1878 / 112 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 13 May 1878 18:00:01 GMT) scan diff

A A 0E E A S 4 q - E f x

L R I B ak E E

R

En MBIE P

A E

Aus dem Jn: und Auslande liegen bereits zahlreide úündere Glückwünsche und Kundgebungen der Liebe und Theil- nahme vor, die wir hier folgen lassen :

Königsberg i. Pr., 12. Mai. (W. T. B.) Sämnmt- lie inländishen und die jr ahlreih im Hafen vor Anker liegenden ausländishen Schiffe Sb aus Anlaß der Rettung des Kaisers festlihen Flaggenshmuck angelegt, auch die Stadt ist vielfah mit Fahnen geshmüdt. z

13. Mai, Morgens. Bevor gestern im Stadttheater die Opernvorstellung begann, erhob sih das gesammte Publi- kum und sang stehend, unter Begleitung des Orchesters, die Volkshymne. Jn der mit Guirlanden ge müdckten Königlichen Loge war die lorbeerumkränzte Büste des Kaisers aufgestellt ; der Ober-Präsident und die gesammte Generalität nahmen an der Feierlichkeit Theil.

München, 12. Mai. (W. T. B.) Se. Majestät der König Ludwig hat Se. Majestät den Kaiser aus Anlaß seiner Rettung telegraphisch beglückwünscht.

Wien, 11. Mai. (W. T. B.) Die österreichischen Würdenträger sowie die hier akkreditirten Botschafter statteten heute dem deutschen Botschafter Besuche ab, um ihre Glüdck- wünsche wegen des Mißlingens des Attentates auf den Kaiser Wilhelm darzubringen. | i

13. Mai. (W. T. B.) Bei der gestern im deut- schen Botschaftshotel stattgehabten Gratulation fand si auch der päpstliche Nuntius, Jacobini, persönlih ein und über- sendete durch seinen Sekretär dem deutschen Botschafter seine Karte. Wie es heißt, wird sich auf Befehl des Kaisers eine aus 3 Offizieren des 34. E Res „Kaiser Wil- helm“ bestehende Deputation nah Berlin begeben, um dem deutschen Kaiser die Glückwünsche des Regiments zu über- bringen.

London, 13. Mai. (W. T. B.) Sämmtliche Morgen- blätter besprehen das Attentat auf den Deutschen Kaiser, brandmarken dasselbe als ein abscheulihes Verbrechen und be- glückwünschen das deutsche Volk zu der glücklichen Erhaltung des Lebens des Kaisers in den wärmsten Ausdrücen. Die „Times“ schreibt: Wir drücken nur das allgemeine Gefühl aller Sichten Englands aus, indem wir den Kaiser wie das deutsche Volk anläßlih der glücklichen Errettung aus großer Gefahr herzlih beglückwünschen. Wir theilen die Hoch- ahtung und würdigen die Zuneigung der Deutschen zu ihrem Monarchen, welher ihre Einheit begründet hat. Der Deutsche Kaiser ist das lebende Symbol des großen nationalen Strebens, das er zu befriedigen verstanden hat. Wir erblicken in ihm den Patrioten, den Krieger, den Staats- mann, der die Dankbarkeit seiner Unterthanen geerntet hat. n der gegenwärtigen Krisis wäre das Lees des Kaisers ein großes prü ar Ereigniß gewesen, dessen Folgen zu übertreiben kaum möglich sein dürfte. Der Einfluß des Kaisers auf die jet Europa bewegende Frage ist stets ein großer gewesen und dürfte jeßt eher zunehmen als abnehmen, wo die Unterhandlungen eine hoffnungsvollere Wendung ge- nommen zu haben scheinen. Europa kann das Leben des Kaisers in diesem Augenblicke niht wohl vermissen.

Rom, 12. Mai. (W. T. B.) Se. Majestät der Köni g hat un- mittelbar, nahdem die Nachricht von dem Attentate hier ein-

egangen war, ein Telegramm an Se. Majestät den Deutschon

aiser aerihtet. in ér in seine etigenên Namen und als og etscher er Gefühle des italienishen Volkes Demselben ie

Ben Glückwünsche zu Seiner Rettung ausspricht. Zur Feier der glücklichen Rettung des Deutschen Kaisers aus Lebensgefahr and heute in der Kapelle der deutschen Botschaft ein Dankgottesdienst statt, welchem der deutsche Bot- schafter mit dem Botschaftspersonal und fast alle Angehörigen der deutschen Kolonie beiwohnten. Die Minister sprachen, um ihre Theilnahme zu bezeugen, persönlih beim deutschen Botschafter vor. Die deutsche Kolonie hat ein Glückwunsch- telegramm_ an Se. Majestät den Kaiser Wilhelm abgesendet. Der Syndikus von Rom richtete eine Glückwunschdepesche an den Magistrat in Berlin.

St. P etersburg, 12. Mai. (W. T. B.) Die lebhaftesten

E für Se. Majestät den Kaiser Wilhelm äußerten sh auch heute hier überall in der herzlichsten Weise. Jn dem deutschen Botschaftshotel gingen vom Frühmorgen an ununterbrochen Beweise der Theilnahme ein. Großfürst Wla- dimir, der Erbgroßherzog von Mecklenburg-Schwerin und Prinz Peter von Oldenburg erschienen daselbst persönli. Ebenso fanden si daselbst Deputationen der Regimenter Chevalier-Garde und Garde zu Pferde und der einzige hier anwesende Offizier der Ordens-Dragoner, deren Chef Kaiser Wilhelm U; zur Beglückwünschung ein. Außerdem erschienen au perfönlih die Minister und die höchsten Würdenträger vom ‘Civil und Militär, sowie die Botschafter und Gesandten und eine große Anzahl anderer Notabilitäten. In der Heute Nachmittag unter dem Vorsiße des deutschen Bot- 7 aftexrs abgehaltenen _Jahresversammlung des deutschen ohlthätigkeitsvereins hielt der anwesende Pastor Dalton eíne ergreifende Ansprache, in welcher er die innigen Beziehungen Der beiden Kaiser und der beiden Nachbarreiche hervorhob, und tvelche er mit einem Dankgebet \{loß. Die Versammlung be- +{chloß, ein Telegramm an Se. Majestät den Kaiser Wilhelm «abzu}enden, in welchem der Theilnahme und zugleih der Freude über die glüdliche Erreitung Sr. Majestät Ausdruck

-Hegeben ag 13, Mal (W. D. B)“ Die esammte russi\che resse bespricht das gegen den Kaiser Wilhelm LeriGne Attentat in für den Kaiser höchst [yrnpathisher Weise. Der E {chlicßt einen diesbezüglichen Artikel folgendermaßen : «Bon allen auswärtigen Herr)chern ist dem Herzen des russi- st hen Volkes der Name des Kaisers Wilhelm am tiefsten ein- e prägt, als der eînes wahren ¿Freundes Rußlands sowohl ei les Herrschers wie auch des russischen Volkes und der rus: fish zn Armee, welche denselben mit Stolz ihren ersten Krieger und Helden neunt.

“Yaris, 12. Mai. (W. T. B. Der Marschall- Prä} ident hat sofort, nahdem die Nachricht von dem Ber- liner A'ttentat hier eingetroffen war, dem Deutschen Kaiser ein Gl lickwunschtelegramm übersendet. Die Journale sprechen Öinstimmig über das Attentat ihren Abscheu aus.

Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz wohnte auch am 10. d. M, wie täglich während Höchstseines Aufenthalts im Neuen Palais, den Tru ppen- nen dit r pen Soaie E e E ; [ gegen r, Tam Höchstderselbe na er ber Sr. Majestät dem Kaiser und König.

russishen Botschafter Grafen Schuwaloff und kehrte um 10 Uhr nach Potsdam zurück.

Am Sonnabend rgen wohnte Höchstderselbe wiederum den Truppenübungen auf dem Bornstedter Felde bei. :

Am Nachmittage um 4/, Uhr traf Se. Kaiserliche oheit, von Potsdam kommend, in Berlin ein und begab ih auf die Höchstdemselben auf dem Bahnhof zugegangene

Meldung von dem stattgehabten Attentat auf Se. Majestät den Kaiser und König direkt in das Palais zu Sr. Majestät.

Um 5 Uhr folgte Se. Kaiserliche E der Einladung Sr. Majestät zum Diner und besuchte sodann mit Sr. Ma- jestät dem Kaiser sowie rer Königlichen Hoheit der Groß- herzogin von Baden die Vorstellungen im Opernhause und im Schauspielhause.

Den Thee nahm Höchstderselbe mit Sr. Majestät und hrer Königlichen Hoheit der Großherzogin von Baden im alais Sr. Majestät des Kaisers ein. Se. Kaiserliche Hoheit

blieb über Nacht in Berlin.

_, Gestern Morgen stattete Se. Kaiserlihe Hoheit Sr. Ma- jestät dem Kaiser und Jhrer Königlichen Hopeit der Groß- herzogin von Baden Besuche ab und wohnte demnächst dem Gottesdienst im Dome bei.|

Nachdem Se. Kaiserliche Hoheit der in der Nacht von der Reise zurückgekehrten Prinzessin Friedrih Carl, Königlichen Hoheit, einen Besuch abgestattet hatte, war Höchstderselbe be: dem Empfange des gesammten Staats - Ministeriums dur Se. Majestät den Kaiser und König im Palais Sr. Majestät zugegen.

Später geleitete Höchstderselbe Se. Majestät den Kaiser und Jhre Königliche Hoheit die Großherzogin auf der Fahrt nach Potsdam und nahm darauf rit den Höchsten Herr- schaften das Diner bei den Erbprinzlich sahsen-meiningischen Herrschaften ein.

Abends um 9 Uhr kam Se. Kaiserlihe Hoheit der Kron- prinz von Potsdam nach Berlin und übernachtete hierselbst:

Jn der am 11. d. Mts. unter dem Vorsiße des Staats-Ministers Hofmann abgehaltenen Sizung des Bunde s- raths wurde von einem Schreiben des Präsidenten des Neichs- tages, betreffend den Beschluß des Reichstages zu der Denk- rift über die Ausführung verschiedener Geseße wegen der Aufnahme von Anleihen, Kenntniß genommen. Ein in der leßten Sißung gestellter Antrag, betreffend das Vensions- verhältniß eines Beamten der Postverwaltung, wurde ange- nommen, über zwei weiter eingegangene Anträge dagegen die Beschlußnahme vorbehalten.

Ein vom Reichskanzler vorgelegter Geseßentwurf, betref- fend die Anzeigepflicht bei dem Auftreten gemeingefährlicher Krankheiten, wurde dem IV. Ausschusse zur s{hleunigen Be- richterstattung überwiesen.

Den Anträgen der berichtenden Ausschüsse gemäß erhielt: a. der Entwurf eines Geseßes wegen Gewährung einer Ehrenzulage an die Jnhaber des Eisernen Kreuzes von 1870/71 ; b. der Geseßentwurf, betreffend Zuwiderhandlungen gegen Vieheinfuhrverbote leßterer in der vom Reichstage be- schlossenen Fassung —; e. ein auf der Grundlage des deutsh-

belaischen Auslieferungsvertragës S inbartes am 2. d. M. voll- F0gene1 Ausltesexungêsveortrag mit Spanien dîo Zustimmung der

Versammlung, und wurde eine aufdie Abänderung der Gemwerbe- ordnung bezügliche Eingabe des Direktoriums des Centralverban- des deutscher Industrieller zur Beförderung und Wahrung natio- naler Arbeit durch die Beschlüsse des Bundesraths zu dem gegen- wärtig dem Reichstage vorliegenden Geseßentwurf, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung, für erledigt erachtet. Sgließlih erfolgte die Ernennung von Kommissarien zur Berathung von Vorlagen im Neichstage und die Ueberweisung von Eingaben an die betheiligten Ausschüsse.

__— Das Staats-Ministerium trat heute zu einer Sizung zusammen.

__— Jm weiteren Verlaufe der vorgestrigen (46.) Sißung des Reichstages seßte das Haus in der zweiten Berathung der Rechtsanwaltsordnung die Debatte über die Frage der Lokalisirung der Rechtsanwälte bei 8. 7 fort. Nachdem der Referent Dr. Wolffson die Beschlüsse der Kommission begründet hatte, trat der Abg. Dr. Lasker für seinen Antrag ein. Der Zweck desselben sei das Be- streben, den Gegensaß zwischen dem Prinzip, welches die Regierungsvorlage betreffs der Lokalisirung aufgestellt, und dem in der Kommissionsvorlage ausgesprochenen auszu- gleichen, damit die Anmwaltsordnung in dieser Session noch zu Stande komme und nit an der Frage der Lokalisirung ]cheitere. Der Abg. von Schmid (Württemberg) vertheidigte unter Pes auf Württemberg, wo man eine Lokalisirung der ehtsanwälte niht kenne, die Beschlüsse der Kommission. Der Abg. Windthorst bemerkte, auch er sei damit einverstanden, daß man darauf hinarbeiten müsse, die Rechtsanwaltsordnung zu Stande zu bringen ; aber man dürfe deswegen keine wesent- lichen Prinzipien aufgeben. Er werde für die Kommissions- beshlüsse stimmen. Hterauf erklärte der Präsident des Reichs-Justizamtes, Dr. Friedberg, er müsse den heut gestellten Anträgen gegen- über erklären, daß, wenn auch der Bundesrath noh nicht in der Lage gewesen [el über dieselben Beschluß zu fassen, er doch glaube vorausfagen zu können, daß der Bundesrath, bei unveränderter Annahme der Kommissionsbeshlüsse, voraus- sichtlih niht in der Lage sein werde, dem Geseße seine Zu- stimmung zu geben. Die Auffassung 2 maßgebend gewesen, daß der Anwaltsprozeß der neuen Ge eßgebung hierbei nit förderlih gehandhabt werden könne. Nicht blos die Art und Weise, wie der Prozeß geführt werde, müsse berüdcksihtigt werden, ondern au der Umstand, daß der Anwalt, als Rechtsfreund er Partei, in der Nähe derselben sei. Wenn zwischen diesen beiden Gesichtspunkten eine Vermittelung gefunden werden müsse, so sei diese in dem Amendement Lasker gegeben und, obgleich er niht wisse, wie der Bundesrath si hierzu stellen werde, stó glaube er doch, daß auf dieser Grundlage eine Ver- einbarung mit dem Beschlusse des Hauses herbeigeführt wér- den könne. Auf weitere Details werde er nicht eingehen, weil er glaube, daß au die Minuten bei der gegenwärtigen Ge- shäftslage des Reichstages gespart werden sollten. Die folgenden Redner sprachen ihre Ansichten hauptsächlih nach zwei Richtungen hin aus, indem sie ihre Argumente den Erfahrungen,welche in der einen oder anderen Hinsicht in ein- elnen deutschen Staaten gemacht seien, entnahmen. Die Abgg. indthorst, Kiefer und von Hölder behaupteten, daß die in

Gegen 9 Uhr Abends empfing Se. Kaiserliche Hoheit den |

Baden und Württemberg gemachten Erfahrungen für das Prinzip der Nichtlokali irung Daa Und daf dem-

nach die Kommissionsvorschläge den Vorzug verdienten während die Abgg. Struckmann, Dr. Völk und Frankenburger die in Preußen und Bayern gemahten E ahrungen zu Gunsten der Lokalisirung geltend machten und dieselbe als eine nothwendige Vorausseßung für eine gedeihlihe Führung des Prozesses bezeichneten. Jm Einverständniß mit der Re- gierung erklärten dieselben sich für die Anträge Lasker.

Der Kommissarius des Bundesraths, Geheime Ober- Justiz-Rath Dr. Meyer, konstatirte, daß vom Tische des Bundesraths nicht die Erklärung Een sei, unter be- stimmten Voraussezungen werde dieses eseß nicht zu Stande kommen. Es sei nur ausgesprochen worden, daß auf Grund der Anträge Lasker eine Verständigung mit dem Bundes- rathe wahrscheinlich sei, während dieses auf Grund der Kommissionsbeshlüsse nicht absehbar sei. Die Gegner der Lokalisirung kämpften mit ihrer Deduktion auch gegen die von ihnen befürworteten Kommissionsbeschlüsse, denn auch leßtere träfen gewisse Lokalisirungsbestimmungen. Er müsse noch darauf hinweisen, daß einstimmig sämmt- lihe Anwaltskammern im Gebiete des ERPreasisGen und hannoverishen Rechts ihr Gutachten dahin abgegeben En, daß der Prozeß . mit Erfolg nicht geführt werden önne, wenn niht der Anwalt am Orte des Gerichts wohnhaft sei. Baden bilde hierin allerdings eine Ausnahme; aber au dort sei man gegen die Frage, ob der am Sigze eines Amtsgerichts wohnhafte Anwalt zur Praxis beim Landgerichte berehtigt sein solle, absolut indifferent. Dort handele es sich um die Frage, ob der bei einem Landgericht zuge- lassene Anwalt zur Praxis bei sämmtlichen Landgerichten des Landes berechtigt sein solle. Wenn das aber in Baden möglih sei, so sei es doch für ganz Deutshland unaus- führbar. So weit gingen aber auch die Vorschläge der Kom- mission niht. Es handele sih also keineswegs um eine spe- gzifish preußishe Einrichtung. Der Regierungsentwurf stehe keineswegs auf der Grundlage, daß überall da, wo der An- waltsprozeß nicht besteht, der Anwalt überflüssig 10, Bu seiner gedeihlichen Entwicklung werde der junge «Zurist seine Praxis immer beim: Amtsgerichte beginnen. Zur leihteren Herstelung eines Einverständnisses mit dem Bundes- rathe bitte er, die Anträge Lasker an Stelle der Kommissions- beshlüsse- anzunehmen.

Der Kommissar des Bundesraths, Geheime Ober-Justiz- Rath Kurlbaum IT., wies auf die großen Verschiedenheiten zwischen dem Reichs-Prozeßverfahren und dem württembergischen hin. Nach dem ersteren könne das Verfahren ohne Anwesen- heit des Anwalts keinen Fortgang nehmen ; derselbe habe also nicht dasselbe Interesse am pünktlichen Erscheinen, wie nah dem württembergischen Verfahren, wo auch mit den Parteien allein verhandelt werden könne. Die Verhältnisse Württem- bergs könnten für das ganze Reich niht maßgebend sein und namentlich machten es die Kommunikationsverhältnisse der ree Provinzen unmöglich, von der Lokalisirung ganz ab- zusehen.

Die allgemeine Debatte über diese Frage wurde nunmehr abgebrochen und die Diskussion wendete si den einzelnen Spezialfragen zu. Die Abgg. Klügmann und von Cuny be- schästigten sih mit den Bestimmungen, die \ih auf die meh- reren Bundesstaaten gemeinschaftlichen Dber:Landesgerichte und die ihnen unterstehenden Landgerichte beziehen. Der Leßtere wollte besonders den Laskerschen Anträgen gegenüber in diesem Falle auch gestattet wissen, daß die Anwälte, die. bei einem Landgerichte zugelassen jeien, aber niht an dessen Siß wohnen, troßdem beim Ober-Lande3gerichte zugelassen würden. Der Geh. Ober-Fustiz-Rath Dr. Meyer betonte aber ausdrüdlih, daß die Anwälte in diesem Falle beim Land- gerichte ihren Wohnsiß haben müßten.

Bei der Abstimmung wurden die §8. 7 und 7a.—d. nah Ablehnung des Lasker’schen Amendements mit 106 gegen 105 Stimmen in folgender Fassung angenommen :

, §. 7: „Die Zulassung erfolgt bei einem bestimmten Kollegial- gerihte. Die Zulassung bei einem Landgericht erstreckt \sich zu- gleich auf die im Bezirke desselben an einem andern Orte befind- lichen Kammern für Han“els\achen.“

S. Ta.: „Der zugelassene Rechtsanwa[t if auf seinen Antrag zugleich bei einem anderen, an dem Orte seines Wohnsitzes befind- lihen Kollegialgerichte zuzulassen, wenn nach dem Gutachten des M Era die Zulassung mit dem Interesse der Rechts- pflege vereinbar ift.“

§. 7b.: „Der bei einem Kollegialgerihte zugelassenc Rechts- anwalt’ ist auf seinen Aùutrag zagleih bei einem anderen, an dem Orte seines Wohnsitzes befindlichen Kollegialgerickte zuzulassen, wenn das Ober-Landesgericht durch Plenarbeshluß die Zulassung zur ordnungsmäßizen Erledigung der Anwaltsprozesse für statthaft erklärt. Erklärt das Ober-Landesgericht die Zulassung einer be- stimmten Anzahl von Rechtsanwälten für erforderlich und bean- tragt innerhalb einer bekannt zu machenden vierwöchigen Frist eine größere Anzahl von Rechtsanwälten ihre Zulassung, so ‘entscheidet unter den Antragstellern die Landesjustizverwaltung.“

S. 7e: „Jst der Rechtsanwalt bei einem Landgerichte zuge- lassen, welhes zum Bezirk eines mchreren Bundes1\taaten gemein-

leßteren zugelassen werden, auch wenn dasselbe an einem anderen Orte seinen Sih hat.“

S. 7d.: „Auf Antrag eines Laudgerichts können bei demselben Rechtsanwälte, welche bei einem benachbarten Landgerichte zugelassen find, widerruflich zugelassen werden, wenn nah dem Gutachten des Ober-Landesgerichts die Zulassung zur ordaung8mäßigen Erledigung der Anwaltsprozesse; erforderlich ift.“

Die §8. 16, 16a und 16þ werden unverändert nach den Kommissionsbeschlüssen ‘angenommen.

Zu 8. 12 der Regierungsvorlage, welchen die Kommission estrichen hatte, beantragte der Abg. Staudy die Wiederher- tellung der Bestimmung, wonach die Zulassung zur Anwalt- schaft einem Antragsteller versagt werden könne, wenn nah dem Gutachten des Vorstandes der Anwaltskammer durch die Zulassung di: gedeihliche Ausübung der Rechtspflege würde gefährdet werden.

Der Abg. Dr. Lasker erklärte sih gegen diesen Antrag, da gerade durch die gedachte Bestimmung die Zulassung der Rechts- anwälte zum Theil wieder von der geseßlichen Negtlumg un- abhängig gemacht werde, was dem Prinzip des Geseßes gerade- zu widerspreche. Der Kommissar des Bundesraths Geh. Ober- Justiz Nath Dr. Meyer führte dagegen aus, daß dem Vorstand der Anwaltskammer Ge egenheit gegeben werden müßte, den Stand der Rechtsanwälte in seiner Reinheit aufrecht zu erhalten. Der Vorstand der Anwaltskammer habe bezüglich des ehrengerihtlichen Verfahrens so weite Befugnisse, daß man ihm au eine solhe Ermächtigung ohne Gefahr ertheilen könne. Der Abg. Windthorst gab zwar zu, daß in einzelnen D die Zulassung einér Person zur Anwaltschaft bei einem estimmten Gerichte die Ne tspflege S Ire könne, indessen

werde eine solche Person niht vor dem Li te der Oeffentlich- keit bestehen. Einen so un estimmten Passus wie ka VO0YT=

\chaftlichen Ober-Landesgerichts gehört, so kann er zuglei bei dem L

enden könne man in das Geseß nicht aufnehmen, ohne mit E ganzen Prinzip desselben in Widerspru zu gerathen. Der Ilbg. Staudy begründete seinen Antrag damit, da es thatsäch- 4 Verhältnisse geben iönne, in denen Jemand nicht mehr prießlich sein Amt auszuüben vermöge, während ihm das Geseh die Fähigkeit noch nicht entzogen habe. Es müßten Garantien geschaffen werden, einen ehrenwerthen Stand der Rechtsanwälte zu bilden; dem Rechtsanwalt werde zwar die Qualität als Staatsdiener genommen, er habe aber so wih- ige Funktionen, daß man sehr wohl diejenigen Ansprüche an eine Person stellen könne, welche man an Beamte stelle. Der Referent Abg. Dr. Wolffson bat, den Antrag Staudy abzu- nen. es Hierauf wurde der Antrag Staudy abgelehnt. j Die §8. 13—24 wurden ohne erheblihe Debatte mit cinigen wenigen, lediglih redaktionellen Aenderungen artige- ommen; auf den Antrag des Abg. Windthorst genehmigte das Haus die §8. 25—93, zu denen Pee niht vorlagen, en bloc, so daß nur noch Abschnitt V.: „Rechtsanwalts ast heim Reichsgeriht“ und VI.: „Schluß- und Ueberga"gsbestim- mungen“ zu erledigen blieben. (Schluß 45 Uhr.) L E

L T E Die heutige (47.) Sißung des Reichsta cs

welcher am Tische des Bundesraths der Präsident des Reichs-

justiz - An:18, Staatssekretär Dr. Friedberg, und mehrere an- dere Bevollmächtigte zum Bundesrath beiwohnten, eröffnete

Ider Präsident von Forckenbeck mit folgender Ansprach: :

Meine Herren! Sofort nah der bestätigten Nachricht von dem entseßglichen Attentat auf Se. Majestät den Kaiser hat das Präsidium des Reichstages eine Audienz bei Sr. Majestät dem Kaiser nachgesucht. Se. Majestät häben Allergnädigst geruht, mir gestern Nachmittag diese Audienz huldvoll zu ge- währen. Namens des Reichstages habeich Derselben auszusprechen, mir erlaubt, daß die am Schluß der vorgestrigen Sißung des

Reichstages erst in unbestimmten Gerüchten verlautende Nach-

riht von der ruchlosen That alle Gemüther im Reichstage auf das Tiefste erschüttert habe, um so tiefer, um so s{merz- liher, um so furchtbarer, als wir, die Vertreter des deutschen Vo:kes, wissen, mit welhem tiefen Dank- gefühl, mit welcher innigen Liebe und Verehrung das deutsche Volk Sr. Majestät, seinem Kaiser ergeben ist ; daß gleichzeitig aber unfer aller Herzen von dem innigsten Dankgefühl gegen den allmächtigen Gott, der Se. Majestät wieder fo sichtbar beshüßzt hat, erfüllt waren. Jh habe sodann Sr. Ma- jestät Namens des Reichstages im Einklange mit dem ganzen deutshen Volke die ehrfurhtsvollsten und herzlichsten Glückwünsche zu der glücklichen Errettung aus Lebenêgefahr ausgesprochen. Se. Majestät haben diese Worte huldvollst ent- egenzunehmen geruht und mi ausdrüdcklich beauftragt, dem Meichatage Seinen herzlichsten Dank für diese Kundgebung der Theilnahme auszusprehen. Ueberzeugt, meine Herren, das ih im vollen Einklange mit dem Reichstage in dessen Ver- tretung gehandelt habe, ersuche ih Sie zum Zeichen dessen, si von den Pläßen zu erheben und mit mir einzustimmen in den Ruf der Treue und Ehrerbietung: Se. Majestät der Deutfche Kaiser, König Wilhelm von Preußen, Er lebe hoch! :

Die Versammlung und das Publikum auf den Tribünen t ei sich und stimmte mit Begeisterung dreimal in den uf ein.

Der Präsident fuhr fort: :

Nach dem Beschlusse des Reichstages sollte ih heute in Kiel anwesend sein. Unter den obwaltenden Umständen ‘habe ih meinen Stellvertreter, den Hrn. Vize-Präsidenten Frhrn. von Stauffenberg, ersu !, ftatt meiner an der Spitze der Deputation nah Kiel zu reisen. Ich halte mich für verpflichtet, dies dem Reichstage anzu- zeigen. Frhr. von Stauffenberg ist auch bereitwillig meinem Ersuchen

Y nahgekommen und hat sich erboten, die Deputation zunächst nach

Lübeck und dann nah Kiel zu führen. j :

Hierauf seßte das Haus die zweite Berathung der Rechtsanwaltsordnung fort.

8. 95 lautet in der Regierungsvorlage: : i

„Die Zul: ffung zur Rehtsanwaltschaft bei dem Neich8gericht erfolgt durch den Reichskanzler nah freiem Ermessen, vor- behaltlih der Vorschriften der 88. 1, 4. :

Vor der Entscheidung über die Zulassung ist außer dem Vor- D der Anwaltskammer auch das Reichsgericht gutachtlich zu ören.“

Die Kommission {lug dafür folgende Bestimmung vor:

„Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft und die Zurücknahme der Zulassung bei dem Reichsgericht erfolgt durch das Präsidium des Neichsgerichts. Dasselbe entscheidet über den Antrag auf Zulassung nah freiem Ermessen, jedoch vorbehaltli der Vorschriften der S8. 1, 5a, und mit der Beschränkung, daß nur derjenige zuge- lassen werden kann, welcher innerhalh des Reiches fünf Jahre das Amt eines Richters bekleidet oder die Rechtsanwaltschafi ausgeübt hat, oder fünf Jahre ordentlicher Recht:lehrer an einer deutschen Universität gewesen ist.“ i i

Hierzu lagen folgende zwei Anträge vor :

von dem Abg. Thilo: :

„Der Reichstag wolle beschließen: Im 8. 95 1) statt: „dur das Präsidium des Reichsgerichts. Dasselbe“ zu sagen: „dur den Reichskanzler. Derselbe“ ; 2) und als zweiten Absatz hinzuzufügen: „Vor der Entscheidung über die Zulassung ist außer dem Vor- stande der Anwaltskammer auch tas Präsidium des Reichsgerichts gutachtlich zu hören“ ;

von dem Abg. Dr. Lasker :

„Statt der Worte „das Amt ausgeübt hat“, zu seyen: enach erlangter Fähigkeit zum Richteramte im Justizdienste oder als Rech!sanwalt thätig gewesen® ist“.,“ S

Hierzu ergriffen das Wort die Abgg. Dr. v. Grävenib,

j v. Shmid, Dr. Lasker, Windthorst und Kiefer. (Schluß des

Vlattes.)

Jn verschiedenen Blättern wird bei Besprechung der von dem Handels-Minister neucrdings ergange-

j nen, die Eisenbahntarife für Holz betreffenden Er-

lasse ausgeführt, daß „man es mit einem allgemeinen Heraufs{chrauben der Holztarife zu thun habe.“ Diese steht mit dem wirklichen Sawverhalt im Wid erspruch. Nach dem Erlaß vom 27. März d. J. sollen auf den Staatsbahnen und den unter Staatsverwaltung stehenden Bahnen die Grund- taxen für Bau- und Nuzßholz (Spéezialtarif 11.) von 3,5 auf 9,0 pro Tonne und Kilometer als Maximalsatz herahb- ß esevt werden, soweit niht {on niedrigere Tarife estchen, welche beibehalten werden sollen. Im inne- cen Verkehr ist also eine allgemeine Tarif- rmäßigung für Holz im Werke und zum Theil schon ein- getreten. Für den internationalen Verkehr soll nah einem weiteren Erlaß vom 20. April d. J. eine Aenderung er direkten Tarife dahin herbeigeführt werden, daß als An- theile der preußischen Bahnen der Saß von 3,0 .Z pro Tonne und Kilometer ür Bau- und Nußzholz, und 2,2 3 pro Tonn- Kilometer (glei 1 Silberp Jenn pro Centner-Meile) für

rennholz, Eisenbahnshwellen und Grubenholz eingeréhnet

«

wird, soweit nicht die Lokalsäße der betheiligten Strecken noch niedriger sind. Leßtterenfalls find diese zu. konzediren. Bei Ausführung dieses Erlasses werden im interationalen Verkehr für Bau- und Nugholz neben vereinzelten Erhöhungen zumeist Ermäßigungen, für Brennholz sogar, soweit zu über- jehen, nur Ermäßigungen eintreten. ;

Die in jenen Blättern speziell besprohenen Shlesis\ ch- Märkischen Verbandtarife für Holz im Verkehr mit Berlin dienen gleihfalls vorwiegend dem internationalen Ver- kehr von den Stationen Oswieczim, Oderberg und Myslowiß. Die ermäßigten, ursprünglih auf den Berliner Verkehr be- shränkten Säße sind später auch in die über Berlin hinaus- gehenden direkten Tarife, wesentlich aus formellen Gründen, eingerehnet worden, und hierdurch die _Frachtantheile der Niederschlesisch - Märkischen Eisenbahn im Verhältniß zu anderen betheiligten Bahnen auch in weiteren Verkehren ohne innere abe Sd herabgedrückt. Der Erlaß vom 20. v. M. beabsichtigt, dieses Mißverhältniß zu besei- tigen. Wenn hiervon der Verkehr einiger oberschlesischen Sta- tionen mit Berlin nicht unberührt bleibt, so erwahsen dem \hlesischen Holzhandel andererseits aus der generellen Er- mäßigung der internen Tarife, namentlich auf der Niederscchle{{-Märkifchen Bahn, Vortheile. welche jene ver- hältnißmäßig geringen Erhöhungen weit übccwiegen. f [) W

Am Sonnabend, den 11. d. Mts., xano eine Sihung des Königlichen Gerichtshofes für Kompetenzkonflikte statt.

è Der Bundesraths-Bevollmächtigte Staatsrath Selk? mann aus Oldenburg ist von Berlin wieder abgereist

m— K Die „Provinzial- Ko rrespondenz“ wird in dieser Woche, des Bußtags wegen, morgen (Dienstag) er- scheinen. 4 L

Sachsen - Weimar - Eisenach. Weimar, 12. Mai. (W. T. B.) Heute Mittag 121/, Uhr fand hier in Gegen- wart des Großherzogs, der Mitglieder der Großherzo g- lihen Familie, der Minister, der Gesandten und zahl- reiher Deputationen die feierliche Enthüllung des Landes-Kriegerdenkmals statt. Außer dem hier garni- sonirenden Linien-Bataillon nahmen das Landwehr-Bataillon und eine große Anzahl von Kriegervereinen an der Gier Theil.

Von Seiten des Festcomités, sowie von Seiten des Kriegerbundes wurden Glückwunschtelegramme an Se. Majestät den Kaiser Wilhelm abgesandt.

Oesterreich-Ungarn. Wien, 11. Mai. (W. T. B.) Meldungen der „Polit. Korresp.“ Aus Konstantinopel 11. d.: Die russischen Lieferungsverträge werden nicht mehr für San Stefano, sondern für Tschataldja abgeschlossen. Man glaubt allgemein, die Russen werden den Rüclzug bis Adrianopel erst nach Erzielung eines Einvernehmens mit England bezüglih der Stellungen der britishen Flotte, sowie nah der Räuniung der Festungen Shumla, Varna und Batum bewerkstelligen. Es wird versichert, daß die Räumung wohl im Prinzip beschlo}en sei, aber ihre Durchführung noch lange auf sih dürfte warten lassen. Die türkishen Spezialkom- missäre Nehad Pascha und Ali Bey sind indeß heute nah Batum abgereist. Der Aufstand im Nhodopegebirge giebt den russishen Truppen fortwährend viel zu schaffen. Aus Bukarest vom gestrigen Tage: Die vor 10 Tagen verlangten 90 Eisenbahnzüge zur Transportirung des 12. russischen Corps von Rustschuk nach Jassy sind bei den rumänischen Eisenbahnen wieder abbestellt. Die russischen Truppen bleiben vorläufig in den bisherigen Stellungen. Die Zuzüge von Reservetruppen in einer Stärke von 10 000 Mann dauern fort und zwar in den Richtungen nah Giurgewo und Rustshuk. Der Fürst reist am 11. d. Abends von hier ab, um die rumänischen Truppen jenseits der Aluta zu in- spiziren. Die Abwesenheit des Fürsten von Bukarest wird acht Tage dauern. Aus Athen vom heutigen Tage: Die griehische Jnsurrektion in Epirus und Thessalien ist als beendet anzusehen. Die Führer haben si bereits in o Heimath begeben, nachdem zuvor im Namen der türkischen

egierung eine allgemeine Amnestie für sämmtliche Theilnehmer der Znfurrektion verkündet worden war. Der britische Konsul Merlin berichtete an seine Regierung, daß die türkischen Begs in Thessalien ciner eventuellen Annexion Thessaliens an Griechen- land micht abgeneigt wären. ;

Pest, 13. Mai. (W. T. B.) Jm Unterhause in- terpellirte der Abgeordnete Ernst Simonyi den Mi- nister-Präsidenten hinsichtlich der Konzentrirung russisher Truppen in Rumänien. Der Minister-Prä- sident versprach sih hierüber morgen bei Gelegenheit der Ver- handlung über die Bedeckung des Sechszig-Millionen-Kredits auszusprechen. :

Großbritannien und-Jrland. London, 13. Mai. (W. T. B.) Die „Times“ meldet aus Konstantinopel von gestern, die Pforte habe in Folge des peremptorischen Verlangens des rufsishen Oberstkommandirenden, General Totleben, beschlossen, die Festungen sofort zu räumen, und zwar zuerst Shumla, hierauf Varna und zuleßt Batum. General Totleben dagegen habe zugesichert, die russischen Truppen nach Adrianopel und Dedecagatsh zurückzuziehen und Erzerum zu räumen, sobald alle drei vorgenannten Festungen von den Türken geräumt worden seien. Den „Daily News“ geht aus Konstantinopel von gestern die weitere Nachricht zu, General Totleben habe mit einer Okfku- pation Konstantinopels gedroht, wenn die Festungen nit so- fort übergeben würden, und Osman Pascha habe dem türki- \hen Ministerrath angezeigt, daß die türkishe Armee nicht in der Verfassung sei, gegen eine Ofkkupation Widerstand zu leisten. L 12. Mai. (W. T. B.) Dem „Observer“ zufolge hat die englische Regierung bei Port Said ein zur Anlegung einer Kohlen station geeignetes Terrain angekauft.

Aus Aden, 11. Mai, Abends, meldet „W. T. Die Transportschif M „Bangalore“, „Hannibal“, „Milde- red“, „Suez“, „Brambletyre“, „Camara“ und „Baron Coz:on- say“ sind in der vergangenen Nacht auf dem Wege nah Malta mit indishen Truppen hier eingetroffen.

ankreich. Paris, 11. Mai. (W. T. B.) Der

ven iet Botschafter, Fürst Hohenlohe, hat heute die deutsche Kunstausstellung eröffnet. Der AeBasten wurde von der deutschen Ausstellungskommission und dem andels - Minister Teisserenc de Bort empfangen, welchem

deutshen Künstler aussprach. Der Handels - Minister drückte in seiner Erwiderung seine Befriedigung über die Betheiligun der deutshen Künstler an der Weltausstellung aus und ho ervor, daß er in derselben ein Unterpfand für die freund- fbaftlihen Beziehungen Deutschlands und Frankreichs erblicke.

12. Mai. . T. B.) Der als Vertheidiger von Belfort bekannte Oberst Denfert is gestorben.

Italien. Rom, 11. Mai. (W. T. B.) Die Nach- riht des „Standard“ über ängeblih hier von russischer Seite erfolgte Mittheilungen in der Angelegenheit des Dampfers „Cimbria“, sowie über den Transport von rusf- sishen Offizieren und Mannschaften dur Amerika zum Schuße der russishen Besißungen am Amur wird von gut unterrihteter Seite als völlig unbegründet bezeichnet.

Türkei. Konstantinopel, 11. Mai. (W. T. B.) Die Verhandlungen über den gleihzeitigen Rückzug der russischen Truppen und englischen Flotte von Konstantinopel, sowie über die Räumung der Festungen Seitens der Türken dauern fort. Definitives ist noch nit festgestellt. E L : 12. Mai. (W. T. B.) Die Pforte ÿat auf Befehl des Sultans eine Vorlage über organische Geseße zur Ein- führung von Reformen auf dem Gebiete der Ver- waltung, der Rechtspflege, der Finanzen und des Heerwesens ausgearbeitet. Es sollen vier aus eingeborenen und ausländischen Notabilitäten bestehende Kommissionen von dem Sultan ernannt und damit beauftragt werden, diese Vor- lagen binnen Jahresfrist in Exekutivgeseße umzugestalten. Die Redaktion der Vorlage is bereits vollendet. Die hauptsäch- lichsten Neuerungen sind folgende: Die Gouverneure, die Unter- gouverneure und die Vorstände de: Ortsverwaltung sollen demjenigen Theile der Bevölkerung, welcher die Mehrheit der Einwohnerschaft bildet, angehören. Das Budget soll durch Munizipalräthe festgestellt werden. Von denselben sollen auch die Steuererheber ernannt werden. Es soll die Polizei neu organisirt und das Personal aus den Einwohnern ohne Unter- schied der Abstammung oder der Konfession entnommen werden. Der Unterricht soll frei sein. Jedem Bürger soll gestattet sein, eine Schule zu eröffnen. Die Gerichtshöfe sollen ander- weitig organisirt werten, die Gerichtspersonen unabseßbar sein. Dem Zeugniß der Muselmänner und Nichtmusel- männer soll gleih große Beweiskraft beigelegt sein. Jedes Vilayet soll Friedensgerihte als erstinstanzliche Gerichte erhalten, fowie einen Appellhof, in Konstantinopel soll ein einziger Kassationshof gebildet werden. Die direkten und in- direften Steuern sollen regulirt werden. Die Reform in den Steuererträgnissen foll sih genau den allgemeinen Bedürfnissen des Staates anschließen. Eine Spezialkommission soll mit der Regelung der öffentlihen Schuld, der inneren wie der aus- wärtigen, sowie der {webenden Schuld beauftragt, alle Os- manen ohne Unterschied sollen zum Militärdienst zugelassen werden. Fn Konstantinopel soll ein oberster Rath zur Ent- scheidung von Konflikten zwischen dem Gouverneur und den Munizipalräthen eingeseßt werden. Diesem Rath soll auch das Recht der Revision gegen Beshwerden in Administrativ- sachen zustehen. : :

(W. T.B.) Gestern fand beim Sultan ein Diner z U Ehren des englischen Botschafters Layard statt, dem auch dic Minister und die Corps-Kommandanten beiwohnten. Der neue Vertreter Rußlands, Fürst Labanoff-Rostows ki, wird heute hier erwartet; das Personal der russishen Bot- schaft und ein höherer türkisher Beamter find demselben bis zur Einfahrt in den Pontus entgegengefahren. Das russishe Hauptquartier bleibt noch in San Stefano. Bezüglich der Räumung von Varna und Batu1. Seitens der Türken scheint noch nihts entschieden, dagegen wird die Räumung Schumlas durch diefelben thatsächlich vorbereitet. Die Russen sind, eines Protestes vou Derwish Pascha und des Widerstandes der Bevölkerung ungeachtet, in T\chu- ruksu, in der Umgebung von Batum, eingerüdckt. 7, Wer bisherige Sekretär des Sultans, Said, is zum Senats- präsidenten ernannt worden. Morgen besichtigt der Sultan die Truppen Baker Paschas. :

Belgrad, 11. Mai. (W. T. B.) Das amtliche Blatt bezeichnet alle Nachrichten über eine angebliche neue M o- bilisirung der Miliz als unbegründet.

Numäánien. Bukarest, 11. Mai. (W. T. D.) Die Session der Kammern ist bis zum 31. d. Mts. verlängert worden.

Nußlaund und Polen. St. Petersburg, 11. Mai. (W. T. B.) Jn dem Befinden des Fürsten Gortschakoff ist in Folge eines neuen Gichtanfalles ein größerer Shwächezu- stand eingetreten. Die „Agence russe“ erklärt die Nach- riht, daß die russishen Truppen den dckzug aus ihren Positionen in der Umgebung von Konstantinopel be- gonnen oder vorberei!et hätten, formell fütunbegründet. Die- selbe erklärt ferner, daß die Regierung, obgleich sie den Wunsch hege, die Truppen zurückzuberufen, dieselben doh nur zurüd- ziehen werde, nachdem die Türken nah den von ihnen einge- gangenen Verpflichtungen die Festungen ausgeliefert haben würden und sobald gleihmäßig die englische Flotte ihren gegen- wärtigen Ankerplaß verlassen werde. :

12. Mai. (W._L. V.) - Dit „Agence Russe“, welche gestern Abend auf die Unmöglichkeit hingewiesen hatte, von den Vorschlägen Kenntniß haben zu können, deren _ Ueberbringer Graf Shuwaloff sein solle, da diese Vor- schläge doch nur zwischen ihm und dem Londoner Kabinet verhandelt sein könnten, führt heute aus, daß die Vor- {hläge nothwendiger Weise sh nur auf die zwei Lösungen beziehen könnten, die die E gegenwärtig überhaupt vertrage entweder eine Zerstückelung und eine Theilung des osmanishen Reiches, oder eine Kombination, welche einerseits die Lebensfähigkeit der Türkei, andererseits die vollständige Unabhängigkeit der christlihen Volksstämme von der türkishen Verwaltung sichere, obglei die ristliche Bevölkerung dann tributpflichtig bleibe. Die „Agence“ weist nah, daß eine derartige Lösung für die Türkei selbst die vor- theilhafteste, die allein weise und A ausführbare ei, und deutet an, daß, um dieses Werk in ernster und voll- Prie Weise dur{zuführen, das im Kongreß vereinigte Europa Oesterrei mit der Verwaltung Bosniens beauftragen müsse, wo eine Selbstregierung den unter einander zusammen- haltenden Begs gegenüber unmöglih sei. Gerade weil Eng- land in der nämlichen Weise wie Rußland eine Zerstückelung der Türkei nicht N E, lis eine Verständigung mit England wünschenswerth und möglich. /

g 13. Mai. (W. T. B.) Der Botschaster Graf Shu -

eßteren er seinen Dank für die freundlihe Aufnahme der

waloff ist gestern hier eingetroffen. Der „Regierungs -