1901 / 99 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 27 Apr 1901 18:00:01 GMT) scan diff

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Die Majore: Frhr. v. Hammerstein, aggreg. dem 10. Inf. Regt. Nr. 134, v. Kaufmann, Bats. Kommandeur im 14. Inf. Regt. Nr. 179, unter Versetzung zum Stabe des 2. Gren. Regts. Nr. 101 Kaiser Wilhelm, König von Preußen, zu Oberstlts. be- fördert, Gadegast, beauftragt mit. Führung des 2. Ulan. Regts. Nr. 18, zum Kommandeur dieses Regts. ernannt, v. T\chir\{chky u. Bögendorff, beim Stabe des 1. Königs-Hus. Regts. Nr. 18, unter Verlegung zum 2. Königin-Hus. Net. Nr. 19, mit Führung des- selben beauftragt, Lippe, aggreg. dem 7. Inf. Regt. Prinz Georg Nr. 106, als Bats. Kommandeur in das 14. Inf. Negt. Nr. 179 verseßt. Bucher, Major im 1. (Leib-) Gren. Regk. Nr. 100 und Adjutant beim Gen. Kommando XII. (1. K. S.) Armee-Korps, Lucius, Major à la suite des 11. Inf. Negts. Nr. 139 und Eifen- bahn-Linien-Kommissar, Leuthold, Major im Generalstabe der 1. Div. Nr. 23, ein Patent ihres Dienstgrades verliehen. Keil, Major im 1. Königs-Hus. Regt. Nr. 18, unter Enthebung von dem Kommando als Adjutant beim Gen. Kommando XII. (1. K. S.) Armee-Korps, zum Stabe des genannten Regts. verseßt. S

Die Hauptleute: Baumgarten-Crusius, Komp. Chef im 6. Inf. Negt. Nr. 105 König Wilhelm 11. von Württember , unter Aggregierung bei diesem MNegt.,, zum überzähl. Major befördert, Allmer, Komp. Chef im 1. Jäger-Bat. Nr 12, als Adjutant zur 4. Div. Nr. 40 kommandiert, Frhr. v. Ompteda im 7. Inf. Regt. Prinz Georg Nr. 106, in dem Kommando als Adjutant von der 4. Div. Nr. 40 zum Gen. Kommando XII. (1. K. S.) Armee- Korps übergetreten, Frhr. v. Oldershausen im l Jäger- Bat. Nr. 12, untèêr Enthebung von dem Kommando als Adjutant der 1. Inf. Brig. Nr. 45, zum Komp. Chef in diesem Bat. ernannt, Eulit im Generalstabe, zugetheilt dem topographishen Bureau des Generalstabs, zum Generalstabe XIX. (2. K. S.) Armee-Korps ber- seßt, Schulz, à la suits des 2. Gren. Negts. Nr. 101 Kaiser Wilhelm, König von Preußen, Intend. Assessor und Vorstand der Intend. der 4, Div. Nr. 40, zum Intend. Rath ernannt, Bo ck v. Wülfingen, Komp. Chef im Schüten- (Füs.) Negt. Prinz Georg Nr. 108, als Adjutant zur 1. Inf. Brig. Nr. 45 kommandiert.

Die Oberlts.: v. Kir bach im 2. Gren. Regt. Nr. 101 Kaiser Wilhelm, König von Preußen, unter Ing in das 5. Inf. Regt. Prinz Friedrih August Nr. 104, zum überzähl. Hauptm., Haevernick im 4. Inf. Regt. Nr. 103, unter Verseßung in das 11. Inf. Negt. Nr. 139, v. Wuthenau, Feller im Schüßen- (Füs.) Negt. Prinz Georg Nr. 108, zu Hauptleuten und Komp. Chefs, leßterer vor- läufig ohne Patent, Hentsch im Generalstabe, unterer Belassung in dem Kommando beim Königl. preuß. Großen Generalstabe, zum Hauptm., Frommelt, Lt. im 9. Inf. Regt. Nr. 133, v. Hart- mann, L. im 4. Inf. Negt. Nr. 103, zu Oberlts., befördert.

Den MNittmeistern und Eskadr. Chefs: Ernst Graf u. Edler Herr zur Lippe-Biesterfeld-Weißenfeld im Garde-Reiter-Regt., y. Wolffersdorff im 2. Ulan. Negt. Nr. 18, Garten-Kraft im Karab. Negt, Patente ihres Dienstgrades verliehen. Georg Graf u. Edler Herr zur Lippe - Biesterfeld - Weißenfeld, Lt. à la suite der Armee, zum Nittm. befördert. Nicolai, Hauptm. und Battr. Chef im 2. Feld-Art. Regt. Nr. 28, unter Verleihung eines Patents seines Dienstgrades in den Generalstab verseßt und dem topographishen Bureau des Generalstabes zugetheilt. Geridcke, Oberlt. im 2. Feld-Art. Negt. Nr. 28, zum Hauptm. und Battr. Chef, vorläufig ohne Patent, Stecher, Lt. im 4. Feld-Art. Regt. Nr. 48, Wolf, Lt. im Fuß-Art. Regt. Nr. 12, zu Oberlts., befördert. Fortmüller, Hauptm. im Generalstabe des XIX. (2. K. S.) Armee-Korps, als Komp. Chef in das 6. Inf. Regt. Nr. 105 König Wilhelm 11. von Württemberg, Loesche, Oberlt. im 1. Pion. Bat. Nr. 12, in das 11. Inf. Negt. Nr. 139, verseßt. Mirus, Lt. im 1. Pion. Bat. Nr. 12, zum Oberlt. befördert.

Die Unteroffiziere: Pren ner im 2. Königin-Hus. Regt. Nr. 19, Hanitsch im 2. Feld-Art. Negt. Nr. 28, Uhlemann im 1. Train- Bat: Nr. 12, zu Fähnrichen ernannt. E

20. April. Edler v. der Planiß, Gen. der Inf.. Staats- und Kriegs-Minister, à la suite des 1. (Leib-) Gren. Regts. Ir. 100

estellt.

M Abschiedsbewilligungen. Im aktiven Heere. 19. April. v. Haugk, charakteris. Gen. Major z. D., zuleßt Kommandeur der 2. Kav. Brig. Nr. 24, ein Patent seines Dienstgrades, v. Göß, Oberst z. D., zuleßt Kommandeur des 4. Inf. Regts. Nr. 103, der Charakter als Gen. Major, Weigandt, Oberstlt. z. D., zuleßt im 10. Inf. Negt. Nr. 134, v. Carlowiß, Oberstlt. z. D., zuleßzt Kommandeur des 1. Königs-Hus. Negts. Nr.18, der Charakter alsOberit, v. Cbrenthal, Hauptm. a. D., zuleßt Komp. Chef im 4. Inf. Negt. Nr. 105, der Charakter als Major, Kaurisch, Oberlt. z. D., zuletzt im 2. Jäger-Bat. Nr. 13, Saxe, Oberlt. a. D., zuleßt im 11. Inf. Negt. Nr. 139, der Charakter als Hauptm., v. Meding, Oberlt. z. D, zuleßt im 2. Königin-Hus. Regt. Nr. 19, der Charakter als Nittm.,, verliehen. Frhr. Dppen v. Huldenberg, Oberst, beauftragt mit Führung der 2. Kav. Brig. Nr. 24, in Genehmigung seines Abschiedsgesuhs mit Pension und der Erlaubniß zum Forttragen der Uniform des Garde-Reiter-Negts. mit den vorgeschriebenen Äb- zeihen, Grosse, Oberstlt. beim Stabe des 2. Gren. Negts. Nr. 101 Kaiser Wilhelm, König von Preußen, unter Verleihung des Cha- rakters als Oberst, in Genehmigung seines Abschicdsgesuhs mit Pen- fion und der Erlaubniß zum Forttragen der Negts. Uniform mit den vorgeschriebenen Abzeichen, zur Disp. gestellt. v. Aspern, Hauptm. und Komy. Chef im 11. Jnf. Regt. Nr. 139, mit Pension und der Erlaubniß zum Tragen der Uniform des 6. Inf. Negts. Nr. 105 König Wilhelm Il. von Württemberg mit den vorgeschriebenen Abzeihen der Abschied bewilligt. Meyer, Hauptmann à la suito des 10. Inf. Regts. Nr. 134 und Intend. Assessor bei der Intend. XIX. (2. K. S.) Armee-Korps, unter Ernennung zum Intend. Nath, zu den Offizieren der Nes. des genannten Regts. übergeführt. Richter (Rudolph), Hauptm. à la suite des 3. Feld-Art. Regts. Nr. 32, mit Pension und der Erlaubniß zum Tragen der Armee-Uniform, Kloß, Lt. im 4. Inf. Regt. Nr. 103, der Abschied bewilligt. Freyer, Fähnr. im 7. Feld-Art. Negt. Nr. 77, zur Res. beurlaubt.

Im Sanitäts-Korps. 19. April. Dr. Herbach, Stabz- und Bals. Arzt des 2. Bats. 8. Inf. Negts. Prinz Johann Georg Nr. 107, von dem Kommando zum Stadt-Krankenhause in Dresden- Friedrichstadt unterm 30. April 1901 enthoben. Dr. Schöne, Oberarzt des 6. Inf. Negts. Nr. 105 König Wilhelm 1I. von Württemberg, unterm 1. Mai 1901 in das 10. Inf. Negt. Nr. 134 verseßt und zum Stadt - Krankenhause in Oresden- Friedrihstadt kommandiert. Die Assist. Aerzte: Dr. Schäfer des 2. Königin-Hus. Regts. Nr. 19, Dr. Scchnizlein des 9. Inf. Negts. Nr. 133, dieser unter Verseßung in das 6. Inf. Negt. Nr. 105 König Wilhelm T1. von Württemberg, zu Oberärzten befördert, Leupolt des 7. Inf. Regts. Prinz Georg Nr. 106, in das 9. Inf. Regt. Nr. 133 versetzt.

Kaiserliche Marine.

Offiziere 2. Ernennungen, Beförderungen, Ver- seßungen x. Kiel, an Bord S. M. Linienschiffes „Kaiser Wilhelm 11.“, 18. April. v. Madai, Major und Kommandeur des 1. See-Bats., zum Oberstlt, Zuehlke, Lt. in der Marine-Pion. Komp. des Ostafiat. Erpeditionskorps, zum Oberlt., vorläufig ohne Patent, befördert. 2 i

Kiel, an Bord S. M. Linienschiffes „Kaiser Wilhelm [1L.“? 19. April. Weizsaecker, Böters, Heusinger v. Waldegg, Kehrhahn, v. Bonin, Kellermann, Kroll, Schraube, Kreidel, Prause, Mechlenburg, Angermann, Steinbrinck, Kaiser (Friedrich), Gere, A stheimer, Gadow, Mathy, Firle, Tholens, Kleine, Stübel, Aye (Karl), Heidsieck, Stapenhorst, Hermann (Wilhelm), Lomberg, Clauséen, v. Mücke, Doflein, Frhr. v. Bodenhausen, Rabe v. Pa pen- heim, v. Wachter, Kunau, Nettberg, v. Conrad, Nebesky, Engelking, Brix, Ade (Georg), Wilcke, Kranefu ß, v. Neppert, Jansen, Frhr. v. Forstner, Goldenstedt, Schaper, Buschbeck, Schapler, Jeneßky Schultze (Otto), Faber (Bruno), Pasquay, Fengler, Brettschneider (Friedri ch),

Diestel, Shlawe, Kind, Clarenbah, Sommerfeld, Rießs\ ch, Wolf, B icber, Klein, Berg, Beeliß, Pierstorff, Lamprécht, Frhr. Röder v. Diersburg, Loewenherz, Spies, Walther (Ernst), v. Rosenberg-Grusczynski, Wernecke, v. Nicht- hofen, Wolfram, - v. Werner, Spinn, Schäfer (Her- mann), Matthiae, Trenk, Kobligk, Plange, Mayer (Kon- radin), Becker (Walter), Beckert, Pfübßenreuter, Wagen- führ, Nißshe, Walter (Erich), Kraushaar, Petersen, Fürbringer, Zimmermann, Schepke, Groos, v. Joeden, chlenzka, Hormel, Linde, Dortshy, Hornbostel, Kolbe, ausfer, Frhr. Treusch v. Buttlar-Brandenfels, Viertel, Beer (Nobert), Kautter, Witte (Wilhelm), Barckhausen, anl Feldt, Frhr. v. Schleiniß, Schött, v. Sodenstern, Brauer, Quaaß, Stüler, Büchsel (Theodor), Bergold, Wiebalck, Behrendt, Korndörfer, Boemack, Shaarshmidt, Gréus, Scheel, Shumacher, Koch, Clare gen. Peile, Loewen- berg, Shwerdtfeger (Paul), Wiersbißky, Bredschneider (Ens), Sts v. Koblinskt, v; Zamory, Stabbert, Gansser, Baer (Erich), Loewe (Ddo), Schreiber, Mus- hade, Weiß, Spillner, v. Mohl, Killmann, Herrmann (Marx), Mende, v. Saldern, Schondorff, Hernmark, Heyroth, Bertelsmann, En Hoppenstedt, Listmann, v. Wittgenstein, Frhr. v. Doernberg, Baum, Sturm, Frhr. v. Bothmer, Kux, v. Bülow, Siewert, L Steffens, v. Leipziger, Frhr. v. Sell, Rommler, Sandleben, Klöpper, Forstmann (Walter), Fribshe, Berding, v. Hedemann, Homeyer, Frhr. v. Steinäcker, Osterburg, Weidgen, Meine, Wehowsky, Röpke, Brandt, Duncker (Otto), Nick, Schröder (Heinrich), Martini (Walter), Laporte, Fuisting, Moeller, Detring, Seekadetten, unter Ertheilung des Zeugnisses der Neife zum Fähnr. zur See, zu Sähne richen zur See, unter Feststellung ihres Dienstalters in vorstehender S En OIgE, Katter (Erich), Seekadett, zum Fähnr. zur See, vefördert. Kiel, an Bord S. M. Linienschiffes „Kaiser Wilhelm TI.“, 20. April. Oskar Graf v. Plat@n zu L NUS Kapitänlt., Flügel-Adjutant Seiner Majestät des Kaisers und Königs, von der Stellung als Militär-Gouverneur der F cingui August und Oskar von Preußen Königliche Hoheiten enthoben und zum dienstthuenden &Slügel-Adjutanten Seiner Majestät des Kaisers und Königs „er- nannt. v. Usedom, Kapitän zur See, Flügel-Adjutant Seiner Majestät des Kaisers und Königs, zugetheilt dem Oberbefehlshaber über die verbündeten Truppen in Ost-Asien, tritt, unter Enthebung von dieser Stellung, zur Verfügung des Chefs der Marinestation der Ostsee. Kehrl, VDberlt. zur See a. D., nahträgliich der Charakter als Kapitänlt. verliehen sowie die Erlaubniß, die Uniform dieses Dienstgrades mit den für Verabschiedete vorgeschriebenen Abzeichen zu tragen.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

60. Sißung vom 26. April 1901, 1 Uhr. Auf der Tagesordnung steht die erste Berathung des

von den Abgg. von Bockelberg (kons.) und Genossen ge- stellten, von den Freikonservativen und Mitgliedern des Zentrums unterstüßten Antrags auf Annahme eines Ge- seßentwurfs , betreffend die Beförderung der inneren Kolonisation. :

Nach diesem Entwurf soll der Regierung ein Fonds von 12 Millionen Mark zur Errichtung von Rentengütern von mittlerem und fkleinem Umfange zur Verfügung gestellt werden. Zur Ausführung des Geseßes sollen in den einzelnen Provinzen „Ansiedelungsstellen“ errihtet werden, die aus dem Ober-Präsidenten, dem Landes- Direktor, einem vom Landwirthschafts-Minister bestellten Mitgliede der General- Kommission und aus drei von der Landwirthschaftskammer gewählten landwirthschaftlichen Sachverständigen bestehen sollen. Die gesammten Geldgeschäfte sollen der Seehandlung über- tragen werden.

Abg. von Bockelberg: Die Bestrebungen, welche den Inhalt des Antrages bilden, sind seit Jahren von uns wiederholt hier ver- treten worden. Nach diesem Vorgang erwarteten wir, daß die Re- gierung in dieser Session uns eine Vorlage über die innere Koloni- sation machen würde. Das ist nicht gesehen. Wir glauben deshalb, daß es an der Zeit sei, mit cinem selbständigen Antrag hervorzutreten, welcher diese hohbedeutsame Aufgabe in Ängriff nimmt. In allen großen Kulturländern mit Großgrundbesiß sind infolge der Ver- theuerung der landwirthschaftlichen Ben und der Ver- minderung der Grundrente Verschiebungen in der landwirthschaft- lihen Bevölkerung eingetreten. Wir befinden uns in dieser Beziehung einer sehr starken Bewegung gegenüber. Die innere Kolonisation ist deshalb eine Aufgabe von volkswirthschaftlicher und sozialer Bedeutung. Nach einer hundertjährigen Pause hat die Re- gierung erst wieder mit dem Gesey vom 26. April 1886, dem An- jiedelungsgeseß, die innere Kolonifation in Angriff genommen. Das darin angelegte Staatskapital hat sich in angemessener Weise verzinst. Die Rentengutsgeseßze von 1890 und 1891 bedeuten aber keine staat- lihe Kolonisation, -sondern fördern nur die private Kolonisation. Die Rentengutsgeseze haben ihre Bedeutung für die innere Koloni- sation leider wieder verloren Der Rentengüter bildende Grundbesitzer ist kein geeigneter Kolonisator; der Grundbesißer, der auftheilen will, ist nur bestrebt, ein Grundstück so {nell als möglich loszuschlagen; Wucherer und Händler haben \ich zwischen die Grundbesißer und die General-Kommission gedrängt. Die Rentenbanken haben sich gleichfalls nicht bewährt. Die in Berlin 1895 gegründete Landbank hat zwar in den ersten Jahren sih der Nentengutsbildung gewidmet, dieser ihr eigentlicher Zweck trat aber bald wieder in den Hintergrund. Heute ist daraus lediglich ein Handelsgeshäft in Gütern geworden, durch das fie guten Gewinn erzielt; die sozialen Rüsichten treten zurück, der Gewinn ist die Hauptsache; das ist der heutige Stand des Gütermarktes. Deshalb müssen wir das Kolonisationswerk auf richtiger volkswirthschaftlicher Grundlage planmäßig von Staatswegen in die Hand nehmen. Der Staat muß felbst dig Liegenschaften ankaufen und auftheilen. Der Redner geht sodann auf den Inhalt des Antrages näher ein, bleibt aber zum großen Theil unverständlich, da er abgewendet spriht. Er führt aus, daß die vorhandenen Behörden nicht geeignet fein würden zur Aus- führung des Gesetzes, und daß besoudere Ansiedelungss\tellen ge-

bildet werden unen, die aber dem vorhandenen staatlichen Vrganismus, nämlich der Provinz, anzugliedern seien. Des-

halb sollten der Ober-Präsident und der Landes-Direktor daran betheiligt sein, ferner müßten die Ansiedelungsstellen auch mit der General-Kommission und s{ließlich mit der Landwirthschaftskammer in Verbindung gebraht werden. Nicht in jeder Provinz würde es allerdings nöthi sein, eine R s\telle zu bilden, fondern es solle nur nah Bedarf geschehen. Die Ansiedelungsstellen sollten ih auch zur Ausführung der Besiedelungen privater Unternehmunge!f be- dienen dürfen, natürlih immer unter der Aufsicht des Staates. Der Antrag werde der gesammten Volkswohlfahrt zum Segen gereichen. Er beantrage die Verweisung des Antrags an eine Kommi sion von 14 Mitgliedern.

Vize-Präsident des Staats-Ministeriums, Finanz-Minister Dr. von Miquel:

Meine Herren! Jh bin nicht ermächtigt, irgend eine bestimmte Stellungnahme des Staats-Ministeriums gegenüber diesem Initiativ- antrage auszusprehen. Es ist ja ein hoh bedeutsamer Antrag, der in feinen Konsequenzen sehr weit führt, und die Herren werden be- greifen, daß wir anwesende Minister nicht in der Lage sind, ohne Er-

mächtigung des Staats-Ministeriums zu der Vorlage bestimmt Stellung zu nehtnen. Was ih sage, sind also nur vorläufige Auf- fassungen, die sich im Laufe der weiteren Berathungen noch ändern können, fie haben nur einen persönlihen Charakter. Meine Herren Kollegen werden Gelegenheit nehmen, nahher au von ihrem Ressort- standpunkte aus \ich über die Frage zu äußern.

Meine Herren, was das Ziel betrifft, welches si dieser Antrag stellt, die Erleichterung der Zershlagung unhaltbarer Güter darauf muß man die Sache jedenfalls beschränken und zweitens die Besiedelung derselben mit mittlerem und kleinerem Besi, fo hat die Staatsregierung in den leßten Jahren {on zur Genüge gezeigt, daß sie mit einem solchen Ziel durchaus einverstanden ist, und daß es ein soziales Bedürfniß ist, in dieser Beziehung, soweit das die ganzen Verhältnisse gestatten, au fördernd und unterstüßend seitens des Staats mitzuwirken.

Meine Herren, die erste Vorausfezung eines wirksamen Vor- gehens mit einer Besiedelung des Landes in diesem Sinne war die Kreierung des Rentengutsprinzips, war das Begreifen der Richtigkeit des Satzes, daß die Landwirthschaft eigentli keine Kapitalien ab- geben kann, fondern nur Renten, und die Vorausseßung, daß man eine größere Anzahl von Personen finden kann, die in der Lage sind, aus eigenen Mitteln wenigstens die Gebäude herzustellen, ein Feld- und Viehinventar anzuschaffen und bis zur nächsten Ernte sich zu halten, andererseits die Erkenntniß, daß sehr wenige Personen in der Lage sind, ein Gut käuflih zu erwerben, ohne sih vollständig in die Hand von Hypothekenbesißern zu geben, die ihnen keine Sicherheit für ihre dauernde Existenz gewähren. Nachdem dieser Saß von der Staatsregierung und von dem Landtage acceptiert ist, hat ih in dieser Beziehung bin ich mit dem Herrn Antragsteller nicht ganz einverstanden doch schon eine recht gedeihliche Ent- wickelung der Kolonisation ergeben. Wenn wir in den verhältniß- mäßig wenigen Jahren, seitdem diese Gesetzgebung in Geltung ift, dur die General-Kommission bereits über 8000 bäuerliche Besißungen geschaffen haben, wenn im großen Ganzen die Vorsorge Erfolg gehabt hat, daß die neu angeseßten Kolonisten wirklih existenzfähig bleiben und auch die Renten verhältnißmäßig nur in geringem Maße rüdckständig find, und wenn wir damit vergleichen, was in der Zeit mit dem Rentenguts- system geleistet worden ist durch die freie Thätigkeit, so können wir sagen: es ist doch hon ein bemerkenswerther Erfolg erreiht. Meine Herren, dieser Erfolg wurde ershwert einestheils durch den Mangel an Er- fahrungen unserer Behörden auf dem Kolonisationsgebiet. Die Er- fahrungen, die wir früher, namentlih unter Friedrich Wilhelm 1. und dem großen König erworben hatten, waren wieder verloren gegangen; man hatte \sich einfach begnügt mit dem Saße: das wird \i{ alles, wenn nur Freiheit des Grundbesißzes gegeben ist, von selbst entwickeln, wobei die Kolonifation ganz ‘in den Hintergrund gerieth.

Meine Herren, der Herr Vorredner hat doch auch nicht genügend gewürdigt das im vorigen Jahre bes{chlossene Geseß wegen Gewährung von Zwischenkredit bei Rentengutsbildungen. Er geht anscheinend von dem Gedanken aus, daß dieses Geseß keine nennenswerthe Wirkung habe, daß es auf die Kolonisation irgendwie erheblih fördernd nihteinwirke. Dabei hat er offenbar nicht berücksichtigt, daß das Gesetz eben erst allgemktiner bekannt geworden ist. Dennoch sind bei der See- handlung {on jeßt eine nicht unbedeutende Zahl von Anmeldungen Privater, die dieses Geseß für die Kolonisation benußen wollen, ein- gegangen. Es sind auch {hon wenn ih niht irre etwa + Million Mark für Zwischenkreditzwecke thatsächlih hergegeben. Auch ist es die Ansicht verschiedener Präsidenten der General- Kommissionen, daß in der neueren Zeit die Neigung, mit Hilfe dieses Geseßes Kolonisationen durchzuführen, wühse. Daß man überhauvt annehmen dürfe, daß felbst in den gefährdetsten östlitßen Provinzen, zu welhen ih namentlich Ostpreußen rene, die Neigung der arbeitenden Klassen, die sich Ersparungen gemacht haben, solche kleinen Güter auf der geseßlichßen Basis zu übernehmen, im Wachsen sei, das hinge mit der Nückströmung der Bevölkerung aus den Industriegebieten in die Landbezirke zusammen.

Wir können daher wohl nur sagen, wir haben noh keine volle Erfahrung, wie die bisherige Gesetzgebung in Zukunft wirken wird, Es mag dur gewisse Umstände, infolge der industriellen Konjunkturen in den leßten Jahren die Thätigkeit der General-Kommissionen hier und da etwas ins Stocken gerathen sein; das fängt aber jeßt, wie ih \{chon sagte, an, sich wieder auszugleichen. Außerdem sind die General-Kommissionen auf Anweisung der Staats- regierung bei den Nentengutsbildungen vorsihtiger geworden, als dies der Natur der Sache nach in der ersten Zeit der Wirksamkeit des Gesetzes bei dem Mangel an hinreihender praktischer Erfahrung auf diesem schwierigen Gebiet vielleiht öfter der Fall gewesen ist.

Meine Herren, mit dem vorliegenden Antrag soll nun ein Schritt weiter gegangen werden, man will Kommissionen einseßen staatlicher Natur, besondere staatliche Ansiedelungsorgane, welche sih aus\{ließlich des Kolonisationswerkes bemächtigen follen, und will dafür einen Fonds von 12 Millionen vom Staate anfordern. Es giebt ja gewiß viele Fälle, wo ein Gutsbesißer gern kolonisieren möchte, wo ‘es ihm aber zu \{wierig und lästig erscheint, alles, was hierzu erforderli wird, selbst durchzuführen, die Aufnahme des nöthigen Zwischenkredits, mit diesem in der Hand die Abstoßung der alten Hypotheken, _die Ausführung der Verbesserungen, die nothwendig auf einem Gute her, zustellen sind, welches bisher im Großbetriebe verwaltet ist, gegenüber den Rücksichten ‘des zukünftigen Kleinbetriebes an Wegen, Ent- wässerungen u. \. w., da“ mag es in vielen Fällen für einen Guts- besißer angenehmer sein, sein Gut im Ganzen zu“ verkauffn und das Auftheilungs- und Kolonisierungswerk dem Käufer, d. h. hier dem Staate, zu überlassen. Jch gebe auch zu, daß ein solches System die Raschheit der Durhführung des Kolonisationswesens erleihtern würde; Aber, meine Herren, das werde id \{werlich glauben, daß man dabe mit einem Fonds von 12 Millionen ‘weit kommen könnte, zumal die Wirkung des Geseßes nah dem Entwurfe der Herren Antragsteller sich über die ganze Monarhie erstrecken foll. Wenn 4 bis 5 Güter gleichzeitig gekauft werden, dann ist dieser ganze Betriebsfonds fon für eine geraume Zeit, mindestens für Jahresfrist, vielleicht auch für zwet oder noch mehr Jahre festgelegt, und dann sind keine Mittel mehr vorhanden, anderen Wünschen ähnliher Art und von gleicher Beo rechtigung entgegenzukommen; dann würde man naturgemäß gezwungen sein, den Fonds zu erhöhen, und zwar bis zu cinem Betrage, der ohne weiteres garniht abzuseßen ist.

Hierin liegt zunächst s{on ein erheblihes Bedenken: man E nit, wie weit da der Staat in der ihm zugedachten finanziellen Au gabe geführt wird. Noch viel bedenkliher würde es sein, wenn es

zugleich um Herstellung von Wohnungen durch den Staat handeln sollte, nicht bloß um Schaffung von ländlichen Besißungen und ländlichen Betrieben mittlerer und kleinezer Größe, wenn die Sicherheit allein in dem Hause liegen, wenn der Staat gewissermaßen hier generell die Verantwortlichkeit für die Befriedigung des Wohnungsbedürfnisses auf dem Lande oder in der Nähe der Städte übernehmen follte. Es ist mir indessen niht klar, ob die Herren Antragsteller einen folchen Zweck verfolgen. Würde ih der Staat in dieser Weise engagieren, so werden Sie die private Thätigkeit auf dem Gebiet der Wohnungsfürsorge, die Thätigkeit von Provinzen, Kreisen und Gemeinden mehr oder weniger lahmzulegen Gefahr laufen. Ich bleibe bei meiner Ansicht, daß die Befriedigung des Wohnungs- bedürfnisses generell vom Staate nicht übernommen werden kann und viel zweckmäßiger und praktischer, weil nach den örtlichen Verhältnissen ganz verschieden, in die Hand kleinerer Verbände gelegt wird.

Meine Herren, so sehr ih also den vorliegenden Antrag in feinen Zielen an sich billigen kann, so sehr die Staatsregierung wohl immer bereit sein wird, die Kolonisation des flachen Landes in denjenigen Gegenden unseres Vaterlandes, wo eine Verkleinerung der Besitzungen unbedingt nothwendig ist, zu fördern, so sehr ih davon durchdrungen bin, daß diese Kolonisation, die Bodenauftheilung mit einem Worte, keine8wegs bloß eine Sache der Privaten ist, so unentbehrlih hierbei eine wirksame staatliche Kontrole ist, weil hier ganz andere Interessen als bloß fapitalistishe Gewinninteressen in Frage stehen, nämli die dauernde Wohlfahrt der Bevölkerung, so sehr also von diesem Stand- punkt aus auch eine neue Anregung dieser Frage und ihre Diskussion erwünscht erscheint und es die Staatsregierung garnicht bedauern wird, daß dieser Antrag gestellt ist, so ernstlich werden doh auch die vorgebrahten Bedenken und es giebt noch andere als die von mir hervorgehobenen in Betracht zu ziehen sein, und es wird der Antrag in der Kommission jedenfalls eine sehr genaue Prüfung er- heischen.

Für die Staatsregierung kommt auch noch ein anderer Gesichts- punkt in Betraht. Wenn man durch staatlihe Organisationen im gegenwärtigen Augenblick diese Kolonisation und die Verwendung von Menschen dazu allzusehr betreibt, läuft man Gefahr, einen Theil der Thätigkeit der Ansiedelungskommission in den national-gemischten Landestheilen lahm zu legen. Es ist nit so leiht, meine Herren, auf einmal eine größere Anzabl von Menschen zu finden, die geeignet sind, solhe Kolonisation zu übernehmen. Wir haben dies bei der Ansiedelungskommission in Posen sehr empfunden. Ich will auf diese Sache niht weiter eingehen; aber ih glaube, sagen zu können, daß doh die tänner, welche die Ansiedelungskommission bilden und das Ansiedelungswerk praktisch üben, große Sorge haben, wenn jeßt {hon in gleihem Maße in den übrigen Pro- vinzen, von denen fie größtentheils ihr Ansiedlermaterial be- ziehen, die Kolonisation zu sehr forciert würde.

Meine Herren, so dringlich ist nicht in allen Provinzen des Staats diese Frage. Wer die Geschichte der Bodenauftheilung in den west- lichen Landestheilen, namentli in den Landestheilen sächsischen Ur- sprungs kennt, wo die Nömer nit geherrs{t haben, der weiß, daß dort ein ganz ähnlicher Entwickelungsprozeß, wie er sich jeßt in den östlichen Provinzen vollzieht, vor 300 bis 400 Jahren stattfand. Dort hat niemand geholfen, der Staat auc nit: die Entwickelung hat \sich von selbst vollzogen dur die Verhältnisse in sozialer und wirthschaft- licher Beziehung. Jch könnte Ihnen in dieser Beziehung cine Menge historisher Beweise vorlegen. Sie würden finden, daß die Sache da ohne staatlihe Hilfe ging.

Ich bin allerdings der Meinung: heute ist die staatliche Mit- wirkung und Kontrole nihl mehr entbehrlih. Heute liegt die Sache doch anders, als sie namentli in jenen westlichen Landestheilen damals lag, heute kann der Staat mit vollem. Recht si dieser Aufgabe der Mitwirkung widmen. Diesen Say habe ih immer vertreten. Ueber- haupt, meine Herren, auf keinem Gebiet ist die Theorie des bloßen Gehenlassens verkehrter als auf dem Gebiete der Bodenauftheilung. Wer die verschiedene Art der Einwirkung der Negierung und der deutschen Fürsten auf die Bodenauftheilung vom Mittelalter ab studiert hat, der weiß, daß wir heute noch überall die Spuren davon finden, wo die Fürsten sich nicht um die Erhaltung der Bauern bekümmert baben; wo ein schwahes Regiment war, sind die Bauern aufgesogen. Umgekehrt, wo man sie festgehalten hat in dem Schuß des Klein- besißes, da finden wir diesen Besiß auch heute noch in Kraft und Blüthe. (Sehr richtig !)

Nun, meine Herren, Sie müssen objektiv mit der Staatsregierung diese ganze Frage erwägen. Wir können die Sache heute hier nit zu Ende führen; ih bin au, wie gesagt, nicht berechtigt, dazu definitiv Stellung zu. nehmen. Jm Ganzen und Großen stehe ih ihr persönlih durchaus günstig gegenüber.

Meine Herren, man könnte vielleiht in einer Provinz eine be- sondere Dringlichkeit so wenig wir auch die Rücfsiht auf die Ansiedelungskommission in Posen bei Seite seßen dürfen —, be- haupten; das wäre Ostpreußen. Wenn man sieht, wie dort die Be- völkerung zurückgeht, daß dort der Uebershuß der Geburten über die Todesfälle längst überholt ist durch die Zahlen der Auswanderung, daß die Bevölkerung \ich positiv jahraus jahrein vermindert hat, dann fönnte man allerdings wohl auf den Gedanken kommen: hier ist ein Einschreiten des Staates unmittelbar nothwendig.

In den übrigen Provinzen, meine Herren, ist das nicht so der Fall, namentli nit in den westlichen Provinzen, die ja genügende, vielleicht hier und da schon eine zu große Theilung des Grund und Bodens haben. Da ist die Arbeiternoth auf dem Lande auf ganz andere Ursachen zurückzuführen.

Ich glaube, meine Herren, zuleßt noch anführen zu sollen, daß s zwar noch immer leiht ist, bei günstigen Bedingungen kleine und größere Bauern anzusiedeln, daß die Neigung, ein freier, selbständiger Mann zu werden mit eigenem Besiß, troß der Nisiken und Mühen, die damit verbunden sind, glücklicherweise in unserem Lande noch immer in einem umfangreihen Maße vorhanden ist. Aber ob dies auch bei den Arbeitern fo der Fall ist, ob diese gerne auf den Guts- besizungen eine eigene Wohnung haben wollen, das ist mir viel iweifelhafter; es ist auf der anderen Seite im Grunde dasselbe Gefühl, das Streben, frei zu sein, sich frei bewegen zu können, sich nicht an eine Scholle, die nur aus einem Hause besteht, zu binden, und da weiß ih nit, ob es überhaupt möglich scin würde, in größerem Umfange das Eigenthum an den Wohnhäusern auf dem Lande in die Hände der Arbeiter zu bringen. Das ist eine Frage, die jedenfalls wohl zu erwägen ift.

Also, meine Herren, wir stehen den Zielen, welche der Antrag verfolgt, durchaus nicht ablehnend gegenüber, wir freuen uns vor allem, daß die Bedenken, die namentlich auf der rechten Seite des Hauses ursprünglich gegen das Rentengutssystem, gegen die hierauf basierte Kolonisation laut geworden sind, daß die Befürchtungen, -man könnte zu weit gehen in der Verminderung des Großgrundbesißes, jeßt ganz zurücktreten. Jch bin immer der Meinung gewesen, daß der Glaube, der Großgrundbesiß in den östlichen Landestheilen fei ein Hinderniß kultureller Entwickelung und des Fortschrittes namentlich in der Land- wirthschaft, ein irriger ist. Ein erheblicher Theil des Großgrund- besißes wird immer im Interesse der landwirthschaftlihen Entwickelung selbst, von allen anderen Gründen abgesehen, erhalten werden müssen. Je mehr davon erhalten werden kann in einer foliden und die Aufgaben des Großgrundbesizes richtig erfüllenden Weise, desto weniger werden wir dies zu beklagen haben. Aber daß auf der anderen Seite eine Anzahl ‘von Großgrundbesitzern unter deù heutigen Verhältnissen nicht mehr zu halten ist, und daß es einen großen Fortschritt bedeuten wird, diesen Großgrundbesitz in blühenden Kleinbesit, in selbständige Éleinbäuerlihe Betriebe zu ver- wandeln, das ist auch vollkommen flar.

Ich hoffe also, meine Herren, wir werden uns in der einen oder anderen Weise verständigen. Wir müssen immer daran festhalten, so schr wir au das Werk der inneren Kolonisation beschleunigen möchten : es hat seine Grenzen. Eine solche Entwickelung kann stets nur all- mählih vor sich gehen. Die Mittel, die Friedrich der Große gebraucht hat, indem er die Einwohnerzahl auf die Quadratmeile in der Mark allein von 1100 auf 1500 gebracht hat, stehen uns heute nicht mehr zu Gebote. Es müssen erst eine Reihe von Umständen zufsammen- wirken, die einen rasheren Gang ermöglichen. Aber, wenn wir nur konsequent fortfahren auf diesem Gebiete, dabei uns hüten, die Sache zu überstürzen, stetig und dauernd fortgehen in derselben Nichtung, dann werden wir unser Ziel do erreichen. (Bravo! rechts.)

Abg. Sch mitz-Düsseldorf (Zentr.): Der Grundgédanke des An- trags ist uns im höchsten Grade sympathisch. Den Bedenken des

- Ministers kann ih mich nicht ganz anschließen. Wenn er meinte,

die Summe würde nit genügen, um das Ziel zu erreichen, fo ließe sih darüber in der Kommission reden. Zwölf Millionen sind genügend, weil das Kapital sich schnell umseßt. Allerdings würde dabei vorzugsweise der Osten in Betracht kommen. Darin bat der Minister recht. Das hat feinen Grund in der Entwickelung der Dinge, wie sie sih dort vollzogen hat. Wo heute der Großgrund- besiß vorherrsht, waren diese Striche früher übersäet mit einer Fülle bürgerlicher Besißungen. Leider sind diese Güter aufgenommen worden vom Großgrundbesig. Die Bauern sind herabgejunken zu bloßen Arbeitern. Friedrich Wilhelm IIT. sprach beim Beginn des vorigen Jahrhunderts die Erwartung aus, daß jedem Bauer cine eigene Scholle und darauf ein eigenes Heim geschaffen werde. Das ist nicht eingetreten. Nah den Schmoller’shen Ermittelungen war Ende der achtziger Jahre der Großgrundbesiß auf das Doppelte seit Anfang des Jahrhunderts angewachsen auf Kosten des kleinen Grundbesißes. Abhilfe kann nur langsam geschaffen werden. Das geht nur auf dem Wege der Ansiedelung und Nentengutsbildung. Der General-Kommission ist es gelungen, bis 1900 beinahe 9000 neue Rentengutsstellen zu shaffen. Mit der geplanten Ausführung des Antrags sind wir nicht ganz einverstanden. Die neue Aufgabe soll dem Ober- Präsidenten, dem Landes-Direktor und Mitgliedern der Landwictb- \hastskammer auferlegt werden. Doch cine Häufung von Behörden ist nicht am Plage. Warum sollen wir dadurch die General-Kommission aus dem Wege räumen. Es kommt doch nicht auf die amtliche Stellung, sondern auf die Befähigung der betreffenden Stellen an. Ist die General- Kommission nit ausreichend, so möge man sie entsprehend umge- stalten. Die Entscheidung durch den Bezirksaus\{uß und dann das Plenum des Ober-Verwaltungsgerihts wücde die [nelle Erledigung verhindern. Alle diese Bedenken könnên in der Kommission näher erörtert werden. Die ftaatlihe Autorität und staatlihe Mittel halten wir aber für die innere Kolonisation für durchaus nothwendig. Was die menschhlihe Gesellschaft zusammenhält, ist das Zusammen- wachsen mit der Scholle. Der Deutsche dürstet förmlih dana, auf diesem Wege sich sein Heim zu schaffen. Wird dieser Durst gestillt, so werden wir recht segensreiche Erfolge erzielen.

Abg. Gothein (fr. Bgg.): Auch meine Partei steht dem Grund- gedanken des Antrags sympathish gegenüber. Anders liegt die Frage, ob die Sache in der vorgeschlagenen Form gemacht werden kann. Wir wollen in der Kommisfion seben, ob der Antrag in eine Form gebraht werden kann, die allen Wünschen entspricht. Der Rückgang des Bauernstandes hat durch das Edikt von 1811 nicht aufgehalten werden können. Der bäuerlihe Grundbesiß war mit Gemeinde- und Schullasten so überbürdet, daß die Bauern vollständic leistungsunfähig waren. Der STELE N hat in den Perioden her Getreidepreise das Bestreben gehabt, sich zu arrondieren. Das war der Fall namentli zu der Zeit, als der Weizen 220 und der Roggen 180 Æ kostete. Da wurden die bäuerlihen Güter aufgekauft, auch in Pommern. Es ist im höchsten Grade wünschenswerth, die innere Kolonisation zu stärken, weil der landwirthschaftliche Betrieb sih immer mehr nach der Seite der Viehzucht verschieben muß. Diese Entwickelung sehen wir jeßt {on vor uns. Der Großgrundbesiß vermag thatsächlich niht so viel auf derselben Fläche zu ernähren, wie der Klein- besip, Die private Thätigkeit darf aber niht zurückgedrängt werden. Eine fkontrolierende Thätigkeit des Staats balten wir allerdings- für erwünsht. Man sollte sich aber nit darauf be- schränken, zu diesem Zweck Güter anzukaufen, sondern auch große Domänen dazu verwenden. Ich erinnere nur an die große Domäne von Sorau, die schr wohl zertheilt werden könnte. Wir theilen in vollem Maße die Bedenken, die der Vorredner über die Bildung be- sonderer Behörden eue hat. Wenn die General-Kommission au anfangs in der Zertheilung der Güter Fehler gemacht hat, so hat sie doch Erfahrungen gemaht und wäre sehr geeigiet, diese Sache auszuführen. Zu den einzelnen Fragen in diesem Städium Stellung zu nehmen, ist nicht zweckmäßig, die Kommission wird dazu der ge- eignete Ort sein.

Vize-Präsident des Staats-Ministeriums, Finanz-Minister Dr, von Miquel:

Meine Herren! Jh möchte einen Punkt noch nachholen, den ich vorhin vergessen habe. Der Herr Antragsteller hat sih schr ungünstig über die private, aus Kpitalistischen, aus Erwerbsgründen dur{- geführte Kolonisation geäußert. Jm großen Ganzen stehe ih zwar auf seinem Standpunkt, daß wir, um eine gesunde Kolonisation mit Herstellung von dauernd bestandfähigen Kolonisten zu erzielen, eine solhe private Thätigkeit nah Möglichkeit kontrolieren müssen. Jch stehe aber niht auf dem Standpunkt, daß wir die private Thätigkeit bei dieser großen Aufgabe ganz entbehren können. Das wollte ich, um Mißverständnissen vorzubeugen, noch besonders hervorheben.

Meine Herren, die Landbank sie ist ausdrücklich erwähnt, sonst würde ih dies niht anführen is in der leßten Zeit von der Herstellung kleinerer und mittlerer Güter mehr abgekommen. Ich habe mih, um mir hierüber Aufklärung zu vershaffen, mit den Herren in Verbindung geseßt und gefragt, warum sie diese Thätigkeit mehr oder weniger aufgegeben haben. Da habe ih erfahren, daß die Landbank si in der leßten Zeit allerdings wesentlich darauf beschränkt hat, größere Güter in vier, fünf Güter, die man aber noch nicht unter den Begriff einer bäuerlihen Wirthschaft bringen kann, zu zerlegen. Das

ist ihr namentlih deswegen offenbar sehr vortheilhaft erschienen, weil die aufgetheilten Besißunger dann in demselben Gutsbezirk bleiben, keinen neuen Gutsbezirk oder neue’ Gemeinde bilden und folgli auch feine fommunalen Lasten, Schul- und Armenlasten u. \. w., zu tragen haben. Jch habe das für fehr bedauerlich angesehen. Die Herren haben mir infolge dessen ein Tableau der Lasten überreicht, welche ihnen von den Behörden der einzelnen Provinzen in ganz ver- schiedener Höbe auferlegt worden sind, und die allerdings, wie mir schien, zum theil eine solhe Höhe erreichten, daß ste für eine Gefell- schaft, die doch thatsählich etwas verdienen, ihr Kapital rentabel machen will, uners{chwinglich zu sein \{ienen. (Abg. Krahwinkel: Hört, hört!) Jh habe mich infolge dessen mit dem Herrn Land- wirthschafts-Minister in Verbindung gesezt und glaube, daß wir in dieser Beziehung doch gewisse allgemeine Grundsäße den Behörden vorschreiben müssen (sehr richtig! und Bravo!), damit nicht die Fest- seßung der Lasten willkürlich oder nah der rein subjektiven Auffassung der betreffenden Verwaltungsbehörde erfolgt. Die Verhandlungen darüber {weben noch. Möglicherweise bekommen wir dadurch in das ganze Wesen auch mehr Ordnung, Planmäßigkeit und Klarheit. Ich möchte dies doch fagen, um unrichtige Beurtheilungen der privaten Thätigkeit wenigstens soweit wie möglich auszuschließen.

Entbehren können wir die private Thätigkeit bei dem lonifationswerk nicht ganz; wir können auß nach Reichsgeseß die Theilung eines Grund und Bodens nicht bieten. Es ist klar: die Kolonisationsaufgabe is so groß, daß in manchen Fällen eine private Gesellschaft, die in vernünftiger, maßvoller Weise vorgeht, doh auch den Staatsinteressen sehr nüßlichb fein kann. Aber ih glaube allerdings, wir müssen diese Frage eingehender regeln, damit die Willkür im einzelnen Falle ausgeschlossen wird. Was bei- spiel8weise die Schullasten anlangt ih spreche da ja selbst gegen die Finanzen des Staates —, so halte ih es nit für richtig, daß man einer solchen Gesellschaft nicht bloß die erste Einrichtung der Schule, ‘sondern auch die dauernden, auf ewige Zeiten zu tragenden Schullasten auferlegt. Die neu angeseßten Kolonisten müssen diese Schullasten ebenso bezahlen wie die alten Ansiedelungen oder Dörfer. Das kann man, glaube ih, nit verlangen, man geht darin wohl zu weit; man kann auf diese Weise die private Thätigkeit, wenn man will, ziemlich lahm legen. Ih würde das nicht für dem Staatsinteresse entsprechend halten.

Unfer Hauptaugenmerk müssen wir in dieser Beziehung aber auf die Bestimmungen über die Genehmigung der Ansiedelungen und Kolonien richten; denn da ergiebt sich erst im wesentlihen das entscheidende Staatsinteresse, und die Frage, ob die Geseßgebung über diese Materie einer Revision zu unterziehen ist, beshäftigt die Staats- regierung bereits. Ich stehe dabei allerdings auf dem Standpunkt, daß man nicht zu weit gehen darf; denn sonst, wenn man die freie Bestimmung in dieser Beziehung allzu sehr einschränkt, sie unbedingt vor allen Kosten, die dem Staat oder der Gemeinde zur Last fallen würden, s{hüßen will, die Schullasten, ' wo auch sonst der Staat die erforderlichen Unterstüßungen giebt, auf Andere übertragen will, würde man das ganze Werk gefährden. Man muß da doch der freien Be- wegung des Einzelnen eine möglihst weite Grenze lassen. Ih wollte also sagen, daß hinsichtliß der Stellung des Staats gegenüber der Begründung dieser Privatkolonien gleichzeitig das meiste fann im Wege der «Verwaltung geschehen das Nöthige in Angriff genommen werden muß, und ich wollte betonen, daß die Ministerien in dieser Beziehung am Werke sind. (Bravo!)

Abg. Freiherr von Zedliß und Neukirch (fr. konf.): Ueber die Ziele des Antrages sind wir alle einig. Wenn der Múiister die Summe von 12 Millionen zu niedrig gefunden hat, so meine i. daß man fich zunächst auf das vorhandene Bedürfniß beschränkt. Die private Thätigkeit darf allerdings, darin stimme ich dem Minister zu, nicht zu weit beschränkt werden, diese darf aber nit so weit gehen, daß daraus mehr ein Güterverkaufs- als ein Ansiedelungsges{häft wird. Darum ift eine Kontrole seitens des Staats nothwendig. Die Kolonien dürfen aber niht mit Schul- und anderen Lasten überbürdet werden. Das wäre keine gesunde Ansiedelung. Es dürfen niht über- mäßige Anforderungen an die Ansiedler gestellt werden. Eine ganz neue Behörde soll hier niht geschaffen werden. Sie lebnt \ih an bestehende Einrichtungen an. Wenn im Osten Leute genug vorhanden sind, welche neue Ansiedelungen erwerben möchten, wie der Minister mitgetheilt hat, so begrüße ich das mit Freuden. Ebensowentg fehlt es an Gütern, die aufgetheilt werden können. Es muß aber möglichst rasch vorgegangen werden. Bis dat, qui cito dat; darum bitte ich Sie: Nehmen Sie den Geseßentwurf womöglih ohne Kommissions- berathung möglichst einstimmig an!

Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer- stein :

Meine Herren! Wenn ich mir gestatte, in dieser Angelegenheit das Wort zu nehmen, fo kann ih das nur unter derselben Befürwortung thun, welche der Herr Finanz-Minister bereits ausgesprochen bat, der hervorhob, daß das Staats-Ministerium als solches aus prinziviellen Gründen zu dem Antrage noch nicht Stellung genommen habe. (F868 fommt aber noch ein weiterer Gesichtspunkt binzu, der mib zwingt, mich zurückhaltend zu der Sache zu äußern. Die Angelegenheit gehört nicht aus\{ließlich zum Ressort der landwirtbschaftlichen Verwaltung; es sind mehr oder weniger fast sämmtliche Nessorts dabei betheiligt. Es soll im wesentlichen dasselbe erstrebt werden, was dur Gründung der Ansiedelungs-Kommission für Posen allerdings für volitiscbe Zwecke geshehen ist. Die Zuständigkeit in Ansiedelungsangelegenbeiten ist derzeit dem Staats-Ministerium vorbehalten, der Landwirtbscafts- Minister ist nicht Ressort - Minister in diesen Sachen, er ist nur der federführende Minister. Aehnlih würde si wahrscheinli die Sache auch hier gestalten: wenn man Ansiedelungs Kommissionen für jede Provinz shaffte, so würde voraus\sihtlich einer der Nessort- Minister der fedetführende und das Staats-Ministerium die eigentliche Ressortbehörde fürzdie Ansiedelung sein. Aus dieser Darlegung geht hervor, daß ich nichF berufen bin, eine positive Stellung zu dem Antrag einzunehmen.

Wenn ih mir klarlege, welhes Ziel der Antrag verfolgt und welhen Weg er vorschlägt, um zum Ziele zu gelangen, so glaube ich in aller Kürze dies, wie folgt, feststellen zu dürfen.

Es soll ähnlich, wie das jeßt für Posen geschehen ift, für jede Provinz eine Ansiedelungs-Kommission gegründet werden. Das Ziel dieser Ansiedelungs-Kommissionen soll sein, eine ric)tigere agrare Ver- theilung herbeizuführen, als sie. jeßt in ten betreffenden Provinzen besteht. Wenn ih die Vorlage tichtig verstehe und den Darlegungen des Herrn Abg. von Boelberg rihtig gefolgt bin, so beabsichtigt der Anirag: vereinigt zu je einem Kommunatverband Kleingrundbesiß zu schaffen, ym der landwirtbscaftlicben Ntbeiternoth

abzuhelfen, zweitens aber, und zwar innerbalb derselben fomnmunalen