1878 / 161 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 11 Jul 1878 18:00:01 GMT) scan diff

Sun , auf die Persönlichkeit der Eltern oder sonstigen ee Kindes und auf dessen t Lebensverhältnisse zur hütung weiterer sittlicher Verwahrlofung erforderli ist.“ Eine En auf Verbrechen und Vergehen findet nicht statt; das Gese seßt nur eine strafbare Hand- Lung voraus, es kann also au bei Uebertretungen, und ¿os wenn diese nur eine Polizeiverordnung betreffen, zur

nwendung gebraht werden. Die Begehung einer strafbaren Pun allein reiht aber in keinem Falle zur Anwendbar-

eit des Gesezes hin; die Unterbringung zur Zwangserziehung darf vielmehr, wie die Ueberschrift des Gesehes und die Fassung des 8. 1 ergeben, nur stattfinden, wenn das Kind, um dessen Unterbringung es sich handelt, verwahrlost ist und wenn die Verhältnisse, in denen es lebt, das obrigkeit- liche Einschreiten zur Verhütung weiterer sittliher Verwahr- losung erforderlih machen.

Die Bestimmung darüber, ob die Vorausseßungen des 8. 1 im Einzelfalle vorhanden find und ob die Unterbringung tattzufinden hat, ist durch §. 2 dem Vormundschaftsgerichte,

ie Unterbringung selbst den in §. 7 bezeihneten Provinzial- und Kommunalverbänden übertragen. Die Gemeinde- und Bn sind hierbei durch das Geseg selbst zur Mit- wirkung berufen, indem ihnen das Recht beigelegt ist, die Unterbringung zu beantragen, vor der Entscheidung durch das Vormundschastsgeriht gehört zu werden und gegen dessen Be- {luß Beschwerde zu erheben (88. 3 und 4).

Die Vormundschaftsgerichte sind zwar befugt von Amts- wegen einzuschreiten; sie sind aber HEEs nicht in der Lage, von den Fällen, wo eine Unterbringung im Sinne des Geseßes erforderlih wird, Kenntniß zu erhalten. Die Wirksamkeit und der Erfolg des Geseßes wird also wesentlih davon abhängen, daß die mit den Lokal- und Provinzialverhältnissen vertrauten Gemeindevorstände und Polizeibehörden niht unterlassen, in den geeigneten Fällen bei dem Vormundschaftsgerichte auf Einleitung der Zwangs- erziehung anzutragen. Der Minister spriht hierbei die Er- wartung aus, daß die Lokalbehörden die ihnen gebotene Ge- legenheit, der vielbeklagten Verwilderung der heranwachsenden Q entgegenzuwirken, mit vollem Ernste und ohne Neben- rüdcksihten benußen werden. Wo dies wider Erwarten nicht geschehen sollte, namentli auch dann, wenn einzelne Gemeinde- behörden das Gescßh mißbrauchen sollten, um sih der Fürsorge für solche Kinder zu entledigen, bei denen es weniger um die Zwangserziehung als um die Fürsorge im Sinne der Armen- pflege sih handele, würde der Minister genöthigt sein, von der in 8§. 3 alinea 2 des Geseßes vorbehaltenen Befugniß zur Ernennung eines besonderen Vertreters der Staats- Ns für diesen Zweig der Verwaltung Gebrauch zu madhen.

Der §. 6 des Gesetzes ordnet an, daß die Vormund- schaftsgerihte ihre auf Unterbringung verwahrloster Kinder gerihteten Beschlüsse durch Vermittelung der Landräthe bezw. Gemeindevorstände an die zur Unterbringung verpflichteten Kommunalverbände einzusenden haben. Diese Anordnung hat den Zweck, die gedachten Behörden auf dem kürzesten Wege von den gf aaa oe des Vormundschaftsgerihts in Kenntniß zu sehen, ihnen Gelegenheit zu geben, bei der Weiterbeförde- rung derselben ihre gutachtliche Aeußerung über die Art der Unterbringung und dergl. beizufügen und auf diese Weise die Organe der Kommunalverbände in den Stand zu sehen, die erfordexlihen Maßregeln ohne weitere Rückfragen zu treffen.

Die Verwuaultungsbehörden und Beamten dürfen aber bei der Ausführung des Geseßes vom 13. März d. Js. nicht lediglich auf die Erfüllung der vorgedahten, ihnen durch die 88. 3, 4 und 6 ausdrücklih übertragenen Obliegen- heiten sih beshränken. Das Gese kann im vollen Umfange nur dann wirksam werden, wenn die Behörden der Staats- regierung und die Organe der Selbstverwaltung bei seiner Ausführung Hand in - Hand gehen und sich gegen}eitig unter- stüßen. Zu diesem Behufe werden die Behörden nicht blos den Requisitionen der gemäß §8. 7 verpflichteten Kommunal- verbände bereitwilligst Folge zu geben, sondern auch aus eigener Jnitiative die Zwecke des Gesehes zu fördern haben.

Das Gesetz (8. 1) e die Unterbringung verwahrloster Kinder in Familien als die 1 rgeman und zweckmäßigste Art der Erziehung an erster Stelle vorge)chrieben.

Bei der Ermittelung von Familien, welche bereit sind, verwahrloste Kinder aufzunehmen und die erforderliche Gewähr für eine gedeihlihe Erziehung derselben bieten, werden die Provinzial- und Kommunalverbände die Mitwirkung der E faum entbehren können. Die Leßteren haben bei ihren Vorschlägen mit der gewissenhastesten Sorg- falt zu verfahren, damit nicht der Zweck des Geseßes durch unrihtige Auswahl der Pflegeeltern vereitelt werde, und insbesondere folgende Momente zu beachten, welche si nah den auf diesem Gebiete gemahten Erfahrungen als wichtig ergeben haben. Dahin gehört, daß die auszu- wählenden Familien durhaus unbescholten seien und in gutem Rufe stehen, daß sie ein gesichertes Auskommen haben und die Uebernahme von verwahrlosten Kindern nicht ledig- lih zu einer Geldspekulation machen. Personen, welche Armenunterstüßung beziehen oder in so dürstigen Verhält- nissen leben, E sie den ihnen anzuvertrauenden Kindern ein penes Unterkommen und eine O Pflege nicht zu

ieten vermögen, werden auszuschließen sein, in der Regel au solche, welhe Schlafleute halten, welche A viel eigene namentlich kleine Kinder haben oder deren Wohnung dur ihre Abgelegenheit die Kontrole erschwert. Die Verwendung der untergebrachten Kinder zu häuslichen Arbeiten ist nit blos zulässig sondern auch ag iat insofern dadurch ihre körperliche Entwielung oder der Schulbesuch nicht beeîin- trächtigt wird. Ein Ausgebot zum A der Unterbringung der Kinder an den Mindestfordernden darf unter keinen Um- ständen stattfinden. /

__ Das Geseß hat dur §8. 12 den in 8. 7 bezeichneten Pro- vinzial- und Kommunalverbänden die Verpflichtung auferlegt, für die Einrihtung öffentliher Erziehungs- und Besserungsan- stalten zu sorgen, „wenn und soweit es an Gelegenheit fehlt, durch Abkommen mit geeigneten Familien, Vereinen und Privatanstalten oder bestehenden öffentlihen Anstalten die Unterbringung der verwahrlosten Kinder E bewirken.“ Durch diese Anordnung ist für alle Fälle Für}orge O die Behörden werden aber die Aufgabe, welche das Geseh hnen Ob nit als abgethan ansehen dürfen, wenn die Unter-

ringung erfolgt ist eine ebenso wihtige Aufgabe ist die

ürsorge für die verwahrlosten Kinder nah beendigter wangserziehung und nah ihrer Entlassung aus der Srziehungsanstalt. Ohne eine folhe Fürsorge würde ein großer Theil der entlassenen Kinder in die Verwahrlosung

zurückfallen, vor der sie bewahrt werden sollen; es wird also keine Entlassung stattfinden dürfen, ohne daß auf die Unterbringung des zu Ent Eden in der Lehre, im Gesindedienst oder in ähnlichen Verhältnissen, sowie gleich- eitig auf die Ueberwachung der so untergebrahten Kinder Bedacht genommen wird. Die Kommunalverbände werden oft niht in ter Lage sein, dergleihen Unterkommen direkt ermitteln oder die Führung der Eatlassenen überwachen zu fönnen; es wird die Pflicht der Gemeindebehörden sein, ihnen hierbei unter Mitwirkung der Waisenräthe, sowie geeigneter Vereine und Privatpersonen hülfreiche D zu leisten. “Von besonderer Wichtigkeit ist die Ueberwahung in den Fällen, wo die Entlassung nach §. 10 des Gesetzes nur widerruflich, gewissermaßen auf Probe, erfolgt, wo mithin, wenn die Führung des entlassenen Zöglings tadelns- werth is , seine Zurückführung in die Zwangserziehung be- {lossen werden kann. Die Furcht vor der Zurücckführung wird, wenn die Aufsicht eine wa{hsame ist, sehr wesentlich dazu beitragen , die entlassenen Po de auf dem rechten Wege zu erhalten und die hierdurch gewährte Garantie wird R weiteren Kreisen die Geneigtheit zur Aufnahme solcher Zög- linge fördern. Die Verwaltungsbehörden werden - bei \hlechter Führung der widerruflich entlassenen Zöglinge die Zurückführung derselben in die Erziehungsanstalt; sowie die event. nah §8. 10 alinea 5 des Geseßes zulässige Ver- längerung der Zwangserziehung bis zum vollendeten 18. Lebensjahre bei dem betreffenden Kommunalver- bande von Amtswegen zu beantragen und wenn die Unterbringung in einer Familie sich als unwirksam érweist, bei dem betreffenden Provinzialverbande auf Unterbringung in einer Erziehungsanstalt hinzuwirken haben.

Die amtliche Thätigkeit allein wird indessen nit hin- reichen, um auf dem vorliegenden Gebiete einen gedeihlichen Erfolg zu sichern.

Soll den verwahrlosten Kindern eine Erziehung im wah- ren Sinne des Wortes, ein Ersaß für das Elternhaus, zu

- Theil werden, die Unterbringung der Zöglinge nach erfolgter

Entlassung und die Ueberwachung der nur proberweise ent- lassenen Kinder zweckentsprehend gehandhabt werden, so be- darf es der Mitwirkung größerer Kreise. An Personen, die hierzu bereit und geeignet sind, wird es bei umsich- tiger Leitung und Anregung nicht fehlen; es besteht eine große Zahl von Prioatvereinen und Privatanstal- ten, die \ch die Fürsorge für verwahrloste Kinder zur Aufgabe machen, und denen {hon Tausende solcher Kinder ihre Rettung vor dem physishen und morali- hen Verderben zu danken haben. Alle diese Vereine und noch andere ähnlichen Charakters beispielsweise die Vereine zur Fürsorge für entlassene Strafgefangene werden bei entsprehender Anregung gewiß gern mitwirken, um das Geseh vom 13. März d. Js. zur vollen Wirksamkeit zu bringen. Der Minister empfiehlt deshalb den Behörden, sich bei Ausführung desselben auch an den Gemeinsinn und an die freie Liebes- thätigkeit ee Vereine zu wenden. Derselbe weist dabei auf die erfreulihen Resultate hin, welche mit den angedeuteten Mitteln auf einem verwandten Gebiete erzielt worden sind: die Armenpflege sei nirgend besser organisirt, als in den Gemeinden, wo man es verstanden habe, das Interesse des Publikums und die Mitwirkung wohlwollen- der Pg ege für diesen Zweig der Verwaltung zu ge- winnen und wo die Thätigkeit der Behörden mit der Privat- wohlthätigkeit Hand in Hand geht.

ereine machen häufig die Erfahrung, daß die ihnen an- vertrauten verwahrlosten Kinder, sobald sie verdienen können, Seitens ihrer Eltern zurücgefordert werden und daß dann alle Mühen der nur halb vollendeten Erziehung vergeblich ge- wesen sind. Wenn in solchen Fällen die Unterbringung nur auf Grund eines freiwilligen Uebereinkommens oder mit stillschweigen- der Genehmigung der Eltern erfolgt war, so darf denselben die Rückgabe ihrer Kinder nicht versagt werden ; wohl aber, wenn das Vormundschaftsgericht die Unterbringung dur förmlichen Beshluß nah Maßgabe des Geseßes (8. 3) für d rad eas er- klärt hat. Sind daher die thatsählihen Vorausseßungen für eine solhe Beschlußfassung vorhanden, so wird dieselbe herbei- zuführen sein, damit die Vereine später gegen die Anforde- rungen unverständiger Eltern gesichert sind.

Die in der heutigen Börs-n - Beilage abgzedrudlte tabellarishe Uebersiht der Wochenausweise der deutschen Zettelbanken von ult. Funi s{hließt mit fol- genden S Daten ab: Es betrug der gesammte Kassenbestand 645 947 000 6 oder 15 943 000 4 weniger als in der Vorwoche; der Wechselbestand in Höhe von 627 703 000 6 zeigt eine Abnahme um 54 615 000 6, wäh- rend die Lombardforderungen mit 85 157 000 6 einen Zu- wachs von 12 002 000 M erkennen lassen ; es beziffert sih ferner der Notenumlauf auf 863 011 000 4 oder 60 581 000 /6 mehr als in der Vorwoche, während die täglich fälligen Verbindlich: feiten mit 203 656 000 6 eine Abnahme um 7 475 000 und die an eine Kündigungsfrist gebundenen T 1 mit 55 870 000 A6 eine folhe um 818 000 /6 na weisen.

Der kommandirende General des XI1. Armee-Corps, General-der-Jnfanterie von Bofe,-welcher-fih nach Spanien begiebt, um den Trauerfeierlichkeiten bei Bestattung Jhrer Majestät der verstorbenen Königin von Spanien beizuwohnen, ist hier eingetroffen.

Der General der Jnfanterie von Dllech, Gouver- neur des hiesigen Jnvalidenhauses, hat sich mit Urlaub nah Arnstadt in Thüringen begeben.

Der General - Lieutenant von Bülow, Jnspecteur der 2. Feld-Artillerie-Fnspektion, ist von der nah Dresden, ur Jnspizirung des Königlich 1. Sähsishen Feld - Artillerie- Regiments Nr. 12, unternommenen Reise zurückgekehrt.

Bayern. München, 6. Juli. Der Abg. Dr, Fran- fenburger wird das Referat über den ilitäretat pro 1878/79 heute vollenden, so daß der Etat in den ersten Tagen der neuen Woche im Finanzausshuß der Kammer zur Berathung gelangen kann. Vorstand der ultramon- tanen Kammerfraktion, die statt 79 nunmehr 72 Mit- glieder zählt, ist, der „Allg. Ztg.“ e jeßt der Abg. Jörg ; der bisherige Fraktionsvorstand, Abg. Freytag, hat ih ent- S tig geweigert die Stelle wieder anzunehmen. Die aus der

raktion ausgetretenen 6 oder 7 Abgeordneten haben eine

neue Fraktion Lettios eine äußerste Rechte, und soll

dies den anderen Fraktionen offiziell mitgetheilt werden.

Sachsen. Dresden, 9. Juli. Durch das heuie ver- öffentlihte Finanzgesey für die Jahre 1878—1879 wird

ür B der beiden Jahre die Einnahme auf 62491 000 M, ie Ausgabe auf 62 431 417 M normirt. Für außcrordent- lihe Staatszwecke, als Eisenbahnankäufe, Bauten u. \. w., ist für beide Jahre 1878—1879 ein Gesammtbetrag von 24 068 469 M fesigesebt worden. Jm Jahre 1878 werden ur Deckung des Staatsaufwandes folgende Abgaben er- oben: 7,2 Z Grundsteuer von jeder Einheit, 3/4 des Jahresbetrages der Gewerbe- und Perfonalsteuer und endli 11 Simpla der Einkommensteuer. Jm nächsten Jahre werden die Staatsabgaben nach folgendem Modus erhoben werden: 4 - Grundsteuer von jeder Einheit (Ermäßigung 3,2 „F pro Einheit), die Einkommensteuer, erhöht durch 50prozentigen Zu- {lag eines ganzen Jahresbeitrages, und die neue Steuer vom Gewerbebetrieb im Umherziehen. Die Gewecrbe- und Personalsteuer fällt 1879 ganz hinweg. Außer den genannten: direkten Staatssteuern sind an indirekten während beider Jahre die Erbschasts-, Schlacht- und Stempelsteuer zu entrichten.

Sachsen - Weimar : Eisenach. Weimar, 10. Juli. (W. T. B.) Der zur Feier des Regierungs-Jubiläums des Großherzogs heute veranstaltete Festzug der Gewerb- treibenden umfaßte über 1000 Theilnehmer und gegen 50 Wagen und ist troß aller Ungunst der Witterung sehr glän- zend verlaufen. Der König von Sachsen kehrt kommende Nacht nah Dresden zurück, der König der Niederlande wird noch länger hier verweilen.

Großbritannien und Jrland. London, 9. Fl. Unter dem Titel „Türkei Nr. 36 (1878)“ veröffentlicht die Regierung den Schriftwehsel über die am 4. Juni I Großbritannien und der Türkei abge- chlossene Konvention. Außer der leßteren und einem Annex dazu enthält das Aktenstück 3 Depeschen, deren erste: von Lord Salisbury an Layard gerichkct ist und, nah der Ueberseßung der „Engl. Corr.“, folgenden Wortlaut hat:

[ _ vAuswärtiges Amt, 30. Mai 1878.

Sir! Der Fortschritt der vertraulihen Unterhandlungen, welche seit einiger Zeit zwishen Ihrer Majestät Regierung und der Regierung Rußlands stattgefunden haben, macht_ es wahrscheinli, daß diejenigen Artikel des Vertrages von San Stefano, welche die europäische Türkei betreffen, in hinreichender Weise werden abgeändert werden, um dieselben in Einklang mit den Interessen der übrigen europäischen Mächte und Englands insbesondere zu bringen.

Es ist jedoch feine folhe Aussiht mit Bezug auf denjenigen Theil des Vertrags vorhanden, der die asiatishe Türkei betrifft, Es ist hinreichend offenkundig, daß bezüglich Batums und der Festungen nördlich vom Araxes die rufsishe Regierung nicht bereit ist, von den Abmachungen zurückzutreten, denen die Pforte durch die. kriegerischen Ereignisse beizustimmen veranlaßt worden ist. Ihrer Majestät Re- gierung war deshalb gezwungen, die Wirkung in Betracht. zu ziehen, welche diese Abmachungen, falls sie weder annullirt werden, noch ihnen ein Gegengewicht geboten wird, auf die Zukunft der asiatischen Provinzen des osmanischen Reiches und die durch den Zustand jener Provinzen nahe berührten Inter-:\n Englands haben werden.

N Ihrer Majestät Regierung kann auf diese Veränderungen un- möglich mit Gleichgültigkeit hinblicken. Die asiatishe Türkei ent- hält Völkerschasten vieler verschiedener Stämme und Glaubens- bekenntnisse, die keine Fähigkeit zur Selbstregierung und keine Be- strebungen nach Unabhängigkeit besien, indessen ihre Nuhe und irgend welche Aussicht auf politishe Wohlfahrt, die sie haben mögen, einzig der Herrschaft des Sultans verdanken. Aker die Regierung des osmanischen Herrschergeshlechts ist die eines alten, jedoch noch immer fremden Eroberers und beruht mehr auf der vorhandenen Macht, als auf dec Sympathie gemeinsamer Nationalität. Die Niederlage, welche die türkishen Waffen erlitten haben, und die be- fannten Verlegenheiten der Régierung werden den allgemeinen Glauben an deren Verfall und die Erwartung baldiger politischer Veränderungen hervorbringen, was im Orient dem Bestande einer Regierung gefährliher ist, als wirkliche Unzufriedenheit. Wenn die Bevölkcrung Syriens, Kleinasiens und Mesopotamiens sieht, daß die Pforte keine andere Bürgschaft für die Fortdauer ihres Bestandes besißt, als ihre eigene Kraft, wird sie nach den Beweisen, welche neuere Greiznisse bezüglih der Gebrehchlichkeit dieses Ve:rlasses ge- liefert haben, auf den baldigen Fall der osmanischen Herrschaft zu rechnen und ihr Augenmerk auf deren Nawfolger zu richten be- ginnen.

Selbst wenn es gewiß wäre, daß Batum, Ardahan und Kars nicht die Basis werden, von der aus Sendlinge der Intrigue aus- gehen werden, denen in ungemessener Zeit Invasionsheere folgen, wird das bloße Behalten derselben Seitens Rußlands einen gewal- tigen Einfluß zur Auflösung des asiatischen Gebiets der Pforte aus- üben. Als ein Denkmal s{chwacher Vertheidigung auf der einen und erfolgreichen Angreifens auf der anderen Seite, werden. sie von der asiatishen Bevölkerung als Vorzeichen des Verlaufs der politischen Geschichte der nächsten Zukunft angesehen werden und die vereinte Os von Hoffnung und Furcht, S la @buraa für die Macht, welche im Steigen begriffen ist, und Abfall von derjenigen Macht erzwingen, von der geglaubt wird, daß sie im Verfall begriffen ift.

Ihrer Majestät Regierung ist es unmöglich, die Wirkung, die ein solchec Zustand der Gesinnungen auf Gegenden ausüben würde, derèn politische Verhältnifse die östlih:zn Interessen Großbritanni-ns tief berühren, hinzunehmea, ohne einen kräftigen Versuch (efffort) zu - deren Abwendung zu machen. Sie hat nicht vor, einen Versuch zur Erreichung dieses Zwecks dadurch zu machen, daß sie militärishe Maßregeln ergriffe, um die eroberten Bezirke in den Besiß der Pforte zurüczuverseßken. Solch ein Unternehmen würde mühsam und kostspielig sein, würde große Kalamitäten in sich schließen und für den Seitens Ihrer Majestät Regierung beabsichtig- ten Zweck nicht wirksam sein, wenn es nicht durch Vo: sihtsmaßregeln unterstüßt würde, die beinahe ebenso wirkungsreich ergriffen werden. können, ohne sich dem Elend eines vorherigen Krieges auszuseßen. Die einzige Vorkehrung, welche eine greifbare Bürgschaft für die Dauerhastigkeit der osmanischen Herrschaft in der asiatischen Türkei liefern und nah der Wiedereroberung der russischen Annexionen ebenso melUS sein würde, als sie es gegenwärtig ist, beruht in der Ver- flihtung einer zu deren Erfüllung hinreichend starken Macht, daß: rgend welche ferneren Uebergriffe Rußlands auf - türkishes Ge- biet in“ Asien mit Waffengewalt . werden gehindert werden. Wenn eine solche eung voll und rüdcthaltslos über- nommen wird, so wird sie dem Vorkommen des Umstandes, durch den sie in Wirksœtikeit verseßt werden würde, vorbeugen und gleich- zeitig den Völkerschaften der asiatishen Provinzen die erforderliche Zuversicht verleihen, daß die türkische Herrschaft in Usien nicht zu. einem s{leunigen Falle bestimmt ift. :

Es giebt jedo zwei Bedingungen, zu denen sih die Pforte ver- pflichten uzüßte, bevor England eine solche Zusicherung geben könnte.

Ihrer Majestät Regierung gab der Pforte gelegentlich der Kon- ferenz zu Konstantinopel zu verstehen, t sie nicht beceit sci, Miß- verwaltung und Unterdrückung gut zu heißen, und es wird, bevor sie in irgend eine Abmachung zur Vertheidigung der asiatish:.n Gebiets- theile der Pforte unter gewissen Vorkommnijsen einwilligen kann, er- forderlich sein, daß sie förmlich von der Absicht dec Pforte versichert werde, die nothwendigen Verbesserungen in der Regierung der rist lichen und sonstigen Unterthanen der S in jenen Gegenden ecin- zuführen. Es ist niht wünschenswerth, mehr als eine Verpflichtung in allgemeinen Äusdrücen zu verlangen; dean die einzelnen zu er- greifenden Maßregeln könnten nur nah einer sorgfältigeren Unter-

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suGung und Berathung, als ün‘er den gegenwärtigen Umständen möglich ist, bestimmt werden. : :

Es ift niht unmögli, daß eine forgliche Auswahl und eine vertrauensvolle Unterstüßung der cinzelnen Beamten , denen in jenen Gegenden Befugnisse anvertraut werden sollen, ein wih- tigeres Element für die Verbess-rang des Pa der Bevölkerung sein würde als selbst legislative eränderungen, aber die geforderte Zusicherung, England ein Recht zu geben, auf befriedigende Vorkehrungen zu diesem Zwecke zu bestehen, wird ein uner- läßlicher Theil irgend welher Abmachung \sein, dem Ihrer Majestät Regierung beistimmen könnt:. Es wird ferner, um íIhrer Majestät Regierung in den Stand zu seßen, die jeßt vorgeslagenen Ver- pflihtungen wirksam zu erfüllen, nothwendig sein, daß sie eine der Küste Kleinasiens und Syriens nahe gelegene Stellung einnehme. Das nahe Vorhandensein britisher Beamten und erforderlichen Falls britisher Truppen wird die beste Bürgschaft dafür bieten, daß alle Endzwecke dieser Abmachung werden erreiht werden. Die Insel Cypern erscheint ihr in jeder Hinsicht für diesen Zweck am geeig- netsten. Ihrer Majestät Regierung wünscht niht, den Sultan zu ersuchen, Gebiet aus seiner Souveränetät hinwegzugeben oder die Ein- fünfte, welche gegenwärtig in seinen Schaß fließen, zu vermindern. Sie will deshalb den Ner BRE MASED, daß, während die Verwaltung und Beseßung der Insel Ihrer Majestät übertragen werden foll, das Ge- biet dennoch forifahren soll, einen Theil des osmanischen Reiches zu bilden und daß der Uebershuß der Einnahme üb:r die Ausgabe, wie hoch er gegenwärtig auch sein mag, alljährlich von der britischen Regierung dem E des Sultans ausgezahlt werden soll.

Jnsofern die Gesammtheit dieses Vorschlages den Annexionen zu verdanken ist, die Rußland in der asiatishen Türkei gema%bt hat, sowie denjenigen Folgen, die, wie besürchtet wird, daraus herfließen werden, fo ist es vcllauf zu verstehen, daß, wenn die Ursache der Gefahr aufhören sollte, das vorbeugende Uebereinkommen zu gleicher Zeit aufhören würde. Wenn die russishe Regierung zu irgend einer Zeit der Pforte das von ihr in Asien durch den jüngsten Krieg er- worbene Gebiet zurückgeben sollte, werden die Stipulationen der vor- geschlagenen Abmachungen zu wirken aufhören, und die Jnsel wird fofort geräumt werden.

Ih ersuche deshalb Ew. Ercellenz, der Pforte vorzuschlagen, einer Konvention in folgender Weise beizustimmen, und ih habe Ihnen volle Autorität zu geben, dieselbe im Namen. der Königin und Ihrer Majestät Regierung abzuschließen:

„Wenn Batum, Ardahan, Kars oder irgend eins derselben von Rußland behalten wird und wenn zu irgend einer künftigen Zeit irgend ein Versuch von Seiten Rußlands gemacht werden wird, von irgend einem ferne:en Theil der asiatishen Gebietstheile des Sul- tans Besiß zu ergreifen, als durch den definitiven Friedensvertrag bestimmt wird, fo verpflichtet fich England, dem Sultan dur Vertheidigung derselben mit Waffengewalt beizuspringen.

Als Gegenleistung verspricht der Sultan England die erforder- lien Reformen (über welche beide Mächte sih später einigen werden) in der Verwaltung der christlichen und anderer Unterthanen der Pforte in diesen Gebieten, und um England zu befähigen, die nöthi- gen Vorkehrungen zur Ausführung seiner Verpflichtungen zu treffen, willigt der Sultan ferner ein, die Insel Cypern England zur Be- setzung und Verwaltung zu überlassen.

Fch bin 2c.

(gez.) Salisbury.“

Der einleitenden Depesche Lord Salisbury's folgt dann der Text des Uebereinkommens, dessen Artikel L. im Parlamente verlesen ward. Artikel 11. bestimmt , daß die Ratifikationen „innerhalb eines Monats, oder früher, wenn möglih“, ausgetausht werden sollen. Unterzeichnet ist das Schriftstück durch „A. H. Layard“ und „Savfet.“

Am 1. Zuli sendet Sir A. H. Layard von Therapia aus an den Marquis of Salisbury das Original-An nex zu der Konvention über die Uebertragung Cyperns und bemerkt in der Beischrift:

„Ew. Herrlichkeit werden ersehen, daß- ih die Aenderungen in Artikel IlI. und IV. gemäß den Instruktionen gemacht habe, um die Pforte zu verhindern, als Durchschnittseinkommen unter der dritten Klausel den Ertrag für das Land zu fordern, welches sie unter der vierten verkauft hat. Der Großvezier bestand darauf, in Artikel III. den Betrag des Uebershufsses des Einkommens über die Ausgabe auf- zuführen, aber es ift vorgesehen, daß die erwähnte Summe nah- träglich verifizirt ckverde. Der Artikel, welcher bestimmt, daß die Türkei im Fall der Räumung der Insel nicht aufgefordert werden darf, für Verbesserungen u. f|. w. zu zahlen, ward aus dem Annerx fortgelassen, auf die meinerseits dem Großvezier ertheilte Versicherung hin, daß Cw. Herrlihfeit einen revidirten Artikel in dem von Sr. Hoheit gewünschten Sinne, aber zu gleicher Zeit unter Berücksich- tigung dec von Ew. Herrlichkeit gemachten Einwände, entwerfen lassen werde“. i

Das Aktenstück {ließt dann mit dem „Annex zu der Uebereinkunft eines Defensiv-Bündnisses zwischen Großbritannien und der Türkei, unter- zeichnet 4. Juni 1878.“

„Es bleibt einverstanden zwischen den beiden hohen kontrahiren- den Parteien, daß England in die folgenden Bedingungen bezüglich seiner Beseßung und Verwaltung der Insel Cypern willigt:

__1)_ Daß ein muselmännischer religiöser Gerichtshof (Mehké- mér Shéri) in der Insel fortbestehen soll, der sich aus\hließlich mit religiösen A (und keinen anderen) bezüglich der muselnmännishen Bevölkerung der Insel befassen wird.

2) Daß ein muselmännischer Resident Seitens des Amtes der frommen Stiftungen in der Türkei (Evkraf) ernannt werde, um im Verein mit einem von den britishen Behörden ernannten Delegaten die Verwaltung des Eigenthums, der Fonds und Besißungen, die den Moscheen, Fricdhöfen, muselmännishen Schulen und anderen religiösen Einrichtungen in Cypern angehören, zu üb:rnehmen.

._3) Daß England der Pforte zahlen wird, was der gegen- wärtige Uebershuß des Einkommens über die Ausgaben in der Insel ist; dieser Ueberschuß ist nach dem Durchschnitt der leßten 5 Jahre zu bestimmen, angeblich 22 936 Beutel, was hiernah gebührend zu verifiziren ist, unter Aus\{luß des Ertrages aus den während dieser Zeit verpachteten oder verkauften Kronländereien. /

4) Daß die Hohe Pforte ungebunden Land und anderes Eigen- thum in Cypern, das der oëmanischen Krone oder dem Staate an- gehört (Arazii Miriyé Emlaki Houmayoun), deren Ertrag nit Theil des im Artikel Ill. erwähnten Einkommens bildet, verkaufen oder verpachten kann. :

9) Daß die englishe Regierung dur die zuständigen Behörden warme N a am Ba enen Preise ankaufen darf, welches zu öffentlihen Zwecken und Verbesserungen erforderlich ist, un Land, das nicht bebaut ist. y | S O

6) Daß, wenn Rußland der Türkei Kars ‘und die anderen Er- oberungen, welche es in Armenien während des leßten Krieges gemacht hat, zurückgiebt, die Insel Cypern dur England geräumt werden und die Uebereinkunft vom 4. Juni 1878 zu Ende sein wird.

Geschehen zu Konstantinopel, 1. Juli 1878.

gez. Layard. Savfet.“

. Türkei, Die „Politishe Correspondenz“ ver- öffentlicht folgende Meldungen: Aus Konistantinonet vom 10, Juli: Zwischen der Pforte und dem General Tot- leben finden Verhandlungen wegen des Abzuges der russishen Truppen aus San Stefano statt. Die Russen wollen San Stefano nicht eher verlassen, als bis die Schumla dominirenden Anhöhen und Varna uen ausge- liefert sind. Eine türkisch-russishe Kommission soll die Modalitäten für dieRäumung der türkischen Festungen in Bulgarien festseßen. Üeber den gleichzeitigen Rücßzug

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der russishen Truppen und der englishen Flotte von Konstantinopel wird hier nicht mehr verhandelt. Die Verhandlungen über die Ofkfkupation Bosniens haben noch nicht zu einer endgültigen Vereinbarung geführt. Die Lage der Flüchtlinge im Rhodopegebirge wird von englischen Konsularbeamten als eine sehr traurige

. geschildert. Aus Athen berichtet dieselbe Correspondenz

unter dem 10. Juli: Der Kampf auf Kreta ruht seit mehreren Tagen. Die englischen Kriegsschiffe, welche bisher an der dortigen Küste gekreuzt haben, sind nah Cypern abgegangen. Die Niederlegung der Waffen wird von den Kretensern, der Bemühungen des englischen Konsuls Sandwith ungeachtet, verweigert ; die Kretenser beharren nah wie vor auf der Vereinigung mit Griechenland.

Numänuien. Bukarest, 10. Juli. (Polit. Corresp.) Gestern verlas der Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Cogalniceanu, in einer geheimen Sißung der vereinig- ten Kammern die von den rumänischen Delegirten vor dem Kongresse abgegebenen Erklärungen. Der Minister-Präsident Bratiano erklärte, die Regierung könne sih erst aussprechen, wenn sie im Besitze des offiziellen Textes der Beschlüsse des Kongresses sei. Eine weitere Diskussion fand micht statt.

Nußland und Polen. St. Petersburg, 10. Juli. (W. T. B.) Das „Fournal de St. Pétersbourg“ jagt bei Besprehung der englisch-türkischen Konven- tion vom 4. Juni, betreffend die E obi Cyperns durch England, es sei zu hoffen, daß dieselbe das Friedens- werk des Kongresses niht durhkreuzen würde.

Statistische Nachrichten.

(Stat. Korr.) Zur Statistik der Gasanstalten im Deutschen Reiche. Dem bereitwilligen Enigge E eaen der betheiligten Unternehmungen verdankt die deutshe Gasindustrie eine so trefflihe von den HH. Dr. Schilling und Diehl verfaßte Statistik ihrer Anlagen und Jahresproduktion, wie sie nur wenig andere Ge- werbzweige aufweisen können. Zwar liegen darin nicht von allen, sondern nur von 481 deutshen Gasanstalten nähere Angaben vor ; die Zahl der fehlenden ist aber wohl größer als ihre Bedeutung, und auf diejenigen, welcher ausführlicher berihtet haben, fällt un- streitig der beträchtlichste Theil der Produktion, jedenfalls- aber ein so erheblicher, daß die planmäßige Ausbeutung und Ordnung der vorhandenen Mittheilungen eine werthvolle Ergänzung der allgemei- nen Industriestatistik in Ausficht stellt. Diese Arbeit ist daher im Königlichen statistishen Bureau unternommen worden; einige ihrer Ergebnisse theilen wir im Folgenden mit.

Unter den 481 Gasanstalten sind 220 städtishe und 261 private Unternchmungen; dem preußischen Staate gehören davon 277 (145 städtishe und 132 private) an. Die kleinere Zahl der ersteren hat aber den größeren Kreis von Personen zu bedienen; denn die Städte, deren Gasanstalten im Gemeindebesiz sind, zählen im Ganzen 5 757 633, die übrigen Ortschaften aber, wo der private oder gesell- \chaftlihe Betrieb auf diesèm Gebiete herrs{cht, 3 512 503 Einwohner, so daß eine städtishe Gasanstalt im Durchschnitt den Bedarf von 26 171 wenn Berlin ausgeschieden wird, von 22000 eine pri- vate den von 13 458 Personen zu befriedigen hat, und im Ganzen den hier berüsichtigten 481 Gasanstalten eine Bevölkerung von 9 270 136 Seelen entspricht. Aber nur ein verhältnißmäßig kleiner Theil davon Ba die Dienste - derselben für _ den häuslichen Bedarf. Es unterhalten nämli

Straßen- Privat- flammen

zusammen flammen 1744713

die städtischen Anstalten 1 831 134

86 421 die privaten Anstalten ; 51 250 1 048 235 1 099 485 | ; zusammen 137 671 2792 948 2930 619 so daß im Mittel auf 100 Einwohnern der mit Gasanstalten ver- sehenen Ortschaften 30,1 Privatflammen fallen.

__ Wird die Zahl der Flammen mit derjenigen der Anstalten ver- glichen, so zeigt sich auch hier, daß die städtishen Unternehmungen dursnittlich einen fast doppelt so großen Umfang besißen wie die privaten; denn im Mittel speist

Straßen- Privat- : . flammen flammen eine städtische Anstalt . 393 7930 8323 «Ee 100 4016 4212 _Selbstverständlich muß dasselbe Vechältniß auch in anderen Beziehungen sich kundgeben, und nur kleine Abweichungen treten in einzelnen Punkten, so bei dem Vergleiche der Jahresproduktion, zu Lage. In den größeren Städten ist der durbs{nittlihe Gasverbrauch einer Flamme stärker, als ia den kleineren Ortschaften, und es wird Gas jährlich dargestellt dur{schnittlih

in den im Ganzen auf 1 Anstalt auf 1 Flamme cbm cbm ctm

{tädtishen Anstalten 225 522 929 1 025 104 123,2 privaten s 108 064 330 414 040 98,3

L überhaupt 333 587 259 693 529 113,8. __ Wie im Umfange der Produktion, so erscheinen daun auch in der inneren Einrichtung die städtischen Gasanstalten vorzugsweise als Vertreter des Großbetriebs, und folgende Zahlen zeigen an einem Beispiele, wie die Anlagen bei ihnen in größerem Maßstabe aus- net i J vollständiger als bei den kleineren ausgenußt sind. Es nden si

überhaupt

in städtishen in privaten zu- Anstalten sammen 4 237

204 488 110 186

Oefen mit 1E, A 2 En E D 107 i R e RUO 283

E Es 2 OE 56 24 400 83

428 422 850 762 134 896

19 6 21

19 2 19 N Î 1 T

, zusammen . . 1772 1236 30098

Je größer aber die Anzahl von Retorten in einem Ofen ist, um so mehr verringert sich verhältnißmäßig die Grundfläche des Retorten- hauses, und um so vollkommener kann die Arbeitskraft des Be- dienungspersonals se hennpt werden. Zugleich aber zeigen sich hierin die Folgen des sehr bedeutsamen Fortschrittes, der neuerdings mit der Einführung der Stena, und der Generatoröfen gemacht wurde; unter den mannigfachen Vorzügen, die diesen nachzurühmen sind, steht neben der Ersparung von Brennmaterial und der Erzie- Tung einer PeiEmatigen Wärme auch der, daß in ein Ofengewölbe mehr Retorten als sonst gelegt werden können.

Die Vortheile, welhe nach den obigen Zahlen und dem eben Gesagten die städtishen Gaswerke als dur{schnittlih größere Be- triebe genießen, werden aber dadurch no erhöht, daß auch die Jahres- produktion, welche auf eine Retorte fällt, hier größer ift als in den übrigen Anstalten ; es betrug nämlich L

die jährliche Produktion

die Zahl auf 1 R etorte der Retorten N cte

11112 20 295 5 699 18 962

16 811 19 843

bi O 0 I O! Ha C5

4

in den städtischen Anstalten.

privaten

zusammen

i 4 V Em L E A Li E E E L L L L S S S O S e g I A E A I I I INE D I N I I I I I

Ob und in welher Weise diese Verhältnisse in de ZA Ergebnisse des Betriebes zum Ausdrucke e foam far m deven urn, da E e H REE niht über den Betrag des umlaufenden, sondern nur über die Höhe des Anl itals Mit- theilung maht. Dieses leßtere aber betrug pet toe

städti den adtisden privaten übtecr62: Gasanstalten MeIBSuE i.

M . 114 968 710 54 232 340 169 201 050

i 522585 207787 51 76: GUT MIRE E E S 10 346 9516 0A auf 1090 cbm Jahr-:sproduktion 510 502 507 Der Preis für 1000 cbm Gas hat hiernach in beiden Äcten von Anstalten ungefähr das gleiche Anlagekapital zu verzinsen. Das Er- geb1iß würde aber unstreitig ein anderes sein, wäre die Scheidung allein na der Ausdehnung, niht nah der Form der Unternehmung gemacht, und mit diesem Momente jenes nit blos zufällig und un- gefähr erfaßt. So wurde kürzlich von sahverständiger Seite und auf Grund derselben Quelle, die hier benußt ist, geshäßt, daß das Anlagekapital, welches ‘in großen Städten auf 1000 cbm jährliche Gasproduktion erforderlich ist, gegen das in kleinen Städten und bei kleinen Anstalten verwandte, si wie 100 zu 159 und 250 ver- hält. Für die Erklärung des hier festgestellten Verhältnisses kommt aber noch in Betracht ,_ daß die städtishen Gasanstalten, als die durhschnittlich größeren Betriebe, wohl vielfah durch die Herstellung felbst von kostspieligen Anlageu eine Erfpar- niß namentlich an Löhnen erzielt und allgemeiner dur stehendes Kapital das umlaufende erseßt haben. Ein endgültiges Urtheti über die Höhe des ersteren verlangt daher die Berücksichtigung auch des Betriebskapitals ; dieses aber ift, wie {hon gesagt, unbekannt, und nur für einen Theil desselben, das Rohmaterial, bietet sfi Anhalt zu einer Shäßung. Da man renen kann, daß aus einem Centner Steinkohlen im Mitt:[ 13 cbm Gas destillirt werden, fo folgt aus der oben angegebenen Zahl der jährli en Produktion, daß die hier berüdcsihtigten deutschen Gasanstalten 25,66 Millionen Centner Steinkohlen in einem Jahre verbrauchen, d. i. 3,42 9/4 der deutschen Steinkfohlenförderung, die in den leßten Jahren rund 750 Millionen Centner betrug. Der Bedarf ist aber niht auts{ließli%. obwohl ficherlih zum größten Theile, ron den deutschen Bergwerken gedeckt worden ; eng. ishe Steinkole wird noch in 94, böhmische in 22 Gas- anstalt.n verarbeitet, dagegen ve. wenden westfälishe Kohle 156, Saarkohle 102, s{lesische 95 und säcbsishe 71 Gaswerke. Die Masse des Verbrauchs ist für die einzelnen Sorten nit festzustellen ; nur Das steht fest, daß dieselben vielfach neben einander als Rohs- stoff De Ui iecibeitien f : ie hier mitgetheilten Angaben, zu deren Ergänzung noch ange- führt sei, daß die Gasbehälter im Ganzen Tie prt in 1289 635 cbm, die Leitungsröhren eine Länge von 62014 883 m haben, und die Zahl der Gasuhren auf 243 163 ansteigt, werden in großen Zügen gezeigt haben, daß die deutshe Gasindustrie, die zuerst im Jahre 1825 in Deutschland Eingang fand und anfangs auf frem- des Kapital sih ftüßte, gegeawärtig zu einem bedeutenden Gliede des vaterländischen Gewerbfleißes herangewachsen ist.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Nach dem Monatsbericht der Königlih preußifch{en Akademie der Wissenschaften zu Berlin e Mei 178 lasen in diesem Monat folgende Herren: Curtius, Ueber zwei Giebel- gruppen aus Tanagra. Boniß, Zur Erklärung von Platons Phaedon p. 62A. Vahlen, Ueber drei Elegien des Tibullus. Auwers, Beobachtung des Merkurédurchganges am 6. Mai 1878 auf dem Astrophysikalishen Observatorium zu Potsdam. Hellmann, Ueber die auf dem Atlantischen Ocean in der Höhe der Capverdischen Inseln häufig vorkommenden Staubfälle. Zeller, Mittheilungen über die von der Königlihen Akademie unternommene Ausgabe der griehischen Kommentare zu den ariftotelishen Schriften. Droysen, Ueber Oesterreih und Preußen 1746. Hagen, Ueber die Stellung bewegliher Planscheiben im strömenden Wasser. Vogel, H. W., Untersuchungen über Absorptionsspektra. Roth, Umwandlungen und Pseudomorphosen der Mineralien. Müllen- hoff, Zur geshichte des auslauts im altslowenischen.

Land- und Forstwirthschaft.

Ein bei einem Gutsbesißer in der Provinz Sachbsen beschäf- tigter Tandwirthscbaftliher Arbeiter, t C E auf einem Auge blind war, hatte bei der Dreshmaschine einen Un- fall erlitten, der die Amputation des rechten Arms zur Folge hatte. Obwohl der Arbeiter durch ein sehr unvorsichtiges Handeln mit dem Arm in die Nähe des Triebwerks gekommen war und somit selbst an seinem Unfa lle Schuld trug, so hatte doch andererseits der Gutsbesißer auch Schuld, weil er die durch das Amtsblatt bekannt gemachte Polizei-Verfügung der Regierung vom 5. April 1862 unbefclgt gelassen. Sie verordnet, daß freiliegende Räder der Dreshmaschinen mit einer Bekleidung von hinlänglich starken und gut zusammengefügten Brettern versehen sein sollen, Daran hatte es der Gutsbesizer bei seiner Maschine, dur deren auf der einen Außenseite liegende Räder die

and des Klägers beschädigt worden, fehlen lassen. Der Arbeiter canspruhte demzufolge vom Gutsbesißer cine dauernde Rente von wöchentlich 9 #, welche er angebli bisher regelmäßig verdient hat. Der Gutsbesißer verweigerte jedo, unter dem Hinweis auf das ge Versehen des Arbeiters, welches seinen Unfall zur Folge ge-

abt habe, jede Schadensersaßleistung. Das Appellationsgeriht zu Naumburg sprach dem Arbeiter eine wöchentliche Rente von 4 4 50 s, als den Durcschnittsverdienst eines weiblihen Tagelöhners, zu, weil er nach dem Urtheile Sachverständiger als taubstummer und halb- blinder Mann stets unter Aufsicht hätte arbeiten müssen und deb- halb niemals den vollcn Lohn eines männlichen Arbeiters hätte be- anfpruchen können. Die Beschwerden der Parteien wurden vom Ober-Tribunal, 1. Senat, durch Erkenntniß vom 14. Juni 1878 zurückgewiesen, indem es insbesondere gegen die Nich- tigkeitsbeschwerde des Gutsbesitzers motivirend ausfüßrte: „Für den dur Nichtbefolgung der olizeiverordnung entstandenen Schaden hat Beklagter gemäß S. 26, Thl. I. Tit. 6 d. L. R. ebenso zu haf- ten, als wenn er unmittelbar aus seiner Handlung erwahsen wäre. Von einer Mitschuld an seiner Beschädigung ist Kläger nicht frei, indem er, angeblich um herabgefallenen Klee aufzuheben, den Arm in den vorgedahten Zwischenrgum gesteckt und dadur den sich darin bewcgenden Rädern nahe gebracht hat. Für den jeßigen Anspruch kommt es auf dies eigene Versehen des Klägers nicht an. In dem Falle §. 26 wird jeder verursahte Schaden als ein unmittelbarer an- geschen. Von der Pflicht zum Ersaß eines solh:n befreit selbft ein Tonkurrirendes E Versehen des ‘eshâdigten nicht.“

Karlsruhe. (Allg. Ztg.) Der Deutsche Weinbau- Verein, dessen Mit liederzahl das erste Tausend bercits über ritten hat, um segensreich in das praktische Leben eingreifen zu können und der geheimen Weinfabrikation auf das energischste en gegrn in Ausführung der igs Kongreßbeschlüsse vom leßten Jahre eine Einrichtung getroffen, welche in den weitesten Kreisen mit großer Freude begrüßt werden. wird. Derselbe veröffent- liht von Zeit zu Zeit Listen derjenigen Mitglieder, welche sich beim Vereinsbureau als Verkäufer von Naturwein melden, in denselben ist bemerkt, ob die Weine en gros oder e! détail abgegeben oder bei irenden Kreisen zugänglih werden. Diese Listen follen

im Ganzen .… . durchs{chnittlich;: auf eine Anstalt. .

in konsumirenden Kreisen zu Tausenden verbreitet werden, um so Bes zuzsquellen kund zu geben, von denen Weine unter Garantie due deren Reinheit erhalten werden können. Durch die tehnishe Abtheilung des Vereinsbureaus ist Gelegenheit gegeben, alle von Vereinsmitglie- dern bezogenen und im Verdachte der Verfälschung stehenden Weine einer Untersuchung unterziehen zu lassen. Es dürfte sehr für die Reellität der Vereinsmitglieder sprechen, daß bis jeßt kein einziger von A bezogener Wein bei dem Bureau eingelaufen ist, weier si bei der Untersuchung als verfälscht erwies, und kein Kall bekanat