1844 / 32 p. 1 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

j 1, daß keine Entdeckung in der Chemie seit Entdeckung des K N der ret und Weise, ntilitairishe Unternehmungen aus- zuführen, eine o gänzliche Veränderung hervorgebracht hat, als jene, welche dies neue Wurfgeschoß herbeiführen muß.“ i :

Ein Schreiben vou den Saudwichsinseln vom 18. Mai enthält die Schilderung eines gewaltigen Ausbruchs des Vulkans Mauna Loa in einer Höhe von 14,000 Fuß über dem Myere trat Der erste Ausbruh erfolgte {hon am 10. Januar und hat seitdem längere Zeit mit zuuehmender Heftigkeit fortgedauert. Die flüssige Lava ergoß sich in glühenden Strömen mehrere Wochen hindurh über die Seiten des Berges und erstreckte sich bis auf 20— 30 Miles von ibrem Ursprunge. f i

Sir Francis Burdett, dejjen Tod wir gestern meldeten, stammte aus einem sehr alten Geschlehte, das seit Wilhelm dem Eroberer in der Grafschaft Derby ansässig war, und {hon lange die Baronetwürde besißt. Er wurde 1796 für den Flecken Boroughloridge, der dem Herzoge von New-Castle gehörte, als Parlaments - Mitglied gewählt und trat sogleich in die Reihen der Opposition als heftiger Anhänger der damals sogenanuten neuen Whigs oder Radikalen, Jm Hause der Gemeinen eine wahre Volks-Repräsentation zu gründen, kündigte er als die Aufgabe seines Lebens an, und erhielt 1799 bereits Gele- genheit, sih in die Gunst des Volks zu seßen, als er zur Zeit, da die Habeas-Corpus-Akte aufgehoben war, die gescßwidrige Beyandlung rügte, welche die wegen politischer Vergehen Verhafteten in den Ge- fängnissen erdulden mußten, Er erhielt den Titel „Tribún des Volks,“ Jm Jahre 1802 gelang es ihm, für die erste Grafschaft Englands, für Middleessex ins Parlament gewählt zu werden, und somit über den von den Ministern begünstigten Mitbewerbern einen glänzenden Triumph zu feiern. Er war es, der zuerst gegen Addington's Ministerium ankämpfte. Allgemeines Stimmrecht und jährliche Par- lamente waren die Grundlage scines Reform-Planes. 1807 wurde Sir F. Burdett für Westminster gewählt und sein Muth und Ehr- geiz steigerte sich zu rüdsichtslosem Eifer für radikale Reformen, Als 1810 ein Sqriftsteller Jones wegen eines Artikels, den das Haus

der Gemeinen für eine Verleßung seiner Vorrechte erklärte, mit Ge- fänguiß bestraft wurde, ließ Sir Burdett ein Schreiben an seine Wähler drucken, das ihm von Seiten des Unterhauses eine Anklage wegen Verleßung der Würde des Hauses zuzog. Es wurde ein Verhafts- Befehl gegen ihn erlassen, dem er 3 Tage, unterstüßt dur cinen Volks- Aufstand, sich vtbirtcpte, bis er endlid mit Gewalt in den Tower gebraht wurde, wo er zwei Monate gefangen saß. Jm Jahre 1819 wurde er abermals wegen eines Schreibens an seine Wähler in Be- tref der gewaltsamen Zersprengung einer Versammlung von Radikalen bei Manchester (das sogenannte Manchester Massacre) von der Regie- rung vor die Kings=Bench geladen und zu einer Geldstrafe von 2000 Pfd. St. so wie zu dreimonatlichem Gefängniß verurtheilt, Seit dem Erlaß der Greyschen Reformbill 1832 erfaltete, aus Gründen, über welhe im Publikum wenig bekannt ist, sein Eifer im Interesse radikaler Reform in so merklichem Grade, daß sein völliger Uebertritt zur Tory-Partei, im Jahre 1837, kaum mehr einiges Auf- sehen erregte und vielleicht noch weniger, als geschehen, berüdsichtigt worden wäre, wenn er \sih nicht, wie meistens die Renegaten, durch eine gewisse innere Nothwendigkeit gezwungen, durch übertriebenen Cifer im Interesse seiner neuen Partei mehr als einmal bemerklich gemacht hätte. Sein Privat-Charakter wird sehr gelobt und beson- ders seine Hochherzigkeit gerühmt. Seine, wie erwähnt, vor kurzem verstorbene Gemahlin war die zweite Tochter des reichen Banquiers Coutts, dessen großes Vermögen, nachdem es bekanntlich durch die Hände der Herzogin von St, Älbans, die erste Gattin des Banquiers, gegangen, größtentheils der Tochter des Sir Francis Burdett, jeßt einer der reisten Erbinnen Englands, zugefallen ist, Den Baronets- Titel erbt der älteste Sohn des Verstorbenen, Major Burdett,

Uiederlande.

j Aus dem Limburgischen, 23. Jan, Die große Frage der Trenuung des Herzogthums Limburg von Holland, welche von Grundbesißern Limburgs angeregt worden is, schließt zwei an=- dere Fragen in sich, deren Lösung diese Angelegenheit in ihr wahres Licht stellt, nämlich: 41) Konvenirt diese Trennung Holland? uud 2) Soll diese Trennung einen besseren Zustand in dem Herzogthum herbeiführen?

Die erste dieser beiden Fragen is leiht zu beantworten ; Limburg is in Betreff der Ausgaben, welche die beiden Festungen verursachen, vielmehr eine Last, als ein Gewinn für Holland, und was den Na- tionalgeist betrifft, so hat Holland kein Jnteresse dabei, ein Land zu behalten, wo, in Folge der Berührung mit Belgien und durch die Meinung von Personen, die seiner Zeit sich der Ausführung der 24 Artikel widerseßen wollten, beständig ein Heerd der Unzufriedenheit vorhanden sein wird.

Die Beautwortung der zweiten Frage, obwohl kein Zweifel dar- über herrshen fann, erfordert einige Erläuterungen und kann nur zum Nachtheil Limburgs entschieden werden. Zuerst, wenn die Trennung in einer mehr oder weniger fernen Zeit stattfände, so wären es nicht die, welche sie heutzutage predigen, noh die Regierung der Nieder- lande, welhe den Gang dieses Ereignisses beschleunigt hättenz es verseßt sich vielmehr dies Land von dem Augenblicke an, wo diese Frage von Limburg selbst angeregt wird, in eine ungewisse Lage, die nur zu seinem Nachtheil aus\hlagen muß und noch lange Zeit wäh- ren fann. Es is nun ganz natürlich, daß das Juteresse der Regie- xung für das Herzogthum sih von Tag zu Tag bedeutend vermindert; es werden daselbst feine öffentlichen Arbeiten von allgemeinem Interesse mehr begonnen werden, oder man wird die angefangenen suspendiren z eine gewisse Aufregung, eine Unbehaglichkeit, Besorgnisse wegen einer sehr dunklen Zukunft werden sich der Gemüther bemächtigen und allen Unternehmungen, so wie jeder Art von kommerziellen und anderen Unterhandlungen , nachtheilig seinz die Interessen des Landes werden {wer kompromittirt werden, und alles dies, weil einige Grundbesißer den Gedanken n haben, einige Steuern weniger zu bezahlen, was übrigens nodh fe r zweifelhaft ist,

Die Folge dieser Trennung wäre unstreitig die Aufnahme dieses Landes in den deutschen Zoll - Vereinz allein dann würde dem Her- zogthume für immer Holland verschlossen bleiben, welches mit seinen Kolonieen der Judustrie und dem Ackerbau Limburgs große Absaß- wege darbietet, während dieselben niemals eine Ausgleichung dafür finden würden, wenn Je sich eivem ens industriellen Lande zu- wendeten, Was dem Herzogthum den lebten Schlag verseßen würde,

ist der Umstand , daß Me Vertrag wegen einer Vereinigung mit ér 1e dem Pte nteresse des deutschen Bundes entgegen wäre, er R selbs Opfer bringen würde, um eine Barrière zwischen Bel- gien und Ämburg zu errichten. Von dieser Seite würde sich daher nichts land dffnete, den E aa L, dadur, dap. e ps Da ¡ / j wehe im für: A verschließen, Dieser Wesel Seine Lasten würden „groß e

nt n. Zuerst würde d er obgleich man das Gegentheil behauiel, A Theil a S ber nehmen müssen, und nah bem Betrage der seit der Vereinigung ge- meiisam übernommetñen Schuld, kann man die jährlichen Zinsen jenes Antheils qu mindestens 350,000 Fl. peranschlagen, Der \ouveraine traf im Jahre 1814 eine Bestimmung, die damals durch den rbprinzen hervorgernfen wurde, und die an dem Tage, wo Wil-

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helm IL den Thron bestieg, den Prinzen Friedrih in Besiß des Werthes der Güter seßte, die das Haus Oranien in Deutschland be- saß und die der wiener Kongreß gegen Luxemburg ausgetauscht hatte, und die endlich, in Folge der Vereinigung Luxemburgs mit Holland, von neuem gegen eine Domaine von 190,000 Fl. Einkünften in der Baronie Breda ausgetauscht wurden. Die Verträge von 1839 theilten Luxemburg, nachdem man es Holland wieder genommen, in zwei Hälften, deren eine gegen Limburg ausgetausht wurde; trennt sich daher diese Hälfte vou dem Mutterlande, so wird dies dem Prinzen Friedrih nichts mehr zu zahlen haben und der auf das Herzogthum Limburg fallende Antheil wird 95,000 Fl. betragen. Die niederläu- dische Regierung verlangt in diesem Augenblicke, daß die Verwaltung des Großherzogthums die Hälfte der dem Prinzen Friedrich bewilligten Entschädigung zahle. Die Regierung würde eben so in Betreff Lim- burgs verfahren.

Findet die Trennung statt, so kommen noch hinzu: die großen Kosten für die Ausrüstung der Armee, die Kosten sür die diplomatischen Agenten, die heutzutage von der Masse bestritten werden; die Kosten für die Konsulate, wenn man will, daß die Bürger des Herzogthums im Nothfalle Shuß im Auslande finden sollen; ferner die Civil-Liste, die Pensionen und Wartegelder der limburgischen Beamten, die fich gegenwärtig außerhalb des Herzogthums besiuden , dann aber in ihre Heimat würden zurügeshickt werden u. st. w. Die jungen Leute wer- den im Falle der Trennung nur die Aussicht auf einige kleine und sehr seltene Aemter haben z die militairische Laufbahn wird ihuen ver- schlossen sein; der Ausweg für Menschen und Dinge nach den Kolo- nieen wird niht mehr vorhanden sein; die müßigen Klasseu werden unruhig und ungestüm werdenz alle Beziehungen, die zwischen den Bewohnern eines Reiches bestehen und die so vielen Leuten Brot ge- ben, werden beshränkt oder hören gänzlih auf; die Verwaltung geräth vielleicht in die Hände einer Koterie, und die Lasten werden dieselben bleiben für das Volk, während es alle die Mittel verliert, die ihm die Ertragung derselben erleichterten.

Mau erinnert sih der Klagen des platten Landes während des Zuterregnums, weil es isolirt war; und dennoch stand ihm Belgieu ohne Hindernisse offen! Würde die Jsolirung durch die Trennung uit noch vollständiger werden? Und nun die Stadt Mastricht! Was war ihr Loos während des Slatus quo? Würde die Jsoli= rung niht noch tausendmal größer werden durch die Trennung? Mastricht würde dann niht mehr seine zahlreiche Garnison haben; große Kriegs - Arbeiten würden dann nicht mehr große Massen von Arbeitern ernähren; nur ein kleines Kommando mit geringer Besol- dung würde daselbst stationirt werden; es würde daselbst keine Civil- Regierung, keine Tribunale, feine öffentlichen Anstalten geben, die eine ganze Provinz beschüßen und unterhalten muß; Fremde würden nicht mehr dorthin kommen;z diejenigen, welhe ihr Brod verdienen müssen, würden dies anderswo zu thun suchen; die Auswanderungen würden zunehmenz der Werth des Eigenthums würde auf nichts herabsinken, und der im Jahre 1830 begonnene Verfall einer großen und \{chönen Stadt würde au dem Tage der Trennung vollendet sein!

Wie dem auch sei, und wie es auh kommen mag, eine Tren- nung oder Gebiets - Austauschung kann nicht stattfinden, ohne daß das Fundameutal-Geseß verändert werde; und selbst weun diese Ver= änderung vorgenommen würde, so is es noch sehr gewagt, zu be- behaupten, daß die Generalstaaten Hollands, selbst im Verein mit der Regierung, das Recht besißen, an den lebten Verträgen , ohne Zu- stimmung derjenigen, welche sie ratifizirt haben, etwas zu ändern.

Zustaud der pariser Presse am Schlusse des Jahres 1843,

& Paris, im Dezember 1843, Die pariser Presse befindet si, s ohl in Bezug auf ihre Meinungen und Tendenzen, als in finanzieller Hin- t fast in demselben Zustande, wie am Schlusse des vorigen Jahres.

a Das Journal des Débats isst noch immer der Fürst der fran- sischen Journale, und obgleich es nicht ganz so viel Abonnenten hat, wie s Siécle und die Presse, so steht es doch hinsichtlich der Autorität hd des Einflusses in der ersten Linie, Man bemerkt *jedoh, daß seine daction seit dem Tode des Herrn M, Bertin, nicht mehr so tadellos ist, e früher, Herr Armand Bertin, der gegenwärtige Gérant, is mehrmals 3 dem Geleise gekommen, und es sind im Laufe des Jahres hrere Ungeschicklichkeiten begangen worden, Zu diesen muß man den treit mit Herrn von Girardin über den Stempel des Bulletin des ribunaux renen, Es war dies cine rein industrielle Rivalität, die dem sehen des Journal des Débats geschadet hat, und die der ältere Bertin gewiß nicht in dieser Weise zur Schau gestellt haben würde, Das Journal des Débats hat auch ein auffallendes Schwan- fn in Betreff der Zuccker- und Eisenbahn - Fragen bewiesen, Es hat abwechselnd die eutgegengeseßtesten Systeme aufgestellt und unterstüßt, und für die letztere dieser Fragen is zu glauben, daß der Einfluß gewisser Banquiers es mehr als cinmal zu einer Aenderung seiner Ansicht bewogen hat. Ju politischen Dingen hat jedoch das Journal des Débats mit Festigkeit und Beharrlichkeit denselben Weg verfolgt; es hat Herrn Guizot mit unbegränzter Ergebenheit gedient, bei allen Gelegenheiten und bei allen möglichen Fragen das Ministerium fräftig vertheidigt, Der literarische Theil des Journals ist dem Lauf der Zeit gefolgt : er is {wach und de- primirt, Die seltenen Aitikel der Herren Philarète Chasles , de Sacy, Saint Marc Girardin sind kaum schwache Erinnerungen an die kritischen Artilel vou Hoffmann und Geoffroy. Die Politik verdrängt Alles in diesem Lande, und wenn die literarischen Artikel nicht mit dem finauziellen Theile des Unternehmens auf innige Weise verbunden wären, so würden sie viel- leicht hon längst gus den Journalen verschwunden sein,

Weder das Alter des Constitutionnel, noch seine oft matte und mittelmäßige Nedaction, noh auch die unaufhörlich gegen ihn gerichteten Spötteleien haben seine Autorität vernichten können. Hinsichtlich des poli- tischen Einflusses folgt er unmittelbar nah dem Journal des Débats, Er ist der Ausdruck des linken Centrums und das halboffizielle Organ des Herrn Thiers, wenn dieser sih am Ruder befindet. Seine Stellung als Autorität is noch ziemli stark, aber die Zahl seiner Abonnenten hat wun- derbar abgenommen, und dies Journal, welches das Glück aller seiner Actionaire gemacht hat, steht auf dem Punkte, keine Dividende mehr zu zahlen, so Fehr hat die Zahl seiner Leser sich vermindert. Zu diesem Ver- fall hat einerseits der von dem Constitutionnel beibehaltene Preis von 80 Francs beigetragen, audererseits die Zerstückelung der Parteien und die furchtbare Konkurrenz der Presse und des Siècle., Es is seit mehreren Monaten von einer Reform des Constitutionnel die Nede, Die Actionaire, 15 an der Zahl, erkennen sehr wohl die Gefahren, welche ihrem Eigenthum drohen z aber sie werden durch Prozesse und Streitigkeiten nach verschiedenen Rich- tungen hingezogen. Nicht der Mangel an Kapitalien hindert diese Wiedergeburt, denn die mcisten Actionaire sind sehr reich, sondern der Mangel an Einigkeit, Die Eigenthümer sind in zwei Parteien zerfallen, und jede derselben sucht \ich eines Organs zu bemächtigen, das noch einen großen politischen Werth n Dieser Streit scheint sich indeß seinem Ende zu uähern, und man agt, das Journal werde bald zu einem geringeren Preise und in größerem Format. erscheinen. Dies wird eine umfassende Operation sein, bei der das linke Centrum selbs sich betheiligen wird, Die politische Redaction wird verändert und dem literarischen Theil eine größere Ausdehnung gegeben werden, Man hofft, dur diese Veränderungen und Neformen einen Theil der seit zehu Jahren verlorenen Abonnenten wieder zu gewinnen und denkt, glei eitig zum Vortheil des Herrn Thiers, das gegenwärtige Kabinet auf eine hestigere und anhaltendere Weise zu bekämpfen. h

e Presse hat 15,000 16,000 Abonnenten z sie ist, nach. dem Siècle das verbreitetste Blatt, Länger als zwei und ein halbes Jahr hiñburch Herrn Guizot ergeben, macht es jeyt eine ziemlich schlecht verhehlte | positlon gegen denselben, Die Presse ist das Journal des Herrn

Molé und . hat diesem Staatsmann stets mit dem größten und anhaltend- sten Eiser gedient; es is dies die einzige Neigung, welcher Herr von Gi- rardín unveränuderlih treu geblieben is, Scine Verbindungen mit Hercn von Lamartine ließen einen Augenblick glauben, er werde sich dem Depu- tirten von Mäcon nähern und die Opposition, welche er gegen Herrn Guizot machte, bestärkte einigermaßen in dieser Meinung. Aber Herr von Lamar- tine is zu weit gegangen und die Presse konnte ihm auf das Gebiet einer so übertriebenen Opposition uicht folgen. Eine solche Veränderung würde ihm zuerst einen bedeutenden Theil sciner Abonnenten entzogen und sodann ihm für lange Zeit, wenn nicht für immer, deu Zugang zur Ge- walt verschlossen haben. Denn es is niht wahrscheinlich, daß das von Herrn von Lamartine befolgte Verfahren ihn ans Ruder bringen wird. Die Presse ist ein im Allgemeinen gut redigirtes Blatt, Die Fragen voi materiellem Jnteresse werden darin mit Talent und Kenntniß besprochen ; aber dem Haupt - Redacteur fehlt es an Ruhe und zuweilen an Würde. Leidenschaft und persönlicher Haß verleiten ihn oftmals zu ciner Hesftigleit, die traurige Folgen hatz ein Beweis hiervon sind die Verfolgungen, welche mehrere Mitglieder des Königlichen Gerichtshofes gegen ihn ausüben. Seine Angriffe haben Herrn von Girardin nicht nur Prozesse und Duelle zugezogen, sondern auh eine Unzahl von Feinden im Publikum, in den Kammern und ín der Verwaltung verschafft. Die Feindschaft zwischen die- sem Blatte und dem Journal des Débats ist groß und genirt zuwei- len das Ministerium.

Das S iiècle if das wahre Journal für die Boutiken und die un- terste Klasse der Leser. Es is von allen Tagesblättern in gewöhnlichem Format dasjenige, welches 40 Fr. jährlich festet, während die Presse, der Globe, das Commerce u. st. w. 48 Fr, kosten, Seiner politischen RNe- daction hat es wahrlich nicht dieses Glück zu dankenz denn es giebt nichts Aermlicheres, Weitschweifigeres und systematisch Abgeschmackteres, als diese Art zu redigiren, Herr von Chambolle, Deputirter und Freund des Herrn Barrot, hat diesem Blatte eine so gleichmäßige Farbe gegeben, daß es hin- reicht, es einmal zu lesen, um zu wissen, was es das ganze Jahr hindurch sagen wird. Es ist der getreue Spiegel der Linken und lebt von den Tra- dilionen des alten Liberalismus. Die Unvereinbarkeit gewisser Aemter mit den Functionen cines Deputirten , die Wahl - Reform und die Volks- Souverainetät sind die gewöhnlichen Lieblings - Themata seiner Pole- mik. Es is unmöglich, \{werfälliger und methodisch langtweiliger zu seín, als das Siècle. Es sucht beständig, sich mit seinen Lesern auf ein gleiches Niveau zu stellen, Gleichzeitig mit der Presse entstanden, hat es si an ein Publifum gewendet, das bis dahin gewöhnlich die Journale nicht las, Sein Feuilleton hat ihm eine große Anzahl von Lesern ver- ha} und von ihm geht die Jdee des täglichen Romans aus. Dies Blatt hat, mit scinen 30,000 Abonnenten, doch nur einen beschränkten Ein- fluß. Seine Redaction is von einer die Galle erregenden Gleichförmigfeit, die auf Niemanden mehr wirkt, und auf der anderen Seite verirrt sich nie- mals die geringste Neuigkeit in das Siècle, Es ist von allen Journalen dasjenige, welches die wenigsten Nachrichten erhält, Als Speculation ist es ziemlich gut; die Annoncen allein bringen etwa 20,000 r, jährlich ein und bis jet sind die Zinsen den Actionairen regelmäßig gezahlt worden, Die Redacteure haben \sich sehr bedeutende Antheile vorbi l Chambolle erhält nicht weniger als 20,000 Fr. jährlich, Die Partei Barrot disponirt auf absolute Weise über das Siècle, aber diese Ergebenheit ist von keinem großen Nußen für diese parlamentarische Fraclion,

Der Courrier frauçais is eine gestürzie Macht, Als ex vor einem Jahre verkauft wurde, fiel er in die Hände cines Spekulanten, der zugleih Eigenthümer der Estafette und der Patric ist. Dicse drel Journale werden, einige Abweichungen im politischen Theile auêgenommen, auf dieselbe Weise und mit demselben Stoff fabrizirt, Der Courrier

chalten und Herr |

;

français gehörte früher einer Gesellschaft Actionaire, an deren Spibe die |

Hexren Lafitte und Aguado standen. Lange Zeit hindur und bis zum Tode des Herrn Chatelain hatte dies Blatt eine ziemlih große Autorität und behauptete sich sehr gut ; später wurde Herr Léon Faucher Haupt- Nedacteur, ein eingebildeter und vermesjener Charakter, der den Verfall des Blattes beschleunigt hat, Der Courrier war bis zu dem Augenblicke, wo er verkauft wurde, Herrn Thiers sehr ergeben, Jeßt hat er eine Farbe angenomuen, die zwischen der Linken und der äußersten Linken s{hwaukte. Der Haupt-Nedacteur is ein ehemaliger Saint-Simonist, Herr Barrault, der ihm zuweilen einen völlig ausshweifenden Charakter giebt, Er hat ganz neuerdings mit vieler Wärme das Programm des Herrn von Lamar- tine angenommen, dessen Jnhalt er mit einer ganz Saint-Simonistischen | Beredtsamkeit vertheidigt. Der Courrier vegetirt nur mühsam fort und geht seiner unvermeidlichen Auflösung entgegen, Die Zeit dieses Journals is vorüber und nichts vermag sie jept zurückzubringen,

Der Commerce giebt sich das Ansehen eines wüthenden Nolands der Presse, Als cin großer Bekämpfer der Bastillen sind die Geschichtchen und die Jnterpellationen über die Befestigungen bei ihm in eine wahre Monomanie ausgeartet, Er möchte zugleih die zusammenhängende Ringmauer und die detachirten Forts zerstören, Seine Spalten sind jeden | Tag mit den außerordentlihsten Berichten über die Befestigung erfüllt. Einen anderen fruchtbaren Stoff für Herrn Lesseps, den Haupt - Nedacteur | des Commerce, bietet Algier dar, Er erhält die Nachrichten \{neller als | die Regierung, und täglich bringt er eine Anklage gegen das Ministerium. ; Durch seine Leidenschafilichleit, seine Streitsucht und dur das Erfinden | falscher Nachrichten wird dies Blatt unterhaltend ; aber von den Vernünsti- | gen {wird es niemals ernstlich genommen, und nur etwa die legitimistischen | oder die radikalen Blätter nehmen seine falshen Nachrichten auf. Auch ist } scin Anhang nicht zahlreich und seine Existenz seit langer Zeit problematisch. Dies Journal hat unglaubliche Finanz - Katastrophen durchgemacht. Herr Aguado hat 2— 300,000 Fr, , die Kolonieen haben durch Herrn Manguin mehr als 500,000 Fr, dafür ausgegeben, und seitdem es unter der Leitung des Herrn Lesseps steht und sein Preis auf 48 Fr. jährlich herabgeseßt wor- den, hat es seinen Actionairs gewiß auch 500,000 Fr. gekostet, Es bedarf einer auffallenden Beharrlichkeit , um auf solhe Weise ungeheure Summen für cin Journal zu opfern, das weder Leser, noch Abonnenten hat, und das f durch seine Doktrinen und seine Nachrichten sich in einem beständigen Zu- | stande der Mystification befindet, Der Com merce trägt übrigens eben so viele Keime der Zerstörung in sich, wie der Courrier, und sein Todes-

fampf fann nicht mehr lange währen. (Schluß folgt.)

Handels- und Börsen - Uachrichten. Hamburg, 26. Jan. Jn Getraide hier am Plaße geht jeßt wenig um, da die Sage uoh gestört ist, Waizen hak

die vorigen Preise so ziemlich behauptet. Roggen blieb zu den vorigen Notirungen {wer verkäuflich. Gerste in loco wenig am Markt und etwas billiger zu habenz auch Gerste auf Lieferung war nur zu billigeren Preisen zu lassen, Von Hafer is etwas mehr an- gebracht worden, und Preise sind 1 a 2 Rthlr, niedriger, Für Erbsen werden, bei wenig Handel, die Notirungen wie in voriger Woche verlangt. Jn Wien ging nichts um. Bohnen müssen ein paar Thaler niedri- ger notirt werden, Von Buchweizen kamen nur einzelne Lasten vor. Rappsaamen, wenn billiger, zu lassen, Leinsaamen ohne Verändernng: Für Weizenmehl war kein Begehr und ist zu den vorigen Preisen wil- lig zu haben. Schiffsbrod wurde, auf spätere Lieferung, mehr gekauft, bi fest, Napykuchen auf Lieferung haben 1 a 2 Märk bessere ije

en weniger gefordert. T A abei n wurde auf vorige Preise gehalten, dazu fonnten aber nur einzelne Partieen begeben werden; zu mehreren Thalern billigeren Preisen würde mehr gekauft worden sein, Für Noggen war etwas mehr Frage, und es sind einige Partieen zu vollen vorigen Preisen behandelt worden.

Gerste konnte auf die flauen Berichte darüber aus die in voriger Woche

England

reien Gestern sind ca. 200 Last ca, 3 Rthlr. niedri Hafer preishaltend und etwas mehr beachtet, nde-' rung. Bohnen mußten einige Thaler billiger notirt werden, Wicken fanden, etwas billiger, einzelne Käufer, Jn Buchweizen ging nichts um. Nachdem Rappsamen 2 a 3 Rihlr, billiger erlassen worden, sind wieder ein paar Particen auf Lieferung im Frühjahr gekauft, Leinsamen ohne Ver- änderung. Rappkuchen, mit Ausnahme von sehr fernen Häfen, waren williger zu lassen, Jn Leinkuchen keine Veränderung.

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sehr

er gekauft wordeu. rbsèn ohne Verände

für diesen Artikel bezahlten Preise nicht er=|-,

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m Sa weht beträgt :

thlr. für { Iahr.

4 Kthlr. - 2 Jahr:

8 Rthlr. - 1 Iahr.

in allen Theilen der Monarchie ohne Preiserhöhung.

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32,

N

An halt.

Anmitlicher Theil.

Inland. Berlin. Der Rechtsstaat der Vossischen Zeitung. Görli. Wahl eines Landes - Aeltesten, Provinzial - Recht.

Deutsche Bundesftaaten. Bayern. Bamberg. Große Cour, Sachsen. Leipzig. Durchreise Sr. Maj. des Königs von Preußen. Baden. Karlsruhe. Kammer-Verhandlungen. Sachsen -Wei- mar, Schreiben aus Weimar. (Ableben Sr. Durchl, des regieren- den Herzogs von S. - Koburg - Gotha; Befinden der Großherzogin.) Oldenburg. Oldenburg. Ableben Jhrer Königl. Hoheit der Groß- e Holstein. Altona, Verleihung des hamburger Ehrenbür- 3 D,

Desterreichische Monarchie, Wien. Tod der Erzherzogin Marie Karoline, Ankunft einer froatischen Deputation. /

Rußland und Polen, St. Petersburg. Ankunft des Landgrafen von Hessen,

Frankreich, Deputirten-Kammer, Villemain über das Unter- riht8wesen des Kaiserreihs und die Modificationen desselben. Wei- tere Diskussion der Unterrichtsfrage und Annahme des betreffenden Pa- ragraphen. Paris, Marschall Drouet 4+. Ministerielle Erfolge bei der Adreß -Diskussion und Meinungs - Differenzen zwischen dem Kul- tus - Minister und seinen Kollegen, Bekanntmachung des spanischen

» Finanz - Agenten. Texianischer General - Konsul in Paris, Briefe aus Paris. (Adreß - Debatten; Sißung vom 26, Januarz die Legiti- ues Zur Charakteristik der Debatten über die Freiheit des Unter-

Großbritanien und Jrland. London, Fortgeseßtes Zeugen- Verhör im O'’Connellschen Prozeß. Aufforderung an die Liberalen, bei der Parlaments-Eröffnung gegenwärtig zu sein. Widerlegung des Gerüchts von einer Verbindung Frankreihs, Englands und Brasiliens zur Beendigung des Krieges in den La Plata-Staaten, Vermischtes.

Belgien. Brüssel. Bewilligung einer Summe zur Aufmunterung der

flandrischen Linnen- Jndustrie, |

Spanien. Madrid, Die exilirten Erzbischöfe von Sevilla und San „Jago sind zurückberufen, i

Griechenland. Briefe aus Athen, (Nachträgliches zum Entwurf der Verfassung; Fürst Caradja +4.) und München. (Die Heimkehrenden ; Kolokotronis; die Minister-Krisis z der Verfassungs-Entwurf.)

Eisenbahnen, Köln, Bonn - Kölner Bahn, Preßburg. der Eisenbahn-Frage.

Handels- und Börsen-Nachrichten. Berlin, Börse, Königs- berg, Magdeburg und Köln. Marktbericht. Paris. BOUe, London, Getraidemarkt. Amsterdam, Börsen- und Marktbericht.

Königl. Schauspielhaus, (Die „Capuleti und Montecchi‘‘; Mad, Schröder- Devrient und Herr Härtinger.) Morgen - Unterhaltung in der Sing- Akademie,

Beilage.

Stand

Amtlicher Theil.

___ Berlin, den 30. Januar 1844, Se. Königl. Hoheit der Großherzog von Medcklenburg- Strelibß is nah Streliß abgereist.

Der bisherige Ober-Landesgerichts - Assessor Möllenhoff zu Unna ist zum Justiz-Kommissarius bei dem Land = und Stadtgerichte zu Lüdinghausen und zum Notarius im Departement des Ober = Lan- desgerichts zu Münster bestellt worden,

S Bekanntmachung, betreffend den Umtausch preußisch - englischer Obligationen gegen Staats-=Schuldscheine.

__Da mehrere Junhaber von den in englischer Valuta im Jahre 1830 zu 100 Liv. Sterl, ausgestellten preußischen Obligationen, we- gen der veränderlihen Wechsel - Cours - Verhältnisse, wünschen, ihre Obligationen in Staats-Schuldscheine zu verwandeln, so is beschlos= sen worden, auf diese Wünsche einzugehen, und den Umtausch sowohl bei der Königl, Haupt-Bank-Kasse, als auch bei der Haupt=Seehand= lúngs-Kasse, in der Art bewirken zu lassen,

700 Rthlr. in Staats-Schuldscheinen, nah dem Nominal-Betrage,

mit Zins = Coupons vom 1. Januar 1844 gegeben werden. Die

D E Obligationen vom 1. Oktober bis Ende

mber 1843 werden dabei mit 68 25 Liv, S

dig befe: dabei mit 6 Rthlr. 25 Sgr. pro Liv. St,

; Denjenigen, welche einen solhen Umtäush wünschen, bleibt über- lassen, unter Einreichung ihrer Se aale Sei bei L GOLA Bank = oder der Haupt = Seehandlungs - Kasse, welhe das Weitere in oben gedachter Art bewirken werden, von jeßt ab bis längstens zum 31. März d. J., in den Vormittagsstunden von 9 bis 12 Uhr, si zu melden, und haben sie die baldmögliche Regulirung des Geschäfts zu gewärtigen. : |

__Wegen der nöthigen Vorbereitungen zu der mit dem 1. Oktober 1845 in Gemäßheit des Auleihe-Kontrakts und des Jnhalts der Obli- gationen eintretenden raschen Amortisation der preußisch - englischen Obligationen, welche dann nur in London in englischer Valuta und zum Nominal - Betrage erfolgt, wird über den oben bestimmten Ter- min vom 31. März 1844 hinaus ein Umtausch gegen Staats-Schuld- scheine nicht stattfinden können.

Berlin, 2. Januar 1844. Der Chef der Bank und der Seehandlung. Geheime Staats-Minister, : Rother.

llichtamtlicher Theil. Inland.

L Verlíin, 31, Jan. Die Vossishe Zeitung hat unseren Bemerkungen gegen den leitenden Artikel ihrer Nr. 17 eine Erwie-

derung folgen lassen, in deren erstem Theile sie die Richtigkeit ihrer dort entwielten Ansicht über die Verhältnisse Enaland n iv ini: gen europäischen Ländern und den Vorzug seiner Institutionen vor denen Deutschlands, so wie das daraus nah ihrer Meinung hervor= gehende Uebergewicht des erstgedachten Landes, verfiht, Wir sind keinesweges gesonnen, den Betrachtungen des Blattes über Völker= rehte und Völkerverhältnisse zu folgen, oder gar denselben durch eine Diskussion hierüber von unserer Seite eine noch weitere Ausdehnung zu geben; wir lassen die Vossische Zeitung bei ihrem Glauben an die Vorzüglichkeit der von ihr gepriesenen Einrichtungen, wonach der Brite ungestraft „Personen, Sachen und Grundsäße eines frem- den Staats angreifen, {mähen und untergraben“ darf; wir lassen sie bei diesem Glauben schon aus dem einfahen Grunde, weil wir einerseits wissen, daß man auf diesem Gebiet Publizisten, wie der Verfasser jenes Artikels, nicht befehren, sondern tauben Ohren pre- digen würde, andererseits aber das Urtheil der Leser unserer War= e L Dokttinen niht bedarf.

Nur der zweite Theil der Erwiederung, das „ernste Wort“ au uns in Betreff des „Rechtsstaats““ vevänlaßt dus zu L Entgegnung.

Die Voss ische Zeitung möchte ihre Leser glauben machen, der Gegensaß ihres sogenannten „Rechtsstaats“ sei „Willkürstaat““, Glücfliherweise aber wissen die Leser eben so gut als der leitende Korrespondent der Vossishen Zeitung, daß, lange bevor die Ent- deckung jenes angeblichen „Rechtsstaats“/ gemacht worden, der preußi- he Staat ein Staat der Gerechtigkeit war, ein Staat, -der das Recht hüßte vom Throne bis zur Hütte herab, das Recht, wie e ie Vorsehung gegeben und der redlihe Fleiß es erworben, Willkür ist es, wenn unter dem Scheine des Rechts die Güter und die Rehte nah menschlichem Gutdünken vertheilt werden, nicht durch die großen ewigen Ordner: die in der Hand der Vorsehung ruhende Entwickelung der Völker, das individuelle Verdienst und die eigene intelleftuelle Kraft, sondern nach den Theorieen und shematischen Con- structionen moderner Staatsküustler. Ein solcher Rehtsstaat voll Willkür ist es, den sie vor kurzem über Nacht in Hellas aufgebaut haben und an welhem sie in Spanien unter vielen Gliedershmerzen seit längerer

daß für 100 Liv, Sterl, in sogenannten preußisch-englishen Obli=

Zeit arbeiten. Und zu gleihem Ziele führt, bewußt oder unbewußt,

Berlin, Donnerstag den lo Februar

gationen mit dazu gehörigen Zins-Coupons vom 41. Oktober 1843,

1844.

der Rechtsstaat der Vossischen Zeitung in seiner Entwickelung. Der Gegensaß dieses sogenannten Rechtsstaates, der Staat des Rechts, welhen wir so nennen, is der wirklihe, lebendige, seit Jahrhunderten gewachsene preußische Staat, mit seinem Haupte und allen seinen Gliedern, der Staat, in welhem die Tradition der Mühle bei Sanssouci von den Aeltern auf die Kinder fortgeerbt, dessen Könige den Wahlspruch führen: „Jedem das Seine!“ dessen in Bildung, Einsicht und Wohlstand stets fortschreitendes, in Treue und Gehorsam stets fest bleibendes Volk den leßten Herrsher den Gerechten nannte, und aus dem Munde seines Nachfolgers als dessen erstes Regentenwort die durch die That erfüllte Verheißung vernahm, er

werde ihm ein gerechter König sein.

Die Frage der Vossischen Zeitung: „Wo sind wir denn?“ beantworten wir hiernah folgendermaßen: Wir sind nicht da, wo jenes Blatt nah seinen leitenden Artikeln zu sein wähnt; nicht in einem Staate, der das Wort des Briten, daß „keine Willkür in die Hütten dringe“, nicht mit demselben Stolze auf sich anwenden fönnte. Wir sind vielmehr in einem Staate, in welhem die Regierung die dur die Regierungsform gesicherte Macht besißt, nicht nur den Hütten Schuß zu verleihen gegen die Willkür des Mächtigen, sondern auch und das konnte Chatham von dem britischen Reiche nicht sagen das“Haus des Bürgers davor zu beschirmen, daß nicht die frevelnde Hand plündernder und mordender Haufen in dasselbe ein- dringe, Wir geben darum auch dem „Volkswillen“, welcher durch die Eigenschaften, die wir von unserem Volke rühmten, der Regierung jene Kraft verleiht, den Vorzug vor dem „Volkswillen“, den die Vossische Zeitung deshalb preiset, weil er das Ausland ungestraft zu \hmähen das Recht habe, während er dem Rechte im eigenen Lande Achtung zu sichern nicht vermag.

_ Görlis, 25. Jan. (G. A.) Die am 17ten d. M. zu einer Extraordinair=-Sibung versammelten Stände der Oberlausiß haben den Grafen von Löben auf Rudelsdorf zum Landesältesten der Oberlausiß

erwählt, Gegenwärtig is eine Deputation der Landstände unt ahlt Dec g ist er Beihlilfe des Ober = Landesgerichts - Raths von Wangenbeim und Re- gierungs-Raths von Goßlar hier in Görliß mit Redaction des ober- lausiber Provinzialrechts beschäftigt.

Ausland. Deutsche Bundesstaaten.

Bayern. Bamberg, 28. Jan. (F. M.) Jhre Königl i der Kronprinz und die Kronprinzessin ck S E Abend 7 bis 9 Uhr große Cour zu halten und hierbei die Aufwartung des Adels, der Geistlichkeit, des Offizier-Corps des Königl. Chevauxlegers- Regiments und des Königl, 3ten Jäger=Bataillons und anderer hie- sigen und fremden Offiziere, des Königl. Appellationsgerihtes, des Kö-= niglichen Kreis - und Stadtgerichts, der sämmtlichen anderen Königl. Behörden, der Professoren und Lehrer der Studien - Anstalten, des Magistrats und der Gemeinde-Bevollmächtigten, des Offizier-Corps der städtischen Landwehr, im Thronsaale des Königl. Schlosses anzunehmen, Zuerst wurden sämmtliche adelige Damen, Frauen und Fräulein vorgestellt, und zwar Sr. K. Hoh. dem Kronprinzen durch Fr. Staatsräthin von Wal-= denfels, Jhrer K. Hoh. der Kronprinzessin dur Frau Obersthofmeisterin von Pillement, An der Spibe der Geistlichkeit befand sih der Herr Erzbischof Exc. z an der der Civil-Staatsdiener Herr Staatsrath und Appellationsgerichts - Präsident von Waldenfels Exc. und Herr Re=- gierungs-Präsident von Stenglein. Jhre Königl. Hoheiten sprachen mit jedem Vorgestellten auf das Gnädigste und Freundlichste und äußerten wiederholt in den huldreichsten Worten Höchstihre vollste Zufriedenheit mit dem herzlihen Empfange und dem Aufenthalte dahier. Heute beglüdcken Höchstdieselben den großen Festball, welchen E der Harmonie zur Feier Höchstihrer Ankunft veran=- altet hat.

_ Sathsen, Leipzig, 30. Jan. (D, A. Z) Gestern Nach- mittag gegen 2 Uhr traf der König von Preußen in Dealoitana 2

Königliches Schauspielhaus. Die „Capuleti und Monutecchi“‘. Mad. Schröder- Devrient und Herr Härtinger.

Wer freute sich niht der Dichtung von Romeo und Julia ; dieses Hohelieds der Liebe, so oft es ertónt? Wie steif und altfränkisch die Ge- stalt auch is, worin der italishe Dichter uns die Sage vorführt, so hat doch gewiß jeder Mensch Phantasie genug, das Fehlende zu ergänzen und die Shakespeareshe Nachtigall vom Granatbaum singen zu hören (111, 5). Von der allbekannten Geschichte ist nur so viel beibehalten , daß Julia den Slaftrunk nimmt und Romeo sich vergiftet; alles Uebrige ist des Shmucks entfleidet und nüchterne Schilderung der Familienfehden zweier veronesischen Häuptlinge. Julia stirbt am gebrochenen Herzen. Mercutio's genialer Humor fehlt ganz, und aus dem Bruder Lorenzo is ein Arzt geworden, der Rezepte angiebt, Die italienischen Komponisten haben diese Sage mit besonderer Vorlicbe aufgefaßt; so auch Bellini, als Gefühle sein Herz durch- tobten, denen Romeo's ähnlich. Jn der Reihe von Kunstgenüssen, die uns dur die Anwesenheit der Mad, Schröder-Devrient bis jeßt geboten wurden, muß die Darstellung des Romeo in der Oper des genannten Kom- ponisten am 30, Januar als eine der hervorragendsten ihrer Leistungen be- eichnet werden. Wahrhaft beseelt von ihrer Aufgabe, führte sie den männlich- fentimentalen Charafter, wie er in der Musik ausgeprägt ist, mit allen ihr noch zu Gebot stehenden Kunstmitteln im höchsten Grade einheitsvoll und wie aus Einem Guß geformt aus. Den Höhepunkt ihrer tragischen Kraft erreichte sie im lezten Akt; sowohl ihr ergreifendes Spiel, als ihr zu Herzen gehender seelenvoller Gesang wirkten, als, um mit dem großen Dichter zu reden, der Liebeswürger Tod sein Aeußerstes that (11, 6), în wirklich ershütternder Weise auf die mit gespanntester Aufmerksamkeit laushenden Zuhörer. Jede Miene, jede Ot jeder Laut, A Ton war hier von Bedeutung, Daß sich unter solchen Umständen der Erfolg ihrer Leistungen au äußerlich zeigte, braucht faum erwähnt zu werdenz sie wurde dreimal stürmisch ge- rufen, Die dankbare Partie des Tebaldo gab Herr Härtinger, im Damen zur Zufriedenheit des Publikums, Nicht unerwähnt darf die vor- treffliche Durchführung der Partie der Giulietta durch Dlle. Tuczek blei- benz musterhast, mit rührendem Ausdruck sang sie z. B, im dritten Aft die Cavatine, in welcher sie zu Füßen des Vaters Vergebung erfleht, Nach

dieser Scene und mit Mad, Schröder - Devrient wurde auch sie nah den beiden ersten Aften und am Schluß der Oper gerufen, U

Morgeun- Unterhaltung iu der Sing-Akademie.

Die „Frösche“/ des Aristophanes mit Musik von Commer.

Ein Kunstgenuß eigener und seltener Art war am 28. Januar, in de Mittagsstunden zwischen 12 und 2, einer auserlesenen GeselliGaft von 'Staats- Beamten, Gelehrten und Künstlern durh Herrn Franz Commer bereitet indem er seine Compositionen der ín dem aristophanischen Lustspiel „die Frösche‘“* enthaltenen Chöre und Gesänge durch eine lleine Kapelle und ’ent- sprechenden Chor ausführen ließ, während Herr August Kopisch, der rühmlih bekannte Dichter so vieler schönen Lieder und Märchen, das Stück selbst vorlas, und zwar mit einer höchst gelungenen, in die Jronie eingehen- den Arlferbind e nen Charaktere.

_Aristophanes, der klassische Repräsentant des wizigen Freimuths, d genialste Schilderer der Jronie des Lebens, der uibiasie ul lageIaNens Bersöhner der geistigen Abwege seiner Zeitgenossen, is wahrscheinlich im Jahre 444 9. Chr. geboren. Der poetishe Schöpfungsdrang regte si früh in ihm, denn schon im siebzehnten Jahre kam eins seiner Stücke „Die Zecher““ auf die Bühne, Von den eigentlihen Lebens-Umständen des Ari- stophanes sind uns nur sparsame Nachrichten zugekommen: wie alle Saty- riker scheint er viele Widersacher gehabt zu haben, die seinen persönlichen Charakter verdächtigtenz beim Volke aber stand er, troßdem daß er diesem in seinen Stücken („„Nitter“, „Wespen“) die ungeshminkte Wahrheit ins Gesicht sagte, in größter Achtung, die Athenienser ehrten ihn als einen ge- sinnungsvollen Mann, und nach der Aufführung der „Frösche“' erkannten B ihm sogar einen Zweig von dem heiligen Oelbaume auf der Burg als

clohnung zu. Mit dem Verfall der Demokratie, nah Einseßung der dreißig Tyrannen, war auch des Dichters Krast L und wir finden von da an bis zum Jahre 392 eine große Lücke in seiner poetischen Wirksamkeit : dem freimüthigen Dichter geboten die trüben Verhältnisse Schweigen. Als er sein leytes Stück („Reichthum“) aufführte, war er 56 Jahre alt: er trat nun ganz B und ist wahrscheinlich bald nachher gestorben,

Kein Dichter is so vielfa verkanut und #0 einseitig beurtheilt wor- den, als unser Schalk, Tugendheuchler, die noch dazu den Geist der

„prisca Comoedia”, deren Haupt-Repräfentant Aristophanes i i

wollten aus dem Umstande, daß er den ader lten Mann Mine t Sokrates, angriff, ihn zu einem frivolen Menschen voll ungemessener Schmáh- sucht stempeln. Es lag aber im innersten Wesen jener Komödie, alld Cha- rakter-Zeichnungen in die Karifatur zu ziehen, die Jdeen auf den Kopf zu stellen und das verkehrte Jdeal hervorzuheben , um die Realität der Jdeen um so deutlicher zu zeigen, Das is aber gerade das Juteressanteste seiner Stücke, daß er niht Phantasie-Gebilde, sondern wirkliche große Charaktere zur Zielscheibe seiner gespißten Wurfgeschosse wählte. Und nicht nur Per- sonen, sondern auch merkwürdige Tages- und Zeit-Begebenheiten faßte er massenweise auf, und so sind seine Dichtungen , in denen er die Ent- artung und den Verfall im politischen Leben, in den Volkssitten , in Kunst und Wissenschaft verspottete, ein treuer Zeitspiegel, Mit attischer Ele- ganz, wie sih denn überhaupt Sprache und Versbau in blühender Rein- heit bei ihm zeigen, geißelte er Demagogentreiben, Sophistenwirrwarr, tra- gische Versüßlichung, Rhetorentrug und Bramarbassie, dabei immer das Ideal einer früheren, besseren und sittenreineren Zeit im Auge behaltend und darauf hinweisend, Jn politischer Beziehung zur gemäßigten Aristokratie E t gab er seinen Haß gegen Demagogie rüsihtlos kund und zeigte dem Volke sein eigenes Zerrbild, Zudem gelangten diese Komödien während der ungezügelten bafchantischen Festeslust zur Oeffentlichkeit und die Nach- wirkung der excentrishen Späße hörte mit dem Feste selbs auf.

_Eins der Stücke von Aristophanes, welches vorzugsweise den Stempel der Reife und hohen Vollendung an sich trägt, sind seine „Frösche“" (8ær0axo Sie wurden unter dem Archon Callias 405 während der lernäischen Geste aufgeführt und erhielten den ersten Preis, Dies Lustspiel i eine unmiíttel- bare, dabei höchst kaustishe Jnvection gegen Euripides , der kurz vorher ín Macedonien gestorben war, und gegen die Geschmacks - Richtung desselben Die Handlung isst , troy der bunten Scenerie, einfach; die atheniensische Bühne befindet sih nämlich, da au Sophokles dahingegangen ist, in einem trostlosen Zustande, da nur l Stiaole Dichterlinge sih an die Oeffentlichkeit drängen, und so entschließt sich Dionysos, als Schupgott der Bühne, mit seinem Sancho Panso Silenos (hier Xanthias genannt) in Person nach der Unterwelt Dr DeO um einen großen Tragifer wieder heraufzuholen. Die eine

älfte des Lustspiels bildet die H Fahrt in den Hades und die Erlebnisse in demselben; die andere. das Schiedsgericht, vor dem sich Euri- pides und Aeschylos einfinden, um über ihre gegenseitigen Vorzüge zu dis-