1844 / 119 p. 2 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

._ h. wenn er scine Unschuld durch das Aergerniß der bande e ispiele trübt, so fann das Geseßs auch dazwischen treten; demnach hat die väterliche Gewalt selbst am häuslichen Heerde ihre Grän- en. Mit wie viel größerem Rechte muß aber diese Gewalt beschränkt wer- den, wenn der Vater sein Kind aus dem Hause schickt, wenn er es einer öffentlihen Schule, einem Collége, dem Staate anvertraut. In diesem Falle behält der Familienvater nur einen Theil seiner Nechte, denn er be- gegnet denen des Staats, welchen der mit der Mission, zu unterrichten, d. h, mit einer wahrhaft öffentlichen Function betraute Lehrer repräsentirt, Genug, der Staat hat nicht allein das Necht, sondern sogar die Verpflich- tung, Jeden, der eine Schule gründen will, drei wesentlichen Bedingungen zu unterwerfen: 1) vorherigen Bürgschaften, die nothwendiger Weise einen Präventiv-Charakter haben müssen ; 2) der Ueberwachung; 3) einer strengen Strafe, falls er sih cin Vergehen zu Schulden kommen läßt. Der gesunde Menschenverstand spriht für diese Ansicht der Sache, und die genanuten drei Prinzipien sollten dem öffentlichen Unterricht in jedem Lande zu Grunde

gelegt werden. / i : S

Der Redner ging hierauf zu einer Sthilderung des Entstehens und der Fortschritte der französischen Universität über, deren Ge- hihte er von ihrer Gründung durch Philipp August bis auf die Gegenwart verfolgte. Er wies darauf hin, daß diese Körperschaft sih stets geweigert habe, das Recht der Beaufsichtigung des franzü= sischen Unterrichtswesens mit irgend einer anderen Körperschaft, we-= der einer geistlichen, noch einer weltlihen, zu theilen, und daß sie endlih nah {weren Kämpfen eine Bürgschaft in der Aufstellung des Grundsates erlangt habe, daß alle mit Unterricht beschäftigte Mönche oder andere geistlihe Personen die Vorschriften der Universität zu achten s{chwören mußten.

„Gegen diese Bürgschaft wehrten sih anfangs die Franziskaner und Dominikaner, und später die Jesuiten. Die Letzteren, welche niemals eine Gelegenheit versäumten, ihren Orden voranzustellen, leisteten den entschlossen- sten Widerstand, und suchten sich von der französischen Universität ganz un- abhängig zu machen, indem sic auf einige Privilegien sich stüßten, die sie von Heinrih dem Vierten, in Folge sciner eigenthümlichen Lage erzwungen hatten. Diese Zugeständnisse aber bewicsen nichts, denn Heinrich der Vierte erklärte selbs, er habe sie nur aus Furcht vor Vergiftung oder Meuchelmord bewilligt. Später gelang es jenem mächtigen Orden, den s{wächen Hän- den des Regenten ein Patent abzugewinnen, welches ihnen fast vollkommene Lehrfreiheit verlich. Das Parlament wurde wiederholentlih aufgefordert, diese Bewilligung auszulegen, und endlich, im Jahre 1818, erging ein De- kret, welches ihnen das Lehrrecht unter der Bedingung licß, daß sie öffent- lih ihre Doktrinen desavouiren, und diejenigen der Sorbonne, so wie die Oberaufsicht der Universität anerkennen müßten. So is also das Recht der Staats - Einmischung in den öffentlichen Unterricht von den Zeiten Karls des Großen bi3 auf Philipp den Schönen, von diesem bis auf Heinrich den Vierten, und von Lebterem bis auf den heutigen Tag niemals aufgegeben worden,“

Herr Cousin seßte nun die von der Universität von Zeit zu Zeit ausgestellten Vorschriften weitläuftig auseinander und behaup tete, der Grundsatz der Ober - Aufsicht, den dieselbe geltend mache, schreibe sih niht aus den Zeiten Napoleon's her, wie man zuweilen gesagt habé, sondern aus ganz alter Zeit; die Universität habe die- sen Grundsaß später sogar gemildert, so daß es nicht der Geist der Freiheit sei, der dieselbe jeßt als ein Monopol angreife, sondern ein Geist religiöser Herrshsuht. Hierauf kam der Redner auf den auf der Universität ertheilten Unterricht.

„Das besondere Ziel des Angrifss der Gegner der Universität“, sagte er, „ist die Philosophie. Die philosophishen Werke möchten sie von dem

Lehrkursus ganz ausgeschlossen sehen. Und doch wird gerade in diesen Wer-

ken der Jugend die gewissenhafteste Achtung für alle vom Staat anerkannte Religionen und Glaubens-Meinungen eingeimpst. Kann man wohl irgend eine große weltliche oder geistliche Unterrichts-Anstalt vom 13ten Zahrhun- dert bis zur französischen Revolution aufzeigen, in der nicht ein regelmäßi- ger Lehrkursus der Philosophie statigefunden hätte? Unter der alten Monarchie wurde dic Philosophie mit vollkommener Freiheit gelehrt, und in gewissen Punkten ging man damals unendlich weiter, als es jebt gestattet wird,“

Der Redner brachte dann Argumente bei, um den moralischen Nutzen des philosophischen Unterrichts zu beweisen; er verweilte bei jedem Theil desselben, bei der Metaphysik, Logik und Ethifk, und suchte darzuthun, daß diese Wissenschaften, weit entfernt, den katholischen Dogmen feindlih zu sein, vielmehr als deren Grundlage und ordnende Regel betrahtet werden müßten, indem es unverständig scin würde, in den Schulen der Universität nichts als bloße Worte zu lehren. Er wies den Vorwurf zurück, daß die Universität der Jugend feine religiöse Bildung beibringez sie sei vielmehr, erklärte er, die erste, welche die Nothwendigkeit des Religions - Unterrichts anerkenne, nur wolle sie nit, daß die Religion die ausschließliche Herrschaft führe. Herr Cousin {loß seinen Vortrag damit, daß er der Kammer aufs dringendste anempfahl, das große Prinzip, auf welchem die Universität begründet sei, nämlich die dem Staate eingeräumte Macht des Ein=

allen seinen Wendungen und Wandlungen beobachten und darstellen lernten. Wie unerschöpflich -fänden sie dann cine Baumgruppe, die sie aus ihrem Gitterfensterhen sehen, ein Stücfhen Feld, Wald, Ferne, Wolkenhimmel, das in ihren verengerten Gesichtskreis fälltz auch die wenigen Menschen- und Thiergestalten würden sie näher und schärfer ins Auge fassen, die Sozietät der Mäuse, Spinnen u, st. w, Solche Gefangene waren die größten Meister freiwillig. Aber unsere Zeit, unser Geschmack gehen ins Allgemeine, Charafterlose, in3 Form- und Farblose, daß sih nur noch mit dem Wech- sel der Moden und Manieren bchilft,

Die Steinsalzgruben von Nhonaßek in Ungarn.

Wenn man die Steinsalzgruben von Rhonaßek in Ungarn, und von Viclitschka in Galizien mit einander vergleicht, so fällt diese Vergleichung bei weitem zu Gunsten des ungarischen Bergwerkes aus, obgleich Vielitschka einen Weltruf hat, und von der Existenz der herrlichen Steinsalz-Bergwerke Ungarns im großen Publikum wenig bekannt ist. Vielitschka hat meistens graues, oft unreines Steinsalz, das Steinsalz von Rhonaßek is aber so weiß, rein und krystallhell, wie das shönste Kochsalz irgend einer unserer Salinen, und Stücken, an denen das kleinste Theilchen tunkles Salz vorkommt, wer- den ofi auf die, von Alters her zu Hügeln angewachsenen Halden gestürzt, auf denen man \höneres Salz findet, als in Vielitschka durchschnittlich ge- fördert und in Verkauf gebraht wird, Die Steinsalzgruben von Ungarn sind sehr alt, nicht nur, daß sie denen von den Römern in jene Gegenden geführten Kolonieen bekannt waren, sondern sie sollen schon benußt worden sein, als man den Gebrauch der Mctalle noch nicht kannte, wie man aus Werkzeugen ließt, welche in den alten Bauten gefunden wurden,

__ Die Steinsalzgruben Ungarns liegen in dem Komitate der Marma- rosche , dem entlegenen östlichen Theile des Landes, dessen äußerste östliche Spiye, zu beiden Seiten von Gebirgszügen begleitet, ‘zwischen Galizien und Siebenbürgen hineingeht, und der Gränze der Moldau ziemlih nahe fommt. Die bedeutendsten dieser Gruben sind: Nhonaßek, Szlatina und Sugatagh, welche jährlih gegen 800,000 Ctr. Steinsalz ausgeben, weniger bedeutend ist Königsthal, Der Salzreichthum dieser Bergwerke is uner- \{öyflich zu nennen, Die Hauptstadt der Marmarosche Szigeth, gleicht im Aa gun einer unserer Ackerbau treibenden kleinen Städte, hat aber Bi ge B here Regierungs-Gebäude, Szlatina mit seinen s{chönen Steinsalz- Vie i Eule) gegenüber é dem anderen Ufer des Theis, auf Von Szigeth bis Rh, Aa ungarischen Bergwerke meistens versendet wird, Dörfer Ünier- unv Ober-Mhoa tos R rige Wantsteine weh: sellagernd mit Thonlagern (höchstwahrscheinli e ae MINLREiRE, Mey des Salzes von Rhonaßet gehör r L ulih Ciás) díe in das Liegende witd Vf Salz - Mlagetund von “Masvenegel bebet D" so ap ‘o u , durch die Lagerung na gewiesen ist, daß dieser Theil des farpathischen Stein-

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ags in den öffentlichen Unterricht, wie bisher, aufrecht zu er= halten.

Deputirten-Kammer. Sißung vom 22. April, Jn der Berathung über den Geseß= Entwurf, der eine allgemeine Ge- fängniß-Reform und eine feste Regulirung des Strafsystems bezwet, machte die Kammer heute noch keine ee Fortschritte. Die Herreu Corne und Taillaudier sprachen für, die Herren Cordier und von Sade gegen den Entwurf. Es handelt sich namentlih um die Wahl zwi= schen den beiden berühmten amerifanishen Gefängniß-Systemen, dem philadelphischen und dem Auburnschen, wovon das erstere bekanntlich auf einsamer Einsperrung der Sträflinge beruht, die späterhin durch Beschäftigung und offizielle Besuche etwas gemildert wurde, während das andere System zwar auch FJsolirung der Gefangenen bei Nacht und gänzliches Schweigen bei Tage, aber doh gemeinschast=- lihe Arbeit zu seiner Grundlage hat, und Uebertretung des Schweigens mit der Peitsche bestraft. Die französische Regierung hat sih für das System von Philadelphia entschieden; auf dieses, also auf die gänzlihe Jsolirung der Sträflinge, is der Entwurf begrün- det, den das Ministerium der Kammer vorgelegt, und dessen Annahme die Kommission durh ihren Berichterstatter, Herrn von Tocqueville, vorgeschlagen hat. Jndeß haben die Verfasser des Entwurfs das phi- ladelphische Zellen - System nicht in seiner ganzen Härte nah Frank= reih verpflanzen wollen, sondern verschiedene Milderungen darin vor- genommen. Es sollen die Sträflinge nicht nur regelmäßig und oft von dem Kaplan, dem Lehrer, dem Arzt und den Mitgliedern der Beaufsichtigungs-Kommissiou des Gefängnisses besucht werden, sondern sie sollen auch mit ihren Verwandten, mit den Mitgliedern der wohlthätigen Vereine, mit den Arbeits - Aufschern und mit allen zu ihrem Besuch ausdrücflih autorisirten Personen in Verkehr treten dürfen. Man will ihnen jede Communication gestatten, die ihren Geist aufflären, ihre Seele beruhigen und heilen kann, und nur denjenigen Verkehr ihnen untersagen, dur den sie noch mehr verdorben werden können. Jhr Aufenthalt soll geräumig, gesund und luftig sein. Jhr Tagewerk soll in Arbeit, Spazierengehen auf abgesperrten Wiesen, Gottesdienst, Lesen und Unterricht theilen. Jn dem Auburnschen System fand die Regierung nicht hinreihende Gewähr gegen die Verderbniß der Sträflinge, weil diese bei ihren gemeinschaftlichen, wenn auch s{chwei= genden Arbeiten, sich mit einander bekannt machen und dadurch leiht Anlaß erhalten können, sich nah Beendigung ihrer Straf= zeit zu neuen Verbrechen mit einander zu verbinden, Auch hielt man die Durchführung des Schweigens bei gemeinsamen Arbeiten für fast unmöglih, wenn man nicht eben so viel Aufseher wie Gefangene halten wolle, und au dann werden, meinte man, den Sträflingen immer noch Mittel übrig bleiben, sich mit einander zu verständigen z endlich sei dies Schweigsystem eben so unnatürlich, wie die Peitschen- strafe, durch die man es aufrecht erhalten wolle, barbarish. Die all- gemeine Diskussion über den Geseh-Entwurf wird morgen noch fort- geseht werden.

Paris, 23. April. Der König hat gestern cinen Ausflug nah Dreux gemacht, von wo er heute Abend wieder zurück erwartet wird. Die Königliche Familie wird zu Anfange nächsten Monats das Schloß von Neuilly beziehen. Der Herzog von Nemours begiebt sih in einigen Tagen nach Meb;z auf der Reise dorthin wird er auch Rheims besuchen, welhes, wie Lyon und Paris, mit ausgedehnten Festungs- werken umgeben werden joll. Der Prinz von Joinville is mit Be= sichtigung der westlichen Kriegshäfen beschäftigt.

Die Oppositions-Deputirten der Linken waren gestern bei Herrn Odilon-Barrot versammelt, um sich über die den neuen Juterpella=- tionen, welche in Betresff} der Angelegenheit von Otaheiti an das Ministerium gerichtet werden sollen, zu gebende Richtung zu verab= reden, Man glaubt, daß diese Frage am 25sten oder 26sten d. von neuem in der Kammer werde erörtert werden.

Heute Abend isst großes Diner bei Herrn Guizot; alle Diplo- maten und die politischen Freunde des Ministers sind eingeladen.

na Paris, 23. April, Bevor ih meinen heutigen Bericht über die Kammer=-Sihungen beginne, habe ih noch eine irrthümliche Angabe in meinem gestrigen Berichte zu berihtigen. Herr Felix Real, der ministerielle Kandidat, wurde nämlich niht gegen Herrn Dugabé, sondern gegen Herrn Lacrosse zum Berichterstatter über die Wahl des Herrn Charles Laffitte ernannt. Herr Lacrosse war es, der die 18 Oppositions-Stimmen im fünften Büreau erhalten hatte.

Jn der heutigen Sißung der Pairs-Kammer sprach zuerst der Graf Alexis de St. Priest für den Geseß-Entwurf über den Sekundär = Unterricht. Er sagte, nah der ausgedehnten glänzenden Rede des Herrn Cousin von gestern bleibe ihm nichts mehr zu sagen

salzes zwischen Kreidemergel und Kies liegt, also einem jurassischen Gebilde angehört. i |

Die Salz-Ablagerung von Nhonaßek erreicht cine Mächtigkeit von ziem- lich 500 Fuß, eine einzige große Salzmasse bildend. Nicht diese ganze Salzmasse ist aber weiß, rein und krystallhell, sondern es is dieselbe in ein- zelne, unter sich parallele Lagen, von ein und mehreren Fuß Dicke, abge- theilt, und immer is zwischen je zwei dieser Lagen, eine Lage vou grauem Salze von nur einigen Zollen Stärke. Diese dünnen grauen Zwischen- lagen werden weggeschrämt, dadur werden die stärkeren Lagen des {ön- sten weißen Salzes unterhauen, dann gebrochen und o geht der Be- tricb fort, Die Schächte werden durch das kaum einige hundert Fuß mächtige Deckgebirge, bis einige Lachter in das Tegogebirge hinein, in mäßiger Weite abgesunken, von da ab nach allen Seiten glockenförmig er- weitert, bis nah und nach, bei zunehmender Tiefe, die Glocke einen Durch- messer von etwa 150 Fuß erhält, Js diese Weite erreicht, so werden die Wände saiger, also in der Lothlinie abgesunken, und gehen von hier ab cylindrisch nieder, Vier solche großen Glocken nebeneinander bilden die neuen prächtigen Bergbauten von Rhonaßek, Aus einer dieser Glocken folgte man mit einer Strecke den Salzlagern, fand dieselben erst “ziemli steil einfallen, dann horizontal gelagert, und nachher wieder sanft ansteigend, so daß sie sich allmälig gegen die früher erwähnten Kalksteine herausheben. Da man in Rhonaßek vier solcher großen Glocken neben einander hat, so is man bei der bedeu- tenden Mächtigkeit, mit dem gewonnenen Steinfalze stets in der Nähe des Fördershachtes, wodurh viel an Zwischen - Transport erspart wird. Die Förderung geschieht in großen, aus starken Stricker geflochtenen Neuen, bei der Waslerhaltung werden große lederne Säcke, aus Ochsen- und Büf- felhäuten augewvendet; Nundseile und Pferdezü el sind dabei in Anwendung,

Als wir beim Ausfahren aus einer diefer weiten Steinsalz-Gloken, auf deren Centrum der Schacht steht, am Seile shwebend aufwärts avan- zirten, war es als s{chwebten wir, wie ein Kronleuchter frei in einem wei- ten, runden frostallenen Saale, bis wir nah mehreren hundert Fußen in die prächtige, sh nach und nah enger schließende Kuppel gelangten und dann im Schachte vershwanden.

Der große Werth der ungarischen Steinsalz-Gruben, beruhet ebenso in der großen Mächtigkeit des Steinsalzes, und in der Leichtigkeit der Ge- winnung desselben, wie in sciner vorzüglichen Reinheit und Krystall-Helle, Die Steinsalz-Gruben Ungarns verdienen die Aufmerksamkeit der Geognosten, sind aber in der leyten Zeit wenig besucht worden,

Kunst-Notiz.

4 Düsseldorf, 20. April, Jn diesen Tagen is aus dem Atelier des hiesigen Bildhauers, Herrn August von Nordheim, eine Büste her-

vorgegangen, welche den ungetheiltesten Beifall eines Jeden findet, der sie

übrig zur Vertheidigung der Universität, dieser großen Anstalt, ge= gründet von der alten Monarchie und befestigt durch die mächtige,

| starke Hand Napoleon's, Er wolle nicht auf eine metaphysish-legislative

Erörterung der Frage eingehen, nicht untersuchen, ob die Universität den Staat repräsentire oder niht. Nur das wisse er, daß troß der schein= baren Leicheurede des Herrn Cousin die Universität nicht todt sei. Der M i= nister des öffentlihen Unterrichts unterbrechend: Sie is nicht einmal frank! (Allgemeine Heiterkeit.) Graf vou St. Priest fortfah- rend : Der Herr Minister habe Reht. Dessenungeachtet müsse man aner= kennen, daß sie noch der Vertheidigung Anderer bedürfe als derjenigen, die an ihre Spihe gestellt seien. Diese Unterstüßung ihr zu gewähren, habe er die Tribüne bestiegen, eine Unterstüßung, die allerdings we= niger glänzend sei, als die, welhe Herr Cousin ihr gestern geleistet. Er sei der Universität durchaus fremd, kein persönliches Juteresse veranlasse ihn zu deren Vertheidigung. Er sci Bakkalaureus, aber nicht Doktor und befinde sih in dersclben Stellung, wie neun Zehn-= theile der Kammer = Mitglieder. Der Redner vertheidigt zuerst die Universität gegen den Vorwurf der Tyrannei, der ihr in einer Menge von Schriften und Pamphleten gemacht worden. Diejenigen, welche sie des Pantheismus beschuldigt, schienen in der That den Sinn die= ses Wortes nicht zu begreifen, denn zwischen den Professoren der Universität und den Bramanen Judiens könne durchaus keine Achn- lichkeit bestchen. (Heiterkeit.) Nach Erörterung der Ursachen, welche die Juli- Revolution von 1830 herbeigeführt, erinnert der Redner daran, in welcher Absicht der Art. 03 der Charte geschaffen wurde, Dies sei geschehen, um die Freiheit des Unterrichts zu begünstigen, aber eine Freiheit, die weise begränzt sein müsse. Eine unbeschränkte Freiheit könne nur Utopisten oder denen zusagen, die nur Versuche machen wollen; sie verlangen die unbegränzte Freiheit , wie man die Anarchie verlangen würde. Man habe in Büchern und Bro-= hüren die Freiheit des Unterrichts abzuhandeln gesucht, wie man eine Boutifen - oder Manufaktur - Frage abhandle. An den Kammern sei es, sie auf ihre wahre Höhe zu erheben, die Meinung darüber aufzuklären, und nicht der Kirche, die über alles das erhaben sei, sondern ihren Freunden zurückzurufen , daß sie auf einer falschen Bahn beharren, wenn sie eine für das Land gefährliche Freiheit mit so viel Hartnäckigkeit verlangen. Die Kommission habe in ihrem Berichte nichts vergessen, was die Moral oder Religion berühre, aber sie habe etwas unterlassen, was er für hohwichtig ansehe, ste habe nichts für die Nationalität gethan. Der Redner zeichnet. einen Plan für die Leitung vor, die man seiner Ansicht nah dem öffentlichen Un= terrichte geben müßte, und stellt als erste Bedingung eine thätige, strenge und ungufhörliche Ueberwachung von Seiten der Regierung auf. Was er verlange, sagt er am Schlusse seiner Rede, sei, daß die Kammer keine Beeinträchtigung dieser nationalen Justitutionen dulde, deren Erinnerungen so glorreich seien, und die das Glück gehabt ha- ben, unter ihren Gliedern einen Prinzen zu zühlen, den der Tod Frankreich leider in einem Augenblicke entrissen habe, wo er sich an= \chickte, seinem Königlichen Erben die Lehren zu überliefern, von denen er selbst so würdig Nußen gezogen habe. , (Allgemeiner Beifall.) Vicomte Villiers Duterrage beginnt mit Lobeserhebungen sür den gelehrten Bericht des Herzogs von Broglie. Er erklärt sich dann für einen ergebenen Auhänger der Geistlichkeit, die er liebe und h od)- achte, und entwirft eiu langes Lbgemälde der Tugenden des Episkopats. (Die Sißung dauert fort) . :

Die Deputirten-Kammer sehte die Debatte über dic Ge= fängnisse fort. Der Minister des Jn nern legte zuerst mehrere Geseß=Entwürfe von lokalem Juteresse, daun einen über die Eröff= nung mehrerer Supplementar-Kredite für den Minister des Auswär= tigen, cinen für einen Kredit von 510,000 Fr. für die telegraphischen Linien vor. Der Herzog Gactan de Larochefoucault sprach dann zuerst gegen den Geseß-Entwurf über die Gefängnisse, indem er be- sonders die gestrige Rede des Herrn Corne zu widerlegen suchte. Er leugnet, daß die Zahl der Vergehen und Verbrechen im Zunehmen sei. Der moralische Zustand der Gesellschast verbessere sich zu= gleih mit den materiellen Juteressen, Das physishe Wohl habe noth-= wendig diese moralische Verbesserung herbeiführen müssen. Warum also die Lage der Gefangenen vershlimmern? Warum fremden Ge- seßgebungen Maßregeln und Anordnungen entlehnen, die weder in den Sitten, noch in den Gewohnheiten des Landes begründet seien? Man leugne die Sterblichkeit, die das Ergebuiß des pennsyl- vauischen Pönitentiar-Systems sei, daß deren Zunahme überall ein- getreten, wo es eingeführt worden, sei eine sichere Thatsache, durch die Statistiken bewiesen. Die Humanität mache es zur Pflicht, den Geseh-Entwurf zurückzuweisen. Auch die Kosten, die dessen Durch- führung veranlassen, seien nicht gleichgültig, Jn dem Augenblicke,

sah. Der Laie findet in der schlagenden Aehnlichkeit, der Künstler und Kunstkenner dagegen in der tiefen und geistreichen Auffassung, verbunden mit der gelungensten Ausführung, cinen hohen Genuß. Herr von Nord- heim hat in diesem Theile der Bildnerci stets Vorzügliches geleistet, was um so mehr Anerkennung verdient, als er sich selbs gebildet hat; indeß ist jene Arbeit seine wohlgelungenste zu nenuen, Se, Kaiserl, Hoheit der Groß- fürst Thronfolger von Rußland haben als Anerkennung der meisterhaften Ausführung dieser Büste Jhres früheren Erziehers, des Gehe:men Staats- raths von Joukowsky, dem Herrn von Nordheim einen sehr werthvollen Brillant - Ring übersenden lassen. Auch sind bedeutende Bestellungen von Sr. Kaiserl. Hoheit gemacht, namentlich die Statue des Herrn von Jou- fowsfy, die, durch Herrn von Nordheim modellirt, unter seiner Leitung in Erz gegossen werden soll, Jeder, der die bescheidenen Ansprüche und den Ernst im Streben des Herrn von Nordheim kennt, freut sich, daß diesem noch jungen Manne durch diese Anerkennung Sr. Kaiserl. Hoheit Gelegen- heit gegeben is, sein ausgezeichnetes Talent zu entwickeln. Herr von Nord- heim is diesen Augenblick mit einer Erinnerungs-Medaille an die Grund- steinlegung zum Fortbau des Kölner Domes beschäftigt, und wird dieselbe bei dem Eifer, mit welhem der Künstler arbeitet, binnen kurzer Zeit wohl fertig sein. Von seinen vielen gelungenen Arbeiten wollen wir hier nur der Büsten Sr. Königl, Hoheit des Prinzen Friedrich von Preußen und der Fran Prinzessin Königl, Hoheit, des Dichters Jmmermann, des Dr. von Schadow, der Maler Lessing, Hildebrandt , Schrödter, Sohn E Mehr aber noch als diese Alle zog bei der leyten hiesigen Kunst-Ausstel- lung eine Familien-Gruppe (des Herrn Oberst von Reutern) die allge- meine Aufmerksamkeit auf si, wo die Jndividnalität eines jeden Famil:en- Mitgliedes herrlih ausgedrückt war. Y L S Herr von Nordheim wird im Juni Düsseldorf verlassen, um cinstweilen nach Frankfurt a, M. zu gehen, und dann später eine Reise nach Jtalien

anzutreten,

Die literarischen Abend-Unterhaltungen des Herrn von Suzor, welche sich des dauernden Beifalls eines gewählten und aufmerksamen Publikums zu erfreuen haben, sind bereits bis zur Mitte des Kreises gelangt, welchen

sie durhlaufen sollen. Die letzte, am vergangenen Donnerstag, der Cha- rakteristif Molière’s und Boileau's gewidmet, bekam dadurch einen beson- deren Reiz, daß der Reduer mehrere weniger bekannte Züge aus dem Leben dieser beiden Koriphäen des Zeitalters Ludwigs X1V. mit einer sehr gelun- genen Kritik ihrer Werke zu verbinden wußte. Namentlich gewährte die nähere Schilderung der Perfonen jener Zeit, auf welche Boileau eigentlich den Stachel seiner Satyre gerichtet hatte, ein ganz eigenthümliches Junteresse. Die nächsten Vorträge werden uns bereits in die wichtigsten Epochen der Literatur des XŸY111. Jahrhunderts einführen,

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wo die Regierung die für die Eisenbahnen, Häfen, Kanäle nöthigen Summen herbeischaffen müsse, wozu niht weniger als 559 Millionen erforderlich, die Unterhaltungsfosten niht gerechnet, müssen die Kam- mern wohl sich bedenken. Auch die Zahl der Rückfälligen habe über= all bei dem pennsylvanischen System zugenommen, (Rufe der Ver- neinung.) Deshalb müsse er den Geseß-Entwurf zurückweisen, und ay Fortbestand des jeßigen Standes der Dinge halten. Herr vou Mornay spricht für den Gesez-Entwurf. Verbesserung der Moral der Gefangenen sei nicht unvereinbar mit Verbesserung ihres physi- hen Zustandes. Der Geseß= Entwurf biete diese Vortheile. Man fönne sie warm kleiden, gut nähren, ohne deshalb die Besserung ihres moralishen Zustandes zu unterlassen. (Die Sibung dauert fort.)

x Paris, 23. April, Selteu noch waren die beiden Kam- mern zu gleicher Zeit mit zweien Geseßen von größerer, allgemeine- rer Wichtigkeit für Staat und Volk beschäftigt, als in diesem Au= genblicke: die Pairs - Kammer hat gestern die Diskussion des Gesehz- Entwurfs über den Sekundär =Unterricht, die Deputirten - Kammer jene über eine Modification der Einrichtung der Gefängnisse begon- nen. Jn der Pairs-Kammer nahm ein einziger Redner, Herr Cou- sin, die ganze Sihung mit einer Rede ein, die ein wahres Volumen bildete und nicht weniger als vier Stunden dauerte, Herr Cousin hatte die Sache der Universität, und zugleih die seinige selbst zu vertreten, denn die Angriffe, welche von Seiten der Bischöfe und des Klerus überhaupt gegen das Unterrichtswesen der Universität und insbesondere gegen die Philosophie, wie sie jeßt au derselben vorge= tragen wird, gerichtet werden, gelten mehr oder weniger stets Herrn Cousin, welcher der Vater der jebigen französischen Philosophie genanut werden kann. Es darf daher niht Wunder nehmen, daß Herr Cousin cben so sehr aus einer Art von väterlicher Liebe für sein Werk, als aus reiner und, wie niht in Abrede gestellt werden kann, wohlbegründeter Ueberzeugung, obgleich frank und faum im Stande, zu sprechen, auf der Bresche erschien, um die leideuschaftlichen Angreifer zurückzuweisen, Der, Bericht des Herzogs von Broglie, wie trefflich er auch in vielen Beziehungen jein mag, hatte do eine Art von Argwohn und Ver= dacht gegen den in der Universität vorherrschenden Geist au den Tag gelegt, gegen welhen Herr Cousin mit dem Ausdrucke des chmerz= lichen Gefühls darüber sich erhob, daß man auf solche Weise und vielleiht unfreiwillig die Lehrer einer Institution in Mißkredit bringen wolle, deren Namen hon für die Tüchtigkeit ihres Charakters bürge, die dem Lande so große, allgemein anerkaunte Dienste geleistet. Dann ging der Redner auf die sogenannte Freiheit des Unterrichts ein, wie sle die Bischöfe verlangen, und entwickelte mit eben so viel Kraft als Klarheit die einzig hierüber zulässigen Grundsäße, Jst das Recht, Un- E i 5 B L v , terricht zu ertheilen, ein natürlihes Recht, wie die individuelle Freiheit ? Ist es eine Privat-Judustrie, eine Handels-Speculation? Kann es jedem, der lich die nothwendige Fähigkeit zutraut, um eine öffentlihe Schule zu eröffnen, erlaubt sein, die Jugend zu sih zu berufen und sih aus eigener Machtvollkommenheit den Titel und das Amt eines Lehrers anzumaßen ? Sicherlich nicht, denn das Recht, zu unterrichten, ist eines der wesentlichsten Regierungs - Attribute, eine der höchsten und unbe= dingtesten Prärogative des Staates, Es is gebieterische Pflicht für den Staat, die Ausübung des Rechtes, Unterricht zu ertheilen, an drei Haupt=Bedingungen zu knüpfen, welche sind: 1) die vorläufige Er= mächtigung, d. i, eine vorher von Seiten dessen, der das Recht, Un= terricht zu ertheilen, in Anspruch nimmt, zu gewährende Bürgschaft ; 2) die ununterbrochene, erleuhtete und bis ins Kleinste eingehende Ueberwachung, 3) die feste und strenge Bestrafung der ihrer über= nommenen Pflicht Zuwiderhandelnden. Herr Cousin ging bei dem Nachweise der Unumstößlichkeit dieser Grundsäße auf einen geschicht- lichen Rückblick über die Weise ein, wie dieselben in den verschiedenen Epochen mehr oder minder bestimmt in der Gesebgebung hervortraten, Der Redner zeigte die ungusgeseßten, aber fast immer fruchtlosen Bersuche gewisser religiöser Congregationen, namentli der Jesuiten, sich des öffentlihen Unterrichts in den Zeiten der alten Monarchie zu bemächtigen, das unsihere Hin- und Hershwanken, das sich in der republifanishen Epoche unter der ersten Revolution bemerkbar machte, endlih den Gedanken, von welhem der Kaiser Napoleen bei Grün-= dung der Universität in ihrer jeßigen Gestalt geleitet war, und der eben auch kein anderer is, als daß dem Staate allein die gesammte oberste Leitung des Unterrichtswesens gewahrt bleiben müsse. Jndeß überließ sich der Redner dabei einer Weitläufigkeit, die um so mehr überflüssig war, als alle dieselben Gedanken bereits niht minder aus= führlih und treffend in der Auseinanderseßung der Motive zu dem Geseh -= Entwurfe von dem Minister entwickelt worden waren, Am besten gelang Herrn Cousin ohne Zweifel in seiner langen Rede die Vertheidigung der Philosophie. Er bekräftigte, bei dem Unterrichte darin in den Königlichen Colleges werde stets die tiefste Achtung aller vom Staate anerkannten Religions= Bekenntnisse, namentlich des ka= tholischen bewahrt. Aber gleih dem Herzog von Broglie behauptete er die vollkommene Unabhängigkeit der Religion und der Philosophie von einander, und zeigte, wie ohne diese Unabhängigkeit eben so wenig eine diesen Namen verdienende Philosophie als eine solid und regel= ret nachgewiesene Religion bestehen könnez welhe Mißstände es nach sich ziehen würde, wenn man den philosophischen Unterricht dem re- ligiösen Geiste unterordnen und damit aller spekulativen Forschung auf einmal ein Ende machen wollte. Aber auf einen Einwurf hat Herr Cousín nicht geantwortet, nämlich, daß es gefährlich sein könne, vor Zuhörern von funfzehn bis sechzehn Jahren die shwierigsten, ernste- sten Probleme des menschlichen Verstandes anzuregen, ihuen ein nothwen= dig unvollständiges und vorzeitiges Studium aufzuerlegen, und in diesem Punkte würde wohl der öffentliche Unterricht nichts dabei zu verlieren haben, wenn man die Philosophie ganz in die Sphäre des höheren Unter= richts verwiese. Dagegen zeigte Herr Cousin treffend den günstigen, fördernden Einfluß tüchtiger Studien auf die Erziehung, auf Bildung des Herzens wie des Geistes, und {loß endlich mit einer eben so bitteren als wohlbegründeten Kritik des Artikels 17 des Geseß-Ent= wurfs, der bekanntlich zum Zwecke hat, den geistlichen, das is von Geistlichen geleiteten Sekundärschulen die Vortheile des gemeinen Rechts zuzuwenden, während ihnen doch zu gleicher Zeit die Vor= theile ihrer besonderen Stellung auch bleiben sollen, und wodurch in der That unerhörte Privilegien für jene Schulen begründet würden, wie sie nie im Unterrichtswesen bestanden, und deren Gutheißung durch die geseßgebenden Gewalten sicherlih die s{limmsten Folgen nach sich ziehen würde. Deshalb verlangte Herr Cousin die absolute Verwerfung des betreffenden Artikels 17 mit der Erklärung, daß er sonst gegen das ganze Geseß stimmen würde. Die unzweideutigen Beweise der Zustimmung und des Beifalls, die dem Reduer beim Herabsteigen von der Tribüne von Seiten der großen Majorität der Kammer zu Theil wurden, die troß der außerordentlichen Länge der Rede und der kaum vernehmbaren Stimme des Sprechenden mit un= ausgeseßter Stille und Aufmerksamkeit ihu angehört hatte, is ein sicheres Vorzeichen für die Entscheidung, welche die Pairs - Kammer fällen wird, Es dürste hier auch am Orte sein, zu bemerken, daß der Univers eben heute wieder eine Denkschrift gegen den vorlie- genden Geseß-Entwurf von Seiten des Erzbischofs von Avignon und seiner Suffragan =- Bischöfe zu Montpellier, Nimes, Valence und Vi- viers an den Justiz = und Kultus-Minister mit der Bitte derselben, die darin ausgesprochenen Wünsche und Besorguisse dem König vor= zulegen und bei Sr. Majestät, so wie bei den beiden geseßgebenden

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Kammern, zu unterstüßen. Der Univers fügt die Bemerkung bei, daß sich dieselben Bischöfe bereits einigemale mit geheimen Reclama- tionen an die Regierung zu Gunsten der Freiheit des Unterrichts ge= wendet haben, und daß auch der Bischof von Tulle unterm 30, März hon eine Vorstellung gegen den der Pairs-Kammer vorgelegten Ge- seß -Entwurf dem Justiz - Minister zur Vorlegung an den König cin= gereiht hatte.

Was den der Deputirten-Kammer vorliegenden Geseß-Entwurf über die Reform der Gefängnisse betrifft, so läßt sich zwar noch nicht mit Sicherheit voraussagen, welches Prinzip von der Kammer ange- nommen werden wirdz aber doch scheinen im Allgemeinen die Aus= sichten für Annahme des Regierungs =- Entwurfes niht ungünstig zu stehen. Jn der Kammer besteht in dieser Beziehung durchaus keine Scheidung der politishen Parteien mehr, ein Mann der Linken, Herr Taillandier, Rath am Königl. Gerichtshofe hier und Deputirter des 3ten Arrondissements von Paris sprach gleih Herrn Corne mit Wärme und Energie zu Gunsten der Einführung des pennsylvani= schen Systems der Absonderung der Gefangenen zu Tag und Nacht-

zeit in einzelnen Zellen, jedoh mit den von der Kommission im Ein- verständnisse mit der Regierung dazu vorgeschlagenen Milderungen, |

namentlich die Gestattung des Besuchs der Gefangenen von Seiten | 0 handelnden Behörden hinsichtlich der leßten unglücklihen Bewegung in Spa-

gewisser im Geseh - Entwurf ausdrücklih benannter Personen be- treffend. Herr Cordier nannte gestern das einzuführende System barbarish, unwirksam und unvorsichtig zuglei, und brachte alle die

Einwürfe einer allzu weit gehenden Philantropie wieder vor, die o |

oft die strafende Gerechtigkeit unwirksam gemacht hat, Er will neue

Studien, neue Untersuchungen, damit Frankreich ein mehr mit seinen |

Sitten und Gewohnheiten in Uebereinstimmung stehendes Geseh er- halte, statt des vorgelegten, das man nur den amerikanischen Theo- rieen entlehnt habe. Aber schon seit 20 Jahren werden nun derglei- hen Studien gemacht, Forshungen vorgenommen. Die Männer der Theorie, wie jene der Praxis haben ihre Gutachten abgegeben über die Frage, die General-Räthe von 55 Departements haben sich zu Gunsten des vorliegenden Geseß = Entwurfs ausgesprochen, man kann also mit vollem Fug und Recht sagen, die Mehrheit des Landes ist dafür, Eines der sonderbarsten Argumente gegen das vorgeschlagene System 1 sicherlih, daß es von jenseits des atlantischen Oceans

fomme, als ob das Gute nicht immer noch gut wäre, von

welcher Seite es auh kommen mag. Jndeß is cs sogar ein histo-

risher Jrrthum, daß das Absonderungs-System der Verurtheilten aus

Amerika stamme: dasselbe wurde schon im Anfange des achtzehnten

Jahrhunderts zu Rom vom Papste Klemens X]. in Anwendung ge=

braht. Jm Uebrigen sind die in dem Geschß-Entwurfe angebrachten

Modificationen an dem pennsylvanishen System, troß der Beibehal=-

tung des Grundsaßes desselben, so bedeutender Art, daß das neue

System doch ein ganz besonders von jenem äußerst verschiedenes sein

wird. Nach dem von der französischen Regierung jeßt vorgeschlage=

nen Systeme is der Verurtheilte nur von der Berührung mit dem

isolirt, was ihn verschlechtern könute, statt ihn zu bessern; er is ab=

gesondert von seinen Mitgefangenen, kann aber seine Familie empfan-= gen, bleibt im Verkehr mit den Direktoren und Beamten des Ge= fängnisses, mit den Mitgliedern der Gesellschaften sür Ausübung christ= licher Liebe und Wohlthätigkeit, mit dem Lehrer, dem Vorstande der Werkstätte, dem Geistlichen; wenigstens zwei Stunden werden jeden Tog diesen Communicationen und dem Lesen erlaubter Bücher gewid= met. Wenn sonach schon die Folgen des weit strengeren solitary confinement von Philadelphia für die Gesundheit und die Verstan= desfräfte der Verurtheilten, etwas näher besehen, bei weitem weniger beun-= ruhigend sind, als man glauben machen möchte, so läßt \ch vollends bei einem System, wie das vorgeschlagene, welches die Strenge des ersteren so sehr mildert, gar keine wirklihe Gefahr aus solher Ab= fonderung befürchten, Jmmerhin bleibt selbst die so gemilderte Ab= sonderung noch eine harte Strafe ; allein die zunehmende Menge der Verbrechen, wie gestern Herr Corne ganz richtig sagte, erfordert ge- bieterish, dem Strafgeseße den Charakter der Einshüchterung wenig- stens einigermaßen wieder zu geben, den es verloren hatte. Jn der That hat seit dem Jahre 1828 die Zahl der Vergehen und Ver= brechen in Frankreich ohne Unterlaß zugenommen; 1827 betrug die Zahl der Angeklagten und Angeschuldigten (accusés et prévenus) 65,226, im Jahre 1841 dagegen 96,236 ; und die Zahl der Rüfälle hat dieselbe Progression eingehalten ; sie betrugen 1838 21 auf 100, 1839 22 auf 100, 1840 23 auf 100, 1841 24 auf 100, Wie wenig Wirksamkeit das entgegengeseßte System von Auburn (zu New=York), nämlich die Absonderung während der Nacht, aber gemeinschaftlihe Arbeit mit Stillschweigen bei Tage hätte, zeigen die Vorgänge in. den jeßt be- stehenden Centralhäusern, am shlagendsten die in dem zu Loos (De-= partement du Nord) gerade in dem, wo die Disziplin mit der größ= ten Energie und Strenge aufrecht gehalten wird, Ju diesem Hause sind in wenigen Jahren 16 Kapital-Verbrechen durch 30 Angeklagte begangen worden, nämlich 10 Morde von 20 Schuldigen, 6 Brand- stiftungen von 10 Schuldigen, woraus zugleich hervorgeht, daß gerade in dem Hause, wo das Stillschweigen unter den {hwersten Strafen auferlegt ist, jedes der Kapitalverbrechen gemeinschaftlich von mehreren begangen, das Resultat eines Komplotts gewesen war, und grade

heute enthalten alle pariser Blätter den Bericht über die Hinrichtung

dreier Sträflinge jeues Gefängnisses wegen Brandstiftung, die sle ge=

meinschaftlich begangen hatten. Alle Direktoren der Centralhäuser

endlich timmen darin überein, daß troß der wahsamsten Aufsicht und

der größten Strenge die Vorschrift des Stillshweigens unter den

Sträflingen doch unmöglich so durchgeführt werden kann, daß jede

Mittheilung und Berührung unter denselben unmöglich würde. Für

die Zweckmäßigkeit des Absonderungs - Systems sprechen auch die

günstigen Folgen der Einführung desselben auf den Gesundheits-

und moralishen Zustand der dort in Haft Befindlichen, Die

Gründung einer Kolonie, wohin die gefährlichsten Verbrecher

zu deportiren wären, wie Herr von Sade vorschlug, der alle verschiedenen Einsperrungsarten bekämpfte, wird dadurch uicht aus=

geschlossen, daß der jeßige Geseß-Entwurf angenommen würde, und

in der That wäre die Errichtung ciner solchen Deportations - Kolonie für Frankreich eben so nothwendig als ersprießlich, da nur dadurch die

moralisch verpesteten Bagnos, diese Schulen des Lasters und der Verbrechen, wirksam erseßt werden könnten, Ju der That is auch gewiß, daß bei Besetzung der Marquesas-Juseln diese Jdee vorzugs= weise die vorherrschende des Königs war: aber die Ausführung ist bis jeßt dur den Widerstand, den der Plan in der Presse und in der Meinung der großen Masse, ja selbst unter einem Cohen Theile der Landesvertretung fand, gehindert worden. Früher oder später wird man jedoch unfehlbar darauf zurückkommen müssen.

Grossbritanien und Arland.

Unterhaus. Sihung vom 22, April, Bevor das Haus zu der Tages-Ordnung schritt, welche die zweite Lesung der Fabrikbill besagte, beschäftigten vershiedene Anfragen und Anzeigen auf längere Zeit die Versammlung.

Herr Thornley legte eine Petition aus Liverpool mit 30,000 Unterschriften vor, in welcher über die übermäßigen Differenzialzölle zu Gunsten des britishen Kolonialzuckders Beschwerde geführt und unter Anderem nachgewiesen wird, daß von 114 von Rio im vorigen Jahre mit Zucker-Ladungen abgegangenen Schiffen 21 nur nah Eng= land, die übrigen alle nah den Koutinentalhäfen gesegelt seien,

Dr. Bowring zeigte an, daß er morgen die Minister fragen würde, ob sie offizielle Mittheilungen über den Abschluß eines Haudels= Traktats zwishen dem deutschen Zoll -= Verein und den Vereinigten Staaten von Nocd-Amerika erhalten hätten, wodur der Zoll für die Einfuhren aus Amerika niedriger gestellt worden sei, als für die aus England.

Herr Bort h wick endlich, der bekannte Vertreter der Ansprüche des spanischen Jnfauten Dou Carlos im britischen Parlamente, brachte die kürzlih bei der Belagerung Alicante’s auf Veranlassung des Ge= nerals Roncali verübten Mordsceuen zur Sprache und begehrte na= mentlih in entschieden feindseligem Sinne gegen die jeßige Regierung in Spanien darüber Auskunft, ob es wahr sei, daß der Oberst Pan= taleon Bonet, der dortige Jusurgenten-Chef, vergebens bei dem Be= fehlshaber eines vor Alicante liegenden britischen Kriegsschiffes Schuß gesucht habe und dadur seinem blutigen Verfolger, dem General Roncali, in die Hânde gefallen sei, während gleichzeitig ein zu den Insurgenten gehörender Major auf einem französishen Schiffe Auf- nahme gefunden habe. Herr Borthwik wollte wissen, ob der britische Offizier nah Justructionen gehandelt habe.

Q R. Peel: Jch habe hierauf zu erwiedern , daß keine besonderen Znstructionen von der Regierung oder von anderen unter ihrer Autorität

nien ausgefertigt worden sind. Die den Befehlshabern für derartige Fälle ertheilten Instructionen besagen vielmehr nur, daß dieselben das Leben und Eigenthum der in den aufrührerischen Städten sich aufhaltenden britischen Unterthanen zu shüßen, im Uebrigen aber, was die streitenden Parteien selbst angeht, jede Einmischung in deren Angelegenheiten zu vermeiden und eíne möglichst strenge Neutralität zu beobachten haben, Die Aufnahme von Flüchtlingen ohne Unterschied aber als cine Sache zu betrachten, die si von selbst versteht, darf die Regicrung um so weniger, als sie der Jnsur- rection dadurch fortwährend neue Nahrung gäbe. Was nun den einzelnen angeführten Fall des Obersten Bonet betrifft, so kann die Regierung dar- über nur nah cinem ihr vorliegenden Berichte des Capitain Drummond, Befehlshaber des „Scout“ urtheilen, und daraus erhellt, daß die Thatsa- chen so, wie sie in den Zeitungen dargestellt worden sind, gar nichi stattge- funden haben fönnenz der Bericht enthält kein Wort davon, daß Oberst Bonet den Schuß des Capitains und die Aufnahme auf den „Scout“ nachgesucht habe. Lord J. Nusssell is erfreut, zu hören, daß keine besonderen Jnstruc- tionen dem Befehlshaber des „Scout““ für diesen Fall ertheilt worden waren, und ersucht den Premier-Minister, einen ausführlichen Bericht über den an- geblichen Vorfall mít dem Obersten Bonet von dem Capitain Drummond einfordern zu lassen. Sir R. Peel: „Jch habe nichts gegen die Ausführung dieses Wun- sches einzuwenden ; die Sache wird dem Admiralitäts - Kollegium berichtet werden. Bei dieser Gelegenheit will ih nicht versäumen, meinen ganzen Abscheu und Widerwillen gegen die blutdürstigen Prozeduren auszusprechen, welhe von den konstituirten Behörden (constituted authorities) verübt worden sind. Jhre Massacren in Massc, ohne die regelmäßigen Formen gerichtlicher Prozedur , tragen mehr dazu bei, dem Rufe Spaniens in dec Achtung der civilisirten Welt zu schaden, als jeder andere Weg, den jenes Land einschlagen könnte, Jch bin der Meinung, daß selbst barbarische Na- tionen größere Menschlichkeit in ihren Kämpfen beweisen würden, als es von Seiten beider Parteien in Spanien geschieht.“ (Wiederholter Beifall.) Das Haus nahm jeßt, auf den Antrag Sir James Graham?s, die Diskussion über die Fabrik-Bill auf, die indeß nichts Bemerkenswerthes bietet, da Lord Ashley bekanntlih sein Amendement bis zur dritten Lesung derseiben aufgespart und das Haus bis dahin die Verhand= lungen über die Verkürzung der Arbeitszeit in den Fabriken ausgeseßt hat. Die Bill erhielt heute ohne Abstimmung die zweite Lesung. Charafteristisch für den Geist, welcher auf den Arbeiter=-Versammlun= gen herrsht, die gegenwärtig, namentlich in den Grafschaften Yorkshire und Lancashire, von den ultratoryistischen Agitatoren zu Gunsten der Lord Ashleyschen Zehn-Stunden-Klausel zusammenberufen werden, war die nah der zweiten Lesung der Bill auf Veranlassung des Herrn Roebudck geführte Debatte über eiue Aeußerung des be- fannten Herrn Ferrand, Unterhaus = Mitgliedes, auf einer dieser Versammlungen. Man ersieht daraus, daß es diese Herren, welhe das Volk in den Fabrik - Distrikten zu verfüh= ren suchen, und von denen besonders Oastler, Ferrand und Fielden am thâätigsten sind, mit Verleumdungen und Unwahrheiteu gerade nicht sehr genau nehmen. Herr Ferrand wäre heute beinahe vor dem Hause arg kompromittirt worden, als Herr Roebuck ihn darüber zur Rede stellte, daß er vor kurzem bffentlih geäußert habe, der Mi- nister des Junern habe einen General - Armen - Kommissarius (Herrn Hogg) zu einem falshen Berichte über das Armenwesen zu veran= lassen verstanden, um dadurch ein Parlaments-Mitglied (Herrn Ferrand selbst) moralisch zu vernichten. Herr Ferrand wollte uicht ret mit der Sprache heraus und die weitere Verhandlung der Sache wurde end= lich auf heute, die Konstituirung des General-Comité’s über die Factory Bill aber auf den 26sten verschoben, an welchem Tage Herr Duncombe darauf antragen will, daß dieselbe, statt an das General=Comité, an ein Special-Comité des Hauses gewiesen, d. h, einer möglichst gründ= lihen Untersuhung unterzogen werde.

Den Schluß der Verhandlungen bildete eine längere Diskussion über die Bill wegen Reform der geistlichen Gerichte, welche ebenfalls zur zweiten Verlesung standz diese wurde endlih genehmigt, nahdem ein auf Verwersung der Bill gerichtetes Amendement mit 518 gegen 89 Stimmen zurückgewiesen worden war.

Loudon, 23. April. Jhre Majestäten der König und die Königin der Belgier so wie die Herzogin von Kent nebst ihrem Sohne, dem Fürsten von Leiningen, haben sich heute nah Belgien cingeschifst. Es heißt, daß sie sich zusammen nach Paris begeben wollen, und bis nach der Feier des Namensfestes des Königs Ludwig Philipp (am 1. Mai) dort verweilen werden.

Die gerichtlihen Verhandlungen in dem Prozesse O'Connell's und seiner Geuossen sind in der Sißung des Gerichtshofes der dubli- ner Queens Bench am 20sten d. ganz unerwarteter Weise auf einen Antrag des General-Prokurators bis auf unbestimmte Zeit ausgeseßt worden. Als Grund seines Antrages gab Herr Smith die ihm növ= thig sheineude Untersuchung der Ursachen an, welche die Verstümme= lung der General-Geschworenen-Liste herbeigeführt hätten, denn be- kanntlich is die Unvollständigkeit dieser Liste, in welher mehrere Blätter fehlten, das Haupt = Motiv, auf welches die Angeklagten ihr Gesuch um Aunullirung des Jury - Ausspruhs und Einleitung eines neuen Prozesses gründen. Aber der Antrag des General=Prokurators muß dennoch auffallend erscheinea, wenn man bedenkt, daß derselbe während der früheren Verhandlungen sich durchaus jeder Untersuchung über die Ursachen der Verstümmelung jener Liste widersebte, und die verschie= denen Gerüchte, daß die Regierung es nicht ernstlich mit der weiteren Verfolgung meine, müssen durh das Verfahren des Herrn Smith nothwendig neue Haltbarkeit belommen. So viel scheint jeyt gewiß, daß die gegenwärtige Gerichts-Session vergehen wird, ohne daß der Prozeß ein Ende genommen hat. j

Auf außerordentlichem Wege (in kaum mehr als sechzehn Stun= den) ist zwar heute dem Morning Herald die Nachricht zugegan- gen , daß die Untersuchung der Mangelhastigkeit der Liste beendet sei und die friedensrichterlihen Beamten gestern ihren Bericht in der Gestalt von eidlichen Erklärungen (affidavits) abgestattet und bezeugt haben, daß die Auslassung der Namen Os der General - Liste der Geschworenen einem Zufall und nicht einer betrügerischen Absicht zu- zuschreiben sei, ein Umstand, der die Chancen der Angeklagten in Bezug auf ihr Gesuch um Annullirung der bisherigen Prozedur sehr