1910 / 128 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 03 Jun 1910 18:00:01 GMT) scan diff

ännli nd 5648 weibliche, einem kath olischen 7457, 158 männ- Ube und 7999 weibliche, außerdem waren 29 jüdische Krankenpflege- rinnen vorhanden. Unter den sonstigen Krankenpflegern befanden sich 388 Männer und 3339 Frauen. Die entlsprehendcn Zahlen für die aués&;ließlih oder vorwiegend in Heil- und Pflegeanstalten beschäftigten 48 792 Krankenpfleger lauteten: 11 984 männlichen und 36808 weiblichen Geschlechts überhaupt, Angehörige eines weltlihen Verbandes 7651, 1479 mänuliGen und 6172 weib- lichen Geschlehts, eines geistliden Verbandes usw. 23 461, eines evangelischen 8023, 773 männliche und 7250 weibliche, eines kath o- Cishen 15427, 1174 männlihe und 14263 weibliche, außerdem 11 weibliche jüdische, Genossenschafts- usw. Krankenpsleger zusammen 31112, sonstige 17680, davon 8958 Männer und 9122 Frauen. Im ganzen gehörten demnach einem weltlichen Verbande 1677 (1898: 922) männlihe und 8986 (3613) weibliche Krankenpfleger an, cinem evangelischen 926 (455) männliche und 12898 (7576) weiblihe, einem katholischen 1332 (951) männliche

und 21 552 (12 840) weibliche. t i Die staatliche Anerkennung ist 25671 unter den ins-

gesamt 68 818 berufêmäßigen Krankenpflegern zuteil geworden; von 62 weiteren ist es nicht bekannt, ob sie s\taat- lih anerkannt sind. oder nit. Auf die Gruppe der

aus\chli ih oder vorwiegend häusliche Krankenpflege uten E: kamen 8863 staatlih anerkannte (unter den Genossenschafts- usw. Krankenpflegern 172 Männer und 7663 Frauen, unter den sonstigen 55 bezw. 973 nebst 6 bezw. 23, für welche letztere die Anerkennung nicht bekannt ist), auf die Gruppe der au G oder vorwiegend in Heil- und Pflege- anstalten beschäftigten 16808 (unter den Genossenschafts- usw. Krankenpflegern 1001 Männer und 13 878 Frauen, unter den sonstigen 806 bezw. 1123 nebst 11 bezw. 22, für welche leßtere die Anerkennung nicht bekannt ist). S

Die Zahl der Hebammen betrug 37 736 (1898: 37 025) oder 5,94 (6,83) auf je 10000 Einwohner. Auf je 1 Hebamme kamen na beiden Aufnahmen übereinstimmend 54,8 Geburten.

Nicht approbierte, mit Behandlung kranker Menschen berufsmäßig beschäftigte Personen sind 4468 (1898: 3059), im Verhältnis zu je 10 000 Einwohnern 0,70- (0,56) ermittelt worden. Unter den 3146 männlîi a Personen diesert Art befanden si 40 im Ausland approbierte Aerzte, unter den 1322 weiblichen des- gleichen 14 Aerztinnen. : E :

Das Personal. der approbierten Tierärzte, insgesamt 5051 (1898: 3813), bestand aus 4392 (3254) Zivil- und 659 (559) aktiven Militärärzten. Von den Ziviltierärzten waren 544 (382) aus\chließlich in und. für Anstalten tierärztlich be- schäftigt, während 2848 (2872) Privatprarxis ausübten. Leßtere ergeben zusammen mit 456 (385) zur Zivilprarxis angemeldeten aktiven Militärtierärzten 4304 (3257) Zivilprarxis treibende Tier- ärzte. Auf je 1 dieser leßteren Tierärzte kamen unter Zugrunde- legung der Grgebnisse der Viehzählung vom 2. Dezember 1907: 1010 (1240) Pferde und 4793 (5677) Stück Nindvieh, desgleichen auf je 1_ der Gesamtzahl der Tierärzte 860 (1059) Pferde und 4084 (4849) Stück Nindvieh. 3523 Tierärzte waren an der Ausübung der amtlichen Schlachtvieh- und Fleishbeschau beteiligt; unter ihnen übten 2418 die ordentliche Fleishbeschau, 895 nur die Sea aus, 210 waren ledigli als Stellvertreter bei der Beschau tâtig. i

Die Zahl. der nichtapprobierten, mit Behandlung kranker Ziere beru fêmäßig beschäftigten Personen ist, den vorliegenden Angaben zufolge, von 1256 auf 777 zurückgegangen, doch ist dabei zu bedenken, daß die Erfassung dieser Gruppe mit besonderen Schwierigkeiten verknüpft ist.

Apotheken einschließli der Filialen bestanden 6127 (1895: 9161), mithin auf je 10 000 Cinwohner 0,96 (0,99); auf je 1 Apotheke waren 88,26 (104,72) qkm Fläche zu rehnen. Im Privatbesiße befanden sih 5833 (4939), im Besitze der Krone, des Staates, der Gemeinden, von Korporationen usw. 71 (37) Apotheken ; Filialen gab es 223 (185). Von den im Privatbesitze befindlichen Apo- theken waren 1781 (1820) privilegiert oder realberechtigt, 4046 (3116) fonzessioniert, und zwar konzesstioniert veräußerlich 2393 (2351), Fonzessioniert ‘unveräußerlih 1693 (765) außerdem sind noch 6 (3) Apotheken angegeben. Während demna die Zahl der privilegierten oder realberehtigten Apotheken geringer geworden, diejenigen der konzessionierten Le Zte DE nahezu unver-

| ândert geblieben ist, hat diejenige der konzessionierten unveräußerlichen

DENENT 0 E E R S n P P R? 2E TEEE R 5 O A E E R E

Apotheken erheblih zugenommen.

Was das Betriebsverhältnis anlangt, so wurden Apotheken aller Art und Filialen (darunter konzessionterte unveräußerliche) be- trieben mit: :

D oder mehr

L 2 3 4

pharmazeutischen Hilfspersonen * 1909: 2321 B74) 1204 (367), 431 (116), 179 (31), 86 (17), 1895: 1976 (274), 1094 (124), 397 (39), 234 (16), 91 (14).

Das E Personal in Apotheken eins{hließlich der Filialen betrug 13 425 (12 036) Köpfe oder auf je 10 000 Einwohner 2,11 (2,31) und cu je 1 Apotheke 2,19 (2,33). Es seßte \ich zu- sammen aus 6177 (5209) Betriebsleitern (Besitzern, Pächtern, Verwaltern), 5545 (4508) Gehilfen, von denen 3736 (2254) im Besiße der Approbation als Apotheker waren, und 1703 (2319) Lehrlingen. Die Zahl der leßteren hat mithin niht un- wesentlich abgenommen, ähnli auch diejenige der nicht approbierten chilfen, während unter dem Hilfspersonal allein diejenige der approbierten Gehilfen gestiegen ist. Von den approbierten Gehilfen waren, soweit Angaben darüber gemacht sind, 2 weiblihen Geschlechts, von den nicht approbierten Gehilfen 5, von den Lehrlingen 10. ispensieranstalten für Menschenarzneien find 930 (721) festgestellt worden, 343 (188) in Zivilkrankenhäusern, Er- ziehungs-, Straf- und anderen Anstalten, 587 (533) von Aerzte n, sogenannte ärztliche Haus- oder Handapotheken, von denen 109 (101) homöopathishe waren. Das pharmazeutischGe Personal der Dispensieranstalten für Menschenarzneien ae 130 (134) ver- antwortliche Leiter, darunter nah den vor iegenden Angaben 15 weiblichen Geschlechts, 40 29 approbierte und 16 (15), darunter 5 weibliche, nicht approbierte Gehilfen. Dispensieranstalten fürTterarzneien waren 11 in tierärzt- lichen Holhschulen und ähnlichen Anstalten vorhanden. Ferner machten 1236 Tierärzte von dem Dispensierrecht bei Ausübung der Praris Gebrauch, von denen 792 eingerichtete S Haus- oder Handapotheken hatten. Als pharmazeutishes Personal der Dispensieranstalten für Tierarzneien sind 5 verantw ortliche eiter sowie je 1 Gehilfe mit und ohne Approbation als Apotheker angegeben.

Zur Arbeiterbewegung.

„Auf der Schiffswerft von Gebrüder Saghsenber Aktiengesellschaft, T ua sind, wie die „Köln. Ztg.“ e rihtet, seit einigen Tagen über 200 Arbeiter in den Ausstand ge- treten, das sind etwa 90 9/5 der dort beschäftigten Arbeiter. Die Aus- {tändigen verlangen eine Lohnerhöhung von 10 9/0. Der Betrieb wird mit etwa 30 Arbeitswilligen notdürftig aufret erhalten. Diese führen nur die notwendigsten Ausbesserungsarbeiten aus, während die Neubauarbeiten vollständig ruhen. Die Streikenden nehmen gegen die Arbeitswilligen eine fo bedrohliche Haltung ein, daß zu deren Schuß ein größeres Auer O erforderlih ist. Ein Teil der Arbeits- willigen ist dauernd auf der Werft untergebracht.

, er Kampf in der Metallindustrie der Kreise Ha en- Schwelm (vgl. Nr. 127 d. Bl.) nimmt, wie die „Rh.-Westf. Ztg. berihtet, von Tag zu Ae \chärfere Formen an. Nachdem vor einigen deaßen der Arbeitgeberverband einen Arbeitsnachweis eingerichtet hat, dreht sich der eigentlihe Kampf zwischen den streitenden Parteien

nicht mehr um den Ausstand der 24 Former bei der Firma Dieker-

off, sondern . in der Hauptsale um Organisationsfragen und den Veittangmeis der Bear, Am Mittwoh fanden im ganzen Bezirke 7 Versammlungen statt, die von intgesamt 10—-12 000 Perscnen besucht waren. In allen Versammlungen wurden gleichlautende Entschließungen angenommen, in denen der Vorwurf zurügewiesen wird, daß dieser Kampf von den Arbeitern oder deren Führern ausgegangen sei, und worin der Zwangsarbeitsnahweis als kampf- verschärfend hingejtellt wird. Gestern hat die Aussperrung der zweiten 50 9/6 der Former und Gießereiarbeiter begonnen, von denen nunmehr etwa 3500 ausgesperrt sind. Außerdem wurde in Durchführung des Beschlusses des Arbeitgeberverbandes gestern 50%/9 der gesamten Belegschaft der Verbandswerke die Kündigung überreicht, von der ins- gesamt etwa 12 000 Arbeiter betroffen sind.

Kunst und Wissenschaft.

In Charlottenburg ist beute früh nah mehrtägiger Krankheit der Dichter Professor Julius Wolff gestorben. Er war im Jahre 1834 in Quedlinburg geboren, \tudierte Philosophie und Kameralia und leitete das väterliche Fabrikgeshäft in Quedlinburg, von dem er 1869 zurüdcktrat, um die „Harzzeitung“ zu gründen. Den deutsh- französischen Krieg machte er als Landwehroffizier mit, dann siedelte er nach Berlin über, um sich ganz der literarischen Tätigkeit zu widmen. Seine S „Aus dem Felde“ waren seine erste Veröffentlihung, ihr folgten cine Reihe von kleinen Versepen und Erzählungen, in die, wie in Scheffels „Trompeter von Säkkingen“, Lieder eingeflohten waren und die in weitem Kreise Anklang fanden: Till Eulenspiegel redivivus, „Der Nattenfänger von Hameln“, „Der wilde Jäger“, „Tannhäuser“ u. a. Seit dem Ende der achtziger Jahre wandte si{ch Wolff mehr dem Noman zu. Seine Nomane fanden nicht die gleiche Verbreitung, deren sich die Epen erfreut hatten. Auch im Schauspiel hat er sich cinige Male ver- sucht. Unstréitig besaß der Verstorbene eine ungewöhnliche sprahliche Ge- wandtheit, die es ihm ermöglichte, die verschiedensten Stilarten mit äußerer Meisterschaft zu handhaben. Gegenüber diesem beträchtlichen formalen Werte ist der innere Gehalt der Wolffschen Dichtungen nur gering. Jener aber hat der Kunst des Verstorbenen zahlreiche Freunde und’ Verehrer erworben, die dem Schaffen des bis in die leßten Jahre produktiven Dichters mit Anteilnahme folgten.

A. F. In der leßten unter Vorsiß des Professors Dr. Schuchhardt stattgehabten Sitzung der Gesellschaft für Anthr o- ologie wurde zunätst in tief empfundenen Worten des großen Toten der leßten Woche, Robert Kochs, gedacht, der seit 1876 Mitglied der Gesellshafst war und seine erste Anknüpfung mit ihr dur Mitteilungen über einen Urnenfund vollzog, der ihm in der sogenannten Schwedenschanze bei Wollstein ge- glüdt war. Auch das korrespondierende Mitglied der Gesellschaft in Konstantinopel, der Generalsekretär der dortigen Altertümersamm- lungen, Hamdi Bey, ist gestorben. Mit ihm hat die Wissenschaft einen außerordentlihen Förderer und sein Ressort einen vorzüglichen Kenner verloren. Unter den in Kürze besprochenen Büchereingängen erregte besonderes Interesse eine Abhandlung über die inzwishen vom Museum i Völkerkunde erworbenen Skelettreste des Moustérien- und des Ausignacien-Menschen; das Alter des ersteren \{häßt der Verfasser des Büchleins auf 600 000 Jahre.

Von den beiden Vorträgen des Abends handelte der erste von Geheimrat, Professor Dr. Virchow gehaltene über die „Muskel- marken am Schädel": ein Gegenstand von anscheinend geringerem Interesse für medizinische Laien, den gleihwohl der Vortragende unter Begleitung dur trefflide Lchtbilder recht fesselnd zu gestalten wußte. Was der oberflächlihen Betrahtung von Schädeln entgeht oder ihr bestenfalls als zufällige Bildungen erscheint, nämli ewisse chwache, als Leisten oder Hügel, aber auch als leichte Verlièirttgeit an der Schädeldecke auftretende Unebenheiten, das erkennt der Anatom Fall für Fall als von technischer Wichtigkeit, als gerade in dieser Form wohlgeeignet, um so zu sagen a!s Widerlager für die ver- schieden gearteten, verschieden starken und sehr verschiedenen Zwecken dienenden Muskeln zu dienen. Wie verschieden die den Muskeln am Schädel zugewiesene Arbeit ist, dafür fei nur daran erinnert, daß hier ebenso die Muskeln angeordnet find, welche die Kaubewegungen, das Nümpfen der Nase, die Bewegung des Auges und der Augenlider, als die bedeutenden Bewegungen vermitteln, die mit jeder Wendung des Kopfes verbunden sind und durch Kopf und Nacken verbindende starke Muskeln bewirkt werden. Die Form der Muskelmarken ist auch davon abhängig, ob der betreffende Muskel am Knochen fest anliegt oder daran gleitet, und man hat Grund zu der Annahme, daß im leßteren Falle eîn, wenn auch geringer, Einfluß des Muskels auf die betreffende Stelle des Schädels geübt wird, also eine {wae Abnußung stattfindet. i j

Den zweiten Vortrag hielt Herr Willy Pastor über „Die Musik der Naturvölker und die Anfänge der europäischen

Mu E In der Einleitung seines eine außerordentliche Menge von Beobachtungen zusammenfassenden, ordnenden und \{arfsinnig

würdigenden Vortrages gedachte der Vortragende des hohen Interesses und der ausgezeihneten Förderung, die der Gegenstand seiner Dar- legungen durch die Erfindung des Phonographen und durch die loUeieverte Gewohnheit der Korf ungsreisenden gewonnen hat, daß sie überall, wo es irgend angeht, musikalishe und gesangliche Leistungen der Eingeborenen phonographisch aufnehmen. Hierbei hat sich überzeugend herausgestellt, daß in allen Teilen der Erde die Musik der Naturvölker übereinstimmend als „horizontal“, d. h. nur in einem Tone bestehend, zu bezeichnen ist, im Vergleich mit der „vertikalen“, sih auf Toninterwalle, Akorde, auf eine Tonskala aufbauenden Musik der entwidelteren Völker. Eine Musik der ersteren Art kennt selbst- verständlih nur den A nicht“ die „Melodie“, geschweige denn die Harmonie. Ihre ursprünglichsten Hilfsmittel für fo beschaffene Musik waren beliebige hölzerne Stäbe, die man zusammenschlug, das australishe Schwirrholz; einer höheren Entwicklung gehören {on Trommel, Becken und ähnliches an. Begleitendes Händeklatschen und Trampeln mit den Füßen waren wohl auch frühzeitig Zubehör folher Musik. Ihre Wirkung ist die Erzeugung von Massenstimmung, der dem einzelnen zur Steigerung seines Vergnügens sowie seiner Leistungsfähigkeit bei Tanz, Marsch, Arbeit u. \. f. zugute kommt. Der Vortragende sieht in dieser heute bei fast allen Naturvölkern gefundenen Form musikalischer Leistung indessen nicht das Ursprüngliche. Dieses sucht er im Anfang der Zeiten in Form einfacster, nit einmal rhythmischer Schallwirkungen, die von Schamanen und Zauberern in Ausübung der ältesten Form der Beherrshung der Geister herbeigeführt wurden, um die Hörer zu erregen odèr auch sie in eine Art von Dämmer- zustand zu verseßen, kurz für die Zwecke des Kults empfänglih zu machen. Wahrscheinlich dienten hierfür in langsamer Folge ausgeführte dröhnende Schläge auf einen hohlen Baumstamm, vielleiht au die Nachahmung von Tierstimmen, in jedem Fall irgend welche ähnliche, auf das Gehör stark einwirkende Mittel. Nicht von belebender, sondern im Gegenteil von lähmender Wirkung war also der in dieser Form gebotene Nhythmus der ältesten Kunst des Klanges. Spuren davon sind noch vorhanden in gewissen Wetterzauberkünsten, bei denen Fan Lärm eine Nolle spielt, sowie einem vielfah noch geübter Brauch des Gesundmusizierens. Aber mit Naturnotwendigkeit hat ih, die Lebensfreude erhöhend und die ursprüngliche lähmende Einförmigkeit des Rhythmus durh Abwechslung und Beschleunigung des Tempos ersehend, der Rhythmus als das Wesen und der Inbegriff ihrer Musik zu der heute bei den Natur- völkern vorhandenen Geltung emporgerungen. Damit scheint aber bei den meisten von ihnen das musikalishe Können ershöpft und, was ver- wunderlih genug ist, au das Gefallen an Musik auf einem Gipfel an- gelangt, über den hinauszustreben so wenig Trieb und Drang vorliegt, daß nachzuweisen ist, wie fortgeschrittene Instrumente, die man in Berührung mit anderen Völkern kennen lernte, in den Händen der Naturvölker der Um- und Nükbildung verfielen. Bezeichnenderweise zog man nur von dem Prinzip der Refonanz Nußen; natürli, man konnte mit den beimifeben Instrumenten nun verstärkt Lrm machen. Nur in

ganz seltenen Fällen bedient man \sich der Wirkung von Toninter-

vallen, und wo es geschieht, sind es, mit Ausnahme der ih zwischen den Stimmen von Mann und Weib natürlich ergebenden Oktave, äußerst kleine Intervalle. So machen die (elhnographisch intere anten) Eingeborenen der Andamaneninseln ständigen Gebrau von kleinen, über Achteltöne niht hinausgehenden Tonintervallen, die für ein europäishes Ohr s{hwer erkennbar sind. Jn einzelnen Fällen ist der Gebraußhß von Quinten nahweisbar, in einer großen Zahl der von Sekunden. Bezeichnend ist auch, daß nahezu alle Instrumente der Naturvölker Schlaginstrumente, die Blas- instrumente auf sehr wenige und wenig verbreitete beschränkt sind. Eintönig bleibt die damit hervorgebrachte Musik jeder einzelnen Ton- quelle immer; für ein dem Ohr wohlgefälliges Zusammenklingen der Töne verschiedener Tonquellen - besteht offenbar kein Bedürfnis, wenn nur der Rhythmus klappt. Doch in einem Punkte sind die Natur- völker uns überlegen, d. i. in der Feinheit ihres absoluten Gehörs. Ein Beispiel mag für viele reden: Im Samoagebiet find die Alarmtrommeln jeder Insel L einen besonderen Ton gestimmt. Die Verschiedenheit ist für ein europäishes Dhr unerkennbar; aber die eingeborenen Nachbarn der Alarm Sc{hlagenden erkennen mit erstaunliher Sicherheit die Tonquelle in jedem Falle. Es entsteht nun die Frage: Hat die europäishe Menschheit einen ähnlihen Entwilüngsgang ihrer musika- lischen Betätigung und Heranbildung durhgemacht, wie die überwiegende Mehrzahl der anderen Völker der Erde, von welchen felbst - die bochentwickelsten aus eigenem Trieb bis beute kaum vom Rhythmus zur Melodie, von -der horizontalen zur vertikalen Klangkunst vorgeschritten sind? Die Frage is an der Hand prähistorischer Zeugnisse bestimmt zu verneinen. ¿Die nordgermanishen Völker besaßen in der zweitältesten Periode der Bronzezeit, die auf das 15.—14. Jahrhundert vor Christo zu seßen, bereits bronzene Blasinstrumente „Luren“, deren aus Stein- gräbern Südschweden8, Norwegens, Dänemarks, Schleswig-Holsteins, Medcklenburgs und Hannovers soviele (im ganzen bisher 14!) gefunden worden sind, daß man in Kopenhagen 1892 mit den Original- instrumenten ein „Luren“-Konzert veranstalten konnte, über das u. a. Fontane \. Z. berihtet hat. Es sind dies Instrumente von \{chönem

und stolzem, waldhornähnlihem Klange, und daß sie au beshränkt modulationéfähig sind, bewies der bei jenem Konzert erfolgreih angestellte Versuch, deutsche Volkslieder darauf

zu blasen. Es ist nun sehr wahrscheinlich, da man an den Fundorten stets je zwei dieser Instrumente gefunden hat, da man ferner auf 2 uns erhaltenen Abbildungen (Hülleristninger und auf der bekannten Tafel des Kivikensi-Monuments in Schweden) je zwei Lurenbläser nebeneinander sieht, daß diese gleichzeitig niht denselben Ton, sondern verschiedene, melodisch zusammenklingende Töne bliesen. Die 1— 14 mm starke Wandung bürgt für vollendete Reinheit der Töne. Man hat ferner Anlaß, es für in hohem Grade wahrscheinlih zu halten, daß Kelten und Romanen au ein Saiteninstrument besaßen. In der Uteratur wird dies dur Diodor, einen Zeit- genossen Caesars, bescheinigt, und aus derselben Zeit gibt es drei gallische Münzen mit Darstellungen einer Laute, wie sie den ältesten, griehishen Saitenspielen entspriht. Von einem ungarischen Schwarz- urnenfunde, der Hallstattzeit angehörig, kennen wir gleide Dar- stellungen, und endli schreitet den beiden Lurenbläsern der \{on er- wähnten Kivikensi-Tafel ein Mann voraus, der einen Gegenstand in den erhobenen Händen trägt, den Fergusons treue Wiedergabe des Bildes als eine Lyra erweist. Auch befindet sih in dem berühmten Lupfen- berger Funde (Berliner Museum) aus dem 4.—7. Jahrhundert unserer Zeitrehnung ein | Piel alamannishes Instrument, das unzweideutig ein Zwischenglied darstellt zwischen jenem ungarischen Typus und dem fünfjaitigen keltishen Saiteninstrument „Chrotte", das bis ins 19. Jahrhundert hinein noch in Irland, Wales und der Bretagne im Gebrauch war. In jedem Falle lassen diese Feststellungen den Rück- {luß zu, daß ein Volk, das sich modulationsfähiger Industrumente wie Lure und Laute bediente, damals wenigstens sih unmöglih im Zustande der Halbwildheit befunden haben kann, wie es von den römischen Schriftstellern geschildert wird. Des weiteren \{eint die Folgerung gerechtfertigt, daß es die Indogermanen waren, die bei den großen Wanderungen im zweiten Jahrtausend vor unserer Zeitrehnung - auch ihre Musikinstrumente nach dem Süden und Südosten des Erdteils und darüber hinaus trugen, lebt doch in der (rieGitäien Sage die Erinnerung, daß das Saitenspiel von Thracien nah Griechenland Fes sei. Der Vortragende knüpfte an diesc mit vielem Beifa E Mitteilungen noch den interessanten Nachweis, daß die fast tausendjährige Unterbrehung, welche die Entwicklun der Musik in Europa ibren, von der Kirche vershuldet worden ijt, die lange Zeit nur ernster, möglichst ein- töniger, getragener Musik zugängig war und jahrhundertelang weltliche Musik, weltlichen Gesang, die Anwendung großer Ton- intervalle als Teufelsmusik verdammte. Aber wie die Naturvölker. den unfreudigen Nhythmus des Schamanentums überwanden, so auch die europäischen Völker die feindselige, mindestens einseitige Haltung der Kirche gegen die Musik. Die in ansprechendster Form entwickelten Gedanken seines Vortrags faßte der Nedner zum Schluß, wie folg zusammen: Wir sahen, wo die Anfänge der Musi al Kunst verborgen liegen und wie diese den Ausweg aus dem Stadium der Siéfangeitbeit zu größerer Freiheit suchte und zunächst im Nhythmus fand. Aber keines der Naturvölker, soweit es unbeeinflußt blieb, konnte über einen ge en Grad der horizontalen, in os Sinne zweidimensionalen Musik hinauskommen. Europa erst und die den Norden dieses Erdteils beherrschende Nasse hat der Menschheit den entscheidenden Dienst geleistet. Die Möglichkeit dazu gab die reinere, geistige Atmosphäre, in welcher der dumpfe Totenkult der früheren Zeit zur Freiheit des Sonnenkults emporentwickelt war. Aus dem Höhlen- kult des Südens und der tieferstehenden Rassen war im Norden ein

öhentonkult geworden, das Denken und Empfinden der nordischen Nasse bewegte sih in einer freieren und weiteren Weltanshauung, und diese große Bewegungsfreiheit ist es, der wir auch die Anfänge unserer europäischen Tonkunst zu danken haben.

In der sih ans Mnehenden lebhaften Diskussion wurde us der Glocken gedaht (nah Prof. Schuchhardts Vermutung nah ihrer latei- nischen Bezeichnung aus Campania über die Welt verbreitet), die von der Kirche gern gesehen und gefördert wurden, da sie mit der Ein- heitlihkeit ihres Klanges und seinem gleihbleibenden, abwehslungs- losen Rhythmus den Bedingungen gerecht werden, welche die Kirche an Musik stellte. Stimmt Glockenklang doch stets ernst und feierlih. Wegen der ähnlihen Wirkung ist au die Orgel, obglei hoher Modulation fähig, in den Kirchen zu verdienter Geltung gelangt.

Land- und Forftwirtschaft.

Ein Preisbewerb zur Förderung der Hefeverwertung wird auf der mit einer Gersten-, Hopteu- und Brauereimaschinen- ausstellung verbundenen Dfktobertagung (10.—14. Oktober) der Versuhs- und Lehranstalt für Brauerei in Berlin“ zum Austrage kommen. Der Gegenstand des Preisbewerbs ist die Trocknung der in den Gärungsgewerben ‘im Ueber\s{chuß erzeugten und deshalb bisher zum großen Teile nußlos verworfenen Hefe sowie ihre Verwendung als mens{chliches Naßrungs- und Genußmittel, für medizinishe Zwecke und als Futtermittel. Es sind zwei Preisaus- schreiben veranstaltet für Hefétrockenapparate (Massentrockner und Qualitätstrockner) und ein weiteres zur Schaffung eines „Hefekoch- rezeptbuches". In den beiden ersten Fällen werden verteilt je ein er, zweiter und dritter Preis in Gestalt einer goldenen, silbernen und bronzenen Denkmünze der Versuchs- und Lehranstalt für E für das dritte Preisausschreiben stehen 1000 4 zur Vere ügung.

Saatenstand in Rumänien.

Der Kaiserlih# Generalkonsul in Bukarest berihtet unterm 24. Mai d. J.: Die Herbstsaaten haben in Numänien i ene iren so vorteilhaft als nur irgend mögli überwintert. Der milde Winter und insbesondere die warme Witterung in den leßten t Cr Fay wie auch die Niederschläge in den Monaten März und April haben äußerst günstige Verhältnisse für die Vegetation geschaffen und die Aerbestellung begünstigt.