1843 / 72 p. 2 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung) scan diff

Grossbritanien und Irland.

aus. Sigzung vom 6. März. Lord Brougham eeres Abend E e würde nächstens die Aufmerkfamkeit des Hauses auf den Zustand der Geseße über die Verbrechen von angeblih an partiellem Wahnsinn leidenden Personen lenken, weun nicht der Ober - Richter der Queens Beuch selbst eine darauf bezüg- lihe Reform-Maßregel einbringen wolle. Lebterer (Lord Denman) erflärte hierauf, es sey ihm auch mit Hinsicht auf neuere Vorfälle angemessen erschienen, jene Gesebe in reiflihe Erwägung zu ziehen, aber er halte es für zweckmäßiger, wenn ein solcher Vorschlag von dem Ministerium ausginge, dem die Richter dabei gern mit ihrem Rath zur Hand gehen würden. Der Lord - Kanzler fand eben- falls eine solche Maßregel sehr nöthig und war bereit, p darüber mit Lord Brougham und den Richtern in Berathung zu seben. Lord Campbell, ehemaliger General-Prokurator, gab seine Freude über die- sen Entschluß der Regierung zu erkennen und machte nur bemerklich, daß die Worte Lord Brougham's zu einem Mißverständniß veranlassen fönntenz man fönnte nämlich denken, daß Personen, die an partiellem Wahnsinn litten, jeßt als von aller Verantwortlichkeit frei betrachtet würdenz das sey aber nicht die Meinung des Geseßes, sondern, wenn nicht bewiesen sey, daß zur Zeit der Verübung eines Verbrechens der Thäter am Wahnsinn gelitten, oder daß solher Wahnsinn mit Grund als die unmittelbare Ursache der verbrecherischen Handlung angesehen werden könne, finde auch jeßt niht Straslosigkeit statt. Lord Brougham bemerkte darauf, er habe unter partiellem Wahn- sinn eigentlih Monomanie gemeint, nämlich solchen partiellen Wahusinu, der abwechselnd sich verliere und wiederkehre, unter dessen Einfluß jedoch das Gemüth sich stets besinde; er habe je nen Ausdruck gebrauht, um den gänzlichen Verlust des Ver= standes davon zu unterscheiden. Lord Campbell erklärte es \ließ- lich noch für wünschenswerth, daß Maßregeln getroffen würden, um diejenigen Judividuen, welche sich in einem so gefährlichen, abwech- selnd wahusinnigen Gemüthszustande befänden, in welhem es sehr \hwierig sey, sie für ihre Handlungen verantwortlich zu machen und zu verurtheilen, für die menschliche Gesellschaft unschädlich zu machen. Diese ganze Diskussion hatte natürlich Bezug auf die (unten gemel- dete) Entscheidung des Macnaughteuschen Prozesses.

Unterhaus. S ibung vom 6, März. Jn dieser Sibung fam nichts von allgemeinerem Juteresse vor, außer daß Sir R. Peel auf eine an ihn gerichtete Frage erklärte, es sollten dem Hause alle nöthigen Aufschlüsse über den Kostenpreis des in China konsiszirten Opiums vorgelegt werden, ehe die Entschädigungs - Frage von der Regierung entschieden würde, und daß im fortgeseßten Subsidien- Aus\chuß über die Marine - Veranschlagungen ein von Herrn Hume beantragtes Amendement, wonach der Posten für die Werfte um 10,000 Pfd. reduzirt werden sollte, mit 71 gegen 22 Stimmen ver= worfen und jeder der übrigen Posten ohne Abstimmung genehmigt wurde.

London, 6. März. Die Vermählung des Erbgroßherzogs von Mecklenburg=Streliy mit der Prinzessin Auguste von Cambridge wird, ministeriellen Blättern zufolge, zwar erst um die Mitte Mai's stattfinden, aber schon zu Ende der nächsten Woche wird der erlauchte Bräutigam vom Kontinent in Cambridge House erwartet,

Es is hon erwähnt worden, daß die Aussagen der Belastungs- Zeugen in dem Prozeß gegen Macuaughten nichts Neues vou Be- deutung, was nicht hon früher dur die Zeitungen zur öffentlichen Kenntniß gekommen, über das frühere Leben des Angeklagten, über sein Attentat und über sein nachheriges Benehmen an den Tag gebracht haben. Das Einzige, was von Erheblichkeit in Bezug auf seine frü- here politishe Denkungsweise sich aus diesen Aussagen herausstellte, und was bisher noch nicht bekannt war, is eine Aussage des Gelb- gießers Robert Gordon aus Glasgow, der mit Macuaughten im leb- ten November in London zusammengetroffen und von ihm in eimgen Gegenden der Stadt umhergeführt worden war , bei welcher Gelegenheit dieser ihm auch das Ministerial - Gebäude in Dow- ning Street zeigte, wo Sir Robert Peel zu arbeiten pflegt, mit den Worten: „Da geht Sir Robert Peel aus und ei, hol ihn der —, hinunter mit ihm!“ Diese Aeußerung mußte den Verdacht verstärken, daß Macnaughten mit einem vorgefaßten Plan gegen das Leben Sir R. Peel's umgegangen sey, um fo mehr, als er nah dem Attentat, als ein Polizeibeamter ihn fragte, ob er wisse, auf wen er geschossen, gleich selbst verseßte: „War es Sir R, Peel oder uicht?“ Zwar sprach er dann unsinniges Zeug durch einander über Verfolgungen, denen er von Seiten der Tories ausge- seßt sey, dies wurde indeß fast allgemein für Verstellung gehalten. Die Belastungs=Zeugen bestanden zum Theil aus deu Polizeibeamten, Aerzten und anderen Personen, die in Bezug auf das Attentat selbst und die darauf folgenden Umstände, den Tod des Herrn Drummond und Macunaughteu's Beuehmen, Aussagen zu machen hatten, theils aus solchen Jndividuen, welche ihn früher in London und Glasgow gefaunt, darunter au die Wittwe, bei welcher er in Lon- don gewohnt, und Mitglieder des Gewerb-Justituts zu Glasgow, an welchem er Vorlesungen besucht batte. Aus allen diesen Aussagen ging nichts hervor, was auf Wahnsinn Macnaughten's bis zur Ber- übung seines Attentats kounte {ließen lassen, sondern nur \o viel, daß er allerdings seit ein paar Jahren seinen früheren Fleiß aufge- geben, sein Geschäft niedergelegt, vielerlei gelesen, auch zuweilen po- litisirt und zuleßt, allem Anschein nah , ganz müßig gegangen, sich hier und da herumgetrieben und von seinen früheren Erspar= vissen gelebt hatte. Ju politishen Verbindungen mit ande- ren Individuen oder mit Vereinen {eint er, so viel aus diesen Zeugen - Aussagen sich ermitteln ließ, nicht gestauden zu haben. Als dies Verhör am Freitag beendigt war, erklärte der Anwalt des Gefangenen, Herr Cockburn, er fühle sich so unwohl, daß es ihm unmöglich seyn würde, seine Vertheidigungs - Rede an diesem Tage gehörig zu halten und zu beeudigen, und er wolle daher das Gericht ersuchen, die Verhandlungen bis zum nächsten Tage zu viefelbe in Man willigte hierein, und die Jury wurde daher, um dieselbe inzwischen mit Niemand in Verbindung kommen zu lassen, vou einem Gerichts-Beamten begleitet, nah dem London Coffee-House gebracht, wo sie unter amtlicher Bewachung die Nacht zubringen mußte. Am Sonnabend früh um 9 Uhr begannen die Verhandlun- gen von neuem. Der Vertheidiger des Gefangenen, Herr Cokburn, hielt eine fast vier Stunden dauernde Anrede an die Geschworenen. Er sagte darin im Wesentlichen :

„És fann mir natürlich nicht einfallen, das begangene Verbrechen zu leugnen z ín meiner Vertheidigung wird es sich also nicht um die Frage der That, sondern um den Gemüthszustand des Gefangenen handeln, in wel- hem derselbe sich im Augenblicke der That befand. Jm Namen der ewi- gen Gerechtigkeit fordere ih Sie auf, si in dieser über das Leben eines Unglücklichen entscheidenden Untersuchung von jeder vorgefaßten Meinung frei zu halten, Unser Geseß stellt fest, daß ein des Gebrauchs seiner Ver- nunft beraubter Mensch nicht länger Herr seiner eigenen Handlungen und also unzurechnungsfähig ist, Jh werde Jhnen Zeugnisse vorlegen, deren

hlagende und unumstößliche Beweiskraft in Jhren Gemüthern, wie ich ofe, über die Gei B eepenna des Gefangenen feinen Zweifel übrig lassen wird. iese Zeugnisse rühren theils von den Behörden seiner Vaterstadt Glasgow her, an welche er sih wiederholt um Schuy gegen eingebildete Komplotte wandte, die er gegen sich geschmiedet wähnte,

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theils von Aerzten, welche sich dahin aussprechen, daß Macnaughten durch seinen zerrütteten Geistes - Zustand zu dem Verbrechen gebracht worden sey. Mehrere dieser Aerzte sind hier anwesend und werden Jhnen sagen, daß der Gefangene während der leßten zwei Jahre die unleugbarsten Beweise von Wahnsinn durch sein ganzes Thun und Treiben geliefert hat, Eben die Verübung des Verbrechens, wegen dessen mein Klient hier vor Jhnen steht, spriht am überzeugendsten für seine Verrücttheit. Er hatte durchaus keinen vernünftigen Grund, einen Mann zu ermorden, mit dem er persönlich nie in der mindesten Berührung stand. Nichts spricht dasür, daß politischer Fanatismus das Motiv der That war, und eben so wenig liegt für die aufgestellte Behauptung, daß die Kugel, welche Herrn Drummond traf, Sir R, Peel zugedacht gewesen, irgend ein Beweis vor.“

Der Anwalt führte diese Argumente daun weitläufig aus und {loß mit der Aufforderung an die Jury, ein gerehtes und unbe- fangenes Urtheil zu fällen. Seine Rede schien einen tiefen Eindruck auf die Geschworenen und auf sämmtliche Anwesende zu machen. Der erste Entlastungszeuge, welcher hierauf vorgefordert wurde, war der Vater des Angeklagten. Er erklärte, daß es ihm unmöglich ge= wesen sey, seinen Sohn von der fixen Jdee abzubringen, daß er von den Tories überall verfolgt werde. Mehrere Aerzte und andere Ent= lastungszeugen , darunter auch der Lord -= Provost oder Mayor von Glasgow, Sir James Campbell, und das Parlaments = Mitglied Alexander Johnston, bei welchen sih der Angeklagte im Mai 1842 hon über angeblihe Verfolgungen von Seiten der Tories beklagt hatte, sprachen in demselben Sinne. Die Aerzte, welche den Gefan- faugenen in Newgate besucht hatten, waren sämmtlich der Meinung, daß er das Attentat in einem gestörten Gemüths = Zustande verübt habe, an welchem er {on längere Zeit zu leiden {heine. Diese Gut achten wirkten entscheidend auf das Urtheil ein. Die Richter erklär= ten sogleih, solhen Aussagen zufolge scheine ihnen die Anklage geseßlich nicht hinreichend motivirt, weun der öffeutlihe Anwalt nicht noh andere Beweise vorbringen könne. Leßterer erwiederte, seim Streben sey nur, der Gerechtigkeit ihr Recht zu verschaffen, und der Jury gezieme es, zu entscheiden, ob der Angeklagte mit Bewußtseyn gehandelt habe, Der Ober-Richter wendete sih darauf an die Jury, wiederholte seine Ansicht vou dem Geisteszustande des Angeklagten und forderte sie auf, nah ihrem Gewissen zu entscheiden. Der An- geklagte schien in dieser Gerichtssißung anfangs sehr gefaßt, bald je- doch wurde ihm so unwohl, daß man ihm einen Stuhl bringen mußte. Die Jury berieth sich nur eine Minute und kam mit dem Verdikt zurück: „Nicht \chuldig, wegen Wahnsinns,“ Es wurde darauf befohlen, den Gefangenen in Gewahrsam zu halten, bis die Königin das Weitere bestimmt habe.

Die Minister haben dem Parlament einen Gesebß- Entwurf vor= gelegt, welcher die Bedingungen feststellt, unter denen die Ausländer, wenn sie sich naturalisiren lassen, die Rechte und Privilegien Britischer Unterthanen empfangen. Eine Bestimmung dieses Geseß - Entwurfs über den Eid, welchen der naturalisirte Ausländer zu leisten hat, lautet: folgendermaßen: „Jch verspreche aufrichtig und \{chwöre, der Königin Victoria treu und ergeben zu seyn und sie mit meiner ganzen Kraft gegen alle Vershwörungen und Attentate wider ihre Person, ihre Würde oder Krone zu vertheidigen. Jch werde alle Anstrengungen aufbieten, um der Königin, ihren Erben und Nachfolgern jeden Ber= rath und jede Verschwörung gegen sie aufzudecken, Jch entsage hier- mit allem Gehorsam gegen jede sonstige Person, welche etwa Rechte auf die Krone dieses Königreiches zu besißen vorgeben möchte.“

Unter den 60 wegen der Ruhestörungen, welche im vorigen August zu Manchester vorsielen, in Lancaster vor die Assisen gestellten Angeklagten befinden sich die Chartistenführer Feargus O'’Connor, Macdonall, Scholefield und Maccartney. Sie sind Pestnldigt, ein von Erfolg begleitetes Komplott angestiftet zu haben, um unter den Fabrik -= und sonstigen Arbeitern Unruhen zu erregen und friedliche Unterthanen zur Aufgebung ihrer Arbeit zu veranlassen. Feargus O'Connor hatte den Minister des Juneru, Sir J, Graham, als Zeuge vor die Assisen laden lassen und derselbe sich daher im Gerichts- saale zu Lancaster eingefunden. Der Chartisten-Chef erklärte jedoch, daß er darauf verzichte, den Minister zu befragen, und dieser wurde sofort der weiteren Anwesenheit entbunden, Die Verhandlungen dauern noch fort.

Die Fregatte „Colombine“ is mit einer weiteren Abschlagszah- lung von 750,000 Dollars auf die Chinesische Entschädigung aus China zu Portsmouth eingetroffen. E

Es hat si hier eine fatholische Auswanderungs Gesellschaft ge- bildet, welche auf ein Kapital von 200,000 Pfd. St. in Actien von 2 Pfd. St. gegründet is. Nach der Morning Chronicle be- zweckt dieser Verein Erleichterung des auf dem Haudel und den arbei= tenden Volksklassen lastenden Druckes, Bekanntlich wenden alljährlich Tausende von fleißigen armen Jrläudern, durchgängig Katholiken, ihr leßtes Geld auf Bezahlung der Ueberfahrtskosten nah Nord-Amerika und kämpfen unterweges mit {weren Entbehrungen. Sind sie dork angekommen, so kaun die Mehrzahl keine Arbeit finden und muß sich zu Fuß nah dem fernen Westen durchbetteln. Die Gesellschaft be- zweckt nun, Auswanderern, übrigens ohue Ansehen der Konfession, freie Ueberfahrt nah den Vereinigten Staaten zu verschaffen, wo zugleih für ihre Wohnung und ersten Bedürfnisse vorgesehen seyn wird. Die Gesellschast hofft, in diesen Auswanderern mit der Zeit bedeutende Verbraucher Britischer Fabrikate zu gewinnen, so daß dem- nah dem Mutterlande die auf ihre Uebersiedelung verwendeten Kosten wieder würden eingebracht werden.

Jn Antigua und den benachbarten Westindischen Juseln hat am 8ten v. M. des Morgens ein furchtbares Erdbeben stattgefunden. Die Stöße dauerten 3 Minuten. Nähere Nachrichten fehlen noch, doch sollen die angerichteten Verwüstungen sehr vou seyn. Zugleich erfährt man aus Port - au = Prince, daß dort eine Feuersbrnnst 400 Häuser und Niederlagen verzehrt hat, Der Schaden wird auf U Millionen Dollars angeschlagen. :

Aus Dover wird gemeldet, daß am Dounerstag bei den Werken der südöstlichen Eisenbahn, etwas oberhalb der Rounddown - Klippe, eine neue Felsensprenguug vorgenommen worden is, wozu man /000 Pfund Pulver verwendete. Der Erfolg fiel eben o Bonuigeit aus, als bei Sprengung der eben genannten Klippe, und die Entzündung der Minen geschah wieder mittelst der Voltaischen Batterie. |

Die ganze Familie Bonaparte will angeblich zum 5, Mai, dem Todestage Napoleon's, in London zusammentreffen. N r

Dr. Hope, der über 50 Jahre lang in Edinburg Professor der Chemie war, wird jeßt abtreten und, wie es heißt, den „Veut chen Gelehrten, Dr. Liebig, zum Nachfolger haben, welchen hiesige Blât- ter als den größten jebt lebenden Chenmifer bezeichnen.

Die Bank von England hat nah ihrem gestern ausgegebenen Monatsbericht 10,945,000 Ri St. an baarem Gelde in ihren Koffern und ihr Noten-Umlauf beträgt 19,739,000 Pfd, Skt.

5 London, 7. März. Macnaughten is als Wahnsinni-

er freigesprochen worden, Leute, welche es für human halten, jeden örder vom Galgen zu retten, haben sih die Mühe gegeben, eine solche Masse von Zeugen Verwandte und Freunde, Beamte und Aerzte zusammen zu bringen, daß jeder anerkenuen mußte, der Mensch leide schon seit mehreren Jahren unter dem Wahne, man ver- folge ihn und fuche ihn zu verderben, Zuerst waren es die Tories allein, die sich zu seinem Untergang verschworenz dann vereini ten sich die Katholiken, besonders Jesuiten, mit ihnen, Er floh selbst nach

Frankreich vor dieser vermeintlihen Verfolgung und schien Drummond in dem Wahn ermordet zu haben, er würde sich hierdurch wenigstens vor ihm, der ihn, wie er sih einbildete, mit scheelen Augen angesehen hatte, Ruhe verschaffen. Da die Kronbeamten dieser Masse von Zeugnissen nichts entgegenzuseßen hatten, so erklärte der Richter den Geschworenen, es bliebe ihnen, seiner Ansicht nach, nichts übrig, als den Mörder freizusprechen. Jundessen is man in hohen und niederen Kreisen, wenn auh nicht mit dem Ausspruch, doch mit dem Geset, das diesen Ausspruch befahl, unzufrieden. Man giebt wohl zu, daß der Mann unter einer Monomanie litt, man will aber darum nicht einsehen, daß er niht einen Mord als was Böses angesehen habe, daß er nicht dur Furcht hätte davon abgehalten werden können, und folglih zurechnungsfähig sey, Auf jeden Fall fühlt man, daß der Ausspruch das Leben der höchsten Personen shublos lasse, indem in diesen aufgeregten und überspannten Zeiten sich leiht Fanatiker finden dürf ten, die in der Erwartung, aller Strafe zu entgehen, ihrem Haß oder ihrem Wahn andere Opfer suchen könnten. Freilih wird der unter diesen Umständen für wahnsinnig Erklärte für immer im Tollhaus eingesperrt; aber man weiß, er findet dort ein bequemes Zimmer, reichliche Nahrung, Raum zur Bewegung, Gesellschast und fast jede beliebige Beschäftigung; er wird von den Vornehmsten besucht, man spricht mit ihm mit Antheil, erkundigt sih angelegentlich nach seinem Thun und Treiben, und so lange er sih friedfertig verhält, hat er feinen anderen Zwang zu befahren, als daß er das Haus nicht ver- lassen darf.

Wie gar manche, besonders die ein solches Leben nicht versucht haben, dürften es gegen die Schwierigkeiten und Schicksalswechsel im Leben für wünschenswerth halten; und wer wenn man sich darum Mühe giebt könnte nicht als wahnsinnig bewiesen werden! Auch hat bereits Lord Brougham im Oberhause angekündigt, er werde den Gegenstand zur näheren Bestimmung des Geseßes vor diese Versammlung bringen. Und der Großkanzler, der Oberrichter Denman und der neuliche Kanzler von Jrland, Campbell, erboten sich Alle aufs eifrigste, an diesem unerläßlichen Werke mitzuhel fen. Vor das Unterhaus soll die Sache durch Herrn V. Blake aebraht werden, Man 1 qux Sir Nobert Peel etwas ve unruhigt; zumal da man davon gesprochen, ein Schottländer habe an Bord eines Dampfbootes zwishen Glasgow und Liver pool, nach manchen sonderbaren Reden, welche die Reisenden aufmerksam gemacht, erklärt, er gehe nah London, um mit Peel ein gewisses Geschäft abzumachen, Er nahm es übel, daß ein Weib guf dem Throne siße, sprach von Tyraunenmord, als in der heiligen Schrift geböten, u. #. w. Auch sieht man die Polizei zwischen des Ministers Haus und dem Parlaments -Gebäude, so wie innerhalb desselben, zahlreiher und aufmerksamer wie sonst; und es sollen sich Polizeidiener in Bürgerkleidung beständig unter die des Nachmittags und Abends umherstehenden Gruppen mischen und an jede verdächtig scheinende Person anschließen, Dies is ene traurige Erscheinung in einem Lande, wie dieses, wo Hohe und Niedere in ahnungslojer Sicherheit zu allen Zeiten au alle Orte zu gehen pflegen, wo weder die Gerichtshöfe, noh die Parlaments-Versammlungen eine militairische Bedeckung haben, und man selbst die Posten an den Königlichen Pa lsten und Gärten nur als eine Ehrenwache anzusehen pslegk. Aber gerade dieser Gegensaß, diese Unruhe nah einer langen unmuter- brochenen Ruhe \{hreckt die Gemüther um so mehr auf.

—— E Geiterreig

Wien, 7. März. Das gestrige Bülletin über das Besinden

des Erzherzogs Franz Karl lautet : Z „Am 6. März um 9 Uhr früh.

Se. Kaiserl. Hoheit der Darchlauchtigste Erzherzog Franz Karl fühlten sich gestern, ungeachtet des mäßigen Fiebers, etwas mehr aufgeregt; in der Nacht schliesen Dieselben mit Unterbrehung ein paar Stunden, und klagen heute über Mattigkeit, Die übrigen Krankheits - Erscheinungen haben sich nicht verändert, : i i Freiherr von Türkheim, Dr Bang

© Wien, 4. März. Nach den gemachten Erfahrungen entstehen die meisten Unglücksfälle der Berg-Arbeiter durch Cxplosion der Bohrlöcher bei der Sprengarbeit, indem entweder durch die Raum- nadel oder durch den Ladestock eine zu frühzeitige Entzündung herbei geführt und es dadurch dem Arbeiter unmöglich gemacht wird, vor Entladung des Bohrloches den Fliehort zu erreichen, L iese zu frühe Entzündung kann erstlih dadurch herbeigeführt werden, daß die Raum- nadel, vermittelst welher in der Bohrmajse ein Zündkanal offen ge- halten wird, wenn sie durch das Pulver hindurch gestoßen oder wäh- rend des Beseßens an die Bohrlochwände gepreßt, oder nach gesche hener Beseßung aus der Bohrösfnung gezogen wird und das Neben- gestein oder das zur Beseßung verwendete Material quarzige Theile enthält, Funken reißt und dadurch eine Cxplosion L. Auf gleiche Weise fönnen durch den Ladestok, durch welchen die Besebungsmasse eingestoßen wird, Funken erzeugt und dadurch eine zu frühzeitige Entladung, Explosionen veranlaßt „werden, __Wenn nun auch nit alle Momente, _als: Cleftrizität, Luft - Kompression und das Verhalten des Schießpulvers als Knallkonglomerat ernt lelt sind, welche bei der Cxplosion ebenfalls mitwirken können, und eine vollständige Sicherheit dagegen nur auf genauer Kenntniß der Entstehungs-Ursache beruhen kann, so hat sih doch in dieser Bozie- hung der Gebrauch von fupfernen Raumnadeln und Ladstöcken als sehr ersprießlih bewährt, und deren allgemeine Einführung austatt der eisernen bei allen ärarischen Montanwerken zur Folge gehabt, Dem- ungeachtet hat das Berg-Oberamt zu Klagenfurt sich überzeugt, daß bei deu Privat - Gewerkschaften, theils aus Vorliebe für den hergebrach ten Schleudrian, theils der wohlfeileren Anschasfungskosten und der seltener eintretenden Fehlschüsse wegen, noch immer eijerne Raum nadeln im Gebrauche sind; in Berücksichtigung der hierdurch drohen den Gefahren für das Leben der Bergleute hat daher diese Behörde den Antrag gestellt, den Gebrauch der genannten eisernen Spreng- werfzeuge beim Bergbau allgemein zu untersagen, und die Uebertre- tung dieses Verbotes nach den Vorschriften des Sa ar ues über die Sicherheit der Personen zu bestrafen. LIs MOERE 6 nun diesen Antrag in Verhandlung genommen und darüber ein Gutachten von allen Provinzial-Regierungen abverlangt.

69 K ad, 5. März. Die Noth in unserem Erze ebirge ist s e T groß, und die reichlichen Beisteuern der Privat- Mildthätigkeit aus allen Gegenden der Monarchie, sind kaum hinrei= hend, um die großen Bedürfnisse des Augenblicks zu deen, Große nachhaltige Hülfe gewähren daher nur für die lange Zeit bis zur nächsten Aerndte die von Sr. Majestät dem Kaiser bewilligten Straßen- und Wasserbauten. Da dieselben jedoch meistens mehr im Jnnuern des Landes ausgeführt werden, so würde doch für viele der unglülichen Gebirgs-Bewohner, die sich nicht weit von Hause entfernen können, jene ilfe shwer zu erlangen seyn, wenn nicht zufolge einer so eben befannt gewordenen ferneren Anordnung eine große neue Straßen= strecke in unserer Nähe ausgeführt würde. Es is dies die Anlegung einer neuen Straßenstrecke von Falkenau an der Eger nah der ge= werbreihen Gebirgsstadt Grasliß, für welhe das große Opfer der Grundentschädigung und der Bau der großen Brücke über den Eger-

sluß aus öffentlichen Fonds gleichzeitig bewilligt wurde. Außer den beträchtlihen Summen an Arbeitslohn in der Nähe der jeßt dur Mangel an Verdienst so sehr leidenden Gegend, gewährt dieser Straßenzug der Stadt Grasliß und den höher liegenden Gebirgsge- genden auch für die Zukunft den großen Vortheil eincs wohlfeilen Bezuges von Lebensmitteln, Brenn- und Arbeits-Materialien, wodurch der Jndustrie-Betrieb eine große Erleichterung erhalten muß. ilm S MW 24 L _ Wallis. (A, Z) Seit Monaten is die Aufregung im Wal- liser Lande ziemlich groß, wie die Scenen im Großen Rathe schon leßten Herbst gezeigt haben. Wie in Genf die konservativen Zeitun- gen viel weiter gingen als die konservative Regierung, so in Wallis die liberale Presse im Kampf gegen die geistlihen Prärogativen, Die Aufreizung nahm so zu, daß die Negierung sich veranlaßt fand, eine eigene wohl eben so sehr zur Abwehr gegen ihre leidenschaftlichen ¿reunde als gegen ihre offenen Widersacher bestimmte Zeitung zu gründen, so daß seit einigen Monaten dieses Ländchen von 80,000 Einwohnern, worunter mehr als ein Drittel Deutsch spricht, wäh= rend etwa eben so viel uicht lesen können, drei Französische Zeitungen besißt das Organ der Regierung, Courrier du Valagis, das radikale Blatt, Eho des Alpes, und die Zeitung der ultramon- tanen Partei, Gazette du Simplon. Leßtere, von zwei Fran= zosen geleitet, den Herren Rupert und de Meyeri, schien der Regie rung o gefährlih, daß sie diesen Herren den Aufenthalt im Lande versagte, und da sie der Ausweisung nicht gehorchten, sie momentan verhaften ließ. Dies scheint die nächste Ursache der Unruhen, welche am 28. Februar in Saint Maurice stattfanden, wo beide Parteien überdies dur die zweifelhaften Ergebuisse der Gemeinde-Wahlen sehr erbittert waren. Die Leidenschaft der Bewegungs-Partei war beson ders gegen die alte einfluß- und güterreihe Königl. Abtei von Saint- Maurice gerichtet, welche si ihrerseits bedroht glaubte, Bergbewohner zur Vertheidigung kommen ließ, und ihnen, wie man sagt, Waffen austheilte. So kam es vor einigen Tagen zu Gewalt = Auftritten, welche durch die Dazwischenkunft des Regierungs = Präsidenten Herrn Barmann ohne bedeutende Folgen beshwichtigt wurden, Die Bewe- gung scheint sih nicht weiter verbreitet zu haben, und es würde wohl lles dabei bleiben, bis zu den Wahlen für den Großrath, welche nah Ostern statthaben, Dann aber wären wohl Aenderungen in der Lage dieses Kantons möglich. Ein Wechsel der Regierung wäre nicht zu wünschen, denn die jeßige zeigte sih bis jezt thätig, mäßig und besonnen. : ta Pt l e

Nom, 27. Febr. (A. Z.) Vor einigen Tagen starb hier nah furzem Krankenlager der Kardinal Principe G. Giustiniani (geboren in Rom 1769 den 29, Dezember), Camerlengo des Papstes, Erz- priester der vatikanischen Basilifa und Bischof von Albano. Sein Berlust wird besonders von den Römischen Literaten {merzlich em psunden, deren freundlicher Beschübßer er in seinem Amt als oberster Studien-Direktor war. Kardinal Giustiniani wurde bekanntlich im leßten Conclave zum Papst erwählt, auf sein dringendes Bitten jedoch durch Spanische Vermittelung er war lange Zeit apostolischer Nuntius in Madrid von der Würde exkludirt.

Das Buch „Laocoon sive Uermesius et Perronius, Bonn 1842‘, das hier in mehreren Exemplaren befannt geworden, erregt allgemeine Aufmerksamkeit. Es i} eine Uebertragung von Georg Hermes? philosophisch -religiösem Dogmatismus aus dem Deutschen ins Lateinishe. Professor Perrone, seit vielen Jahren der eifrigste Bekämpfer des Hermesignismus, bereitet eine ausführliche Widerlegung des Buches vor. ' i

Die ZJntendantur und oberste Leitung der akademischen Kunst Studien, der zeither der anerkannt ausgezeichnetste der jeßt lebenden Ftalieunischen Maler, Baron Vincenzo Camuccini (Davids Schule) vorstand, is dem ersten Professor der Akademie von S, Luca F, Agri= cola, einem Künstler von Ruf, übertragen worden. Camuccini hat aus Rücksichten für seine sehr ges{chwähte Gesundheit aus freiem Antrieb auf den wichtigen und ehrenvollen Posten resiguirt.

Neapel, 18, Febr. Das Giornale delle due Sicilie meldet, Se. Königl. Hoheit der Prinz Albrecht von Preußen hat, nachdem er vou der Königlichen Familie Abschied genommen, am 15ten d, M, in Begleitung von zwei Gesellschafts-Kavalieren, einem Secretair und vier Dienern, sich an Bord des Dampfbootes „Euro tas‘ eingeschifft, um über Malta und Syra Alexandrien zu erreichen und dann der Reihe nach Ober-Aegypten, Palästina und andere Län- der des Morgenlandes zu besuchen. Se. Königl. Hoheit gedenkt nach Beendigung dieser Reisen, und vor seiner Rückkehr nach Berlin, unsere Haupkstadt nohmals zu besuchen und sich einige Zeit in ihren Umgebungen aufzuhalten,

Vorgestern haben die zwei Holländischen Fregatten „Jason“ und „de Ryn“/, von dem Grafen Fanteplat befehligt und von Malta kom= mend, in dem hiesigen Hafen Anker geworfen.

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Yon der Türkischen Gränze, 28. Febr. (A, Z.) Nach- richten aus Konstantinopel zufolge, die eben auf außerordentlichem Wege einlangen, hat Herr Butenieff Anstand genommen, die nun auf das eigenhändige Schreiben des Kaisers Nikolaus an den Sultan erfolgte Antwort nah St. Petersburg zu expediren, da der Rus= sische Botschafter besorgen soll, daß lebtere die zwischen der Pforte und Rußland bestehende Freundschaft bis auf den Grund erschüttern müßte. Ein Russischer Courier, der vor einigen Tagen von Kon- stantinopel abging, soll blos einen kurzen Auszug des Antwortschrei bens mit der Angabe seines wesentlichen Jnhalts nach St, Peters burg überbringen, Man glaubt hier, daß das von Herrn von Bute- nie} hierbei befolgte Verfahren allerdings geeignet sey, die Pforte über ihre Haltung hinsichtlißh Serbiens bedenklich zu machen, obwohl bestimmte Nachrichten besagen, daß die Pforte auf ihrem Entschlusse, die gegenwärtige Regierung Serbiens aufrecht zu halten, noch immer beharre, Es is zu wünschen, daß der Sache einmal ein Ende ge- macht werde,

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Vereinigte Staaten von Uord - Amerika.

London, 7. März. Mit Berichten aus New-York vom 7. Februar i} so eben die Nachricht hier eingegangen, daß das See- Kriegsgericht an Bord des Schiffes „North Carolina“ unterm 20, Januar den Capitain Makenzie und seine Mitangeklagten, wegen der an Bord des „Somers“ an Philipp Spencer und Samuel Cromwell vollzogenen Execution, von aller Schuld freigesprochen und erklärt hat, sie hätten ganz nah Erforderniß der Unstände gehandelt und seyen zu solchem Verfahren vollkommen berechtigt amten,

O New- York, 4. Febr. Die Finanzlage der Vereinigten Staaten bietet in diesem Augenblicke zwei entgegengeseßte Phänomene dar, welche hervorzuheben sicherlih niht ohne Jnteresse seyn dürfte.

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Vielleicht zu keiner Epoche war der Umlauf des baaren Geldes solider gewesen als eben jeßt; nie war dasselbe in den Koffern der Kapitalisten und in den Kassen der Banken in größerer Masse vor= handen gewesen, als es in diesem Augenblicke der Fall ist, Als Bei- spiel davon will ich nur die Banken von New-York anführen. Die von den 131 Banken dieses Staates zur Oeffentlichkeit ‘gebrachten Rechnungen thun dar, daß ihre gegenwärtige Circulation, abgerechnet die Handels = Cffekten, welche das Aequivalent ihrer Esfomptirungen darstellen, sich auf 7,142,884 Dollars beläuft, und daß sie für 8,477,076 Dollars baar Geld in Kasse haben, was einen Ueberschuß von 1,334,192 Dollars des Baargeldes über das in Umlauf befind=- lihe Papiergeld ergiebt. Die 24 Banken der Stadt New-York selbst haben eine eigene Circulation von 1,082,672 Dollars, und in ihren Gewölben haben fie 7,279,560 Dollars in baarem Gelde, so daß die Summe dieses dasPapier um 6,196,888 Dollars übersteigt.

Die Lage der Banken von New-Orleans, welche nicht in Ligui- dation begrissen sind, bietet einen nicht minderen Ueberfluß an Kapi- talien dar. Und doch in demselben Augenblicke, wo die finanziellen Etablissements mehr als je Reichthum an Geldvorräthen haben, ist die Lage des Handels, der Grundeigenthümer, der Gewerbsleute mehr als je gedrückt. Durch cine scheinbare Bizarrerie haben die Ameri faner feinen Heller mehr, seit sie Geld haben, und ein wirklicher Geldumlauf an die Stelle eines scheinbaren getreten is. Diese Ano malie is aber, wie gesagt, nur scheinbar, nihts fann normaler seyn, als der jeßige Zustand. Der Amerikanische Reichthum war übertrie ben worden durch das Zeichen, das ihm zur Repräsentation diente,

und dieses Zeichen, das nach allgemein angenommener Uebereinkunft Geltung erlangt hatte, hatte, indem es von dem getäuschten öffent- lichen Glauben angenommen wurde, das baare Geld verdrängt. Aber wie groß auch der Ueberfluß an baarem Gelde werden mag, der des in Umlauf geseßten Papieres war doch noch weit größer, Die Wiederherstellung des Baargeldes in seine ihm gebührenden Rechte bringt daher eine verhältnißmäßige und wohl er- flärliche Unbehaglichkeit, wie sie allen Uebergangsfrisen eigenthümlich ist, mit sih, und diese Unbehaglichkeit, dieses Gefühl eines noch un- gewissen, erst im Werden begriffenen, wenn auch besseren Zustandes, diese Geburtswehen, möchte ih beinahe sagen, werden natürlih noch durch die Behutsamkeit und Vorsicht vermehrt, welche an der Stelle der früheren Tollkühnheit sih jeßt überall bemerklih macht. Die ein getretene Reaction is die logische Folge, die unausbleibliche Konse quenz des früheren Zustandes. Es bleibt deswegen nicht weniger ge wiß, daß eine Aera der Wiederherstellung und Genesung für das Land zu beginnen scheint, Eine wahre Umwälzung ist in seinen kom merziellen Sitten und Gebräuchen vorgegangen z der Boden i noch allerseits von Ruinen und Schutt bedecckt, aber diese werden allmälig weggeräumt werden und der Bau einer besseren Zukunft auf neuen und soliden Grundlagen erfolgen.

Der Wechselkurs zwischen den großen Städten des Nordens, des Südens und des Westens hat ein Gleichgewicht erlangt, von dem man seit langer Zeit kein Beispiel mehr gesehen hat. Er wech- felt für New = York von ";, auf Boston oder Philadelphia, zu auf New-Orleans und 2 auf St. Louis in Missouri. So war etwa der Stand desselben in den besten Zeiten der Bank der Vereinigten Staaten, und dieser Stand der Dinge, der von felbst sich hergestellt hat, dient als mächtiges Argument denen, welche gegen das Unnüßte, wo nicht gegen die Gefahr jeder National-Bank, oder eines sonstigen angeblichen Regulators der finanziellen Welt, plaidiren. Es is da- her wahrscheinlich, daß von allen diesen Regulatoren, der Plan des Herrn van Buren, zur Errichtung eines Unter-Schaßzamtes, der gar nichts regelt, allein von dem nächsten Kongresse angenommen werden wird, wenn Herr Tyler, der Präsident, nicht sein Veto dagegen ein- legt, Briefliche Mittheilungen aus Washington wollen behaupten, der Präsident gehe wirklih mit dem Gedanken um, der demokratischen Partei einen solhen Streich zu spielen, um an ihr Rache zu nehmen für die Geringshäßung, mit der sie seinen Plan zur Errichtung eines Exechequer aufgenommen hat. Auf solche Weise köunte sich die dro hende Erklärung des Herrn Cushing verwirklichen, daß die beiden politischen Fractionen des Kongresses wohl nacheinander eine gleiche Lection von der Unabhängigkeit der vollziehenden Gewalt erhalten fönnten, j

Nach der Verwerfung des Planes des Präsidenten für Errich= tung eines Exechequer ging zu Washington das Gerücht, Herr Tyler habe beschlossen, an den Kongreß eine Botschaft zu erlassen, in wel- cher er aiflären würde, alle seine Bemühungen, den finanziellèn Ver= legenheiten des Landes und der dadurch für alle seine Verhältnisse erzeugten Krise eîn Ende zu machen, Hülfe zu bringen, wo solche noth thue, seyen an der Weigerung des geseßgebenden Körpers, ihm

seine Mitwirkung dazu zu gewähren, gescheitert; er wasche daher seine Hände in Unschuld und müsse dem Kongresse die Verantwortlichkeit für die Folgen und Ereignisse überlassen, welche daraus hervorgehen könnten, Bis jeßt hat sih dieses Gerücht, das nut vieler Bestimmt= heit in Umlauf geseßt worden war, jedoch nicht bestätigt.

Auf der anderen Seite hat sich eine sehr bestrittene Frage er- hoben, nämlich ob es der Präsident für angemessen und rathsam er- achten wird, eine außerordentliche Session des künftigen Kongresses zusammenzuberufen, um von demselben die Sanction der von dem gegenwärtigen Kongresse verworfenen Maßregeln zu erlangen. Es ist wahrscheinlich, daß die vollziehende Gewalt sih genöthigt gesehen haben würde, zu dieser Maßregel ihre Zuflucht zu nehmen, um den leeren Schaß zu füllen, aber da der Kongreß nichts für diesen thun wollte, so sind demselben jebßt die Kapitalisten zu Hülfe gekommen. Cine von den Herren Ward und Buckner repräsentirte Gesellschaft hat ganz neuerlich die fünf bis sechs Millionen Dollars übernommen, welche noch von dem Anlehen unterzubringen waren, das die Regie=- rung eröffnet hatte, welches aber im Auslande unterzubringen alle ihre Bemühungen vergeblich gewesen waren. Diese Hülfsquelle, die sich nun für die Union eröffnet hat, i für die Union eben fo erfreu- lih als unerwartet, und es liegt darin zugleich ein Symptom mehr jenes Ueberflusses an Kapitalien, auf die ih am Eingange dieses Schreibens hingewiesen habe, und die ein bedeutendes Pfand für die wiederkehrende Prosperität dieses Landes ist,

Die Nachricht von der Verwerfung einer Maßregel, welche an die Kapitalien im Jn- und Auslande einen weit durchgreifenderen Aufruf hatte ergehen lassen, des Finanzplanes des Herrn W. Cost Johnson nämlich, is Jhnen wahrscheinlih bereits zugekommen. Die- sem Plane konnte wohl Niemand eine gewisse Großartigkeit des Ge- dankens absprechen; allein es dürfte {wer seyn, ihn unter dem Ge- sichtspunkte strenger Geseblichkeit, gegenüber den als unabhängig von einander anerkannten Staaten zu vertheidigen, Daraus erklärt sich uns, wie ihn die Kommission der Mittel und Wege im Kongresse als ungusführbar und verfassungswidrig zugleich zurücweisen mußte, Es kam dabei die Frage des Centralismus mit der des Föderalismus in Konflikt, und wie der Erfolg gelehrt hat, is dem letteren der Sieg geworden: ob auch zum Vortheil der Gläubiger der verschie- denen Staaten, ist freilih eine andere Frage.

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Nachricht für Seefahrer.

Von den zwei stehenden Leuchtfeuern am Hafen von Danzig zu Neufahrwasser wird das kleinere, welches bisher in einer dem großen Leuchtthurm ganz nahe stehenden Baake unterhalten wurde, am 15ten (funfzehnten) April d. J. zum leßtenmale brennen und dagegen vom 16ten (sechzehnten) April d, J. ab, in einem, auf der Spiye der östlichen Hafen- Moole neu errichteten kleinen eisernen Leuchtthurme ein stchendes Licht nach Fresnelscher Erfindung angezündet werden, und mit dem großen stehenden Leuchtfeuer zugleich allnächtlih von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang brennen. Das neue Leuchtfeuer steht Nord per Compaß 4800 Nheinländi- sche Fuß von dem großen Leuchtthurm entfernt. Es is 43 Fuß über der Meeresfläche bei mittlerem Wasserstande erhaben, in allen Richtungen des Kompasses von WSW. bis SO. und seewärts in der Entfernung von mehr als 25 Deutsche Meilen, wenn das Auge des Beobachters etwa 10 Fuß über dem Wasserspiegel ist, bei flarem Wetter zu sehen.

Diejenigen Schiffe, welche die Danziger Rhede zur Nachtzeit ansegeln oder anlaviren, müssen, wenn sie die Höhe der alten Weichselmündung er- reicht haben, das höhere oder südliche Feuer nicht westlicher als SW. und das Feuer auf der östlichen Moole nicht nördlich von West von sich brin-

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gen, um den weit ausliegenden Unticfen vor dem alten Weichsel - Ausfluß nicht zu nahe zu kommen,

E Das „Heuer auf der östlichen Moole ín S. zu O. oder SSO. und | 9 Faden Wassertiefe giebt gute Ankerstellen auf der Rhede. Die beiden |

Leuchtfeuer, welche, wenn man sie Süd von sich hat, in eins fommen, zei- gen sih dann beträchtlich aus einander, das des großen Leuchtthurms oder des höheren, westlich von dem auf der Moole. ;

_Die vorstehend angegebenen Peilungen sind sämmtlih nah dem miß- | weisenden Kompaß.

| Danzig, den 21. Februar 1843.

| Königlich Preußische Negierung,

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Wissenschaft, Kunst und Literatur.

Zur Architektur des Alterthums.

Nach sämmtlichen Tafeln von 1843. Verlag

Das Altgriehishe Theater-Gebäude. befannten Ueberresten dargestellt auf neun I. H. Strack, Baumeister, Potsdam, von Ferdinand Riegel. Fol,

Die Wiedererweckung der Sophofkleischen Antigone, nah zweitausend- jährigem Schlafe, war ein Ereigniß, welches nah den verschiedensten Sei- ten hin die Gemüther lebhaft bewegen und anregen mußte. So groß auch die Anerkennung war, die Jedermann von der Schule her pflichtmäßig den Meisterwerken Hellenischer Dichtung zollte, oder welche die Gelehrten ex prosesso zu ergründen und zu Tage zu fördern sich bemühten , so mußte man doch zugeben, daß durch die sinnliche Vorführung des alten Dra- mas dasselbe erst scin inneres Leben entfalten konnte; denn ein wesentliches Kennzeichen der alten Kunst i es gerade, daß sie, fern von jeder Abstrac- tion, überall mit dem Leben selbst zusammenhängt und in dasselbe eingreift.

Sophokles \chrieb seine Antigone nicht, um sie dem Publikum gedruckt zur Beurtheilung vorzulegen z obschon sie auch dieses Kriterion seitdem län, st bestanden hat. Die Handlung selbst sollte in ihrer ganzen inneren Größe den Griechen lebhaft vor Augen treten, in ihrer ganzen etischen und

religiösen Bedeutsamkeit. Ja, das Drama selbst war ein Theil des Got- tesdienstes, es war eine Handlung, an der die Darstellenden nicht weniger wie die Schauenden Antheil nahmen. Neben dem Heiligthume des Dio- nysos gelegen, stand der Altar dieses Gottes inmitten der Bühne und des Zuschauerraums, das ganze Theater-Gebäude als einen Theil jenes Heilig- thums bezeichnend.

Jst die antike Tragödie daher ohne Darstellung so wenig zu begreifen, wie die Statuen des Parthenon aus den bloßen Nachbildungen im Kupfer- stich, so. um das Bild weiter fortzuführen, kann die Darstellung der Grie- chischen Tragödie nur im Einklange mit dem richtigen Verständnisse des Bühnen - Gebäudes selbst genügen, wie die Statuen des Giebelfeldes ohne die Kenntnisinahme des leßteren und des ganzen Tempel-Gebäudes unver- ständlich bleiben. Wenn aber Vitruv's Vorschriften für die Anordnungen Hellenischer Tempel - Architeltur durch die Wiederentdeckung dieser Tempel nicht nur als ungenügend, sondern zum großen Theile als grundfalsch sich erwiesen haben, so hätte man gleichmäßig seinen Angaben über die Anlage des Griechischen Theater-Gebäudes, deren er selbst, cin sonst ganz achtbarer Kriegs - Baumeister, vielleicht in der Wirllichkeit keins zu sehen Gelegenheit hatte, billig mißtrauen sollen. Leider begnügte man sh aber nicht, seine Angaben cinfah aufzufassen und mit Vergleichung der Reste zu beurtheilen, sondern \chob willkfürlich Römisches und Griechisches durch einander, wodurch denn ein Griechishes Theater entstand, das dieser Nationalität etwa in eben dem Maße entspricht, wie die dorishe Ordnung vom Theater des Marcellus in Rom.

Verzeihlih war der Jrrthum, so lange wir von dem wesentlichsten Theile des Griechischen Theater - Gebäudes, der Scene, eine so unvollkom- mene Anschauung hatten; denn hier gerade hatte die Zeit und Mode fast überall radifal zerstört. Aber auch jene allen Schisalen troßenden, in den Felsen gehauenen Halblreise der Sißstufenreihen, welche in zahlreichen Bei- spielen aufgefunden und gezeichnet waren, hätten die Gelehrten belehren follen, daß dic vitruvischen Quadrate sich ihnen nicht einzwängen lassen,

daft daher seine Tangenten u. s. w. nur zu müßigen Phantasiespielen Ver- anlassung geben, ohne auch nur in einem Beispiele die Wirklichkeit zu treffen.

Wir halten daher das vorliegende Werk für eine der dan- kenswerthesten Erscheinungen im Gebiete der Archäologie, weil der Verfasser nicht mit anerzogenen Vormeinungen an das Werk ging, sondern die Thatsachen selbs reden läßt. Durch die neuesten Ent- deckungen begünstigt, ward es ihm möglich, fünf und zwanzig ächt Griechische Theater-Anlagen in gleichem Maßstabe nebeneinander zu stellen, deren zehn dem eigentlichen Griechenlande und dessen Jnseln, zehn andere den Klein-Asiatischen Städten und Juseln, sünf aber den Griechischen Kolonieen Siciliens angehören. Zwar sind dieselben keinesweges in einem wünschenswerthen Zustande der Erhaltung auf uns gekommen, manche \o- gar durch Nömische Umbauten verändert worden, aber gerade durch eine solche Nebeneinanderstellung ergänzt eins das andere, und läßt sich die lo- fale Abweichung von der herrschenden Sitte unterscheiden.

Wenn in Bezug auf die wesentlichsten Einrichtungen des Zuschauer- raumes bei der Menge wohlerhaltener Beispiele gerade dieses Theiles, schon früher eine feste Ansicht gewonnen werden konnte, so war dagegen die Ein- richtung des Scenen - Gebäudes und seine Verbindung mit jenem, \o wie die Anordnung der zwischen liegenden Theile ein Gegenstand der verschiedenartigsten Hypothesen. Die vorgelegten Beispiele erge- ben nun untwidersprechlich natürlich mit Ausnahme der roma- nisirten Theater daß eine mechanisch architektonishe Verbindung zwischen dem Bühnen - Gebäude und dem Zuschauerraum nicht stattfand, sondern daß jedes vom anderen völlig isolirt war, Die unmit- telbare Verbindung der Hörner des Halbkreises mit den Parafkenien sehen wir erst in den mitgetheilten Römischen Beispielen, so wie in denjenigen (Briechischen Theatern, wo dieser Theil der Architektur der Sitte des herr- schenden Volkes zu Liebe umgeändert wurde. Jn allen Altgriechischen Thea- tern dagegen, selbst mit denen, welche niht mehr der Zeit der Autonomie angehören, findet eine völlige Trennung beider Theile statt, \o daß die halbkreisförmige Orchestra gewissermaßen beiden Theilen zugleich angehört und zur Rechten wie zur Linken durch den offenen Zwischenraum zwischen den beiden Haupttheilen des Theaters cinen freien Zugang gewährt, Wie man durch leßtere wirklich vom Hafen oder von der Stadt her zur Orchestra gelangte, so übertrug man auch diese Eigenschaft der Zugänge auf das Drama, wo der Chor in der Orchestra gewissermaßen das auf dem Marlte versammelte Volk vorstellte, dem sich der Kreis der Zuschauer bis zu den obersten Reihen hinauf anschloß. Die andere Seite der Orchestra aber nimmt das Bühnen-Gebäude ein, im höheren Drama meistentheils die Vorhalle des Königlichen Palastes oder eines Tempels darstellend, und schon der Würde wegen auf höherer Basis stehend, welche zur nothwendigen Verbindung derer, welhe von der Fremde wie von der Stadt zur Wohnung des Königs oder des Gottes hinzutreten wollen, noth- wendig auh durch cine Treppe zugänglih gemacht werden mußte, Dieses Mithandeln des Volkes, dieses unmittelbare Eingehen auf die vorhandenen,