1844 / 140 p. 2 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

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ürgerineister Todt macht im Adorfer Wochenblatt bekannt, baß S A Ans d. J. die Sammlung für die Zwede des öffentlich=

mündlichen Gerichts-Verfahrens definitiv geschlossen wird.

Grbh. Hessen. Darmstadt, 11, Mai. Hier hat si, zu- nächst auf Anregung des als Menscheufreund bekannten und geshäßten Geheimen Regierungs-Raths Beck, eine Anzahl wohldenkender Män- ner aus allen Ständen vereinigt, um einen „Aufruf und Bitte an die Christen aller Bekenntnisse, aller Länder“ zur Bildung eines Hülfs- vereins zum Besten der Christen im Orient zu erlassen, Diesem eben erlassenen Aufruf haben die Zusammengetretenen den Entwurf von Statuten in 12 Paragraphen beigefügt. Nah dem §. 1 is der Zweck des Vereins „die Erweckung der Theilnahme an dem namenlosen Elend der Christen jedes Bekenntuisses im Mor= genlande“. Der Verein will unter dem Schuße und mit Hülfe der christlihen Regierungen „alle die geseßlichen Mittel und Wege aufsuhen und anwenden, durch welche und auf welchen diesem Elende für die Dauer gesteuert werden kann.“ Die folgenden Paragraphen betreffen den Umfang, die Dauer, die Leitung 2c. des Pereins. Vor der Hand soll Darmstadt der Mittelpunkt sein. Die jährlichen Beiträge sollen einen Gulden nit übersteigen. Wo mög= lih jeden Monat soll der Verein einen Bericht, der unentgeltlih ver= breitet wird und Nachrichten über den Zustand der Christen im Mor- genlande und über den Stand und die Wirksamkeit des Vereins ent- halten soll, veröffentlihen, Unsere Staatsregierung ist um die Ge- nehmigung ersucht worden, die wohl uicht entstehen wird.

Schon wird an der Vorbereitung des im nächsten Herbst zu er= öffnenden Landtags gearbeitet, der sich mit vielen Propositionen be= shäftigen wird. Jnteresse erregt die shon auf dem vorigen Landtage angeregte Proposition wegen Erbauung eines Justiz- Palastes dahier, der zwei auf Oeffentlichkeit der Rechtspflege berehnete Säle mit Tribünen für das Publikum enthalten soll, den einen für den Gerichts- hof unserer Provinz, das Hofgericht, den auderen für das oberste Gericht. Bekanntlich vereinigte sich {hon auf dem Landtage von 1835 36 die Regierung mit den Ständen dahin, daß die Straf- rechtspflege öffentli sein solle.

Nassau. Wiesbaden, 13. Mai. Heute starb hier der pensionirte Ober-Schulrath Gruner, früherer Direktor des Schul= lehrer-Seminars zu Idstein, und bekannt als pädagogischer Schrist= steller.

Sachsen - Weimar. Eisenach, 15, Mai, Die Ober- Post-Amts=Zeitung meldet, die Sammlung für ein hierselbst zu erbauendes katholisches Gotteshaus sei besonders ergiebig in Dester= reih gewesen, denn sie habe, obglei sie nur in der Kaiserlichen Fa- milie und bei der höheren Geistlichkeit in den zum deutschen Bunde gehörenden Provinzen stattgefunden, 6000 Fl. C. M. betragen, welche Summe durch diplomatische Vermittelung dem Bischof von Fulda, zu dessen Sprengel Cisenah in Zukunft gehört, übermacht worden sei.

Oesterreichische Monarchie.

1 Prag, 14. Mai. Durch Cirkular des Guberniums wurde unseren Fabrikanten und Gewerbtreibenden eine Mittheilung der Staats-Kanzlei bekannt gemacht, betrefsend den Wunsch der Königlich preußischen Regierung: daß an der am 15, August d. J. durch 8 Wochen zu Berlin stattsindenden Judustrie - Ausstellung auch die Gewerbtreibenden der niht zum Zoll-Verein gehörenden deutschen Staaten theilnehmen mögen. Zur Belehrung über die dabei zu beobahtenden Modalitäten wurde den von diesem Wunsche verstän- digten Fabrikanten und Gewerbtreibenden zuglei die Kundmachung der Königlich preußischen Finanz-Ministers, Herrn von Bodelschwingh, vom 10. Februar d. J. mitgetheilt, betreffend die Bestimmungen, unter welchen die Ausstellung stattfinden wird, Bei der freudigen Theilnahme, welche diese Aufforderung in unserem Lande fiudet und gewiß auch in den übrigen deutschen Provinzen der Monarchie finden wird, ist kein Zweifel, daß die österreichischen Fabrikanten dem an sie ergangenen Rufe folgen und die nunmehr als eine emeinsam deutsche zu betrachtende berliner Ausstellung zahlreich beschicken werden. Je bedauerlicher es is, daß zur Zeit noch unübersteigliche Hindernisse der kommerziellen Einigung aller deutschen Lande entge= genstehen, um so eifriger muß jede Gelegenheit ergriffen werden, die eine gegenseitige Annäherung bewirken, und die politishe Einheit der deutschen Völker immer mehr befestigen fann. Die bei der bevor=- stehenden Ausstellung gewiß zahlreih zur Anschauung fommenden Beweise deutscher Jutelligenz und betriebsamen Fleißes auch auf dem Gebiete der Judustrie, werden daher dem gemeinsamen Gesammt- Vaterlande zur Ehre gereichen, gleichviel, ob die Einsender ihr mög- lihes Tagewerk am Rhein, an der Elbe oder an der Donau betreiben,

Vor einigen Tagen wurde unsere Stadt durch das R ge Erfranken vieler Personen an den Spuren einer Arsenik - Vergiftung in große Unruhe verseßt. Schnelle ärztliche Hülfe wendete die ge- fährlichen Folgen von allen Betroffenen glücklich ab, ebenso gelang es au bald der Thätigkeit der Polizei, durch Ermittelung des Sach= verhaltes dem Uebel Einhalt zu thun. So viel bis jet bekannt, waren jene Erkrankungen eine Folge von Arsenik-Mischungen im Fasse

wie guten Willen sie hat, das Publikum für ihr Justitut zu gewinnen, so dürfen wir von ihrer Thätigkeit doch erwarten, daß sie erfreuliche Schritte zur Aufhülfe und würdigen Wiederherstellung des deutschen Schauspiels in der Königsstadt thun werde, Jn Ansehung der darstellenden Kräfte , über die die fönigsstädtishe Bühne noh zu verfügen hat, erscheint das heutigé Stück, in welhem noch dazu die komischen Helden der Bühne, die Herren Beckmann und Grobecker, so wie die bewährten weiblichen Mitglieder Mad. Adamí und Mad, Urbauceck, gar nicht beschäftigt waren, als ein förmliches TARGDs ck. 24 Von den Darstellern traf Herr Hänsel, als Polydor Calumel, das Richtigste. Auch Herr Eichenwald, als alter Notar Bremont , hätte die Aufgabe seiner so dánkbaren Rolle lösen können, wenn er sich die Mühe gegeben, mehr zu memoriren und zu nüanciren. Die Puymacherin, welche Mad. Hell wíg vorstellte, war gelungen, insofern man sich darunter eine dreiste deutsche Modistin denkt, wie sie nicht die französischen Autoren, son- dern der Ueberseyer gewollt, auf dessen Rehnung auch allein der Widerspruch des Publikums gegen die gerügten Jndecenzen gestellt scin mag. Am 15. Mai sahen wir zum erstenmale: „Die ländliche Ruhe“, Lustspiel in cinem Akt, frei nah dem Englischen „A quiet day“, von O. J. Kart. Unter den Noeitäten, welche die Königstädtische Bühne in der lehten Zeit brachte, gehört diese zu den gehaltlosesten und flachsten. Der Stoff i} ohne Búühnengeschicklichkcit verarbeitet, der Dialog matt. Der dem Stüchen zum Grunde liegende Gedanke is so vernußt, daß es \{wer zu begreifen ist, wie man sich nach einem solchen bei den Englän- dern Aaquiaqen braucht. Koßebue hat verschiedene Bluetten ähnlichen Iu; halis geschrieben, und darunter hat „Das Landhaus an der Heerstraße‘ die meiste innere Verwandischast mit unserem Stücke, Herr Grobeckcker, der den Sommeriag spielte, einen Rentner, der so gern einen Tag in länd- n p iun möte, darin aber durh mannichfahe Zwischenfälle or i wird, that seinerseits alles Mögliche, um durch die Hauptrolle das war, werl gelun e L n lobenswerth sein Bemühen auch , . sich einer „ewigen“ N rste, So möge denn die „ländliche“ Ruhe

uhe ersreuen!

834 einer Milchfrau; ob Unvorsichtigkeit oder vorsäblihe Bosheit diese Mischung herbeiführte, welhe, wenn niht glückliherweise gerade in Milch, in jeder anderen Nahrung tödtlih gewirkt hätte, wird sih erst im Verlaufe der mit aller Strenge eingeleiteten Untersuchung zeigen.

Franukreidch.

Pairs-Kammer. Sißung vom 13. Mai. Nach der gestern berihteten Annahme des vom Grafen Pelet de la Lozère zum 15ten Artikel des Unterrichts - Geseßes vorgeschlagenen Amendements kam der 16te Artikel an die Reihe, zu welhem Marquis von Gabriac als Amendement beantragt hatte, daß die Privat - Sekundärschulen überhaupt und ohne alle Bedingung von der Verpflichtung befreit werden sollten, ihre Zöglinge unter gewissen Umständen auch noch dem Lehrkursus in einem Königl. oder Kommunal =Collége beiwohnen zu lassen, Der Artikel war, dieses Amendements wegen, noch einmal an die Kommission verwiesen worden und kam aus dieser in einer neuen Fassung zurück, die auch von der Kammer genehmigt wurde. Es sollen danach von jener Verpflichtung diejenigen Privat-Anstalten befreit sein, an welchen die Lehrer wenigstens das Bakkalgureats-Diplom besißen, und umgekehrt sollen diejenigen Anstalten, welche ihre Zöglinge zu= gleih ein Königliches oder Kommunal - Collége besuchen lassen, nicht verpflichtet sein, graduirte Lehrer zu halten. Der 17te Artikel, wel= her bestimmt, unter welchen Bedingungen hinsihtliÞ der Diplome der Lehrer für die Rhetorik, Philosophie und Mathematik eine Privat= Unterrichts = Austalt als eine vollständige Sekundärschule gelten soll, und der 18te, wonach nur diejenigen jungen Leute zum Bakkalagureats= Examen zugelassen werden sollen, die dur Atteste, deren Form näher angegeben i, nachweisen, daß sie zwei Jahre lang den vorher benann- ten Studien entweder in ihren Familien, oder in einem Königlichen Collége, oder in einem Kommunal - Collége erster Klasse, oder in einer für vollständig geltenden Privat-Sekundärschule obgelegen haben, wurden vom Grafen Beuguot bekämpft, der es als ganz gleichgültig be- zeichnete, wo junge Leute ihre Studien gemacht, wenn sie nux die an sie gerichteten Fragen im Examen zu beantworten wüßten, Der Herzog von Harcourt unterstüßte das Amendement, indem es ihm ebenfalls unbegreiflich schien, warum nicht jeder Familienvater das Recht haben sollte, darüber zu entscheiden, in welher Anstalt er sei= nen Sohn unterrichten lassen wolle, und wie man ihm den Universi= täts - Unterrichtsplan aufdringen könne. Der Redner schien hierbei nur vergessen zu haben, daß das Studien - Programm nach einem bereits angenommenen Amendement künftig niht mehr von der Universität diktatorish vorgeschrieben, sondern erst dem Stagats= Rath zur Begutachtung und dem Könige zur Genehmigung vorge= legt werden soll. Auch Marguis von G abriac sprach für das Amendement, welches dagegen vom Marquis von Laplace und von

Herrn Merilhou bekämpft wurde, Diese erklärten die Bestimmung

des 18ten Artikels für so wichtig, daß sie meinten, es liege darin das ganze Geseß, denn sobald sie gestrihen würde, gäbe es gar keinen Unterschied mehr zwischen den verschiedenen Arten von Sekundär - Schulen; es würden diese dann alle gleiche Geltung haben, sie möchten die vorschriftsmäßigen Unterrichts-Bedin=- gungen erfüllen oder nicht, da sie alle zum Bakfalaureat würden vor= bereiten können z genug, jeder Unterschied zwischen Justitut, Pensions- Anstalt und Collége würde hinwegfallen und Thür und Thor zu allerlei Betrug geöffnet sein. Die Abstimmung über das Amende= ment und die beiden Artikel is in der heutigen Sißung noch nicht erfolgt.

Paris, 14. Mai. Der Baron von Bourqueney, der als be= vollmächtigter Minister an die Stelle des französischen Botschafters bei der Pforte, des Grafen von Pontois, trat, is jeßt, wie der heutige Moniteur meldet, ebenfalls zum Botschafter ernanut wor= den. Graf Pontois war schon früher als Botschafter bei der Eid= genossenschaft an die Stelle des zum Botschafter am sardinischen Hofe ernannten Grafen Mortier getreten.

Vorgestern Abend wurden unter anderen ausgezeichneten Perso= nen der Fürst vou Oettingen- Wallerstein und der Fürst Suzzo vom Könige empfangen.

Der Vorschlag der Herren Vivien und Berville, der zum Zweck hat, die Bestimmung des Dekrets von 1810, wodurch den Verfassern gedrucckter Schriften und deren Erben das schriftstellerishe Eigenthums= Recht verbürgt wird, auf die Verfasser dramatischer Werke auszudeh- nen, is bereits in den Büreaus der Deputirten-Kammer geprüft wor= den, und diese haben si fast alle einstimmig für die Verlesung des Vorschlags in öffentlicher Sißung ausgesprochen.

Der Bericht über die Kredite für Algier wird in den ersten Ta- gen dieser Woche auf das Büreau der Deputirten - Kammer nuieder- gelegt werden. Der Marschall Bugeaud hat eine Vermehrung von 15,000 Mann im Effektivbestande der Occupations - Armee gefordert, und diese Vermehrung ist von der Kommission bewilligt worden. Die Kommission hat sich dagegen für die Forts, welche der Marschall an der südlichen Gränze, in der Nähe der kleinen Wüste, hat errichten lassen, und für das vom Staats=Budget unterschiedene Kolonial-Bud= get minder günstig gezeigt,

Am Sonnabend erschienen die Herren Veuillot, Haupt-Redacteur des Univers, und Barrier, Geschästsführer dieses Blattes, vor dem G, Herwegh.

Es is eine eigenthümliche Erscheinung bei Somnambülen beobachtet

worden, Zu Anfang, erfaßt von einer uns räthselhaften Krast, reden sie Dinge, die uns staunen machen. Die Sprache steht ihnen in einer Fülle zu Gebot, wie sonst nur großen und genialen Persönlichkeiten, sie wissen und verstehen Verhältnisse, die ihnen im natürlihen wachen Zustand vollständig fremd sind. Bald aber , wenn ihr Ruf unter den Leuten überhand nimmt, wenn Gläubige, Narren und Neugierige herzustürmen, wenn die Thorheit der Menge ihnen erlaubt, sich mit Geld oder Eitelkeit bezahlt zu machen, dann überheben \ih diese -Geschöpfe, Aus ihren kleinen Jndividuen und ihrem fleinen Verstande heraus, fangen sie an, unter thörihten Redensarten zu weissagen. Die innere Stimme s{chweigt, und cin halb erlogener und ganz {wacher Unsinn kommt zu Tage, Daun stußen die Gläubigen, die Narren sind entzückt, die Neugierigen lachen, die Veruünftigen bedauern.

Ganz diesen somnambülen Prozeß hat der Dichter Georg Herwegh durchgemacht, und ist dies keinesweges blos ein artiger Vergleich, sondern eine nach allen Seiten hin wahre Thatsache, b

Georg Hertwegh ist somnambül , eine Erscheinung, die bei dem männ- lichen Geschlecht nur alsdann vorkommt, wenn die betreffende Natur ganz weiblih angelegt ist.

Das erstemal gab si bei ihm der Somnambulismus in seiner vollen Entschiedenheit kund, da der fast zärtlih gebaute Knabe in die Unterschei- dungsjahre trat. Er lag damals stundenlang in tiesem Schlummer, shwa, ershöpft, zerbrechlih; plöglich 'erhob er sich in krankhafter Aufregung und tanzte mit großer Geschicklichkeit durh die Stube, ohne jemals, troy der reißenden Schnelligkeit sciner Bewegungen, einen der umherliegenden Gegen- stände zu berühren oder zu zerbrehen. Zuleyt stellte er sich an die Wand uud weissagie den Anwesenden in seltsamen Ausbrücen , daß er ihnen noch großes Glü bringen würdez er tanzte wieder, bis der s{wäclihe Leib zusammensank. oviel wir hören, wurde Herwegh in diesen Zuständen

von einem bekannten Arzte zu Stuttgart behandelt, der vielleicht nähere ea geben könnte, da Hexweg

da bei ciner so eigenthümlichen Erscheinung, wie , das Juteresse die Discretion des Arztes überwiegen möchte,

Assisenhofe des Seine-Departements, Beide waren des Ungehorsams gegen die Gesehe, des Angriffs gegen die den Geseßen gebührende

chtung und der Vertheidigung von Handlungen, welche das Gesebß als Vergehen bezeichnet, angeklagt. Herr Veuillot hatte sich, nah der Behauptung des öffentlichen Ministeriums, dieser Vergehen in verschiedenen Stellen eines Berichts über den Prozeß des Abbé Com- balot schuldig gemacht. Herrn Barrier warf man die Anklage vor, in seinem Blatte zwei durch die Bischöfe von Chalons und Valence an den Abbé Combalot gerichtete Briefe veröffent= liht zu haben. Der General - Advokat entwickelte die den Beschuldigten zu Last gelegten Vergehen. Die Veröffentlichung der Briefe der beiden Prälaten schien ihm den Charakter einer Specula- tion im Juteresse einer Partei zu haben. Er machte dem Gerichts- hofe bemerklich, daß er Erklärungen der beiden Bischöfe in Händen habe, worin diese versicherten, daß ihre Briefe nicht für die Veröf- fentlihung bestimmt gewesen und daß sie tief betrübt seien, ihre Ab- sichten so verkannt zu sehen, Die Geschwornen erklärten die Be-= shuldigten hinsichtlich aller Anklagepunkte für \{uldig, und der Ge- richtshof verurtheilte jeden in eine Gefängnißstrafe von einem Monat und in eine Geldbuße von 3000 Frs.

Vorgestern wurde mit großer Feierlichkeit auf dem Friedhofe des Père Lachaise ein Deukmal eingeweiht, welches die zu Paris anwe= senden polnischen Flüchtlinge dem vor drei Monaten hier gestorbenen Franz Wolowski , Deputirten von Warschau, haben errichten lassen.

Die Nachrichten von Rive de Gier lauten jeßt beruhigenderz in mehreren Kohßlengruben hat die Arbeit wieder begonnen, und man hofft, daß wenigstens alle Gruben, welche der Coalition fremd sind, bald ihre Arbeiten wieder aufnehmen werden; aber in den Gruben der Compagnie générale gab sich immer noch keine Bewegung kund. Die wegen Vergehens der Coalition in contumaciam verurtheilten Kohlenarbeiter haben gegen das Urtheil appellirt.

54 Paris, 14. Mai. Jun der Pairs-Kammer legte der Marine-Minister heute einen Geseß - Entwurf vor, betressend die Vorbereitung zu Abschaffung der Sklaverei in den Kolonicen durch Einführung eines neuen Reglements: 1) in Betreff der Nahrung und Unterhaltung der Sklaven, 2) des Disziplinar-Regime's, 3) der Fest- seßung der Arbeits-= und Ruhestunden, 4) der Verheirathung der Sklaven und des religiösen Unterrichts derselben, 5) des Vermögens der Sklaven und ihres Rechtes, sih loszukaufen. Darauf Fortseßung der Diskussion des Gesebes über den Sekundär-Unterricht. Die vom Herzog von Broglie Namens der Kommission vorgeschlagene neue Fassung eines Paragraphs des Art, 15, der an die Kommission zu- rücégewiesen worden war, wird angenommen, Dann Fortseßung der Disfussion über das Amendement des Grafen Beugnot zu Art, 17, wonach das Zeugniß über gemachte Studien wegfallen soll. Herr von Gabriac unterstüßt dieses Amendement, Herr P ersil aber vertheidigt den Entwurf der Regierung und die Nothwendigkeit und den Nußen des erwähnten Zeugnisses, wodurch vorzüglich dem Ueber- greifen des Jesuitiómus Damm geseßt werde. Die Kammer müsse das Amendement verwerfen, wolle sie niht zu Wiederkehr der Cou- gregationen selbst hülfreihe Hand leisten. Graf Montalembert sucht Herrn Persil zu widerlegen, Die Sibung dauert fort,

Jn der Deputirten-Kammer leistete der neue Deputirte des neunten Arrondissements von Paris, Herr Locquet, den Eid, Dann wurde der Art, 32 des Gesetzes über die Gefängnisse nah einer neuen Fassung der Kommission, welche Herr von Tocqueville mittheilte, von den Herren Lestiboudois, Shüßenberger und Laroche - Jacquelin vergeblih bekämpft, von dem Minister des Jnnern und Herrn Par es vertheidigt und endlich angenommen. Zu Art. 33 ebenfalls nah neuer Fassung der Kommission shlug Herr Schüßen-= berger ein Amendement vor, das verworfen, wogegen der Artikel der Kommission angenommen wurde, eben so Art. 34,

ck= Paris, 14. Mai. Morgen wird der König nebst der gan= zen Königlichen Familie die Tuilerieen verlassen, um, wie alljährlich etwa um dieselbe Zeit, das Schloß zu Neuilly, den Lieblings-Aufent= halt des Monarchen, zu beziehen. Dort werden auch die Herzogin von Nemours und die Prinzessin von Joinville ihre Niederkunft ab=- warten, deren Erstere im Monat Juli, Leßtere im Monat August stattfinden wird. Später bezieht der Hof das Königliche Schloß zu St. Cloudz ob in diesem Jahre der Ausflug der ganzen Königlichen Familie nah dem Schlosse Eu stattfinden oder der König nur allein im Monat September einige Tage daselbst zubringen wird, is noch nicht entschieden. Vorgestern Abend machte auch der seit fünf Mo= naten hier verweilende Herzog Maximilian in Bayern mit den ihn begleitenden Herren seinen Abschiedsbesuh bei Hofe und wird morgen früh die Rückreise nah Deutschland, nicht, wie anfangs bestimmt war, über Brüssel und Köln, sondern direkt über Meß nah Mainz antre= ten, von wo der Herzog sich über Würzburg und Bamberg auf seine so herrlih gelegene Besißung, Schloß Banz im oberen Maintdale, begicbt, um einige Wochen dort zuzubringen, bevor er nach München zurückehrt.

Der gestrige Besuch des Königs und der Königin mit dem Her= zog von Nemours in der Jndustrie-Ausstellung hat ungewöhnlich lange bis gegen halb 6 Uhr gedauert, und war insbesondere der Besichti=

Als im Lauf der Zeit der Körper des jungen Dichters erstarkie, hörten diesc gewaltsamen Formen des Somnambulismus auf, die Krast, die ihn sonst bis zum Wahnsinn überkommen hatte, wurde durch einen jugendlichen Körper gleichsam gebändigt und gemildert, wirkte wunderthätig in seiner Natur, und brach zuleßt in den genialen Tönen hervor, dic durch den ersten Band seiner Gedichte kliugen.

Zwar sah man schon in diesen ersten Liedern, daß nicht sowohl seine persönliche Geistesgröße das Wirkende war, als vielmehr eine somnambüle Kraft, Denn sobald er in seinen politischen Poesicen diese dämonische Ge- walt dem eigenen Willen unterwerfen und ihr die Bahn vorschreiben möchte, stait ihrem Zuge zu folgen, geräth er jedesmal in Maßlosigkeit und falschen Heroismus, Doch konnte dieser Mangel an Haltung und Würde in den ersten Leistungen noch nicht o unumwunden zum Vor- hein kommen, weil er während der Conception derselben unter dem Einfluß einzelner älterer Mäuner stand, die, indem sie ihm hin und wieder einen mehr positiven Juhalt zubradhten, seinen Fanatismus selb| wider seinen Willen in Schranken hielten, Zugleich war Herwegh damals noch reineren Gemüths, weniger berührt von den zerseßenden Wir- fungea des sih überhebenden Verstandes und der Eitelkeit nur in dem Maße zugänglich, wie sie von einer überkindlichen Natur gern hingenom- men wird, 5

Jubelnd wurden die Gedichte empfangenz eine s{hóne Zukunft öffnete ih de er: 1 R Kommt aber ein Reiflein über Nacht Und raubt dem Blümlein seine Pracht! j Um diese Zeit, vor seiner Reise nach Deutschland, traten zwei Verhält- nisse in Herwegh's Leben unheilbringend herein, Zum ersten verlor er in jenen Tagen seine geistige Unschuld, jenen zarten Duft der Seele, der uns gus scinen früheren Liedern entgegenhaucht. Der demüthige und darum von den Musen geliebte Jüngling gab sih geistigem Hoch- muth hinz im fortgeseßten Umgange mit den scheulosesten, ihn feiern- den Nadikalismus verschwand die leßte Spur eines edlen Gleichgewichts aus seiner Seele, da er, der zarte Dichter, sich Monden lang im Gewirre des politisch - shmubigsten schweizerischen Parteikampfs umhertrieb, Zum auderen schien auch zu gleicher Zeit sein Körper die Kraft zu ver-

gung der Erzeugnisse der Seiden -, Wollen - und Baumwollen-Ma- nufakturen gewidmet, Der König unterhielt si viel mit den Fa- brifanten, und erkundigte sich überall selbst nach den Verhältnissen, Wünschen und Bedürfnissen der einzelnen Manufakturzweige. Der König hat versprochen, noch ret oft in die Ausstellung zurückzukom- men, um nach und nach alle Theile derselben genauer besichtigen und würdigen zu können, Man hat bemerkt, daß gestern, als Jhre Ma- jestäten dahin fuhren, auf dem Wege nirgends außerordentliche Vor= sichtêmaßregelu getroffen waren. Nur wurde der Wagen wie immer, wenn der König ausfährt, von einer kleinen Bedeckung von Husaren begleitet, und in den Champs Elysées an dem Punkte, wo der Ein- gang zu dem Ausstellungsgebäude sich befindet, hielt eine Anzahl Stadtsergeanten und Munizipal-Gardisten zu Pferde den Weg frei,

__ Der Zudrang des Publikums zu der Ausstellung is fortwährend außerordentlih stark, sowohl von Parisern als Auswärtigen aus den Provinzen Frankreihs und dem Auslande. Die gute Stadt Paris gewinnt bei diesem Zusammenströmen einer solhen Menschenmasse sicherlich mehrere Millionen. Die Messagerieen und Eisenbahnen machen jeßt vortrefflihe Geshäfte. Auf den ersteren sind nur mit Mühe Plätze zu bekommen, die man Tage lang {hon voraus bestellen mußz alle Hotels sind überfüllt, desgleichen die Theater, und nament= lih die Shmuck- und Pußwaaren=Magazine halten eine reiche Aerndte. Daß die Dampfschifffahrt, und vor Allem die beiden größeren Eisen= bahnlinien von Orleans und Rouen mächtig zu diesem außerordentlich starken Zuflusse von Fremden hierher beitragen, i außer. allem Zweifel, und wie wird dies erst künftig werden, wenn einmal die großen Bahnlinien nah Bordeaux und Bayonne, Chalons, Lyon und Marseille, Nancy und Straßburg, Lille, Boulogne und Havre, Cher- bourg und Nantes vollendet sind. Leider licgt man mit diesen gro- ßen Linien noch größtentheils in {weren Geburtswehen: aber das Bedürfniß derselben tritt mit jedem Tage mehr hervor, daß an deren Zustandekommen in niht mehr ferner Zeit kein Zweifel mehr sein kann. Namentlich seitdem die beiden größeren Bahnen nach Orleans und Rouen fertig sind, und ihre Resultate die davon gehegten Er= wartungen noch übertreffen, hat der Eifer für dergleihen Unterneh= mungen einen neuen Aufschwung genommen, und wie früher der Minister der öffentlihen Arbeiten Mühe hatte, für einzelne Bahustrecken eine oder zwei Gesellschaften zu finden, die Lust und Ernst bezeigten zur Ueber= nahme des geseblih ihnen zu bewilligenden Antheils an diesen Bau- Unternehmungen, so sieht si derselbe jeßt fast durch den umgekehrten Jall, durch die zu zahlreichen Angebote in Verlegenheit geseßt. Ju=- deß is die Zahl derjenigen noch immer bedeutend, welche die sämmt= lichen großen Bahnlinien durhaus auf Staatskosten ausgeführt sehen möchten, wogegen aber der Minister sowohl als die Majorität der beiden Kammern stets den allerdings wichtigen Umstand der Unzu- reichendheit der dem Staate gegenwärtig und noch auf eine Reihe von Jahren hinaus zu Gebote stehenden Mittel, so wie die Schwie= rigkeit und das Lästige des Abschlusses eines für den Fall des sofor= tigen Baues der Bahuen auf Staatskosten unerläßlichen, höchst be=- deutenden Anlehens einwenden. Unter diesen Umständen wird man voraussichtlich zur Ertheilung von Bau = Konzessionen an die Gesell= \chaften seine Zuflucht nehmen müssen, um niht den Bau noch länger zu verzögern.

© Paris, 14, Mai. Die Oppositions-Blätter wollen wissen, daß das Kabinet mit der Jdee umgehe, nah dem Schlusse der par= lamentarischen Session ein sogenauntes conseil privé, aus fünf Mit- gliedern bestehend, nämlich: dem Marschall Bugeaud, dem Präsidenten und dem Groß-Referendar der Pairs-Kammer, dem Marschall Se- bastiani, und dem General-Lieutenant Jacqueminot, zu bilden, und dann die Sache als ein fait accompli in der nächsten Session der Kammer zur Bestätigung vorzulegen. Die Nichtigkeit eines solchen Ge= rüchtes fällt jedem sofort ins Auge, der die Grundsäße unseres inneren Staatsrechtes mit Bezug auf das parlamentarische Leben berüdcksih= tigt. Von zwei Fällen einen: entweder betrachtet die Regierung die Errichtung eines Privat - Conseils als eiue organishe Staats-Ein= rihtung, und in diesem Falle muß sie unbedingt dazu die Zustimmung der Kammern vorläufig erhalten. Nur in Finanz=Angelegenheiten ist es der Regierung erlaubt , bei erwiesenem Drang der Umstände in Abwesenheit der Kammern geseßliche Vorkehrungen zu treffen, Nir= gends besteht eine dringende Nothwendigkeit der Errichtung eines Privat-Conseils, gesebt auh, daß es der Regierung erlaubt wäre, eine organische Einrichtung in unserem inneren Staatsleben in Abwesenheit der Kammern einzusühren. Oder betrachtet die Regierung das zu errichtende Privat-Conseil als eine bloße politisch= administrative Maßregel, so braucht sie dazu die Sanction der Kam- mern nicht nachträglih einzuholen, weil das Privat-Conseil dann als ein Ausfluß der ausübenden Gewalt in die Sphäre der ministeriellen Verantwortlichkeit fallen würde, welche zwar der Kontrolle der geseß= gebenden Gewalt der Kammern unterliegt, jedoch so lange nicht nach= gewiesen werden kann, daß das Ministerium die Juteressen des Landes oerlebte, in ihrem Wirkungskreise frei und unabhängig von den Kam- mern sih bewegt. :

Die Nachricht, daß die Königin Jsabella dem Friedensfürsten (principe de la paz) feine sequestrirten Güter zurückgiebt, hat ihre Richtigkeit. Mit der leßten Botschasts-Staffette erhielt Herr Mar-

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tinez de la Rosa den Austrag, dem greisen Staatsmann diese frohe Botschaft mitzutheilen, denn der berühmte und eins so mächtige Frie- densfürst lebte seit dem Tode der Königin Marie Louise von Spanien, die er nah Rom begleitet hatte, in größter Zurückgezogenheit und in mehr als besheidenen Vermögens= Umständen in Paris, wo er selten von seinen Landsleuten Besuche empfing. Die Liberalen mieden ihn gleich viel- wie die Christinos, nah dem alten Spruche: Tempora fuerint etc. Man schreibt es dem Einflusse der Königin Marie Christine zu, daß die Königin Jsabella diesen {hon verloschenen Glanzstern wieder an den politischen Horizont Spaniens heraufruft. Sein ho- hes Alter, durch viele harte Lebens-Erfahrungen geprüft, macht ihm natürlih unmöglich, einen thätigen Antheil an dea Geschäften seines Vaterlandes zu nehmen, denn, obwohl er ers 80 Jahre zählt, so sieht er dennoch wie ein 100jähriger Greis aus. Selten hat ein Mann den höchsten Gipfel des irdishen Glücks rascher erkflimmt, als er, aber auch Niemand den Wechsel irdisher Dinge mehr erfahren. Von einer adeligen aber armen Familie herstammend, sah si{ch Don Ma- nuel Godoy (so lautet scin wahrer Name) genöthigt, als 18jähriger Jüngling gemeine Dienste in der Leibgarde Karls IV. zu verschen, wußte sich aber dur seine edlen Manieren und dur seinen Géist so sehr hervorzuthun, daß er bald der Günstling des Königs wurde, der ihn zu den höchsten Ehrenstellen erhob, und ihm sogar seine eigene Nichte, die Prinzessin Therese von Bourbon, zur Gattin gab. So sehr Don Manuel Godoy bei dem König Karl und der Königin Marie Louise beliebt war, so sehr wurde er vom Kronprinzen gehaßt, welcher, als er den Thron bestieg, den Friedensfürsten verbannte und dessen Güter kfonfiszirte. Die Tochter Ferdinand's VII. will nun die Härte ihres Vaters wieder gut machen, und beruft den Friedensfürsten nach Madrid, wo er wieder in den Besiß aller seiner Ehrentitel und Güter gesebßt werden soll, darunter befindet sich der Titel eines Herzogs von Alcudia mit den dazu gehörigen Ländereien, die ihm bei Gele- genheit seiner Vermählung mit der Prinzessin Therese von Bourbon verliehen wurden. Jhm gehört auch das Palais von Buenavista, welhes Espartero als Regent von Spanien sich angeeignet hatte. Die Unruhen, welche in dem benachbarten Shweizerlande sich zu zeigen anfangen, bewogen unser Kabinet, die Absendung des Gra= fen Pontois auf dessen Gesandtschafts-Posten in Bern zu beschleu- nigen, Graf Pontois wurde vorgestern vom Könige in besonderer Audienz empfangen, und {ickt sich an, unverzüglich Paris zu verlassen. Er soll die Jnustruction mitnehmen, dem Vorort den Rath zu ertheilen, Alles aufzubieten, damit die Unruhen im Kanton Waadt niht weiter um sich greifen möchten. Die schweizer Radikalen sollen mit den französischen geheimen Gesellshasten in Verbindung stehen. Die pariser Polizei hat die Entdeckung gemacht, daß die bekannte Schriftstellerin Flora Tristan, welche vorgeblih aus sozialistischen Zwecken unsere Departements bereist, eine der thätigsten und gefähr= lichsten Agentin der politishen Kommunisten ist, und dereu geheime Verbindungen überall, wo sie sich befindet, zu organisiren bemüht ist. Jhre Gegenwart in Lyon in dem Augenblick, wo die Unruhen im Kanton Waadt ausbrachen, hat die besondere Aufmerksamkeit der fran= zösischen Polizei auf sich gezogen. Ein Polizei-Commissair von Lyon erhielt den Auftrag, Madame Flora Tristan mit einem Besuche zu überraschen, und alle deren Papiere genau zu durchsuchen. Die Re= gierung hoffte dabei auf wichtige Entdeckungen zu stoßen, wurde jedoch in ihren Erwartungen betrogen, weil die geheimen Gesellschaften in Frankreih gegenwärtig beinahe nicht mehr sriftlich korrespondiren, sondern nur durch vertraute Emissaire mündlich mit einauder verkehren.

Grossbritanien und Irland.

Unterhaus. Sihung vom 13, Mai. Die heutige Sißung machte der ministeriellen Krisis, welche die Fabrik = Bill herbeigeführt hatte, ein Ende. Das Ministerium ist aus dem Kampfe stegreih her- vorgegangen und Lord Ashley's Amendement nah langer Diskussion, und nachdem Sir Robert Peel wiederholt für den Fall der An- nahme desselben die Abdankung des Kabinets in Aussicht gestellt hatte, endlih mit 297 gegen 159 Stimmen, also mit der bedeuten- den Majorität von 138 Stimmen, verworfen wor=- den, Ein solches Resultat is Allen ziemlich unerwartet gekom- men; man glaubte wohl ministeriellerseits noch immer, daß, wenn die Opposition niht durch die abwesenden irländischen Mitglieder bis zur Abstimmung verstärkt würde, die Entscheidung des Hauses gegen das Amendement Lord Ashley's ausfallen dürfte, aber auf eine so überwiegende Stimmen-Mehrheit hatte Niemand gerech= net. Die erste Ursache dieses Sieges is unstreitig die bestimmte und unzweideutige Erklärung der Minister, daß sie, im Falle einer Nie= derlage, sih zurückziehen würden, so wie auch ferner die Drohungen gegen die Korngeseße, welche Lord John Russell und einige andere neue Anhänger des Ashleyshen Vorschlages im Laufe der Debatte vernehmen ließen, niht ohne Grund bei den in der vorliegenden Frage untreuen Anhängern des Kabinets dahin gewirkt haben mögen, ihre Stimme demselben wieder zuzuwenden. Es war sonach die dop- pelte Gefährdung der im Parlamente überwiegend vertretenen Agri- kultur-Jnteressen, einmal durch den Sturz eines Kabinets, welches diese Juteressen immer geschüßt hat, und dann durch die wahrschein- lihe Nachfolge eines Auderen, dessen Führer die gefürhteten Experi- mente von 1841 erneuert hätte, welhe dem Ministerium einen

solhen Sieg verschaffte. Die Debatte in der heutigen Sißung un= tershied sich uiht wesentlich von der der früheren Sißungen. Ein= zelne widerspenstige Tories, wie Herr Milnes, und factiose Whigs, wie Lord John Russell, sprachen aus philanthropischen und par= teisühtigen Beweggrüuden, wie früher gegen die Negierung und für das Amendement, einsihtsyollere Mänuer der Whigpartei, wie Herr Labouchere, bekämpften dasselbe. Ministeriellerseits wies Sir R. Peel in langer Rede unter der Versicherung, daß man gerne nachgeben möchte, nah, daß jede Beschränkung der Arbeitszeit den Arbeitern selbst zum Nachtheil gereihen müßte.

„Die Anzahl der in den Fabriken beschäftigten Personen“, sagte der Minister, „nah der Pferdekraft, der Maschinen berechnet, beträgt 450,000s und ihr wöchentliches Arbeitslohn, im Durchschnitt 10 Sh. für die Woche- 225,000 Pfd, Die Annahme der Zehnstunden - Klausel muß diese Summe um 36,000 Psd. verringern, wobei man woh! zu beachten hat, daß diese Arbeiter nicht gewöhnliche Tagclöhner-Arbeit thun, sondern eíne wunderbare Maschine beaussichtigen, die in jeder Stunde ungeheure Quantitäten produ- zirt. Ein Vorschlag zur Arbeiisbeschränkung ist in der That ein Vorschlag zu einer Besteuerung des Einkommens der Arbeiter im Betrage von 165 pCt. z ja man legt sogar damit eine Sicuer auf die Arbeitswerkzeuge , wie sie die Handstuhlweber in threm unverständigen Streben, mit dem Dampfwebstuhl die Konkurrenz auszuhalten, gefordert haben.“

Aus mehreren Nachweisungen des Ertrags und der Arbeit ein=- zelner Fabriken zeigte hierauf der Minister, daß die Verkürzung der Arbeitszeit eine Verringerung der Production augenblicklih zur Folge habe und widerlegte alsdann die Anwendung des bekannten Grund= \abes Lord Ashleg's in der vorliegenden Frage, daß nämlich dasjenige, was moralisch unrecht sci, politish niht recht sein könne, mit folgen= den Bemerkungen :

„Was bedeutet dieser Saß? Mein edler Freund darf mir nicht zürnen, wenn ih sein Axiom einer Kritik unterwerfe. Jh fann dasselbe wohl ver- stehen, wenn es auf irgend eine Handlung enormer Ungerechtigkeit oder Gewaltsamkeit angewendet werden soll, wie auf den Widerruf des Edikts von Nantes; aber fann wohl der Saß bedeuten, daß wir die Verpflichtung haben, überall mittelst der Geseße einzuschreiten, wo wir ein moralisches Unrecht erkennen. Wenn dies die Bedeutung des Sayes sein soll, so erkläre ih auf das bestimmteste, daß man den wahren Grundsaß der Geseggebung nicht kennt. (Beifall.) Man wird mich viel- leiht einer solhen Doktrin wegen verklagen wollen, aber das soll mich wenig fümmern, Jch will Jhnen zeigen, daß es Dinge giebt, die ih als moralish unrecht erkannt habe, ohne das weder ih noch Sie auf legisla- tivem Wege dagegen cinschreiten können, z. B. Unmäßigkeit, Neid. Beides, wie unrecht cs is, muß ich dulden, weil es außerhalb des Bereichs der Geseßgebung liegt. Wie groß das Vergehen gegen die Moralität au sein mag, so kann die geseßgebende Gewalt in solchen Fällen doch nichts Anderes thun, als zu erwägen und zu untersuchen, ob die Einmischung des Gesetzes nicht noch unstatthafter sein dürfte, als es die AEEE ist. Aber wer soll die Frage der Jmmoralität entscheiden? und nah welcher Norm soll die Einmischung des Gefeßes in Anwendung kommen? Jn einem despotisch regierten Lande würde die Annahme eines solchen Prinzips jeder Grausamkeit zur Rechtfertigung diencnz die Inquisition verfuhr ja nach die- fem Prinzipe, Wir haben darum in unserem Falle einen ganz anderen Grundsaß zu befolgenz wir sind gehalten, zu forschen, was der Wohlfahrt der größtmöglichsten Menge von Jundividuen angemessen is , und nicht zu untersuchen, was die größte Ausdehnung des Reichthums als seine Folgen mit sich führt. Deshalb stelle ih in Abrede, daß wir ein Unrecht begehen, wenn wir 12 Stunden Arbeitszeit geseßlich bestimmen. Was will man, fügte der Minister hinzu, demjenigen, der 8 Stunden Arbeitszeit für „Recht“ hält, einwenden, wenn er 12 Stunden für ein unrechtes und 10 Stunden allein für das moralisch rechte Zeitmaß hält?“

Den Schluß der Rede des Ministers bildete eine Widerlegung der in der vorigen Sißung von Lord Howick aufgestellten Ansichten. Dieser hatte zu beweisen gesucht, daß kein Nachtheil dem Lande aus der Verkürzung der Arbeitszeit erwachsen könne, auch wenn die Pro= duction wirklich geringer und kostspieliger ausfalle; denn zur Erlan= gung und Erhaltung eines auswärtigen Marktes für Manufaktur= waaren komme nicht so viel darauf an, daß man diese wohlfeiler lie= fern könne als andere Nationen, sondern vielmehr, daß der Kaufmann im Stande sei, Rückfrachten vortheilhaft mit nach Hause zu neh= men, was das jeßige Zoll - System Englands freilih verbiete, was aber leiht durch eine Umgestaltung desselben zu bewirken wäre. Sir R. Peel konnte diese Ansichten Lord Howick's nicht mit den all= gemein anerkannten Grundsäßen der Staats = Oekonomie vereinbar finden. Die Ausfuhr wäre so wichtig, wie die Einfuhr, und je wohl= feiler produzirt würde, desto fähiger wäre man, die Produkte anderer Länder durch seine Manufakturen zu beherrshen. Er fürchte die fremde Konkurrenz; in den Vereinigten Staaten, Frankreich, Preußen, Oesterreich 2c. arbeite man 74, 84 auch 94 Stunden wöchentlich, in England nur 69, und er warne das Haus vor jedem Versuch einer weiteren Reduction der Arbeitszeit auf 58 Stunden.

Nachdem Lord John Russell geantwortet, erfolgte die obige Abstimmung, worauf das Haus sich vertagte.

Jm Oberhause wurde eine von Lord Brougham einge= brachte Bill zur Kon solidirung der Kriminal-Geseße zum zweitenmal verlesen und an ein Spezial-Comité gewiesen.

London, 14. Mai, An die Stelle des nah der Südsee bestimmten Admiral Seymour wird der an der irländischen Küste kom= mandirende Admiral Bowles in das Admiralitäts-Kollegium eintreten.

Die Actionaire der Bank von England haben sich in ihrer gestrigen General - Versammlung zu Gunsten des von Sir Robert

lieren, das in ihm wirkende somnambüle Leben, welches entfesselt, ihn zerstören mußte, zusammenzuhalten. Von innen heraus verbrannte die Glut, da sie niht mehr durch Reinheit gebändigt und gemildert warz das Gehirn seßte, wie es die Aerzte nannten, eine Gehirn-Erweichung an.

Jn gleichem Maße wie also der Radikalismus Herwegh's Herz bis zur Frechheit gegen göttlihe und menschlihe Gesege verhärtete, wurde sein Gehirn weicher und weniger fähig, dem sumsenden Spuk und Traum poli- tischen Heldenthums und den Sirenenstimmen der Eitelkeit zu troßen, Doch hatte er selbst în dieser verworrenen Zeit noch lichte, bescheidene Augenblicke, denn er is eine von den bildsamen Naturen, die gut sind mit den Gu- ten und traurig mit den Traurigen ; noch war er denen fern, welchen Ver- rath an sih und Andere für Charakte1 stärke gilt, noch war der Undank ge- gen cinen Fürsten, der ihm einen Fehler verziehen, gegen einen Anderen, der ihn freundlich aufgenommen, nicht bei Herwcgh zum Glaubensartikel geworden, Dennoch war er nicht Chorsänger in der neuen Kirche philoso- phisher Ruchlosigkeit, noch hätte ex vor den Worten gebebt, welche er jeßt zum Lobe und Preis (!) des Alterthums drucken läßt, und welche nament- lih im „Heidenliede““ die gröbste Verunreinigung der Poesie sind, wozu es die Blasphemie gebracht hat.

Den Tod im Herzen, Triumph auf den Lippen trat Herwegh seine Reise nah Deutschland an. Wer will ihm verargen, daß ihn der Schwin- del befiel; ward doch scin Gehirn immer weicher und shwächer, Wer will es ihm verdenken, daß unter Narren und Neugierigen der gute Geist von ihm wih, und das Wesen des NRadikalismus, eine unreine Substanz des sich überhebenden eigenen Verstandes, ihn erfaßte ?

Von jeyt an könnte ih Schritt sür Schritt nachweisen (wenn es nur der Mühe lohnte), wie Herwegh die wahre Begeisterung mit Füßen trat, wie er die Poesie zur Meye einer liederlichen Theorie von Menjchenrecht und einer noch liederlicheren von Gottesreht machte, wie die weiche, zarte Seele (denn man denke sich ja keine Eisennatur, die ehernklingende Verse sang), wie die arme Seele zerbröckelte, wie er alle Gehaltenheit verlor und gleih einem unartigen Schulknaben zu toben anfing, weil man in politi- schen Dingen ihn nicht au ein veni vidi vici spielen ließ, sondern nah seiner Berechtigung zum Staatsmann fragte und bemerkte: er seie in ern- sten Geschästen des Staats ganz unerfahren , ganz ein beschränkter Kopf.

Jch könnte jeßt ausführen, wie blos armsclige Eitelkeit den Dichter zu der tollen Kriegs - Erklärung und zu dem noch tolleren Kampfe gegen Dinge irieb, von denen er lediglih gar nichts versteht; wie er ein reiches Mäd- hen chelihte und seitdem Kommunist wurdez wie er si behaglich im Reise- wagen dehut und Lieder vom armen Jakob schreibt; wie er bis zum klein- lichen Epigramme herabsinkt, poesiclos, er, der ein Seher sein will, formlos, er, der dic Neiterlieder geschriebenz wie er sich endlich selbst nah Paris exilirt, um vor einem fremden Volke sein Vaterland zu shmähen.

Jch will das Alles richt thun. Jch will blos erzählen, daß Herwegh cinen zweiten Band Gedichte aus Paris herübergeschleudert hat, die ästhe- tisch so shlecht sind, daß kein Mensch darauf geachtet hätte, träte er damit zum erstenmal auf. Und was darin poetisch noch erträglich is , hallt wie ein Acchzen, was politisch erträglih is, wie eine gestohlene Erinnerung aus einer besseren Zeit herüber, cingeballt in einen großen Haufen Radifalismus,

Möchten doch die Regierungen diese frechen Lieder nicht verbieten, denn sic sind sv fre , daß die Gläubigen stußen, die Narren cntzüdt sind und die Vernünstigen verachten müssen. Und doch mischt sich Bedauern in diese Verachtung, daß Herwegh unter dem Gelichter versinken muß, das ihn jeßt in Paris anbetet, daß auch die Neue und Buße über sein literarischès Treiben, wenn sie ihn überkommt, zu spät über ihn kommt. Denn jeßt bleibt ihm in dieser Beziehung nichts mehr, gar nichts, als das Schicksal aller falschen Propheten: „das Vorwärts“ in die gränzenlose Leere.

Mag er sih immerhin eíne neue Heimat suchen! Die Pforten des Vaterlandes sind ihm geschlossen, nicht durh den Willen eines Mächiigeu, sondern durch die öffentlihe Meinung, weil er zuviel am echten deutschen Geist gefrevelt hat. Tröste er sih nicht damit, daß er sich cin Märtyrer für Freiheit zu sein dünkt; er ist nur ein Märtyrer für Frechheit, dem, wenn er nicht vermag, sich von dem Abhange zurückzurcißen , an dem er steht, ein böser Dämon,, welchem er sih dann opfert, sein Epitaph schon finden wird:

G, Herwegh. Suicida. Parricida,

Vermischtes.

Berlin, 18. Mai. Aus dem durh eine Neihe von Meisterwerken bekannten Atelier unseres bewährten Künstlers Hossauer he so eben

einc antike Vase in Silber von vollendet s{öner Ausführung hervor. Dic- selbe is bestimmt, dem regierenden Herzoge und der Frau Herzogin von Anhalt-Cöthen, welche heut die höne Feier der silbernen Hochzeit begehen, als ein Fest-Opfer von sämmilichen Beamten des Herzoglichen Hauses und Landes überreicht zu werden. Auch wurde in demselben Atelier in den leg- ten Tagen eine Riesen - Vase von Silber und Gold gezeigt, welche als ein wahrhastes Meisterstück betrachtct werden kann. Sie is verziert mit den Wappen des Großherzogthums Mecklenburg-Schwerin und der freien Stadt Hamburg. Vor wenigen Tagen haben Abgeordnete des Großherzogs von Mecklenburg - Schwerin und des Senats von Hamburg dieselbe dem Agen- ten der Königlichen Staatsschulden-Tilgungs-Kommission, Herrn A. Bloch, als Dank für die sichere und scbnelle Begründung der Berlin - Hamburger Eisenbahn, überreicht, Jn einem gemeinschaftlichen Schreiben, das tie Abgeordneten zugleich mit dem Ehrengeschenk übergaben, sprechen beide hohe Regierungen dem Donatar ihre Anerkenuung aus.

Berlin. Der Kaiserlich russische General - Major Alexis Lwoff, dessen Compositions-Talent dur die Herausgabe der National-Hymne , dex Violin-Phantasieen über russische Themas, verschiedener Motetten und, wie Nachrichten aus St. Petersburg gemeldet, in neuester Zeit auch dur eine Oper, „Bianca e Gualtiero“, allgemeine Anerkennung gefunden hat, i} hier eingetroffen.

Laut der Hannoverschen Ztg. erhielt der Königlich hannoversche Hofschauspieler Herr Döring von Alexander von Humboldt dessen Bildniß mit der Unterschrift + „Herrn Theodor Döring, der in der glücklichsten Viel- seitigkeit eines großen Talents Tiefe des Gefühls und ernsten Sinn mit nie zes Zas über|chreitender Heiterkeit zu verknüpfen weiß“, zum freundlichen

ndenken,

Berichtigung. Jn Nr, 138 der Allg. Preuß. Ztg, S. 825 Sp. 1 des Feuilletons 2te Zeile v. o, is stait ono i zu lesen A ecentiitns Z st stait „chronographischen“ z ese

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