1844 / 137 p. 2 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

überhand nehmenden Pauperismus und der aus diesem R Uitte zu steuern, is auch hier in milder höner Form zur Ausführung gekommen. Der von der hiesigen Ortsbehörde dieserhalb erlassene Aufruf vom 20. April d. J. zur Bildung eines Vereins für Rettung verwahrloster Kinder ist nicht unbeachtet geblie ben, und er hat in den Gemüthern der meisten unserer Bewohner einen segensreihen Boden gefunden. Der milde Sinn hat sih in tüchtiger Weise dadur bekundet, daß bis heute das Ergebniß der Sammlung eine jährliche Einnahme von 68 Rthlr. 5 Sgr. nachweist.

Paderborn, 10. Mai. Jn unserer Nachbarstadt Gesecke (heißt es in einem durh den Westphälishen Merkur verössent- lichten Privatschreiben) haben gestern Abend beflagenswerthe Auf- tritte stattgefunden. Zwischen 8 und 9 Uhr rotteten sich Volkshau=- fen zusammen und überfielen die Wohnungen der dortigen Juden, die sämmtlich, eine ausgenommen, in welcher eine Wöchuerin lag, mehr oder weniger demolirt wurden. Mißhandlungen an Personen scheinen nicht stattgefunden zu haben. Als nächste Veranlassung zu diesem Akt des Vandalismus erzählt man si hier, ein sehr ehrwür- diger Priester zu Gesecke habe ein mit dem Post-Stempel Paderborn versehenes anonymes Schreiben erhalten, welches nicht blos die gröb= sten Beleidigungen für ihn, soudern auch arge Schmähungen gegen die katholische Kirche und alles den Katholiken Heilige enthielt, Der Juhalt wurde alsbald in Gesecke bekannt und angeblich ermittelt, daß dieser Droh- und Schmähbrief von den gesecker Suden herrühre. Es erzeugte sich dadur eine Erbitterung gegen die Juden, und so fam es zu jenen bedauernswerthen Excessen. Den eigentlihen Hergang der Sache wird die ohne Zweifel eingeleitete gerichtliche Untersuchung wohl näher herausstellen.

Düsseldorf, 13. Mai. Heute warf sich ein bis jeßt Unbe- fannter, als der Eisenbahnzug zwischen hier und der kölner Chaussee heraneilte, auf die Schienen, und zwar so diht vor das Convoi hin, daß es trotz aller Anstrengungen des Zugführers, den Zug zum Still stande zu bringen, unmöglich war, den Unglücklichen zu retten, dessen Körper, wie man hört, gräßlich verstümmelt ist.

Die hiesigen Maler Lessing, Ebers, Schadow und Scheuren ha- ben 40 fleinere Gemälde angefertigt, welhe nächstens zum Besten der nothleidènden Weber in Schlesien verloost werden sollen,

Duísburg, 14, Mai. Am Sten d. wurde der neue Ruhr= Kanal festlih eingeweiht und eröffnet, Nachdem sich um 9 Uhr Mor=- gens die hohen Gäste, unter ihnen Se. Excellenz der Ober-Präsident von Westphalen, Herr v. Vincke, nebst den Actionairen und Fest- genossen am Schleusenhause versammelt hatten, wurde das in der Schleuse liegende reihgeschmüdte Boot bestiegen, und unter dem Ju- belruf der Menge, dem Donner der Geschüße, Musik uud Gesang \{chwebte dasselbe der Mündung des Kanals entgegen, um das von Mülheim herunterkommende, mit Kohlen beladene, festlich bewimpelte Ruhr\hiff} in Empfang zu nehmen. Als dasselbe anlangte, ging die Fahrt durch den Kanal zur Stadt, und der Moment, wo das erste befrahtete Schiff in der Schleuse lag, wurde mit Jubel und tem Geläute aller Glockten bezeichnet. Ju der Festrede hob Pfarrer Krummagher hervor, daß durch dieses {höne Werk Duisburg vor Ueberschwemmungen gesichert, ein Theil der Nachbarschaft von schäd= lihen Sümpfen befreit sei und neue Erwerbsquellen ih erössnet

hätten.

„*, Aus dem Großherzogthum Posen, 7. Mai. Bei den jebt vielfach angestellten Versuchen, dem Erdboden Erze oder Mineralien abzugewinnen, wird es nicht ungelegen sein, unseres Groß- herzogthums zu erwähnen und nachzuweisen, daß auch hier manche in dieser Absicht unternominene Erdarbeit nicht ohne Erfolg bleiben würde. Ju den „Bildern Großpolens|‘““ von Graf Eduard Raczy1ski findet ih folgende Stelle: „Die Gegende von Obornik (an der Warthe) verdient die besondere Aufmerksamkeit der Naturforscher und Geolo- geu wegen der hier vorhandenen Salzgruben, Die näheren Angaben lauten, daß um Obornik am rechten Ufer der Warthe sogenannte Salz-Hauländer wohnten, und daß man aus einem hier besindlichen Queli das Küchenwasser holte, um damit die Speisen zu salzen, Die Gärten, worin der Quell floß, liegen in einem von Sandhügeln ge- bildeten Kessel, in denen der Quell sein Entstehen hatte, welcher heut mit Sand verschüttet is, Auch finden sich hier noch andere Salz=- quellen, woraus die ältesten Bewohner von Obornik noch das Wasser genossen haben. Auch befinden sich nah den Angaben der Bewohner Obornifks am linken Ufer der Warthe Salzlager. Es scheint deshalb der Mühe nicht unwerth, einen kundigen Mi= neralogen behufs Anstellung von Untersuchungen in diese Gegend zu schicken. Hoffentlich werden die Grundbesißer der Provinz, über= zeugt von den Erfolgen hiesiger Privat-Unternehmungen, auch auf

Lami und ClémentBoulanger anreihen, Die eigentlichen Genre-Maler und Landschaster der neueren Schule kann man leider nicht kennen lernen im Luxembourgz denn mit Ausnahme zweier Veduten von Watelet und André Giroux, und des launig gedachten und gegebenen Bildes von Biard, eine reisende Komödiantenbande darstellend, die im Begriff, den Mahomet und das Ballet der Psyche zu spielen, is hier kein Werk von Cabat, feines von Jules Dupré, keines von Marilhat, keines von Flers, kurz, keines von denjenigen Landschaftsmalern vorhanden, welche in ihrem Fache des meisten Nuscs genießen, und fiadet sich kein Stück von Decamps, dem größten Humoristen und mächtigsten Koloristen der neuesten französischen Malerschule, éin bizarres, aber höchst geistreiches und vielseitiges Talent, welches, im Besiß E ia - n verschiedensten GBenres, in Piat Deieh D Ea ebtacken j j in ‘Archltektt - Vialidten , in Land- haften, auch im Portrait und in der Historienmalerei, überall mit frappantem Erfolg versucht hat —z feines von Tonv Johannot, Roehn dem Jüngeren, Grenier, Destouches, Franquelin, Duval-le-Cannis u, A., die durch so vicle artige Bilder als Genre- Maler rühmlih bekannt sind, Die neueste Marin:-Malerei geht wenigstens nit ganz leer aus im Luxembourg und is daselbst repräsentirt durch den Windstoß auf der Rhede von Algier (1835) von Gudinz durch die Ebbe am Strande der Bretagne, ein prächtiges Bild von Eugène Lepoitte- vin, dem Nachahmer und Nachesferer des Eugène Jsabey, von welchem, auffallend genug, hier kein Séebild vorhanden ; endlich durch eine Ansicht von ber Küste der Normandie von Camille Roqueplan, eine Marine, voll Wahrheit, Natur, Neiz und Energie, wie alle Erzeugnisse dieses wun- dérbaren und vielseitigen Talents, welches galante Genre-Scenen und Land- \{chasten mit dem eleggantesten Geschmack und poetischstem Gefühl und sogar historishe Gegenstände bisweilen nicht ohne Glück und immer mit vielem Geschick und brillanter Farben-Harmonie behandelt.

Was von Genrebildern , Landschaften und Architekturen aus der älteren Schule da is, will wenig bedeuten z die Stücke oonDucis, Pierre Revoil, Mad. Hersent u, \, w., welche Anekdoten aus der älteren französischen Geschichte BOO D sylisirten Landschasten von Edouard und Jean Victo t

, emo S i un vergleichen mthologishem Zeug stassirt üben wenig Amichung, Granei"s ‘Darstellungen dés Junern von Kirchen, Kreuzgängen, Klosterzellen 2c. stehen

M vbir V R lg E A abern 1 Hohen Pre

e TS m Werthe und Anschen gefallen und in Ber-

fteigerüngen oft unter hundert Fraukèn zu haben, Am meisten gefallen noch 186 dieser Zeit die Blumenstücke von Vanbvaël und Redouté, welche fteilih“ mit denen des neuesten Blúmen-Malers Saint-Je an keinen Ver-

E T t E L L e L ee r E B iw new, me ewininmreeineewetnene

81S

materielle Speculationen solcher Art in der Folge ihre Aufmerksam- feit rihten. Wir haben eine Gesellshaft, welche den Boden des Großherzogthums umwühlen läßt, aber niht nach prosaishem Salz, sondern nach historishen Denkmälern: Krügen und Vasen, Säbeln und Schilden, Kreuzen und Panzern. Sehr lobenswerth, wenn die Geschichte diesen Werth und diese Würde gewonnen hat, daß unter den Augen treuer Wächter kein Bruchstück ihrer Erinnerungen verkümmern darfz aber dem Stolze über die Schäße der Vergangenheit darf die Sorge für Vorbereitung der Mittel nicht weichen, die das materielle Wohl be= dingt. Neben der Verehrung jenes ideellen Zustandes, welchen die moderne Poesie für Polen erfunden hat, und der zur Chimäre wird, wenn man ihm ohne alle Rüfsichten auf die Wirklichkeit der Lebens= Verhältnisse nachjagt, kann das physische Element schr wohl bestehen.

Auslan d.

Deutsche Bundesstaaten.

Bayern. Müúüncheu, 11. Mai. Jhre Königl. Hoheiten der Kronprinz und die Kronprinzessin sind gestern von Hohenschwangau hier eingetroffen.

Ueber den Besuch Sr, Majestät des Königs auf Hohenschwangau heißt es in der Augsb. Abend-Ztg.: Am Sten d. M. trafen Se. Majestät König Ludwig unter dem rührendsten, herzlichsten Em= pfang auf der Burg Hohenschwangau ein. Schon von Peiting an war die Straße mit Triumphbögen geschmückt. Die Burg und ihre Umgebung erfreuten sich des ausgezeihneten Beifalls Sr. Majestät, Allerhöchstwelche mit dem geliebten Burgherrn und der geliebten Burgsrau auch außer der Burg einige der interessantesten Pläße besuchten. Am 9ten war Vorstellung der Beamten 2c. und gegen den Abend beglüc= ten Se. Majestät der König mit Sr. Königl. Hoheit dem Kron= prinzen und an Allerhöchstihrer Seite Jhre Königl. Hoheit die Frau Kronprinzessin die Stadt Füssen, durchfuhren daselbst einige Straßen, welche sämmtlih mit wahrer Begeisterung der Einwohner guf oft sehr sinnige Weise festlihen Schmuck erhalten hatten, worüber Se. Majestät der König und Jhre Königl. Hoheiten Allerhöchstihr Wohlgefallen laut kundzugeben geruhten. Die von der zahllosen Men-= \chenmenge mit dem stürmishen Jubel begleiteten gefeierten hohen Gäste waren in der heitersten, freundlihsten Stimmung. Die Stadt war mit Triumphbögen geziert, und ein solcher befand sih auch an der Gränze von Ober-Bayern und Schwaben. Am 10ten Morgens nach 4 Uhr seßte der König die Reise über Kempten nach Jtalien fort.

Von den Festen in München wird Jedem, der gegenwärtig ge= wesen, der Moment als der erhebendste erschieuen sein, als im Hof- Theater die auf den Erzherzeg Karl, den Helden von Aspern, sih beziehenden Stellen des Festspiels mit den lebhaftesten Beifallsrufen begrüßt wurden z als der König und der Erzherzog dann einander in den Armen lagen, ergriff überströmendes, laut sich äußerndes Ge= fühl alle Anwesenden.

Legationsrath von Kölle aus Stuttgart und Freiherr von Hormayr, Minister = Resident bei den Hansestädten, verweilen seit einigen Ta= gen hier.

Hannover. Hildesheim, 8 Mai. Heute hatte hier eine zahlreiche Versammlung protestantisher Geistlihen des Fürstenthums Hildesheim, an der auch viele Nichtgeistliche theilnahmen, zur Begrün= dung eines Gustav = Avolphs - Vereins statt. Es wurde ein Ausschuß zur Entwerfung der Statuten gewählt und über die Fassung dersel- ben das Weitere besprochen.

Hohenzollern-Sigmaringen. Sigmaringen, 4. Mai, Das diesjährige landwirthschaftliche Fest wird in Haigerloch gefeiert werdenz es sind hierzu von der Ceutralstelle 17 Preise im Betrage von 500 Fl, nebst Preis - Medaillen für Orts - Vorsteher, Schullehrer und Gewerbsleute und von der Bezirksstelle 41 Preise im Betrage von 456 Fl. und Medaillen für treue Dienstboten ausgeseßt; auch für Mustervich werden Preise vergeben,

Reuß-Schleiz. Schleiz, 11. Mai. Das fürstlihe Steuer= Direktorium hat unterm Sten d. M. eine Bekanntmachung erlassen, in fünftig vorkommenden Fällen den Ausprüchen auf die herfömmliche Steuervergütung wegen Hagelschadens nicht mehr statt zu geben, in= dem durch das Bestehen von Hagelschaden - Versicherungs - Anstalten den steuerpflihtigen Grundbesißern Gelegenheit gegeben sei, sich für die im Ertrag ihrer Grundstücke etwa entstehenden Verluste einen Er- sab zu sichern,

Franmireid.

VBairs- Kammer. Sibßung vom 9, Mai, Wenngleich die Frage, ob alle Mitglieder der in Frankreich verbotenen geistlichen

leich aushalten. Unter den neu hinzugekommenen Bildern verdienen be- onders hervorgehoben zu werden : eine jüdische Hochzeit im Marokkanischen, ein trefflihes Genrebild von Eugène Delacroix, und eine Winter- Landschaft von W ickemberg, welche beide Stücke in der Ausstellung von 1841 allgemeinen Beifall sanden. Jngres is jeyt mit drei Bildern be- segt, die aber vou seinem Talente nicht gerade den günstigsten Begriff geben; zu seinem wunderlichen Rüdiger, welcher auf einem Hippogryph einherfliegend, seine Lane in den Rachen des Ungeheuers stößt, welches sich anschickt, die gefesselte Augelifa zu verschlingen (vom Jahre 1819), hat man neuerdings noch hinzugefügt: den Christus, wie er in Gegenwart der Apostel dem Petrus die Himmelsschlüssel übergiebt, mit dem vorigen Bilde zu gleicher Zeit und an gleicher Stelle gemalt (zu Rom 1819), und das historische Portrait“ Cherubini's, welchen die Muse der Musik bekränzt, vom Jahre 1842, wo wir dieses Portrait in Jngres? Atelier ausgestellt sahen, ohne daß die große Treue der Durchbildung im Einzelnen uns mit der trüben, aschgrauen Carnation und der sonderbaren Anordnung des Ganzen hätte aussöhnen können, Die Productionen, die sonst noch von Piguol, Carninnade, Grée, Gleyre, Champmartin, Steuben, Leloir, Pilliard, Remond, Gros-Claude, Justin-Ouvrié, de La- bocière und Watelet frisch aufgehängt worden, sind eben keine Bereiche- rungen des Luxembourg-Museums zu nennen und theilweise dieser Samm- lung ganz unwürdig,

A Leipzig, im Mai, Zu meinem neulichen Berichte über die wissen- \chastlihen Unterhaltungen dieser Winter-Saison habe ich noch nachzutrageu, daß seitdem eine dritte Abend - Unterhaltung des Literaten-Bereins stattge- funden hat, in welcher die hier eben anwesende Künstlerin Ch. von Hagn zwei Gedichte, ein heiteres und ein ernstes, ersteres mit eben so viel An- muth und Naiïvität, als leßteres mit tiefergrcifender tragischer Wirkung, vortrug, Professor Wolff aus Jena sein improvisatorisches Talent, wel- hes er, wie er selbst in dem einleitenden Vortrage über die Kunst des Jmprovisirens bemerkte, vor 18 E zum legten Male und zwar eben dier produzirt hatte, noh einmal în Thätigkeit seyte und ziemlihen Beifall ärndtete, wenn schon, wie natürli Solche, die ihn früher gehört, eine be- deutende Abnahme seiner Fertigkeit bemerken wolltenz endlich Her loßsohn ín seiner gewohnten launigen Weise ein Potpourri humoristischer und kausti- {her Wie zum Besten gab. Endlich sind auch noch für die nächsten Wochen drei Vorlesungen von Dr. Brendel angekündigt über Ge»

chichte der Musik, mit begleitenden musikalischen Executionen zur

\ h Veranschaulihung des Vortrags. Jn Dresden, wo Brendel diese Vor- lesungen“ mehrere Winter hindurch odbalten hat, haben sie sich immer großen

Orden auch von der Leitung des Jugend - Unterrichts ausgeschlossen sein sollen, bereits von der Kammer bejahend entschieden ist, so wird doch die nachträgliche Hervorhebung noch einiger der bedeutendsten Stellen aus der Rede des Herrn Guizot, als des Haupt - Reprä= sentanten der Politik des jeßigen Kabinets, über diese so lange dis= futirte Prinzipfrage nicht ohne Juteresse sein. Nachdem der Minister erflärt hatte, daß es eigentlich faum noch einer Bekämpfung des Harcourtshen Amendements bedürfe, da die Verwerfung desselben und die Annahme des Kommissions - Paragraphen wohl son fesistehe, rechtfertigte er seinen Vortrag in folgender Weise: E

„Es reicht dies jedoch nit hín für cine Regierung, die sich selbst achtet, die Ehrfurcht empfindet vor dem Lande und der Kammer. Wir be- gnügen uns nicht mit der Thatsache, ja selbst nicht mit der Berufung auf das Gesezz die Kammer und das Land müssen überzeugt werden, daß dic Regierung Recht hat in ihrem Verhalten sowohl als in den Maximen, welche von ihr zur praktishen Anwendung gebracht E :

An diese Vorbemerkung {loß sich ein Gemälde der bürgerlichen und politischen Gesellschaft, wie diese sich im Uebergange von der alten Verfassung zur neuen gestaltet habe. i

„Unter dem Regime vor 1789“ sagte der Redner, „gab es cine Anzahl fol- lcftiver Gewalten mit Vorrechtenz die Revolution hat diese Körperschaften zerstört und eine einzige Herrschaft an ihre Stelle geseht, die der öffentlichen Gewalt ; man hat beim Unterricht gethan, was in der Verwaltung, bei der Armee, in der Geseßgebung gethan wurdez es entstand die National - Einheit, der Civil-Codex, die Uníversitätz die konstituirende Versammlung proklamirt die individuellen Freiheiten, ohne die Nen der öffentlichen Freiheiten zut begreifen und in ihr Werk aufzunehmen ; Napoleon dagegen organisirte die öffentlihe Gewalt, ohne die Bedingungen der individuellen Freiheiten zu beachten; bcide aber, die konstituirende National - Versammlung und Napo- leon, sahen ein, daß die speziellen Gewalten und Privilegien verschwinden mußten gegenüber einer großen öffentlichen Gewalt, die in der Erscheinung sich darstellt als der Staat auf der einen Seite und díe Freiheit der Bür- ger auf der anderen. Was is nun unsere Aufgabe? Wozu sind wir bc- rufen 2? Die Organisation der öffentlichen Gewalt, von Napoleon geschaffen, zu befestigen und in diese Organisation die individuellen Freiheiten, von der fonstituirenden Versammlung proklamirt, zu verflechten. Napoleon hat uns das gezimmerte Holz zum Bau der Staatsmaschine geliefert; uns ist vor- behalten, dem Gesellschasts-Körper eine Seele zu geben, denn Napoleon schien zu wollen, daß nur scine Seele darin walte; heute müssen alle Scelen durch Freiheit im Schoße der großen Organisation, die uns der Kaiser hinter- lassen hat, einen Platz cinnehmen, Dies is die Aufgabe unserer Zeit, das Werk, an welchem wir in Politik und Verwaltung arbeiten." E

Im zweiten Theil seiner Rede sprach der Minister über die (Je=- suiten und ließ dem Stifter dieses Ordens, Jgnaz Loyola, so wie der von ihm begründeten Gesellschaft Jesu im ersten Jahrhundert ihres Bestehens, vom Gesichtspunkte der damaligen Zeit aus betrach- tet, selbst Gerechtigkcit widerfahren, erklärte sih jedoch entschieden gegen ihre spätere Zulässigkeit, weil sie niht mit der Zeit sortge- schritten, sondern mit dem Geist derselben in immer stärkeren Wider=

»ruch gekommen. : | I "Es muß gesagt werden“, so lauteten die Meinungs-Aeußerungen des Herrn Guizot in dieser Hinsicht, „als die Jesuiten instituirt wurden, geschah es, damit sie in der großen Bewegung des t6ten Jahrhunderts die E! Gewalt in geistlichen Dingen und ein wenig auch in weltlichen aytersiivtens es läßt sh über diesen Grund ihrer Entstehung fein Zweifel unterhal enz man würde damit dem Andenken ihres Stifters zu nahe treten L H überzeugt, daß, wenn dieser berühmte Mann, der zugleich ein großer Geist und ein großer Charakter war, die Auslegungen vernehmen fönnte, M man heute seinem Werke zu geben versucht ; wenn er sähe, unter welcher Gestalt man die große Körperschaft, die er ins Leben gerufen hat, erscheinen läßt z er würde sich mit Unwillen dagegen erheben. Ja, die Jesuiten sind ge- stiftet worden, um den Glauben zu vertheidigen gegen jede Prüfung, die Auto- rität zu bewahren vor jeder Kontrolle. Man hatte damals zureichende Motive zu eincm so großen Unternehmen : ih begreife, wie 1m 16ten Jahrhundert große Geister, große Seelen sich diese Aufgabe stellen fonnten. Es war ein sehr zwei- felhaftes Problem, das in jenen Lagen aufgestellt wurde: diese Herrschaft der Freiheit in dem ganzen Reiche des Gedankens, dieser gebieterische An- spruch der Gesellschaft auf unausge|eßte wirksame Aufsicht über die in ihrem Schooße bestehenden Gewalten, das war ein unermeßliches Unternehmen ; es fnüvften sich unberechenbare Gefahren daran z es konnten grausame Prü- fungen und großes Unheil für die Menschheit daraus enistehenz und da die Wahrheit stets ihr Recht behalten muß, so dürfen wir sagen, daß es allerdings so gekommen is, Nichts war darum natürlicher, als daß große Geister und große Seclen den Entschluß faßten, einer so heftigen, in ihren Folgen dunkeln Bewegung sih zu widerseßen, Es ist die Ehre und der Ruhm der Jesuiten, die Lösung einer so {weren Aufgabe unternommen zu haben. Aber i die Jesuiten täuschten sh, Sie glaubten, aus der Bewegung îm sechzehnten Jahrhun- dert werde im Reiche der Jutelligenz nur ausgelassener , unbändiger rei- heitssinn und im Reiche der Poli ifk nur Gejeglosigkeit und Anarchie zu Tage kommen;z sie sahen {h getäuscht ; es sind vielmehr aus jener Bewe- gung große, starke, glorreiche, wohlgeregelte Gesellschaften hervorgegangen, die zur Entwickelung, zum Giück, zum Ruhm der Humanität vielleicht mehr, gewiß aber eben so viel gethan haben, als die früheren Gesellschaften, England, Holland, Preußen, das protestantische Deutschland und das heu- tige Frankreich, das siud die bürgerlichen Gesellschasten, die aus der Bewe- gung im sechzehnten Jahrhundert hervorgegangen sind, Dieser Erfolg hat

Beifalls zu erfreuen gehabt, und es ist kanm zu bezweifeln, daß sie hier,

wo ein so außerordentlich reger Sinn sür Musik herrscht, feinen minder n Boden finden ree Die Messe brachte uns neben zahlreichen Schenswürdigkeiten mehr unterhaliender Art (wovon indeß manche natur- historishe Schaustellungen, z. B. ein sehr shöónes Exemplar einer Giraffe, auch \chon ein mehr wissenschaftliches, 10 wle manche andere ein künstleri- {hes Interesse beanspruchen fonnten), auch eine Schenswürdigkeit recht zeitgemäßer und instrufktiver Art, nämlich das Modell einer atmosphärischen Eisenbahn, welches ein Herr Stelling aus Hamburg hier ausstellte, der dasselbe in Jrland, nach der Ansicht der Bahn von Kingstown nach Delfkcy und nach den Angaben der Erbauer selbst gefertigt hatte. Die verwickelte Construction dieser neuen Art von Lokomotive, die bei der bloßen Beschrei- bung, selbst der genausten und tlarsten, immer noch einige Schwierigkeit des Verständnisses zurücfläßt, wird hier durch Autopsie des ganzen Mechanis- mus, sowohl der Bahn selbst, als des Wagens, in allen seinen sehr künst- lichen und sinureichen Einzelheiten, so wie durch die Erklärungen des tech- nis bewanderten Künstlers, vollkommen anschaulich und faßbar. Das Modell einer Centrifugal-Eisenbahn, welches derselbe Techniker zeigt, ist nur eine artige Splelerei , die, wie er berichtet, in London im Coventgarden-Theater in großem Maßstabe zur Anwendung gebracht worden ist. „Der Mechanis- mus hierbei ist dieser, daß ein Wagen auf einer steilen Bahn herabrollt und, in Folge des starken Anlaufs, in eine nah aufwärts gebogene Kreis- bahn durchläuft, wobei das Oberste zu unters gekchrt, gleihwohl aber durch das bekannte Gesch der Centrifugalkraft ein Herabfallen verhindert wird.

Gestern fand die letzte Voistellung in dem hiesigen Theater unter Ringelhardt's Direction statt. Das Theater wird nun auf einige Monate geschlossen und bedeutenden Reparaturen im Funern unterworfen, um dann zum Herbst unter der Leitung des neuen Pachters, Dr. Schmidt, cin neues, hoffenilich kräftigeres und künstlerisch edleres Leben zu beginnen,

Vermischtes.

Am 6. Mai starb zu Dresden der Schriftsteller Dr. Echtermeyer an dem Wiederausbruch eines Uebels, wegen dessen ihm vor sechs Jahren der Vorderarm abgenommen worden war,

Am 25. August 1844 werden es hundert Jahre, daß Joh. Gottfr, «on Herder zu Mohrungen in Ostpreußen geboren wurde. Oeffentliche Blätter haben die Jdee angeregt, dies Geburts-Jubiläum des in jeder Be- iehung bedeutenden Mannes in allen Gauen Deutschlands festlich zu begehen,

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die oraussiht des Stifters des Jesuiten-Ordens und seiner Nachfolger ge- täuscht; und weil sih die Jesuiten geirrt haben, sind sie geschlagen wor- den, und zwar nicht nur ín den Ländern, wo dic Reformation gleich zu Anfang siegte, sondern selbst da, wo der Abselutièmus zu bestehen fortfuhr, Spanien und Portugal sind unter dem Einfluß der Jesuiten in Verfall ge- rathen, und doch fonnte der Orden der Ausweisung und Verbannung aus diesen Ländern nicht entgehen. Sind nun heute die Jesuiten, durch Er- fahrung belehrt, zu der Einsicht gelangt, daß die freie Prüfung neben der Staatsgewalt bestehen und daß die Volks - Kontrolle ihren Play einnehmen fann neben einer starken und geregelten Autorität, entsagen sie der absolu- tistishen Jdece ihres Stifters, so mögen sie unter uns wohnen als Bür- ger unter Bürgern, aber nicht als Mitglieder einer Congregation, nicht in ihrer alten Form, mit ihren früheren Rechten. Wir wollen weder Jesuiten, noch Parlamente, noch Zünfte; alle derartige privilegirte Körperschaften sind verschwunden z die Congregationen allein verlangen heute etwas Anderes, als was ihre Mitglieder als Bürger zu fordern berechtigt sind; dieses An- dere aber kann und wird ihnen nicht zugestanden werden. Das Publikum glaubt, und es hat Grund, zu glauben, daß die Gesellschast Jesu noch nicht genugsam belchrt is durch die Erfahrung dreier Jahrhunderte, und daß sie den ersten Gedanken ihrer Stiftung, den Kampf gegen freie Prüfung und öffentlihe Kontrolle, noch nicht aufgegeben hat, Wenn dem so is, so hat man Recht, sich vor den Jesuiten zu hüten.“

Ueber den Schluß dieser Debatte is bereits gestern berichtet worden,

Deputirten-Kammer. Sißung vom 10, Mai. Wie \hon erwähnt, wurde die Einführung des Zellen - Systems und die einsame Haft bei Tag und Nacht, um deren Anwendung auf die Verurtheilten es sich im 22sten Artikel des Geseß= Entwurfes über die Gefängniß-Reform handelt, in dieser Sißung besonders eifrig von Herrn Leon de Maleville bekämpft, obglei dieser Deputirte in dem Thiersshen Ministerium, welches die Grundlagen des vorliegen- den Geseß-Entwurfes*vorbereitete, Unter-Staats-Secretair gewesen. Alle gegen die Jsolirung vorgebrachten Argumente wurden von ihm wiederholt : daß sie die Nückfälle vermehre, die Gesundheit des Ge- fangenen untergrabe und zum Wahnsinn führe; ferner daß sie die Ausübung des Gottesdienstes hindere, die abscheulihsten Zuchtmaß- regeln, wie den Knebel, die Peitshe und die Strafe des Hungerns nöthig mache und enorme Kosten “verursahe. Der Finanz-Minist er bemerkte mit Hinsicht auf leßteren Punkt, daß allerdings die ersten Einrichtungen niht geringe Ausgaben erfordern, daß jedoch die schon bestehenden Central-Gefängnisse den neuen Plan etwas erleichtern, und daß mit der Zeit eher Ersparnisse als Kosten=- Vermehrung aus der Annahme desselben erwachsen würden. Herr von Tocqueville, der Berichterstatter der Kommission, übernahm es, die anderen Einwenbungen des vorigen Redners zurückzuweisen. Er behauptete einerseits, daß Jener seine statistishen Angaben über die Wirkungen des pennsylvanischen Systems in Amerika uicht aus den lautersten Quellen, sondern zum Theil aus Berichten von Gegnern des Systems entnommen habe; andererseits wies er darauf hin, daß das für Frankreich vorgeschlagene System keinesweges alle die Härten des amerikanischen beibehalten habe; so sei es z. B. in Amerika den Gefangenen nicht gestattet, Briefe von ihren Freunden zu empfangen, während der vorliegende Geseh = Ent- wurf keine solhe Beschränkung enthalte. Der Redner brahte dann seinerseits statistishe Tabellen bei, um zu zeigen, daß die Sterblich- keit in den amerikfanishen Gefängnissen des pennsylvanischen Systems geringer sei, als selbst unter den französishen Soldaten in großen Garnisonstädten. Vor 1% Jahreu sei zu Pentonville ein pennsylva= nisches Gefängniß für die verzweifeltsten Sträflinge errihtet worden, und gus dem Bericht darüber ergäbe sih, daß dort im Laufe eines Jahres bei einer Zahl von 524 Gefangenen nur 139 Züchtigungen vorgekommen seien, wogegen bei dem System der gemeinsamen Ar- beit nach einem Bericht auf 1100 Gefangene im gleichen Zeitraum 18,000 Züchtigungen vorgekommen seien, worunter 9000 für Brehung des Schweigens. Das Resultat der heu- tigen Debatte war die Annahme des ersten Theils des von Herrn Vatout zum 22sten Artikel vorgeschlagenen Amendements, welcher fürs erste nur feststellt, daß die zu Zwangsarbeit verurtheilten Individuen bei Tag und Nacht in abgesonderten Zellen eingesperrt sein sollen, und welchem sowohl das Ministerium, wie die Kommission beigetreten waren. Ein Unter- Amendement des Herrn Cremieux, welches die einsame Einsperrung auf die zu immerwährender Zwangsarbeit Verurtheilten beschränken sollte, wurde mit starker Majorität verworfen, Es is nun noch über die anderen Theile des Vatoutschen Amendements abzustimmen, welche für die zur Cinsperrung (reclusion) Verurtheilten ebenfalls das Zellen - System bei Tag und Nacht, für die zu bloßem, gewöhnlichen Gefängniß Verurtheilten aber dieses System nur dann, wenn die Verurtheilung auf mehr als ein Jahr lautet, endlih für die zu mehr als zehnjähriger Zwangs= Arbeit verurtheilten Sträflinge nah Ablguf von 10 Jahren die De- portation vorschlagen, Ueber jeden der verschiedenen Theile dieses Amendements wird besonders debattirt und abgestimmt werden, Das Amendement unterscheidet sich von dem Artikel des Geseß-Entwurfes dadurch, daß dieser die isolirte Einsperrung für die zu Zwangsarbeit, zu Reklusion und zu bloßer gefänglicher Hast Verurtheilten ohue Un- terschied und ohne spätere Umwandlung in Deportation anordnet.

Paris, 11. Mai. Die Herzogin von Kent is gestern mit ihrem Sohne, dem Fürsten Karl von Leiningen, von Fontaineblegu nach Deutschland abgereist.

xa Paris, 11. Mai. Die Diskusslon war gestern in der Pairs-Kammer bei dem leßten Paragraphen des Artikel 10 stehen geblieben, der so lautet: Drei Mitglieder, die von dem Minister des öffentlichen Unterrichts unter den Titular - Professoren der Fakultäten und den angesehenen Bürgern ausgewählt werden. Die Kommission \chlägt vor, zu seßen: „unter den Beigeordneten (agrégés), den Mit- gliedern des akfademishen Rathes und den angesehenen Bürgern““, Diese Fassung wird angenommen, Herr Persil beantragt einen Zusatz - Artikel, wonach das Comité gehalten sein soll, binnen zwei Monaten über die Verlangen um Zeugnisse zu beschließen, die dem= selben unverzüglih durch den Unter - Präfekten des Arrondissements übermaht werden; und es soll nicht einen Beschluß fassen können, wenn nicht mindestens 5 Mitglieder zugegen sind. Die Kammer nimmt mit Vorbehalt einiger Modificationen der Fassung den Artikel 11 der Kommission an, wonach Jeder, der als tauglich zur Leitung eines Justituts von der Jury zugelassen werden will, Franzose sein und. 25 Jahre zählen muß, u: st w. Der hier niht an= geführte Theil des Artikels lautet, wie im Entwurfe der Regierung. Es sprechen die Herren Pelet de la Lo- zère, Barthelemy, Cousin, de Broglie, Feutrier und der Minister des öffentlichen Unterrichts, Der Artikel wird bei der Abstimmung angenommenz desgleichen die Artikel 12 und 13 der Kommission ohne Diskussion. Der Präsident Boullet beantragt, daß auch die maitres d’études das Gelöbniß ablegen \ol- len, keiner nicht erlaubten religiösen Congregation anzugehören, Die- ses Amendement wird nah zwei zweifelhaften Abstimmungen endlich Ala fta dann auch der Art. 14, Zu Art. 15 {lägt die Kom- missiou folgende Modification vor: „Das Moralitäts-Zeugniß wird dem Bittsteller ausgestellt, wenn er seit wenigstens einem Jahre aus einer öffentlihen Anstalt oder einer Privat - Anstalt für den Sekun- där - Unterricht ausgetreten ist, und zwar von dem Chef der besag-

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ten Anstalt; in jedem anderen Falle wird das Zeugniß von dem im Artikel 5 des gegenwärtigen Geseßes erwähnten besonderen Comité ausgestellt.“ Graf Beugnot bekämpft diese Modification der Mi-= nister des öffentlichen Unterrichts vertheidigt sie. (Die Sitzung dauert fort.) s / .

Jn der Deputirten-Kammer wurde die Diskussion über Art. 22 des Gefängnißgeseßes wieder aufgenommen. Herr Vatout entwickelt zuerst den zweiten Theil seines Amendemeuts, wona die Centralhäuser bis auf Weiteres fortwährend dem gegenwärtigen Re- gime unterworfen bleiben sollen, In Betreff der Angeschuldigten und Angeklagten habe die Kammer die Absonderung in Zellen bei Tag und Nacht annehmen müssen, um die Berührung der Schuldigen mit einander zu verhindern, und weil deren Hast nur von furzer Vauer sei; desgleichen für die zu Zwangsarbeit Verurtheilten, weil auf diese die strengste Strafe Anwendung finden müsse. Jn Bezug der anderen Verurtheilten, namentlich jener in den Centralhäusern, bestehe diese Nothwendigkeit niht. Jn diesen bestehe die Trennung bei Nacht, die Arbeit bei Tage finde gemeinschaftlich statt. Diese Einrichtung sei gut und nichts daran zu ändern. Wollte man das Zellen - System auch auf die Centralhäuser anwenden, so würde dies eine Ausgabe von 200 Millionen erfordern. Es bestehen 50 Centralhäuser. Dies würde dann nicht ausreihen, man müßte funfzig andere nach dem Zellen-System bauen u, w. Der Minister habe sih ver= bindlich gemacht, die Bagnos binnen 4 Jahren aufzuheben, Aber selbst in 5 Jahren könnte er die neuen Central-Häuser nicht zu Stande bringen. Auch sei eine Straferschwerung in den Central-Häusern nicht nöthig. Herr Pares widerlegt Herrn Vatout, gerade in den Central-Häusern greife die Verderbuiß der einen dur die anderen am meisten um sich. Alle Anschläge des Herrn Vatout seien über- trieben; man brauche niht 50 neue Central - Häuser zu bauen und 4 Jahre wären zu dem Baue der etwa erforderlichen Zahl hinreichend. Herr Viger: das neue Geseß stürze das ganze Strafgeseßbuh um, troß aller Behauptungen vom Gegentheil; es schafffe allen Unter= schied der Strafe ab, verkenne die verschiedene Natur der Verbrechen. Seit Einführung der barmherzigen Schwester in die Central-Häuser gehe Alles sehr gut darin, Nimes und Montpellier bezeugen dies. Man solle nichts in den Centralhäusern ändern. Er beschwöre die Kammer, innezuhalten auf dem Wege, zu dem sie sih fortreißen lasse. Der Minister des Jnnern sucht die Kammer über die angeblich fo bedeutende Ausgabe zu beruhigenz dieselbe vertheile sich auf mehrere Jahre. Nur allgemeine Grundsäße über die Weise der Gefangen= haltung wolle die Regierung vorerst festgestellt wissen. Man wolle keinesweges Alles einstürzen undAlles fris aufbauen, wenigstens 20 Jahre wären zu vollständiger Reform aller Gefängnisse nöthig. Für die Centralhäuser wären im Ganzen wohl nicht über 54 Millionen nöthig, (Die Sißung dauert fort.)

© Paris, 11. Mai. Die Annahme des Amendements des Herrn Vatout zeigt auf die anschaulichste Art, daß das Zellen= System von der Deputirten-Kammer definitiv angenommen werden dürfte. Durch das chou adoptirte Amendement des Herrn Vavin hatte die Kammer das Prinzip d#3 Zellen-Systems auf solche Sträf= linge, deren Strafzeit unter einem Jahre dauert, angewendet, Durch das Amendement Vatout wird die nämliche Maßregel auf solche Ver= breher ausgedehnt, welhe zur Zwangs = Arbeit verurtheilt worden sind. Das Zellen- oder Absonderungs-System würde mithin auf die zwei Extreme, nämlich die geringsten und die {wersten Verbrecher, in Auwendung fommen. Es bleibt noch die Mittelklasse der Verbre= cher übrig, deren Strafzeit über ein Jahr dauert, ohne daß dieselben zur schweren Arbeit verurtheilt worden sind. Wenn die Kammer die leichtesten Verbrechen dem Zellen -System unterwerfen will, so darf man wohl annehmen, daß sie die Verbrecher der so eben erwähnten Mittelklasse nicht besser wird behandeln wollen. Dies ist um so ge= wisser zu erwarten, als das gestrige Amendement des Herrn Vatout mit einer so bedeutenden Majorität votirt wurde.

Der gestrige Abend - Empfang in den Tuilerieen war ungemein glänzend. Die Zahl der Damen, worunter viele fremde, besonders Engländerinnen, welche dabei erschienen, wird auf 500 angeschlagen. Alle Mitglieder des diplomatischen Corps, die Minister und die höch= sten Würdenträger waren anwesend, obwohl gestern eigentlih der Empfangs-Abend für Damen war. Der Hof hätte heute die Som= mer=-Residenz in Neuilly beziehen sollen. Da aber in der Erwartung eines abermaligen Besuches der Königin Victoria der König große Verschönerungs - Anstalten im Schlosse von Neuilly angeordnet hat, welche noh nicht ganz vollendet sind, so wird der Hof erst in den ersten Tagen der nächsten Woche die Tuilerieen verlassen.

Herr Goury, diesseitiger Gesandtschafts-Secretair in Mexiko, is gestern Morgen aus Mexiko in unserer Hauptstadt eingetroffen. Er überbringt, dem Vernehmen nah, sehr wichtige Depeschen von Sei= ten des Herrn Cyprey, französischem Gesandten daselbst, Heute um Mittag war in den Tuilerieen Kabinetsrath unter dem Vorsiß des Königs, worauf der Telegraph auf der Linie von Brest in Be-= wegung geseßt wurde, So viel darüber im Konferenz - Saale der Deputirten - Kammer verlautete, handelt es sih darum, eine gemeinschaftlihe Demonstration mit England bei der mexikani= hen Regierung zu machen, um den unendlichen Plackereien, wel= chen die Ausländer von Seiten Santana's ausgeseßt werden, für immer Einhalt zu thun. Santana weigert sich, die vou den franzÿ= sischen Handelsleuten gemachten Entschädigungs-Ansprüche anzuerken= nen, ungeachtet Herr Cyprey, dur eine sehr energische Sprache, die Forderungen seiner Landsleute unterstüßte. Unser Kabinet foll die Ueberzeugung gewonnen haben, daß man von Santana nichts erlangen wird, so lange Frankreich niht zu Zwangsmitteln sih ent= schließt. Diese Eventualität wurde {on mehrmals zwischen den bei= den Kabinetten von Paris und Loudon besprochen, und Lord Aberdeen soll dabei dem Herrn Guizot die Versicherung ertheilt haben, daß die britishe Regierung, welche ebenfalls starken Grund hat, mit Santana unzufrieden zu sein, bereit is, gemeinschaftlich mit Frankreich eine ernsthafte Demonstration gegen Mexifo zu unternehmen, wovon man sich bei der nußlihen Stellung Santana?s, der mit dem mexifanischen Kongreß nicht im besten Einverständnisse lebt, ein heilsames Endre= sultat verspricht.

Die neuesten Nachrichten aus Haiti machen ebenfalls die Absen- dung einer französishen Escadre in jenen Gewässern unerläßlich. Frankreich hat gegen die Regierung von Haiti zu bedeutende Geldforde- rungen geltend zu machen, um den daselbst neuausgebrochenen Un= ruhen müßig zusehen zu dürfen.

Bei dem gestrigen Damenzirkel in den Tuilerieen bemerkte man den Grafen von Syrakus, Bruder des Königs beider Sicilien, und mithin Neffe der Königin der Franzosen. Es bestätigt sih immer mehr, daß die Sendung des Prinzen, weit entfernt, das Heiraths= Projekt zwishen der Königin Jsabella und dem Grafen von Trapani zum Gegenstande zu haben, vielmehr darauf zielt, die kaum ange- knüpften Verhältnisse zwishen Neapel und Madrid wieder abzubrechen, wenn das Loos des Dou Carlos nicht eine baldige und würdige Lösung erhält, wie es zwischen dem Kabinet der Tuilerieen und dem König beider Sicilien ausbedungen worden war, als Letterer sih dazu ver- stand, die Regierung der Königin Jsabella anzuerkennen.

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Grossbritanien und Irland.

_ Oberhaus. Sibung vom 10. Mai, Der Herzog von

Richmond brachte die bevorstehende Aufhebung des Einfuhrzolles vou Wolle zur Sprache, indem er auf Vorlegung einer Liste der Woll-Einfuhr seit 1815 autrug, und erklärte si bei dieser Gelegen= heit gegen die beabsihtigte Maßnahme, die er als nur dem fremden, besonders deutschen Schafzüchter, der bisher mit der englishen und australischen Wolle zu fonkurriren gehabt habe, Vortheil bringend dar=- zustellen suhte. Graf Dalhousie, der Präsident des Departements der öffentlihen Arbeiten, wies dagegen nah, daß der Zustand der Wollfabriken im Lande eine solhe Maßregel niht nur vortheilhaft, sondern sogar nothwendig erscheinen lasse, indeß wurde, nahdem noch mehrere Mitglieder des Hauses gesprohen, die Vorlegung der Liste bewilligt. Ein Antrag des Lord Cloucurry auf Einseßung eines Spe= zial-Comité's zur Untersuchung der Frage, auf welche Weise mittelst Ausdehnung der öffentlichen Bauten in Jrland der geringeren Volks- flasse in jenem Lande am besten Arbeit verschafft werden könne, wurde ohne Abstimmung verworfen, als der Herzog von Wellington er- flärte, daß die Regierung sih nicht veranlaßt finden köune, einen größeren Aufwand auf die öffentlihen Bauten in Jrland zu bean- Ee als bereits vom Parlamente bewilligt sei, nämlich 60,000 Pfd. jaÿriM.,

Unterhaus. Sißung vom 10, Mai, Die dritte Verle- sung der Fabrik - Bill, welche die heutige Tagesordnung erheischte, regte die lange gefürhtete Debatte über das Amendement Lord Ashley's, welches die Verkürzung der Arbeitszeit in Fabriken zum Inhalt hat, von neuem an. Lord Ashley hatte bekanntlich die seinem Vorschlage anfangs günstige Stimmung des Hauses zu benußen nicht den Muth gehabt, weil das Kabinet geradezu seine Existenz an die Entscheidung dieser Frage knüpfte; und nah der bekannten doppelten Abstimmung des Hauses, daß die Arbeitszeit in Fabriken theils „nicht weniger als zwölf“, theils „nur zehn“ Stunden dauern solle, hatte der Lord die Annahme seines Amendements als cinen Ver= gleih mit der Regierung hingestellt, indem er darin die Arbeitszeit für Frauen und junge Leute bis zum Oktober 1847 auf eilf und von da an erst auf zehn Stunden festgestellt wissen wollte. Aber man weiß, wie auch diesem Vorschlage die Regierung sich auf das Entschiedenste widersebte, ihre erste Bill zurückzog und eine neue dem Hause vor= legte, welhe über die Dauer der Arbeitszeit in Fabriken nichts be- stimmt. Lord Ashley ließ sich indeß hierdurch niht zurüschrecken ; er reservirte sein Amendement bis zu der auf heute anstehenden drit- ten Verlesung der zweiten Regierungs=Bill und trat \ogleih damit hervor, als Sir James Graham dieselbe beantragte. Die Besorgnisse des Kabinets, daß die erneute Debatte über das Amendement einen ähnlichen Ausgang nehme, wie früher, schienen durch die fast allge= meine Aufregung in den Fabrif-Distrikten zu Gunsten des Ashleyschen Vorschlages, so wie durch die Parteinahme der unabhängigen Tory= Presse, namentlih der Times, gerechtfertigt; nur in Rücksicht auf die ungeheure Verantwortlichkeit, welche die ministeriellen Leiter dieser Bewegung gegen ihr eigenes Ministerium auf \sich laden würden wenn dasselbe durch eine zweite Niederlage in dieser Frage gezwungen würde, sih zurüzuziehen, kann man auf ein der Regierung günstiges Votum hoffen. Die heutige Debatte hatte noch fein Resultat und mußte vertagt werden, aber es gaben sih in derselben bereits An= zeichen kund, daß man auf der Toryseite vor jener Verantwortlichkeit zurückschreckt; mehrere Mitglieder derselben, welche bisher für Lord Ashley gestimmt haben, wie Herr Liddell und Herr GallyKnight, machten heute ihren Subordinationsfehler wieder gut und sprachen gegen das Amendement. Jmmer indeß bleibt der Ausgang der Debatte noch sehr ungewiß und die Lage des Kabinets kritisch, da Sir James Graham auch heute wiederholt ausgesprochen hat, daß der vorliegende Gegenstand eine Kabinetsfrage in sich schließe. Die Argumeute der heutigen Redner für und wider das Amendement

konnten nur die bekannten sein und lassen sich folgendermaßen zusam= menfassen : :

Lord Ashley sucht die Haupt- Argumente seiner Gegner gegen die Be- \{chränkung der Arbeit durch eine Widerlegung folgender vier Punkte zu ent- fräften: 1) unverhältnißmäßige Verminderung der Fabrik - Erzeugnisse ; sie findet nicht statt, wenigstens nicht in dem Berhältniß der Verringerung der Arbeit, weil bei dem dadurch verbesserten physischen Zustande die Arbeiter in 105 Stunden mehr arbeiten würden als jeßt in 12, 2) Verminderung des Betriebs-Kapitals; sie steht gleichfalls nicht in dem gefürchteien Maße zu erwaiten, denn ein Ausfall în dem Werthe desselben, wie z. B. der Ma- schinen, würde unter Umständen durch den geringeren Verbrauch von Koh- len, Oel, Talg, Gas 2c. ausgeglichen werden, 3) Verminderung des Ar- beitslohnsz sie is nicht zu befürchten, da in den meisten Fällen nicht die Arbeit stundenweise, sondern nach den abgelieferten Stücken bezahlt würde; aber wenn auch der Arbeitslohn sich niedriger stellte, so würden doch die Vor- theile in moralischer Beziehung und in Hinsicht des häuslichen Comforts den Arbeiter für kleine Verluste entschädigen; 4) Steigerung der Preise nebst allen nachtheiligen Folgen vermehrter Konkurrenz des Auslandes; er glaube in Bezug hierauf, daß die Ersparnisse von dem festen Kapital und von dem Arbeitslohn den Kapitalisten in Stand seyen würden, das Fabrikat zu einem sehr wenig höheren Preise zu verkaufen, als der Ausländcr, Jeden dieser Punkte führte der edle Lord, nicht eben grade nach richtigen staats-ökonomi- hen Prinzipien, weiter aus, und die Schwäche seiner Argumentatton wohl erkennend, suchte er in seinen philanthropishen Ansichten Shuß. Er sagte, der gegenwärtige Zustand sei jedenfalls ein moralish verkehrter und darum fein politisch richtiger.

Sir James Graham bedauerte, dem edlen Lord, dessen Beweg- gründe und Fähigkeiten er schäßte, sich widerseßen zu müssen. Er deprezirte alle Anschuldigungen gegen die Regierung ihrer vermeintlihen Tyrannei wrgen, ja, er hielt es für cine Tvrannei der Krone, und ebenso für eine Tyrannei des Parlaments, „sobald diese beiden erwarteten, ein Minister solle fernerhin für die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten verantwort- lich bleiben, wenn man von ihm etwas verlangt, was er vor seinem Ur- theil und seinem Gewissen nicht verantworten kann,“ „Jch muß erklären“, fügte er hinzu, „mit aller Offenheit, daß ih dem Hause die Entscheidung über die vorliegende Frage anheimstellez aber mit derselben Offenheit muß ih hier auch eröffnen, daß, wenn die Entscheidung des Hauses zu Gunsten des Vorschlages des edlen Lords ausfällt, es meine Pflicht sein wird, eine Pri- vatstellung zu suchen, in der Hoffnung, daß die Entscheidung des Hauses dem Lande zur Wohlfahrt gereihe. Der edle Lord spricht von der Mühe und Arbeit, welche dieser Gegenstand ihm verursacht. Jch kann auch da- von etwas sagen :

»— miluil dulcius est, bene quam munita tenere „Edita doctrina sapientum templa serena; »„Despicere unde queas alios, passimque videre „Errare, atque viam palanteis quarere vitae,“

Jn solcher Privatstellung werde ih alsdann sagen können, daß ich mit allen Kräften bestrebt gewesen bin, das zu erreichen, was ih zum Heile des Landes für unerläßlich hielt, und ih werde alsdann die Fehler sehen kön- nen, welche das Haus begangen hat und von denen ich frei geblieben bin... Der edle Lord habe von geringer Verkürzung gesprochenz er frage, ob 12 Stunden wöchentlich weniger Arbeit so genannt werden kann? Eine folche Maßregel müßte den hemmendsten Einfluß auf die gesammte Fäbrikthätig- keit des Landes ausübcn, was bei der hohen Bedeutung, welche das Fabrik- wesen für England habe, von den verderblichsten Folgen für alle Verhält- nisse des Landes sich erweisen würde. Die ganze Rede des Ministers be- wegte sich in den bekannten Argumenten, und guf die hrdrohende kurrenz des Auslandes ward auch jeyt wieder das Miu Dee el