1910 / 250 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 24 Oct 1910 18:00:01 GMT) scan diff

Ernennung Venizelos' zum griechishen Ministerpräsidenten nihts einzuwenden habe, obwohl er früher auf Kreta agitiert habe, Da Venizelos in der leßten Zeit eine besonnenere Haltung einnehme, werde die Pforte die Handlungen des neuen Kabinetis abwarten. Die Pforte habe die Be- ziehungen zu Griechenland niht abgebrochen, sondern nur den Urlaub des türkischen Gesandten in Athen verlängert. Abs Vorgestern ist der griechische Gesandte Gryparts in bschiedsaudienz vom Sultan empfangen worden, der dem dnig seine Grüße entbieten ließ. : : i , Vorgestern nahmittag wurde in einem Theater in Pera 1 von der persischen Kolonie organisierte Protestversa mm- ung gegen die english-russishe Aktion in Persien agehalten, der zahlreiche Türken, insbesondere Offiziere, bei- nten. Mehrere Redner, unter ihnen ein Tunestier, appellierten, „W. Br ¡ufolge, an die Solidarität der mohammedanischen beziehungsweise asiatischen Völker und betonten, daß die Teilung Persiens für die Türkei groängnisvoll sein werde; daher müsse die türkishe Regierung mit allen räften, hauptsächlich dur Annäherung an den Dreibund si dagegen wehren. Dex Abgeordnete Ubeidallah hob hervor, daß Deutschland an die Stelle Englands als Stüßpunkt für die Mohammedaner getreten sei, und zählte die Dienste auf, die Deutschland den Mohammedanern wiederholt geleistet habe; er forderte die Versammlung auf, an den eutschen Kaiser ein Telegramm zu richten, in dem unter Berufung auf die früheren Dienste die Hoffnung ausgedrückt wird, daß er die ilung Persiens nicht erlauben werde. Der Antrag wurde unter autem Beifall und dem Nufe: „Es lebe Deutschland !* angenommen, U rend gegen die Mächte der Triple-Entente Pereatrufe ausgestoßen rden.

Griechenland. y

Jn der vorgestrigen Sißung der Deputiertenkammer stellte der Ministerpräsident Venizelos Nachts nach lebhafter Diskussion die Vertrauensfrage. Da S die Nhallisten und le Mavromichalisten den Saal verlassen hatten und nur wurde die Sißung wegen Nach der Sißzung erklärte seinen Freunden, er sehe in Vertrauen und habe die

0 Deputierte anwesend waren, Veschlußunfähigkeit aufgehoben. *enizelos, „W. T. B.“ zufolge, lesem Ausgang einen Mangel an Absicht, zurü{zutreten. / __ Der König erklärte Venizelos, daß das Nichtvorhanden- sein einer beshlußfähigen Zahl "von Deputierten keineswegs einen Mangel an Vertrauen bedeute, und bestand darauf, daß 0s Kabinett wieder vor der Nationalversammlung er- cheinen solle. s ; Ein Zug von ungefähr 20 000 Personen übergab in Ab-

wesenheit des Königs dem Kammerherrn eine Adresse, in der der Monar gebeten wird, das Reformkabineit enizelos zu unterstüßen. Der König telephonierte aus Tatoi, daß er wünsche, Venizelos möchte die ewalt behalten. Der Zug marschierte dann vor dem Hause Venizelos? vorbei, der vom Balkon eine Ansprache hielt und abei erklärte, die Machenschaften der Reaktionäre würden ver- eitelt werden ‘dank der Zusammenarbeit von König und Volk zur Verwirklihung des Neformprogramms. Die Menge rate Venizelos wiederholt Beifallskundgebungen dar.

i; Serbien. i

Nach dem in der Nacht zum Sonntag ausgegeb enen Krankheitsbericht ist, wie das „W. T. B.“ meldet, bei dem Teprinzen Alexander die nervöse Unruhe im Laufe des ges geshwunden, am Abend jedoh in geringem Maße Fridergekehrl. Die Nahrungsaufnahme ist vollständig be- riedigend. Abends verfiel der Kronprinz in einen ruhigen laf. Temperatur 38,3, Puls 104.

f Amerika. Seit ¿Einer Meldung der „Agence Havas“ zufolge hat Brasilien die portugiesische Repüblik anerfannt.

Asien.

, Vie das Neutersche Bureau“ meldet, hat die persische Re- Lerung ea e englischen Gesandten ihre Antwort Di ie Note der britishen Regierung überreicht. s Antwort entspricht den bereits gemeldeten Grund- E Die Note weist auf die dem neuen Regime gu p coankende Besserung der Verhältnisse hin. Wenn die e rische Regierung auch selbst eine gehnprozentige ab hung der Zolleinnahmen im Zusammenhang mit der D A lhtigten Ante angeregt habe, so könne sie doh nicht die bes wesenheit britischer Offiziere im Lande gestatten. Die Note d nt den allgemeinen Aufschwung des Handels und E zu R ausländischen Kaufleute daher kein Recht hätten, sich

agen. L

y einer Meldung der „St. Petersburger Tele- e When- gentur“ s bie Belagerung des Ortes

alhan bas Die Zahl der Toten und Verwundeten wächst Wes, Don Jspahan sind ein Transport von Geschüßen, E geren und Patronen sowie Aerzte mit Medikamenten nach vin abgegangen. Aus der Landschaft Bachtiari wurden

erstärkungen gefordert; die Postverbindung mit Teheran ist Unterbrochen. T ,

Bet: p X i öglichst baldigen Eröffnung des E der Frage einer möglichst R E „St. Q inesi hen Parlaments E Vans

Petersburger Telegraphen-Agentur“ zu olge, g E S S A m Sinne vorstellig zu werden. e E Wie aus Mitten Ceelbet wird, hat der Provinzialrat r \hlofsen, die von der regierenden Dynastie geschaffenen Vor- rechte der mandschurishen Truppen aufzuheben und die Di ndschuren ebenso wie die übrige Bevölkerung Chinas zum enst in der reorganisierten Armee heranzuziehen. u zuf L DerKönigChulalongkornvon Siam isl U stt olge, gestern im 58. Lebensjahre nach kurzer Krankheit ge- A Der Kronprinz Maha Wajirawudh ist zum 9e proklamiert worden. : a: Der japanische Ministerpräsident Marquis Katsura ; N auf einem Bankett der Kaufleute in Tokio eine Nede ge- alien, in der er, „W. T. B.“ zufolge, erklärte: von 2/98 einzige Neue in dem nächsten Budget werde die Zuwendung e 70 illionen [Yen für die Vermehrung der Flotte pin. Die Summe solle auf sehs Jahre, verteilt werden. Der Us A Veberschwemmung verursachte Schaden und die Kosten der gnexion Koreas würden das Budget nicht wesentlich beeinflussen. ilu ge erde möglich sein, dieses aufzustellen, ohne zu einer_ O DU- bon U nehmen. Der Minister erklärte, der Plan, Schahkammer-

us im B Milltonen Ven jährlich einzulösen, sei nit geändert wee aue von 50 Millionen Yen jäh

beim Thron

Statistik und Volkswirtschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

In Bielefeld haben, wie die „Nh. Westf. Ztg.“ berichtet, am Sonnabend in 16 großen Betrieben der hiesigen Wäscheindustrie etwa 2000 Arbeiterinnen die Arbeit niedergelegt. Sie haîiten dur ihre Organisation neue Forderungen eingereiht. In. den daraufhin geführten Verhandlungen haben die Fabrikanten die Forderungen einer allgemeinen Lohnerhöhung abgelehnt, dagegen zugesagt, die Löhne da aufzubessern, wo sich dies als erforderli heraus- stelle. Dies genügte den Arbeiterinnen niht und sie beschlossen den Ausstand.

a Jndustricarbeiterverband und der Metallarbeiterverband haben, wie dasselbe Blatt aus Solingen meldet, über die Stahl - warenfirma Jansen u. Weck in Höhsche id in allen Branchen den allgemeinen Streik verhängt. Der Arbeitgeberverband leitete Cinigungsverhandlungen ein, diese. sind jedoch gescheitert ; die Firma blieb dem zweiten Verhandlungstermin fern. Der Ausstand dauert fort, andererseits au die vom Arbeitgeberverband über die Ausständigen verhängte Sperre. ( ; :

Der Vorsitzende des Gewerbegerihts in Bremen hatte, wie „W. T. B." meldet, am Sonnabend die Straßenbahnkommission ge- laden, um Einigungsversuhe mit der Direktion der Straßenbahn anzubahnen. Die Straßenbahner lehnten es ab, ohne die Verbandévertreter mit der Direktion zu verhandeln, während die Direktion erneut erklärte, sie halte an dem Beschluß fest, niht mit den Verbandsvertretern zu verhandeln. Damit sind abermals neu an- gebahnte Einigungsversuche gescheitert. (Vgl. Nr. 247 d. Bl.

Aus Triest wird dem „W. T. B.“ telegraphiert: Der Ver- band der Handels\chiffmaschinisten hat in einer am 22. d. M. abgehaltenen Versammlung wegen Lohnstreitigkeiten mit dem Arbeit- geberverband einstimmig den Ausstand der Maschinisten ver- fündet. Von dem Ausstand werden 19 Schiffahrtsgesellschaften

darunter als die größte die „Austria-Americana“. Der Oesterreihishe Lloyd und die „Dalmatia“ werden da- von nicht betroffen. Die Zahl der ausständigen Maschinisten dürfte 500 betragen. Die Bestimmung des Zeitpunktes des Streik- Ras wurde einem besonderen Ausschusse überlassen, der schon am Sonnabend eine vertraulihe Sitzung zu diesem Zwecke abhielt.

In den Kohlengruben der Powell-Duffryn - Co. sind, wie der „Post“ aus London telegraphiezt wird, am Sonnabend 8000 Bergarbeiter in den Auéstand getreten. Man fürchtet, daß der Streik si auch auf andere Gesellschaften ausdehnen wird.

Das im Ausstand befindliche Personal der ses elektrischen Kraftstationen in Paris hat, „W. L. B.“ zufolge, am Sonn- abend die sofortige Wiederaufnahme der Arbeit beschlossen. Eine Anzahl von Arbeitern der elektrischen Industrie verharrt noch im Ausstande. - E /

N Marseille haben gestern, wie „W. T. B.“ meldet, die Arbeiter im Rollfuhrwesen beschlossen, von heute ab in den Ausstand zu treten. 3 ;

Sn Lissabon erschienen gestern, wie „W. T. B.“ erfährt, mehrere tausend Handlu gege ilfen im Ministerium des Innern und forderten strenge Durchführung der wöchentlichen Nuhetage. Die Fuhrxrleute in Lissabon sind in den Ausstand getreten, um eine

Lohnerhöhung. durchzusebken (Weitere „Statistische Nachrichten“ \. i. d. Zweiten Beilage.)

betroffen,

Kunst und Wissenschaft.

Das Kupferstichkabinett der Königlichen Museen hat eine Ausstellung von neuen Erwerbungen eingerichtet.

Die im Jahre 1883 von der Direktion der Königlichen National- galerie in Berlin ins Leben gerufene „Vereinigung der Kunst- freunde“, die ihren Mitgliedern farbige Nachbildungen von Meister- werken hauptsählih der genannten Galerie bietet, hat den Kreis ihrer Mitglieder von Jahr zu Jahr zu erweitern gewußt. Der Anklang, den ihre tünstlezischen Veröffentlihungen finden, ist sowohl in der feinsinnigen, jedem Genre Rechnung tragenden Auswahl der nach- gebildeten Gemälde, wie in der Höhe der modernen, weit- entwidelten Technik des Reproduktionsverfahrens begründet, durch die sich die Veröffentliungen der Vereinigung auszeihnen. Im Herbst jedes Jahres erfreut die Vereinigung thre Mitglieder dur eine Ankündi- gung von Neuerscheinungen, die in diesem Jahre nicht weniger als 29 Blätter ausmachen und dur die die Gesamtzahl der bisher veröffentlihten Reproduktionen auf 533 anwäd 1. Besonders zahl- reich und abwechslungsvoll find in der diesjährigen Auswahl die Meister der Landschaftsmalerei berüdsihtigt, von der charafteristishe Beispiele sowohl der naturalistisch. realistisGen, wie der idealistish- slilifierten und der romantisch - phantastischen Richtung ge- boten werden. So is der berühmte Darsteller der süd- S Landshaft Oswald Achenbah mit seinem \{chöónen Gemälde „Golf von Neapel“ vertreten, dessen Driginal die Düsseldorfer Galerie schmüdckt. Der eigenartige Duft, der über dieser Landschaft liegt, der leihtbewölkte Himmel, das unbestimmte Blau- grau des widerspiegelnden Meeres, die den Hintergrund abschließenden verblauenden Berge sind auf dem Blatt in überrashender Treue wiedergegeben. Ebenso typisch und farbenecht ist ‘die Neproduktion von Andreas Achenbachs „Bachmühle“, die in der Bremer Kunst- halle hängt. Von Ludwig Richter, dem gemütvollen Schilderer deutschen Landes, ist eine sehr Harakteristishe Laudschast ge- wählt, eine romantishe Lindenpruppe, unter der Pilger an einer steinernen Brunnensäule Rast halten und von der as ein weiter Aus- blick auf ein fonnendurhleuchtetes Tal bietet. Cinen kontrastreichen Gegensaß zu dieser staffage- und figurenreichen Landschaft bildet die felsblockœübersäte Strandpartie der Insel Rügen, in der der Düssel-

dorfer Cugen Dücker das Gefühl absoluter Einsamkeit und menschenleerer Unendlichkeit wiederzu eben verstanden hat. Carl chirms „Sonnige Heide“ ü errascht durch die poetische

reizvolle Stimmung, die einer unscheinbaren Landschaft aufgeprägt wurde. Vor allem sind aber auh die diesjährigen Neuheiten wieder durch Nachbildungen cklinscher Gemälde ausgezeichnet. Es sind diesmal elf Werke des Meisters, die den Mitgliedern der Ver- einigung zur Wahl gestellt werden, sodaß zusammen mit den früheren Veröffentlichungen fast alle Hauptwerke des Meisters in diesen ausgezeichneten Wiedergaben vorliegen. Die vollendete Ne- produktionsteGnik hat es ermöglicht, daß auf allen diesen Blättern die phantastish-hillernden, märchenhast bunten und geisterhaft ver- träumten Farben Böcklins in all ihrem Duft, Prunk und Zauber dem Beschauer entgegentreten. Unter den neuen Wiedergaben befinden sich: die „Villa am Meer“, das „Schweigen im Walde“, der dete der „Zentaur in der ckdmiede“, die „Tritonen- familie“, die „Mandolinenspielerin“, die „Veritas“, das Gemälde „Pan ershreckt einen Hirten“ und die ergreifende „Pietà“, Von Friß von Uhde is das biblische Gemälde „Weib, warum weinest du 2*, das in der Wiener Gemäldegalerie hängt, nachgebildet. Humor und heitere Lebensfreude kommen in anderen Wieder- gaben zu ihrem Recht. Claus Meyers „Lustige Musikanten“ und Karl Kronbergers „Prise“ find hier zu nennen. Von dem Münchener Akademiedirektor F. A. von Kaulbach ist das lieblidhe Gemälde „Kinder im Früchtekranz“ wiedergegeben; drei allerliebste Kindertypen, die so sorglos und heiter, unshuldvoll und naiv und dabei doch wieder so vielversprehend ernst ins Leben bliden, daß man versucht ijt, zwischen ihnen und“ dem sie umgebenden früchteschweren Erntekranz einen tiefsinnigen „Zusammenhang zu suchen. Jäger werden an Carl Friedr. Deikers „Brunft- birsch“ und [Nehbock" ihre Freute haben; Freunden vaterländischer Malerei wird Georg Schoebels „Friedrich der Große im Gespräch E Noltaltes willkommen le A geben die N Hc angen“ und „Im Irrgarten“ von Hermann Ko

Hanen U S B Landschaften „Wiesenbach“ von Ludwig

"

anmutig wieder.

Willroider und „Waldteih" von Peder Monsted s{chließen die Reihe der Neuerscheinungen gehaltvoll ab, die wie in den Vorjahren von allen Kunstfreunden mit Befriedigung entgegengenommen werden dürften und namcntlich im Hinblick auf das nahende Weihnachtsfest von vielèn als billige und dabei künstlerish wertvolle Weihnachtsgaben werden willkommen geheißen werden.

_Es sei bei dieser Gelegenheit darauf hingewiesen, daß die Mit - glied\chaft der Vereinigung, die stets auf 2 Jahre erworben werden muß, ar einen Jahresbeitrag von 20 H geknüpft ist. Hierfür erhält jedes Mitglied jährli nah freier Wahl aus allen bisher ver- öffentlichten Vereinsblättern entweder ein großes Blatt zu 20, oder zwei Halbblätter zu je 10 4, oder 4 Mayppenblätter zu je 5 M, oder gegen Nachzahlung von 20 4 ein Doppelblatt. Die Mit- glieder find außerdem berechtigt, die von der Vereinigung hergestellten Blätter in beliebiger Anzahl zu dem Preise von 5, 10, 20 und 40 #4 zu erwerben, während der Ladenpreis 7,50, 30 bezw. 60 beträgt. In jedem dritten Jahr erhalten die Mitglieder ein weiteres 20 #-Blatt nah freier Wahl als Prämie Das Vereinsjahr beginnt am 1. Oktober, die Mitgliedschaft muß 3 Monate vor Ablauf jedes zweiten Jahres gekündigt werden, widrigenfalls sie als auf 2 Jahre verlängert gilt. Anmeldungen werden in den Geschäftsräumen Berlin W., Markgrafenstraße 57 und Potsdamer Straße 23, entgegen- genommen.

__ Der Maler und Professor an der Akademie der bildenden Künste Sigismund L’Allemand ist, wie „W. T. B." aus Wien meldet, im Alter von 71 Jahren gestorben.

In Brüssel ist am 22. d. M., wie die „Frkf. Ztg.“ meldet,

Bildhauer ata Charles van der Stappen, fast 67 Jahre alt, ge|torben. Er stammte aus der Nähe von Brüssel war Schüler von Portaels und der dortigen Akademie, hat sih auf Reisen nah Frankreich, England, Holland und Italien weitergebildet und wurde 1883 zum Direktor der Brüsseler Afademie ernannt. Er war neben Meunier etner der berühmtesten neueren Bildhauer Belgiens. Die Berliner und Dresdener Galerie sind im Besiße von einigen seiner Werke.

Theater und Musik.

Thaliatheater.

Das Wiener Kunsttheater unter Karl Langkammers Leitung seßte am Sonnabend sein Gastspiel fort mit Ludwig Anzen- rubers Drama in vier Akten „Hand und Herz“. Das Stück ist auf der Bühne ziemlich unbekannt, und offenbar mit Recht; denn es hat infolge seiner mangelhaften dramatischen Technik kaum Aus- sicht, auf dem Theater den festen Play zu gewinnen wie andere, längst hoh bewertete Volksstücke Anzengrubers. Des Dichters Stärke liegt entschieden auf dem Gebiete volkstümlihen Humors; und wo er diese Tône anshlägt, siegt er auf der ganzen Linie; das ernste Drama glückte ihm weniger. Er konnte auch bei der Behand- lung dieses Stoffes mit seinen \hauerromantischen Anklängen er schildert die Doppelehe der Bäuerin Kathrein und ihr grausiges Ende die echte Dichternatur natürlih nicht unterdrücken; man erkennt sle in der warmblütigen Charakterzeihnung der Kathrein, welche gutgläubig und aus warmet Neigung in zweiter Che den reihen Bauern Weller geheiratet hat, und der Dibter verleugnet sih noch weniger in der drastishen Kennzeichnung des ersten Mannes, des totgeglaubten vagabondierenden Friedner, der urplößlih in den stillen E dieser zweiten Ehe einbriht. Man spürt immer, wie natürlih und einfa diese Menschen fühlen; man wird ergriffen von der Hilslosigkeit, mit der diese s{hlichten Herzen dem unerbitilichen Schicksal gegenüber- stehen und von thm zermalmt werden; die Bäuerin stürzt fi{ch von der Hohen Wand und der brave Weller erwürgt im Zorn den trunkenen Friedner, der frech sein Weib von ihm begehrt. Aber der

der

dramatische Aufbau ist so schwankend und unsicher, die Handlung \chleppt in den beiden ersten Akten so langsam dahin, daß troß aller poetishen Vorzüge kaum dramatische

Wirkungen erzielt werden. Der Darstellung gebührt eas Lob; es Ott als Kathrein brachte die Angst vor der Vergangen- heit, den Abscheu vor der Schande, das Verlangen nah einem Herzen und einem Heim bei der stürmischen Verteidigung “ihres neuen Che- lüs frafivoll zum Ausdruck. Die Verbitterung und die zynische Lebensphilosophie des Vagabunden wurde von Louis Nalph mit starker Natürlichkeit und zum Teil mit drastishem Humor harakterisiert. Außerdem find noch die prächtigen Leistungen des Herrn Schwarße (Weller), Bowacz (Knecht Hans) und Heinrich (Pater Sebaldus)" hervorzuheben. Auch die ausgezeichnete Regie verdiente lebhafte An- erkennung. Modernes Theater.

Leo Birinski, e dreiaktiges Trauerspiel „Der Moloch“ am Sonnabend ‘zum ersten Male im Modernen Theater aufgeführt wurde, ist bis jeßt hier nur durch seine Freundschaft mit Joseph Kainz bekannt geworden, und diese A diente ihm hier als Cmpfehlungsbrief; man hörte sein Erstlingswerk, das sih dur si selbit nit sonderlih empfahl, mit Geduld und Achtung an. Etwas von der unbefriedigenden dumpfen Resignation der Jungrussen, deren Stüce das srühere Hebbeltheater mit Vorliebe aufführte, [ebt auch in diesem Trauerspiel, das ein wirklihkeitsgetreues Abbild der russi- schen Revolution und ihrer Vorkämpfer schildern will. Aber alles ist zwecklos, so ruft der Dichter in der Gestalt seines Sascha den Kämpfenden zu: der „Moloch“, der unersättlihe, vershlingt euch alle, der „Moloch“, jenes fürchterlihe Ungeheuer, dem Staatserhalter wie Umstürzler zuleßt verfallen find. Zu dieser trostlosen Erkenntnis ist Sascha im Gefängnis gelangt, Sascha, der eine revolutionäre Gruppe gegründet hatte und den Häschern in die Hände gefallen war, denen die Seinen ihn unter großen Opfern wieder entrissen. Nun ver- langen sie von ihm eine Tat. Er soll ein Attentat auf den Gouverneur ausführen, aber er weigert sih, weil er die ganze Hoffnungslosigkeit des Kampfes und der Sache, für die gekämpft wird, einge)ehen hat. Er sucht nur noch den Tod, um all den Schrecknissen zu entrinnen die er selbst verbreiten half und deren ernühterter Zeuge er jeßt fein muß. Die barmherzige Kugel eines Soldaten erlöst ihn zuleßt von seiner Qual, und au der Zuschauer atmet erleichtert auf, daß das quälende Stück, obzwar es gewiß als eine Talentprobe gelten darf ‘vors über ist. Die Aufführung war im Zusammensptel gut, wenn au irgendwelche hervorragende schauspielerishe Leistungen von den Herren Pans, Weigert, Felix, Fehér, Mühlberg, Garrison Neuß, d Damen Meißner und redi Lindner u. a. nicht geboten ‘wurden. Der Beifall, der niht unwidersprochen blieb, rief am Shluß des Stü dés au den jungen Verfasser hervor. 0 U

Volksoper.

Am Sonnabend erwarb \ich die Volksoper et ;

die Aufführung der selten auf dem Spielplan dete O scheinenden Rossini schen Oper „Wilhelm Tell“ Man mu ih den Las vergegenwärtigen, auf dem dieses Werk innerhalb der tusikgeschichte steht : zwischen der faden italienischen Romantik und der „großen Oper“. So wird man manches loben und als Fortschritt er- kennen, was freilich an den heutigen Anforderungen gemessen unbefriedigend- bleibt. Vor allem ist es ja die Handlung, die uns im Verglei mit dem Schillershen Drama als ein im üblen Sinne opernhaftes Machwerk er- scheint. Die Musik aber weist soviel Schönheiten auf in Chören, Duetten- und Cinzelgesängen, daß eine öftere Aufführung durchaus gerechtfe1 tigt wäre. Man kann der Direktion der Volksoper auch für das Gelecistete volle Anerkennung aussprechen; wer es weiß, welche Arbeit die Vor- bereitung eines solchen Werks, besonders in dem naturgemäß beschränkten Nahmen einer feinen Bühne, verursacht; wird diesem Lobe beipflihtèn. Darstellerisch kam alles trefflich heraus, die Einzelhandlung und die Massenszenen. Und was den Gesang anbetrifft, muß man si freuen

über den Ernst, mit dem an der Volksoper gearbeitet wird. Herr Nünger gab den Tell im Spiel und mit Geschma.

Gesang SttE voll und Man den anderen oliste n-

darf