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Vorlage ausdrücklich eine Verbesserung anerkannt, und das Bedenken von Charlottenburg besteht anscheinend hauptsählich darin, daß es nicht gegen den Grundgedanken des Entwurfes ist, sondern gegen die Aufrechterhaltung der kommunalen Zusammtengehörigkeit zu der Provinz Brandenburg.
Meine Herren, nun kommt für Berlin außer der eigentlichen fommunalen Aufsiht noch ein weites Feld sonstiger Thätigkeit für den Ober-Präsidenten in Betracht. Jch darf zunächst daran erinnern, daß nah unseren Bestimmungen der Ober-Präsident die Angelegen- heiten der Börse zu bearbeiten hat; ich brauche nicht zu betonen, von welcher eminenten Wichtigkeit es ist, daß diese Angelegenheiten re vera und mit genauer Sach- und Personenkenntniß von dem Ober- Präsidenten bearbeitet werden können. Jch frage: wie ist es möglich, daß diese sehr großen und für die Wohlfahrt des ganzen Landes, namentlich der Landwirthschaft, wichtigen Aufgaben von cinem Ober- Präsidenten gelöst werden können, der garnicht am Ort si befindet, der nicht die persönlichen Beziehungen hat, der niht das Maß von Lokalkenntniß besißt, das nothwendig ist, um derartige shwerwiegende Aufgaben zu löfen? Jch weise ferner auf die Aufgabe hin, die dem Ober-Präsidenteu geseßlich zusteht auf dem Gebiet des Schul- wesens. Wir haben ein Provinzial-Schultollegium in Berlin, das die ganze höheren Schulen von der Provinz Brandenburg und Berlin umfaßt. Außerdem hat das Provinzial-Schulfollegium auf Grund einer Verordnung aus dem Jahre 1826 die Volksschulen von Berlin seinerseits zu überwachen. Nun brauche ih nicht darauf hinzuweisen, ein wie großes Interésse obwaltet, daß diese Schulen in der geeigneten Weise verwaltet werden, und daß die staatliche Aufsicht so geübt wird, wie sie im Willen des Geseßgebers gelegen hat; denn ein mehr oder weniger großer Theil der ganzen Monarchie geht nah Berlin, und es ist ein allgemeines \taatlihes Juteresse, daß diese Schulen in der rihtigen Weise verwaltet werden, daß der Ober-Präsident das Maß
- von Einwirkung haben kann, das ihm als Chef der Provinzial-
Schulverwaltung geseßlich obliegt.
Meiné- Herren, ich sage, daß, wenn der Provinz Brandenburg
und der Stadt Berlin der Gesehentwurf zum Vortheil gereichen wird, dasselbe der Fall sein wird mit den vorgenannten drei großen Stadt- gemeinden, Charlottenburg, Schöneberg und Rixdorf. Es ist von außerordentlichem Interesse, verfolgen, in welchem Maße diese drei Gemeinden im Laufe der Zeit sfih entwickelt haben. Jch darf in
dieser Beziehung anführen, daß nach der neuesten Volkszählung sich
die Stadt Charlottenburg in den fünf Jahren von 1895 bis 1900
ih gebe die Daten immer rund — von 132 000 Seelen auf 189 000 gehoben, also um 57 000 Seelen verstärkt hat, sodaß eine Zunahme der Bevölkerung um 4209 in diesen fünf Jahren erfolgt ist. Schöne- berg hat si von 62 000 auf 96 000 Seelen gehoben, hat mithin einen Bevölkerungszuwachs von mehr als 539%, aufzuweisen. Rirdorf hat sih von 59 000 auf 90 000 Seelen gehoben, sodaß ein Zuwachs von
‘ 0909/6 erfolgt ist. Eine folhe Bevölkerungêzunahme wird in der ganzen
Monarchie nur noch von dem einen Orte Recklinghausen überboten,
der sogar einen Zuwachs von 6409/9 in den beregten fünf Jahren auf- zuweisen hat. Jn dem früheren Jahrfünft ist die Zunahme der drei Orte noch erheblicher gewesen: Schöneberg hat si in den fünf Jabren von 1890 bis 1895 im Ganzen um 118 °/z an Bevölkerung vermehrt, also mehr als verdoppelt in fünf Jahren, Nirdorf hat sich um 67 9/6 und Charlottenburg um 72 9/9 vermehrt. Insgesammt hat die Beröl*erung der drei Vororte Charlottenburg, Schöneberg und Nirdorf sich in den 20 Jahren von 1880 bis 1900 in folgender Weise entwickelt: Char- lottenburg hatte 1880 30 000 Seelen, hat jeßt 189 000 Seelen, fodaß sich diése’ Stadt in den 20 Jahren mehr als versechsfacht hat an Be- völkerung. Schöneberg ift von 11 000 auf- 96 000 Seelen gestiegen, hat also nahezu eine neunfahe Vermehrung f\ciner Bevölkerung er- fahren. Mirdorf ist von 18 000 auf 90 000 Seelen gewachsen, sodaß die Bevölkerung si ungefähr um das Fünffache vermehrt bat. Meine Herren, daß nun auf allen Gebieten kommunalen Lebens durch eine derartige, an amerikanis{e Verhältnisse erinnernde Be- völkferungszunahme auch ein außerordentliches Maß an Arbeit erwachsen ist, daß auf dem Gebiete des Verkehrs, der Schule, auf allen Ge- bieten kommunalen Lebens ein außerordentlihes Maß an Arbei erwachsen ist, liegt ‘auf der Hand. Es liegt aber auch auf der Hand,
daß sich dic Berührungs- und zum Theil Kollisionspunkte zwischen den verschiedenen Gemeinden durch eine derartige Entwickelung vermehrt haben und daß es geboten ist, eine Instanz zu sc{affen, die leitend und ausgleichend einzuwirken in der Lage ist.
Wie ist nun die Entroickelung der drei Vorortgemeinden von Berlin für die Zukunft zu denken? Ich meine, daß das Prophezeicn in politishen Dingen überhaupt cine mißlide Sache ist, zumal aber bei Gemeinden wie der Stadt Berlin und den drei genannten Vorort- gemeinden, die so {nell wachsen, wie es hier der Fall ist. Allein i möchte mi do wenigstens über zwei Punkte nach dieser Nichtung bin aussprehen. Zunächst über die Frage, ob es irgendwie in der Absicht liegen kann, diese drei großen Vorortgemeinden mit Berlin zu ver- shmelzen. Jh verneine meinerseits diese Frage bestimmt. Die Periode, als die Vers{melzung der Gemeinden mit Berlin zur Sprache stand, ist, wie ih meine, abges{lossen. Wie nicht zu verkennen ift, daß vom Standpunkt der Einbeitlichkeit der Verwaltung, der Einheit- lihkêït der Gestaltung der Fluchtlinienfestseßung, des Verkehrs wesens, der Kanalisation, des Wasserbezuges und auf anderen Gebieten eine solche Verschmelzung gewisse Vorzüge gehabt baben würde, so werden diese Vorzüge doch meines Erachtens weit aufgehoben dur die Nachtheile, die cine \olche Ver- s{chmelzung mit sih gebracht baben würde. In einem fo großen Gemeinwesen, wie es Berlin und die Vororte darstellen, kann ein ecinbeitlihes, fonzentriertes kommunales Leben sih niht in glücklicher Weise entfalten, sondern es ist nothwendig, daß den einzelnen Theilen ein ihren besonderen Interessen, ihren besonderen Bedürfniffe ent- sprehendes kommunales Leben, kommunale Selbständigkeit gegeben wird, und diese Entwickelung hat sich, wie ich meine, in der glûüd lihsteil’ Weise dadur vollzogen, daß \sih um Berlin berum diese drei potenten, von lebendigen Gemeinsinn getragenen großen Gemeinden Charlottenburg, Schöneberg und Rixrdorf gebildet haben, daß sie mit Freude an der Vervollkommnung ihrer eigenen Einrichtungen arbeiten, und ih glaube, es würde eine durhaus falsche Richtung sein, wenn man diese Entwickelurg hemmen und etwa auf eine Vershmelzung mit Berlin drängen würde.
Dann is in früheren Stadien der Gesetzgebung der Gedanke einer Provinz Berlin erwogen worden. Jh halte wenigstens für absehbare Zeit diesen Gedanken nicht für ausführbar; denn eine Provinz Berlin if meines Erachtens nur mögli, wenn ungefähr
gleichartige Interessen darin ihre Vertretung finden. Solange aber die Stadt Berlin nah ihrer Seelenzahl, nach ihrem ganzen Gewicht so prädominiert, daß die anderen Stadtgemeinden lediglich Annere sein würden, kann ih mir ein gesundes, provinzielles Leben nicht vorstellen. Es wird also für absehbare Zeit dabei bleiben, meine Herren, soweit ih zu sehen vermag, daß diefe drei Stadtgemeinden Charlottenburg, Schöneberg und Nixdorf als selbständige Stadtgemeinden neben Berlin bestehen. / Ift das aber der Fall, fo halte ich es in der That für nothwendig, daß eine Instanz in diesem besonderen Ober-Präsidium geschaffen wird, die diese ganze Entwickelung eingehend verfolgt, die die Differenzpunkte, die sich unzweifelhaft. ergeben werden und ergeben müssen dur das enge JIneinanderwachsen, nah Möglichkeit beseitigt, die also, wenn ich den Ausdruck, wie er von größeren Dingen ge- brauht ist, auch hier anwenden darf, als ehrliher Makler zwischen den Gemeinden s\teht. Es wird \fich unzweifelhaft im offentlichen Interesse als dienlich erweisen, daß in manchen Beziehungen des öffentlichen Lebens — ich erwähnte {on A kehr8wesen, die Kanalisation, die Fluchtliniengestaltung u. f. w. — nah einheitlichen Gesichtspunkten zwishen den verschiedentlicßen Ge- meinden verfahren wird, und es ist deshalb eine Instanz nothwendig, die diese Differenzen auszugleichen in der Lage ist, die eine Gemein- samkeit oder Einheitlichkeit in diesen für die Entwicelung der Städte überaus wihtigen Dingen zu gewährleisten im stande ist.
Meine Herren, es ist von gewissem Interesse, wenn man diese Zukunft von Berlin und den nächsten Vororten ins Auge faßt, fh zugleich die Entwickelung von Paris und London zu vergegenwärtigen. In Paris ist die Entwickelung von einer zu starken Zentralisation in der Richtung ciner gewissen Dezentralisation gegangen, indem man wenigstens für gewisse Verwaltungszweige die einzelnen Mairien - ge- schaffen hat, die diese einzelnen Verwaltungszweige zu pflegen bestimmt sind. Umgekehrt ist in London aus einer Reibe ganz sfelbständiger Gemeindewesen s{liezlich auf den wichtigsten Gebieten, auf dem Ge- biete der Polizei, des Wegewesens u. f. w. eine gewisse Zentralisation heraus8gewahsen. Wie die Entwickelung aber auch gewesen ist, immer hat man versucht, einen Mittelweg einzuschlagen, derartig, daß man den Theilen eine gewisse Selbständigkeit gelassen hat und nur für das, was unerläßlich ist, eine einheitlihe Verwaltung ge- schaffen hat. Zu einem ähnlichen Resultate, \o verschieden au) es in den Einzelheiten ist, würden wir auf dem vor- geschlagenen Wege kommen: wjr würden den einzelnen Gemeinden ihre Selbständigkeit vollflommeu lassen, wir würden aber eine Ver- waltungsftelle schaffen, die in der That eine Einheitlichkeit und Gleich- mäßigkeit der ganzen Verwaltung gewähren kann.
Meine Herrèn, ich komme noch mit einigèn Worten zu der Frage der kommunalen Zugehßörigkeit der genannten drei Stadtgemeinden Gharloitenburg, Schöneberg und Nirdorf zu der Provinz Branden- burg. In dem Geseßeutwurf ist vorgesehen, daß ihrc kommunale Zugchörigkeit aufreWßt erbalten werden foll, fie fanmn also nur abgeändert werden mit Zustimmung der Staats- regierung, mit Zustimmung dieses hohen Hauses ub mit Zustimmung des Herrenhauses, und ih - bin der Ansicht, daß keine Veranlassung vorliegt, diese kommunale Zusammengebörigkeit \taats- seitig zu lôöfen. Die Provinz Brandenburg hatte bei allen Leistungen, die fie auf Grund des Dotationsgesezes und der späteren Gesetze zu übernehmen gezwungen gewesen ist, auf die Bedürfnisse dieser drei großen Borortgemeinden Rücksicht zu nehme; fie hat ihre* ganzen Anstalten danach bemessen, und fie wird beispielsweise jeßt bei der Ausführung des Fürforgegesetzes jedenfalls von diesen drei Vorortgemeinden ein erbeblides Menschenmaterial zugewiesen bekommen, für das die Provinz Brandenburg ihrerseits zu \orgen verpflichtet ist. Ist das aber der Fall, hat die Provinz Brandenburg diese Aufwendungen für diese Zwecke im Interesse dieser drei Gemeinden machen müssen, so wäre es unbillig, die Steuerkraft dieser drei Gemeinden der Provinz Brandenburg zu entziehen ; mögen \ih diese drei Gemeinden mit der Provinz Brandenburg über die Frage ciner Entschädigung verständigen. So lange das aber nicht der Fall ist, licgt keine Veranlassung vor, diese drei Gemeinden aus dem Provinzialverband der Provinz Branden burg ausscheiden zu lassen; vielmehr ift es im Gegentheil als ein billiger Standpunkt anzuerkennen, daß diese kommunale Zusammengehörigkeit bis zu einer solchen Verständigung aufrecht erhalten wird.
Meine Herren, wenn wir auf diese Weise zu einem eigenen Ober- Präsidium für Berlin und die Vororte kommen, fo erreichen wir zu- gleih einige andere Vortheile, die meines Erachtens sehr wesentlich ins Gewicht fallen. Wird der Ober-Präsident in Potsdam von den Berliner Geschäften entlastet, so wird es möglich sein, ibm die ein- heitlide Strombauverwaltung für alle märkishen Ströme zu über tragen, eine Sache, die. ih für außerordentlich wichtig halte, die allein vom Standpunkte Brandenburgs mix den Geseßentwurf sehr will fommen machen würde. Denn daß der jétige Zustand cin uner wünschter und unzuläfsiger ist, liegt auf der Hand. Ströme «vie die Brandenburgs, die einmal cinen “außerordentlichen Schiffahrtsverkehr vermitteln und zur Versorgung von Berlin ganz überwiegend beis- tragen, die aber ferner für die Landeskultur der Provinz Brandenburg geradezu von entscheidender Bedeutung find, dürfen nur nach einbeit- lichen Gesichtspunkten verwaltet werden, und es ift ein‘ unzweckmäßiger Zustand, daß sie jetzt nit einheitlich verwaltet werden, sondern ver- schiedenen MNegierungs - Präsidenten unterstehen So wird es möglih sein, die Strombauverwaltung einbeitlich zu gestalten und dem Ober - F cüsidenten in Potsdam zu unterstellen. Ebenso würde der Ober-Präsident ein besonderes Provinzial-Schul- kollegium für die Provinz Brandenburg bekommen. Auch dies ist meines Erachtens eine wüns{enswerthe Dezentralisation. Wenn der Ober-Präsident in Berlin ges{affen wird und wenn auf ibn die kommunale Aufsichtsthätigkeit für die drei Vorortgemeinden Schöneberg Charlottenburg und Nixdorf von dem Regierungs - Präsidenten in Potsdam übergeht und wenn zugleich die wasserwirthschaftliche Thätigkeit von dem Regierungs-Präfidenten auf den Ober-Präsidenten in Potsdam übergeht, so wird die Regierung in Potédam in einer Weise ent- lastet, daß meines Erachtens von dem, wie ich glaube, nit glück- lichen Plane der Theilung des Regierungsbezirks Potsdam ganz abgesehen werden kann. So, meine i, bietet der Vorschlag, den ih die Ehre habe, namens der Staatsregierung Jhnen zu unterbreiten, nah mannigfahen Gesichtspukten wesentlihe Vorzüge. Er entbält keinerlei Vershicbungen der Zuständigkeiten zu Ungunsten der großen Stadtgemeinde, und er hat lediglich den Wüns, eine den großen Aufgaben der Zukunft genügende Gleichmäßigkeit und Einkbeitlichkeit in der kommunalen Aufsicht zu ermöglichen. Er hat den Zwedck, eine einheitlißhe Strombaudirektion -in Potsdam zu \ch{affen, und ich
glaube, daß die Vorlage daher geeignet ist, -nach mannigfagey tungen hin die Verwaltúüng dieser so außerordentlich wichtigen, Gemeinwesen zu erleichtern. roßen Ich empfehle daher die Vorlage Ihrer wohlwollenden Prüf und hoffe, daß die Vorlage, wenn eine Verständigung darüber A werden follte, gleichmäßig zum Vortheile ver staatlichen Instan wie zum Vortheile der Provinz Brandenburg, der Stadt Berlin A der Vorstädte ausfallen wird. (Bravo! rechts.)
Abg. Dr. Crüger (fr. Volksp.): Der Ministec hat f; eine Provinz Berlin ausgesprochen, weil in derselben Berlin dot Mgen würde. Ich glaube, es licße sh eine folche Provinzial-Ordnung wohl schaffen. Der vorliegende Geseßentwurf bildet nur ein Stü werk. Die Eingemeindung der Vororte würde ih allerdings ays niht für ein Glück erachten. Eine folhe Kommune if nidt denkbar; sie müßte wieder dezentralisiert werden. Wir babe die neue Gerichtsordnung für Berlin bekommen, ferner bas neue Polizeigeseß für Berlin und die drei Städte, das jekt zum theil wieder aufgehoben werden soll; und der vorliegende Géiek, entwurf wird wieder weitere zur Folge haben. Der Minister selbt sagt, daß die Gesezgebung mit dieser Vorlage noch nit abges{losen sei. Wenn die drei Städte aus der Provinz ausscheiden wollen, wird man doch wieder zu einer weiteren Provinzbildung ichreiten müssen. Oder denkt der Minister daran, diese drei Städte au provinzfrei sein zu lassen? Dann hätte er ih darüber aus-
sprechen follen. Wir müssen angesichts dieser Vorlage die Negie-
rung auffordern, daß fie ganze Arbeit macht, damit endli Rube eintritt. Die Berliner haben für das Vaterland ebenso vie geleistet, wie die Provinz Brandenburg. Ich weiß nicht, was folde Ausführungen bedeuten follen. Die Acußerungen des Ministers baben nicht dazu beigetragen, die Bedenken gegen ein Ober-Präsidium Ver Berlin zu zerstreuen. Sollen die Befugnisse der Kommune Berly auf dem Schulgebiet noch weiter beschränkt werden ? Soll s nichts weiter thun als zahlen und alles Uebrige dem Stay überlassen? Der Herr Minister von Miquel sagte: Wer zahlt, regiert. Hier wird es gerade umgekehrt gemacht. Ob der Ober-Präsident ein Spreepräfekt werden wird oder nicht, wir allerdings wesentlich von der Perfönlichkeit abhängen; aber die MReibungsflächen werden jedenfalls größer werden. Der Minister er. örterte die Bedürfnißfrage. Bequemer mag ja die Verwaltung von Berlin aus als von Potsdam aus sein. Aber {were Mißstände als ¿olge der jeßigen Verwaltung in Potsdam sind nicht hervorgetreten. Allerdings kann man sagen, daß die Regierung in Potsdant für die Berliner Angelegenheiten nicht Verständniß genug hat; aber für die Verwaltungsmaschinerie an sih" ‘ist das doch gleichgültia, Der Entwurf macht den Eindruck der Oberflächlichkeit. 2. V heißt es, daß die Stadt Charlottenburg in der Lehrerwittwen- und -Waisenkasse bleiben soll, und dabei ist sie {on längît ausge schieden. Nicht die Befürchtung, daß Berlin in eïner Pröobin dominieren würde, is der wahre Grund gegen die Provinzbildung, fondern der Umstand, daß dann die Steuern der Städte Charlotten- burg, Nirdorf und Schöneberg der Provinz Brandenburg verloren gehen würden. Ich verkenne* nicht, daß der Gesetzentwurf nch mancher Richtung Verbesserungen - bringt. Für die drei Stüdte, welche von der Regierung in Potsdam fortzukommen wüns{en, wird verwaltungsrechtlich eine Besserung erzielt. Aber die Vortheile des Entwurfs wiegen nicht die Nachtheile auf. Was fübrt denn die Regierung für das Verbleiben der drei Städte im Pro- vinzialverband an? Sie sagt, daß die Provinz bei ihren Stêuer- verhältnissen auf die Entrichtung der bisherigen Steuerbeträge jeitens dieser Städte rechnen müsse. Charlottenburg zahlt allérdings an die Provinz 560 000 Æ Steuern ; ebenso zahlen die anderen beiden Städte an die Provinz. Aber wenn die Vorlage Geseß wird} müssen die Städte immerfort auf die Abtrennung von der Provinz hinarbeiten. Denn die Organifation der Vorlage ist ein Unikum, das nit bestehen bleiben fann. Verbessert werden müssen namentlich die Bestimmunger der Vorlage über die Zusammensezung des Bezirks-Ausshusses. Die Vorlage verstößt gegen den Grundsaß unseres Verwaltungsredté daß der Provinzialverband mit dem administrativen Bezirk zusammen fallen muß. Die Regierung muß der Bildung eines Provinzial: verbandes für Berlin und die Vororte näher treten. Meine Freünde stehen auf dem Standpunkt, daß ganze Arbeit gemädt, daß zusammengebraht werden muß, was zusammen gehört. Die Schwierigkeiten gegen die Zusammenlegung der Vororte mit Berlin zu einer Provinz sind jedenfalls niht unüberwindlich. Lieber wollen wir noch ein paar Jahre warten, ehe wir diese Vorlage annehmen. Abg. Graf von Bernstorff (fr. kons.): I beantrage die Ueberweisung der Vorlage an cine Kommission von 14 Mitgliedern. Es sprechen viele Gründe für die Vorlage. Die Provinz Branden burg wird si freuen können, daß sie ein eigenes Ober-Präsidium für sih bekommt, da es iegt durch die Geschäfre für Berlin stark in An spruch genommen ist. Auf dem Gebiete der Wasserbauten if als ein Mangel empfunden worden, daß die einheitliche Spiße für die ganze Provinz fehlt. Die Bedenken gegen die Vorlage sind doch nicht so groß. Der Abg. Crüger vermißt die Begründung der Vorlage; aber er hat sie selbst geliefert, wenn er meint, daß die Vororte sich über die Regierung zu Potsdam zu beklagen hätten. Vie Stadt Berlin scheint sich ja mit der Vorlage auch son befreundet zu haben. Wir fönnen nicht warten, bis nach den Wünschen des Ver- redners ganze Arbeit gemaht werden kann; «denn schon bei der Be rathung des Polizeigesezes vom vorigen Jahre wurde anerkannt, daß die Regelung der Verwaltung für die drei Städte dringend nothwendig ist, während die anderen Vororte, die nicht einmal das Stadtreck! haben, uoch nicht so weit entwidckelt sind. ; _ Abg. Dr. Jrunier (konf.): Wenn wir auch für die Vorlage fmd so bedarf diese shwierige Materie doch der gründlichen Prüfung. B? Schwierigkeiten der Bildung einer Landeéverwaltung bestehen bereit seit Anfang des vorigen Jahrhunderts, seit 1808, als man die nuf Organisation der staatlihen Verwaltung in die Wege leitete. Von dem {on damals in dem bekannten Publikandum aufgetauhten Gedanken der Ernennung eines Ober - Präsidenten für Belt ist man aus naheliegenden Gründen wieder abgekommen. L der Organisation von 1815 wurde für Berlin ein besonder Regierungs - Präsident ernanut, und diesem wurde der Polize! Präsident an die Seite gestellk. Man erkannte aber s{on 1823, da die Theilung der Ortépolizei und ‘der Landespolizei für das Gebie! Berlins auf die Dauer unhaltbar sei. Deshalb rourden dieg: sammten Polizeibefugnisse in die Hand des Polizei-Präfidenlen gelegt, und Berlin trat unter den Regierungs-Präsidenten ?° Potsdam. So blieb es bis 18756. Da trat Berlin dem Kommunalverband der Provinz Brandenburg aus, Un? ber wurde die Bildung einer cigenen Provinz Berl“ = künftigen Geseßgebung vorbehalten. Nach der Auffassung 0Y Freunde steht es aber fest, daß es uumöglich ist, einen edent fähigen Kommunalverband în dem Umfange von Berlin und ay Vororten zu bilden. Dabei ließe ih nicht vermeiden, daß der erf band durch Berlin majorisiert würde, und daß Berlin do nicht E ibm entsprehende Bedeutung in demselben erlangte. 1875 wurde Eu stimmt, daß der Ober-Präsident von Berlin und der E Brandenburg dieselbe Person sein soll, und das Landesverwalln geseß von 1889 bestätigt diese Ordnung im wesentluge as vorjährige Polizeigeseß sollte cinen einheitlichen T polizeibezirk bilden. Jch gcbe dem Minister zu, dah L: Geseß eine weitere Folge für die Landesverwaltung baben mußy®
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(SHluß in der Zwetten Beilage.)
g A2.
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
Die Wechselbeziehungen zwischen Berlin und seinen Vororten lassen eine Trennung der R erd A niht mehr zu. Wir timmen ferner dem Minister darin bei, daß mit der Angliederung der drei Vororte an den Landesverwaltungsbezirk ihr Ausscheiden aus dem Kommunalverbande der Provinz Brandenburg niht verbunden sein kann. Vor der Bildung eines Kommunalverbandes von Berlin 4nd Vororten warne ih schon deshalb, weil durch dieselbe die Tendenz anderen Vororte, diesem Kommunalverband angegliedert zu werden, gefördert würde; und je weiter das geht, desto mehr wird der Kommunalverband der Provinz Brandenburg beeinträchtigt. Diese .Entwicklung zu unterstüßen, sind wir nicht im stande. Der große Körper Berlin würde alles an si zu ziehen suchen. Durch diesen Aufsaugungsprozeß find schon jeßt die Cristenzverhältnisse in den kleinen Städten der Provinz geschädigt. Diese Entwickelung widerspricht s{nurstracks konservativen Interessen; deshalb fördern wir keinen geseßgeberischen Gedanken, der auf die Bildung eines Kommunalverbandes von Berlin und Vororten unter Ausscheidung der lehteren aus der Provinz Brandenburg hinzielt. Wir sind mit dem Grundgedanken der Vorlage einverstanden; eine andere Frage ist aber, ob im übrigen der Entwurf richtig ist, z. B. die Gestaltung des Hezirks-Ausschusses. Allerdings hat die Gestaltung des Bezirks-Aus- husses für Berlin unendlihe Schwierigkeiten, da über Berlin fein anderer Verwaltungskörper vorhanden ijt, der über die Wahl des Bezirks-Aus\husses beschließen könnte. Bei der Wahl der Richter des Bezirks-Aus\husses ist die Stadt Berlin immer Partei; sie sollte alfo diese grundsäßlich niht wählen dürfen. - In dem vorjährigen Polizei- eseß sollten diese Schwierigkeiten durch die Bildung der zweiten Mbtheilungen beseitigt werden. Wir hielten damals die Bildung ¡weier Abtheilungen für nothwendig, hofften jedoch, daß in der aeuen Vorlage die Sache vereinfaht werden könne. Aber aus den zwei Abtheilungen sind drei geworden. Die volizeilihen An- gelegenheiten sollen einer ganz anderen A übertragen werden als die übrigen Verwaltungsangelegenheiten. Aber die polizeilichen Berbältnisse find niht ganz außer Zusammenhang mit den übrigen Perwaltungsangelegenheiten zu bringen. Es mnß deshalb versucht werden, den Bezirks-Auss{chuß für den neuen Verwaltungsgerichts- vezirk Berlin einheitlih zu gestalten. Was ist nun aber eigentlich der Ober - Präsident? Der Ober - Präsident giebt dem neuen Verwaltungsbezirk den Charakter einer Provinz, aber einer Yrovinz, die gebildet ist aus einer Millionenstadt und den drei Vor- \tädten, die nur Hunderttausende Einwohner haben. Das entspricht nt dem Bild, das wir von einer Provinz haben. Wir erblicken in einer Provinz die Zusammenfafung der Städte mit den Landkreifen ; wir haben deshalb Bedenken gegen ein Ober-Präsidium. Man fann sagen, das sei ein formalistisches Bedenken. Aber in dem Augenblick, wo Sie der Neubildung den Charakter einer Provinz geben, wird die Mitation für die Bildung eines neuen fommunalen Verbandes und für die Ausscheidung der Vororte aus der Provinz Branden- burg gestärkt, und diese Agitation wollen wir niht fördern. Fin Ober-Präfident für Berlin kommt leiht außer Fühlung mit dem Ande. Auch das ist bedenklich. Zwischen Berlin und den nicht ein- ¡uziehenden Vororten können Konflikte entstehen, z. B. in Bezug auf die Rieselfelder. Wie wird da der richtige Ausgleich erfolgen? Dem Minister find doch sämmtlihe Provinzen überwiesen, und deshalb sollte dieser Ausgleih von einer Stelle aus stattfinden, die den Verhältnissen nabesteht, wie es bisher der Fall war. Deshalb ift ein Theil meiner Freunde der Meinung, -es könnte alles heim Alten bleiben und ein detachierter Ober-Präsidialrath mit dem Siße in Berlin ernannt werden. Dazu braucht man kein neues Gesezg. Es giebt aber auch eine andere Lösung. Der neugestaltete Verwaltungöbezirk gewinnt thatsählich den Charakter eines Re- gierungsbezirks. Es müßte deshalb versucht werden, den Gesetzentwurf jo zu gestalten, daß der Chef des neuen Verwaltungsbezirks ein Regierungs-Präsident würde. Dem Poslizei-Präsidenten könnten ja änzelne Landesverwaltungsbefugnisse übertragen werden, aber für den Regierungs-Präsidenten bliebe noch genügend fruchtbringende Arbeit übrig. Es könnte \ih eine Art freundschaftliches Verhältniß zwischen der Verwaltung von Berlin und dem Negierungs-Präsidenten heraus- bilden: ein Verkehr von Mund zu Mund. Jch möchte die Negierung ditten, diesem Gedanken etwas näher zu treten, wenn auch zuzugeben it, daß gewisse Anomalien unvermeidlih bestehen bleiben. Diese Uomalien würden aber geringer sein als unter einem Ober-Präsi- danten. Uns auf diesen Vorschlag festzulegen, liegt uns fern; wir tollen nur einen Vorschlag machen. Andere Fragen können in der Kommission sorgfältig geprüft werden. Jch wünsche, daß die Arbeit der Kommission von 14 Mitgliedern möglichst fruhtbringend sein möge. Abg. von Savigny (Zentr., {wer verständlich) glaubt, daß der Vorschlag des Vorredners, einen Regierungsbezirk zu bilden, nit ver hindern würde, daß ih dieses Gebilde zu einer Provinz gestaltete ; auf den Namen komme es nicht an. Aus den Vororten Berlins, die it Städte geworden sind, ließe sich ein Kreisverband bilden. Seine pvolitishen Freunde seien bereit, auf der Grundlage des Entwurfs zur Befserung dieser Verhältnisse mitzuarbeiten. … Abg. Richter: Dieses Gesetz ist ein Flickgeset, das ein weiteres Alidgeseß nah \sih ziehen wird. Der Ober-Präsident in Potsdam dat allerdings einen Bezirk von 5 Millionen, aber der Ober-Präsident in Breslau hat 500000 Einwohner mehr unter sich und eine \chwierigere Aufgabe als der Ober-Präsident von Brandenburg. Der Ninister sagte, der Ober-Präsident könne den Wasserläufen 2c. nit nöthige Aufmerksamkeit widmen. Das lag daran, daß eine trom-Baudirektion fehlte. Diese soll nun geshafen werden. Das ber-Präfidium Berlin soll nah der „Kreuzzeitung“ und Herrn Irmer alter bistorischer Gedanke sein. Die heutigen Verwaltungs- verbältnifse können mit jener Zeit nit verglichen werden. Der ver-Präsident für Berlin hat 1808 gar niht Gestalt gewonnen ; die telle ist nie beseßt worden. Es handelte ih damals überhaupt nur 1 cin Polizei-Präsidium mit höherem Nang. Es war auch ein IÆr-Prâfident für Brandenburg und Pommern gemeinschaftlich in Aut genommen. 1815 und 1817 ift die jeßige Organisation der Vber-Präfidien geschaffen worden. Sympathie für einen be- ‘onderen Ober-Präsidenten ist in Berliz kaum zu bemerken, höchstens Yleichgültigkeit. Ich habe diese Einrihtunug nur getadelt, weil ich mittelbar eine s{äârfere Einschränkung der Selbst- erwaltung unter einem solchen Ober-Präsidium befürchte. Herr rmer hat allerdings eine wesentliche capitis diminutio für Berlin vorgeshlagen in Bezug auf die Bildung des Bezirks-Ausshusses. Man will die beiden Bezirks-Auss{üsse zusammenwerfen, sodaß Berlin darin far feinen Einfluß hätte. Man s\priht von Rechtseinheit ; diese hat E Lberverwaltungégericht herzustellen. Man spriht weiter von =ier Vivergenz der Interessen Berlins und der Vororte. Dieselbe bü, lest doch auch bei den übrigen Bezirls-Aus- len infihtlich der Grenzbezirke vor. Jh _muß egen diese iráeranfung „der Selbstverwaltung protestieren. Der Minister bat ide guf die Wohnungsverbältnisse hingewiesen, auf das Fehlen wobl Yursorge in großem Stil für die Wenigerbemittelten. Ein Es vollender höherer Beamter, meinte er, bätte längst das Richtige bah Die Wohnungéfrage kann doch niht ein wohlwollender Rinde Beamter lösen. E3_ spielt da eine Menge von Um- frago Mit. Was haben die Ober-Präsidenten für die Wobnungs- "ck geieitct, was haben die Minifter geleistet? Höchstens haben
Zweite Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.
Berlin, Montag, den 25. März
fie für die Beamten und Arbeiter bessere Wohnungen besorgt. Der Ober-Präsident von Potsdam hat {on mehrere MResfripte erlassen. Ja, wenn es nur auf Reskripte ankäme. Er hat einen Zeitungsartikel gelesen, {ickt ihn dem Berliner Magistrat und giebt ihm anheim, ein mustergültiges Statut in Bezug auf Heran- ziehung der Bauunternehmer zu den Straßenkosten u. \. w. abzufassen. Mir sagte ein Kommunalbeamter, so etwas sieht s{ön aus, aber es hat keinen Zweck, und es kostet nihts. Probleme aufzustellen, dazu braucht man keinen Ober-Präsidenten. Gestern Abend hat die Stadt selbst in der Stadtverordneten-Versammlung die Sache kräftig in die Hand genommen. Eine bureaukratishe Vorsehung soll die städtische Verwaltung leiten. Der Minister meinte ferner, unter einem Ober- Präsidenten würden die mißlihen Verhältnisse der Militäranwärter verschwinden. Diese Frage ist unter Theilnahme von Vertretern des Vber-Präsidiums u. f. w. berathen worden. Daß sie nicht gelöst werden konnte, liegt an den Verhältnissen selbst, an der Bestimmung, daß die Hälfte der Subalternbeamten der Stadt nah dem Neichsgeseßz aus Militäranwärtern bestehen muß. Das paßt nit mehr für die Stadt. Die Sekretäre müssen eine besondere Vorbildung haben, und die Militäranwärter können die Prüfung nicht bestehen. Es ist also nicht möglich, diefe Stellen zur Hälfte mit Militäranwärtern zu be- seßen. Die Selbstverwaltung Berlins wird mittelbar durch den Ober-Präsidenten beschränkt. Der Minister weist auf die größere Sachkenntniß und die persönlihe Fühlung des Ober - Präsidenten hin. Wenn das richtig wäre, so könnte man die Zabl der Beamten noch viel mehr vergrößern. Viele Aufsichtsbeamte führen nur eine unerwünshte Einmischung herbei. Berlin hat sich über die Ein- mischung des Ober-Präsidenten nicht nur, sondern auch der Minister, leßthin des Eisenbahn-Ministers, des Unterrichts-Ministers hinsichtlich des Lehrplans 2. zu beklagen. Wenn der Staat die Verwaltung selbst in die Hand nimmt, was soll dann von der Selbstverwaltung noch übrig bleiben? Das wird sich noch steigern, wenn ein Provinzial-Schulkollegium gebildet wird. Die Vororte von Berlin haben noch mehr Veranlaffung, \sich vorzusehen. Der Minister weist auf das rapide Wachsen derselben und auf die Un- gleihmäßigkeit der Abgrenzung bin. Darin wird nichts geändert. Am Nollendorfplaß müssen sich beide Ober-Präsidenten nah der Vorlage begegnen, und die Lage der Vororte wird dadurch noch \chwieriger, daß sich dieselben über jede neue Maßnahme auseinanderseßen müssen. Auch die Regelung der Wasserläufe der Spree und Havel müßte durch verschiedene Dber-Präsidialbezirke erfolgen. Herr Irmer hat die Ein- seßung eines Regierungs-Präfidenten vorgeschlagen. Der Name thut nichts. Die Frage ist niht, welchen Titel der Mann erhält, sondern wie viel Instanzen geschaffen werden. Es würde eine Instanz mehr geschaffen: Regierung, Ober-Präsident und Minister. Da- durch würden die Verhältnisse noch mehr ers{wert werden. Und wie würde das Verhältniß des Regierungs - Präsidenten zum Polizei-Präsidenten? Die nothwendige Folge des Geseßes würde das Ausscheiden der drei Städte aus dem Provinzialverbande sein. Die industrielle Entwickelung derselben*können Sie nicht aufhalten, höchstens ers{chweren. Berlin foll als Wasserkopf die anderen Be zirke aufsaugen. Was würde aber aus den ländlißen Bezirken, wenn sie keinen Absay nach Berlin hätten? Das Ausscheiden der drei Städte ist einfah ein Aft der Gerechtigkeit, denn ihre Beiträge zum Besten der Provinz Brandenburg fteßen in keinem Verhältniß zu dem Nutzen, den sie davon haben. Die Orte um Berlin sind keine Landgemeinden, sondern Fndustrieorte. Wilmersdorf, Lichtenberg und Neu-Weißensee müssen Stadtrecht er halten. Statt dessen macht man ihnen Schwierigkeiten, ebenso wie Schöneberg und Friedenau in Bezug auf ihre Vereinigung. Die proviforishen Zustände, die dort herrschen, müssen bei der rapiden Entwickelung dieser Orte äußerst nachtheilig wirken. Die Kreise Teltow und Niederbarnim sind viel zu groß. Jch bin seiner Zeit ein Gegner der Provinz Berlin gewesen, weil entweder Berlin oder die Vororte majorisiert werden würden. Heute lieger die Sachen wesentlich anders. Damals hatte Charlottenburg noch nicht den zehnten Theil der jeßigen Einwohnerschaft. Man fann ja die Umgegend von Berlin zu einem Kommunalverbande zusammenfafsen, in der Form eines Bezirks-Kommunalverbandes, wie es vor 25 Jahren geschehen sollte, und wie es zum theil geschieht. Es handelt sich hier weder um eine liberale, noch um eine fonser vative Frage. Es sollte kein Stückwerk gemacht werden, fondern ganze Arbeit.
Minister des Jnnern Freiherr von Nheinbaben:
Meine Herren! Ich kann mit dem Abg. Richter durchaus a1 erfennen, daß diese Frage weder eine Frage der konservativen, noch der liberalen Seite ist, sondern einfa eine Frage der Zweckmäßigkeit, und als solche ist sie auch seitens der Staatsregierung durchaus behandelt worden. Der Herr Abg. Richter bat im Eingang seiner Ausführungen den Gesetzentwurf einen Lappen genannt. Meine Herren, der Geset: entwurf {ließt sih an einen Vorgang im vorigen Jahre an, an ein geseßzgeberishes Werk zur Negelung der volizei lien Verhältuisse in den Vororten, das die Zustimmung dieses Hauses wi es anderen Hauses, also des Landtags, gefunden hat. Der vorliegende Gesetzentwurf baut also auf einer Basis weiter, die von diesem Hause wie vom Herrenhause als eine rihtige anerkanntJworden ift. Allerdings gebt der Entwurf nur so weit, als es nothwendig ift, den Zweck zu erreichen, und [öst insbesondere den fommunalen Zusammenhang mit der Provinz nicht, weil dies nit er forderlich ist, um die regiminelle Seite der Sache angemessen zu regeln. Jch glaube also, der Vorwurf, daß es \sih hier um einen Lapven, um ein unorganisatorishes Flickwerk handele, ift nit begründet
Der Herr Abg. Richter ist dann zunäcst als Anwalt der Provinz Brandenburg aufgetreten. Er hat gesagt : Au vom Standpunkt der Provinz Brandenburg sei es nicht erforderli, eine derartige Regelung vorzunehmen. Er hat darauf bingewiesen, daß die Rbeinprovinz noch mehr Einwohner hat als die Provinz Brandenburg und doch der Ober-Präsident in der Lage fei, feines Amtes in vollem Maße zu walten. Meine Herren, es kommt nicht bloß, wie ih eingangs bemerkt habe, auf die Bevölkerungsziffer an, sondern es komt bei der Frage der Theilung des Ober-Präsidiums in Potêdam sehr wesentlich auch darauf an, daß ihm so vollkommen diéparate Aufgaben gestellt sind, so volllommen beterogene Aufgaben einerseits in der Provinz und dann in der Stadt Berlin. Außerdem habe ich darauf bingewiesen, daß der Ober-Präsident, abgeschen von der Kommunalverwaltung, in der geseßlih ihm zu- gewiesenen Behandlung der Börsenangelegenhbeiten, in der Leitung des Provinzial-Schulkollegiums ganz außerordentlich wichtige, anderweitige Aufgaben zu lösen hat.
Der Herr Abg. Richter bat dann gewissermaßen anerkan der Ober-Präsident bisher niht in der Lage gewesen sci, fih v landwirtbshaftliden Interessen der Provinz anzunehmen aber darauf zurückzuführen, daß eine eigene Strombaudirektion
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habe. Eine eigene Strombaudirektion konnten wir nit hafen; wir konnten nicht dem Ober-Präsidenten die Kompetenz in dieser Be- ziehung übertragen, weil er {on überlastet war und nicht ein so großes Maß von neuer Arbeit übernehmen konnte, wie es die Leitung der ganzen brandenburgischen Ströme mit \ich bringt.
Dann hat der Herr Abg. Richter das Bedürfniß des Geseßz- entwurfs au von dem Standpunkte Berlins aus bestritten: er erklärte, daß ein Interesse für den Geseßentwurf in Berlin nicht vorhanden sei. JIch erlaube mir, in dieser Beziehung seinen Aus- führungen gegenüber hinzuweisen auf Ausführungen, die der verstorbene Ober-Bürgermeister Zelle gemacht hat. Nach einem, soweit ih sehen kann, von feiner Seite widersprohenen Zeitungsberiht hat der beim- gerufene Ober-Bürgermeister Zelle sich durhauë für den Gedanken der Errichtung eines besonderen Ober-Präsidiums in Berlin aus- gesprochen; ih bitte um die Erlaubniß, in Kürze cinige dieser Aus- führungen mittheilen zu dürfen. Er spriht sh dahin aus:
In der Ernennung eines eigenen Ober-Präsidenten von Berlin vermag ich in feiner Hinsicht eine Schädigung, Minderung oder Beeinflussung der ftädtishen Selbstverwaltung zu erblicken — wenn Minister von Rheinbaben seiner inneren Ueberzeugung Ausdru ver- liehen hat, und daran ift nicht im mindesten zu zweifeln.
Wenn alfo Herr von Nheinbaben im Hinblick auf die notorische und mir aus langjähriger Thätigkeit genugsam bekannte Ueber- bürdung mit Geschäften, unter welcher der bisherige und jeßige Ober-Präsident der Provinz Brandenburg und der Stadt Berlin zu leiden hat, das genannte Amt in zwei Hälften theilen, d. h. der Provinz Brandenburg und der Stadt Berlin je einen eigenen Ober-Präsidenten geben will, so ift diese Theilung nicht nur nicht zum Nachtheile der Stadt Berlin, sondern sie wird von allen Ein sichtigen und mit den Verbältnissen Vertrauten mit Freuden begrüßt werden. I
Der Magistrat hat es dann leiht, ch mit dem Ober-Präsi denten in Verbindung zu setzen, da er an ein- und demselben Orte mit ihm weilt, die Stadtverordneten desgleihen und der Ober- Präsident selbst könnte seinerseits in Differenzfällen und dergleichen ih leiht Aufklärung schaffen, indem er die in Betracht kommenden Persönlichkeiten leiht fprehen könnte. Wie oft hat Herr Achen bah — und dieser kam oft und gern nach Berlin es nicht be- dauert, daß er als „Ober-Präsident von Berlin“ in Potsdam wohnte, und wie oft bin ih in eiligen Fällen nach Potsdam behufs Nücksprache gefahren und habe den Herrn Ober-Präsidenten dann niht angetroffen !
Auch die Stadtverordneten hätten ihren Vortheil von einer räumlihen Zusammenlegung der Behörden.
Dann kat der Herr Abg. Nichter meine Bemerkungen bemängelt die ih, glaube ih, bei der ersten Etatslesung gemacht habe, daß auf dem Gebiete der Wohnungsfürforge in Berlin nicht das Nöthige ge schehen sei. ch bedaure, diese meine Bemerkung aufrecht erhalten zu müssen. i der Gestaltung der ganzen bau liden Ve e in Berlin, namentlich in der Gestaltung des Flucht linienplans, der große, durhgehende, kostspielige Straßen vorsieht, auf das Wobnungsbedürfniß des kleinen Mannes nicht genügend Nücksicht genommen ift, und ih erinnere daran, daß die Bauordnung von 1897, dic angemessene Höfe sicherte und das Bewohnen von Kellerräumen 2c. einshränkte, niht die Zustimmung des Magistrats gefunden bat, fon dern daß diese Zustimmung ergänzt werden mukte.
r Herr Abg. Nichter sagte: was haben die Minister gethan?
Ich darf dem gegenüber konstatieren, daß wir durhaus bemüht gewesen sind, auf administrativem Gebiete, wie auch durch Jnangriffnabme von Gesetzen auf dem Gebiete der Wohnungsfürsorge vorwärts zu kommen. Es sind die Arbeiten zur Aufstellung eines Wobnunasgesetes in vollem Gange, und ih hoffe, daß diese Arbeiten Erfolg begleitet sein werden
Œbenfo B ih die C gegen den Vorwurf in
Dhutz nebmen, daß fie auf diesem Gebiete nihts gethan baben. Mit j t hat der Herr Ober-Präsident in Potsdam ‘den Magistrat er- sucht, der Wohnungsnoth seine besondere Aufmerksamkeit zu {enken Jch glaube, dem Ober-Präfidenten ist daraus kein Vorwurf zu machen, sondern es ist ibm zu danken, daß er gebeten hat, diese Sache nah
Möglichkeit jeßt voran zu bringen.
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Was die Verhältnisse der Militäraawärter betrifft, so wird meines Wissens von der jeßigen ftädtishen 2 erkannt, daß früher Mißstände seitens der Stadt vorgekommen find. Der Herr Abg. Richter sagt, der Mißstand läge in in der Gesetzgebung des Reichs. Die Gesetzgebung Recht daran gethan, daß fie den Kommunen die alten Soldaten zur Pflicht gemacht hat, und früber eine Verwaltungsprarxis eingeführt, die niht möglich machte, in dem Maße in kommen, wie es in der Absicht des jetzigen Verwaltung durchaus aber diese Jahrzebnte zurück liegenden Schäden find naturgemäß schwer zu beseitigen: denn wir können Zivilanwärter, die der des Gesetzes zuwider in Stellen gelangt find, natürlih nit wieder aus diesen Stellen ent- fernen; das würde eine zu große Unbilligkeit gegen diese Beamten sein. Dann hat der Herr Abg. Richter noch erwähnt die, wie er si auédrückte, Einmischung des Herrn Kultus-Ministers in die Schul- verhältnisse von Berlin. Es handelt fich darum, ob der Schulplan zweckmäßigerweise mit § Jahren abzustufen ist oder mit 6 Jahren. Mit 6 Jahren kommen die Kinder auf die Schule, mit 14 Jahren verlassen sie sie; das giebt einen Zeitraum von acht Jahren; es würde danach zweck- mäßig sein, eine Abstufung nah acht Jahresklassen vorzunehmen. Die Stadt Berlin hat eine Abstufung nah sechs JIabreéfklafsen; die Folge davon ist, daß die gut veranlagten Kinder nah sechs Jahren bereits in der ersten Klasse sind und dreimal dasselbe Pensum in der erften Klasse durchmachen. Jch bin darüber zufällig unterrichtet, und infolge dessen hat der Herr Kultus-Minister eine Aenderung in dem Verfahren:
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