1843 / 167 p. 2 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

Sachsen. Leipzig, 11. Dez. (L. Z.) Se. Maerds der König von Sachseu sind heute Nachmittag E e p vi ¿B wagenzuge von Dresden kommend, von hier nah Cöthen abgereijt.

Leipzig, 10. Dez. (Leipz. Ztg.) Das kirchliche Leben in unserem Vaterlaude wird dur den religiösen Sinn der verschie- denen Parteien und Richtungen auf eine sehr erfreuliche Weise ge- hoben, die Eintraht wird bei gewissenhafter Beobachtung der ver= schiedenen Bestrebungen durch die Vertreter der Gegensäße nicht ge- stört, sondern die Duldung anders denfkender Religiösen findet sich innerbalb der Schrauken, wie weit sie niht in Jndifferentismus aus-= artet, als Frucht ächt christlicher Liebe vor. So hat man jüngst die Schloßkirhe zu Wechselburg den wenigen dort lebenden Katholiken zu threm Gebrauch eingeräumt unter freudiger Bewegung der Glau- bensgenossen zu Chemniß, woher solhe auf mehreren Wagen her- übergekommen. Jun Leipzig aber hat man bereitwillig den zeitweiligen Mitgebrauch der evangelischen Neukirche den Katholiken bis zu Wie derherstellung ihres Gotteshauses gestattet. Auf der anderen Seite fährt der Gustav=-=Adolph=Verein, welcher hier zuerst ins Leben trat, durh das von vielen Seiten her gefühlte Bedürfniß, überall in Deutschland Sympathieen zu gewinnen, fort. Er aber dient zum lebendigen Beweis, daß die Mitglieder der cvangelishen Kirche den dritten Artikel ihres Glaubens („ih glaube an eine allgemeine hrist= liche Kirche “‘) ungeachtet aller neuen Theorieen einiger Rechtslehrer mit Begeisterung festhalten, Die Anhänglichkeit an die evangelische Kirche giebt sich in Sachsen aber auch noch auf andere Weise durch Beweise von Achtung gegen ihre Repräsentanten kund. Wie unlängst der hiesige Kunst- und Gewerbe-Verein, die Schullehrer der Diözese (durh Ueberreichung einer Bibel) und bald nachher auch die Stu-= direnden den Herrn Superintendenten Dr. Großmann hier feierten; so haben 15 Deputirte aus den Städten Meißen, Oschaß, Lom- mabsch und Döbeln und der umliegenden Landschaften, eine von 500 Personen, Rittergutsbesibern, Geistlihen, Juristen, Schullehrern, Stadt = und Landbewobhnern aller Klassen unterzeichnete Dankadresse demselben überreicht,

Großh. Hessen. Darmstadt, 9. Dez. (Gr. Hess. Z) Heute Nachmittag um 2 Uhr sind Jhre Kaiserl. Hoheiten der Cäsa- rewitsch Großfürst Thronfolger von Rußland und durchlauchtigste Ge- mahlin, die Cäsarewna Maria Alexandrowna, und Se. Hoheit der Prinz Alexander von Hessen von St. Petersburg zu einem längeren Besuche am Großherzoglichen Hofe dahier eingetroffen und im GOroß- herzoglichen Palais abgestiegen. Die ganze Stadt theilte in allge= meinem Jubel die Freude des Großherzoglichen Hauses über diesen höchst erfreulihen Besuch und hatte Jhren Kaiserl. Hoheiten einen sehr feflichen Empfang bereitet.

Die hiesige Zeitung beschreibt denselben folgendermaßen: Schon vom frühen Morgen an war die Stadt in freudiger Bewegung. Tausende von Menschen füllten nah und nach die Pläbe und Straßen, des hohen Paares zu harren. Mittags zogen die verschiedenen Cor= porationen, Schulen 2c. mit ihren Fahnen und Jusignien nah den in der Fest- Ordnung ihnen angewiesenen Pläßen. Die berittene Ehren - Garde hiesiger Bürger und Einwohner, unter Führung des Herrn Philipp Wiener, geshmückt mit Schärpen in den russischen Farben (schwarz, orange und weiß) und mit hessischen Kokarden rückte aus, ein Musik-Chor voran, an die Gränze der Gemarkung der Stadt, wo der Großherzogliche Kreisrath Frhr. von Stark die Ehre hatte, Jhre Kaiserlihe Hoheiten den Cäsarewitsch Großfürsten Thronfolger Alexander Nifkolajewitsch von Rußland und die Cäsarewna Groß- fürstin Maria Alexandrowna geborne Prinzessin von Hessen und bei Rhein ehrfurchtsvollst zu begrüßen. Der Anführer der Bürger-Ehren= garde erhielt die Erlaubniß, das hohe Paar bis ins großherz. Palais zu geleiten, die Hälfte des Corps vor, die Hälste hinter dem groß- sürstl, Iqgagen. 210i (Fhronrittor zur (Soitcz ver grvsßhrzvgl. Post= meister Wiener mit 6 Postillons an der Spibe des Zuges. Kano= nendonner erschallte; Glockengeläute ertönte; die Musikchöre spielten, deren, außer denen der Ehrenreiter und des Veteranen-Corps, cines auf der großen Ehrenpforte am Eingang des Mathildenplabes, ein anderes auf einer Tribüne auf dem Louisenplabe stand. Die im byzantinischen Style vom Stadtbaumeister Herrn Jordan sehr geshmack= voll erbaute großartige Ehrenpforte mit zwei hohen Thürmen, ge= {chmückt mit Guirlanden und Festons, den Namenszügen des er= lauchten Paares, den russischen und hessishen Wappen, Flaggen und Fahnen, trug den Nahenden ein freudiges „, Willkommen ! ‘/ entgegen. Die Gallerieen der grandiosen Pforte waren gleich allen ezeustern der Straße mit freudig grüßenden Zuschauern beseßt, Der Stadt=Vorstand mit den Lokal-Beamten bewillkommnete hier die Höch= sten Herrschaften durch den Großherzogl. Bürgermeister Brust Namens der Stadt, Festlih geschmückte Mädchen aus den Bürgerschulen überreihten ein Gediht, was von dem hohen Paare huldreichst an= genommen wurde, Die Kaiserl. Hoheiten durhfuhren nun die Ebren= pforte und das von den Zünften, Corporationen und Schulen gebil= dete Spalier nah dem Großherzogl. Palais hin, begrüßt von stets in lautem Jubel sih wiederholenden Lebehohs, die Sie höchst huld= reihst dankend erwiederten. Freudig überrascht war man, in einem Wagen hinter dem Großfürstl. Paare auch den geliebten Bruder der Großfürstin, den Prinzen Alexander von Hessen, zu erblicken. Man hatte Se. Hoheit erst später erwartet. Höchstderselbe war aber in Frankfurt heute unvermu- thet mit den Kaiserl. Hohbeiten zusammengetrosfen und überraschte so auch die Großberzoglihe Familie durch Seine Aukunft. Ein festlicher Zug entwickelte sih jeßt in folgender Ordnung und stellte sih vor dem Großherzoglichen Palais auf: die Lokal-Beamten und der Stadt= Vorstand, ein Musifkchor, die Veteranen mit ihren Fahnen, die Stadt= {hulen in bunter Abwechselung, die Mädchen festlich geschmüdckt, die Knaben mit Fähnlein in den russischen und hessischen Farben, der

Sängerkranz, verschiedene Abtheilungen erwachsener Jungfrauen, die Gatelträger, 22 verschiedene Zünfte und Corporationen mit ihren L Bannern und Fahnen. Der Plaß, auf dem sich A blie Au\end. Menschen zusammendrängten, bot einen malerischen

nud, und als jevt das hohe Großfürstliche Paar, umgeben von der

Srobderzoglichen Zamilie, an den Balkonfenstern des Großherzoglichen DE S grüßend erschien, als in immer neuen Lebehochs eint iet nicht enden wollte, die vielen Fahnen und Wim Vie Sti ad in las und sich senkten vor den hohen Seen t h ) “fa )eravölictte auf die Tausende freudig bewegter MenF [en , qn ver\QPnerte sich das großartige Bild zu einem wahrhafÆ erhebenden und rührenden! Die Musik-Chöre stimmten jeßt die tief ergreifende russische National-Hymue an, und der Sängerkranz sang, unter Leitung seines Direktors, Stadt-Kantors Anton, ein eigens für ie n Abtheilungen zogen , an il iße shwenkend, durh das Großherzogliche Palais, dis Range tony

diesen Zweck gedichtetes Led, Alle ei hierauf mit erneuerten Lebehochs Lie O

shönen Zug sließend. Holstein, Kiel, 9. Dez. (A. M.)

kraurige Verheerungen angerichtet hat.

A ? Eine zu dieser Jahres L zeit in unserem Himmelsstriche seltene Erscheinung ‘war Las ite ü mend starke Gewitter, welches am 6. d. M. Abends spät in einem bedeutenden Theile des Landes durch vielfach zündende Blibschläge Ÿ

l ] Der Zug der Gewitterwolken schien aus Nordwesten zu kommen, welche sich jedo schon in der

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Gegend des Eckernförder Hafens getheilt und auf cinen großen Raum verbreitet haben, daher man kurz nah einander Feuersbrünste in sehr verschiedenen Richtungen entstehen sah. Der traurigste Unfall ereig- nete sih bei Bülk an der äußersten Spiße des Dänischen Wohldes, wo der Bliß in den Leuchtthurm und die Lootsenwohnung einschlug, zwei Kinder des Lootsen Herrenbrock (11 und 7 Jahre alt) tödtete und dessen Frau bedeutend verleßte. Das Gebäude mit dem Leucht- thurme wurde gänzlih in Asche gelegt, daher jeßt ein provisorisches Leuchtfeuer dur Theertonnen daselbst unterhalten werden muß. Fast gleichzeitig wurde zu Holzsee, im Gute Hohenlied, ein Bauernhaus durch einen Blibstrahl in Flammen geseßt. Daselbst wurde auch die Mühle von einem, jedoch nur kalten Schlage getroffen. Auf dem klösterlihen Meierhofe Scharstorf bei Preeß i} gleichfalls ein Feuerschade durch dieses Gewitter angerichtet und soll außerdem noch

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an mehreren anderen Orten gleihes Unglück geschehen sein.

F008 L L-Leji

Paris, 8. Dez. Der Herzog von Aumale hat sih am 28sten vor. Mts. an Bord der Dampf-Fregatte „Asmodée“ zu Algier ein- geschisst, um sich nach der Provinz Konstantine zu begeben, deren Kommando er übernehmen soll. Der Marschall Bugeaud und eine große Anzahl von Offizieren aller Waffengattungen hatten den Prin- zen nach dem Einschiffungsplate begleitet. Ersterer wollte am Z0sten wieder nach der Provinz Oran abgehen.

Der General-Major Tempoure, Befehlshaber der Unter=Division von Maskara, der den Sieg über den Kalifa Sid-Uled-Embarek er= sochten, is vom Könige zum Groß-Offizier der Ehren-Legion ernannt worden, Der Bruder des im Gefecht gebliebenen Kalifa, ein noch junger Knabe, wird in Paris erwartet, wo er auf Kosten des Staats in einer Erziehungs-Anstalt ausgeb/ldet werden soll,

Meyerbeer wird, dem Vernehmen nach, gegen Ende dieses Mo nats Paris verlassen, um sich wieder auf seinen musikalischen Posten in Berlin zu begeben.

m Paris, 8. Dez. Der Ausflug des Königs nah Fontaine= bleau bezweckt die Anordnung großer Verschönerungs - Arbeiten, die an jenem Königlichen Lustschlosse vorgenommen werden sollen, seit- dem es gewiß zu sein scheint, daß im nächsten Sommer die Königin Victoria einen Ausflug nach Paris unternehmen will, wobei sie außer Paris auch Versailles und Fontainebleau zu besuchen beabsihtigt. Die Königin von England soll dem Herzog und der Herzogin von Nemours ihren abermaligen Besuch an unserem Hofe versprochen haben. Daß die britische Monarchin zu gleicher Zeit die Rheingegenden zu besuchen gedenkt, weiß man {hon längst in unseren höheren Zirkeln, denu aus diesem Grunde hat sich das britische Kabinet veranlaßt gefunden, das Parlament früher als gewöhnlich einzuberufen, damit die Ses. sion Anfangs Juli beendet werden und die Königin Victoria sogleich darauf ihre Reise antreten könne. Mehrere cinflußreiche Mitglieder des Parlaments, welhe den Winter in Paris zuzubringen ge- dachten, haben auf vertraulichhem Wege bereits einen ministeriellen Wink erhalten, sih zur Rückreise nach London anzuschicken, um den früher als sonst beginnenden parlamentarischen Arbeiten beizuwohnen. Das Ministerium Peel dringt um \o mehr auf deren persönliche Ge= genwart, als die nächste Session für die Existenz des Kabinets ent- \cheidend werden dürfte.

Den 12ten l. M. wurde in Setif (Algerien) eine kolossale Mar= morbüste des verstorbenen Herzogs von Orleans mit großem militgi- rischen Pomp ingugurirt, Unter den Ruinen des alten Setif wurde im Jahre 1838, nach der Expedition von Setif, eine kolossale Säule gefunden, welche, ungeachtet sie über zehn Jahrhunderte zählt, sehr gut erhalten is. Sie wurde vor dem Eingange eines Forts aufge stellt, und als der Herzog von Orleans während der befannten Ex pedition nah den eisernen Thoren dort vorüberzog, grub er, zum Andenken an diese Erpedikion, mit einem Dolche auf der Säule die Namens-Chiffre F. H. (Ferdinand=Helene) ein, so wie er es auf dem Triumphbogen von Djimilah bereits gethan hatte. Diese Säule wurde von jenem Augenbli? an la colonne du prince royal genannt. Auf Verlangen der Garnison von Setif trug der Marschall Soult dem Herrn Pradier, einem unserer ersten Bildhauer, auf, eine Mar= morbüste des verunglüccktten Prinzen anzufertigen, die auf jene Säule zu stehen fommen soll, welche unterdessen von ihrem früheren Stand- punkte nah dem öffentlichen Spazierorte im Osten von Setif versetzt worden war. Die Bildsäule des Prinzen wurde am 12ten v. M. aufgerichtet. Die ganze Garnison stand in Schlachtordnung um die- selbe aufgestellt, und als die Büste enthüllt wurde, ertönte eine Ar= tillerie-Salve von 21 Kanonenschüssen. General Sillègue, Militgir= Kommandant von Setif, hielt dabei folgende Rede :

„Soldaten und Einwohner von Setif!

Lasset uns die vollkommene Aehnlichkeit Sr. Königl. Hohcit des Her zogs von Orleans, diescs von ganz Frankreich und von der Armee tief be- weinten Prinzen, bewundern !

Dieses Brustbild, das Werk eines genialen Künstlers, welches diese alte römische Säule krönt, is bestimmt, ein glorreichhes Andenken zu verewigen, und soll den künftigen Generationen erzählen, daß der älteste Sohn des Königs, der Kronprinz selbst, seine Armee durch die Ebenen von Sctif ge= führt, und dieses für immer französisch gewordene Land in Besiß ge- nommen hat, indem cr auf diese nämliche Säule, die Juitialien seines und seiner erhabenen Gemahlin Namen eingrub,

Lasset uns unseren ticfen Dank für dieses kostbare Geschenk Sr. Maje- stät, zu Gunsten der neu entstehenden Kolonie von Setif, aussprechen, und durch lebhafte Freudenbezeuigngen die feierliche Jnauguration dieses unzer- störbaren Monuments, begrüßen! Es lebe der König!“

Dieser Ceremonie wohnten eine unzählige Menge von Arabern und Käbglèn bei, die aus den benachbarten Ort= haften zusammengeströmt waren. An ihrer Spiße bemerkte man den Caïd Ben Oueni, so wie den Bruder und den Sohn des berühmten Cheifk El Arab, die Schlange der Wüste genannt. Auch eine deutsche Uniform war darunter zu sehen, nämlich ein Offiz zier vom bayerischen Generalstab, welcher mit Bewilligung seiner Re= gierung an dem Kriege gegen die Araber theilnimmt, um die franzü= sische Stratcgie näher kennen zu lernen. A

Jebt, wo der Herzog von Aumale das Militair-Kommando der Provinz Konstantine übernommen hat, werden alle Anstalten getroffen, um den Feldzug gegen Abd el Kader auf einem großen Maßstabe zu erneuern. Eine ganze Batterie reitender Artillerie erhielt die Wei= sung, die Armee in Algerien zu verstärken. Auch sollen mehrere neue Regimenter dahin abgehen. Es ist die Absicht der Regie= rung, daß für den Augeublick, wo der Herzog von Au= male zum Vice -= König voon Algerien ernannt werden wird, jene Kolonie vom Feinde nichts mehr zu fürchten habe, damit der Prinz in der Colonisation von Algerien durch keine Hindernisse aufgehalten werde. Zu diesem Zwecke wird Marschall Bugeaud bis zum nächsten Sommer als General-Gouverneur iu Algerien bleiben, und anhaltend dahin arbeiten, die Macht des Emirs vollends zu brechen. Die Vermehrung der Streitkräfte in Algerien hat im Conseil der Minister zu heftigen Debatten Aulaß gegeben. Der Marschall Soult behauptete, daß bei dem Sparungssysteme der Kammern, er in Kürze

4 dahin gerathen werde, für das Mutterland nicht hinreihende Trup=

b pen zu haben, da schon gegenwärtig in allen großen Städten des Reiches der Garnisonsdienst so beshwerlich geworden sei, daß die dortigen Militgir-Spitäler mit Kranken überfüllt seien und die Sterh-

lichkeit unter den jungen Soldaten täglich steige. Ungeachtet des Widerstandes des Kriegs-Ministers entschied die Majorität des Con= seils, daß die Armee in Algerien cinen Zuwachs von 6000 Mann Linien-Jufanterie und einer Artillerie-Batterie erhalten solle. Wag dic Kammer în der nähsten Session dazu sagen wird, läßt \sich leicht errathen.

& Paris, 8. Dez. Herr Arago hat sein zweites Schreiben über die Befestigung von Paris in die Journale einrücken lassen. Nachdem er zu beweisen gesucht, daß die detachirten Forts in feind= seliger Absicht gegen die Hauptstadt erbaut worden seien, und daß sie im Falle einer Jnvasion von gar keinem Nußen wären, geht der berühmte Astronom zu dem Nußen der zusammenhängenden Ring mauer über, Vauban, Napoleon und viele andere berühmte Gene rale werden bei dieser Erörterung zu Rathe gezogen, und namentlich liefert Vauban ein bedeutendes Kontingent zu dem Schreiben des Herrn Arago. Er ergeht sich auch in weitschweifigen Digressionen, die, wie es uns scheint, niht immer zur Sache gehören. Herr Arago liebt die Anekdoten, und in seinem zweiten Schreiben hat er sich auf cine merkwürdige Weise seiner Vorliebe für die Erzähluug überlassen. Man erinnert sich sehr wohl, daß bei den Erörterungen über die Be= festigung von Paris sowohl in der Pairs=- als in der Deputirten= Kammer Vauban im verschiedensten Sinne angeführt worden ist, und zuleßt weiß man nicht, ob dieser berühmte Jungenieur für die Befesti= gung von Paris der zusammenhängenden Ringmauer oder den deta= chirten Forts den Vorzug würde gegeben haben. Herr Arago be- hauptet, Vauban würde sih für die erstere entschieden und die Größe der Stadt ihn nicht abgeschreckt haben. Das Projekt einer äußeren Mauer, das er dem Marschall zuschreibt, würde sih, wie er sagt, von der, die man ausgeführt hat, wenig unterscheiden. Herr Arago behauptet sogar, daß Paris zur Zeit Vauban's weniger zusammen= gedrängt gewesen wäre, als heut zu Lage, und daß es bereits lange Arme bis an seine gegeuwärtigen Gränzen ausgestreckt gehabt habe. Bei diesen Prâämissen werden die Folgerungen natürlich sehr leicht ; auh macht es Herrn Arago keine Mühe, den Personen, die bereits seiner Meinung sind, zu beweisen, daß die detachirten Forts absurd, und nur die zusammenhängende Ringmauer allein von Nußen seien.

Jn zwei Tagen werden die Munizipal = Wähler von Paris sich versammeln, um die Kandidaten für die Aemter der Maires und ihrer Adjunkten in den zwölf Bezirken zu wählen. Die Regierung legt der Wahl dieser Adjunkten eine große Wichtigkeit bei, und ob- gleih die Functionen der Maires nicht politischer Art sind, so geben sich doch die verschiedenen Parteien sehr viel Mühe, um die Erwä lung ihrer respektiven Kandidaten durchzuseßen. Man kann sich nicht verhehlen, daß die Opposition in dieser Beziehung Terrain ge= wonnen hat. Es soll damit nicht gesagt werden, daß die Wahl auf ihre Kandidaten fallen wird, denn da für jeden Bezirk immer zwölf Kandidaten auf der Liste stehen, so dürfte es wohl nicht unmöglich sein, daß einige Konservative sih unter dieser Zahl befänden; indeß wird die Hinneigung zur linken Seite die Bezeichnungen durch die Behörde zuleßt sehr s{hwierig machen, und wenn die seit mehreren Jalren sih kundgebende Bewegung fortdauert, so wird die Munizi- pal-Verwaltung der Stadt Paris gänzlich in die Hände der Oppo= sition fallen, die in den leßten Jahren unbestreitbare Vortheile erlangt hat, während mehrere von der Regierung aufgestellte Kandidaten durchgefallen sind.

Der Herzog von Bordeaux wird London am 15. Dezember ver lassen, um dem Herzog von Begufort einen Besuch abzustatten. Die legitimistischen Pilger kehren allmälig nah Frankreich mit den Pässen zurück, die ihnen der König Ludwig Philipp ausgestellt hat, und mit denen ste abgereist sind, um den „König von Frankreich“ in Lon don zu begrüßen. Dies Wort hat hier bei den vernünftigen Legiti= misten fein Gliück gemacht und es scheint, daß Herr von Chateau- briand den Einfall des Herzogs von Fit - James sehr getadelt hat. Jn der That, wenn man Erklärungen dieser Art nicht mit wehender Fahne und dem Degen in der Hand macht, so sind es uichts als leere Reden, welche zugleich die, welche sie anhören und die, welche sie aussprechen, kompromittiren.

Grossbritanien und Ariand.

London, 7. Dez. Jhre Majestät die Königin verläßt heute Belvoir Castle, um nah Windsor zurückzukehren.

Die Konferenzen der französischen Legitimisten auf dem Belgrave Square im Hotel des Herzogs von Bordeaux, welche die pariser Presse in ziemliche Aufregung verseßt haben, fangen an, auch hier bei dem Volke Austoß zu erregen, und werden von der öffentlichen Meinung als unschicklih und die Gastfreundschaft Englands verleßend bezeichnet. Einige leitende Journale wollen sogar „den alten Emigrés auf dem Belgrave Square“ diese Gastfreundschaft entzogen wissen, weil „die Wichtigthuerei und das geheimnißvolleWesen““, welches ihre Versammlun gen anstößig macht, „unheilvolle Anzeichen eines Komplotts gegen die Pe1 son und die Regiernng des regierenden französischen Monarchen sind.“ Es muß auffallen, daß selbst die Times in solhen Argwohn mit einstimmt: „Es is unnöthig zu bemerken“, sagt die Times, „daß bei solchen außerordentlihen Demonstrationen, wie es diese vor un= seren Augen stattfindenden Versammlungen sind Demonstrationen welche ohne Zweifel anderswo einen ganz anderen Eindruck machen sollen, als wie er hier auf die Nahestehenden hervorgebraht wird es ganz unmöglich ist, daß der Hof oder die Regierung, oder selbst das Volk dieses Landes anders als mit Verachtung und Mißfallen dies Benelmen betrachten kann. Wir wünschen, allen Menschen Gast- freunde zu sein, sowohl Personen von Distinction in ihren Privat Charafter, wie öffentlihen Männern, deren Namen oder Stellung dieselben zu mehr öffentlichen Ehrenbezeigungen berechtigt; aber für Männer, welche unter dem Deckmantel eines Privatbesuchs eine öffent= liche Verschwörung (who are carrying a public plot) gegen einen König unterhalten, den wir schäßen und dessen Juteressen wir zu schüßen verpflichtet sind, für diese hat England keine Gastfreundschaft es hat für fle höchstens Duldung.“ Roch stärker ist die Sprache der streng ministeriellen Blätter, welche, nach den Worteu des Standard, gegen „den Mißbrauch der freien Junstitutionen Englands durch eine Verschwörung gegen don Frieden und die Sicherheit eines Nachbarlandes““ förmlich_ protestiren, „Die Regierung und das Volk Englands“, sagt der Standard, „thun Alles, was sie können, um von der Anschuldigung befreit zu sein, daß sie die Verschwörung begünstigen, welche eine Contre - Revolution in Frankreih zum Zweck hat. Wir selbst hatten die Ehre, zuerst vor dem Plane zu warnen (die früher gegebene, halb offizielle Erklärung des Standard), mit welchem der junge Herzog von Bordeaux hierher geführt und ein Hof mißvergnügter Franzosen um ihn versammelt wurde. És war das für uns eine peinliche Pflicht, denu wer wird nicht mit dem Unglücke eines jungen Mannes Mitgefühl haben, der für die Fehler Anderer leidet, wie gerecht und wie nothwendig auch das Ur= theil is, unter welchem er leidet? Aber es war unsere Pflicht, und wir sagten deshalb dem Volke, daß jede dem Prinzen in England erwiesene Aufmerksamkeit und Höflichkeit von der unglückseligen Partei, welche ihn umgiebt, als eine Erklärung zu ihren Gunsten und gegen die in Frankreich hergestellte Ordnung der Dinge gedeutet werden würde, und daß deshalb jede Aufmerksamkeit, so weit es sich nur irgend mit der Gastlichkeit Englands verträgt,

den Prinzen von allen denjenigen vorenthalten werden müßte, welche nicht die {were Schuld übernehmen mochten, den Bürgerkrieg in ein friedlihes und befreundetes Land zu tragen. Die Folge hat unsere damalige Warnung, welche im Allgemeinen befolgt wurde, gerecht- fertigt. Die Morning Post, das besoldete Organ der Verschwörung, predigt jeßt Krieg gegen Frankreih iu {hlechten französishen Versen und noh \chlechterer englischer Prosa,“

Jhre Majestät die Königin hat gestern

n

London, 8. Dez.

früh Belvoir Castle verlassen und is Nachmittags in Windsor Schloß f Die Reise wurde bis Leicester zu Wagen, von dort auf der London-Birminghamer Eisenbahn bis Watfort fortgeseßt, wo die Königlichen Equipagen die hohen Herrschaften aufnahmen, Die Königin dankte den Direktoren der Eisenbahn, als sie dieselbe verließ, für die große ihr bewiesene Aufmerksamkeit und die zu ihrer

wieder eingetroffen.

Bequemlichkeit getroffenen Einrichtungen aufs verbindlichste.

X London, 5. Dez. was ihnen noch hinzugefügt werden könnte.

halten.

Posten eines Residenten in Lahore verwaltete, sich nicht kürzlich zu- rückgezogen hätte, Es is merkwürdig, was für Dinge in Judien beständig vorkommen. Wer isst Herr Clech? Wahrscheinlich der jün= gere Sohn irgend eines kleinen Land= Edelmaunnes, der nah Jndien ging mit einer Schreiberstelle in seiner Tasche, der, während er dort dur seine An- oder Abwesenheit Revolutionen von Königreichen ver= anlassen kaun, —— nah seinen 35 Dienstjahren nach England zurück lehrt, um im Gedränge des londoner Lebens s\ich zu verlie ren und guf dem Dorf - Kirhhofe an der Seite seiner Mutter begraben zu werden. Jh für mein Theil begegne einem Ex=General=- Gouverneuer von Judien niemals ohne ein tiefes Gefühl von Achtung vor einem Maune , dessen Autorität, ob- gleich uur vorübergehend, doch einst so ausgedehnt und unumschränkt warz doch dies Gefühl ist beim Engländer nicht gewöhnlih. Es ist gewiß ein Gegenstand anziehender Betrachtung, welchen die Reihe der Bice-Könige bietet, die England ausgesandt hat und noch unablässig aussendet, um seine Besibungen zu regieren. Man vergleiche sie mit den römischen Statthalternz oder vergleiche diese vielmehr mit dem Satrapen der Despoten des Ostens. Jn der Geschichte der englischen Gouverneure giebt es faum einen (mit der Ausnahme Chinas), der nicht in sein Vaterland, überhäuft mit Anschuldigungen der Bestechung oder Erpressung, zurückgekehrt ist. Die Fehler Warren Hastings* wa- ren ¿Fehler eines Mannes, der rücksihtslos im Dienste seines Vater= landes , aber gemäßigt, selbst nachlässig in der Beshübßung seine eignen Jnteressen war, Und dennoch is es ein Faktum, daß die un rschütterliche Treue und Anhänglichkeit dieser Männer an die Krone und ihr Vaterland niemals bei irgend einem Falle, in Erwägung ge zogen wurde. O

Das Verhalten der Anhänger des Herzogs von Bordeaux wäh rend der leßten Wochen hat durchaus eine andere Wendung genommen, als wie ih es anfangs von seiner Stellung in England erwartet hatte. Nichts kann über ihre Unklugheit und Thorheit gehen, und ich möchte behaupten , daß wie groß auh immer in Deutschland das Bestreben gewesen sein mag, das sich auch hier zeigt, der Person des Prinzen alle Achtung zu erweisen, doch eine solche offene Dar legung von Partei-Juntriguen in keinem Lande geduldet worden wäre, in welchem die Mittel zu Gebote stehen, sie zu unterdrücken. Die CEutschließung des Hofes, den Prinzen nicht zu empfangen, is des halb eine Sache, über die durchaus kein Zweifel in Hinsicht ihrer Wahrscheinlichkeit scin kann +4 und ih kann hinzufügen, daß das Hotel auf dem Belgrawe Square, welches mit solcher Ostentation bezogen wurde, niht der Aufenthaltsort vieler Engländer sein und eher ver- mieden als gesucht werden wird. ;

Weder l dde

« ck+ Aus dem Haag, 8. Dez. Die belgischen Journale melden uns, daß in Mastricht ein neues Organ der Presse erscheinen wird, um die Trennung Limburgs von Holland zu predigen. Diese Mission is, wie es heißt, einem Ausländer übertragen worden, unter dem speziellen Schuße mehrerer Grundbesißer Limburgs, die der ge- genwärtigen Ordnung der Dinge überdrüssig sind. Der Prospektus wird täglich erwartet; er muß das Thema der Association bringen. Dies Journal hat die Absicht, eine Menge wichtiger diplomatischer ezragen aufzuwerfen und sie alle ganz allein zur Zufriedenheit seiner Begründer zu lösen.

Der einzige Zweck, weshalb diese großen Grundbesitzer beschlossen haben, die Presse sprechen zu lassen, is also nur der, daß sie dem mit Abgaben und Verpflichtungen überladenen Volke, eine Erl ei ch = terung verschaffen wollen; wenigstens sagen sie dies. Aber wenn man heutzutage in der Politif scine Privat = Angelegenheiten fördern will, so ist es stets das Juteresse des Volks, welches man als verlorenen Posten voranstellt. Das Volk möge indeß bei dem in Rede ste= henden Unternehmen auf seiner Hut sein, sih nicht eins{läfern lassen und das Wenige, was es hat, für etwas Unbestimmtes, Ungewisses und Unmögliches, das man ihm anbieten wird, hingeben. Das ein- zig wahre Rettungsmittel für das holländishe Limburg ist ein guter Handels = Vertrag zwischen Holland und Belgien. Jede Art von Trennung des Herzogthums von Holland is eine Jdee ohne die Mög= lichkeit einer Zukunft, ein Plan ohne die Wahrscheinlichkeit einer Aus- führung, wodurch Limburg den geringen Großhandel, der ihm geblie= ben, noch verlieren würde. e

Diese neue Art von Se paratisten hat indeß noch umfassen- dere Pläne, die man mit Unrecht als Fabeln betrachtet hat. Haben sie nämlich erst die Trennung durchgeseßt und entspricht ihre Lage nicht ihren Erwartungen, so wollen sie vorschlagen, das Herzogthum Lim- burg an Belgien zu verkaufen; das leßtere wird diesen Vorschlag an- nehmen und das Ganze wird auf freundschaftlihe Weise beendigt. Die Verkaufs-Summe is vielleicht auf dem Papiere der Begründer des neuen Journals schon festgestellt. N E Diese Angelegenheit muß unstreitig große und zahlreiche Schwie= ces darbieten, allein die Gesellschaft hat an Alles gedacht: die Rechte des deutschen Bundes werden übertragen ; das Bundes - Kon-= tingent ändert nit seine Bestimmung; die großen Mächte bitten Holland, Mastricht und Venlo aufzugeben; der Antheil der holländischen Schuld beträgt für Limburg sehr wenigz der Kaufpreis wird kapitalisirt oder zu der belgischen Schuld hinzugefügt, die “ereits 34 Millionen öJrancs beträgt; die bestehenden Verträge werden nicht angetastet sie worden vielmehr in allen Punkten aufrecht erhalten, und Alles wird auf a bestmögliche Weise geordnet. Das is es, was man das limburgische Bolk glauben machen will, und wenn alle diese großen Dinge nicht ee in Grage zu stellen sind, dann werden die Helden dieser Ange= cgenheit ihre persönlihen Wünsche erfüllt sehen können. Wenn aber

Die Berichte über die Angelegenheiten des Pendschab, welche mein leßter Brief enthielt, bestätigen sih, \o daß die heute Morgen eingetroffene Post mir nichts mehr bringt, Auch hat man wirklich feine neue Nachrichten über den eigentlihen Zustand der Parteien und Stämme aus Lahore und noch weniger aus dem Hochlande er- Indeß kann ih behaupten, daß selbst in den unabhängigsten Provinzen der Einfluß Englands im Allgemeinen so vorherrschend ist, daß man noch jeßt dort glaubt, die Vershwörung des Adschit Singh wäre niht zum Ausbruch gekommen, wenn Herr Clech, der lange den

die große Stimme der europäischen Politik sich vernehmen lassen

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sollte, um dergleichen Projekte zu vereiteln und die Ausführung der-

selben zu verhindern, dann um so s{limmer für das Volk, aber um

so besser für die Führer, von denen Jeder dann \sich nach Belieben bettet zum Wohle, zur Ehre und zum Ruhme des Landes, Man weiß übrigens, daß in unseren Tagen alle diese Missionarien sür das

Glück und Heil der Völker in Bezug auf die Ereignisse, die mit ih=

ren Verheißungen \{chlecht zusammenstimmen, stets einige Trostworte in

Bereitschaft haben. :

Die Haupksache in den ersten Jdeen dieses neuen Utopiens is

jedoch die Versicherung, daß der König Wilhelm I. diescm Projekte

nicht abgeneigt sei; man fürchtet nur die Meinung der Generalstaaten,

Die Wahrheit ist jedo, daß der König niemals seine Meinung über

einen solchen Gegenstand ausgesprochen hat, und daß man auf der

anderen Seíte den niederländishen Deputirten wenig politischen

Scharfblik und wenig National - nteresse zutrauen muß, wenn man

auch nur einen Augenblick glauben kann, daß sie der Ausführung

solcher Pläne jemals ihre Zustimmung geben würden. S

__ Aber gewissen Utopisten scheint Alles möglich, und die Blindesten

sind diejenigen, welche am besten zu sehen behaupten. Sie allein be-

sißen das einzige Heilmittel für alle Leiden der Völker; und wenn man sie hört, so ist Alles verloren, sobald ihre Pläne, ihre Svsteme niht zur Ausführung kommen. Zum Glück wird es bei dieser Ge legenheit unter den Bewohnern des holländischen Limburgs noch weise und aufgeklärte Personen geben, die niht unterlassen werden, das, was man ihnen anbietet, zurückzuweisen, und die vielmehr alle ibre gemeinsamen Wünsche und Bestrebungen auf die Möglichkeit eines

Handels-Vertrags mit ihren Nachbarn richten werden, statt \i{ch un

vorsichtig in ein Labyrinth von Schwierigkeiten zu stürzen, die, wenn

sie überwunden und der Zweck erreiht wäre, ihnen niemals die ver sprohene Wohlfahrt geben würden. Die Worte der Arglist werden

{ön klingen, eine goldene Zukunft verheißen; aber der Köder is

vergiftet, und das Unternehmen wird mißlingen. Dies wird leicht zt | beweisen sein, sobald die Gelegenheit si darbietet. | Viele holländische Offiziere sind mit 600 Gulden Gehalt und

der ihnen gebührenden Fourage auf sechs Monate beurlaubt worden, Man spricht davon, daß in den nächsten Tagen den Kammern ein Geseß-Entwurf über eine Anleihe von 140 Mülionen Gulden zu

3 pCt, vorgelegt werden soll.

__ T Luxemburg, 7. Dez, Zu Ehren des Geburtsfestes Sr. Majestät des Königs Großherzog ward die bei dieser Gelegenheit alljährlich stattfindende Garnisous-Parade, des unbeständigen Wetters wegen, das den ungepflasterten Boden qufgeweicht hatte, auf dem Hofraum der heiligen Geist = Kasernen abgehalten, wobei der Civil=- Gouverneur und die höheren Civil - Beamten zugegen waren. Das l'e Deum in der Peterskirhe verkündeten 101 Kanonenschüsse. Nach= mittags sand ein reihes und glänzendes Diner beim Civil-Gouverneur statt, zu dem die höheren Militair = und Civil - Behörden eingeladen waren. Für Se. Majestät den König Großherzog ward hierbei wie gewöhnlih der Toast in französischer, für Se. Majestät den König von Preußen in deutscher Sprache ausgebraht, Abermaliger Kano= nendonner zeigte diese feierlihen Augenblicke an. Die dabei thätigen UArtilleristen wurden von Seiten des Civil - Gouverneurs mit Wein regalirt, Des Abends war die Mehrzahl der von den Bürgern be= wohnten Häuser und öffentlichen Gebäude der Stadt illuminirt.

Fn der stattgefundenen Bürgermeister-Wahl hat sich die Mehr- zahl der Stimmen für diejenigen Mäuner ausgesprochen , deren ge- sinnungsvoller Charakter, Kenntnisse und Erfahrungen längst eine allgemeine Anerkennung fanden. Wenigstens findet das guf die an der Spibe der Wahlliste stehenden Namen Anwendung. Dag jedoch die betreffenden Männer, welche wir hier im Auge haben, mit ihrer amtlichen Stellung, die ihre ganze Thätigkeit in Anspruch nimmt, niht wohl die des Bürgermeisters verbinden können, so wird sich Se. Majestät für einen der jenen zunächst Stehenden entscheiden müssen. Cs wäre zu wünschen, daß die Wahl auf einen Mann fiele, der zu= gleih der hiesigen obersten Militair-Behörde nicht unangenehm, indem dies der vielfachen Berührungen wegen, die zwischen beiden Behörden unvermeidlich sind, zum Besten der Stadt selbst nur zu wünschen ist.

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Brüssel, 10. Dez. Jm Lauf der gestern fortgeseßten Debatte der Repräsentanten-Kammer über das Budget der Mittel und Wege klagte Herr Castiau unter Anderem auch über die Handels - Politik, welche die belgische Regierung in Bezug auf Frankreich und Deutsch- land beobachtet habe, namentlih darüber, daß sie dem leßteren Lande dasselbe zugestanden, was es an Frankreih in Folge der Conven= tion vom 16. Juli v. J. bewilligte. l

„„Zn den Unterhandlungen mit Frankreich“, sagt Herr Castiau, „hat man damit geschlossen, womit man hätte anfangen sollen, und so hat man nichts erlangt. Wir hatten die Convention vom 16. Juli zu Gunsten un- serer Leinwand erhalten und dafür die Zölle auf die Seidenwaaren und Weine herabgeseßt. Diese erste Maßregel war schon ein Vorläufer von Unterhandlungen in unserer kommerziellen und industriellen Lage, Frank- reich gegenüber, Was aber that das Ministerium? Kaum war diese Maß- regel angenommen, so beeilte es sich, auf cin anderes Land, auf Deutsch- land, dieselben Bortheile zu übertragen, welche Frankreich durch die uns gemachten Zugeständnisse theuer genug bezahlt hatte. Das Ministe- rium dehnt diese Vortheile auf Deutschland aus, und zwar ohne allé Compensation und ohne Hoffnung auf eine solhe, sondern ge- wissermaßen nur darum, um Frankreih ein Recht zu geben, un- sere Diplomatie der Unlovalität und des Doppelsinns zu zeihen. Diese Maßregel wurde zweimal erneuert, und zwar in einem Augenblick, wo der an die Convention vom 16, Juli angehängte Tarif noch nicht von den französischen Kammern ratifizirt war; und fürchtet mau denn nicht, daß alle diese unentgeltlich au Deutschland gemachten Konzessionen, diese geheimen Angriffe auf Frankreich, sich gegen uns wenden und die Empfindlichkeit die- ses Landes gegen uns erregen werden, und daß am Ende die Convention O, Zuli an dem Widerstand, den man ihr entgegenseßt, zerschellen

Der Minister des Jnnern: Diese Worte sind unklug !

Heir Castig u: Es is niemals unklug, die Wahrheit zu sagen.

Der Minister des Jnnern: Und doch! i

__ Herr Castiau: Wenn der Herr Minister mich eines Besseren belehren will, so bin ich bereit, ihm das Wort abzutreten. i L Sue C00 1, Dare N O, der Minister des Jnnern, Sd z a l jeiner / éuperungen zurechtzuweisen und die age der Linge in Betreff jener angeblichen Konzessionen vom Ge- sihtspunkte der Regierung auseinanderzuseßen, Er nahm die Bezeich= nung nicht zurück, welche er den Worten jenes Deputirten gegeben hatte, und erklärte dessen Beleuchtung der Verhältnisse für unrichtig. Granftreich, sagte der Minister, habe Belgien keine Konzession gemacht jondern das, was Belgien eigentlich von selbst hätte fordern können, nämlich daß es nicht von der Zoll- Erhöhung mit betroffen werde, welche Frankreich, um si gegen die Ueberschwemmung seiner Märkte mit englischer Leinwand zu schüten , gegen England annehmen zu müssen geglaubt habe, dies habe Belgien vielmehr, wie eine Gunst durch ein Zugeständniß verkaufen müssen, und ganz natürlich habe es sich unter solhen Umständen das Recht vorbehalten, diese Konzession die Herabsezun des Zolls auf fremde Seidenwaaren und Weine auch ‘auf and ; Länder auszudehnen; es könne also von Doppelsinn hier Gar Bie Rede sein, und „durch solche unbesonnene Aeußerungen gebe man Grankreih unpatriotisherweise nur Waffen gegen Belgien in die Hand,

Nach diesen und nach weiteren Auseingnderseßungen des Ministers

(auf welche wir zurückfommen werden) gestand Herr Castiau nun ein, daß die ihm von Seiten des Herrn Nothomb zugekommene Rüge wenigstens zum Theil gerechtfertigt sei.

SPaRTeL © Madrid, 2. Dez. Die Ereignisse der lebten Tage sind von der Art, daß dem, der von der Würde des Thrones, von der der weiblichen Unschuld gebührenden Achtung durchdrungen is, die inger erstarren, wenn er sie berichten soll, während auf der anderen Seite das Blut in Wallung geräth, wenn ex auf den Angeklagten blickt, der, sich auf den Auswurf der Revolution stüßend, dem von ihm entweihten Königthume mit gänzliher Zertrümmerung droßÿt. Vem Schreiber dieser Zeilen widersteht der bloße Gedanke, daß man die Aussage der verleßten Unschuld gegen die eines Mannes, der Anschläge gegen das Leben des Vaters der Königin machte *) und vor zwei Fahren die Worte der Mutter eben dieser Königin auf \chlan berechnete Weise verfälschte, auf die Wagschale legen könne. Vie Ereignisse sprechen für si, und was ihnen an Klarheit abgehen dürfte, wird durh das nunmehrige Benehmen Olozaga's der sich für das Haupt der Revolution erklärt, sichtbar. Wenn Gin nun die Art und Weise, wie er sih in Besiß des Auflösungs=Defkretes sebte, unberührt lassen, so dürfen wir doch die Beweggründe aufsuchen von denen Olozaga zur Ergreifung einer so befremdenden Maßregel ver=- anlaßt werden fonnte. Die Majorität des jeBigen Kongresses folg=- lih die Moderirten, beriefen ihn auf den Práäsidentenstuhl, und die= selbe Partei verhalf ihm, gegen den heftigsten Widerstand der Progressisten , zu der höchsten Würde, die ein Unterthan be= kleiden fann. Beide Kammern bewilligen auf der Stelle alle von thm, als Minister-Präsidenten vorgelegten Anforderungen, und nichts deutete darauf hin, daß er die Gunst des Kongresses oder Senates verlieren würde. Ju der Anrede, in welcher er als Präsident des Kongresses die Königin bei ihrem Regierungs-Antritte beglickwünschte sagte er ausdrüccklich : „Ew. Majestät können auf die Stübe des De- putirten-Kongresses rechnen, dessen Wichtigkeit und geseßlichen Einfluß der Auftrag, den die Nation ihm ertheilte, noch erböbt hat, und da= durch bewies, wie gefährlih es ist, die Eintracht, die zwischen der constitutionellen Regierung und den Cortes stets herrschen soll, zu verleßben.“ Was soll man nun sagen, wenn man eben diesen Mann, heimlih, ohne sih mit seinen Amtsgenossen zu berathschlagen, der Romgin ein mit feinem Datum versehenes Dekret entreißen sieht, um es, gleich einer Pistole, in der Tasche zu tragen, die man hervorzieht, wenn man einen Gegner verstummen machen will? Ist dies das von Olozaga angekündigte constitutionelle System in sciner Reinheit? Ob nun aber Olozaga ohne Cortes, also unumschränkt regieren, ob er die Königin selbs in den Augen der Cortes herab= jeben wollte, oder ob er endlich eine Verschmelzung der esparteristischen mit der ultra= progressistischen Partei herbeizuführen und an ihrer Spiße über die Moderirten und alle der Königin aufrichtig ergebenen Diener herzufallen beabsichtigte, is für jeßt noch nicht leiht zu ent- scheiden. Lebteres dürfte das Wahrscheinlichste sein. Olozaga hatte ja offentlich erflärt, daß er feine Gemeinschaft mit den Moderirten wolle. Wie dem auch sein möge, Jedermann muß eingestehen , daß Herr Olozaga mit einer Unbesonnenheit und Verblendung gehandelt hat, wie man sie bei einem so geübten Jutriguanten wohl \hwerlih vorausheßen durfte, Er beleidigte die Progressisten, indem er ‘die Wiederbewaffnung der National-Miliz und die Wahlen zu den Agun= tamientos untersagte; er beleidigte die Moderirten und die ganze Armee und ließ sih zugleich in die Karten blicken, indem er die Ver= fügungen des Ex-Regenten bis zum 30. Juli wieder in Kraft sebte und als er endli einen gewaltsamen Anlauf nahm, um den entschei denden Streich zu führen, fiel er über einen Strobhalm. __JIn diesen Vorgängen liegt eine wichtige Lehre, auf die ih schon bei einer anderen Gelegenheit hingewiesen habe: die, daß man die

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| Zukunft Spaniens oder das Benehmen spanischer Staatsmänner nicht

nach dem Maßstabe der Alltagspolitik berechnen dürfe. Olozaga fand namentli bei seiner leßten Anwesenheit in Paris, eine günstige Aufnahme bei Hofe, Französische Journale priesen ihn als l’homme de la sítuation, als den weisen Staatsmann, der Ordnung mit der Freiheit, Selbstständigkeit mit der Ehrfurht vor dem Throne ver binden werde. Sogleich wurde Olozaga in englishen und anderen Blättern als ein an das französische Kabinet verkauftes Werkzeug dargestellt. Jeßt wird man besser beurtheilen können, ob er sich zum Werkzeuge der französischen Politik machte. Der hiesige französtsche Ge= schäftsträger soll äußerst betreten sein, und ein von ihm vorgestern abgefer= tigter Courier dürfte dem auf detHerreise befindlichen Botschafter, Gra= fen Bresson, die unerwartete Nachricht überbringen, daß der Mann, den er als Minister= Präsidenten hier anzutreffen glauben durfte, bereits eines Majestäts- Verbrehens beschuldigt wird. Uebrigens wird die demnächstige Stellung des Botschafters um so \hwieriger sein, da er natürlih nicht vermeiden fann, die Königin zu \eheu, und die Partei Olozaga?’s niht versäumen wird, alle ferneren, ihr nicht gene hmen Cutschließungen der Königin den Rathschlägen des] Grafen Bresson zuzuschreiben. i Aus den Aufklärungen, die der Graf Ezpeleta gestern im Se= nate machte, geht noch Folgendes hervor: Als die Präsidenten bei= der Kammern und andere Personen sich bei der Königin befanden verlangte Herr Olozaga eine Audienz, um sich zu rechtfertigen Die= ses Ansinnen wurde als höchst anstößig und unerhört auf den ein= stimmigen Rath aller Anwesenden zurückgewiesen. Alle riethen dar= auf der Königin an, ein Coalitions-Ministerium zu bilden, damit keine Partei sich zurücgeseßt finden könne. Den Herren Pidal und Gonzale Bravo wurde das Geschäft übertragen, wenigstens einen Minister zu oed nen, der die Dekrete unterzeichnen könnte, denn die Minister Serrano und Frias hatten sih zurückgezogen und waren nicht wieder aufzufinden. Daher kommt es vielleicht, daß das Dekret, in welchem die Königin ben Herrn Gonzalez Bravo zum Minister ernennt, von feinem Minister kontrasignirt is, ein Umstand, aus dem die Opposition vermuthlich eine sharfe Waffe {mieden wird. i ZU beklagen is, daß die Personen, welche die Königin in Bezug auf die Zusammenseßung des neuen Ministeriums um Rath befragte selbst in Partei-Jnteressen befangen blieben und es verabsäumten Vie auf die Männer hinzuweisen, die vermöge langjähriger Erfahrun unbefleckten Rufes, unabhängiger sozieller Stellung und erprobter Bi terlandéliebe allein geeignet sind, der Königin, ohne den geringsten Anton irte. zur Seite zu stehen und die Intriguen der Par= Ugeln. Solche § gi i ien, ih i ms Uai, olche Männer giebt es in Spanien, wenngleich in § boy C4 4 Les F aen ist der Prinz de Carini, Kammerherr Sr. Majestät onigs beider Sicilien, mit Aufträgen seiner Regierung hier ein= getroffen. Dieser Diplomat war früherhin, als Marquis de la Grua [T Legations Secreikit und Geschäftsträger seines Hofes, bis er n E der Revolution von La Granja Spanien verließ. Damt \ er sich einige Zeit lang im Hauptquartiere des Prätendenten auf.

*) Jm Jahre 1832 wurde Olozaga bekanntlich als Mítschuldiger an einer gegen das Leben Ferdinand's VII. gerichteten Vershwörung gefangen geseßt. Aus Gründen, die in Madrid bekannt genug sind, gelang es ihm, zu entkommen, und, mit einer bedeutenden Geldsumme verschen , Frankreich

zu erreichen während die übrigen Verschwornen das Schaffott besteigen mußten, Anm, d. Korr.