1843 / 68 p. 2 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung) scan diff

äßi i Politi u verweigern. Wohlan, Trg He E S der O E ist, Es ist ai augenscheinlich, daß Frankreich, selbst in dem Augenbli der größten Gäh- rung, die durch die Juli-Revolution hervorgebracht wurde, „nicht D ger dacht hat, seine Gränzen zu überschreiten und, mit der Idee Kaiser A ver Eroberungen über Europa herzufallen. Die Juli-Revolution wußte sich in ihrer größten Leidenschaft zu beherrschen; ein ausgezeichneter Staatsmann, Casimir Périer, wußte in der auswärtigen Politik die S cie die e und die Mäßigung zu vereinigen. Er wußte jene unbe reitbare Wahr- heit festzustellen, die zu jeder guten Politik in Frankreich und in Europa nothwendig is, daß nämlich eine große und ernstliche Frei- heit in Frankreich mit den monarchischen Justitutionen 1m übrigen Theile des Kontinents niht unverträglich sey. Was nun den ande- ren Gedanken betrifft, daß Europa beständig gegen uns verbün- det sey, daß es Frankreich seinen rechtmäßigen Plaß in dem, Europäischen Gleichgewicht verweigern wolle, so is derselbe eben so wenig wahr, und doc ist er es, der jede Allianz und jedes Svstem unmöglich macht, E Er- lauben Sie mir, Jhnen dies in kurzen Worten zu beweisen. (Hört! hört!) J brauche zu dem Ende nur die -verschiedenen großen Mächte, welche un- ler sich und in Bezug auf Frankreich das System des Europäischen Gleich- ewichtes bilden, einzeln hinzustellen und zu prüfen, welches nothwendig ihre Stimmung seyn muß, und welche Gründe der Sympathie und der Antipa- thie jede derselben in Bezug auf uns haben kann. Welchen wirklichen Arg- wohn kann Rußland gegen uns hegen? Es konnte allerdings am An- fang fürchten, daß aus jenem Heerd von Ideen, von Leidenschaften, von Bewegung, von Denk- und Sprechfreibeit, den die Zuli Revolution in Frankreich angezündet hatte, einige Funken nah Polen hinüberslögen und von hort aus einen Brand in den übrigen Theilen des ungcheuren Reiches erz egten, Aber bei cinigem Nachdenken mußte sich Nußland hierüber beruhigen, © er Kontrast der Jdeen is nur für Mächte von gleichem Alter, von gleicher Beschaffen- heit und von gleicher Bildung gefährlich, und unsere Freiheiten, unsere Wahl-Organisationen fanden keine nahe liegende Anwendung auf die neuen Bevölkerungen in Rußlands weitem Gebiet. Dagegen aber muß Rußland ein starkes und mächtiges Frankreich wünschen, welches nöthigenfalls auf Deutschland oder auf England hemmend einwirken und ihm so für fünftige Eventualitäten die freie Bewegung in Asien sichern kann. Was Oester- rei betrifft, so hegte dasselbe auch einige Besorgnisse für scine auen {en Provinzen z; es fürchtete, daß die Französischen Zdeen ein zweites Y al den Nhein und die Alpen überschreiten würden. Aber, m. Y., hat Oester- reih nit andere Juteressen, ernstere Juteressen zu berücfsichtigen, denen zu Liebe es die Existenz cines thätigen und starken Frankreichs wünschen muß? Oesterreich is eine wesentlich unterhandelnde Macht ; es ist cine Macht, deren Weisheit besonders auf den Fehlern der anderen Mächte zusammengeseßt ist, mit denen es auf eine so geduldige und gewandte Weise unterhandelt, daß seine Weis- heit in den Annalen der Diplomatic sprichwörtlich geworden ist. Wohlan: Oesterreich muß, wenn es kein Gegengewicht für seine Politik hat, wenn es ih nicht fest auf Frankreich stüßen fann, fürchten, daß die Macht Ruß- Kla, die täglich wächst, mit ihrer vollen Schwere den Oesterreichischen Einfluß erdrückt. Es hat noch einen anderen (Hrund, und diejer Grund is reußen, welches in Europa in einem Verhältnisse wächst, dem gar fein bis abzusehen ist. Preußen is, wie Sie wissen, eine Art von Jmprovi- sation des Siegesz es is ein macchiavellistischer Keim, den das Genie des großen Friedrich mitten in Deutschland gepflanzt hat; aber es ist ein Keim, der wunderbar gediehen is, und der scine Wurzeln täglich weiter zu ver- breiten bestimmt scheint. Preußen is} eine Macht, die sich durch alle Zer- stückelungen von Einfluß, Stärke und Nationalität bereichert hat und noch täg- lich mehr bereichert, Wir können allerdings fürchten, daß eine Macht, die in der Diplomatie und auf der Karte gleichsam eine Avantgarde Rußlands is, dermal- einst als Spitze des Russischen Schwertes auf das Herz Frankreichs gerichtet sevn könnte. Preußen lastet zu sehr auf dem Rhein; es is nach Norden hin unser erstes Schlachtfeld. Wir müssen stets daran denken, und die Fort- \{ritte dieser Macht aufmerksam verfolgen. Aber andererseits hat Preußen kein größeres Interesse als den Frieden, denn durch den Frieden hat Preußen Alles erobert. Die religiöse Duldsamkeit, der Zoll-Verein , die Macht der Intelligenz, dies Alles sind friedliche Mittel, die zwar langsamer aber siche- rer erobern als der Krieg. Preußen bedarf also des Fricdens ; Frankreich muß aber stark und geachtet seyn, wenn der Frieden erhalten werden soll. Preußen muß aber auch ein starkes und thätiges Frankreich wünschen, um gegen die Uebergriffe Rußlands oder Oesterreichs gesichert zu seyn. Jch komme nun zu England. (Hört! hört!) Jch weiß wohl, daß ich hier eine der zartesten und gefährlichsten Fragen berühre, an die sich ein politi- cher Redner wagen kann. Jch berühre hier Vorurtheile, die kürzlich zwi- » s zwei großen Ländern auf eine so unselige Weise aufgeregt worden sind. Wie lebhaft aber auch diese Vorurtheile jeon mogen , so behaupte ih doch, daß eine eigentliche Unverträglichkeit zwischen Frankreich und England nicht existirt. Js es denn in der That wahr, daß Frankreich und England nicht zu gleicher Zeit auf dem Lande und zur See leben kön- nen ? Daß cine der beiden Nationen dem Hasse der anderen geopfert wer- den müsse, und daß England in seiner Politik beharrlich die CErnicdrigung oder Shwächung Frankreichs auf dem Kontinente verfolge ? Nein, dies ist nicht wahr! Nein, ich glaube cs nicht, und ich will versuchen, es JZhnen in furzen Worten zu beweisen, Welches ist in der Welt die Sphäre der Thâ- tigkeit Englands? Sic ist doppelter Art: Kontinental und auf dem Meere fommecrziell, industriell. Als Seemacht, als Handelsmacht ist England un- \cr Nebenbuhler und würde uns gern unterdrücken, wenn wir es zuließen z als Kontinentalmacht aber is Englands Lage eine andere, Wenn das Gleich- ewicht der großen Europäischen Kontinentalmächte irgend Jemandem in der Welt nothwendig is, so ist dies England. England muß vor alien Dingen daran liegen, daß keine Macht ein zu entschiedenes Uebergewicht erlangez denn nur dann fannees hoffen, scinen Einfluß auf dem Kontinent zu erhalten. England bedarf der Französishen Allianz, oder der Russischen Allianz, aber besonders der Französischen Allianz, um einen Stüßpunkt gegen eine Asiatische Macht, egen Rußland, zu haben, welches so oft seine natürlichen Gränzen über- schreitet. Nachdem der Redner noch cinen flüchtigen Bli auf den Orient geworfen hatte, ging er zu Spanien über, und bemerkte, daß hier ein Punuft der lébhaften und ernsten Zwistigkeit zwischen England und Frankreich sey. Herr von Lamartine pries zwar im Allgemeinen den Grund- say déx Nicht - Jntervention, aber dies s{lö}se_ nicht aus, sagte er, daß Frankreich nicht seinen rechtmäßigen Einfluß auf Spanien geltend zu machen habe. ‘Im Schooße der Kommission hätte er den Minister der auswärti- gen Angelegenheiten gefragt, welches scine Politif in Bezug auf Spanien sey? Er habe die Antwort notirt ; sie laute folgendermaßen : ,, Wenig thun, eine Zeit lang abwarten, und wieder anknüpfen, so bald es möglich seyn wird.“ ; : | , S Herr Guizot: Jch bitte um Entschuldigung z ih erinnere mich nicht, eine solhe Antwort ertheilt zu haben. E ; L Herr von Lamartine: Zch habe die Antwort notirt, und bin über- zeugt, sie aus dem Munde des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten vernommen zu haben; aber was wollen wir darüber streiten? Was liegt an den Worten, wenn die Handlungen der Regierung eben so deutlich spre- hen? Der Redner beklagte sich darüber, daß die Französische Regierung nicht beständig daran gearbeitet habe, um in Spanien eine gemäßigte Re- gierung aufrecht zu erhalten, Die Revolutionen beginnen durch die exaltir- ten Parteien, und sie konsolidiren sich durch die gemäßigten Parteien; aber se gehen zu Grunde durch die militairischen Parteien. Nachdem der edner die Politik der Regierung nah Außen hin überall als eine unsichere, chwache, mit der Würde des Landes ntcht in Einklang stehende angeklagt atte, {loß er ungefähr in folgender Weise: Man frägt sich von allen Seiten, ob, weil Frankreich rol zu groß gewesen is, ob, weil seine Waf- fen die Welt von einem Ende bis zum anderen erobert haben, es nach 25 N der d und der Geduld Alles das erdulden müsse, was man ihm ungestraft seit 13 Jahren erdulden läßt? (Beifall zur Linken; Murren im Centrum.) rr Guizot: Jh verlange das Wort! erx von Lamartine: ha, wenn unser Ruhm ein Verbrechen war, f muß man eingestehen, daß dieses National - Verbrechen zur Genüge ge- fit worden is, (Bewegung.) Jh rathe Jhnen, verachten Sie nicht so fe , wie Sie es anscheinend o al die ersten zitternden Vorboten der öffent- en E . (Lebhafte Unterbrehung im Centrum.) Verachten Sie alle Volks-Leidenschaften. Jch weiß wohl, daß es Volks-Leidenschaften , die man verachten, die man bekämpfen muß; es giebt aber au an- dere, die shrecklich, aber nicht strafbar sind. Es giebt Volks-Leidenschaften, de groß, die hod erzig sind, und die in dem Herzen jedes 1 Cg ürgers als ber Ausdru es Nati

onalwillens vibriren, Dies sind Gefühle, mit denen

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man nicht sein Spiel treiben muß , dies sind öffentliche Leidenschaften, die man nicht verachten darf, denn sic werden oft durch den leidenden Patriotismus hervorgerufen. (Exclamationen im Centrum, lebhafter Beifall zur Linken.) Jch vergesse nicht, m. H., daß ih hier vor ehrenwerthen und alten politi- schen Freunden rede, die auf meine volle Achtung Anspruch haben. Ich vergesse nicht, daß wir zusammen gekämpft haben und stets zusammen käm- pfen werden, für die große Sache des Friedens der Welt. Jch wende mich an jene ehrenwerthe Partei, die, meines Erachtens zu ausschließlich, den Namen der konservativen Partei in Anspruch nimmt, und ih sage zu der- selben: Jhr, deren besondere Aufgabe cs is, die Regierung zu befestigen, die im Jahre 1830 gegründet wurde, vergeßt nicht, daß eime solche Poli- tif, zu lange verfolgt im Angesichte cines Volkes, welches so cer auf seine Würde, so voll von Erinnerungen an seinen Ruhm is, gefährlicl zu werden droht. Vergessen Sie nicht, m. H., daß die Parteien, welche den Umsturz der Dynastie wünschen, sich einer solchen Politik als der gefährlichsten Waffe bedienen könnten, um dic Basis der Regierung, die sie stüßen wollen, zu untergraben. Und Sie, Herr Minister, der Sie Geschichte schreiben und Geschichte machen, erinnern Sie si jener großen nationalen und historischen Wahrheit, daß alle Dy- nasticen, daß selbst alle Regierungen, alle großen Negierungen ihren cigen-

| thümlichen Gedanken, ihr System der Politik oder der persönlichen Allianz

mit sich geführt haben, gleichsam eine Aussteuer, die sie der Nation zu- brachten : diese die Vertreibung der Engländer von dem Französischen Kon- tinent, jene ihre Kämpfe mit Jtalien und Spanienz Heinrich 1V. und die Bourbonen, die Französische Einheit und die Dämpfung unserer bürger- lichen und religiösen Kriege; Richelieu, die Demüthigung des Hauses Oester- reich, Ludwig XIV. den Einfluß auf Spanien und auf die Rhein-Provin- zenz Napoleon endlich die unsinnige und unfruchtbare, aber nichtsdestowe- niger grandiose und welthistorische Eroberung des Kontinents; die Restau- ration, selbst die mit bewaffneter Hand durchgescßte Aufrechthal- tung unserer Allianz mit dem Hause, welches Spanien regiert, dies war die Aussteuer jeder einzelnen jener Negierungen, jener Ministerien, jener Dvnasticen. Und wo i die Eurige Æ Welches ist, ih sage nicht scit 1830, denn ich weiß die Politik, welche Belgien er- oberte, Ancona beseßte und den Quadrupel - Allianz : Traktat unterzeichnete, sehr wohl von der späteren zu krennenz welches aber is seit 1835 Euer Gedanke, Euer nationales System gewesen? Welche Aussteuer habt Ihr dem Lande zugebraht# Js es etwa jenes beständige Schwanken zwischen allen Svstemen, zwischen allen Allianzen, zwischen allen Politiken, wodurch wir in der Welt ijolirt dastehen, und welches uns am Ende zu einer \chmachvollen Erniedrigung oder zu einem unsinnigen Kriege führen muß; ist das Eure Aussteuer? Jch weiß nicht, ob ‘endlich eines Tages ein Staatsmann erscheinen wird, der scin Land aus jenem Kreise von Unmög- lichkeiten befreit, in den Jhr es gebannt habt. Aber wenn ein solcher Mann erscheint, so wird er mehr für Frankreich gethan haben, als Richelieu und Napoleon, denn er wird die traurigen Jahre Eurer Fehler wieder gut gemacht, er wird dem Lande Sicherheit und Frieden verschafft haben, indem er Allianzen und ein Europäisches System gründet. Jm Begriff, diese Redner-Bühne zu verlassen, sage ih Jhnen mit dem Tone der über- legtesten und aufrichtigsten Entmuthigung, und vielleicht auch mit jenem Ucebermafße der Kühnheit, die die Verzweiflung zuweilen eingiebt: Ja, es is Zeit, daß dicses Spiel ende, denn es giebt keinen Mittelweg mebr; Frankrei muß eniweder auf hèren, Frankreich zu sevn, oder Jhr müßt auf- hören, es zu regieren! (Lebhafter Beifall zur Linken, heftiges Murren im Centrum.) / :

Nachdem die Sitzung längere Zeit unterbrochen geblieben war, bestieg Herr Guizot die Redner = Bühne, um dem Herrn von La- martine zu antworten. (Wir müssen uns einen Auszug aus dem Vor= trage des Ministers bis Morgen vorbehalten.)

Paris, 3. März. Man spricht jeßt mit Bestimmtheit davon, daß am fünstigen 1. Mai, als am Namenstage des Königs, der Prinz Ludwig Napoleon begnadigt werden würde, wenn man bis dahin das Versprechen von ihm erlangen könne, daß er Europa fortan meiden wolle. Bis jeßt scheint es noch nicht gelungen, dieses Versprechen von ihm zu erhalten.

Die Akademie der Wissenschaften hat in ihrer Sißung vom 20. Februar cin korrespondirendes Mitglied für die astronomische Section gewählt. Die vorgeschlagenen Kandidaten waren die Herren Hansen zu Gotha, Santini zu Padua, Robinson zu Aramagh, Argelander zu Bonn und de Vico zu Rom, Herr Hansen erhielt die meisten Stim- men. Jun der Sibßung vom 16. Februar hat die geologische Ge- sellschaft von Frankreich den beiden Gelehrten Elie de Beaumont und Dufresnoy, zur Belohnung ihrer wissenschaftlichen Arbeiten und na- mentlich für ihre vortreffliche geologische Karte von Frankreich, welche sie vor Kurzem herausgegeben haben, Jedem eine goldene Medaille votirt. -

Börse vom 3. März. Die Renten steigen fortwährend, da Niemand mehr an dem Siege des Ministeriums in der Deputirten = Kammer zweifelt. Man glaubt, daß das Ministerium eine Majoriz tät von gegen 50 Stimmen erhalten wird, Die 3 pCt, Rente \chloß heute zu 81. 40.

„"« Paris, 3. März. Die gestrige Diskussion hatte etwas Großartiges. Man hat die persönlichen Fragen ganz bei Seite ge- lassen und sich nur mit dem politischen System beschäftigt , welches seit dreizehn Jahren, und namentlich seit 1835, in Frankreich herrscht. Die Herren vou Tocqueville und von Lamartine haben dies System mit einer Wärme und einer Lebhaftigkeit angegriffen, die Herrn Guizot tief ergriffen. Herr von Lamartine \prah \{chön und brachte eine gewisse Wirkung auf die Kammer hervor, Wie ge- wöhnlich, {loß er seine Rede mit einem Saße, der von der Dppo0- sition mit lebhaftem Beifall aufgenommen wurdez er sagte nämlich : „Entweder muß Frankreich aufhören, Frankreich zu seyn, oder Jhr müßt aufhören, Minister zu seyn!“ Herr Guizot antwortete dem Herrn von Lamartine mit einer fast leidenschaftlichen Beredtsamkeit, die ihm den Beifall der Centren verschaffte. ; 5

Herr von Tocqueville hat sih nicht guf einen so allgemeinen Standpunkt verseßt, wie Herr von Lamartinez allein er sagte sehr viel Wahres und Ernstes über die innere Lage und den Zustand der Gemüther. Er zeigte, auf welche Weije man die Jdeen von der Politik abzulenken gesucht habe, um sie gänzlich auf die materiellen Juteressen zu konzentriren, Es ist gewiß, daß man dahin gekommen ist, Frankreich zu überreden, es gebe nichts Größeres, nichts Ehren- volleres, als Straßen, Kanäle und Brücken zu bauen z obgleich diese Dinge doch nur relativ groß sind und es neben deuselben noch Dinge giebt, die auf ganz andere Weise groß sind, nämlich die moralischen Interessen. Es is ferner bis zu einem gewissen Grade wahr, daß die Regierung die Judividuen mittelst ihrer Interessen von ihren Meinungen getrennt hat. Man hat zu diesem Zwecke die Zahl der Aemter vermehren und Anstalten errihten müssen, die unter dem Schein der Philanthropie anderen Zwecken dienen. Es, ist fast unmöglich, sich eine Jdee zu machen von den administrativen Combinationen, die man täglih in Bezug auf das Personal erfin= den muß, um den gränzenlosen Forderungen der ministeriellen Deputir= ten zu genügen. Bei diesen Combinationen werden die allgemeinen Juteressen und das Beste des Dienstes ost vernachlässigt „und hintenangeseßt. Dies System is seit Errichtung der Repräsen=- tatio- Regierung befolgt worden, aber niemals in so ausgedehntem Maßstabe, wie seit der Juli - Revolution. Die Restauration bedients sich dieses Mittels nur mit einer gewissen Zurückhaltung, 2 in weit geringerem Grade, und denno ist sie in dieser Sees den heftigsten Angriffen ausgeseßt gewesen. Eines der großen E tel der Opposition, um die am Ruder befindlichen Due fi felbst fen, besteht darin, daß sie dieselben in Widerspruh m! 0, sich

ringt. Die Herren Ledru- Rollin und von Tocqueville habe1

dieses Mittels bedient. Pope sagt irgendwo: „„Please to god your foe has made a book.” Herr Guizot hat viele Bücher gemacht, und von Zeit zu Zeit finden seine Feinde etwas darin, um ihn in Verlegenheit zu bringen. Während seiner langen publizistishen Car rière hat der Minister der auswärtigen Angelegenheiten natürlich sehr verschiedenartige Doktrinen vertheidigt, wie ein Bruchstük einer Arbeit über die Zulassung der Kapazitäten zu den Wahlen beweist; eine Ar- beit, die fast unbekannt is und von der noch Niemand, selbst unter den entscheidendsten Umständen, Gebrauch gemacht hat. Jch werde Jhnen in meinem nächsten Schreiben Einiges daraus mittheilen.

T7 Paris, 3. März. Die Opposition klats{cht Herrn Lamar tine stürmischen Beifall zu, die Opposition brüstet sich mit dem gestri- gen Siam des ehrenwerthen Deputirten von Mäcon, und gleich wohl is} es heute einleuchtender als je, daß die Grundsäße, die An- sichten und die Wünsche des Herrn Lamartine mit der Oppositions Politik, außer der Feindseligkeit gegen das Ministerium vom 29. Oktober, wenig oder nichts gemein haben. Herr Lamartine will das Gedeihen des Staats im Junern und nah Außen durch die Pflege der öffentlichen Moral und des Friedens; die Opposition begreift die Größe Frankreichs nur als Resultat des Krieges, als Frucht der An= wendung der materiellen Uebermacht. Herr Lamartine sindet, daß der Gegensaß, in weihem man sich die übrigen Europäischen Mächte ge- gen Frankreich zu denken gewohnt is, ein unnatürlicher jey, die TPÞ- position hält jedes Einverständniß mit der auswärtigen Politik nux dadurch für möglich, daß Frankreich seine eigenen Interessen den frem den unterordne oder wohl völlig aufopfere. Herr Lamartine verklagt die Regierung auf den Tod, weil sie 1840 keine Jutervention in Spanien zu Gunsten der Königin Christine vorgenommen z die Op position würde eine Französische Einmischung zu jenem Zwecke wie das größte Verbrechen des Kabinets der Tuilerieen behandeln. Und so geht fast aus jedem wesentlichen Punkte der gestrigen Rede des Herrn Lamartine die Unverträglichkeit seiner Meinungen mit den Mei nungen der Partei hervor, welcher er sih dem Namen und der Form nach angeschlossen. ;

Es is übrigens kein großer Scharfsinn erforderlich, um zu durch hauen, daß die Politik, welche Herr Lamartine vorschlägt, eigentlich nur in den Worten friedlich is, und daß ihre Anwendung über kurz oder lang zu der Barbarei eines allgemeinen Krieges führen wurde, den man hätte vermeiden können. Denn Herr Lamartine it mit der friegerishen Partei wenigstens darüber einverstanden, daß es dem Französischen Juteresse und der Stimme Frankreichs gebühre, den Ausschlag in den allgemeinen Europäischen Angelegenheiten zu geben, und er irrt ohne Zweifel, wenn er annimmt, daß die Europäische Politik sich gutwillig und friedlich in dieses für Frankreich in Anspruch genommene Monopol der alleinigen Entscheidung resigniren würde. Die Franzosen sind noch immer durch die Erinnerung an eine frü here Periode zu verwöhnt, um begreifen zu wollen, daß es gerecht, billig und nothwendig sey, daß gemeinschaftliche politische Angelegen heiten von allen Betheiligten und Gleichberehtigten nach kfollegiali {hen Grundsäßen betrieben und erledigt werden. Herr Guizot lat dem Deputirten von Mäcon diese shwache Seite jener Rede fühlen lassen, aber er hat wahrscheinlich nicht seine ganze Ueberzeugung aus gesprochen. Der glänzendste Theil der prachtvollen Rede des Ministers war übrigens die unwiderleglihe Argumentation, burch welche er seinem Gegner bewies, daß der allgemeine Charakter und die Hauptrichtung der herrschenden Politik nicht blos das Werk der Regierung und M schiedenen auf einander gefolgten Ministerien sind, sondern daß die Legislatur und der Wahlfkörper das Verdienst d dic Schuld derselben mit der Regierung theilen. Nur in einem Ausdrucke scheint Herr Guizot zu weit gegangen zu seyn und dadurch einem starken Cin wurfe das Thor geöffnet zu haben, in der Behauptung nämlich, daß „die Nation“ der fraglichen Politik seit 13 Jahren 1hre ununterbrochene Mitwirkung gegeben. Sind die zweimalhunderttausend hüöchstbesteuer- ten Bürger die Nation? können die Anhänger der Jdee des allge meinen Stimmrechts Herrn Guizot fragen. Und leider is es nur zu wahr, daß die aufgeklärten Begriffe von gegenseitigen Völker - Ver hältnissen, welche bei einem großen Theil der gebildeteren Klassen vorhanden sind, von dem großen Haufen durchaus nicht getheilt wer- den. Die Menge kennt hier vaterländische Tugend uur in der Gestalt des gewöhnlichsten National-Egoismus, und es wird noch lange dauern, ehe sie begreifen lernt, daß es eine andere Chre, einen anderen Ruhm und eine andere Oröße für die Völker giebt, als den Ruhm und die Ehre der Waffen, und «ls die Größe, die sich ‘nach eroberten Qua- dratmeilen und unterjochten Scelen messen und zählen läßt: ein {chlim= mes Erbtheil der Napoleonischen Zeiten oder wenn man will, des Jahrhunderts Ludwig's ALV,

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Grossbritanien und Irland

Oberhaus. Sihung vom 2. März. Lord Brougham lenkte an diesem Abend die Aufmerksamkeit des Hauses auf den Zu stand der Londoner Munizipal = Verfassung mit Rücksicht auf eine zu bewerkstelligende Reform derselben. E L

„Indem ich dies thue“, sagte er, „1 es nicht meine Absicht, mit Vitterkeit oder Mißachtung von der Londoner Corporation zu sprechen. Es würde in der That höchst undankbar von mir jevn, wenn ich dics thäte, da mir bei einer feierlichen Gelegenheit in Gemeinschaft mit meinem edlen Freunde, Lord Denman, das Bürgerrecht der City überreicht wurde, ich folglich selbs ein Mitglied jener Corporation bin. Dies kann mich indeß nicht blind machen gegen die enormen Mißbräuche, welche in jener Körper- chaft herrschen, Mißbräuche, die zum Theil so schreiend sind, daß sie wohl, nach meiner heutigen Hindeutung darauf, ich glaube es prophezeien zu dürfen, nicht ein Jahr mehr dauern werden E

Der Redner ging nun in eine ausführliche Schilderung dieser vou ihm bezeichneten Mißbräuche ein, und die er namentlich in der Art, wie die verantwortlichen Mitglieder und Beamten der Corpora-= tion gewählt werden, so wie in der allgemeinen Verwaltung ihrer bedeutenden Einkünfte, aufzeigte. Auch das System der City-P olizei stellte er als schrecklich dar und meinte, wenn / cs die Wbsiché: wäre, ein System aufzufinden, welches am besten E, asiee (ever Art zu befördern, \o ließe sich zu diesem Zweck kein passenderes er= sinnen, als das in der City von London I TOnO U.

Die Rechtspflege in der City‘‘, fuhr der Redner fort, „ist nicht min- d chl cht, Die Aldermen sind ein Uebelbleibsel des alten Feudalwesens. e Van von Lancaster hat seine Gerichtsherrlichfeit aufgegeben, auch in Derbam i diese Jurisdiction aufgegeben worden, ja im ganzen Königreich

inan auf diese Lokal-Gerichtsba1feiten verzichtet, nur in London löônnen E Aldermen im Central - Kriminal - Gerichtshofe hochnothpeinliche A Fe führen, Die Aldermen haben auch die Befugniß, nicht weniger als chs Richter zu ernennen, von denen der eine durch die Aldermen allein, 1e Abe fünf durch den Gemeinderath gewählt werden. Diese Nichterstellen werden durch Bewerbung erlangt, und als Lord Denman sich mit Herrn Bolland zusammen um die Stelle des Gemeinde - Sergeanten bewarb, war er sehr in Gefahr, durch- zufallen, weil der leßtere Herr das Amt des City-Plaidoverführers bellei- dete und diejenigen, die ihm darin nachzufolgen wün|chten, ihre Freunde be- redeten, für seine Beförderung zu stimmen. Ein ähnlicher Einfluß stand Herrn Hill im Wege, Is es nun wohl recht, daß die Ernennung von Richtern von solchen Einflüssen und Motiven abhängt ? Lord John Rus- sell hatte sich im Namen des vorigen Ministeriums ausdrücklich verpflichtet, eine besondere Bill zur Reform der Londoner Corporation einzubringen,

es erschien aber feine solhe Maßregel, und im Jahre 1839 klärte es sich auf, woran dies lag. Es wurde nämlich in diesem Jahr eine Bill zur Verbesserung der Hauptstadt-Polizei eingebracht, die so wenig nach dem Ge- \{mack der Herren Bürger war, daß diese, die politische Schwäche des damaligen Ministeriums benutend, dasselbe nöthigten, alle auf die Polizei der City bezüg- liche Maßregeln aufzugeben. Aber wenn die kleineren Corporationen im Lande der Reform bedurften, so bedurfte deren die Corporation der Hauptstadt noch weit mehr. Jhre hohe Wichtigkeit, die Bevölkerungszahl, über welche sie Gewalt ausübt, der Reichthum, über den sie zu gebieten hat, und den sie theils shlecht anwendet, theils in seinem Wachsthum hindert , der Einfluß, den sie aus ihrem alten Rufe {öpft, und die unsterblichen Dienste, welche sie zu allen Zeiten vermittelst der Macht, die sie über das Gemeinwesen besißt, dem Staate geleistet hat, müssen dieselbe, mehr als all? die anderen reformirten Corporationen, der väterlichen, aber strengprüfenden Obhut des Parlaments empfehlen.“

Lord Brougham \{chloß mit Beantragung einer Adresse an die Königin, worin Jhre Majestät ersucht werden sollte, den Bericht aus dem Jahre 1834 über die Munizipal - Verfassung der Stadt London in baldigste Erwägung zu nehmen, damit legislative Maßregeln in dieser Sache eingebraht werden könnten. Der Lord= Kanzler (Lord Lyndhurst) aber meinte, der Antragsteller hätte seinen Zweck genauer bestimmen müssen, wenn er das Haus auffordern wollte, sich für Ausdehnung der Munizipal = Reform guf die City zu verpflichten, Uebrigens stimmte er dem Vortrage Lord Broug-= ham’s in mancher Beziehung bei und sprach die Hoffnung aus, daß diese öffentlihe und feierlihe Rüge jener Mißbräuche zur Abstellung derselben hinreichen werde. Lord Campbell hielt die Sache nicht für so \s{limm, wie Lord Brougham sie dargestellt hatte; jede Repräsentativ-Verfassung, sagte er, also auch die einer städtischen Verwaltung, habe ihre Mißbräuche; hoffentlich werde die Corporation von London bemüht seyn, denjenigen abzuhekfen, die sich bei ihr ein- geschlichen. Da Lord Brougham mit seiner Motion so wenig An- tlang fand, so nahm er dieselbe am Schluß der Diskussion ohne Ab- stimmung wieder zurü. i

London, 3. März. Jhre Majestät die Königin und Prinz Albrecht haben sich gestern auf einige Tage nah Schloß Claremont begeben. i O

Die Königin Wittwe, deren Gesundheitszustand jeßt befriedigend

ist, wird heute mit ihrem Hofe von Canford House, wo sie seit 6 Mo- naten residirt hat, in London erwartet, um auf längere Zeit in Marl- borough House zu wohnen. __ Die Morning Post will aus Madrid erfahren haben, daß Cspartero abermals seine Abneigung gegen eine Vermählung Jsabella's [1 mit dem Sohne des Don Carlos ausgesprochen habe, und fügt bei, daß dem Lebteren unlängst ein neuer Antrag in Bezug auf jene Vermählung gemacht worden sey; Don Carlos habe jedoch geant wortet, daß er feinen Vorschlägen zur Verzichtleistung auf sein Thron recht zu Gunsten seines Sohnes und zur Einwilligung in die Heirath zwischen diesem und Jsabella Gehör leisten könne, wenn man ihm nicht zuvor seine Freiheit zurückgebe. i

Heute haben die Verhandlungen in dem Prozesse Macnaugh- ten's vor dem Central=-Kriminalgerichtshofe und gestern die Verhand= lungen in dem Prozesse vor den Assisen in Liverpool gegen Feargus O'Connor und 56 andere Chartisten begonnen. Macnaughten hat erllärt, daß er auf „Nicht Schuldig“/ plaidire. Vor einigen Tagen waren vier Aerzte bei ihm im Gefängniß, um durch eine Unterre- dung mit ihm ein möglichst begründetes Urtheil über seinen Gemüths-= Zustand zu gewinnen. Jhr ärztliches Gutachten wird im Lauf des Prozesses bekannt werden,

Das Dänische Schiff „Randers“/, das in Falmouth augekommen ist, hat die Nachricht von einer Schlacht zwischen dem Heere von Uruguay unter Rivera und der Argentinischen Armee mitgebracht, welche am 11. Dezember stattgefunden und mit einer bedeutenden Niederlage Rivera?s geendet hat, Jn Montevideo wurde darauf ein Aufstand in Masse dekretirt und eine Reserve - Armee zur Vertheidi- gung der Hauptstadt organisirt. h

5 London, 3. März. Der Vorschlag des Lord Ashley, die Monarchin zu ersuchen, daß sie aufs baldigste und ernstlihste ihre Re- gierung auf Mittel denken lassen möge, dem Mangel an Erziehung bei den gemeinen Volksklassen abzuhelfen, ist. von Graham benußt worden, um dem Parlamente anzukündigen, was das Ministerium in dieser Beziehung bereits beschlossen habe, demselben nächstens zu seiner Genehmigung vorzuschlagen, Lord Ashley's Rede enthält zwar nichts, als was uns schon aus anderen, und zwar meistentheils amtlichen, Quellen bekannt war; deunoh macht einem die Zusammenstellung so vieler ergreifenden Thatsachen Grauen. Diese gräßliche Unwissenheit und sittliche Verworfenheit, dieser Anwachs von Religiousmangel und Brutalität, Unempfindlichkeit gegen Alles, was Menschen sonst gut und ehrwürdig zu nennen pflegen, Haß gegen alle Obrigkeit, Verachtung aller Eigenthumsrechte, is die Strafe, die England jeßt für sein fast ausschließliches Streben nach einem genußsüchtigen Judustrialismus erhält, Man hatte zwar schon seit 15—20 Jahren geahndet, daß man einem Abgrunde entgegengele, aber man hatte sich dabei immer geschmeichelt, daß die Mittel, welche sowohl durch Vereine als auch hier und da durch die Regierung und die Kirche dagegen angewendet würden, uns würden vor dem Hineinstürzen retten, wo mt gar den Abgrund ausfüllen können. Wenigstens hatten nur die wenigsten die Gefahr für groß genug geachtet, daß sie darum geneigt gewesen wären, threr Parteisucht in der Politik wie in der Religion zu entsagen. Dachte man ans Bauen neuer Kirchen und die Anstellung neuer Pre- diger in den Fabrikgegenden und großen Städten , so erklärten die Dissenters ihr Gewissen beschwert. Wollte man Schullehrer - Semi- narien errihten und die Schulen vermehren, so meinte die Geistlich= keit der herrschende Kirche und mit ihr alle Tories, der Staat würde sih Gottes Rache zuziehen, wenn er nicht alle Erziehung diesem Klerus unterwerfe und den Nichtkirchlichen alle Erziehung ihrer Jugend verwei gere, wenn sie sie nicht nah seinem Katechismus hinnehmen wollen.

Nun is das Uebel aber so hoch gestiegen, daß nur noch ein Sir Robert Juglis es tadelt, daß der Staat Erziehung ohne Proselytenmacherei anbietet, und nur der einzige Radikale Hawes seine Stimme dagegen erhob, daß dem Klerus der Staatskirche (eben weil diese die Kirche der Nation) der vorzügliche Einfluß dabei gege= ben werden soll. Man sieht, daß man endlich einmal mit sittlichen Mitteln nah einem großen Maßstabe eingreifen müsse, und des- wegen verstummt endlih der Parteigeist, Für's erste gilt es nur Schulen für die Pauper = Kinder und die arbeitenden Klassen in den größeren Fabrikgegenden. Aber dabei darf man nicht stehen blei- ben. Der Staat muß auch für die Erziehung derer sorgen, die nicht zu den allerärmsten Klassen gehören z er darf das Landvolk nicht über= sehen, und wie Lord John Russell richtig bemerkte wenn der Widerwille der Pächter gegen die Erziehung ihrer Arbeiter aus dem Wege geräumt werden soll, muß man diesen Gelegen= heit verschaffen, ihre eigene Jugend besser erziehen zu kön- nen, als jeßt geschieht. Vor Allem aber muß man Mit= tel finden, die Lage der Schullehrer zu heben, niht nur durch höheren Gehalt, sondern auch dur höhere Achtung ihres Standes. Hierzu fönnten natürlih Einzelne besonders die vornehmen Guts-= besißer und die Geistlichkeit noch mehr beitragen als der Staat. Es muß leßterer zur Pflicht gemacht werden, an dem Religions-Unter-

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bestellt werden.

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Scheingründe rauben. Mission weit zurückgeblieben,

vollen Kirche eher zu erwarten, als von jeder anderen. Uebel is eben ihre hohe Stellung und ihre daraus entsprungen

Vornehmheit. Sie hat den Laien alle Wirksamkeit

| Manche trennen sih ganz und gar von der Kirche, und suchen Ver-= | bindungen, worin sie rechtmäßig von ihren Gaben zum besten des | Ganzen Gebrauh machen fönnen. Dabei wird unglüclicherweise noch alles bei ihr nach Geld abgemessen. So z. B. weigert si der Pfar= | rer von einem unserer größten Kirchspiele in London, dessen Einkünfte auf 1800 Pfund berechnet werden, die Dürftigen im Armenhaus zu besuchen, oder einen Gehülfen für dieselben zu besolden, die do des | geistlichen Beistandes mehr bedürfen, als irgend eine andere Klasse. | Er will, daß die Gemeinde hierzu einen Kaplan besonders besolde, | Nun wäre es unbillig, diese Pflichtverleugnung eines Einzelnen einem | Zustifut zur Last legen zu wollen, Aber dieses muß doch wohl | die Shuld tragen, wenn es entweder fein Gesetz giebt, welches einen | Pfarrer zur Fürsorge für die Armen seines Kirchspiels zwingen kann, oder es dem Bischof freisteht, ihn zu solcher Pflicht anzuhalten oder nicht, Hierin ist die Schottische Kirche mit ihren Laien-Aeltesten und ihrer strengen Zucht viel wirksamer, Doch hat auch sie mit dem schnellen Wachsthum der Städte und dem Herbeiströmen vieler Frem- den, besonders Jrländischer Katholiken, nicht allenthalben gleichen Schritt halten können. R Roebuck’s Vorschlag, daß dem Hause noch andere Dokumente in Bezug auf Lord Auckland's Unternehmen vorgelegt werden möch= ten, indem er alsdann unternehmen würde, jenen Edelmann und das vorige Ministerium eines hohen Vergehens zu überfüh-= ren, is vom Hause durh eine große Mehrheit abgelehnt wor= den. Peel erklärte zwar aufs neue, daß weder er noch Wellington jene Politik in diesem Punkte billigtenz daß er aber aus zwei Grün= den nicht in den Vorschlag willigen könnez 1) weil die Einführung eines solchen Untersuchungs-Systems die Verwaltung der auswärtigen An- gelegenheiten dem Ministerium abnehmen und ans Unterhaus bringen würde; und 2) weil die Dokumente nicht produzirt werden könnten, | ohne Rußland zu beleidigen, dessen Regierung seit der Zeit, wo sie das Thun und Treiben ihrer Agenten in Persien und Kabul des= avouirt, sich aufs vortrefflihste gegen uns benommen habe. Nur Ultra = Tories und Radikale stimmten mit Roebuck.

11 London, 1. März. (Verspätet.) Lord John Russell veran= laßte eine sehr überflüssige Diskussion, indem er die Frage anregte, ob der Herzog von Wellington seine Stelle im Kabinet beibehalten könnte, da er das durch Lord Hill's Resignation erledigte Ober-Kommando der Armee übernommen habe. Als allgemeines Prinzip mag es gut seyn, daß diese beiden Functionen nicht in einer Person vereinigt sind, und es würde in England unstatthaft seyn, den Kriegs-Minister, wie es in Frankreich der Fall ist, zum Haupt der Verwaltung zu machen. Es ist gewiß wünschenswerth, daß das Patronat der Armee ohne Partei Vorliebe ausgeübt und die Disziplin in der Armee durch den besten höheren Offizier aufrecht erhalten werde, ohne auf seine Fähigkeiten als Politiker Rücksicht zu nehmen, Dies war der Fall mit Lord Hill der, obgleich cin Tory, doch während die Whigs am Ruder ivaren, das Ober-Kommando behielt. Aber der Herzog von Wellington ist der einzige Manu, der jemals in England lebte, welcher zugleich in Militair=, wie in Civil-Angelegenheiten die höchste Autorität ist, Selbst wenn die Regel, den Ober-Befehlshaber vom Civil-Dienst auszuschließen, bestimmter wäre, als sie es is, so fönnte man zu sei- nen Gunsten eine Ausnahme machen, ohne befürchten zu dürfen, daß dieser Fall sich oft wiederhole, sobald man dies Privilegium nur auf solche Männer beschränke, wie er i. Wer mit den Englischen Ange- legenheiten und der Englischen politischen Gesellschaft nicht genau be- kannt ist, fann sich keinen richtigen Begriff machen von der Stellung des Herzogs von Wellington, Die unbeugsame Redlichkeit, die Wahrheitsliebe und die Entschiedenheit seines Charakters haben ihn zu einer Stufe moralischer Größe erhoben, wie sie faum jemals ein Mann, fast uur in der neueren Zeit, einnahm. Die Tage seiner kriegerischen Triumphe betrahtet man jeßt als den Beginn seines Ruhmes denn man ahnete damals noch nicht, daß die Natur den tapfersten und den weisesten Diener Englands in cinem Manne vereinigt habe.

Hierbei fällt Einem natürlich sogleih die Englische Armee ein, deren Pflichten und deren Verwaltung von jeder anderen Armee in der Welt gänzlich verschieden sind. Die gesammten Streitkräfte Großbritaniens, mit Einschluß der in Judien befindlichen Regimenter, bestehen in diesem Jahre aus 131,854 Mann. Davon sind 30,399 Mann in Judien, etwa 28,000 Mann in Großbritanien und Jrland, und der Ueberrest oder mehr als die Hälfte der ganzen Armee ist in Garnison über die ganze Erde zerstreut. Das einzige Wunder ist, daß mit Streitkräften, die fast geringer sind, als die Französische Armee allein in Algier, in so zahlreichen, so verschiedenartigen und \o eut- fernten Besißungen Friede, Ordnung und Sicherheit erhalten werden kann, Jm Jahre 1835 überstieg die ganze Armee s{werlich 100,000 Mannz im Jahre 1838 machten die Unruhen in Kanada, der Zu- stand der Manufaktur - Distrikte in England und die Aufrechthaltung der Ordnung in Westindien, bei Abschaffung der Sklaverei, eine Ver= mehrung von 10,000 Mann nothwendig. Seitdem haben die Kriege im Orient eine fernere Vermehrung von 20,000 Mann nöthig ge- macht. Jm Laufe dieses Jahres wird eine Reduction von 5000 Mann in der Armee und von 6000 Mann in der Flotte stattfinden. Die einzige wichtige militairische Operation, die jeßt im Werke ist, i die Befestigung der Bermudas, die bald ein Plaß ersten Ranges seyn werden.

England hat zu keiner Zeit seiner Geschichte so gewaltige Streit- fräfte gegen seine Feinde aufzustellen vermocht, wie eben jeßt, wenn

richt in den Pfarrschulen selbst mit Theil zu nehmen, oder es müsse, wo es nöthig oder thunlich, ordinirte Geistliche eigends zu Schullehrern Die Kirche muß durchaus aus den engen Schranken heraustreten, die sie sich seit der Reformation in ihren Amtsverrich= tungen geseßt hat und neuen Bedürfnissen durch neue Mittel begegnen.

Die Kirhe das läßt sih niht leugnen i} bisher in ihrer und doch hätte man das Recht, die= ses von einer so hochgestellten, \o reihbegabten und anspruchs= Aber das

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Born ( entzogen, die ihnen von Gott und Rechtswegen in der Gemeinde gebührt. Veswegen thun viele der Leßteren gar nihts, Andere arbeiten ohne Zusammenhang, und oft sogar im Gegensaß mit ihrem Pfarrer, und

es nöthig seyn sollte, und troß dem, was man die Noth des Landes

Auch bei den Engländern gilt zum Theil , daß sie nichts hoch schäßen, was nicht weit her ist. Man sindet hier weit mehr Leute, die sich für die kupferfarbigen Indianer, die braunen Malayen oder die \{warzen Neger, die Tausende von Meilen von uns wohnen, interessiren und große Summen für deren Bekehrung zusammenschießen, als die sich um ihre weißen Landsleute bekümmern oder etwas Erkleliches für deren Bes- serung oder die Milderung ihres Schicksals thun wollen. Die Missio- narien müßten in unsere Schulen, auf den Markt, in die Schänkhäu= ser, auf die Spaziergänge gehen und da die Masse unserer jungen und alten Heiden zu bekehren suchen, die nihts vom Erlöser wissen, ja, oft nicht einmal den Namen Gott kennen und von unserer Kul= tur nur die Laster haben. Sie müßten den Sophisten entgegentre= ten, welche des Sonntags die Spaziergänger in Gruppen um sich her versammeln und ihnen das Bischen Christenthum, das etwa an sie gekommen seyn mag, durch Spott und Hohn oder höchstens durch

nennt, bin ich überzeugt, daß die sämmtlihen Kriegskosten durch die Einkünfte des Jahres gedeckt werden könnten, ae daß man nöthig hätte, zu einer Anleihe zu schreiten.

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__ Brüssel, 4. März. Der Moniteur Belge enthält eine Königl. Verordnung vom 1sten d. M., wodurch das bisherige Sup-= plementarbuch für die Niederländishe Schuld in Brüssel aufgehoben und die darin verzeichneten Kapitalien auf das Große Buch der Bel= gischen Staatsschuld übertragen werden.

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Deutsche Sundesstaaten.

__ München, 1. März. (Nürnb. Korr.) Von heute an ist die Stelle eines eigenen General=Verwaltungs-Direktors, als Vor= stand der sechsten Kriegs-Ministerial-Section formationsmäßig beseßt. | Se. Majestät der König haben si bewogen gefunden, den mit der | Geschäftsleitung der sechsten Kriegs-Ministerial-Section betraut ge= wesenen General-Major und Brigadier der Jnfanterie, von Kunst, | unter Bezeugung Allerhöchster Zufriedenheit mit seinen desfallsigen | iensten, diejer Function zu entheben, und zum General-Verwaltungs= | Direktor mit dem Range eines Ministerial-Rathes den bisherigen | Rath des obersten Rechnungshofes, von Sutner, in provisorischer | | l

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Cigenschaft zu ernennen, welhem die Leitung der gesammten Hee= res-Administration obzuliegen hat.

| N Dresden, 6. März. Das zweite Skück des diesjährigen | Geseß- und Verordnungs-Blattes veröffentliht eine unter dem 21. Februar erlassene Verordnung des Kultus-Ministeriums, durch

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| welche, um den Zeugnissen der konfirmirten Geistlichen über ibre Amts- |

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handlungen, so wie über die dabei vorgekommenen Thatsachen die volle Glaubwürdigkeit der Zeugnisse öffentlicher Behörden zu sichern, allen Geistlichen anbefohlen wird, über die innerhalb des Bereichs ihrer amtlichen Wirksamkeit zu vollziehenden Handlungen, so wie über That= sachen, welche dabei vorkommen, damit im wesentlichen Zusammen= hange stehen, auh von ihnen selbst wahrgenommen werden, das Er= forderliche und Geeignete \chriftlich aufzuzeichnen und zusam- meln. Außerdem wird noch die Anlegung und Fortführung beson- derer Akten angeordnet: über a. Aufgebote, b. Ehestreitigkeiten, c. Konfessions-Veränderungen und d. Verlösung der Kirchenstühle. Die schriftlichen Aufzeihnungen sind ohne Rasuren und Durchstriche abzufassen, etwaige Berichtigungen besonders am Rande zu bemerken, auch jene wie diese, wenn sie Anbringen oder Erklärungen Betheilig= ter wiedergeben, den Betheiligten vorzulesen, und is, daß felde geschehen, zu bemerken. Auch sind dieselben mit dem Datum und der Unterschrift des Geistlichen zu versehen. Jedes Spezial = oder General=-Aktenstück oder Bescheid i} auf den ersten Blättern mit ei= nem fortlaufenden Sach= und Namen-Register in der Art zu verse= hen, daß die darin enthaltenen Gegenstände sofort aufzufinden sind.

Die Thätigkeit unserer Geseßgebung war im verflossenen Jahre, als dem des Zusammentritts der Stände-Versammlung, vor welchem die Gesetz - Vorlagen des leßten Landtages bereits größtentheils ihre Erledigung gefunden haben mußten, nicht so bedeutend. Das Geseh= und Verordnungs=Blatt für 1842 enthält auf 214 Seiten 56 Nummern, unter denen sich nur ein einziges Gesetz, das mit Zu- stimmung der jeßt versammelten Stände unter dem 22. Dezember 1842 erlassene Geseß wegen provisorischer Forterhebung der bisherigen Steuern, Abgaben und Beitragsleistungen nah Eintritt der Finanz= Periode 1843 bis 1845 befindet. Die übrigen 55 Nummern sind theils bloße Bekanntmachungen der Ministerien und Ober = Behörden (11), theils Verordnungen, welche theils von mehreren Ministe= rien gemeinschaftlich (7), theils von einzelnen, und darunter 16 vom Ministerium des Jnnern, 5 von dem der Finanzen, 3 von dem des Kultus und öffentlichen Unterrichts, theils als Allerhöchste Ver-= ordnungen unter Signatur des Königs selbst (11 an der Zahl erlassen wurden.

XckX Frankfurt a. M., 5. März. Nachdem die Unter= handlungen wegen des Baues der Main-Neckar-Eisenbahn vollkommen zum günstigen Ende geführt wurden, wird bald ein Verwaltungs= Rath installirt werden, der seinen permanenten Siß in Darmstadt haben soll. Das Großherzogthum Hessen hat von den Kosten des Grund - Erwerbs für diese Eisenbahn zwei Drittheile, ein Sechstheil das Großherzogthum Baden und ein Sechstheil Frankfurt zu tragen. Ob alle übrigen Kosten in gleicher Weise repartirt werden, ist nicht befannt. Ju Mannheim hat der Beschluß , daß die Main = Neckar= Cisenbahn in Friedrichsfeld münden soll, einigermaßen beruhigt.

Es bestätigt sich, daß Se. Königl. Hoheit der Kurfürst von Hessen hier vor dem Unter - Mainthor, diht am Main, einen etwa 11 Morgen großen Garten für die Summe von 140,000 Fl. erkauft hat und darin ein neues Palais erbauen lassen will. Der Kurfürst wird auch fernerhin in unserer Stadt residiren.

Die sichere Aussicht auf den Sieg des Französischen Ministeriums und die höheren Course von Wien und Amsterdam erzeugten heute in der Effekten-Sozietät in den Oesterreichischen und Holländischen Fonds von neuem Kauflust, welhe Gattungen au fühlbar höher blieben.

__ckch Hamburg, 6. März. Die Hoffnung, welche ih Jhnen in einem früheren Schreiben aussprach, daß sich die Hamburg=Huller Dampsschifffahrts =Wirren in befriedigender Weise lösen würden, ist jeßt aufs \{önste in Erfüllung gegangen. Herr Sloman, einer der Direftoren der hiesigen Compagnie, fehrt so eben von Hull zurü, woselbst er Namens der durch ihn vertretenen Gesellschaft eine Ver= einbarung mit den Herren Gee und Comp. abgeschlossen. Man er= innert sih noch, mit welhem Mitleiden von der einen Seite, mit welcher ängstlihen Besorgniß von der anderen man auf die patrio= tische Opposition des Hamburger Kaufmannstandes hinblickte und wie geringes Vertrauen in das Gelingen dieser Bestrebungen geseßt ward. Die shüchtern und bescheiden, aber fest und si ihres guten Rechts bewußt auftretende Hamburger Gesellschaft hat nun den Lohn ihrer Bemühungen erhalten und sich von dem Huller Monopol emanzipirt. So werden in Zukunft beiderseitige Dampfschiffe in Ein- tracht neben einander den Dienst versehen, und zwar zu sehr ermä- ßigten, festen Preisen. Das gesammte Deutsche kommerzielle Publi- kum, welches ‘bei diesem Kampfe unmittelbar betheiligt war, wird mit Freude die Nachricht von dem Gelingen der Hamburger Bestrebungen vernehmen und der Beharrlichkeit und Festigkeit unserer Mitbürger den Beifall zollen, auf welchen sie si so gegründeten Anspruch er= worben haben. i ——_

Italien.

Nom, 23. Febr. (A. Z.) Römer und Fremde, von denen

mehrere Hunderte expreß für diese Zeit hierhergekommen, bedauern lebhaft die Einbuße der diesjährigen Karnevalsfreuden, welche anhal- tend heftige Regengüsse nicht laut werden lassen. Berichte ern 'ün- Art kommen von den verschiedensten Punkten der Romagna, wo Un-