einer außerordentlich starken Verschärfung der Staatsaufsicht bedürfe, um Mißstände, wie sie vorgekommen sind, abzuwenden.

Jch bin mit den Herren Vorrednern. in vollem Umfange dahin einverstanden , daß in einer so hohwihtigen Angelegenheit sowohl Staatsregierung als wie Landesvertretung die Verpflichtung haben, gegen eine Wiederkehr von Vorkommnissen, wie solhe hinter uns liegen, die leider cine große Schädigung vielleiht gerade des mittleren und kleineren Kapitalbesitzstandes herbeigeführt haben, Vor- sorge zu treffen. Meine Herren, allein durch Verschärfung der Staats- aufsiht werden Sie aber solche Vorgänge nit hindern können. (Sehr rihtig! rechts.) Die Staatsaufsiht kann das Begehen von Ver- brechen oder Vergehen niht hindern. Das Publikum selbst muß ih mit zu {hüten versuchen.

Zum Schluß meiner Mittheilungen noch eine kurze Bemerkung. Die Erklärung, welche der Negierungskommissar bei der Berathung im vorigen Jahre abgegeben bat, ist heute ciner erneuten Kritik unter-

worfen. Jch glaube auch heute, daß der materielle Jahalt der frag- lichen Erklärung der damaligen Sachlage entsprach. Im übrigen habe ih selbst diese Erklärung dahin eingeschränkt, daß, wenn zwar gegen die Sicherheit der gut geleiteten Hypothekenbanken zur Zeit Bedenken nicht bestehen, doch gegen die Verleihung der Mündelsicherheit für ihre Hyvotheken-Pfandbriefe erhebliche Bedenken zu erheben seien, weil die Hypothekenbanken Erwerbsgenossenshaften seien, deren Geschäfts- führung troß der Staatsaufsicht niht immer vollständig zu übersehen sei. Daraus geht hervor, daß die damals abgegebenen Erklärungen fih im wesentlichen in demselben Rahmen halten, in dem sich die Darlegungen des Herrn von Heydebrand gestern bewegten. Ich glaube daher, daß der erhobene Vorwurf sahlih nicht gerechtfertigt ist. Ich möchte aber glauben, daß es zwedcklos iît, retrosvektive Betrachtungen anzustellen. Wenn und wo gebessert werden kann, bin ich zur Mitarbeit bereit; die Kritik früher erfolgter Erklärungen erscheint mir

_zweck- und nußlos. Wir wollen der Wiederkehr von Vorkommnifsen,

îbie_ solche leider eintraten, thunlichst vorbeugen.

Ich resümiere mich dahin: mit dem Ziele des Antrages bin ih zwar einverstanden; ih bedauere aber, glauben zu müssen, daß das Ziel niht mehr erreichbar ist, weil wir mit gegebenen Verhältnissen zu renen, weil wir nicht tabula rasa háben. Die Königliche Staatsregierung wird bereit sein, sich mit Ihnen darüber zu ver- ständigen, welhe Maßregeln zu ergreifen sind, um \o unliebsamen Vorgängen vorzubeugen, wie fie jeßt bei zwei Hypothekenbanken vor- gekommen sind. Ich hoffe, daß durch die Verhandlungen der Kom- mission zweckmäßige Ergebnisse erzielt werden.

Abg. Dr. Friedberg (nl.): Wir stimmen für den Kommissions- antrag. Da die Hypothekenbanken konzessionspflichtig sind, so über- nimmt der Staat mit der Konzessionsertheilung eine gewisse moralische Verantwertung, und deshalb können wir die Staatsaufsicht nicht entbebren. Aber die Staatsaufsicht muß auch wirksam sein, und das ist hier bei den Berliner Banken doh nicht ganz der Fall gewesen. Die landwirthschaftlite Verwaltung \cheint die Verbältnisse niht vollkommen übersehen zu haben. Die Staatsaufsiht muß auch auf die Bonität der Hypotheken ausgedehnt ' werden; der Staat hat doch Architekten genug zur Verfügung, welche die Grundstückswerthe schäßen können. In Sachsen besteht eine viel \trengere, besser organisierte Staatsaufsicht. Das Fnstitut der Treuhänder bedarf einer Erweiterung. Wir wünschen, daß Staatsbeamte nicht mit dem Posten des Treuhänders ausgestattet werden, wie es in mebreren Fällen geschehen ist. Herr von Heyde- brand will zwar mit seinem Antrag die privaten Nealkredit- SFnstitute niht unmöglich machen, aber der Antrag wird eine Ver- ‘chlechterung der Lage des Publikums herbeiführen. Das Publikum nimmt jeßt anstandélos sogar Obligationen von industriellen Unter nehmungen lediglich im Vertrauen auf die Bonität derselben auf. Der Antrag würde die gesammten Realkreditverhältnisse vershlechtern. Das gesteigerte Wohnungsbedürfniß kann nur durh eine rege Bauthätigkeit befriedigt werden. Die Bauthätigkeit wird aber dur die Ershwerung des Hypothekenkredits gehemmt. Auch wenn tabula rasa vorläge, fönnten wir dem Antrag nicht zustimmen ; dann müßte man Nealkreditgesellschaften schaffen. Herr von Heydebrand ist gegen die Erwerbsgesellshaften, aber gerade bei diesen is die ganze Geschäftsführung viel rühriger als bei öffentlichen Instituten. Am meisten hat der kleine Mann in den leßten Jahren gerade an den Konsols verloren. Allerdings treiben Privatgesellschasten auch Spekulationen, aber wollen wir durch Hemmung der Bauthätigkeit wieder eine solhe Wohnungsnoth herbei- führen wie in den sicbziger Jahren, wo Baracken gebaut werden mußten? Die Ausführungen des Abg. von Heydebrand passen nur für das Land. Man spricht zwar auch von städtischen Hausagrariern, aber sehr viele von diefen müssen \sich mit einem ganz kleinen Ueber- \{huß begnügen und \sich mit 20 bis 30 Miethern herumärgern die alle möglichen Ansprühe stellen. Für den Antrag Goerdeler Nr. 3 können wir stimmen, obwohl wir ihn eigentlich für selbstverständlich halten. Die Nummer 4 beschränkt die Hypothekenbanken. Die Bedürfnißfrage ist immer eine zweifelhafte. Außerdem liegt eine Konkurrenz unter mehreren Banken immer im Interesse der Schuldner. Wir können also für diefen Antrag nicht stimmen. Auch die Benennung der Hypothekenbanken nah diesem Antrag bietet dem Publikum keinen besonderen Schuß. Es ist ganz natürlich, daß sich die Banken na der Landschaft nennen, an der sie ihren Siß haben. Eine shärfere Staatsaufsicht würde aber zur Be- ruhigung des Publikums dienen.

Geheimer Ober-Regierungsrath Dr. Holterman n: Die landwirth schaftliche Verwaltung hat in der Kommission nachgewiesen, daß sie ihr Aufsichtsreht vollkommen pflihtmäßig wahrgenommen hat. Es ist ge sagt, es seien lange vor dem Eingreifen der Staatsaufsicht unregelmäßige Vorgänge bei den Spielhagen-Banken bekannt gewesen. Es war nur bekannt, daß die Leiter kein Vertrauen verdienten und daß ein ganzer Nattenkönig von Immobilienbanken gegründet war. Was hatte aber das alles mit der Sicherheit der Pfandbriefe zu thun? Daß Ueberleihungen stattgefunden hatten, war niht bekannt geworden. Aber gerade diese Verbältnisse haben die Regierung veraulaßt, die Stelle eines bank tebuischen Revisors in den Etat des vorigen Jahres aufzunehmen. Daß die Staatsaufsicht bei früherem Eingreifen den Zusammenbruch und die Verluste des Publikums hätte verhindern können, ist cine ganz falsde Annahme. Es ist außerordentlih s{chwierig, einen Einblick in die Geschäftsthätigkeit einer Hypothekenbank zu gewinnen. Jeßt nach fünfmonatiger Untersuchung ist noch immer kein klares Bild geschaffen. Eine solche Untersuchung ist wohl nah dem Zusammenbruch einer Bank möglich, aber nicht vorher, ohne das Publikum erft ret zu beunruhigen. Wir waren auch garniht in der Lage, eine reinlihe Scheidung der Preußischen Hypotheken-Aktienbank von all den anderen Gefell- schaften zu verlangen. Eine Ausdehnung der Thätigkeit der Treu händer iît ja möglich, aber einen absoluten Schutz gegen Unredlichkeit giebt es nit. Der Antrag Goerdeler Nr. 3 ist jelbstverständlich. Die Ucbertragung der Obliegenheiten des Tréuhänders auf den Staats kommissar ist gefeßlich nur in ganz bestimmten Fällen zulässig. Was den Antrag Goerdeler Nr. 4 betrifft, so stimmt die Praxis schon mit ibm überein, da die Bedürfnißfrage immer geprüft wird. Der Schluß des Antrags wegen der Benennung der Banken ist eine danfenswerthe Anregung.

Abg. Fri tzen - Borken (Zentr.): Selbst bei den folidesten Hypo- thekenbanken stehen jeßt die Werthe seit cinigen Jahren unter pari Aus der Beunruhigung des Publikums ftammen alle dicfe Anträge Wir haben in der ganzen Session keine so wichtige Frage gehabt wie diese, und wir beantragen deshalb, die sämmtlichen Anträge ciner be sonderen Fachkommission zu überweisen, um das Brauchbare heraus zushälen. Aus dem einzelnen vorgekommenen all follten die Pfand- briefgläubiger im allgemeinen keine Beunrubigung s{öpfen. Der Antrag von Heydebrand paßt niht für die städtishen Verhält nisse, 1h wünsche aber, daß die Kommission auch diesen Antrag ein chend prüft. er Antrag Goerdeler hat einen gesunden Kern. Das Wesen der Hypothekenbanken besteht darin, daß sie möglichit viele Hypotheken und möglichst viele Pfändbricfe andgelen Darauf beruht ihr Gewinn. Der Dividendenhunger verführt dazu, in der Beleibung bis an die äußerste Grenze der Vorsicht zu gehen. Aber wir müssen auh den Antrag Goerdeler noch eingehend prüfen. Ih beantrage also die Ueberweisung an eine Kommission von 14 Mitgliedern.

Abg. Dr. Crüger (fr. Volksp.): Bei jedem einzelnen Vorfall wird immer gleich die Klinke der Geseygebung ergriffen, obne daß dadur die Wiederkehr ähnlicher Fälle in der Zukunft ausges{hlossen wird. Wenn wir die Verluste an mündelsicheren Papieren mit denen an nicht mündelsicheren Papieren in den leßten Jahren ver leihen, wird der Vergleich niht zu Gunsten der ersteren aus allen. Eine absolute Sicherbeit giebt es nicht, sondern immer nur

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