1923 / 107 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 09 May 1923 18:00:01 GMT) scan diff

Nun weiß ih, daß Stadishulrat Sickinger z. B. auf der Neichs- sulkonferenz für eine differenzierte Grundshule eingetreten ist, für die auch der Herr Abgeordnete Oelze eintritt. Ich weiß aber auch, daß nah Sickinger vielleicht 1 bis 2% unserer Schüler nur für die differenzierte Grund\sGule in Betracht konnen, d. h. die in der Lage wären, in drei Jahren die Grundschulzeit zu erledigen. Kerschensteiner schränkt noch weiter ein. Er sagt, daß es nur einer von 1000 jei, wie er in 25 jähriger Praxis feststellen konnte, der in der Lage wäre, in drei Jahren dasfelbe Pensum zu absolvieren, das andere in vier Jahren absolviert hätten.

Es liegt nun ein Antrag 62 vor, nah dem wir aufs neue mit der Reichsregierung in Verbindung. treten follen, daß es auch gestattet sein solle, in drei Jahren durch die Grundschule hindur{chzugehen, und daß wenigstens für 1924 Uebergangsmaßnahmen zu treffen seien. Falls dieser Antrag angenommen wird, werden wir natürlih in Ver- handlungen mit dem Reich eintreten. Wie diese Verhandlungen Taufen werden, vermag ih nicht zu sagen.

Ich bitte dringend, in der Frage der Grundschule jeßt, da sie #ch erst zu entwickeln und auszuwirken beginnt, etwas mehr Geduld zu zeigen und erst die Wirkung der Unterrichts8methoden der Grund- Mule abzuwarten. Ich habe im Ausschuß darauf hingewiefen, daß ein vierjähriger Kursus der Grundschule nah den neuen Nichilinien etwas ganz anderes ift, als die ersten vier Jahre der Volkéschule es gewesen find. Es sind bei allen diesen Fragen zurzeit rein theoretische Erwägungen, die hier dagegen vorgebraht werden. Sie hätten an- gestellt werden müssen, bevor das Grundschulgesez im Reichstag be- {lossen wurde. Auch auf der Reichs\{ulkonferenz find übrigens die Bedenken gegen eine vierjährige Dauer nur ganz s{hüchtern hervor- getreten. Kerschensteiner hat in seinem Bericht in der Reichs\hul=- Fonferenz festgestellt, daß auch im zweiten Ausf{uß Uebereinstimmung erzielt sei, daß auf einer vierjährigen Grundschule sich dann das weit- verzweigte System der anderen Schulen erheben foll. Meine Herren, ih habe keinen Zweifel darüber gelassen, daß ih dringend wünsche, daß die vierjährige Grundschule, als deren Verteidiger ih mih immer bekannt habe, \ich erst auswirke, ohne diese Auswirkung können wir zu einem endgültigen Urteil nicht kommen. (Sehr wahr.)

Meine Damen und Herren, auf dieser Grundshule, um dem Gedanken der Einheits\{hule weiter nahzugehen, erhebt sh dann, organisch mit der Grundshule zusammenhängend und aus ihr hervor- wasend, die Volksschule, die Mittelschule, das mannig- fache System der höheren Schulen, die Fachschulen und die Ho ch\chu len.

Zunächst ein Wort über die Volks\chule und über die M ittels{chule und die eng mit der Volksschule zusammenhängende Aufbausch{Gule. Meine Damen und. Herren, es ist Ihnen doch bekannt, daß am 15. Oktober 1922 der Erlaß herausgekommen ift, der die Richtlinien zur Aufstellung von Lehrplänen für die oberen Klassen der Volksschulen gegeben hat, Dieser Erlaß ist am 50. Jahrestag der „Allgemeinen Bestimmungen“ des Ministers Falk ershienen. Diese Allgemeinen Bestimmungen Falks, die eine weise, weitherzige Fassung hatten, waren bereits ein gewaltiger Fortschritt. Aber der große Vorteil, der sih aus den neuen Nichtlinien ergibt, der große Vorteil der weiteren Entwicklung von der einflaffigen Schule der NRegulative vom Jahre 1854 über die mehrklassige Schule Falks bis hinein in die Gegentvart, wo die acht- Ylassige Volksschule als die Regel hingestellt wird, muß jedem ein- leuchten. Wir danken der Lehrerschaft für die wertvolle pädagogifche Arbeit, die sie in Wort und Schrift im Laufe dieser 50 Jahre an der Weiterentwickelung der Allgemeinen Bestimmungen geleistet hat,

fo daß jeßt die Richtlinien die Krönung ihres eigenen pädagogischen |,

Werkes bedeuten. Wir haben das Vertrauen, daß die Aus- gestaltung der Lehrpläne, die auch in erfter Linie Sache der Lehrer fein wird, sih auch im Sinne einer gesunden Weiterentwicklung voll- ziehen wird.

Meine Damen und Herren, die Mittel schule is im Aus- {usse von den Nednern der Sozialdemokratishen Partei wenig freundlich behandelt worden. Ih habe dort erklärt und möchte es au hier wiederholen, daß die Mittelschule für die besonderen Be- rufe des Mittelstandes und des aufstrebenden Arbeiterftandes gerade durch ihre Abzielung auf - die praktisGhen Berufe abfolut notwendig ist, und daß die Mittelshule im System der Einheitsf{chule ihre be- fondere Bedeutung hat. (Sehr richtig! bei der D. Volksp.)

Wenn wir fo viel von einer differenzierièn Begabung fprechen, weshalb foll denn in den Jahren, wo die Verschiedenartigkeit der Begabung zum ersten Male klar in die Erscheinung tritt, Uniformität bestehen ? Das Problem der Psychologifierung“ der Schule, daß für jedes Kind die seiner Begabung entsprechende Schulart geschaffen werden muß, muß auch bei dieser Abzweigung von ver Bolksfchule bedacht werden.

Nun hat man darauf bingewiesen, daß die Mittelschulen durch Förderklassen erseßt werden sollten, die fich an die Volkéschule anschließen. Es ist bereits im Ausschusse mit Necht darauf hin- gewiesen worden, daß der Unterricht in der Mittels{ule viel breiter und tiefer angelegt werden muß, als er angelegt werden könnte, wenn zweijährige Förderklassen eingerichtet werden. Herr Abgeordneter Holtz hat den ¿wangéweisen Abbau der Mittelschulen, die er befeitigt wissen will, verlangt, aber er hat außer Acht gelassen, daß der Wille der Erziehungsberechtigten, der in der Verfaffung eine große Nolle fpielt, bier auch seine Auéswirkung haben muß. (Sehr richtig! bei der D. Vp.) Ja, Herr Abgeordneter König, diefer Wille der Erziehungs" berechtigten muß auch da anerkannt werden, wo er unbequem ift. Nun ift der Ausbau der Mittelschulen namentli hinfichtlich ihrer Beziehung zu technischen Schulen und mittleren Fachs{hulen gefordert worden, und es ist verlangt worden, daß das Ministerium Pläne und Richt- finien dafür herausgeben solle. Diese Frage wird in Angriff ge- nommen werden: es ift aber bier zweifellos keine Reform großen Stils nötig, und infolgedessen hat auch die Sorge um die Mittel- f{ulen etwas zurüdckgestellt werden können.

Wenn Herr Abgeordneter Hoff \sih soeben nach dem Schicksal des Diensteinkommengesezes für Mittelschul- Tebrer erfundigt hat, so kann ich erklären, daß dieses Geseß dem Staatsministerium inzwischen zugegangen ist.

Meine Damen und Herren, hinsichtlich der Aufbauschule Habe id im Ausschuß nähere Mitteilungen gemacht. Wir haben am 1. April des vergangenen Jahres 47 folcher Aufbauklassen ein- gerichtet, am 1. April dieses Jahres 23. Die Lehrpläne liegen jeßt vollständig vor. Aufbaushulen find nicht nur nach dem Typus der deutschen Oberschule, sondern au nach dem Typus der Oberrealshule errichtet. Wir Haben es hier mit einer sehr er- freulihen pädagogishen Neugestaltung zu tun. Die bisherigen Er-

gebuisse ermutigen zu freudiger Weiterarbeit. Hier haben wir einen sechsjährigen LÆhrgang einer hößeren Lehranstalt an Stelle des bis- herigen neunjährigen Lehrgangs; hier haben wir die Möglichkeit, die starken, unverbrauchten Kräfte aus der Volksschule zu fassen und in se{s Jahren zum Maturum, zur Universitätsreife zu führen. Ich hoffe, daß dieses „Experiment“ in vollem Umfange glücken wird. Meine Damen und Herren, wenn bei der Aufnahme in diese Aufbau- \{ule in diesen beiden Fahren hier und da kleine Mißgriffe vor- gekommen und Schüler aufgenommen worden find, die nicht ganz geeignet waren, so wollen wir uns dadurch nicht entmutigen laffen. Auch in anderen Schulen sind Schüler aufgenommen worden, die für die betreffende Gattung niht geeignet waren. Das find Kinder- franfbeiten, die au diese Shulen überwinden müssen. Sie wissen, daß Preußen sich dem Typus B der Aufbauschule mit zwei fremden Sprachen angeschlofsen hat, niht dem Typus A, mit einer fremden Sprache, wie er in Sachsen eingeführt ist. Auf besondere Frage erkläre ih, daß die Hochschulen Preußens nicht in der Lage find, die jenigen, die das Maturum nach dem Typus A ablegen, als voll- berechtigte Studenten zu immaitrifkulieren.

Es ist die Forderung nach stärkster Ausgestaltkung der Aufbau- \{Gule erhoben worden. Dieser Forderung komme ih entgegen, wie Sie aus der Denkschrift des vergangenen Jahres und auch aus dem Buche, das der Oberstudiendirektor Nichert vorgelegt hak, und das auch dem Auss{husse zugängig gemaht worden is, ersehen können. Es sind im größeren Umfang Versuche, vorwiegend auf dem platten Lande, unternommen worden, aber wir haben auch einige Städte nicht ausgenommen; denn zur vollsten Erprobung müssen auch in Städten einige Versuche gemacht werden. Wenn fpäter wirklichß einmal eine neunjährige Lehranstalt einer folWen fehsjährigen Aufbaushule zum Opfer fallen sollte, so braucht man ihr keine Träne nahzuweinen ; denn dann hat sich erwiesen, daß die sechsjährige Lehranstalt fich an dieser Stelle besser bewährt hat, als die neunjährige Lehranstalt. Um Mißverständnisse ein für allemal auszuschließen, erkläre ih noch ein- mal, daß die Aufbaus{ule nicht etwa ein verkapptes Lehrerfeminar sein foll. Die Aufbauschule trägt einstweilen noch den Namen „Auf- bauklassen", weil die Schule noch in der Entwicklung ist, fie wird aber bereits bei der Abteilung U IL für höheres Schulwesen im Ministerium bearbeitet. :

Nun noch ein Wort über das System der höheren Schulen, das \sich auf der Grundshule aufbaut. Neben dem Gymnasium, demNealgymnasium und der Dberreal- \chule haben wir seit dem 1. April vergangenen Jahres die Deutsche ObersGule und seit dem 1. März d. J. das neue Oberlyzeum für die weiblichße Jugend. Alle diefe Anstalten sind neunjährig gedacht. Wir leiden in unseren höheren Schulen darauf hat der Herr Abg. König mit Recht hingewtefen an einer Ueberfüllung des Stoffes. Eine Verminderung der Stundenzahl wird angeftrebt. Jh hoffe, daß wir die Unterftüzung dieses hohen Haufes hierbei finden werden, wenn wir an die wichtige Aufgabe der Entlastung von der Ueberfülle des Stoffes herantreten werden. Wenn der Antrag, den der Ausf{chuß angenommen hat, noch etwas modifiziert werden könnte, wäre ih sehr dankbar. Es ist natitrlih nicht denkbar, die Lehrpläne der höheren Schulen etwa auf 30 Stunden wöchentlich herabzumindern, ohne daß das Folgen für die Gefamtzahl des Lehrkörpers hätte. Aber ist diefe Reform für die geistige und körperlihe Gefundheit unferer Jugend nötig, dann können wir uns ihr niht entziehen. Aber auch hier darf nichts überftürzt

werden. Es ist übrigens bemerkenswert, daß auch im vergangenen Jahre

das Streben der Bevölkerung recht stark nah dem Neformtypus unserer höheren Lehranstalten gegangen if. Für den Gedanken der Einheitsschule ift der bei den Neformschulen bestehende, auf der Grundschule sich aufbauende dreiklasfige Mittelbau Sexta, Quinta, Quarta mit nur einer fremden Sprache von außerordent- lichem Wert. Die - Differenzierung der Begabung läßt fich nach einem siebenjährigen Schukbefsuh besser und ficherer erkennen als nach einem vierjährigen Schuklbesul. Ich kann viel eher sagen, ob

ein Kind nah fiebenjährigem Schulbesucß, also im Alter von etwa |

13 Fahren, geeignet ist, in den Gymnasialzweig überführt zu werden, als fich die Entf{eidung bei einem zehnjährigen Jungen treffen läßt. Die differenzierte Begabung tritt erst nach dem zehuten oder elften Lebensjahre erkennbar ein. Dann if es möglich, in engstec Zu- fammenarbeit zwischen Elterns(aft und Lehrerschaft zwar nicht mit völliger Sicherheit, aber doch mit einer gewissen Sicherheit einen Schüler einer Schule zuzuführen, die für ihn die richtige sein wird. Vom Gesichtspunkt der EGinheits\chule begrüße ih besonders diesen Mittelban und fehe in ihm eine starke Konfolidierung der Einheits-

\chule. Daß daneben das alte bhumanistische Gymnafium

erhalten bleiben foll, ift wiederholt erklärt worden. Wir haben |

vielleiht zu viele der alten humanistischen Lehranstalten, und ih möchte hier wiederholen, was ich im Hauptauss{Guß gesagt habe : Nicht die Zahk der humaniftischen Lehranstalten bürgt für eine gute humaniftisGe Ausbildung, sondern die. Tiefe des Unterrichts. Veber die Einzelheiten wird beim Etat für die höheren Schulen zu \sprechen fein.

Meine Danien und Herren, was hier foeben vor Ihnen ent- widelt worden ift, ift nur der äußere Nahmen, gewissermaßen die Organisation der Einheits\chule. Aber das ift felbst- verständlih niht die Hauptsache, und ih gebe da dem Herrn Ab- geordneten Dr. Steffens, der gestern über diese Dinge sprach, voll- fommen recht. Es kommt darauf an, welher Geist und welche Kraft fi in dieser Einheits\{ule von der Grundschule bis zur Hochschule aus- wirken. Geben wir es offen zu: Es sind nit alle Träume in Erfüllung gegangen. Der Gedanke, daß die Einheitss{hule vermöchte, die religiösen und konfessionellen Gegensäße zu überbrüden, ist gescheitert an den unfer deutfches Volk beherrshenden Realitäten. Es ist un- denkbar, daß eine Schule eine Aufgabe übernimmt, die ein Volk in einer vielhunderljährigen Entwicklung niht zu löfen vermocht hat. Wenn man s{chon in Weimar die Einheiiss{hule in diefem Sinne nicht hat durchseßen können, so werden die s{hulpolitischen Kämpfe der leßten Zeit jedem einzelnen die abfolute Gewißheit gegeben haben, daß jeder Versu des Staats, hier irgendwie Zwang aus- zuüben, einen Kulturkampf, einen geistigen Bürgerkrieg bei uns ent- fachen würde. Im Neiche arbeitet man augenblicklich an dem Neichs\chulgefeh. Ih glaube, wir können uns einer Kritik enthalten, weil wix noch nicht schen, was kommen wird. Die Hoffnung aher, daß wir das Neichss{hulgesey bald unter Dach und Fach bekommen werden, möchte ih auch von diefer Stelle aus aus- fprechen. Wir werden in Zukunft konfesfionelle, fimultane und welt- lie Schulen haben. Hier ist der Gedanke der Einheitss{hule durch

S

die Entwicklung der leßten Jahre zweifellos beeinträhtigt wor die Glieder eines Volkes zu einer großen Ginheit zufammenzufs* Aber trog dieser Trennung muß der Staat darüber wachen, daß konfessionellen und Weltanfchauungsf{chulen von der Ueberzey alle durchdrungen find, daß wir neben allem Trennenden do große fac nationale Bildungsgüter besitzen, die überall in gleiher Weise gevîle werden müssen, und daß das, was uns bindet und das ift unend gt viel mehr als das, was uns trennt in diefen Schulen getrieben und zur vollen Entwicklung gebracht wird.

In diesem Zusammenhang noh ein Wort über die Sammel, Flaffen, die uns bei den Verhandlungen f{on lebhaft beschäftigt haben. Es liegt hier auch die große Anfrage der Herren Abgeord neten Dr. Porsch und Genossen vor, deren Beantwortung mix beute obliegt. Ich habe mich schon im Aus\huß eingehend über die Fragt geäußert, ih halte es aber bei der Wichtigkeit dieser Sade fi meine Pflicht, auch hier im Plenum den Standpunkt des Mink: steriums noch einmal klarzulegen. Es ift richtig, ih habe als ordneter -die Einrichtung der weltlichen Schule bekämpft, und de Herr Abg. Oelze hatte die Freundlichkeit, mir die Rede, die ih hierüber gehalten habe, noch einmal zu Gemüte zu führen. Ale nachdem seinerzeit die Genehmigung zur Einrichtung von Sammel, klafsen erteilt war und ich muß hinzufügen, daß fie im Einven nehmen mit dem Herrn Reichsminister des Junern erteilt worden war, der erklärt hat, daß fie nicht der Reichsverfassung widerspree, daß sie eine Notlösung, eine Uebergangsmaßnahme fei —, konnte fie, einmal eingeführt, au an anderen Drten unter gleichen Verhzlz nissen nicht verboten werden. Das war die Situation, die ch bei meinem Amtsantritt vorfand. Das wird jeder verstehen. Ich habe auch das Zutrauen, daß der Herr Abg. Del wenn er nichi auf der Tribüne dieses Haufes steht, einsehen wird, daß, nachdem einmal die Erlaubnis erteilt war, unter ganz gleichen Veri hältnissen eine Ablehnung der Erlaubnis an anderen Orten volli fommen ausgeschlossen ist. Weiter aber bitte ih do alle diejenigen, die jet diefe Einrichtung bekämpfen, nicht zu vergessen, daß der erste Anstoß zur Begründung dieser Klassen niht von den Freunden der sogenannten weltlidhen Schule, sondern von den Anhängern der kon- fessionellen Schule ausgegangen ist, und daß der erste Streit dadur entitanden ist, daß Kinder an konfessionellen Schulen felbst in new tralen Fächern nicht von Lehrern unterrichtet werden follten, die, das Necht der Reichsverfassung für fih in Anspruch nehmeud, aus der Kirche ausgetreten waren. Hier wurde dur Streik die Einrichtung von Sammelklassen erzwungen.

Nein rechtlich {steht es fo: Wir haben zweifellos einen Wider pru in unferer Reichsverfaffung. Artikel 149 Abf. 2 und 148 Abs. 2, wonach jeder religiös mündige Se{büler oder der Vater für ihn die Befreiung vom Religions unterriht von der Schule erbitten kann und wonach jeder Lehrer die Befreiung vom Religionsunterricht für fich in Anspruch nehmen Îann, Dann haben wir den Artikel 148 Abs. 2, nach dem der gesamte Unterricht auf die Ueberzeugung Andersdeukeuder Rücksicht zu nehmen hat. Daneben steht der Artikel 174: „Bis zum Erlaß des Reichs» \{ulgesetzes bleibt es bei der bestehenden Nechtsklage.“ Hier ift in der Tat ein Widerspruch. Er kann nur durch das Reichsfchulgeseß oder, wenn es das noch nicht können follte, durch ein Notgesey gelöst werden. Es müssen endlih diese Sammelklassen auf einer rechtliden Basis aufgebaut werden.

Es ift iîn dem Zusammenhang von dem Herrn Abg. Velze auf Magdeburg hingewiesen worden. Demgegenüber muß ich ertlären: Der Evangelise Elternbund in Magdeburg hat ausdrülih ulndlih und \{riftlich bekundet, daß er mit der getroffenen Löfung einven standen fei. Es ist allerdings ein Protest von einen! Männerverein eingelaufen, von dem wir aber nit wissen, was das für ein Vereint is, Dex Protest ist der Megierung in Magdeburg zugesandt worden. Die Regierung in Magdeburg hat uns verfichert, daß die glatie Durchführung der Umschulung {nell vollzogen sein würde

Ueber den von dem Herrn Abg. Oelze erwähnten Fall in Hans nover haben wir Bericht eingefordert.

Die Noilöfung der Sammelklafsen, die damals getroffen worden ist, hat zweifellos viele nit befriedigt. Sie hat do aber auch ihr Gutes gehabt. Gerade die Frennte der konfessionellen Schule haben mir wiederholt erklärt, diefe friedlih-siedltihe Löfung werde von ihnen begrüßt, sie feien durchaus damit einverstanden, daß die Kinder, die am Religionsunterriht nit teilnehmen wollen, in gesonderten Klassen unterrichtet würden; denn nun hätten fie die Garant!e, daß ibre Kinder den Religions- und den Gefamktunkerriht an der kon- fesfionellen Schule nah den Plänen der konfessionellen Schule et hielten, ohne daß ihnen der Artikel 148 Abs. 2 unerträgliche _Henv mungen brächte. Dieser Artikel 148 Abf. 2 verlangt die Rücksicht auf die Ueberzeugung Andersdenkender im Unterricht. /

Aber es muß unter allen Umftänden verlangt werden ih habe das au wiederholt erklärt —, daß die Arbeit der konfessionellen Squle von den Gegnern der konfessionellen Schule in keiner Weise beunruhigt wird. (Sehr richtig! rechts.) Es ift unhaltbar, daß sich Eltern, die selbst aus der Kirche ausgetreten sind, 2 Kinder au nicht religiöss erziehen lassen wollen, nun 1 die Verleyung der Gefühle Andersdenkender nah Artikel ; Abs. 2 beklagen, wenn etwa in konfessionellen Schulen im Gefchichts- und deutschen Unterricht religiöse Stoffe heranga werden. Das würde eine Sabotierung der konfesfionellen Sh? bedeuten, die unter keinen Umständen durchgeführt werden a Dann müssen eben diefe Eltern so viel Einsicht besigen, ihre D au iín den „Sammelklassen® zusammenzufassen, die nah ihrer A auifassung die einzig richtigen find. (Abg. König ormitta Sie sollen ja nit zugelassen werden!) Sie werden ja gela (Abg. König [Swinemünde]: Unter großen Schwierigkeiten) Pa muß selbstverftändlich gründlich untersucht werden, daß fixe J | nacteiligung in der einen oder anderen Richtung eintritt, t stürzte Einrichtung erfolgt und die Garantie gegeben ift, daß e des Abg. König [Swinemünde]) rein tehnisch die Durchfü pu fo gesichert ist, daß der Unterricht ohne Benachteiligung d oder anderen Seite durchgeführt werden kann. „ändiol des Abg. König [Swinemünde]: Sie bremsen ja bes ut Qu Ich glaube, daß es ganz gut ist, daß ih da bremse. Her seine Lauscher hat mit großem Nachdruck darauf hingewiefen, m utide Freunde diese Schule unter allen Umständen ablehnen. Die N Volképartei hat fie ebenfalls abgelehnt. Sehen wir uns L les die Haltung der Kcalitionsparteien in dieser Frage an, Herr G

König. JIunerha!b der Koalitionsparteien bestehen starke Different

; an in bezug auf diese Frage. Ich glaube, bei starken Differenzen tut m

(Fortseßung in der Zweiten Beilage.)

Einmal haben wir die f

Zweite Beilage

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um Deutschen ReichSanzeiger und Preußischen Staatsanzeiger

Nr. 107. |

(Fortseßung aus der Ersten Beilage.)

immer gut, wenn man etwas bremst und nicht kopfüber in die Differenzen hincinfpringt. Es wird hier keine Seite benateiligt. (Zuruf.) Bir suchen mit absoluter Gerechtigkeit auß denjenigen entgegen- kommen, die in diefen Sammelklassen gesammelt werden sollen. Ich ir: Nun habe man aber au die Freundlichkeit und siöre nicht den Unterricht in der konfessionellen Schule dadur, daß man erklärt, , Kinder würden durch die Stoffe, die dort vorgetragen werden, in ihren Gefühlen beunruhigt. Wenn die Kinder in der konfessionellen Edule das Lied „Stille Nacht, heilige Nacht" fingen sollen und die Eltern nachher erklären, dadurch werden die Gefühle ihrer Kinder ver- lezt, dann ist das unhalibar, dann wird der Unterricht in der kon-

fessionellen Schule sabotiert. Die zweite Gefahr, die entstanden ist, ist die, daß Lehrer, die sich

M igt entschließen können, Unterricht im Sinne konfessioneller Er-

ziehung zu erteilen, durch ihre Einstellung in alleu diefen Fragen etwa dea Charakter der konfessionellen Schule in Frage stellen.

Wenn s{ließlih Sammelklassen den Antrag stellen, wieder Religionsunterriht einzuführen, und wenn von den Interessenten für diese Sammelklassen darauf hingewiesen wird: Ihr könnt ruhig zu uns kommen, es wird au in unseren Klassen Religionsunterricht er- teilt, so habe ich den Eindruck, daß diese Bestrebungen in der Tat

¿was an unlauteren Wettbewerb erinnern. (Sehr rihtig) Wenn -

uter Berufung auf die Gewissensfreiheit gesagt wird: Wir wünschen

idt, daß unsere Kinder fonfessionell unterwiesen werden, und wenn -

von diesem Gesichtspunkt aus verlangt wird, daß sie darum in Eammelshulen zusammengefaßt werden, meine Damen und Herren, dann verstehe ih es nit, daß nun Religionsunterriht wieder in diefe Eulen hineinkommen foll. (Abg. König [Swinemünde]: Es wird unterrihtet obne Tonfesfionele Bindung !)

Meine Damen und Herren, die Hoffnungen, die immer wieder geäußert werden, daß es doGß noch bei uns gelingen möchte, die Ein- heitsshule als ein großes System von weltlichen Schulen durchzu- führen, werden, glaube ich, zerschellen an dem Willen der Erziehungs- serechtigten. Das ist eine Utopie. Die deutsche Bevölkerung wird s darauf nit einlassen.

Meine Damen und Herren, ih glaube, daß damit die erste Frage, die in der Großen Anfrage Nr. 22 des Herrn Abg. Dr. Porsch gestellt ist, beantwortet ist.

Herr Abg. Dr. Porsch und die Zentrumsfraktion fragen weiter:

Wie begründet das Staatsministerium die zwangsweise Ent- sendung von V olks8s\chullehrkräften, die auf dem Boden der Bekenntnis\{hule \tehen, an derartige Schulen ?*

Sh habe darauf zu erwidern, daß bisher nur dann Lehrer an solche Eulen und Sammelflafssen gesandt worden find, wenn sie sich freiz villig zum Untercicht an diesen Schuken erboten haben. Dann wird weiter gefragt: i |

„Und wie gedenkt es, fi diesen Lehrkcäften gegenüber zu ver- halten, wenn sie aus grundsäßlihen Bedenken die Täligkeit an nihtlonfessionellen S(ulen ablehnen ?“

Demgegenüber erwidere id, daß wir die Lehrer immer in diesen Fâllen geschüßt haben, daß eine Beeinträchtigung ihrer Rechte nicht tingetreten ist.

Die dritte Frage, die in der Großen Anfrage des Herrn Abg. Dr. Porsch an mich gerichtet wird, lautet:

„Wie gedenkt das Staatsministerium dafür Sorge zu tragen, daß dem dur die Verfassung als oberstes ErziehungsprinziÞp vor- gesehenen Willen der Eltern bei der Beshulung ihrer Kinder au in der Auswahl der Schulauffichtsbeamten Rechnung getragen wird 2"

Da verweise ih auf einen Antrag Por, der weiter zurückreiht, und iber die Berücksichtigung der konfessionellen Verhältnisse in den be- lrefenden Kreisen \pricht. Die Berücksichtigung dieses Antrags ist bon mir wiederholt erklärt worden. :

Shlicßlich die vierté Frage in der Großen Anfrage des Herrn Abg. Porsch:

«Was gedenkt das Staatsministerium endlich zu tun, damit pádagogishe Grundsäge unter allen Umständen gewahrt bleiben, «uf deren Beobachtung in Unterriht und Erziehung die veiteslen Kreise der christlihgesinnten Eltern- und Lehrerschaft den größten Wert legen 2“

Diese Frage kanu ih dahin beantworten, daß für die Durchführung dieser Grundsähe die Regierungen und die Kreisshulräte in vollstem jonge eintreten.

Meine Damen und Herren, i kehre nach diefem Exkurs zu dem uüd, was ih soeben sagte: Nicht die Organisation ist die Haupt- de, sondern der Geist, der in der Schule lebt, macht das Wesen al Einbeitssule aus. In ersier Linie wird es immer und unter d Ünständen Sage der Persönlichkeit der Lehrer ‘n. Wir müssen von dem Dogma der Unfehlbarkeit amtlich ab- lestempeiter Noten und Zeugnisse freiklommen. Die Lehrer- venliHfeit als solGe muß in erster Linie für die Unterrichts- nit altung auss{laggebend sein; lebendige Lehrerpersönlihkeiten, die Ry e Hingabe der Jugend und der Schule dienen, sind S Größter Wert ist natürlich auf die Frage der Vor - bin ung der Lehrer zu legen. Ich habe im Ausschuß darauf N Ie, daß das nicht nur eine Frage der Vorbildung der i a gulledver, fondern auch der Lehrer an den höheren Lehranstalten bildu le Maßnahmen müssen unter dem Gesichtspunkt der Aus- Gr "0 wahrhafter Erzieherpersönlichkeiten getroffen werden auf der

indlage einer abgeschlossenen Bildung und dann einer vollendeten Wausbildung,

j Vei der Auswahl dex Lehrer muß das Prinzip der 3 nun g viel stärker betont werden, als es bisher der Fall war, Ga ih bei unserer Jugend nicht um Sachwerte, sondern um h ift H und das verhängnisvollste Wort, das da geäußert worden it deo, Wort, daß es nur nah der Anciennität gehen solle, das uG E nur der, „der eben dran ist*, in die betreffende Stelle hinein- mal, verden solle. Die Anciennität hat immer nah Zeiten der Tung eine große Rolle gespielt. Es ist nit mögli, daß wir

Berlin, Mittwoch, den 9. Maî

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die Konrektoren nur nach der Anciennität ernennen; es is nit mögli, daß wir die Oberstudienräte nur nach der Anciennität be- rufen und daß wir die Studienassessoren nur nach der Anciennität in unsere Schulen hineinbringen. Bei der Frage des Numerus clausus, der augenblicklich in einem Unteraus\{uß dieses hohen Hauses zur Beratung steht, spielt der Gedanke der Auswahl die größte Nolle, und ih hoffe, daß der Unteraus\Guß mich bei der Lösung dieser \{wierigen Frage unterstügzen wird. Wir wollen nit vergessen, daß die Gegenwart die allergrößten Forderungen an die Lehrer- schaft stellt. Der. Krieg und feine Folgen wirken fich heute bei unserer Jugend in geradezu entseßzlicher Weise aus. Die Iugend ist in weitesten Schichten körperlich, seelisch und geistig in ihrer Gesund- beit bedroht. Das Elternhaus ist vielfachß nicht mehr das alte. Es ist fo, daß plößliher Uebergang von Neichtum zur Armut gleich ge- fährlih is dem Uebergang von der Armut zum Neichtum. Durch beides sind viele Familien als zerrüttet anzusehen, und so leidet unsere Jugend in größtem Umfange an einer beklagenswerten Gefühlsver- wirrung. Vielfach handelt es #ch um den Zusammenbruh früher gesicherter Jdeale, und das vielfach mutroillige Preisgeben von religiösen Werten wirkt \sich auch verhängnisvoll bei unserer Jugend aus. (Sehr wahr! D. V.-P. und Zentr. Zurufe bei der Ver. Soz.-Dem. P.) Ih mache doch nlemanden von Ihnen vexantwortlich. Es gibt viele Jugendliche, die heute die religiösen Werte in viel größerem Umfange wegwerfen, als es früher der Fall war. (Erneute Zurufe bei der Ver. Soz.-Dem. P.) Herr Kollege Kleinspehn, darüber unterhalten wir uns einmal perssnlih.

Eine Verwirrung, die wir häufig beobaŒten und von der, wenn ih nit irre, soeben auch Herr Kollege Hoff sprach, ist die betrübliche Verwirrung auf dem Gebiete von Mein und Dein. Es is wirklich beklagenswert, daß sich fogar die Jugend inSpekulationen und Sqhiebergeshäften ergeht. JIch weise allerdings darauf hin, daß auch die Umwelt hier sehr verhängnisvoll wirkt. Es gibt Kinder, die zu Hause oder im Kreise der Bekannten und Ver- wandten von nichts anderem als von Spekulationen und Schieber- geshäften sprechen hören. (Sehr wahr!) Hier erwächst eine neue ungeheure Aufgabe der Schule. (Zuruf b. d. Ver. soz.-dem. Partei.) Viele unserer Jugendlichen lassen fich willenkos treiben. Bei anderen finden wir ein tiefes Grübeln über politisGe Gedanken, dur die sie glauben, aus dem Elend berauskommen zu können.

Die Schule darf unter keinen Umsiänden nur die Vermittlerin von Wissen und Können sein, sondern sie muß eine Erziehungsschule im wahrsten Sinne des Wortes sein. Unsere Knaben und Mädchen sollen zu Willenspersönlichkeiten erzogen werden, Wir müssen von der Autorität zur Freiheit vordringen, und wem es nicht gelingt, das große Problem zu lösen, den Uebergang von der Autorität zur Freiheit bei den Jugendlichen zu erreichen, ver kann keinen Anspruch darauf erheben, ein wirklicher Erzieher der Jugend zu sein. Wer nur Wissen vermittelt, páßt in die Schule nicht binein, er taugt zum wahren Lehrer nicht.

Daneben aber wellen wir niht verkennen ich bitte, auß dem Shre Aufmerksamkeit zuwenden zu wollen —, daß bei einer ganzen Neihe von Jugendlichen große, starke, neue Forderungen für ihr persönliches Leben gerade in den leßten Jahren machtvoll empor- gestiegen sind. Unsere Jugend verlangt heute ein ganz anders ge- artetes Erzieher- und Lehrerges{le{t, als wir es vielleiht in unserer Fugend gehabt haben. Die moderne Jugendbewegung nach der Revolution hat fo stark ausgeprägte Formen bekommen, daß Fein Lehrer und kein Erzieher an dieser modernea Jugendbewegung vor- übergehen kann. Jn allen Schichten unseres Volkes ringt man bei unserer Jugend um neue Ideale. Unsere Lehrershaft sollte für diese neue starke, große Jugendbewewegung Verständnis haben ; vor allem sollten die Verständnis dafür haben, die sie jeßt so leiht in Bausch und Bogen verurteilen. (Sehr richtig ! bei der Deutschen Volkspartei.) Unsere SFugend verlangt in anderem Umfange als früher nach Beratern und Führern. Das sollte sich unsere Volksf{ullehrerschaft wie unsere Oberlehrerschaft gesagt sein lassen. Sonst könnte es au von diesen Lehrern und Erziehern einmal heißen, daß sie die große Frage der Zeit nicht verstanden haben und daß \{ließlich die Jugend an ihnen vorübergegangen |st.

Wenn ih mit cinem kurzen Wort auf die Einheitsschule zurückommen darf, so muß mit starker Betonung gesagt werden, daß auch die Hoch#\ckch ule in das große, weitverzweigte System unserer Einheitsschule eingeordnet werden muß. Ich denke nicht etwa daran, daß unsere höheren Schulen ledigli die Vorschulen unserer Universitäten sein sollten. Das is ein Fehler, der im vergangenen SFahrhundert stark ausgeprägt war. Die Hauptsache ift, daß die Howschulbildung von den gleichen Bildungsidealen geformt wird wie die Bildung auf den anderen Schulen, daß das, was die anderen Schulen bereits an Bildungsgütern besißen, auf der Hochschule in der Tiefe erfaßt, ergründet und erarbeitet werden muß, daß zwischen Hochschule und böheren Shulen die Wechselwirkung besteht, die beide Teile, Hochshule und höhere Schule, fruchtbar gestaltet. Hier liegt eine Reihe von Reformgedanken vor; sie sind im Fluß. Ich hoffe, daß uns die Reform unseres gesamten Hohs{ulwesens au in dieser Hinsicht ein gutes Stück weitersühren wird, Nur dann, wenn alle Lebrer, die Volksschullehrer, die Lehrer der höheren Schulen und der Universitäten, sich bewußt bleiben, daß sie im Dienste der gleichen Bildungsideale an der deutschen Jugend arbeiten, einer wie der andere gleihmäßig verantwortlih vor der Nation, wird es uns gelingen, die Nisse zu überbrücken, die die Einheit unseres Volkes zur Stunde leider noch auf das gefährli{ste zerklüften. (Sehr richtig! bei der D. Vp.)

Fh wiederhole: das Ziel unserer ganzen Erziehungsarbeit muß sein, den einzelnen zu einem tüchtigen Menschen zu erziehen, ihn Förperlih, geistig und moralisch zu einer in si ges{lossenen willens- starken Persönlichkeit zu gestalten, ihn in die Gemeinschaft des Volkes und des Staates einzuordnen als einen sein Vaterland liebenden, \ozial empfindenden Menschen, der in Verantwortung und Freiheit dem Staate gibt, was der Staat von ihm verlangen darf. Er soll nicht nur als Individuum brauchbar sein. Da gebe ich Herrn Abg. König durchaus recht, wenn er darüber geklagt

hat, daß dieser Individualismus der Vergangenheit uns so unendlih geshadet hat. Wir haben brauchbare, tüchtige Menschen nötig, die auch als fozial empfindende Menschen ihre Pflicht innerhalb dex Volksgemeinschaft tun, und dann Staatsbürger, die mit ganzer Hins gabe dem Staate dienen. Daher meine Forderung nah Staatsgesinnung neben der Forderung nach der Bildungseinheit, die ih in den Mittels punkt meines Erziehungsprogramms gestellt habe. Das können Volks \{ullehrer, Lehrer an den höheren Schulen und Universitätslehrer in vollem Umfange erreichen und müssen es erreihen. Nur so wird es möglich sein, nach Fihtes Wort „Allem ohne Ausnahme, was deuts ift, die neue Bildung zu bringen“. Das ist der Traum gewese, den Fichte vor 100 Jahren gehabt hat. Das ist das Ziel gewesen, das er prophetisch geshaut hat, das er aber nicht erreichen konnte. Vielleicht bringt eine in der Zukunft glücklichere Zeit uns diefem Erziehungsziel etwas näher. (Zuruf der Frau Abgeords neten Dr. Wegscheider.) Es war ein Traum, der Fichte vors{chwebte. Die Idee ist leider nicht in die Tat umgeseßt worden. Das find Gedanken, von denen ich überzeugt bin, daß ein gut Stück NReforms arbeit darin steckt. Das sind die Ideen, die in die Tat umgeseßt werden müssen, und um die Ideen in die Tat umzuseßen, bedarf es der Unterstüßung Aller. Ein so großes Erziehungswerk, das eigents lich alle Familien bis in das Tiefste erfassen sollte, kann nur dant in die Tat umgeseßt werden, wenn wirklih alle helfen. Staats politisch is es nur möglich, es mit dem Landtage gik machen. Wenn ich mich hierbei auf die große Koalition stüße, so weiß ih, daß diese Ideen so gesund und sts klar sind, daß auch die Parteien außerhalb der Koalitiot sich einer vorurteilsfreien Prüfung troß aller Sonderwünsche, dié sie haben mögen, nit verschließen werden. Um diesen Gewinn zu bergen, sehe ich auch von jeder Polemik ab, auch von einer Polemik gegenüber dem Herrn Abgeordneten Oelze. Jch sehe davon ab, mi mit dem Schlagworkt auseinanderzusezen, daß sich das Minisieriunk des Geistes in die Abhängigkeit von dem Polizeiministerium begebe habe, von der Unterordnung des Kultusministers unter den Polizeis minister. Ih glaube, Herr Oelze, wenn Sie sich die preußische Vers fassung in. ihrem Art. 46 noch einmal vornehmen. Sie haben sié abgelehnt, aber Sie werden sie kennen (Heiterkeit), so wissen Siez „daß jeder einzelne Minister den ihm anvertrauten Geschäftsgang selbs ständig und unter eigener Verantwortung dem Landtage gegenübeëk behandelt!* Ich bin gem bereit, die eigene Verantwoftund im vollsten Umfange meines Amtsbereihs zu übernehmen. Ich sehê auch von dieser kleinen Liebens8würdigkeit ab, die Herr Abgeordneteë Oelze zum S(luß in die Debatte warf, als er von dem Gegensaß seines früheren Parteifreundes von Kardorff und des Herrn Abs geordneten Dr. Bredt sprach. Er wies darauf hin, daß Herr Bredt mich als koalitionsfreundlih hier geschildert habe. Jch sehe darin keines Tadel, sondern ein großes Lob von einem Manne, der außerhalb dex Koalition steht. (Sehr richtig!) Aber es ist ihm vielleiht entgangen,

und ih bitte ihn, das im Stenogramm nachzulesen, daß nach den

Worten -des Herrn Kollegen Bred! troß dieser Koalitionsfreundlihkeit wohl kein Minister der Koalition von einer Partei der Koalition sts {lecht behandelt worden sei, wie ih behandelt worden bin. (Sehr rihtig) Ich glaube, daß so die Gedanken, die Herr von Kardorff und Herr Dr. Bredt zum Ausdruck gebracht haben, eigentli vollé kommen übereinstimmen. Nun hat der Nedner der Sozialdemokratischet Partei darauf hingewiesen : Ja, das ist alles ganz {chön und gut: Pläne und Gedanken werden hier entwidelt, aber diese Pläne und Gedanken stehen auf dem Papier, und die nachgeordneten Behördemer die Regierungen und die Provinzials(ulkollegien führen diess Gedanken und Pläne nicht aus. Er hat auf einige Beispiels hingewiesen, Diese Beispiele begründen erfreulicherweise nicht die Berechtigung dessen, was hier gesagt wurde. Ueber diese Fälle haben wir uns im Hauptausschuß unterhalten. Jh bin solchen Klagen in jedem Falle, wenn fie dem Ministerium mitgeteilt worden sind, nachs gegangen und kann Ihnen sagen, daß_es meist beispiellose Uebers treibungen gewesen find. Es kann mit Fug und Net auch hier vor den Behörden gesagt werden, daß sie s{ch verständnisvoll it die neue Zeit hineingefunden haben, und daß fie diE Direktiven der Leitung mit dem Pflichtgefühl durchgeführt habene das einmal dem alten preußischen Beamtentum durchaus eigen ges wesen ist, Daß Mißgriffe dabei vorkommen, soll nit verschwicge# werden. Vereinzelte Mißgriffe find natürli. Wo gibt es cine großen Organismus, und gar einen so großen Organismus wie das Unterrichtsministerium mit all den Behörden, ‘den Schulen, die mif ihm zusammenhängen, der frei von irgendwelchen Menschlichkeiten feirt follte ! Aber wir können das Vertrauen haben, daß unsere Regierungen und unsere Provinzialshulkollegien mit größter Gewissenhaftigkeik diese Gedanken in die Tat umzuseßzen bemüht bleiben werden. Dieses Vertrauen brau@ßen wir uns niht nehmen zu lassen.

Lassen Sie mi hier, wenn ich vom Dank an die Beamteuscßafd spreche, ein Wort eins{ieben und vor allem unserer Beamtenschafè an Rbein und Ruhr wegen ihrer vorbildlien Haltung danken (leb bafter Beifall), und vor allem au die Lehrerschaft in diesen Dank mit cinbezieben. Die Haltung der Beamten und unserer Lehrer ift dort über jedes Lob erhaben. (Sehr richtig!) Die Provinziak« \Gulkollegien, Regierungen, die Lehrer an den böberen Lehransftaltene die Kreiss{hulräte, die Lehrer an den Volksschulen, alle haben in vors bildlider Weise ihre Pflicht erfüllt und den Eindringlingen gezeighe daß ein geknechtetes Volk an seinen böhsten vaterländischen Ziele festhält, und daß sie allen Drohungen zum Troß auf ibrem Postert bleiben. Das verdient unsere und der NaWwelt Bewunderung. (Leba hafte Zustimmung.)

Und auch ein Wort über die Jugendlien. Es ist hin und wieder getadelt worden, daß die Jugend zu impulsiv sei und zut Teil die Arbeit des Abwebrkampfes ers{were. Vielleit stimmt das in diesem oder jenem Falle. Aber im allgemeinen kann gesagk werden, daß auch die Jugend ents{lossen aushbarrt, daß sie sih vor Unbesonnenheiten hütet, und daß sie stark trägt, was sie erduldert muß. Ich darf hier wohl an die Leiden der Bochumer Oberprimaner: dankbar erinnern. Was die Unterrichtsverwaltung für die Not de