1844 / 118 p. 2 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

S C NAE U TIE E M: S N M H amis M pet

Í er zweiten Kammer vom 18ten wurden die Beschlüsse in Mde Sas Erès - Schifffahrts - Vertrag bei dritter Abstimmung, so A sie dessen bedurften, ohne Weiteres wiederholt, j

Jm Verlaufe der Sizung stellte der Herr Präsident den Antrag eines Mitgliedes: „Unter Bezugnahme auf das ständishe Schreiben vom 11, Fe- bruar 1842 die Beschleunigung eines Wildschaden-Geseßes bei Königlicher Regierung - zu beantragen“‘, zur Berathung und Beschlußnahme,

Nach einstimmig bejaheter Le rate berief sich der Antragsteller zur Begründung des Antrages auf die frü eren Verhandlungen, insbesondere darauf, daß von Ständen seit 20 Jahren fast auf jedem Landtage dic Dringlichkeit des beantragten Geseßes vorgestellt worden sci. Der Mangel cines solchen Gesezes sei immer fühlbarer geworden, besonders an den Gränzen, und zwar um so mehr, als von Seiten des Ober-Jagd-Depar- tements die Bestimmung über die Hegezeit des Wildes auch guf das Wech- selwild ausgedehnt sei, während nach früheren Geseyen das Gränzwild nicht gehegt werden sollte, weil man nie wisse, wem das Wild gehöre, und daher von Niemanden Ersaß des Schadens gefordert werden könne.

Auf diese Begründung entgegnetc ein Mitglied, daß sich der Antrag selbst wohl des Beifalls der Kammer erfreuen werde, Wenn übrigens das Ober - Jagd - Departement zu weit gegangen sein sollte, so gäbe es dagegen NRemedur, wozu alle solche Einzelnheiten, welhe mit dem Wildschaden-Ge- seße nihts zu thun haben. So viel ihm bekannt, sei der Entwurf des Gesehes bereits ausgearbeitet und liege den betheiligten Behörden zur Be- gutahtung vor, Jndeß habe die Sache ihre großen Schwierigkeiten, und die Regierung möge deshalb nicht sehr eilen, cinen solhen Zankapfel für die bciden Kammern în die Stände-Versammlung zu werfen,

Der Antrag wurde von verschiedenen Seiten unterstüßt.

Mehrere Mitglieder erneuerten ihre Beschwerde über den fürstlich Bent- heimschen und den gräflih Vernstorfshen Wildstand und die völlige Schußy- losigkeit der betheiligten Unterthanen, Ein Mitglied bedauerte um so mehr, daß das Gesey bislang nicht vorgelegt sei, als in den leßteren Jahren dem Jagdrechte so großer Schuß verlichen worden, und nun auch wohl den ver- pflichteten Grundbesißern ein nothdürftiger Schuß gegen Wildschäden zu Theil werden könne. Jn anderen deutschen Ländern, z. B. in Baden, gäbe es bereits musterhafte Geseßgebungen über diesen Gegenstand,

Der Antrag wurde dann einstimmig genehmigt.

Jn Gemäßheit der Tagesordnung folgten die Anträge der Eisenbahn- Kommission wegen des die Feststellung und Anwendung des Fahr - und Fracht - Tarifs der Landes - Eisenbahnen betreffenden Postskripts vom 21sten v. M,, welche nach kurzer Erörterung angenommen wurden. Endlich schritt die Kammer zur zweiten Berathung und Beschlußnahme über den Gesehz- Entwurf zur Verbesserung des Volksschulwesens.

Grh. Hessen, Darmstadt, 21. April, (F. O. P. A. Z,) Gestern is der Großherzogl. wirflihe Geheime Rath Ernst Christian Friedrih Adam Schleiermacher im 90sten Lebensjahre gestorben.

Hohenzollern-Hechingen. Hechingen. (V. Bl.) Dienstag, den 16, April, Abends 8 Uhr, wurde die irdishe Hülle des Prinzen Fr, Xaver von Hohenzollern-Hechingen H. D., Kaiserl. österreichischen Feldmarschalls, mit allen seinem hohen Range als Prinz vom Hause gebührenden leßten Ehrenbezeigungen in die fürstliche Familiengruft beigeseßt. Unser fürstliches Regentenhaus is in Folge dessen in tiefe Trauer verseßt. Der Erbprinz von Hohenzollern-Sigmaringen H. D. fam nebst Gefolge eigens, um dieser ernsten Feierlichkeit beizuwohnen,

Freie Städte. Hamburg, 25. April. (Hamb. Bl.) Jn der heutigen Versammlung Erbgesessener Bürgerschaft wurden der= selben von E. H. Rath fünf Anträge gemacht, von welchen der erste die „Prolongation der mit des Großherzogs von Oldenburg Königl. Hoheit und den Hansestädten abgeschlossenen Militair=Convention““, betri. Der zweite Senats-Antrag bezweckt, daß der Wechsel= Ordnung von 41711 einige Zusaß=-Artikel gegeben werden, wonach nit acceptirte Wechsel ebenfalls Respittage erhalten, Jnterventions= Accepte am lebten Respittage zur Zahlung repräsentirt werden müssen, und wenn auch mit Klauseln versehen, auch Respittage haben. An eine neue Wechsel-Ordnung is noch nicht zu denken, da deren Be-= arbeitung durch mancherlei Störungen unterbrohen wurde. Die dritte Proposition wiederholt den am 14, Dezember v.-Y. vol! der Bürgschaft abgelehnten Antrag der Revision der Vormundschafts- Ordnung mit einigen Abänderungen. Der vierte Antrag bezieht sich auf die nunmehrige Annahme des in leßter Bürgschaft nicht geneh-= migten, jeßt abgeänderten §. 6 des revidirten Expropriationsgesebes, Fünftens endlih propouirte der Senat eine „Verordnung zum Schuß der Waaren-Bezeichnungen““, nämlich um dem Handels-Verkehr ge- gen fälschliche Waaren-Bezeichnungen und Nachahmung von Stenm-= peln, Siegeln u. dgl. zu sichern. 2

Von der Bürgerschaft wurden folgende Beschlüsse gefaßt: Erb= gesessene Bürgerschaft genehmigt ad 1. die Prolongation der olden- burgish-hanseatischen Militair-Convention, ad Il. die Additional - Ar- tikel zur Wechsel-Ordnung von 1711, ad Il. die definitive Beliebung der revidirten Vormundschafts-Ordnung und was dem angehörig, und ad IV. die nunmehrige Fassung des 6ten und 7ten Paragraphen des Expropriations= Gesebes; kaun sich dagegen ad V. in Betreff der Verordnung zum Schuß der Waaren-Bezeichnungen mit dem Antrage E. E. Raths nicht einverstanden erklären.

Die Erwiederung des Senates war: Ad I. bis IV. danft E.

E, Rath der Erbgesessenen Bürgerschaft für ihre Zustimmung und

dervergeltung und deren Gewerbe Rache war,“ Zwölf Jahre nah dem Erscheinen seiner Tragödie erhielt ihr Verfasser das neufränkische Bürger-Di- plom des pariser National - Konvents. Diese Kassandren - Weissagung der Revolution is es, welche dem wilden Stücke unausgegohrener Dichterkraft den jubelnden Beifall eines gährenden Geschlechts erwarb, während der Widerstand und die Besonnenheit einen Ruf des Entseßeus oder nüchterne Laute der Warnung hören ließen.“ / / ' /

Man hat, nicht mit Unrecht, verschiedentlih darauf hingewiesen, auf welche gefährlichen Wege Schiller hätte gerathen können, wenn er, in den nächsten Jahren nach seiner Flucht von Stuttgart nach Mannheim, be- rauscht von dem unerhörten Erfolge seiner Erstlings-Versuche, ein thatlusti- ger Feuerkopf, und dabei von Lg zerrissen, wenn er, der schon auf der Schule bei Konzipirung der Näuber geäußert hatte: „Wir wollen ein Buch machen, das aber durch den Schinder absolut verbrannt werden muß“, sih damals an die Spiye politischer Bewegungen gestellt und für die Jdeen, welche er seinen Moor in den böhmischen Wäldern verwirklichen ließ, am Rhein das Panier erhoben hätte. Allein Schiller's Natur war von Geund auf eine viel zu edle, um ihn, als er das wirkkihe Leben ein- mal fennen gelernt hatte, nah irgend einer Richtung hin den Extremen zu- fallen zu las gleich nachdem er die Räuber vollendet hatte, wollte sein Glüfsstern, daß er, durch Vermittelung des mannheimer Buchhändlers Schwan, eines, wie Schubart sagt, zum ruhigen Gefühle der Schönheit gestimmten Mannes, in brieflichen Verkchr mit dem Neichsfreiherrn Wo lf -

gang Heribert von Dalberg trat (au als Dramatiker durch „Cora‘“ und den „Mönch von Carmel““ bekannt), eine Bekanntschaft, wodurch seine anst ihre entschiedene Richtung fand. Dalberg war damals (der zweite rief, den er von Schiller erhielt, war vom 17. August 1781 datirt ; der En N in der gedruten Sammlung *) der Schillerschen Briefe an Dal- Di Oa) Intendant des mannheimer Theaters , crmunterte den wies foinieis wan durch „stolze Prädikate ““, wie dieser selbst erwähnt, pramatisehs Wet Geist auf die Formfesseln hin, in die sich jedes gen müsse, wenn es der Bühne angehören wolle, und

*) Sie führt ven Titel: „Schiller's sämmtliche W i erke, Supplement“ ene 1896 fn der Mars en Buchhandlu T4 Rate, und entl ält; außer den erwähnten, 62 Seiten füllenden Brièfen Schiller's,, die Vollen- dung von dessen „Demetrius“ vurch Fr anz von Maltiz, /

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behält sich ad V., indem Er bedauert, daß Erbgesessene Bürgerschaft dieser Proposition nicht beigetreten is, desfalls das Weitere bevor.

Russland und Polen.

St. Petersburg, 19. April. Ju Folge der bei den aus= ¡ ländischen Gesandtschaften vorgekommenen Schwierigkeiten wegen der ¡j auf Grundlage der bestehenden Verordnungen geshehenen Abnahme der National - Pässe von den nach Rußland kommenden Ausländern ist, da diese Maßregel gegenwärtig als nubßlos befunden worden, fol= gender Kaiserlicher Befehl ergangen: 1) Von den aus dem Aus- lande aufommenden Ausländern, wie bisher, nur diejenigen Pässe, welche ihnen von den russischen Gesandtschaften und Konsulaten er= theilt worden sind, abzunehmen und der 3ten Abtheilung der eigenen Kanzlei Sr. Majestät des Kaisers zuzustellen, 2) Von Ausländern, welhe mit Pässen ihrer Regierungen und Wanderbüchern, die von den russischen Gesandtschaften und Konsulaten bescheinigt sind, nach Rußland kommen, sollen diese Pässe und Wanderbücher uicht abgenommen werden. Aber bei der in der ersten auf ihrem Wege gelegenen Gouvernements-Stadt erfolgten Ertheilung von Billets zur Weiterreise oder zum Aufenthalt im Gouvernement foll dem Gouver= nements - Chef zur Pfliht gemacht werden, auf solhen Pässen und Wanderbüchern folgende Aufschrift zu bemerken: „ungültig in Rußland und auf Grundlage dieses Passes ist ein besonderer russisher Schein ertheilt worden“, und diefer Aufschrift ein Siegel beizudrüdcken. 3) Diese Vorschrift auf alle Ausländer auszudehnen, welhe aus dem Auslande mit National - Pässen und Wanderbüchern in verschiedenen russischen Häfen ankommen, und die Obliegenheit, auf ihren Pässen die oben erwähnte Aufschrift zu machen, den obersten Chefs der Häfen zu übertra- gen. 4) Die Vorschriften, welche in Betreff der Reisen von Ausländern aus einem Gouvernement in das andere, in Betreff der aus Tauroggen in Post= wagen und Britschken direkt nah St. Petersburg Reisenden, und der- jenigen, welche in dem kronstädtschen Hafen ankommen, bestehen, sollen in ihrer vollen Kraft bleiben. Die Aufschristen auf den Pässen der Auslän- der, welche in Postwagen und. Britshken und auf Dampfschiffen au- fommen, müssen von derjenigen Behörde vollzogen werden, welche ihnen Scheine zum Aufenthalte in der Residenz oder zur Weiterreise ertheilt, 5) Auch soll die Abnahme von Pässen ‘der aus dem Aus- lande ankommenden ausländischen Couriere an den Barrièren und die Einsendung derselben an die dritte Abtheilung der eigenen Kanzlei Sr. Majestät des Kaisers, um in das Ministerium der auswärtigen +4 Vi Ste befördert zu werden, in der früheren Weise ver= eiben,

SEANRU Pei h:

Paris, 22. April. Der Siècle wirst heute dem Journal des Débats sein Benehmen in der vorgestern in der Deputirten= Kammer verhandelten protestantishen Angelegenheit vor. „Um das Ministerium“, sagt das Oppositionsblatt, „für die so verdiente Nie- derlage zu rächen, die dasselbe in der leßten Sibung erlitten (indem der Kommissions - Antrag in Betreff der protestantischen Petitionen, obgleih die Minister sich dagegen erklärten, angenommen wurde), hat das ministerielle Blatt nichts Besseres herauszufinden gewußt, als das Votum der Kammer, eben so wie die Gedanken und Worte der Red= ner, die dieses Votum herbeiführten, ganz zu entstellen. FJndem die Herren Odilon Barrot, d'Haussonville und Gasparin das Prinzip der freien Religions - Uebung unterstübten, indem sie aufrichtige Achtung für das heiligste Recht des Gewissens verlangten, indem sie forderten, daß die Ausübung dieses Rechts niht von einer polizeilihen Genehmigung abhängig gemaht werde, daß der ote Artikel der Charte nicht in dem Geseß über die Asso- ciationen und in dem 291sten Artikel des Strafgeseßbuchs untergehe, sollen dieselben wie der Bischof von Chalons oder wie der Bischof von Chartres gesprochen, sollen sie gegen das Konkordat und gegen die Gesebe protestirt, sollen sie gegen die Herren Martin du Nord und Hébert (Kultus-Minister und General-Prokurator) die Verthei= digung aller niht genchmigten religiösen Congregationen und inébe= sondere der Jesuiten übernommen haben? Was soll man zu dieser Argumentation und zu dieser Redlichkeit sagen? Wahrlich, da doch von den Jesuiten die Rede is, wir sind zuweilen versucht, uns zu fragen, ob diejenigen, welche alle Freiheiten vermittelst einer willfür= lichen Auslegung der Geseße und der Charte zu eskamotiren suchen, nicht weniger zu entschuldigen sind, als die, welhe das Wort Frei- heit mißbrauchen, um wieder zur Herrschaft zu gelangen,“

Eine Zeitung von Douai meldet, daß bei dem dortigen König- lichen Gerichtshofe der Befehl angekommen sei, den bekannten Schleich= händler Rys auf das belgische Gebiet, und zwar bis zu dem Orte, wo er durch die französische Polizei verhaftet wurde, zurückzubringen,

Am 17, April weigerten sich die Kohlen - Arbeiter vou Rive de Gier noch immer, in den Gruben zu arbeiten,

Das aus 4 Linienschiffen, 1 Fregatte und der Dampf - Fregatte ,,Asmodée““ bestehende Evolutions - Geschwader des mittelländischen Meeres, unter dem Kommando des Contre=Admirals Parseval Deschenes, wird am 16, April von Toulon nah den hyerishen Jnseln unter Sç= gel gehen,

is E

steigerte seinen Muth und sein Selbstgefühl, Schiller {loß sich von da an immer an bevorzugte Geister an, ehrte die Geseße der Gesellschaft, und die T ULCRRRENoNs seiner Jugend klärten sich so zu immer größerer Rein- heit ab.

/ Schiller hatte 1784 in der Rheinischen Thalia Folgendes über si selbst ausgesprochen: „Die ganze sittlihe Welt hat den Verfasser der Räuber als cinen Beleidiger der ganzen Majestät vorgefordert. Seine ganze Verantwortung sei das Klima, unter dem er geboren ward, Wenn von allen den unzähligen Kiage - Sthriften gegen die Räuber cine einzige mich trifft, so i es diese, daß ih zwei Jahre vorher mir anmaßte, Men- schen zu schildern, ehe noch einer mir begegnete.“ Der exaltirteste Freund Schillerscher Poesicen wird zugeben müssen, daß in dieser Selbstanklage Wahrheit liegez denn von sämmtlichen in den Räubern agirenden Personen sind im Grunde nur zwei möglich und denkbar: Daniel und Moser. Und zum Portrait derselben hat dem jugendlichen Dichter wahrscheinlich ein Mann gesessen, dessen Charakter, als einen ofencn und reinmenschlichen, er, bei seiner Unerfahrenheit in der Kenntniß versteckter Naturen, wohl genau kennen konnte: es war dieses der Diafon Moser zu Lorch, wel- cher den Vornamen Daniel führte, von dem er den ersten Unterricht in der lateinischen und griechischen Sprache erhalten hatte, und dem er des- halb sowohl im Charafter des Pastors Moser cin Denkmal der Dankbar- feit seßen wollte, als er ihn zum Vorbilde für den treu-anhänglichen Da- niel wählte.

Fassen wir die übrigen Personen des Drama's ins Auge, so werden wir sofort gewahr, daß der Boden schwankt, worauf sie wandeln; an dieser mangelhaften Unterlage ist jedoch nicht der Dichter, sondern sein erster Theater - Kritiker, Dalberg, (huld. Dieser drang darauf, daß die Räuber in die früheren Zeiten des Landfriedens und unterdrückten Faustrechts zu- rückgeseßt würden. Dies, meinte Schiller, würde dem Stück vor der Ar- beit den größten Glanz gegeben habenz aber nachdem dasselbe angelegt und vollendet worden, würde nur ein fehlerhaftes, anstößiges Quodlibet heraus- fommen, ähnlih einer Krähe mit Pfauenfedern. Die Charaktere wären zu aufgeklärt und modern angelegt, und eben so wenig tauge der Male 1 e eiten; es fehlte den Räubern ganz an jener Simplizität, die Göthe m Göp so schön gezeichnet hätte. Es würde ihm sonst wie einem alten Holzschnitte res welchen er in einer Ausgabe des Virgil gefunden, wo die Troer in Husagrenstiefeln gekleidet gewesen und König Agamemnon ein

na Paris, 22. April. Ju der heutigen Sißung der Pairs- Kammer begann die Diskussion des Geseß-=Entwurfs über den Se- fundär - Unterricht, Eine große Anzahl von Rednern für und gegen hatten sich einschreiben lassen. Aber vor Beginn der Debatte ver- langt Marquis von Boissy das Wort über das Protokoll. Er beklagt sich über einen Angriff auf die Würde der Kammer von Seiten der Minister, die, nachdem sie sich geweigert, die neuen Do- fumente über Otaheiti der Kammer vorzulegen, solhe zwei Tage nachher auf dem Büreau der Deputirten-Kammer niedergelegt hätten, Er glaubt, die Aufmerksamkeit der Kammer auf diesen Mangel an Rücksichten lenken zu mülissen. Der Präsident, Baron Pasquier, bemerkt, daß diese Thatsache der Tagesordnung durchaus fremd sei, eben so sehr, als der Abfassung des Protokolls, Damit war die Sache abgethan. Man schritt zur Tagesordnung. Herr Cousin hat zuerst das Wort gegen den Geseß- Entwurf. Der Präsident bittet die Kammer, ihn mit der stillsten Aufmerksamkeit anzuhören, da Herr Cousin nur mit äußerst {wacher Stimme zu sprechen in Stande sei, (Allgemeine Bewegung der Aufmerksamkeit.) Herr Cousin: er komme, er verhehle es nicht, einer nationalen Jnstitu- tion seinen Beistand zu leihen, welhe der umfassende und gelehrte Bericht des Herrn Herzogs von Broglie der Beachtung und Beför- derung würdig erklärt habe. Deshalb habe er das Wort ver= langt, selbst ohne zu wissen, ob er die Kraft haben werde, davon Gebrauh zu machen. Der Redner geht in tiefe Betrachtungen ein über die öffentliche Erziehung und das Recht des Unter rihts, Die Freiheit des Unterrichts ohne vorgängige Bürgschaft, sagt er, könne nur unselige Folgen hervorbringen, und diese Bürg= haft könne nur durch Dazwischentreten des Staates gewährt werden. Der Redner entwirft nun eine geschichtlihe Skizze der Universitäts- Anstalten, zeigt die Universität anfangs unter dem Schuße der fran- zösischen Könige, später von anderen im Stiche gelassen und gezwun= gen, gegen den chrsüchtigen und herrschsüchtigen Geist der Jesuiten zu kämpfen. Bei der Revolution von 1789 angekommen, wirft Herr Cousin einen Blick guf den Zustand des öffentlichen Unterrichts wäh- rend der Periode der Republik, dann unter dem Kaiserreiche und der Restauration. Er sucht hervorzuheben, daß zu keiner Zeit der Staat, sein Recht in das Unterrichts- und Studienwesen einzugreifen, absolut aufgegeben habe. Die Sißung dauert fort.

Jn der Deputirten-Kammer wurde zuerst ein Geseß-=Ent- wurf für Eröffnung eines Kredits zu Einschreibung der Militair-Pen- sionen im Jahr 1844 im Betrage von 450,000 Fr. außer dem bercits im Finanz - Geseß von 1843 eventuell angewiesenen Kredit von 1,050,000 Fr., zuerst in seinen einzelnen Artikeln und endlich in seiner Gesammtheit mit 217 gegen 15 Stimmen angenommen. Darauf fam die Diskussion des Geseß-Entwurfs über die Gefäng- nisse an die Tagesordnung. Herr Cordier spricht dagegen, glaubt, die Lage der Gefangenen werde dadurch noch \{chlimmer, und verlangt, die Kammer solle gar nicht zur Diskussion der einzelnen Artikel schrei- ten. Der Redner hatte aber durhaus keine Aufmerksamkeit bei der Kammer zu finden vermocht. Herr Corne erklärt sich für den Grundsaß des Gesetz = Entwurfs. Es handle sich nicht darum, das Ausland zu kopiren, in die Uebergriffe zu verfallen, welche man viei- leiht dort begangen z ein ganz französishes Geseß solle gemaht wer- den, in Uebereinstimmung gebraht mit den französischen Sitten und Gebräuchen. Ob es wahr sci, daß die öffentlihe Moral sich ver= bessere, wie man sage? Er würde es sehr wünschen, aber leider seirn die gerichtlichen Annalen niht ganz im Einklange mit den Statistiken, die man mühsam zusammenstelle, Eine Ershwerung der Strafen, oder wenigstens eine Abänderung dersclben, sei unvermeidlich. Der von dem Geseß = Entwurf aufgestellte Grundsaß sei gut. (Die Sibßung dauert fort.) ;

Das fünfte Büreau der Kammer hat sich heute mit der wieder= holten Wahl des Herrn Charles Laffitte zu Louviers beschäftigt. Herr Denis sprah für Gültigkeit der Wahl und rügte s{harf die gegen den Erwählten gerichteten Angriffe, Herr Lacrosse bekämpste die Wahl mit den von der Opposition stets vorgebrachten Gründen. Herr PEspee hebt auh das Unschiklihe der Angriffe auf Herrn Charles Laffitte hervor, zeigt die Grundlosigkeit derselben, nie habe ein Kauf- vertrag zwischen den Wählern von Louviers und Herrn Charles Laffitte bestanden. Herr de Vatry spricht in demselben Sinn und sagt, wenn man diese Wahl umstoße, müsse man zwei Drittheile der sämmtlichen Wahlen ungültig erklären, Ebenso spriht Herr Dugabez Herr Garnier Pagès aber meint, die Kammer könne sich nicht zur Mit- huldigen an dem bei dieser Wahl vorgefallenem Skandal machen. Herr Berryer sagt, nur eine gerichtlihe Untersuhung könne den angeblichen illegitimen Vertrag des Herrn Charles Laffitte mit seinen Wählern herausstellen, Endlich wurde die Gültigkeit der Wahl mit 24 gegen 15 Stimmen ausgesprohen. Herr Felix Real wurde mit 21 gegen 18 Stimmen zum Berichterstatter ernannt, die lehteren waren Herrn Dugabe zugefalleu, Der Berichterstatter soll der Kam= mer seinen Bericht geschrieben erstatten und dem Büreau erft vorle= gen, bevor e an die Kammer gelangt,

A Paris, 22. April, Die ministeriellen Blätter bestreiten mit großer Lebhaftigkeit die Rehtmäßigkeit der Beschwerden, welche vor=

paar Pistolen in der Halster stecken gehabt, Alle Tiraden, große und kleine Züge wären nun cinmal aus der gegenwärtigen Zeit entnommen, „Ver- zcihen Ew, Excellenz“, schrieb er bei dieser Gelegenheit unterm 12, Dezember 1761 an Dalberg, „dem Vater diese eifrige Einsprache für scin Kind,“ *) Allein seine Einwendungen halfen nichts: die Zeik wmde verändert, Fabel und Charaktere blieben, „So entstand“, wie Schiller selbst sagt, „ein buntfarbiges Ding, wie die Hosen®des Harlekins. 4

Auch die Grundzüge der Begebenheit, welche in den Räubern drama- tisirt ist, gehören der Zeit Sciller's an, und derselbe las sie im s{hwäbi- hem Magazin vom Jahre 1775. Die dort erzählte Geschichte eines durch seinen verstoßenen Sohn geretteten Vaters hat den Dichter Schubart zum Verfasser, der wegen seines Epigramms auf die Karlsschule, das der Herzog Karl auf sih bezog, zehn Jahre auf Hohenasperg schmachten mußte und erst durch die Verwendung riedrich's des Großen, dem zu Ehren er eine Hymne gedichtet hatte, losgegeben ward. Es is ausgemacht, daß die Dichtungen Schubart's den jugendlichen und damals in scinen Gesinnungen mit ihm sompathisirenden Sciller eleltrisirten. Einige kräftige Gedichte Schubart's , erzählt Schar f- fenstein, maten bei ihrer Erscheinung einen starken Eindruck auf Schiller, vorzüglich die Fürstengruft, Er wallfahrtete deéhalb ein paar Mal auf deu Asperg. Aber bei der Gegenwart eines aufpassenden Sergeanten oder des Festungs-Kommandanten konnte die Mittheilung nur flah sein, Schiller hatte fein fortgeseytes, etablirtcs Verhältniß mit Schubart, Wohl aber fürchtete er, dessen Loos theilen zu müssen, denn vor seiner Flucht nach Mannheim schrieb er an mehrere Freunde, daß er cilen müßte, sih von Stuttgart zu entfernen, „man möchte sonst auch ihm, wie dem biederen Schubart, ein Logis auf dem Hohenasperg anweisen,

Ueber den Haupthelden unseres Stücks, Karl Moor, wie über das Stück selbst, hat, was auch Hinrichs (a. a. O. S. 32) zugiebt, wohl Nie- mand \o tief geurtheilt als Hegel, Derselbe geht dabei von der Bemer- kung aus, daß in der gegenwärtigen Welt der Kreis für ideale Gestalten nur sehr begränzter Art sei, Es wäre für die Selbstständigkeit partikulärer Entschlüsse kein Spielraum mehr übrig, Man könnte in unserem gegen- wärtigen Weltzustande zwar nah dieser oder jener Scite hin aus sich selbst handeln, aber jeder Einzelne gehörte einer bestehenden Ordnung der Gesell- \chaft an, wie er sich auch drehen und wenden möchte, erschiene nicht als

*) S, 16 der erwähnten Briefsammlung,

gestern in der Deputirten-Kammer im Namen der französishen Pro- testanten erhoben wurden, „Worüber klagen die Protestanten? fragt eins der Organe der konservativen Meinung. Haben die Katholiken niht eben so gut wie sie die Verpflichtung jener Autorisation einzu- holen, gegen deren Erheishung sie si sträuben? Oder können die Katholiken etwa, nah den Worten des Gesebes, eine religiöse Gesell- schaft gründen, eine Anstalt zur Ausübung des Gottesdienstes errich- ten, eine Kirche, einen Altar erbauen, ohne von der Regierung dazu ermächtigt zu sein? Warum verlangen also die Protestanten eine größere Freiheit, einen stärkeren Schuß als die Freiheit und den Schub, mit dem die Katholiken sich begnügen? Warum will die Minderheit sich von einer Aufsicht befreien, welche sich die Mehrheit gefallen läßt?‘ Auf alle diese so zuversichtlich gestellten Fragen läßt sih gar vielerlei antworten.

Es ist wahr, das Geselz is für Katholiken und für Protestanten dasselbe, aber die Lage der Dinge ist so beschaffen, daß jenes Gesetz für die Protestanten zu cinem {weren Druck wird, während die Ka= tholifen das Vorhandensein desselben aar nicht fühlen, Der große Unterschied in der Einwirkung des fraglihen Besebes auf protestan

tische und auf katholische Verhältnisse heruht auf ber Thatsache, daß |

die Katholiken überall, oder doh fast liberall in Frankreich, so viele Kirchen und Geistlihe haben, als das Bedürfniß ihree Kultus et fordert, während es den Protestanten an einer großen ¿Zahl von Orten an Gotteshäusern und an Pfarrern fehlt. Daher kommen denn

uatürlih die Katholiken beinahe niemals, die Protestanten aber sehr |

oft in den Fall, der polizeilichen Erlaubniß zur Errichtung neuer got- tesdienstliher Anstalten zu bedürfen. Die Protestanten würden in- dessen ga gewiß keine Schwierigkeiten machen, sich dem Geseße, um

welhes es sich hier handelt, zu unterwerfen, wenn ncht eine |

oft wiederholte Erfahrung sie gelehrt hätte, daß Juntoleranz und Fanatismus sich gern jenes Geseßes bemächtigen, um mit Hülfe desselben Glaubensdruck gegen diejenigen auszuüben,

welche niht der Konfession der Mehrheit der Franzosen angehören, ;

Man kennt eine ganze Menge von Beispielen, daß die Ortsbehörden und in zweiter Justanz die Präfekten den Protestanten die Vollmacht zur Errichtung neuer Kirchen geradezu und unter den nichtigsten oder den gehässigsten Vorwänden verweigert haben. Es scheint freilich, daß die Regierung selbst \solhe Fragen zuleßt immer im Sinne der Glaubensfreiheit entschieden hat, wenigstens fand die desfalls abgege- bene Versicherung des Justiz-Ministeriums keinen Widerspruch in der Kammer, Allein is es denn etwa gleichgültig für eine protestantische Gemeinde, sich durch den administrativen Justanzenzug Jahre lang an der Ausübung ihres Kultus verhindert zu sehen, wie dies in mehr als einem namhaften Falle vorgekommen? Ist es gleichgültig für ste, bei einer etwanigen Ausübung des Gottesdienstes vor der vollständigen Erfüllung jener endlosen Förmlihkeiten Gefahr zu laufen, als eine verbotene Verbindung von dem Zuchtpolizeigerihte zu Geldstrafen und Gefängniß verurtheilt zu werden, wie dies den Protestanten in Senneville begegnet i? Dazu kommt, daß der Sinn der Ge rechtigkfeit und der Billigkeit, welchen die heutige französische Regie- rung gegen alle Glaubensbekenntnisse des Landes gleihmäßig bewährt, heute oder morgen mögliherweise ganz anderen Gesinnungen Plaß machen kann. Die Katholiken haben in Frankreih der Natur der Verhältnisse nah niemals eine Beeinträchtigung ihrer gottesdienstlichen Freiheit zu fürhten, aber für die Protestanten is die Rüdkehr der Zeiten nicht undenkbar, wo ihnen jene Freiheit dur alle halbwegs geseßlichen Mittel verkümmert wurde. Die Verweigerung der Er= laubniß zur Errichtung von neuen Kirchen, oder auch zur Abhaltung von Familien = Gottesdienst in solchen Orten, wo die Zahl der Pro= testanten zur Unterhaltung einer Kirche zu klein is, würde ein sehr

wirksames Mittel zu jenem Zwecke sein, ein Mittel, durch welches sich

cine künftige Regierung überdies in den Augen einer gewissen Partei ein großes Verdienst erwerben könnte. Daß die Protestanten aber allen? Grund haben, eine solche Möglichkeit zu fürchten, und sie aus den Chauch®& cen der Zukunft hinweg streichen zu wollen, das wird man leiht bei greifen, wenn man weiß, daß es in Frankreich noch heutzutage über® hundert förmlich fonstituirte protestantishe Gemeinden giebt, die feinê

Kirche besißen, und die ihren Gottesdienst deshalb unter freiem Him? mel abhalten müssen. Noch viel größer ist die Zahl der Städte und? Dörfer, zumal im südlichen Frankreich, wo nur einzelne protestantishck Familien leben, deren Versammlungen zum häuslichen Gottesdienst gleichfalls dem Gesebße gegen die „Verbindungen“ unterliegen, sobald diese Versammlungen mehr als zwanzig Personen zählen. Dahef® haben denn die Protestanten das größte Recht, auf die Abänderung

dieser Geseße zu dringen und sich zu diesem Zwecke auf die unbestreit=

bare Wahrheit zu berufen, daß es da keine religiöse Freiheit giebt,

wo die Ausübung dieser Freiheit von einer polizeilichen Erlaubniß

abhängig is, die mit oder ohne Grund verweigert werden kann,

m Paris, 22. April. Jch machte Sie neulih auf die Er- flärung des Herrn Guizot aufmerksam, daß die Desavouirung des Herrn Dupetit = Thouars nicht als ein unwiderruflihes Faktum zu betrachten wäre, da im Gegentheil vor der Abreise des Contre= Admirals Hamelin Umstände eintreten könnten, welche die Politik des

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Kabinets in dieser Beziehung modifiziren möchten, DieDémocratie pacifique, welhe in Betreff der otaheitishen Angelegenheiten si immer sehr gut unterrichtet bewies, indem sie unter Auderem zuerst die Desavouirung des Herrn Dupetit-Thouars, als vom Kabinet be- schlossen, anzeigte, die Démocratie pacifique, sage ih, meldet in ihrer heutigen Nummer, das Kabinet hätte eine Art Transaction ermittelt, der zufolge Frankreih die Oberherrschaft der Jnsel Otaheiti bewahren und die Königin Pomareh als Entgelt dafür die unbe- schränkte Herrschaft einer der übrigen Gesellshafts-Jnseln mit einer von Frankreich ihr ausgeseßten Civilliste erhalten würde. Ih will vor der Hand nicht entscheiden, inwiefern die Angaben der Démo- cratie pacifique gegründet sein können, Thatsache ist, daß man es bei der drohenden Haltung der Deputirten - Kammer für nöthig gehalten, die otaheitishe Frage einer gründlicheren Prüfung des Minister -Rathes zu unterwerfen, um zu sehen, ob niht ein Ausweg zu finden sei, die Kammer und das Land zufriedenzustellen, ohne England zu nahe zu treten. Bis zur Stunde verlautet nihts Be- stimmtes, was das Conseil der Minister hierin zu thun gedenkt; heute noch fand deshalb eine lange Sihung des Conseils unter dem Vorfiße des Königs in den Tuilerieen statt. Daher kommt es, daß die Dis- fussion wegen Otaheiti, welhe heute in der Deputirten - Kammer wieder aufgenommen werden sollte, erst in einigen Tagen fortgeseßt werden wird,

Die französishe Regierung scheint ihren übersecischen Besizungen besondere Aufmerksamkeit zu widmen, Vor ein paar Jahren wurde zum erstenmal der Versuch gemacht, êin Detaschement Reiter nach dem Vorbilde der Spahis von Algerien in den französischen Besißun= gen am Senegal einzuführen. Das Detaschement bestand provisorisch aus 27 Mann und einem Offizier. Bei einer der lebten Expeditio= nen bewährte sich dasselbe so vortrefflih, daß die Regierung beschlos= sen hat, die 25 Maun auf 110 zu erhöhen und statt einem 5 Offi ziere dahin zu {hicken. Das Corps soll den Namen Spahis du Se= negal führen und der Kern einer immer mehr zu entwickelnden Trup- penmacht am Senegal werden. Jmgleichen sollen auch die sogenann= ten s{hwarzen Compagnieen der französischen Niederlassung von Nossibé bedeutend vermehrt werden, Kaum ist eine große wissenschaftliche Expedition nah Brasilien abgegangen, welche zum Zweck hat, durch die noch unbekannten Gegenden des inneren Süd-Amerika nah Peru vorzudringen, so organisirt man in Paris eine andere wissenschaftliche Mission, deren Bestimmung sein soll, das Jnnere von Mexiko zu er= forshen. An dieser Expedition werden mehrere Mitglieder der Akg-= demie der Wissenschaften Theil nehmen. Der Minister des üffent= lichen Unterrichts hat aus seinem besonderen Budget 50,000 Fr. dazu angewicsen. Die Minister des Aeußern , des Handels und des See- wesens werden zusammen über 200,000 Fr. dazu beisteuern, der Sum- men nicht zu gedenken, welhe nah Bedürfniß später dazu gewährt werden follen.

Grossbritanien und Irland.

_ London, 20, April, Man hat bei Gelegenheit der Reise der? Königin von England nah Eu im vorigen Jahre so viel von dem

glückiihen Einverständniß Englands und Frankreichs gesprochen und als eine Folge des in der That freundschaftlihen Verhältnisses der Monarchen beider Länder auch eine Annäherung und ein freundschaft= lihes Vernehmen zwischen den beiden Völkern in Aussicht gestellt. Wie {wer aber, ja wie unmöglich es ist, daß ein solches Vernehmen bei der entgegengeseßten Charakter-Anlage der Engländer und Franzosen sih gestalten kann, davon giebt wiederum der Artikel in einem der neuesten Blätter der Times, nameutlih iu Bezug auf das Ausland des wahrhaften Organs des englischen Volkes, Zeugniß, auf wel= hen bercits einer unserer londoner Korrespondenten in einem gestern gegebenen Schreiben angespielt hat. Die Times hat zwar nur die Opposition in der französishen Deputirten-Kammer sich zur Zielscheibe ihrer tadeluden Vorwürfe gewählt, aber wer wird nicht erkennen, daß sich hier nationale Antipathieen begegnen und die na- tionalen Charaktere beider Völker im Konflikt sind. Zugleich ent-= hält der bezeihnete Artikel einige interessante Vergleichungen zwischen Deutschland und Frankreich und is {oa darum lesenswerth.

Die Times schreibt: „Obwohl wir auf die umlaufenden Ge= rüchte von Coalitionen gegen das gegenwärtige französische Ministe- rium eben kein Gewicht legen und der festen Ueberzeugung sind, daß die Opposition ihre Sieges-Aussiht mehr nah ihrer Leidenschaftlich= keit und Gier, als nah ihrer Gelegenheit und Kraft abgeschäßt hat, so enthält die Lage der politischen Angelegenheiten in Frankreich doch genug, was zum Nachdenken auffordert und, zwar noch nicht augen= blicklih, aber für die Zukunft, Besorguiß erregt, Ju der ganzen Ge= schichte constitutioneller Regierung erinnern wir uns keiner so jämmer= lih parteisüchtigen und so verächtlih leeren Session, wie diejenige der mit dem Namen französishes Parlament beehrten Körperschaft in diesem und in einigen früheren Jahren. Es hat nicht eine einzige Verhandlung stattgefunden, ohne ein Handgemenge mit dem bestehen- den Ministerium oder eine gemeine Zänkerei mit den vornehmsten Staatsdieuern. Anstatt der Nachsicht und Artigkeit von Gegnern, die sih achten, ist die Opposition in Frankreih zu einem niedrigen

bissigen Heben herabgesunken. War aber die Form dieser Angriffe läppish, so war ihr Juhalt s{chmählich. Die Opposition hat nit einen einzigen ernstlihen Versuch gemacht, sih irgend eine bestimmte Verbesserungs-Maßregel anzueignen oder die Theilnahme des Landes für irgend eine der großen Fragen der Civilisation und des Wohl- standes zu gewinnen, denen am Ende doch die bloßen Hof- und Partei=Jntriguen unendlich nachstehen müssen. Die Deputirten-Kammer beweist uie irgendwie Kraft, wenu nicht ihre persönliche oder nationale An= tipathie angeregt ist und zu einem Kampf um das Ministerium ge- führt hat. Sie ist starr, wenn sie niht wild is. Die Hauptthätig- keit der Verwaltung findet Hindernisse in ihr. Es ist sehr zu bekla=- gen, daß in einem so großen Lande wie Fraukreich, das eine freie Presse und ein freies Parlament besißt, die wichtigen Fragen von sozialem Juteresse, die theils ihm mit anderen Ländern gemeinschast= lih, theils ihm besonders eigenthümlich sind, von seinem Forscher= sizn und seiner Geisteskflarheit so wenig gefördert werden. Ohne Vebertreibung läßt sich behaupten, daß in Deutschland, wo die Presse nicht frei und die Rednerbühne fast still ist, zehnmal so viel über der- gleihen Gegenstände, wie Freiheit des Handels, Verbesserung der Gesebgebung, Abschaffung der Sklaverei, öffentliher Unterricht, Er= bauung von Eisenbahnen, Verhältniß des Arbeitslohns und alle Haupt=- Interessen der bürgerlihen Gesellschaft gedacht und geschrieben wird als in Frankreih. Jn Deutschland sind die Organe der Oeffentlich= keit unvollkommen, allein dort is ein Publikum; in Frankreich besteht übermäßige Oeffentlichkeit, allein wir sehen nicht, daß das Publikum, oder irgend ein bedeutender Theil desselben, oder auch nur eine Ab= theilung der Volks-Vertreter es je für ihre Pfliht gehalten hat, ihre Kräfte auf die Beförderung dieser wichtigen Zwecke zu richten. Man spricht in Fraukreih viel Ungereimtes über die englische Aristo=- fratie, wenn man \sich aber die Mühe nähme, die Quellen ihrer Macht genauer zu prüfen, so würde sich finden, daß diese in dem Eifer und in der Befähigung der höheren Stände Englands beruhen, ihre po- litischen Zwecke und Bestrebungen mit den mannichfaltigen Zwecken und Grundsäßen zu verbinden, welche politishen Parteien thatsäch= lihe Wichtigkeit und Volkseinfluß geben. Es läßt sich \s{hwer ein- sehen, wie politishe Parteien ohne solche Zwecke und Grundsäße bestehen köunten, oder wozu sie dienen würden. Dann würden sie nur in sinnlose Vorliebe oder Abneigung auszuarten geneigt sein und sich öfter durch Einbildungen als durch Thatsachen leiten lassen.“

Die Times schließt hieran eine Beleuchtung der leßten Debat= ten in der französishen Deputirten = Kammer über die otaheitische Angelegenheit, welche die Opposition angeregt habe in Ermangelung eines würdigen Gegenstandes oder Prinzips.

Dem Standard zufolge, sollen die angeklagten Repea= ler damit umgehen, der Regierung einen Vergleih anzubie=- tenz die Befreiung von dem Strafurtheil soll nämlich durch eine Auflösung des Repeal = Vereins erzielt werden. „Von dieser

+ Auflösung“, schreibt der Standard, „ist in diesem Verein öffent=

lih {hon gesprochen worden und aus gewissen geheimnißvollen An=- deutungen eines Herrn O'Neill scheint hervorzugehen, daß diese An-

gelegenheit jeßt sehr ernstlih in dem geheimsten Rathe der Repealer

verhandelt wird. Dank sei dafür gesagt dem schr ehrenwerthen T. B. Smith, (General-Prokurator); wer hätte vor einem Jahre ge- dacht, daß die Auflösung des Repeal - Vereins \o nahe bevorsteht.“ Andere Blätter enthalten noch nichts von einem solchen Vergleiche und die Nachricht des Standard ist darum noch mit einiger Vor= sicht aufzunehmen.

F London, 29, April. Es gab noch nie eine Zeit, welche mehr äußere Zeichen der National - Wohlfahrt Englands darbot, als die gegenwärtige. Der Finanz-Abschluß des Staates für das mit dem 95. April abgelaufene Jahr ergiebt einen Uebershuß von 2,095,427 Pfd.z der Ueberfluß an Kapital läßt die 3proc. Consols über pari steigen und seßt den Minister in den Stand, durch die Zins-Reduc-= tion der 37proc. jährlichß eine halbe Million zu ersparen. Ju den Fabrik - Distriften lebt der Handel seit dem Anfange dieses Jahres mehr und mehr wieder auf, und der Begehr nach Baumwolle in Manchester und an anderen Orten bleibt immer sehr stark. Der Eisenhandel, welcher eine Zeit lang mehr als irgend ein anderer Handelszweig darnieder lag, is jeßt ungewöhnlich lebhaft; der Preis für Roheisen is in Schottland von 40 Sh, pro Tonne auf 53 Sh. und darüber gestiegen, und in Birmingham zahlt man sogar jeßt 20 Sh. pro Tonne oder 1 Sh. pro Ctr. mehr als früher, ein Auf \hlag, der dem höchsten Zoll-Betrage (10 Sgr. für den Ctr.) gleih= fommt, welchen der Zoll - Verein im leßten Jahre auf fremdes in Deutschland eingeführtes Roheisen zu legen beahb= sichtigt haben soll. Der einzige Zweig britisher Jndustrie, der gegenwärtig fast gänzlich darniederliegt, is die Kohlen - Pro= duction Northumberlands und Durhams; aber sogenannte Strikes, Verbindungen zur allgemeinen Niederlegung der Arbeit, um ein höheres Tagelohn zu erzielen, haben {hon früher oft stattgefun= den und sind niemals von langer Dauer gewesen. Die gegenwärtige Auflehnung der Arbeiter wird wahrscheinlich nichts mehr als eine vorübergehende Wolke sein, Daß das Geld billig ist, ist noch nicht

die selbstständige, totale und zugleich individuell lebendige Gestalt dieser Ge sellschaft selbst, sondern nur als ein beschränktes Glied derselben. Deshalb handelte er auch in ihr befangen, und das Juteresse solcher Gestalt, wie der Gehalt ihrer Zwecke und Thätigkeit, wären unendlich partikulär, Wäre auch die moderne Persönlichkeit sich als Subjekt unendlich, in ihrem Gemüth und Charakter, so wäre doh das Dasein des Rechts in diesem Einzelnen eben so beschränki, wie der Einzelne selbst, und nicht wie im eigentlichen Herocnthum das Dasein des Rechts, der Sitte, Geseblichkeit überhaupt z der Einzelne wäre jeßt nicht mehr, wie im Heroentihum, der eigentlihe Träger und die ausschließende Wirklichkeit dieser Mächte, Aber das Interesse und Bedürfniß einer solchen wirklichen Totalität und lebendigen Selbstständig- keit würde und könnte uns nie verlassen, möchten wir auh die We- sentlichkeit und Entwickelung der Zustände in dem ausgebildeten bürger- lihen Leben als noch so ersprießlicy und vernünftig anerkennen. Ju dicsem Sinne wäre Göthe's und Schiller's poctischer Jugendgeist in dem Versuch zu bewundern, innerhalb dieser vorgefundenen Verhältnisse der neueren Zeit die verlorene Selbstständigkeit der Gestalten wicder zu gewinnen, Wie aber hätte Schiller in seinen Werken diesen Versuch ausgesührt? Nur durch Em- pörung gegen die gesammte bürgerliche Gesellschaft selb|, Karl Moor, ver- leßt von der bestehenden Ordnung und von Menschen, welche deren Gewalt mißbrauchten, träte aus dem Kreise der Geseßzlichkeit heraus und machte sich, die Schrauken, die ihn einzwängten, durchbrechend und sich selbst einen neuen historischen Zustand erschaffend, zum Wiederherstcller des Nechts und selbst- ständigen Rächer des Unrechts, der Unbilde und Bedrückung. Aber wie klein und vereinzelt erschiene diese Privatrache einerseits bei der Unzulänglichkeit der Mittel, und andererseits Kübrte sie nur zu Verbrechen, indem sie das Unrecht in sich {lösse, das sie zerstören wollte. Für Karl Moor wäre das ein Unglück, ein Mißgriff, und wenn das auch tragisch wäre, könnten doch nur Knaben von diesem Räuber-Jdeal bestochen werden.

Herr Grua war diesmal der Repräsentant des Libertiners, der sich mit der Freiheit vermählt, um „Kolosse und Extremitäten“ auszubrüten. Er spiclte ihn in den legten Aften vortrefflich und wurde zweimal gerufen z im Anfange aber war er viel zu bemessen, zu wenig sprudelnd, kein Darsteller des Universalhasses gegen das ganze Menschengeschlecht, den der aufbrau- sende Starrkopf faßt, als er sich von seinem Vater verstoßen glaubt. Den Monolog „Menschen, Menschen, falsche, heuhlerishe Krokodilbrut““ sprach

er piano in sich hinein, niht aber mit dem Donner des poetischen Renom-

misten, der „das Horn des Aufruhrs durch die ganze Natur blasen“’ möchte, „Erde und Meer wider das Hyänen - Gezücht ins Treffen zu führen““, Herr Grua wollte dem Charakter eine allmälige Steigerung gebenz bei der Darstellung des Karl is dies aber verfehlt, denn in wilder Hast und in ungebändigter Kraftfülle überrumpelt dieser gleich Anfangs alle Gescye, stürzt sih in die Bahnen eines Catilina, und wird ers dann mürbe, als er zu der Erkenntniß gelangt, scin Vorhaben, „die Welt durch Gräuel zu ver- \chönern“’, sei „eitle Kinderei““ gewesen, und zwei Menschen, wie er, „wür- den den ganzen Bau der sittlihen Welt zu Grunde richten.“ Jn allen milderen Stellen, wo Herr Grua nicht den auflodernden Heldenjüngling, sondern den zur Besinnung Kommenden, den Schwärmer, den Hochherzigen, und sih zuleßt vor der ewigen Vorsicht Beugenden wiederzugeben hatte, blieb er des Beifalls, den man seinem Streben zollte, vollkommen würdig. Er wurde zweimal gerufen.

Unser Gast, Herr Döring, hatte die Nolle des Franz, welche der Dichter selbst für die shwerste erklärte, und führte sie mit wahrhaft bewun- dernswürdiger Meisterschaft von Anfang bis zu Ende aus. Döring ist eine durch und durch poctishe Natur, in der jeder Charakter, den er dem Dich- ter zum Zweck der Darstellung abnimmt, ihre geistige Wiedergeburt findet. Nicht blos reproduzirend, sondern mitschaffend tritt ex dem Dichter zur Seite, und wird das lebendige Selbst seiner Gestaltungen, Seine Auffas- sung des Franz Moor zeigte dies von neuem, Er nahm ihn durchaus nicht als ‘gemeinen Bösewicht, sondern als einen verstockten Heim- tücker und sich über die Regungen des Gewissens hinwegphilo- sophirenden Egoistenz mit psychologischer Feinheit hob ex besonders die Stellen hervor, wo Franz das Fünkchen von Gutem, was noch in sci- ner Seele übrig geblieben, zu Tage treten läßtz so namentlich die Stelle vor dem Bilde seines Bruders, Er ließ ihn, als er seinen Vater im Sessel todt findet, doch erschüttert werden und in die Kniee knicken, die Zudring- lichkeiten bei Amalien im Zustande eines etwas Angetrunkenen üben. Die Hab -, Herrsch - und Selbstsucht, Feigheit, Sophisterei , vornämlich der rä- sonnirende Wahnsinn in der Sterbescene Franzen's traten uns so entgegen, daß das Bild ein glaubliches und in seinen Wirkungen tiefergreifendes wurde, Herr Döring wurde zweimal während des Aktes und zum Schluß nochmals gerufen,

Den alten Moor, den auch Schiller späterhin nicht mochte, da er kla- gend und kindish wäre, während er zärtlich und {wah sein sollte, gab

Herr Franz mit erschütternder Wahrheit, Ueber Dlle. Stich, der Dar-

stellerin der Amalia, eines Mädchens, das nur einem Manne, wie Karl

Moor, gegenüber möglich und aus der Phantasie in die Wirklichkeit zu ver-

seßen is z ferner über Herrn von Lavailade als Kosinsky, Herrn Bethge

als Hermann und Herrn Gern als Pater wollen wir ein freundliches Ur=

theil fällen, vor den übrigen Mitwirkenden aber den Vorhang fallen lassèn. u.

Geographisches.

Précis de Géographie élémentair; À lusage du Col- lége Royal français par S. Schweitzer, Dr. en Phil. Cours L Berlin 1844, Chez T. Trautwein (J. Guttentag).

Der unter obigem Titel erschienene erste Kursus eines Abrisses der Elementar-Geographie enthält in gedrängter Sprache kurze Deflnitionen des Wissenswürdigsten aus der clementaren Erdkunde, Zunächst für die unteren Klassen des französischen Gymnasiums in Berlin geschrieben, beschränkt sich das Werkchen auf das Nothwendigste, und überläßt dem Lehrer die weitere Ausführung. Bei der gewiß sehr schwierigen Auswahl der mitgetheilten Gegenstände is der Herr Verfasser mit großer Umsicht zu Werke gegangen, und hat ebenso das Zuwenig, wie das Zuviel eine Klippe, woran die meisten unserer Elementar-Geographieen scheitern glücklih vermieden. Die Hinzufügung des deutschen Ausdrucks bei den wichtigeren Gegenständen ist cine wesentlihe Bereicherung, indem viele derselben in den Wörterbüchern der französischen Sprache fehlen. Das Werkchen is bereits in zwei hiesigen Unterrichts-Anstalten, dem französischen Gymnasium uud der Haudels\chule, eingeführt, und wir wünschen demselben eine weite Verbreitung. Druck und Papier sind schön, und der Preis (5 Sgr.) is sehr gering.

Berichtigung: Jn dem in der gestrigen Nummer gegebenen Artikel „zur Literatur der Rechtswissenschaft““ is statt Kleinrath allenthalben „Klimrath““ zu lesen,

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