1844 / 24 p. 2 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

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An ac E E E E

/ “ndiaer Verbrecher solche verlange, indem derselbe sie B derem eral werde, als die vorgekommenen Thatsachen so shwaznkend als möglich zu machen, um auf solche Weise einem weiteren nachtheiligen Urtheil in zweiter Instanz oder einer anderweitigen, na h 8. 411 und 412 der Kriminal -Ordnung zulässigen, nochmaligen Untersuchung vorzubeugen. Dies is aber nicht der Gesichtspunkt des Gesebßgebers, weil 2c,“ Die hier dur ge- sperrte Lettern hervorgehobenen Worte des Reskripts beweisen, daß dasselbe feineêweges blos „den Fall betrift, wenn der Angeschuldigte in erster Instanz verurtheilt wird.“ Was berechtigte demnah die Allg. Preuß. Zeitung zu ihrer obigeu Annahme? E : Die Allg. Preuß. Zeitung jagt: „Der Dr. Jacoby ist in zweiter Justanz freigesprochen, er hat eine Ausfertigung der

Formel des Erkenntnisses erhalten, diese Ausfertigung genügt, um den Beweis seiner Unschuld gegen Jeden zu führen, der fie bezweifelu sollte, Mehr bedarf es nicht.“ Die Kriminal-Ord- nung (§. 413 und 414) unterscheidet zwei Arten der völligen Freisprechung: die wegen erwiesener Unschuld und die wegen mangelnden Beweisesz erstere „bewirkt jederzeit eine Befreiung von der Untersuhung wegen eben desselben Ver- brechens‘“, bei der zweiten dagegen findet „eine Erneue-= rung der Untersuchung statt, wenn dazu eine neue, retlich begründete Veranlassung vorhanden ist.“ Das Reskript vom

29, April 1817 (v. K. J., B. 9, S. 248) verbietet, diesen

Unterschied zwischen den beiden Arten der Freisprechung in der

Erkenntniß -Formel auszudrücken. Wie kann der Freige

sprochene sich gegen den Angriff, daß er nicht wegen erwiesener

Unschuld, sondern nur aus Mangel an Beweisen freigesprochen

worden, vertheidigen, wenn ihm die vollständige Abschrift der

Erkenntuiß-Gründe versagt wird?

Die Beantwortung dieser vier Fragen ist die Allg. Preuß. Zeitung nit mir, sondern si selbs und ihren Lesern \{uldig.“

Hierauf wird Folgendes erwiedert:

Zu 1. Der Bericht der Vossischen Zeitung is früher zur Kenntniß der Justiz - Verwaltung gekommen, als die Erklärung des Dr. Jacoby. Jener Bericht wurde also auch früher beantwortet, als diese Erklärung. Die Beantwortung der leßteren is aber bereits am 16ten d. M. erfolgt und nicht nur an die Redaction der Kd nigsberger Allg. Zeitung und, da sie ein allgemeineres Zuker- esse für die Justiz = Beamten bot, an die Redaction des Ju stiz= Ministerialblattes, soudern auch an die Redaction der Königl. Preuß. Staats=-, Kriegs=- und Friedens=-Zeitung, die den Angriff aufgenommen hatte, gesaudt worden. Die Beantwortung enthält Wort für Wort die Erklärung des Pr. Jacoby, Die Justiz= Verwaltung hat dadurch an den Tag gelegt, daß sie keine Veran=- lassung hatte, diese Erklärung zu \heuen, und daß sich dieselbe eben so gut zur Widerlegung eignete, als jener Bericht!

Zu 2. Die einfache Veröffentlihung eines freisprechenden Ur= theils von Seiten des Freigesprochenen, {o weit ihm dasselbe in einer amtlichen Ausfertigung mitgetheilt worden, würde feinen Mißbrauch | enthalten, die Veröffentlichung amtlich nicht mitgetheilter Entschei= | dungsgründe würde ein Mißbrauch sein; weil deren Mittheilung nur durch einen Bruch des Amts = Vertrauens erfolgt sein könnte, Was für ein anderer Mißbrauch in dem vorliegenden Falle denkbar wäre? hat nicht der Chef der Justiz-Verwaltung zu beantworten, da uicht ihm die Beurtheilung über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Mittheilung zusteht, er auch an sich kein Feind der Oeffentlichkeit ist, weun sie sich auf eine wohlwollende, anständige Weise äußert,

Zu 3. Das Reskript vom 12. November 1831 fällt in einen Zeitraum vor der Amtsthätigkeit des gegenwärtigen Chefs der Justiz= Verwaltung, es kömmt nicht darauf an, dasselbe zu vertheidigen, oder anzugreifen, Keinem Rechtsverständigen ist aber unbekannt, daß uach dem Brauch des gemeinen deutschen Rechts jeder Entscheidung die Zweifelsgründe (rationes dubitandi) vorangeschickt wurden und die entsheidenden Gründe (rationes decidendi) folgten. An die ersteren hält sich der Dr, Jacoby, an die leßteren die Justiz-Verwaltung und, wie sie glaubt, mit besserem Recht. Wenn man aber auch auf das System des ersteren eingeht, so befindet er sich nicht einmal in dem mit gesperrten Lettern hervorgehobenen Falle. Die gg. 411 und 412 der Kriminal-Ordnung handeln von der vorläufigen Frei- sprehung, der De. Jacoby is aber völlig freigesprochen.

Zu 4. Was der De. Jacoby über die §§. 413 und 414 der Kriminal-Ordnung und das Resfript vom 29, April 1817 vorgetragen hat, hat seine vollkommene Richtigkeit. Es folgt daraus, daß wenn eine neue rehtlich begründete Veranlassung vorhanden sein sollte, eine Erneuerung der Untersuhung möglich wäre. Von einer solchen Erneuerung is aber nicht die Rede. Die Frage: Wie der Freige- sprochene sich gegen den Angriff, daß er niht wegen erwieseuer Un- \huld, sondern nur aus Mangel an Beweisen freigesprochen worden, vertheidigen könne, wenn ihm die vollständige Abschrift der Erkeunt- nißgründe versagt wird? würde sih dahin beantworten: Jede Ver- theidigung seßt einen Angriff voraus. Der Freigesprohene wird daher den Angriff abzuwarten haben und dann wird ihm das Recht der Vertheidigung nicht geshmälert werden. /

Die Beantwortung dieser vier Fragen erscheint dem Wunsche des Herrn Dr, Jacoby gemäß in der Allg. Preuß. Zeitung im Juteresse ihrer Leser und in dem der Justiz-Verwaltung,.

Köln , 19. Jan. (K. Z.) Heute werden es acht Tage, seit-- dem unsere stehende Rheinbrücke wegen des begonnenen Cisganges ausgefahren worden, und wir Gelegenheit hatten, neben den bisheri- en Transportmitteln von Kähnen und Ponten ein kleines Dampf- {if beobahten zu fönnen, wie es ungeachtet des ziemlich starken Eisganges die Schollen mit glücklihem Erfolge beseitigend , in kurzen Zwischenräumen Köln mit Deuß verband. Man zweifelte zwar An- fangs an der Ausführbarkeit des Unternehmens, aber selbst in der furzen Zeit von wenigen Tagen is das Problem wenigstens in dem Grade gelöst worden, daß die Möglichkeit gezeigt is, wie man auf eine rasche, äußerst bequeme und sichere Weise troß des Eisganges 8 hes lebendige Communication zwischen hier und Deuß unterhal=

ann.

(M. Z.) Die Einwohnerzahl Kölns beläuft sich nah der am Ende des vergangenen Jahres vorgenommenen Zählung auf 78,209 Borlouas, Bon diesen gehören 70,938 der römisch - katholischen, 5 der evangelischen und 2 der anglikanischen Kirhe an. Die Zahl

er Juden beträgt 784 und der Mennoniten 3 Personen. Die Gar- ne t 3975 Mann, unter denen 196 Ober - Offiziere, 91 Unter= Fans die Ea und 961 Domestifen begriffen sind. Jm Jahre 1841

g die Einwohnerzahl 70,999, von denen 65,073 der fatholischen,

E g der evangelischen Kirche angehörten. Die Zahl der Juden

Posen, 20. Jan. Der Magistrat brinat in et i zu unserer heutigen Zeitung den De Éa dée Stadi für das laufende Jahr zur öffentlichen Kenntuiß, Die Gesammt - Ein- nahme ist auf 69,462 Rthlr. 22 Sgr. 14 Pf. veranschlagt (darunter an Grundzinsen 3526 Rthlr, 11 Sgr. 3 Pf., an Erbpacht 1845 Rthlr. 9 Sgr. 8 Pf., an Pachtgefällen und Miethen 3693 Rthlr, 23 Sgr.

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9 Pf., an Einkünften von niht vérpachteten Gerechtigkeiten 10,139 Rtblr. 20 Sgr. 1 Pf., an städtischen Abgaben 46,361 Rthlr. 11 Sgr. 5 Pf.) Die Ausgaben sind auf die gleihe Höhe berechnet, Den bedeutendsten Posten unter denselben bilden 13,330 Rthlr., die zur Erhaltung der Stadtschulen ausgeseßt sind. Für die Armenpflege sind 9750 Rthlr. bestimmt, worunter 1750 Rthlr. Beihülfe zur jüdi= hen Armenpflege.

AuslauDd. Deutsche Bundesstaaten.

Sachsen. Zwiekau, 19. Jan. (L, Z.) Die Zählung des | Einwohnerbestaudes der Stadt Zwickau am 1, Dezember 18453 hat, ohne die Militairpersonen und deren Familien und obve die Detinir- ten der Corrections - und Arbeitshaus - Anstalt , ergeben : 8840 Per- sonen mit 2025 Haushaltungen, und zwar 4167 männlichen und 4673 weiblichen Geshlechts; nah den Konfessionen: 8746 evangelisch- sutherishe, 6 evangeli = reformirte und 88 katholische Christen. Mit dem gleichzeitig zu 1438 Personen, einschließlich der Eheweiber und Kinder, gezählten Bestand der Garnison an 2 Bataill, nebft Regimentsstabe, u. 734 Detinirten der genannten Strafanstalt an jenem Tage, betrug die gesammte Bevölkerung 11,000 Personen. Am 1sten Dezember 1840. belief sie sich ohne Militair und Detinirte auf 7958 Personen, und hat sich mithin seitdem um 882 Personen, also um mehr als 11 Procent vermehrt. Die Brandversicherungs- summe der Gebäude des Stadtbezirks betrug mit Beendigung des neuen Katasters im Mai 1839.: 808,400 Rthlr., in Folge von Neubauten und Verbesserungen is dieselbe seitdem nah dem leßten Katasternachtrage v. J. auf 1,073,2685 Rthlr. gestiegen.

Üussland und Polen.

St. Petersburg, 16. Jan. Se. Kaiserl. Hoheit der Groß- fürst Thronfolger is am 11ten d, in vollkommenem Wohlsein von Darmstadt wieder hier eingetroffen,

Am 13ten d. (dem russischen Neujahrstage) wurde in der Ka- pelle des Winter = Palastes die feierlihe Verlobung Jhrer Kaiserl. Hoheit der Großsürstin Elisabeth Michailowuna mit Sr. Durchlaucht dem regierenden Herzoge Adolph von Nassau in Gegenwart Jhrer Kaiserl. Majestäten, aller höchsten Personen der Kaiserlihen Familie, der Mitglieder der Synode und des Reichs - Raths, so wie der aus- wärtigen Gesandten, vollzogen, Darauf war im großen Mar= morsaale Mittagstafel für die Personen beiderlei Geschlechts der ersten drei Rangklassen, wobei folgende Toaste ausge- braht wurden: 1) Auf das Wohl Jhrer Majestätenz 2) auf das Wohl Jhrer Kaiserl. Hoheiten des Großfürsten Michael und der Frau Großfürstin Helenaz 3) auf das Wohl der hohen Ver= lobtenz 4) auf das Wohl der gesammten Kaiserlichen Familie; 5) auf das Wohl der Geistlichkeit und aller getreuen Unterthanen. Am Abend desselben Tages war Ball im Georgensaale, wozu alle ange-

sehene Personen beiderlei Geschlechts, die auswärtigen Gesandten und alle hoffähige Personen, so wie die Generale, Stabs- und OberOffiziere der= Garde, Armee und Flotte, eingeladen waren. Vor dem Balle empfingen die hohen Verlobten im Konzert-Saale die Glückwünsche der Mitglieder des biplomatischen Corps. Den ganzen Tag über ertönte das Gloken=

geläute von allen Kirhen. Abends waren die Festung und die Stadt erleuhtet, Am folgenden Morgen versammelten sih die Mitglieder der Synode und die übrige angesehene Geistlichkeit, die vornehmen Personen beiderlei Geschlehts, die Generalität, die Stabs- und Ober- Offiziere der Garde und die Stabs-Offiziere der Armee, sto wie alle Personen der exsten fünf Rangklassen, um den hohen Verlobten ihre Glückwünsche abzustatten.

Der wirklihe Staatsrath Lomonossof is zum Kaiserlich russischen außerordentlihen Gesandten und bevollmächtigten Minister am Hose von Rio Janeiro ernannt worden.

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Deputirten - Kammer. Sibßung vom 16. Januar. Als Herr Thiers im Anfang seiner heutigen Rede an den materiel len Wohlstand und die Nuhe des Landes unter dem Moléschen Mi- nisterium erinnert hatte, welches dessenungeachtet gestürzt worden sei, fuhr er fort:

„Man sagt, wir hätten uns dessen nicht zu rühmen, (Gelächter) Jch habe diesen Einwurf vorhergeschen, Für diejenigen, die nicht von der Noth- wendigkeit seines Sturzes überzeugt waren, is alledings kein Grund vor- handen, si dessen zu rühmen; diejenigen aber, welche dabei aus Neberzeu- gung handelten, brauchen darüber kein Bedauern zu empfinden. Doch nein, ih irr: mi; ich empfinde do ein Bedauern; ih war gewiß nicht der rührigste und nicht der bitterste in jenem Kampfe, und doch bedauere ich, daß ih mir nicht die Hälste meiner Lebhaftigkeit erspart habe, um sie zur Bekämpfung desjenigen zu verwenden, was wir seitdem gesehen, (Geläch- ter zur Linken.) Jch will nur hervorheben, was wir damals verlangten und was wir seitdem haben, Wir wollten eine feste Regierung, die sich durch geschite Zugeständnisse und durch einen wohlvorgezeichneten Gang eine bedeutende Stärke in der Kammer shüfe, das Königthum deckte und die zur Leitung der kleinen wie der großen Dinge nothwendige Geistesfrei- heit besäße. Jch glaube noch jet, daß dies die unerläßlichen Betingungen sind, um mit Würde und Ehre zu regieren l i -

Der Redner sebte nun, wie bereits mitgetheilt, seine Ansichten über das zu befolgende Regierungs-System aus einander, welches darin bestände, daß die eine politishe Richtung, hier also die konser- vative, der anderen der vorwärts drängenden Opposition, angemessene Zugeständuisse zu machen habe, und sagte dann weiter: '

„Man wird mich sragen, was für Zugeständnisse? Man wird fragen : Wollen Sie, um Stimmen zu gewinnen, die Jnstitutionen des Landes einer neuen Umgestaltung preisgeben?# Kindern giebt man eiwas zu zerstören in die Hände, um sie zu beschäftigen. Darauf antworte ich, daß ich an Neue- rungen keinen Geschmack finde; einer meiner chrenwerthen Freunde (Herr Piscatory) hat sogar gesagt, ich haßte den Fortschritt; das will ich nun gerade nicht sagen, das wäre übertrieben, aber ich habe allerdings ei- niges Mißtrauen gegen den Fortschritt ; also bin ih gewiß nicht verdächtig. Wenn ih aber um uns blicke, ‘o bin ih überzeugt, daß es Reformen aus- zuführen giebt, wichtige Reformen, dic nüßlih und keinesweges gefährlich sind. Js es nicht wahr, daß eine Kette sich zu bilden beginnt, die an den Gipfel der Gewalt sich löthend, sich an die lezten Grundlagen des gesell- \chaftlihen Gebäudes heften will? Js es nicht wahr, daß diese Kette, die so wer auf der ministeriellen Gewalt lastet, immer s{hwerer wird? Be- klagen sich nicht hon einige unserer Kollegen darüber, deren Ansichten ich sicherlich nicht theile, Sie haben ein großes Problem zu lösen: die Reprä- sentativ-Negierung und die Centralisation mit einander in Einklang zu bringenz dies is} sehr \{chwierig, und doch müssen beide mit cinander gehen, denn die Repräsentativ-Regierung is die Charte, für die wir leben und eingenommen

sind, und die Centralifation ist die Seele und Stärke des Landes, Aber nehmen Sie si in Acht, es besteht ein Mißbrauch in unserer Regierung, der täglih zunimmt; am Tage der Wahlen befindet sih der Kandidat in einer Abhängigkeit, in einer ehrenwerthen Abhängigkeit den Wählern gegen- überz das ist recht und billig, aber diese Abhängigkeit dauert fort und wächst noch nah der Wahl, und das ist ein {hlimmes Ding. Jn England bie- tet der Wahltag häßlihe Scenen dar, das ist wahr, aber am Tage darauf ist der Gewählte vollkommen unabhängigz bei uns isst der Tag der Wahlen zwar ein nüchterner Tag, aber am folgenden Morgen und so weiter fort is der Deputirte abhängig von seinen Wählern, und das in

gekehrter Gunst sei, und daß man nicht, statt oben gefallen zu müssen, ge- nöthigt werde, unten zu gefallen. (Gekächter.) Man hüte sih auch,” daß man nicht daneben auh noch genöthigt sei, oben zu gefallen, denn man würde daun die verabscheuungêwürdigste aller Negierungen haben, weil die- selbe die Fehler aller bekannten Regierungen in sih schlö}se, Dieses Uebel erheischt ernstlihe Abhülfe, und {hon hatte mein ehrenwerther Freund, Herr Ganneron, als Heilmittel eine Maßregel vorgeschlagen, die aber mit ciner Majorität von 8 Stimmen verworfen worden is; ih glaube, sie würde einem so bedenklichen Zustande ein Ende gemacht haben.“

Hierauf ging der Redner zu den einzelnen Verwaltungs- Maßregeln des jeßigen Ministeriums über und sagte in dieser Hinsicht :

„Man hat anders zu regieren versucht, als man es nah meiner An- siht hätte thun sollen. Jch gebe zwar zu, daß meine Ansicht fam einige Monate erprobt wurde, während die andere Ansicht mehrere Jahre der Dauer für sich hat; aber sehen wir auf das Resultat. Das jeßige Mini- sterium gelangte im Jahre 1840 ans Ruder; es hatte Verzeihung in An- spruch zu nehmen, denn es wandte sih ganz nach einer Seite hin, Was geschah? Am Tage seines Verwaltungs-Antritts erhielt es eine starke Ma- jorität, Jm vorigen Jahre aber, als es seine Politif klar und deutlich fundgethan hatte, sank es zu einer weit \{wächeren Majorität herab. Jch will nicht sagen, daß man mit 40 Stimmen Majorität nicht bestehen kön-

nen, aber regieren is etwas Anderes; zu festem Regieren gehört etwas An-

| deres. Jch habe allerdings gemeinsame Freunde mit dem Ministerium, aber

das is nichi zu verwundern, da wir uns ja zusammen in der Opposition befanden.“ Zahlreiche Stimmen: Und auch in der Verwaltung. (Gelächter.) Herr Thiers fortfahrend: „Einem emvfindlichen Kabi- net fann man sehr bald ein Eude machen, aber s{wieriger ist cs, cin Ministerium zu stürzen, welches nicht empfindlich und am Nuder zu bleiben entschlossen ift. Zu einer anderen Zeit fielen wir vielleicht zu leiht bei einem Gcsey- Entwurf von materiellem Juteresse ; im vorigen Jahre hatte das Kabinet bei ciner Lebensfrage nur noch 43 Stimmen, und unter diesen waren noch mehrere, welhe Mitgliedern ange hörten, deren Stimmen das Ministerium, je nachdem sie ihm günstig sind, gut und schlecht findet, Kein Ministerium hat so viel Dinge ohne Erfolg angefangen, als das gegenwärtige. Es hat in das Finanzsystem eingreifen wollen und den Census ersonnen (Murren); was war die Folge? Es hat das Münzsystem reformiren wollen; das Münzgeseß wurde verworfen, Es legte ein Eisenbahnsystem vorz dasselbe wurde zum Theil abgewiesen. Es wollte den Thron mit einem Privat-Consecil umgeben und wagte es nicht, die- \cs Projekt vor die Kammer zu bringen, Es bestritt die Anordnung einer Wahl- Untersuchung, und die Kammer dekretirte die Wahl-Untersuchung. Es bekämpfte cin wichtiges Amendement über das Marine-Ministerium und das Amendement wurde angenommen. Haben tir denn deshalb im Jahre 1839 gekämpft, um ein Ministerium zu haben, welches sih nur durch Konzessionen troß aller Niederlagen aufrecht erhält? Js dies eine entschlossene und unabhän- gige Politik? Und welches Verfahren hat das Kabinet in Betreff der Durch- suchungs-Frage beobachtet, wie seine Versprechungen erfüllt? Man unter handelt, sagt man. Gut, man unterhandelt. Aber aus Rücksicht für die Personen will ih nicht sagen, wie weit die Unterhandlung gekommen ist. (Gelächter.) Ja, ih wiederhole es, aus Rücksicht für die Personen will ich nicht sagen, auf welchem Punkte jet die Unterhandlung steht, Jch glaube es zu wissen, aber doch will ih es nicht sagen. Die Kammer hat sich offen gegen jede Ausdehnung des Durchsuchungs - Ncchtes ausgesprochen, Das Ministerium erklärt tieses Jahr, daß man deshalb unterhandle. Wissen Sie, was es im nächsten Jahr antworten wird? Dasselbe, (Beweg ng.) Eins betrübt mih, die Sprache unserer englischen Nachbarn in Bezug auf das Durchsuchungs - Recht; ih nehme feinen Anstand, zu sagen, daß ih, für meinen Theil, mich bei dieser Sprache unserer Nachbarn shäme. (Heftige Neclamationen.) Ju der Adresse be- findet sich ein Paragraph, welcher alle meine Sympathieen für sich hatz es is der auf Polen bezüglichez ih billige ihn, weil er zum Zwecke hat, Un glülihe zu trösten. (Beifall.) Jn einigen Jahren werden wir nun so weit sein, diesem Paragraphen einen anderen über das Durchsuchungs-Necht hinzuzufügen, enthaltend vergeblide Protestationen und unerfüllbare Wünsche, (Bewegung. Vielfache Reclamationen.) Durch solches Verfahren hat das Kabinet die großen Staatsgewalten kompromittirt, Hat es nicht auch die Krone bloßgestellt? Haben nicht in den Büreaus ministerielle Deputirle ein auf die Krone bezügliches Projelt denunzirt und bekämpft? Wenn das Ministerium die Dotation für nothwendig hält, so müßte es sie bean tragen und mit Kraft durchzuseßen suchen. Eine starke und loyale Ver- waltung würde gleich anfangs den Eniwurf angenommen und ihn“ zur Frage seiner Existenz gemacht haben. Was sehen wir statt dieses Bench- mens? Das Kabinet is unschlüssig, erforsht die Meinungen, giebt Unge- wißheiten kund und entschließt sich endlich, weder Ja, noch Nein zu sagen. Dics heißt die constitutionellen Fragen, die Krone kompromittiren, wie man die Prärogative der Kammer in Bezug auf die Frage des Durchsuchungs- Nechts kompromittirt hat. Wäre das Ministerium aus Männern ohne Talent zusammengeseßt, so könnte man sein Verfahren dem Mangel an Talent zuschreiben. Aber im Gegentheil. Jch sehe (sch nach Herrn Gußzot hinwendend) an der Spiße des Kabinets einen dex stolzesten Männer (laute Exclamationen), und er hat das Recht dazu, stolz zu sein (Unterbrehung). Ich wiederhole, ja, das Ministerium ist zusammengeseßt aus Männern von großem Talent und großem Stolz, Man fann kühn sagen, daß noch nie ein Kabinet mehr Eitelkeit in seine Worte und mehr Schwäche in seine Handlungen gelegt hat. (Tumult.) Zu einer anderen Zeit werde ih die Kammer um die Erlaubniß ersuchen, die aus- wärtige Frage abzuhandeln, und ih werde dann beweisen, daß man durch die nämlichen Fehler zu dem nämlichen Resultate gekommen ist, wie bei den Angelegenheiten im Jnnern, Jch gehöre zur Opposition, wie ih zu ihr gehörte im Jahre 18393 ih gehöre zur Opposition, weil ich im Jahre 1844 dasselbe wahrnehme, was ih im Jahre 1839 sah,“ i S Die Entgegnung des Ministers des Junern auf die wichtigsten Punkte in der Rede des Herrn Thiers, namentlich auf das, was die fer über das ihm am angemesseudsten scheinende Regierungs-System, nämlich die Berücksichtigung aller politischer Nüancen, sagte, so wie auf dessen Vorwürfe hinsichtlich der Verzichtleistung auf das Dota- tions-Projekt zu Gunsten des Herzogs von Nemours, ist schon mit getheilt. Nachdem Herr Duchatel seinen Vortrag (aus welchem wir einen weiteren Auszug uns vorbehalten) beendigt hatte, nahm Herr Thiers noch einmal das Wort, um cinige Angrisse des Ministers auf ihn und seine Regierungs-Politik zurückzuweisen, welche Replif jedoch, wie {hon erwähnt, wenig präguant war und den Eindruck seiner ersten Rede s{wächte. Sizung vom 17. Januar. Die heutige Sißung begann mit einer staatswirthschaftlihen Diskussion und {loß mit eîner sehr lebhaften Debatte über die Universität. Die erstere erregte nichk große Aufmerksamkeit. Die Reden der Herren Ducos und Lestibou - dois, welche die Hanudels-Zustände des Landes als sehr ungünstig darstellten, wurden von Herrn Cunin-Gridaine beantwortet. Die vielen statistishen Angaben, welche diese Borträge anfüllten, waren nicht geeignet, die Versammlung zu spannen E Iu Er AI- ten, Mehr Bewegung kam in dieselbe dur die von Verrn Locqu e- ville angeregte Unterrichts-Fragez eine weise Regierung, meinte der Redner, hätte dem jet zwischen Staat und Kirche, Universität und Geist- lichkeit chwebenden Streit vorbeugen missen ; aber dreizehn Jahre schon warte die Frage über die Unterrichts-Freiheit auf ihre Lösung, und wenn es Gesehe gäbe, welche die Verhältnisse zwischen Kirche und Staat regulirten, so müsse man dieselben ausführen oder nöthigenfalls ab- ändern. Die Art, wie die Regierung gegen die Geistlichkeit ge- handelt, fand er sehr fehlerhaft; die Juli - Revolution habe, das wolle er zugeben, der Religion einen großen Dienst geleistet, indem sie dieselbe von der Politik getrennt und in thre heilige Sphäre eingeschlossen, in welcher sie stets Kraft und Größe finde ; daher sei der religiöse Glaube nah der Juli-Revolution, gegen die Erwartung oberflächlicher Denker, eher geweckt, als geschwächt wordenz aber die Regierung habe diese Stimmung nicht gehörig geachtet; sie habe daraus nur Stärke für si selbst zu \{chöpfen gesuht und so die fostbarste der im Jahre 1789. eroberten Freiheiten, die Religions=

solchem Maße, daß unsere Regierung auf dem Wege is, eine Regierung der Gunst zu werden, Man hüte sich, daß dies nicht eine Regierung um-

freiheit, aufgeopfert, An der Universität hatte der Redner Manches

auszuseßen, indem er namentlich darauf hinwies, daß die moralische Erziehung niht mit dem Unterricht gleihen Schritt gehe. Daß der Staat in ein Abhängigkeits-Verhältniß gegen die Kirhe gerathen fönnte, besorgte er nit, viel eher das Umgekehrte, daß der Geist- liche in einen Beamten des Staats verroandelt werden, und eine Staats - Religion entstehen möchte, wogegen er den äußersten Widerwillen fundgab. Der Unterrichts-Minister, Herr Villemain, der die Vorwürfe des Redners hinsichtlich des gleigültigen oder un- angemessenen Verhaltens der Regierung in Religions- und Unter= rihts-Sachen zurücwies, rückte Herrn Tocqueville vor, daß man aus scinem Vortrag gar nicht ersehen könne, was er eigentli wolle, und zu welcher Seite er sich hinneigez do scheine es fast, als ob er die uzterlaubten Congregationen gern wieder in Fraukreih eingeführt wissen möchte. Daß die Regierung den Vorgängen nicht gleichgültig zuge- sehen habe, dafür citirte der Minister die Ueberweisung eines bischöflichen Schreibens an den Staats -= Rath und die darauf ergangene Entscheidung an, die den Bischof von Chalons eines Ver- stoßes für schuldig erklärte. Uebrigens aber sei es Pflicht der Re= gierung gewesen, in einer so ernsten Sache mit Mäßigung zu ver= fahren. Nach dem Minister (auf dessen Vortrag wir zurückkommen werden) nahmen noh die Herren Chambolle und Cormenin dieser Au= gelegenheit das Wort, worauf die Kammer sih vertagte.

Paris, 18. Jan. Der Ausspruch des Cassationshofes in der Sache des Richters Defontaine zu Lille und das bei dieser Gelegen- heit von Herrn Dupin, in seiner Eigenschaft als General-Prokurator, verlesene Requisitorium sind jeßt amtlih veröffentliht worden. Ju leßterem befindet sih, nach Schilderung der Vorgänge von Belgrave= Square und des Besuchs, des Herr Defontaine dort gemacht, fol- gende Stelle über den politischen Eid : : i

„Eine beklagenswerthe und unheilvolle Lehre, meine Herren, is in der leßten Zeit zum Vorschein gekommen, Der Parteigeist, um Adepten zu machen oder leichter in seinen Banden zu halten, hat für die gedankenlose Leichtgläubigkeit , wie für die Frechheit und Tieulosigkeit, einen Unterschied zwischen den bindenden und nicht bindenden Eiden aufgestellt, Für Privat- Berpflichtungen die Ehre und Scham bewahrend, haben heillose Sophisten behauptet , es sei mit dem politischen Eid cine andere Sachez den in einer Monarchie geleisteten Eid müsse man zwar halten, aber aus dem Eidschwur, cine volfsthümliche Verfassung aufrecht zu halten, fönne keine eigentliche Verpflichtung hervorgehen, Nach dieser Lehre, die man mit derjenigen von den geistigen Vorbehalten und von dem Probabi- lismus in allen Dingen zusammenstellen kanu, dürfte man der Verfassung von 1830 den Eid leisten und dabei doch der Dynastie treu bleiben, welche die Charte von 1814 gegeben. Gegen den älteren Zweig konnte man sich binden, weil der demselben geleistete Cid ein monarhischer Eid war; aber der seit 1830 geleistete Eid i nur einer volksthümlichen Negieru Ug geleistet, also en G den ein Jeder ch selbi als Mitglied der Volks - Souverainetät leistet, man kann daher nah Belieben damit spielen. Atque 1ideo intrepidi quaccunque altaria tangunt. Wir erklären ohne Bedenken eine solche Lehre für frevelhaftz sie verdient den Namen gehässiges Necht, das heißt feindseliges, welchen unsere Vorfahren gewissen Bestimmungen gaben, die dem guten und wahren Recht zuwiderliefen; sie is verbrecherisch, sie is iu meinen Augen die schreiendste, die gefährlichste Beschimpfung der ö ffent- lihen Sittlichkeit, tausendmal mehr dazu angethan, die Seelen zu verderben, als die Ausstellung der unzüchtigsten Bilder, denn von diesen fann cine keusche Person die Augen abwenden, während hier der Sophis- mus sich unachtsamer, gedankeuloser Gemüther unvermerkt bemächtigen kanu. Wie? in Civilsachen gilt ein falsher Eidshwur für Meineid, und unsere Gescze bestrafen ihn mit bürgerlicher Erniedrigung, also mit einer entehren- den Strafe, und in politischen Dingen, wo es sih um das Staatswohl handelt, dürfte man den geleisteten Eid ungestraft verleßen! Der Meineid wäre nur ein Spiel, oder vielmehr er verlöre seinen Namen als Meineid und verwandelte sih hier in die Ausübung eines Nechts! O, meine Herren, wenn diese Sache auch nur die Gelegenheit dazu gegeben hätte, sich gegen so unselige Theorieen zu erheben, so wird es wenigstens cin Glück sein, daß Sie sich dersclben bedienen können, um die Grundsäße wieder zu be- festigen, um sie im Angesicht des Landes zu verkündcn und in den Augen Aller jene unveränderlichen Begriffe von Loyalität und Ehre wieder herzu stellen, welche die Grundlage der Gesellschaften und des Vertrauens sind, das die Menschen gegenseitig in ihr Wort seßen müssen.“

Das Erkenntniß des Cassationshofcs, welches dem Richter De- fontaine einen Tadel und Verweis ertheilt und ihn in die Kosten ver- urtheilt, führt als Eutscheidungsgründe an, daß derselbe seinen Posten ohne Urlaub verlassen und sih ausdrücklih in der Absicht, dem Her= zog von Bordeaux einen Besuch abzustatten, nah London begeben, zu einer Zeit, wo um dessen Person offenkundig feindselige Mani= festationen gegen die Regierung des Königs der Franzosen stattgefun=- den und publik gemacht worden, und obgleih der von Herrn Defon- taine geleistete Eid ihm zwei förmliche Verpflichtungen, Treue gegen den König der Franzosen und Gehorsam gegen die constitutionelle Charte und die Geseße des Königreichs auferlegt, womit der Besuch einer Gerichtsperson beim Herzoge von Bordeaux unter obigen Um= ständen offfeubar unverträglich gewesen, so daß Herr Defontaine also seine richterlihe Würde arg kompromittirt und seine Pflichten {wer verkannt habe.

Bei der kontradiktorischen Verhandlung des Prozesses gegen die Gazette de France vor dem hiesigen Assisenhofe, gegen dessen Kontumazial-Urtheil dieselbe Einspruch erhoben hatte, fand der Gene- ral-Advokat, Herr von Thorigny, es für nöthig, das öffentliche Mi= nisterium, da gleichzeitig gegen vier legitimistishe Blätter Preß-Pro zesse eingeleitet worden, dagegen zu verwahren, als ob eine Art von systematishem Vernichtungsplan gegen diese Oppositions = Presse im Werke sei. „Es is durchaus keine abgekartete Sache“, sagte der Redner, „aber das öffentlihe Ministerium konnte nicht gleichgültig bleiben, wenn man zu einer bestimmten Stunde si darüber verstän- digte, die Geseße und Justitutionen anzugreifen, welche Fraukreich sich gegeben hat und die es bewahren will. Die Gleichzeitigkeit der Ver- folgungen hat ihren Grund nur in der Gleichzeitigfeit der Vergehen,“ Daß die Gazette de France bei dieser zweiten Verhandlung von der Jury frei gesprochen, also die in contumaciam über sie ver- hängte zweijährige Gefängnißstrafe nebst 6000 Fr, Geldbuße wieder aufgehoben wurde, i} bereits erwähnt,

a Paris, 18. Jan. Heute wurde die Debatte über den er- sten Paragraphen des Adreß - Entwurfs fortgeseßt, Die Gallerieen und Tribünen waren auch heute diht von Zuhörern beseßt. Herr Billault beantragte ein Amendement zu dem Paragraphen über die Verhältnisse zu England, daß nämlich nah den Worten: „hat si mit den Repräsentanten der Nation umgeben“ und statt dieses Pa- ragraphen geseßt werde: „Mögen in diesen zwei Ländern, natürlichen Freunder Frankreichs, das Königthum und die politischen Freiheiten eine neue Kraft aus ihrer innigen Allianz {öpfen. Die aufrichtige Freundschaft, welche Ew. Majestät mit der Königin von Großbrita= nien verbindet, und der Einklang, den Sie uns zwischen Jhrer Re= gierung und der ihrigen ankündigen, bestärken Sie in dieser Hoffnung.“ Dann als Paragraph 5: „Dieser Einklang, Sire, kaun vollständig und dauerhaft erst mit dem Tage werden, wo mit Beharrlichkeit ge= führte Unterhandlungen, bei fortdauernder Daniederhaltung eines \händlihen Handels, die französishe Schifffahrt wieder unter die aus= \chließlihe Ueberwachung der National-Flagge gestellt haben wird.“ Ein Amendement des Herrn Gustav von Beaumont zum 1sten Paragra= phen will, daß nah den Worten „Jnstitutionen, die es sih gegeben hat“, der leßte Saß weggelassen und an dessen Stelle geseßt werde: „Wir hoffen, daß sie, befestigt und mit Umsicht vervollständigt, Frankreich die

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Wohlthaten einer parlamentarishen Regierung sihern werden, die- ser Regierung, deren Pfand uns anvertraut is, und das wir in seiner ganzen Juntegrität und in seiner Reinheit aufrecht erhalten müssen.“ Ein drittes endlich von den Herren Bethmont und Dejeimeris wollte statt der Worte: „der Ackerbau . . . , vertraut der Sorgfalt der Verwaltung“, geseßt wissen: „der Ackerbau . . erheischt die thätige Sorgfalt der Verwaltung“. Der erste Redner war Herr Gaulthier de Rumilly. Er bestritt die Angabe der Adresse, wo nach der Handel so blühend sein solle. Die Steuern seien in den lebten dreizehn Jahren auf eine außerordentlihe Weise und in stets zunehmendem Maße vermehrt worden, was er ausführlih zu belegen suchte durch Prüfung der Einfuhren und Aus- fuhren der leßten 13 Jahre, er {loß damit, daß er sih gegen den ersten Paragraphen der Adresse erklärte. Herr Mounier de la Sizeranne eutwickelte darauf von der Tribüne sein Amendement, das ich gestern Jhnen bereits mitgetheilt. Herr Bignon, Kom- missions - Mitglied, vertheidigte aber lebhaft den Paragraphen des Entwurfs; er kann sich nit einverstanden erklären mit dem vorigen Redner über die Lage des Handels im Allgemeinen, derselbe entbehre durchaus nicht des ihm nöthigen Schußes, wie Herr Gaulthier de Rumilly und der Autragsteller des Amendements behaupten wollen. Vie Kommission sei einstimmig bei Abfassung des Paragraphen ge- wesen. Hierauf sprah Herr Beth mont zu Gunsten seines Amen- dements für die Agrikultur - Juteressen, die er als im höchsten Grade gedrückt darstellte, Was die allgemeine Prosperität font

betreffe, so wolle er dieselbe nicht in Abrede tellen, die- selbe _sei aber nicht - Frankreihß ausscließlich eigen, sondern eben so in ganz Europa bemerklich, Es liege eine Art Ge- fälligkeit, wo niht Schmeichelei darin, daß man sie der jeßigen Re- gierung zuschreiben wolle. Sie sei die Folge besserer Einsicht in der National= Oekonomie. Herr Monnier de la Sizeraunune erklärt auf sein Amendement zu verzichten und sich dem des Herrn Bethmont

anzuschließen, Der Handels=Minister nennt die Klagen über Daniederliegen des Ackerbaues eine große Uebertreibung und wünscht, daß man nicht jeßt hon in eine Menge Detailfragen eingehe, für welche noch später Zeit und Gelegenheit sich bieten werde, da die Regierung mehrere wichtige Maßregeln darüber vorzuschlagen habe, Die inländische Jndustrie und selbst die landwirthschaftliche sei in unver= fennbarem großen Fortfchritte. Die eigentlih sogenannte Jndustrie habe in Frankrei früher gegen die von England und Belgien z. B. zu-

rücgestanden, seit den leßten 13 Jahren sei dies aber anders gewor= den, Herr Darblay erklärt sich für den Wortlaut der Adresse; aber der Ruf: Zur Abstimmung! ließ ihn kaum zum Worte kommen. Er erblickt in der Zunahme der Einfuhren und dagegen hervortreten- der Abuahme der Ausfuhren ein Uebel im Widerspruche mit der An- sicht des Handels-Ministers, Die Kammer beschließt troß des Rufes zur Abstimmung die Fortseßung der Diskussion, Herr Grandin will eine Organisation der Judustrie und beklagt die \{limme Lage der arbeitenden Klasse. Alle Amendements werden der Reihe nah verworfen, der Paragraph in seiner ursprünglichen Fassung augenom- men, der §. 2 ohne Diskussion, und die Debatte über den §8. 3 beginnt. /

_ckx Paris, 18. Jan. Der Unterrichts - Minister, Herr Ville= main, war gestern veranlaßt, auf die Anregung der Frage des öffent= lichen Unterrichts durch Herrn von Tocqueville zu antworten. Herr von Tocqueville is bekauntlih Akademiker, und seine Vorträge sind, wenn auch von einem besonderen Gesichtspunkte ausgehend, in der Regel Muster von Eleganz der Sprache und geistvoller Behandlung ihres Gegenstandes. Durch seine gestrige Rede hat er sich aber \icher- lih die Siegespalme nicht errungen. Niemand wußte am Ende, als Herr von Tocqueville geschlossen hatte, was er eigentlih wollte. Er hatte gegen die Universität und gegen die Jesuiten, gegen die Ueber grisfe der Bischöfe und gegeu die Regierung, gegen die Colleges und gegen die kleinen Seminare, gegen die weltlihen Professoren und gegen den Clerus überhaupt gleihmäßig seine Pfeile abgeshleudert, und als er geendet, war Niemandem recht klar, für wen und für was er im Grunde ist, So wurde Herrn Villemain die Entgegnung leicht gemacht, obgleich ih ke'nesweges geneigt bin, in das unbedingte Lob der Einrichtungen der Universität, wie cs der Minister aussprach, ein- zustimmen, Jn Beziehung auf die Mängel, welche dem Unterrichts- und Erziehungssystem in Frankreich anhaften, hat unstreitig ein De- putirter der Opposition, den man sonst eben niht durch geistige Schärfe und praktischen Blick hervorragen zu sehen gewohnt ist, Herr von Chambolle, der Hauptredacteur des Si è cle, am besten ‘den wunden Fleck bezeihnet, indem er auf die Vernachlässigung der mo- ralishen Bildung der jungen Leute in dem jeßt herrschenden Erzie- hungssystem hindeutete und auf die Nothwendigkeit für die Uni= versität, auch darauf größere Aufmerksamkeit zu richten, wenn dieselbe ihre Autorität uud das Vertrauen des Landes bewahren wolle, Aber gerade auch in diesem Punkte wollte der Redner, so wie einige Andere nah ihm, das Wirken und den Einfluß des Staates ungeschmälert und fest behauptet wissen, und die Stimmung, welche sich unter der Majorität der Kammer in gleihem Sinne aussprach, is Bürge dafür, daß der Staat, troy alles Geschreies der Zeloten gegen ‘die Univer- sität, dieser ihre gewichtige Stellung und ihr Ansehen aufrecht zu er halten wissen wird, Herr von Lamartine is nun auch angekommen und wird sonah an den Adreß-Debatten noch theilnehmen können.

___F Paris, 18. Jan, Gestern hat in der Deputirten-Kammer die Diskussion der einzelnen Paragraphen der Adresse begonnen. Die Opposition, d. h. die Herren Ducos und Lestiboudois, haben, der Erstere die shlechte Beschaffeuheit uuserer Handelsmarine, der Lebtere den gedrücckten Zustand der Jndustrie in den Nord-Departements von Frankreich geschildert. Der Handelsminister suchte die Behauptungen dieser beiden Redner durch Zahlen zu widerlegen ; er war indeß nicht ganz glücklich in seinem Unternehmen. Seit langer Zeit leidet die französische Handelsmarine durch die Konkurrenz des Auslandes, Unser auswärtiger Seehandel wird zu ® dur fremde Schiffe betrieben, und mit jedem Jahre wird unser Antheil an der Schifffahrt geringer, Dies sind unbestreitbare Thatsachen, die Herr Cunin - Gridaine selbst einzugestehen genöthigt war. Aber kann man die Schuld hiervon der Regierung beimessen? Wir glauben niht, Bekanntlich is die Fracht auf französischen Schisfen gewöhnlich höher als auf fremden, und dies ist die Ursache des Verfalls unserer Handelsmarine, Die Fracht i} bei uns höher als bei anderen Nationen, weil 1) unsere Schiffe im Allgemeinen von geringem Tonnengehalte sind, 2) weil die Mann- schaft unserer Schiffe sehr zahlreich is, d. h. wir haben, alles Uebrige gleichgeseßt, auf jedem Schiffe mehr Matrosen als die fremden, mit uns rivalisirenden Marinen, 3) weil wir wenig Waaren, die großen Raum einnehmen, und die allein die Entwickelung der Schifffahrt begünstigen, zu verschiffen haben, 4) weil unsere Baumaterialien, d. h. Eisen, Holz, Kupfer, weit theurer sind, als in England und den Vereinigten Staaten. Noch mehrere andere Ursachen, z. B. die Theuerung der Brennmaterialien, tragen dazu bei, den traurigen Zu- stand unserer Handelsmarine herbeizuführen. Jn gewisser Hinsicht fönnte das Einschreiten der Regierung von guter Wirkung sein, allein es bedürfte dazu auch der Mitwirkung der Kammern. So würde 3. B. die Herabseßung der Zölle auf die zum Bau und zur Aus-

rüstung der Schiffe er orderlichen Materialien gewiß sehr günstig auf |

unsere Marine einwirken, Aber wie soll man von den Kammern, die sich für das Schubsystem erklärt haben, eine Herabseßung der Zölle auf Eisen, Bauho!z, Steinkohlen, Hanf und eine Menge anderer Artikel erhalten? Dies is bei den gegenwärtigen Tendenzen der Jn- dustrie und bei den wohl bekaunten Gesinnungen der meisten großen Produzenten fast unmöglich.

Man hat dem Ministerium gesagt, in mehreren Gegenden herrsche Mangel an Arbeit; das Geseß über den Zucker könne die Runkelrübe nicht retten; die Baumwollen-Judustrie sei sehr gedrückt; in den Fa- brifen von Lyon sei ein wirkliher Stillstand eingetreten und die Jn- dustrie im Allgemeinen befinde sich in einem unbehaglihen Zustande. Der Handels = Minister suchte au diese Thatsahen zu bekämpfen, allein er hatte au hier die Wirklichkeit gegen sih. Unser auswär=- tiger Handel im Jahre 1842 hat in Bezug- auf die Ausfuhr abge- nommen; im Jahre 1843 gingen die Geschäfte noch \{chlechter, und die indirekten Steuern haben in diesem Finanzjahre nicht in derselben Zeile zugenommen, wie in den vorhergehenden Jahren. Dieser Zu=- staud hat verschiedene Ursachen: zuerst is in unserer Jndustrie ein Augenbli übermäßiger Thätigkeit gewesen, wodur eine Ueberfüllung eingetreten ist; sodann haben mehrere fremde Nationen, wie die Ver- eimgten Staaten und Meriko, den Zoll auf französische Waaren er- höht; endlich leiden einige unserer Jndustriezweige, ungeachtet des ihuen bewilligten Schußes, durch die Konkurrenz des Auslandes,

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Dahin gehört die Eisen - Fabrication. Diese verschiedenen Umstände

| haben bei Gelegenheit derjenigen Stelle der Adresse, worin von dem

“i Wohlstande die Rede ist, die gestrige Diskussion herbeige- Ußr. Grossbritanien und Irland.

s Loudou, 17. Jan. Die von deutschen Blättern verbreitete Nachricht, daß Se. Majestät der König von Hannover den Herzog

| Nav s A O c - __ | von Bordeaux zu einem Besuche an seinen Hof nach Hannover

geladen habe, widerlegt der Standard in seinem gestrigen Blatte, wie er behauptet, aus zuverlässiger Quelle, „Hätte nicht“, schreibt dies Blatt, „die ernstliche und Besorgniß erregende Erkrankung des Herzogs von Angoulême den Herzog von Bordeaux plöblich nach Görz abgerufen, so würde sicherlih Se. Königl. Hoheit Hannover, Braunschweig und Dresden noch besuht haben. Jn Bezug auf den Besuh des erlauchten Prinzen an dem ersten Hofe hat jedoh der König von Hannover mit jeder möglichen Rücksicht und Theilnahme für das Haupt des verbannten älteren Zweiges der Bourbons dem Herzoge durch Se. Excellenz den Grafen von Kiel- mansegge , den hanoverischen Minister in London, mittheilen lassen, daß Se. Majestät einen Besuch bei dem Könige von Preußen in Berlin beabsichtige und deshalb gehindert sei, Se. Königl. Hoheit in Hannover zu empfangen. „Wie wir hören“, fügt das Blatt noch hinzu, „wird der König von Hannover auch in diesem Jahre England besuchen und zwar {hon Ende März hier eintreffen, Die Zeit des ait pit Sr. Majestät wird wohl bis zum August ausgedehnt SFTDEN j i: ; Die Aufregung der Katholiken in Jrland droht für die Regie- rung eben so große, wenn nicht noch größere Schwierigkeiten, herbei- zuführen, als die Repealbewegung, indem O'Connell sich beeilt sie zu einer zweiten Agitation zu organisiren, welche neben der Repeal- bewegung ihr drohendes Haupt erheben soll, um der Regierung end= lich die verlangten Konzessionen abzudringen. Zwei Ursachen sind es | welche diese neue Bewegung hervorgerufen haben: die Verwerfung sämmtlicher Katholiken aus der Geshwornen-Liste in dem Prozesse des Agitators und die absihtlihe oder zufällige Auslassung von 63 Na- men aus der Spezial =Jury = Liste nah ihrer Revision durch den Re-= corder, welhe Katholiken oder liberalen Protestanten angehörten. Die Blätter der Regierung erwiesen zwar die Nothwendigkeit des ersteren Verfahrens und vermögen in dem zweiten Versehen eine Benachthei- ligung irgend einer Partei nicht zu erkennen, aber in Jrland erfährt die Deutung beider Fälle das Volk aus dem Munde O’Connell's und schließt sih auch der gebildetere Theil desselben, wenn er aus Katho- liken besteht, der durch diese Deutung hervorgerufenen Beweguug an da die geweckten religiösen Vorurtheile fast die gesammte fatholische Bevölkerung der ertremsten politischen Parteirihtung zugewandt haben. Es hilft in Jrland nichts, wenn der Standard die Verwerfung der Ka- tholifen aus der Jury-Liste folgendermaßen rechtfertigt: „Das Ver= fahren, worüber man sich beklagt, ist durchaus in der Ordnung ge= wesen, und der General= Fiskal wäre strafwürdig, wenn er anders gehandelt hätte. Wie sollte denn in aller Welt die Liste reduzirt werden, wenn niht beide Parteien die vom Gesetze verlangte Anzahl von Namen daraus ausstreichen konnten? Sollte der Kron = Auwalt die Namen ehreuwerther Protestanten ausstreichen, deren Einsicht und Aufrichtigkeit er zufällig kannte, nur damit 10 oder 11 Perso- nen in der Jury verblieben, welche nit allein Katholiken, sondern Repealer waren Männer, welche gerade bei derjenigen Sache be= theiligt sind, über welche sie Recht sprehen sollten; oder sollte ex dem Anwalt der Angeklagten die ganze Liste überlassen, damit dieser allein zwölf protestantishe Geshworene daraus ausstreihe?“ Eben so wenig, als diese Sprache des Standard, fruchtet in Jrland der heutige Nachweis der Times, daß die unglückliche Weglassung der 63 Namen aus dem Geschworenen - Verzeichnisse in dem komplizirten Geschäftsgange sehr leiht möglich wäre, aber troßdem dieses Verzeich- niß dadur an seiner Zuverlässigkeit nichts verliere, weil eben jener Ge-= schäftsgang dergleichen kleine Versehen unschädlih mahe. „Das neue System, die Jury zu bilden“/, schreibt die Times, „welches vor 17 Jahren Sir R. Peel bei uns einführte, wurde im Jahre 1834 auh auf Jrland übertragen. Die Kirchspiel-Konstabler fertigen danach in jedem Jahre (zu Michaelis) die Listen von denjenigen Personen an, welche zur Verrichtung der Jury=-Functionen qualifizirt sind, und rei- chen dieselben bei den Friedensgerichten der Hauptorte der Grafschaft zur Revision ein. Herr Shaw, der Recorder von Dublin, versah im gegenwär= tigen Falle das Geschäft der Revision. Dieselbe besteht darin, daß nicht qualifizirte Jndividuen ausgestrichen und andere übergangene darin auf- genommen werden. Die o revidirte Liste erhält alsdann der Frie- densgerichts-Schreiber, welcher sie in das Geshworeneubuch überträgt (bei dieser Uebertragung hat die Weglassuug der 63 Personen statt= gefunden) und dies Buch dem Sheriff zur Berufung der Personen vor das Gericht aushändigt. Der Sheriff {reibt aus dem Buche von neuem die Namen- auf eine Liste, welche die eigentlihe Spezial- Jury-Liste genaunt wird, und übergiebt dieselbe dem Kron-Streibe r zur üblichen Wahl der 12 aus der Anzahl der 48. Wir haben hier somit einen ausgedehnten und verwickelten Geschäftsgang, der durh mehrere Stadien geht und von vielen Personen abhängt, welche die nachtheiligen Folgen zufälliger Fehler unshädlich machen, einem absihtlihen Versehen sofort zuvorkommen oder es bestrafen und eine Jurygliste herstellen, gegen deren Richtigkeit keim Verdacht auffommen kann, wenn überhaupt Rang und Besiß einen richtigen Maßstab für eine solche Liste geben. Kommen dennoch zufällige Feh— ler vor, so beeinträchtigen e nicht die Zuverlässigkeit der Liste, t, System so angelegt ist, daß solche Verschen keinen Einfluß aben. i Sir R. Peel hat bereits Einladungen zu dem am 31sten d. M. stattfindenden großen parlamentarischen Diner erlassen, bei welchem der Minister seinen Gästen die Thron-Rede, womit das Parlament im nächsten Monate eröffnet werden soll, vorlesen wird,