1911 / 47 p. 13 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 23 Feb 1911 18:00:01 GMT) scan diff

Dritte Veilage

zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlih Preußischen Staatsanzeiger,

(S{hluß aus der Zweiten Beilage.)

e Was die Whne der Bahnunterhaltungsarbeiter betrifft, für die verr Delius sich interessierte, so will ih anerkennen, daß diese Whne S0 gewesen sind. Aber von den Lohnaufbesserungen, die wir in diesem Jahre verfügt haben, ist ein nit unwesentliher Teil es lind zwischen 3 und“ 4 Millionen auf die Bahnunterhaltungs- arbeiter entfallen. Es is meine Absicht, gerade die Löhne dieser Angestellten weiter einer sorgfältigen Nachprüfung zu unterziehen.

E Auch der Abg. Delius hat wiederholt die Leistungen der Pensions- asse der preußishen Staatsbahnen bemängelt. Wenn ih auf diese Frage nochmals zurückfomme, so will ich damit nur den Beweis liefern, daß ih einmal seinen Auffassungen durchaus nicht beipflihte und êweitens lebhaft bemüht bin, diese großartige Einrichtung der preußishen Staatsbahnen nicht diékreditieren zu lassen. Er meinte: wir thesaurierten hier, wir sammelten in unzulässigerweise Bestände an. Cr beruft si darauf, daß im Laufe des, leßten Jahres nicht weniger als 6 Millionen den vorhandenen Beständen zugeflossen sind, er meinte: es wäre richtiger, die Leistungen zu steigern. Ja, ist der Herr Abg. Delius in der Lage, mir zu sagen, daß die Kassen sufficient [eiben würden, wenn wir die Leistungen steigern würden? Wird er ® niht akzepticren müssen, wenn ich ihm sage, daß Versicherungs- techniker und das sind do die Sachverständigen, auf die wir uns Uur verlassen können überzeugend nachgewiesen haben, daß die Kasse nur dann sufficient bleibt, wenn sie ihre Leistungen nit weiter erhöht. Die Listungen der Kasse sind ja noch nicht entfernt auf ihrem Höhe- punkt angelangt. Ihren wahren Segen wird die Kasse erst in

bis 20 Jahren zeigen. Gerade darum müssen wir die großen Bestände ansammeln, damit die Kasse dann, wenn e auf ihrem Höhepunkt angelangt ist, auch [eistungs-

fähig verbleibt. (Abg. Wagner [Breslau]: Sehr richtig!)

8 da darf man si au dadur nit s{hrecken und einshüchtern

ilen, daß diese Bestände unter Umständen auf 130 oder 150 Mil-

“lionen anwadisen; es kommt nur darauf an, ob die Kasse dereinst

de sein wird, die Leistungen zu erfüllen, die ihr obliegen. (Sehr r!

wi Ebenso bin ih nit seiner Auffassung, daß wir in der Lage für se e Krankenkassen im Sinne einer weiteren Leistungssteigerung Ver Arbeiterschaft auszubauen. Die 21 Betriebskrankenkassen der als den Staatéeisenbahnverwaltung leisten sämtlich erheblih mehr ® ihnen geseßlih obliegt; das hat gestern auch der Vertreter a Zentrums, der Herr Abg. Beyer, anerkannt. Wenn wir die reitägige Karenzzeit beseitigten, würden wir diese Kassen | auf 08 äußerste gefährden; das wissen wir aus Erfahrungen, die auf diesem Gebiete gemacht worden sind. Ich muß zugeben, daß es in hohem Maße bedauerlich ist, daß wir diesen Wunsch nicht erfüllen können; wenn wir es aber täten, würden wir den Bestand der Kassen gefährden.

Die Frage der freien Arztwahl will ih. hier beute nit erörtern. Sie wird ja in der Neisversicherungsordnung behandelt werden, und es wird abzuwarten sein, ob und wann der dem Reichstage vorliegende Entwurf Geseß werden wird. (Bravo!)

_ Abg. Korfanty (Pole): Die Ostmarkenzulagen dürfen nicht er o sie x M E E Durch die Ostmarkenzulagen wird die Denunziationssuht unter den Beamten großgezogen. Die Eisenbahnverwaltung versucht mit allen Mitteln, die polnishe Sprache auszumerzen. Es sind von ver- schiedenen Eisenbahndirektionen Erlasse ergangen, welche nicht nur den Gebrauch der polnischen Sprache im Verkehr mit dem Publikum verbieten, sondern es den Cisenbahnarbeitern und Beamten Muh verbieten, in ihrer Familie sich der polnischen Sprache u bedienen. Ehe Arbeiter in das Beamtenverhältnis über- teten, müssen fle eine Prüfung ablegen, ob sie die deutsche Epradhe beherrschen. Ja nach einiger Zeit müssen die Beamten [h eine Prüfung ablegen, ob sie die deutsche Sprache nicht ver- êrnt haben. Vom fkaufmännishen Gesichtspunkte aus müßten alle Beamten in den östlichen Provinzen die polnishe Sprache l errshen, damit der Verkehr mit dem Publikum \ich mög- S O - Jn ane A ganz E \ältnijje, in arshau un rakau is man gegen die jolnische Bevölkerung viel liberaler. In Galizien bedienen sich r viele Beamte der deutschen Sprache. Ziehen Sie (nah rets) Vi nur die Konsequenzen daraus! Ich bin in ._ Peters- 0 auf der Bahn unter A der deutshen Sprache sanz gut bedient worden. Ein Eisenbahnarbeiter, der sein Frühstück itr tiner polnischen Zeitung eingewickelt hatte, wurde mit 15 46 Geld- ae belegt. Es ist unwürdig einer fen Verwaltung, mit Men Kleinlihkeiten und folhen Nadelstihen vorzugehen. Der zwis sagte in der Kommission: Wenn wir die Wahl De, hen einem Polen und einem Deutschen haben, ziehen wir den Ale lhen vor. Das ist direkt ein Verstoß gegen die Verfassung. Stell en sind vor dem Geseß gleich, und alle öffentlichen a ven stehen allen Preußen glei zur Verfügung. Die Veèr- Stund kennt feine Deutschen und Polen, sondern nur preußische und È ürger. Jeder Pole, der der deutschen Sprahe in Wort bere rift mächtig ist, ist dem Deutschen vollkommen gleich- in ih igt. Die polnischen Staatsbürger, die bestraft werden, weil Exe Familien polnisch gesprochen wird, können \ih auf die h eung des Ministers in der Budgetkommission berufen, wo er der H at, daß die Eisenbahnverwaltung sich um das Privatleben sogar mten nicht kümmere. _ In einem Falle ist eine Bestrafung Gehete getreten, weil ein Familienmitglied mit einem polnischen Vorgeke? in den polnischen Gottesdienst gegangen ist. Das je en der Eisenbahnverwaltung richtet sich auch gegen scheint Dolische Religion. Die Germanisierung der Ostmarken Wohnun, cine Protestantisierung quszuarten. Mit dem Bau der leuten en für die Eisenbahnbeamten wird den polnischen Bau- E anat es E L E E M esiedelt, die Regierung verfolgt auc Hiermik eine anlt- è Politif. Der Minister Rit die Enteignung von polnischem ¿sum Zweck der Erbauung von Beamten- und Arbeiterhäusern als zu Necht bestehend anerkannt.

Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach: magt S Verfügung der Direktion Bromberg, die zur Bedingung Werde, die Arbeiter, die auf den kleineren Rentengütern angesiedelt ollen, evangelis fein müssen, hat keineswegs die Absicht, kon- G Gegensäge zu betonen; das muß ih auêdrüdlidh feststellen,

Legenteiligen Ausführungen des Hérrn Abg. Korfanty. Es

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Berlin, Donnerstag, den 29. Februar

handelt sich hier um die Schaffung von Rentengütern kleinster Art, die sogenannten Zwergrentengüter, Diese werden von der Ansiedlungs- kommission und von Ansiedlungsgenossenschaften au in der Nähe der Bahn gegründet. Diese Rentengüter müssen sich naturgemäß an deutsche Ansiedlungen anschließen. Nun sind aber bestimmte Teile im Direktionsbezirk Bromberg vorhanden, in denen die Anlage diefer Zwergrentengüter nur in rein polnischen Landesteilen erfolgen kann. Wenn wir dort unsere Angestellten ansiedeln, die Deutsh-Katholiken sind, so fehlt ihnen die deutsh-katholische Kirchenfürsorge. (Lachen bei den Polen und sehr richtig! rechts.) Das ist der einzige Grund, weshalb der Direktionsbezirk Bromberg bekannt gegeben hat, es sollten sich nur evangelische Angestellte melden. Jede andere Auslegung ist unzutreffend, und ih verwahre mi ausdrücklich dagegen.

Wenn dann Herr Korfanty den Ostmarkenfonds einen Korruptions- fonds genannt hat, so muß ih als Vertreter der Staatsregierung ausdrücklich dagegen protestieren. Die geseßgebenden Faktoren haben infolge einer Notwendigkeit diesen Fonds geschaffen, und ih brauhe mich über die Zwecke nicht auszulassen, sie sind bekannt. Die Fonds erfüllen nur die Zwecke, die von ihnen vorausgeseßt sind.

Was das Verhalten der Staatseisenbahnbehörde gegenüber den Angestellten polnischer Zunge betrifft, so habe ih meinen Ausführungen in der Budgetkommission nichts hinzuzufügen. Die Sache liegt so, daß unsere gesamten Angestellten im Dienst deutsch \prechen müssen, damit sie in der Lage sind, mit dem Publikum deutsch zu sprechen, deutsch zu verhandeln. Um das festzustellen, scheint es mir ganz berechtigt, daß die zuständige Verwaltungsbehörde zeitweilig prüft, ob die Beamten und Angestellten polnischer Zunge sih auch noch die Kenntnis der deutshen Sprache konserviert haben; denn die geht selbst- verständlich unter Umständen verloren. Von einer Ausmerzung der polnischen Sprache kann gar nicht die Rede sein. Ich möchte Herrn Korfanty bitten, mir die Abschrift der Verfügung der Direktion Bromberg mitzuteilen, in der die Direktion Einwirkung nehmen will auf die polnische Sprache in den Familien. Ein derartiges Verbot, die polnishe Sprache in der Familie. zu sprechen, würde ih nit gutheißen können. :

Wenn der Herr Abgeordnete uns dann die Geschichte erzählt hat, die sehr hübsch klang, von der Wurst, die in der polnishen Zeitung eingewidelt war; so muß er mir in der Tat den Nachweis* liefern, daß dieser Angestellte nur um dieses Umstandes willen in eine Dis- ziplinarstrafe von 10 (6 genommen ist. Das ist eine schr hohe Dis- ziplinarstrafe, und {hon die Höhe dieser angeblichen Strafe scheint mir nicht zur Unterstüßung der Richtigkeit der Beshwerde des Abg. Korfanty beizutragen. Die Grundsäße, nah denen die preußische Eisenbahn- verwaltung und die preußishe Staatsverwaltung in den polnischen Bezirken handelt und handeln muß, stehen fest für mich wie für jeden anderen Staatsminister. Ich bin nicht in der Lage, hier eine Aenderung zuzusichern. (Bravo! rets.)

E R E S E E e T Wen O EM den Konservativen noch nicht gehört. Es geschieht gerade hier, wo die Löhne der Beamten und Arbeiter erhöht werden sollen. Es ist sehr wohlwollend von dem Minister, wenn er uns Abgeordneten erlaubt, in die Versammlungen. der Beamten und Arbeiter zu gehen, aber wir unterstehen ihm nicht und lehnen eine -folche Erlaubnis ab; wir werden in die Versammlungen gehen, wann es uns beliébt. Für die Eisenbahnassistenten hat der Reichstag besser gesorgt als der preußische Landtag, und er hätte noch besser gesorgt, wenn nicht die Konservativen und das Zentrum umgefallen wären, als die Gefahr der Auflösung des Meichstages beseitigt war. Der Minister behauptete in einer früheren Sizung, es werde gar nicht hoh genug bewertet, daß den Eisenbahnarbeitern 115 000 Unter- beamtenstellen offen ständen, in die sie aufrücken könnten. Wir haben 115000 Unterbeamtenstellen, aber 325 090 Hilfs- bedienstete und Arbeiter. Wenn nun in den leßten 10 Jahren von diesen 60000 in Unterbeamtenstellen aufgerückt sind, so sind es in jedem Jahr nur 6000 gewesen bei einer Gesamtzahl von 325 000. Danach ist dieser ganze Vorteil nur mit einer sehr \{lechten Lotterie zu vergleichen. Die Verhältnisse der Hilfsschaffner werden immer \chleter, sie werden erst nach 10 bis 15 Jahren

angestellt, die meisten werden ar nicht angestellt. Die Höchstgehälter erreichen die Unterbeamten nur in ganz ver- s{hwindendem Maße, weil sie zu spät angestellt werden. Ueber die

Lohnerhöhungen, von denen so viel geredet wird, berrs{cht im Etat ein ziemlihes Dunkel; es kommen höchstens 10 Millionen dafür heraus, das macht pro Kopf der Arbeiter im Jahr 33 # und für den Tag 10 4. Das ist ein reines Almosen gegenüber den er- wähnten Aufbesserungen von wenigstens 200 , und das in einer Verwaltung - mit so großen Ueber]hüssen! Ein großer Teil der Arbeiter bekommt überhaupt keine E nur die älteren Acbeiter werden dabei bedacht. Der höchste Lohnsaß ist nur um 90 4 für den Tag erhöht worden, Bei den Beamten sind gerade das Anfangsgehalt und die mittleren Gehalts\tufen erhöht worden, der Ansangslohn der Arbeiter ist aber so geblieben, wie er war. Wenn man wegen der LÆbensmittelteuerung dem Könige von Preußen 31 Millionen mehr gegeben hat, so hätte man auch bei den Arbeitern die Lebensmittelteuerung anerkennen müssen, und wenn man sagt, die Arbeiter müßten sih nah der Decke strecken, so hätte man das nur nach anderer Stelle hin sagen müssen. Und da kommt noch Herr Beyer und sagt dem Minister tiefgefühlten Dank für die Behandlung der Arbeiter! Durch die Umwandlung von Akkordlöhnen in feste Löhne sind Vershlechterungen des Lohnes um 7—12 4 im Monat herausgekommen. Soweit die Akkordlöhne beibehalten werden, müßten wenigstens die Stüelöhne unter Mitwirkung der Arbeiterausshüsse festgeseßt werden, der Minister hat aber O daß die Arbeiterausschüsse darüber nit gehört werden, weil fie nicht sachverständig wären. Ein Wunder, daß es in einem solhen Betriebe keine sachverständigen Arbeiter gibt! Die Arbeiter verlangen überhaupt die Beseitigung aller Afkkordlöhne. Der Minister sagt, nah den ortsüblichen Tagelöhnen könne er sich nit rihten. Die ortsüblichen Tage- Iöhne sind aber nicht aus der Luft gegriffen, sondern vom Regierungspräsidenten nah Anhörung der Arbeiter und Arbeit- eber festgeseßt worden. Es “ist traurig, daß die Arbeiter der taatsverwaltung immer nah einer Lohnerhöhung rufen müssen und wenn den staatlihen Arbeitern gesagt wird, sie sollten do ihre Frauen mitarbeiten lassen, so ist das unter aller Kritik. Jn deri Statistik, die eine Steigerung der Löhne nachweisen soll, ist vieles hineingenommen worden, was gar nicht zum Lohn gehört, wie Reisekosten, Tagegelder bei Teilnahme an Versammlungen usw. wir verlangen eine flare Nachweisung der wirklichen Löhne. Ebenso ist die Nachweisung der Dienststunden unklar. Die Lokomotivführer, die wegen der Sicherheit des Dienstes gerade einer Verkürzung der

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Dienstzeit bedürften, haben in Berlin im Monat 25 Diensttage von 11 Stunden und 20 Minuten zu leisten. Der Minister will niht- höhere Löhne zahlen, damit nicht die Arbeiter in der Industrie und Landwirtschaft sih darauf berufen und ihrerseits Tobnerg una Le langen können. Der Minister ist also der Schußpatron der Groß- industrie und der Landwirtschaft. Jn einigen Eisenbahnwerkstätten sind die Einrichtungen fo mangelhaft, daß Erkrankungen, namentlich an Tuberkulose vorgekommen se Man hat diesen Arbeitern empfohlen, die Streenarbeit in der frischen Luft zu übernehmen, aber sie haben dafür geringere Löhne als in der Werkstatt bekommen. Wenn Ausschußmitglieder Beschwerden vorbringen, wird mit einer fleinlihen Denunziationspolitik versucht, die Urheber der Beschwerden zu ermitteln. Oft finden Lohnherabseßungen statt, ohne daß den Arbeitern mitgeteilt wird, wodurch die Abzüge zu erklären sind, so daß sie auf alle möglihen Vermutungen fommen. Arbeiter werden sogar zum Uebertritt in den „NReichswahrheitsverband" gegen die Sozialdemokratie aufgefordert. In Stendal soll der 40. Geburtstag der Strecke dur ein großes Fest gefeiert werden. Zu diesem

Zwecke sollten den Arbeitern wöchentlih 15 Z abgezogen werden. Von diesen Bkliträgen sollte dann auch noch die neue

Fahne bezahlt werden. Die Arbeiter haben daran gar kein

Snteresse. (Zuruf: Wie machen Sie es denn!) Ja, an unserer Organisation haben die Arbeiter ein großes Interesse. Weil die Arbeiter sich weigerten, diesen Beitrag zu zahlen, ist {ließlich der D aufgehoben worden. Man zwingt die Arbeiter ferner, aus den ‘onsumvereinen auszutreten, und übt auf diese Weise einen unberech- tigten Terrorismus aus. Mit fkleinlihen und wenig vor- nehmen Mitteln sucht man die moderne Arbeiterorganisation zu bekämpfen. Von den Rollfuhrgesellshaften verlangt man, daß ihre Arbeiter nicht dem Transportarbeiterverbande angehören dürfen. Wenn Sie die Sozialdemokraten ganz fernhalten wollen, dann \chließen Sie doch auch die Beförderung jozialdemokratischer Schriften, ja auch die Beförderung von Sozialdemokraten auf ‘der Bahn aus. Warum hat man die Cisenbahnarbeiter nicht in das Arbeitskammergeseß hineinbezogen? Der Minister hofft, daß es bei uns nicht zu einem Streik kommt. Wenn die Un- zufriedenheit in dieser Weise aber weiter aufgestachelt wird, kommt es zu einer gewaltigen Grplosion. Außer dem Streik gibt es ja noch die Möglichkeit der passiven Resistenz. Der Willkür muß ein Ende gemacht werden, wir wollen freie Arbeiter in einem freien Staate. Aber Preußen ist kein freier Staat. Diejenigen, die jeyt die Hérr- schaft in der Hand haben, werden bei den sten Reichstagswahlen Quittung erhalten.

Minister der öffentlihen Arbeiten von Breitenbach:

Meine Herren! Der Herr Abg. Leinert richtete an Sie den Appell: Freie Arbeiter in einem freien Staat! Ich kann ihm nur erwidern: geben Sie (zu den Sozialdemokraten) die Arbeiter frei, dann sind sie frei. (Sehr richtig! rechts, im Zentrum und bei den Nationalliberalen.)

Die Kritik des Herrn Abg. Leinert kann \ich nur in begrenzten Richtungen bewegen; sie ist in seinem Sinne sicher eine ershöpfende, aber darum doch nicht zutreffend. Meine Herren, wenn die Staats- eisenbahnverwaltung so wäre, wie er sie schildert, dann frage ih: wie ist es mögli, daß die Staatseisenbahnverwaltung zu allen Zeiten, besonders in den Zeiten des größten Arbeitermangels, in der Lage gewesen ist, ihr großes Personal zu halten, es ständig zu vermehren, ganz nah ihrem Bedarf (hört, hört! rechts), und auch zu jeder Zeit einen großen Zulauf an Arbeitskräften zu Haben? (Sehr richtig! rechts.) Meine Herren, wir befinden uns augenblicklich unter dem Zeichen einer aufsteigenden Konjunktur, und da wird es doch von Interesse sein, wenn ih feststelle, daß wir am 1. Januar d. I. nicht weniger als 30 000 Anwärter für Arbeiterstellen aufgezeihnet hatten (hört, hört! rets), und in dem vorhergehenden Vierteljahr nicht weniger als 15 000 Arbeitsuhende zurückgewiesen hatten. Das nur zur Einleitung und zur Beleuchtung der Gesamtkritik des Herrn Abgeordneten !

Der Herr Abgeordnete hat ih, wie andere der Herren Vor- redner, mit meinen Aeußerungen in der Budgetkommission befaßt, die meiner Sorge Ausdruck gaben, daß die Stellung der Verwaltung ershwert werden könne durch das Erscheinen der Herren Parla- mentarier in den Versammlungen unserer Angestellten. Nun bezüglich der Herren Vertreter der Sozialdemokratie haben wir keine Sörge. (Bravo! rets.) Unsere Beamten wissen es ja, daß sie Ihre (zu den Sozialdemokraten) Versammlungen niht aufsuchen dürfen (Lebhafte Rufe bei den Sozialdemökraten: Hört, hört! Sehr richtig! rechts. Zurufe bei den Sozialdemokraten) meine Herren, Sie sind ja in der Lage, mir nachher zu erwtdern, unterbrehen Sie mich doch nicht fortdauernd! fie kennen die Konsequenzen und richten sich dana. Ich wundere mi nicht, daß deim Herrn Abg. Leinert mein Hinweis, daß unsere Arbeiter eine große Sicherung dadur erfahren, daß ihnen eine erhebliche Zahl

unserer Unterbeamtenstellen zugänglich ist, sehr unbequem gewefen ist. -

Fc konnte voraussehen, daß êr die Methode anwenden würde, die er angewandt hat, um diese meine Aeußerung zu diskreditieren. Alles, was er in dieser Beziehung gesagt hat, ist hinfällig. Es stehen nit bloß, wie ich neulih sagte, 115 000, sondern 120000 Stellen für die Arbeiter offen, und es sind nicht nux 60 000 Arbeiter“ in den leßten 10 Jahren eingerückt, sondern, wie ih auf Grund einer Nach- prüfung festgestellt habe, 65- bis 70000. (Hört, Hört! rechts.) Herr Abg. Leinert sagt, was will das besagen? das mat nur 6000 ‘oder 6500 Köpfe pro Jahr was will das besagen gegenüber einer Zahl von 330000 Angestellten, die im Arbeiter- und Hilfsbeamtenverhältnis sich befinden? Er stellt die beiden Zahlen 6000 oder 6500 gegenüber 330 000. Ih

möchte den Herrn Abgeordneten fragen, ob es in irgendeinem Berufe -

möglich ist, sofort in die Lebensstellung einzurücken, auf die man ab- zielt; ob nidt jeder von uns eine lange Wartezeit gehabt hat (sehr rihtig!), ehe er die Berufsstellung errang, die er sich vorgenommen hat. Wir tellen unsere Arbeiter ein in einem Alter von 18 Jahren bis 20 Jahren; das bildet die Regel. Wenn die Arbeiter 10 oder aud 12 Jahre warten müssen, bis sie in“ eine Beamtenstellung ein- rücken können, fo ergibt sih aus diefer Rechnung, wenn Ste von den jährlidhen Zahlen 6000 oder 6600 ausgehen, daß 70- bis 72000 An- wärter in die Stellen eingerüdt- find, auf die sie reflektiert haben. Es ist also ein starker Prozentsaß von Angestellten, denen wir inner- halb einer gegebenen Frist diese Sicherung für ihr Dasein schaffen können, Das kann niemand hinwegreden; das ist eine Tatsache, und