1844 / 141 p. 2 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

die Censur - Verhältnisse in Baden unmöglich drückender Art sein R ien, E aus den censirten Blättern tagtäglich ersehe, daß jeder Richtung, namentlich dem politischen Liberalismus, Raum ge= lassen sei „bis zu der stärksten Sorte“’; bei ungehinderter Freiheit der Besprechung inländisher Angelegenheiten, verlange man nur Máßigung und Rüsichtnahme bei Mittheilungen über die Angele= genheiten der i Gzigen befreundeten Staaten, besonders über die allgemeinen politishen Verhältnisse Deutschlands. Wenn ferner spe= ziell nahgewiesen wird, daß die Censur, wie sie in Baden besteht, weder dem allgemeinen geistigen Fortschritt, noch auch einer soliden und stätig fortschreitenden politishen Ausbildung nachtheilig sei, so wird zugleich das Justitut der Censur selbst im Allgemeinen gegen die mannigfachen ihr gemahten Vorwürfe in Shuß genommen,

„In der neueren und neuesten Zeit“, heißt es am Schlusse dieses Ar- tifels, „hat man bei uns noch einen weiteren Grund gegen die Censur ent- deckt, welchen die frühere Zeit wohl nicht für möglich gehalten hätte, und den man dennoch mit großem Pathos in Reden und Berichten über Preß- freiheit geltend macht, Es isst dieses der Sah von der unbedingten „Jm- moralität‘“’ der Censur, Man scheut sih nicht, den gesunden Menschenver- stand überreden zu wollen, eine Anstalt, welche entstanden und Jahrhunderte lang fortgeseßt worden is, in der Absicht, unmoralische oder der gesellschaft- lichen Ordnung und dem gemeinen Frieden nachtheilige und gefährliche Einwirkungen zu verhindern, sei, nicht etwa hinsichtlich der Wahl der Mittel ein Jrrthum, eine unzweckmäßige oder auch eine möglicherweise gefährliche Einrichtung, sondern sie sei an und für sih, und wenn auch noch so gut ausgeübt, eine Jmmoralität, Ein solcher Saß ist von der ge- sunden- Vernunft und von der Logik gerichtet, wenn er ohne wei- tere Nebenabsicht aufgestellt ist; sollte aber das Leßte der Fall sein, \o ist er von einem anderen Nichterstuhle gerichtet, Da man aber in Büchern und Zeitschriften heutigen Tages lesen kaun, daß auch die Ehe und das Eigenthum eine Jmmoralität is, so nrag denn auch am Ende diese kleine Paradoxie über die Censur mit jenen anderen gehen, Eben so hat man sich nicht gescheut, gegen díe ganze Klasse von Staatsbeamten, welchen die Censur übertragen is, in solchen Reden und Berichten injuriöse Aeußerungen aus- zusprehen. Wir sind der Ueberzeugung, daß dieses maßlose Verfahren den geaen Zweck gänzlich verfehlen wird. Alle besonnenen und urtheilsfähigen

tänner, welcher Seite sie sonst angehören mögen, werden in solchen persôn- lichen Angriffen nur entweder eine geshmacklose rednerische Uebertreibung oder einen, wenn auch ernstlich gemeinten, doch erfolglosen und unwürdigen Te r- rorísmus sehen. Diejenigen Männer aber, welhe nah ihrer Stellung es für ihre Pflicht halten, durch Uebernahme eines solchen Amtes dem Zutrauen einer Regierung zu entsprechen, deren rechtlichen und wohlgesinnten Geist sie anerkennen, werden, wenn auch ihre persönlichen Wünsche für andere Ver- hältnisse der Presse wären, dennoch, so lange unabweisbare Umstände dieses nicht möglich machen, mit loyaler Gewissenhaftigkeit das übertragene Amt besorgenz sie werden solche Demonstrationen mit der gebührenden Gleich- gültigfeit oder auch noch mit einer anderen Art von Empfindung aufzu- nehmen wissen, So werden die Censoren handeln, mögen sie aus der Zahl der praktischen Geschäftsmänner oder aus dem Stande der Gelehrten sein, Was die lehteren namentlich betrifft, so müßte derjenige ein Gelehrter von sehr untergeordneter Art sein, welcher die Künste der alten und neuen Redner und den Geist politischer Parteien, welcher die menschlichen Eitelkeiten und Leidenschaften so wenig kennte und zu würdigen wüßte, daß ihn solche An- griffe, wie die oben angedeuteten, oder auch ganz persönliche, wie sie in einer pi mgn Versammlung in diesen lezten Tagen vorgekommen sind, über- aschen oder nur im Geringsten beunruhigen könnten,“

Freie Städte. Hamburg, 17. Mai, Die heutige Num- mer des Hamburger Correspondenten enthält das nachstehende Privatschreiben aus Berlin vom 11lten d.: „Schon bildet sich in der diesseitigen Journalistik die ganz alltäglihe Taktik der französi= \{hen Journalpresse. Eine Korrespondenz von hier aus in der Köül= nischen Zeitung zeigt dies deutlich. Sonst klagte man über die Ungerechtigkeit der Censur. Das ließ sich hören, Jeßt respektirt man die Gerichte nicht. Das is unrecht. Ein hiesiger Literat ist wegen r Angriffe gegen das General-Post-Amt vor Ge= richt gestellt worden, nah geseblihem Verfahren hat ihn das P, verurtheilt, dafür versichert ihn ein hiesiger Korrespondent der Köl= nischen Zeitung öffentlich seiner „aufrihtigen Theilnahme“, erstaunt über die außerdem noch vor Gericht P ben drei Preß-Prozesse, erblidt darin einen Konflikt der Presse mit dem Bestehenden, einen Zwiespalt, der von der einen oder anderen Seite eine Lösung haben müsse, weiß aber niht recht, ob es noch mehr Preßprozesse geben foll, und was der Jnsknuationen mehr. Man denke sich! Jn andert- halb Jahren hat Preußen im gen Umfange des Reichs vier Preß= prozesse gehabt, und darin soll ein folgenreihes Verhältniß liegen ! Dagegen vergleiche man das vom freien Geiste ergriffene Frankreich! Darin, daß man jebt einen Schriftsteller vor Gericht stellt, kann man doch keinen Tadel finden, denn da ist er doch der sogenannten Admi- nistrationswillkür entzogen, Aber es geht bei uns {hon, wie an der Seine, der \o Verurtheitte wird der aufrictigsten Theilnahme versichert. Die Leute legen es darauf an, den Geseßen zu verfallen, nun so muß man sie bestrafen; ob die General = Post - Verwaltung ober eine andere Privatperson gekränkt worden, gilt gleihviel, die Gesebe hüben gegen Unrecht, Aber woher läßt sih auf einen Son der Presse mit dem Bestehenden schließen? Edgar Bauer, der selbst in einer früheren Schrift s\{ch einen Sansculotten genannt hat, will das Christenthum und den Staat aufheben ist das nichts weiter, als eben etwas jeßt Bestehendes? Will jener Korrespondent der Köl- nishen Zeitung au eine Umgestaltung dieses Bestehenden? Er meiut, Wiß, Humor, Satyre seien bloß auf Seiten der Opposition ach ja, Malice i auf ihrer Seite, aber kein attishes Salz, das vom Nante-Wißh sehr abstiht. Man lese nur, wie verächtlih besagter Korre- \ponudent die religiösen Juteressen bespriht wahrscheinli nicht zur Freude der rheinischen Katholiken, denn was gewinnen diese dabei, daß sie finden, es gebe frivole, atheistishe Gesinnungen unter den Evan= elischen? Gemeinsame Sache mit Solchen gegen die evangelische

ifi zu machen, wird ihnen doch zu E sein. Es is} unbe-

reiflih, daß der aufmerksame und sonst so scharf witternde mainzer

ath olif diese Thätigkeit, die von Berlin aus in rheinischen Blät= tern die atheistishen Tendenzen fördert, noch nicht mit seiner schonungs=- losen Rüge gegeißelt hat. Er thäte darin sehr gut, denn religiöse Debatten ren in keine politishe Zeitung, namentlich niht, wo es po um philosophishe und dogmatishe Gegenstände handelt. Die

rt und Weise, wie das Alles in den Zeitungs-Korrespondenzen be= handelt wird, is echte Demagogie, Volksverleitun g.“

XX Dresden, 15. Mai. Der von der Elbe entfernteste und wegen reiner Luft der Gesundheit zuträglihste Theil der Stadt Dres- den is die sogenannte See-Vorstadt, welche bereits in den leßten 10 Jahren einen beträchtlihen Zuwachs neuer Gebäude erhalten hat, die wegen des hohen Miethzinses fast Geis von reichen Fa- milien bewohnt werden, Dieser Stadttheil wird gegenwärtig durch die Bebauung der zwischen der sogenannten Bürgerwiele und der süd- lih um die Stadt führenden Straße gelegenen Gärten und Felder einen neuen Zuwachs erhalten. Der Plan zur Anlage des neuen Stadttheils ist nicht nur genehmigt, sondern auh die AÄbsteckung der Straßen, Plähe und Baustellen hon beendigt und hierdurch allen Daulusigen neue Gelegenheit geboten, sich durch Kauf und Anbau

ave e etheiligen, Zügleih hat diese Vorstadt durch die Ausfül- lung der Bürgerwiese, des ehemaligen Bettes eines längst versiegten Sees, und dur die Verwendung des dadurh gewonnenen großen M mes zu neuen Promenaden und Garten-Anlagen eine wesentliche ers{önerung erhalten, Man glaubt, daß diese nenen Anlagen bis an den sogenannten großen Garten fortzuführen beabsichtigt werde,

Auch zu Verbindung der pirnaishen Vorstadt mit dem großen Garten ri dem Vernehmen nah, ein neuer Weg angelegt und bepflanzt werden.

7 Luxemburg, 14. Mai. Jn Betreff der Errichtung eines Denkmals für Johann den Blinden zirkuliren gegenwärtig gedruckte Aufforderungen zu Beiträgen. Was in dem bezüglichen Aufsage der Allg. Preuß. Zt g. als Wuns ausgesprochen ward, daß sich näm- lih Männer an die Spiße des Unternehmens stellen möchten, welche als Deutschgesinnte sich eines allgemeinen Vertrauens erfreuen, hat sich erfüllt. Unter den Mitgliedern der gegenwärtigen Kommission befindet sich fein einziger Name von denen, welche wir unter dem Aufrufe vom Februar sahen. Sie sind zuglei Mitglieder des luxem- burger Hülfsvereins zum Ausbau des kölner Domes, und sind in der eifrigen Theilnahme für beide Unternehmungen von der Jdee beseelt, die Liebe des Luxemburgers zu seinem gemeinsamen Vaterlande zu beleben und zu nähren, Daß der Aufruf vom Februar einen so reinen Zweck nicht hatte, vielmehr nur die Folge einer Opposition gegen einen solhen war, is erwiesen. Dem von der neuen Kommission abgefaßten Aufrufe, welcher, sonderbar genug, ohne deren Wissen im Luxemburger Journal zu früh veröffentliht ward, folgte auf dem Fuße eine Entgegnung, die über die Wahrheit jener Behauptung feinen Zweifel übrig läßt. Durch willkürliches Zusammenziehen für sich bestehender Säße sucht sie jenem Aufrufe historische Unrichtigkeiten nachzuweisen, die er gar nicht enthält und legt, verleitet durch die einseitigen Nachrichten cines französishen Schriftstellers, in der Ge- hihte der Gebeine des großen Königs, zum Nachtheil der Luxem- burger den Franzosen eine Wichtigkeit bei , welche sie niht verdienen und welche gegen die Mittheilungen zuverlässigerer älterer Schrift= steller verstößt. Die Absicht, auch die französische Königs-Familie um Unterstübung des Unternehmens zu bitten, wird von Einigen nicht aufgegeben, obgleih dagegen nicht allein die Kommission, sondern auh der Gouverneur, Herr de la Fontaine, aus früher angegebenen Gründen is. Ueber die Art und Weise der Ausführung des projek- tirten Werkes kann noch nihts Bestimmtes mitgetheilt werden, Dis- fussionen deshalb sind unvermeidlih erst zu beseitigen, um zu einem festen Entschluß zu kommen. Es läßt sich voraussehen, daß die theuren Ueberreste so bald noch nicht ihre gegenwärtige Ruhestätte verlassen werden.

Oesterreichische Monarchie.

A Aus Vöhmen, Mitte Mai. Daß die in unserem Lande während der leßten Jahre herrshend gewesene Stockung in der Fa- briks-Thätigkeit vorzüglih durch den Schleichhandel mit ausländischen, namentlih englishen Waaren herbeigeführt worden sei, wird jeßt im- mer klarer erkannt, seitdem der Hofkammer -Präsident Freiherr von Kübek mit der ihm eigenen Umsicht und Energie die geeigneten Maßregeln traf, um diesem für Staat und Volk so nachtheiligen Unwesen zu steuern. Die im vorigen Sommer von ihm mit den geeigneten Justructionen und ausgedehnter Vollmacht nah Böhmen gesendete Hof - Kommission hatte zuerst, durh Untersuhung mehrerer verdächtiger prager Häuser, sich mit jenen Fabriksorten bekannt ge- macht, wo die Schein-Jndustrie ihren Siß und die Shmuggler ihre Niederlagen aufgeschlagen hatten. Daß viele Personen zur Unter= suhung und Strafe gezogen und bedeutende Waaren - Quantitäten, theils als verdächtig mit Beschlag belegt, theils als ungeseblich- ein- geführt , konfiszirt wurden , i} bereits im vorigen Jahre bekannt ge- worden, der günstige Erfolg dieser wohlgeleiteten und mit beharrlicher Konsequenz durchgeführten Maßregeln tritt aber nun erst hervor in der großen Nachfrage nah inländischen Fabrikaten, deren Erzeuger jeßt vollauf beschäftigt sind, und namentlich in allen Zweigen der während der leßten Jahre so gedrückt gewesenen Baumwollen-Jndustrie herrscht seit mehreren Monaten eine Thätigkeit, wie nie während der leßten 10 Jahre, Nachdem die erwähnte Hof-Konmmission durch einige Zeit ihre Thätigkeit unterbrochen hatte, begann sie selbe kürzlih wie- der, diesmal jedoch mehr auf Untersuchungen verdächhtiger Fabriks- Commissionaire in der Hauptstadt sich beshränkend, Dort scheint jedoch die im vorigen Jahre erhaltene Lection bereits gefruhtet zu haben, da es bisher niht gelungen sein soll, gegen die Mehrzahl der zur Untersuchung gezogenen, solhe Beweise aufzubringen, welche eine rechtsförmige Verurtheilung zu begründen geeignet wären, Wenn aber auch niht wegen neuer Zoll = Defrauda- tionen, so sind doch bereits mehrere Straf = Urtheile gegen

rager Waaren-Commissionaire vollzogen worden, deren Verhängung in früheren Geshäfts-Manipulationen ihren Grund haben soll. Zwar soll von einigen der durch Geldstrafen Betroffenen bereits darüber Klage erhoben worden sein, daß sie sich der Zahlung derselben noth- gedrungen unterzogen hätten, um der ihnen angedrohten gefänglichen Einziehung zu entgehen, weil bei dem angeblih sehr summarischen Verfahren der Untersuchungs - Kommission, jelbe die Vorschriften des Strafverfahrens über Gefälls -Uebertretungen in der ausgedehntesten Deutung zur Anwendung bringen, und daher manchem der Verdäch- tigen, selbst bei nicht ie Ueberweisung, keine andere Wahl ge- blieben sein soll, als zwischen Leistung der andiktirten Geldstrafen oder sofortiger gefängliher Hast. Indessen ist bei dem Grundprinzipe strenger Gerechtigkeit, das den Geist und die Vollziehung unserer Ge- seße leitet, durchaus niht anzunehmen, daß irgend Jemand mit einer Strafe belegt werde, ohne hinreichende vollgültige Beweise seiner Schuld, und mit wie gerechter Strenge auch die des Schleichhandels Ueberwiosenen verfolgt und bestrast werden, so ist es doch gewiß, daß diese Strenge gegen den sich wenden würde, der die ihm anvertraute Befugniß in solcher Art ausdehnte, um durch Drohungen einzushüch- tern, und auf Grundlage dadurch erzwungener Bekenntnisse Straf- Urtheile zu sanctioniren, Von den Männern, welche das Vertrauen des Finanz =- Chefs mit dieser wichtigen TPIAN betraute, ist überdies mit Gewißheit zu erwarten, daß sie ihre Amtshandlungen nur nach fonstatirten Thatsachen uud nicht guf bloße Denunciationen vornehmen, weil gerade Untersuchungen der besprochenen Art mit großer Verant- wortung verknüpft sind, und daher hesondere Vorsicht erheischen, ‘da es befanntlich zu den Kunstgriffen der s\ystematishen Shleich- händler gehört, durch Angebereien gerade rechtlihe Geschäfts männer zu verdächtigen, um dadurch zu beirren und von den Spuren fa eigenen Treibens abzubringen. Um übrigens den von dieser Hos-Kommission erzielten günstigen Erfolgen in der Beschrän= kung des Schleichhandels auch Kir die Zukunft dauernd zu sichern, werden die bevorstehenden Tarifs-Aenderungen allenthalben sehnsuchts- voll erwartet, und wenn diese auch weniger auf Fabrikate als auf Kolonial-Waaren ih erstrecken, so werden sie doch die Einshwärzung von Manufaktur-Waaren sehr ershweren, da diese allein dem Schmugg- ler im Großen feine genügende Prämie gewähren, wenn er damit niht die gewinnreihe Einbringung von Kaffee, Thee, Gewürzen, Farbwaaren und dergl. verbinden kann, deren übermäßiger ebiger aaR O zur Umgehung dey reizt, weil sie großen Gewinn verheißt. Die unversteuerte Einfuhr von Kolonial-Waaren is über- dies auch viel weniger gefahrdrohend für den Geseßübertreter, weil hier die Kontrolle bei Weitem niht so leiht durchzuführen und die Straffälligkeit zu konstatiren is, als bei Manufaktur-Waaren,

Frankreich. :

Paírs- Kammer. Sißung vom 14. Mai. Die Be- stimmung über die Beibringung der Studienzeugnisse beim Bakkalau-

reats-Examen war heute noch der Gegenstand einer ziemlich lebhaften Debatte. Diese Studiumszeugnisse haben einen doppelten Zweck. Sie sollen die Studien selbs heben, indem sie gewissen Anstalten das aus= \ließlihe Recht der Vorbereitung zum Bafkkalaureat verleihen, näm- lih denen, welche sich durch den an ihnen ertheilten Unterricht als vollständige Sekundärschulen legitimiren, Diese Legitimation besteht darin, daß sie unter ihren Lehrern wenigstens zwei Licentiaten der Rhetorik und der Philosophie und einen Bakkalaureus haben sollen, wie der 17, Art, vorschreibt, während der 18te von den Studienzeugnissen han= delt, so daß beide im engen Zusammenhange mit einander stehen, und das von dem Grafen Beugnot vorgeschlagene Amendement si daher auch auf beide Artikel erstreckten. Diesem Amendement zufolge sollten diese Artikel gestrihen und dafür geseßt werden: „Um zu den Prüfungen für das zaccalaureat-ès-lettres zugelassen zu werden, reiht es hin, wenig= stens 16 Jahr alt zu sein, Die Kandidaten haben ihren Geburts- \chein einzureihen und sich über ihre Jdentität auszuweisen ; eine weitere Verpflichtung kann ihnen niht auferlegt werden.“ Nach dem Geseß-Entwurf dagegen sollen die jungen Leute, welche sich zum Bakka- laureats-Examen melden, nachweisen, daß sie wenigstens ihre rhetori- chen und philosophishen Studien in einer vollständigen Sekundärschule gemacht haben. Ein anderer Zweckt der Studien-Zeugnisse is indeß der, sich zu vergewissern, daß die Bestimmungen des Geseß-Entwurfs, welche den vom Staat nicht anerkannten religiösen Congregationen den Unterricht verbieten, zur Ausführung kommen, so wie der, den Unterricht zu nationalisiren, indem nur solhe junge Leute zum Bakkalaureat zuge= lassen werden, die ihre Studien in französischen Anstalten gemacht haben. Von diesen doppelten Gesichtspunkten aus wurden denn auch die beiden Artikel des Gescß-Entwurfs heute in der Kammer mit großer Lebhaftigkeit entweder angegriffen oder vertheidigt. Das Re= sultat war, daß das Beugnotsche Amendement mit großer Majorität verworfen und dann der 17. Artikel, nah Beseitigung eines anderen von Baron Thenard vorgeschlagenen Amendements, welches statt eines bloßen Bakfkalaureus der Mathematik, einen Licentiaten der Mathematik und Physik in den Sekundär - Schulen ange= stellt sehen wollte, in seiner ursprünglichen Fassung angenom- men. Da jedoch der 18, Artikel über die Studien - Zeugnisse heute noch nicht zur Abstimmung gelangte, so hindert nihts, daß, ungeachtet der Verwerfung des Beugnotschen Amendements, die Dis= kussion über die Studienzeugnisse morgen noch einmal eröffnet wird. Jn der heutigen Debatte beschäftigte man sich auch wieder sehr viel mit der Jesuitenfrage. Herr Persil namentlich vertheidigte die beiden vorliegenden Artikel im Namen der Rechte des Staats, als eine nothwendige Waffe gegen die Umtriebe der Jesuiten, die, da sie niht mehr in Frankreich unterrichten dürften, ihre Unterrichts-Anstal= ten zwei Schritte von der französishen Gränze begründeten :

„Es i} wahr“, sagte der Redner unter Anderem, „daß das Geseh von 1836 solche Studienzeugnisse nicht vorschrieb; die Ereignisse haben gezeigk, daß dies Unrecht war, doch begreife ih sehr wohl, wie man damals diese Vorsichts-Maßregel nicht für nöthig erachten fonnte, Jm Jahre 1836 war die Ungunst verschwunden, welche der Sturz der Restauration über die (Heist- lichkeit gebracht hattez diese war wieder zu großem Anschen gelangt. Seit- dem man weniger von Religion sprah, war man n der That religiöser, Im Jahre 1840 war der Fortschritt sichtbar, Wie kam es also, daß der Geist der Duldung und Versöhnung, der damals die Geistlichkeit beseelte, so plöplich sich änderte? Jh will nicht sagen, unter der niederen Geist- lichkeit, denn noch heutigen Tages kann es nichts Ruhigeres geben, als ihre Haltung, aber auh nichts Abweichenderes von dem Benehmen eines anderen Theiles der Geistlichkeit, Das Episkopat aber war min- der weise, und unaufhörlihe Reclamationen nöthigten die Regierung zu strengen Maßregeln. Noch einmal, m. H,, woher is diese Veränderung gekommen? Daher, daß eine Corporation, die wir nicht zulassen wollen, den Fuß auf unseren Boden sehte. Diese Corporation hat Frankreich nach allen Richtungen durchschnitten und an das Episkopat sih gewendet, welches endlih wider Willen ihren Bestürmungen nachgab, Daher schreibt sich alles Uebel; so lange wir keine Jesuiten in Frankreich hatten, benahm das Episko- vat sich bewundernswürdig z erst seitdem hat es sein Verhalten geändert, Im Jahre 1836 hielt die Regierung das Wiedererscheinen der Jesuiten für unmöglichz sie hat sich geirrt z heute erkennt sie ihren Jrrthum und will ihn gut machen, Heben sie die Studien-Zeugnisse auf, und alle Bestimmungen des Geseßes werden unwirksam, illusorisch, null und nichtig sein, das Geseß wird ganz dem Interesse der Jesuiten dienen,“

Graf Montalembert; Jch begreife nicht, wie in einem Lande; gleich dem unsrigen, mit scinen beiden Kammern, seinen Ministern, seinen 2 bis 300 Zeitungen für eine Furht noch Raum sein kann, die einige arme Ordens-Geistliche verursachen sollen, die man nirgends“ zu finden weiß, Sehen Sie sich würklich genöthigt, die Riegel vor Jhre Thür zu schieben, um die französische Jugend vom Studiren im Auslande abzuhalten, so kann ih kein herrliheres Lob der Jesuiten und keine bitterere Kritik der Univer- sität mir denken, Aber man täuscht sich, m. H., man übertreibt, Wenn die Jesuiten in Frankreih zum Unterricht zugelassen würden, so würden sie niht mehr Schüler haben, als ehemals; die Erziehung, welche sie ertheilen, wendet sich nux an eine gewisse Anzahl von Familien, und da diese Familien sie in Frankreich nicht finden können, so schicken sie ihre Kinder jeßt zu Jesuiten des Auslandes z die Zahl dieser jungen Leute ist immer noch bedeutend ; sie- beträgt ein Fünstheil der in den Königlichen Colléges befindlichen Pensionaire, Noch mehr aber als die Furcht vor den Jesuiten, seßt es mich in Erstaunen, einen Pair von Frankreich, einen ehe- maligen Minister, dem Episkopat, den 80 Bischöfen Frankreichs, einen sol- chen Knechtssinn beimessen zu hören, daß sie ihr Gewissen, ihr Ansehen, ihren heiligen Charakter den Jesuiten zu Füßen gelegt und von ihnen Geseß und Lehre angenommen hätten, Was den Unterschied betrifft, den der vorige Redner zwischen der hohen und niederen Geistlichkeit aufgestellt hat, so kaun ih nicht genug darüber erstaunen, von einem ehemaligen Groß- siegelbewahrer in der Pairs-Kammer so gefährlihe Worte zu hören, Dem es Großsiegelbewahrer kommt es zu, darauf zu antworten, und ch will glauben, daß erx dies nicht unterlassen wird. (Murren und Unter- brechung.)

Herr Persil: Man hat mich entweder unrecht verstanden oder ih habe das Ünglück gehabt, mich unrecht auszudrücken, Jch kenne zu gut die Ehrerbietung und den Gehorsam der Geistlihen gegen ihre Oberen, als daß ih sagen sollte, es bestände eine Spaltung zwischen beiden Theilen, Ich habe nichts von einem solhen Schisma gesagt, sondern nur, daß die niedere Geistlichkeit still geblieben sei und an den lebhaften Reclamationen der Bischöfe, mit Hinsicht auf die Unterrichtsfreiheit, keinen Theil genommen habe, Die Folgerung haben Andere gemacht.

Graf Montalembert; Diese Folgerung geht aus Zhren Worten

hervor, ' j; a : Herr Persil: Herr von Montalembert hat ferner gemeint, ic sei

von t vor den Jesuiten aufgeregt. Ih glaube, mein Charakter hat bis E F p von Furcht wenig weiß (Beifall) ; und wenn heute mich Furcht erfüllte, so wäre es wahrlih nicht vor den Jesuiten. Frankreich wird durch sie nicht zu Grunde gehen. Jch kenne die Gesinnun- en meines Landes zu gut, sein Widerwille egen jene Corporation is nicht fo neu, als daß seine Freiheiten und seine ristenz dur die Jesuiten ge- fährdet werden solltez was ich aber vermeiden will, sind die Unruhen, welche sie verursachen könnten, und deren erste . Opfer sie selbst sein würden, (Sehr gut.) Jch fürchte für sie, für ihre eigene Existenz, nicht für mich, nicht für uns, oder für irgend Jemand, der sich nit zu ihren Lehren bekennt,

Schließlih nahm noch der Großsiegelbewahrer, Herr Martin du Nord, der Aufforderung des Grafen Montalembert folgend, das Wort, um vermittelnd in dieser Streitfrage einzuschreiten, Er vin- dizirte dem Episkopat nach den constitutionellen Regierungsformen das Recht der öffentlichen Diskussion in der Unterrichtsfrage und sprach auch seinerseits die Meinung aus, daß man in den esorg=- nissen vor den Gefahren, welhe dem Staat von den Jesuiten drohen fönnten, viel zu weit gehe und diesem Orden eine für die jehige Zeit sehr übertriebene Bedeutung beilege,

Deputirten-Kammer. Sißung vom 14. Mai. Die Diskussion des Beg, - Sesees schreitet jeßt ruhiger und regel=- mäßiger vorwärts. it Ausnahme einiger vereinzelten Stimmen sind alle Parteien der Kammer nun über die Annahme des Prinzips einverstanden, wie dasselbe in den wesentlihsten Artikeln bereits ent- schieden is. Jn der heutigen Sißung spra sich unter Anderen au Herr Odilon Barrot zum zweitenmale offen für das Geseß aus, Es handelte sich zunächst darum, das Loos der Verurtheilten für den Zeitraum zu ordnen, der zwischen der Publication des neuen Gesebes und seiner allgemeinen Anwendung verfließen muß. Man genehmigte den Vorschlag der Regierung und der Kommission, daß dur Königliche Verordnungen die gerichtlichen Ressorts bestimmt werden sollten, in denen die Verurtheilten nah dem neuen System, je nachdem die zu erbauenden Gefängnisse fertig würden, ihre Strafe zu bestehen hätten, so daß jeder administrativen Willkür vorgebeugt ist. Den zu einfachem Gefängniß und zur Reklusion Verurtheilten soll die von ihnen in einem Zellen- Gefängniß zugebrachte Zeit, im Vergleich zu der gewöhnlihen Ge- fängnißhaft wie 5 zu 4 angerehnet werden. Bei den zu Zwangs- Arbeit verurtheilten Sträflingen is jedo eine solhe Reduction nicht zugelassen worden, um einen Strafunterschied zwischen diesen beiden Klassen von Gefangenen aufreht zu erhalten, Der zweite Theil der Sißung war der Diskussion eines Amendements gewidmet, welches die Herren von Haussonville und von Lafarelle zum Z4sten Artikel vorgeschlagen hatten, Nach diesem Amendement sollten die Sträflinge, welche 10 Jahre in einem Zellengefängniß zugebraht, sodann bis zum Ablauf ihrer Strafzeit deportirt werden. Der Minister des Innern {loß sich förmlih diesem Vorschlage an.

„Wenn es sich darum handelte“, sagte Herr Duchatel, „die Depor- tation als einzige und Hauptstrafe aufzustellen, so würde ih der Meinung sein, daß es ihr an den eigentliheu und wesentlichen Kennzeichen einer Strafe fehlez denn sie is nicht abschreckend genug, sie wird in der Vorstel- lung des Verbrechers zu leiht die Gestalt der Auswanderung annchmen, Nah einer zehnjährigen Prüfungszeit oder, wie man gesagt hat, Quaran- taine in einem Zellen - Gefängniß kann man jedoch gute Wirkungen davon erwarten. England, dessen Beispiel einige Gegner der Deportation ange- führt haben, hat allerdings sein erstes System als fehlerhaft erkannt und steht im Begriff, es aufzugeben, Aber eben um dasjenige anzunehmen, welches in dem Amendement vorgeschlagen wird; mit anderen Worten, es verzichtet darauf, die Deportation als einzige Strafe anzuwenden, und will sie mit der Gefängnißstrafe verbinden. Was die Anwendung des neuen Systems für Frankreich betrifft, so werden wir hinreichende Zeit haben, einen Deportationsort auszuwählen, da unser Gesetz keine rückwirkende Kraft hat, die Deportation also erst von jeyt in 10 Jahren in Kraft treten kann, Ein besonderes Geseß würde dann das System und ten Ort der Deporta- tion zu bestimmen haben,“

_Es scheint keinem Zweifel unterworfen, daß die Kammer dem Prinzip der Deportation in dieser Verbindung mit dem Zellengefäng- niß beipflihten wird; nur über die Zeit, nah welcher die Gefängniß- strafe in Deportation verwandelt werden soll, konnte man heute noch zu keiner Entscheidung gelangen. Herr von Laroche=-Jacquelin {lug als Amendement eine bloß 2jährige Zellenhaft, Herr von La- martine eine 5jährige vor, beide Amendements wurden aber ver- worfen, und die Diskussion des Artikels sodann vertagt. Herr O, Barrot hatte zuleßt einen Mittelweg vorgeschlagen, nämlich daß die Verwaltung nah 5 Jahren Gefängniß die Deportation eintreten lassen könnte, nah 10 Jahren aber die eine Strafe in die andere verwandeln müßte,

Paris, 15, Mai. Man hat bereits Nachrichten über die weitere Reise der Herzogin von Kent; Jhre Königl. Hoheit war am Sonn- tag den 12. d. M. zu Genf angelangt, wo dieselbe einige Zeit zu verweilen beabsichtigt.

Die von Algier nah dem Osten der Provinz abgegangene Ex= pedition findet, nach Berichten vom 6. Mai, ernsten Widerstand. Die Stämme der Ben Salem erklärten nah einigem Schwanken, sie seien nicht gesonnen, sich zu unterwerfen, und Marschall Bugeaud hat sich genöthigt gesehen, Verstärkungen aus Algier nahkommen zu lassen, Der Kriegs - Minister soll darauf hin den Befehl nach Toulon abge- fertigt haben, einen Truppentheil nah Algier einzuschiffen.

Alle Minister waren vorgestern, nah Eingang von Depeschen aus Spanien, in den Tuilerieen zur Berathung versammelt. Man hat au bemerkt, daß der Hof eine sehr lebhafte Korrespondenz mit der Königin Marie Christine unterhält, L

General Boyer, vormaliger Präsident von Haiti, ist am 14. d, zu Havre eingetroffen und will s{ zu Southampton nah Jamaika

einschiffen.

W Paris, 15, Mai. Jn der Pairs-Kammer schlug heute Marquis von Laplace einen Zusaß-Paragraphen zu Art. 17 zu dem Ende vor, die Zöglinge der polytechnischen Schule, die sih zum Pro- fessorate bestimmen, von der Verpflichtung des Diploms als Bakkg- laureus zu entbinden, Wurde an die Kommission verwiesen. Die Kammer geht zu Art. 18 der Kommission über, wonach zum Examen für das Baccalaureat-ès-leltres alle Zöglinge zugelassen werden sollen, die dur regelmäßige Zeugnisse nachweisen können, daß sie zwei Jahre hindurch die vorangegebenen Studien in ihren Familien, in den Königl. oder Gemeindeschulen erster Klasse, oder in den voll- ständigen Instituten gemaht haben. Die Zeugnisse sollen von den Familienvätern oder Vormündern, von den Provisoren der Königlichen Colléges, von den Prinzipalen der Gemeindeschulen, von den Chefs der vollständigen Jnstitute ausgestellt sein, und ihre volle Wirkung haben, wenn niht der Beweis vom Gegentheil vorliegt; im Falle sie bestritten werden, soll der akademische Rath entscheiden. Eine Debatte erhebt sich über den §. 1 zwishen dem Grafen Beugnot, dem Minister des öffentlihen Unterrihts und Herrn Cousin, Der Paragraph wird endlich an die Kommission zurückgewiesen. Herr von B oi \y verlangt, der ganze Artikel solle an die Kommission zurückgewiesen werden, da die vorgelegte Fassung desselben einen restriktiven Charakter habe, der mit der wohlbemessenen Freiheit unverträglich sei, die man in das Geseh einführen wolle, Graf Portalis vertheidigt die Fassung der Kommission, die Herren von Gabriac und von Boissy Tia auf Zurückverweisung an die Kommission. Der Minister des üf-= fentlihen Unterrichts, die Herren Cousin, Feutrier, Herzog von Broglie, von Boissy werden noch gehört, Der Antrag des Herrn von Boissy wird nicht weiter unterstüßt, und also gar nicht zur Abstimmung gebraht. Marquis von Boissy verlangt nun Weglassung des lehten Sabes: „im Falle sie bestritten werde 2c“, welhes Amendement ebenfalls nicht unterstüßt wird, Die Kammer nimmt den Art. 18 mit Ausnahme des ersten Paragraphen an, der an die Kommisston zurückgeht. Nach dem von der Kommission amen= dirten Art. 19 sollen die Privat =- Anstalten für den Sekundär-Unter= riht unter die Ober-Aufsiht des Ministers des öffentlichen Unterrichts eret bleiben, und er kann sie visitiren und Einsicht davon nehmen lassen (der übrige Theil wie im Regierungs-Entwurf), Herr Lebrun will, daß statt „er fann sie visitiren“ geseßt werde „er wird sie visi- tiren a dieses Amendement wird angenommen, Der Art. 20, Zusaß - Artikel der Kommission, wird verlesen, und Marquis von Barthelemy verlangt das Wort, um ein Amendement dazu vor- zuschlagen. (Die Sißung dauert fort.)

In der T S Kammer beantragte heute Herr von Courtois zuer Suspension der D des Gesebes über die Gefängnisse, bis der Siegelbewahrer den Sibßungen beiwohnen könne,

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Es sei beispiellos, daß ein Minister bei Diskussion eines Gesebes nicht erscheine, das ganz besonders in sein Departement gehöre. Der

räsident beklagt, daß der Redner nit seine Bemerkungen ver- Gr habe, bis mehr Mitglieder zugegen seien, Die Kommission sei eben jeßt in Berathung versammelt über den Art, 34. Herr von Laplesse: Seit vier Monaten sei die Kammer versammelt, und erst 2 Geseße seien votirt worden; so werde die Sißung zu Ende ehen. Der Präsident bemerkt, die Arbeiten in den Büreaus Fien beträchtlich gewesen und keine Zeit verloren worden, Der Minister des Innern legt das Geseß wegen Verlängerung des Kredits für die fremden Flüchtlinge bis 1845 vor. Dann Fortseßung der Diskussion über die Gefängnisse. Herr von Tocqueville ver- liest die neue Fassung des Art, 34. Die Kommission tritt dem Zeit- raum von 10 Jahren bei, nah welchem Deportation eintreten foll; bekämpft aber das Amendement des Herrn Odilon Barrot, wonach die Tribunale diese Zeit auf 5 Jahre sollen beshränken können. Nach lebhafter Debatte zwischen den Herren Lherbette, Odilon Barrot, dem Minister des Junnern wird das Amendement an- genommen (Aufregung); dann der ganze Artikel 34 mit den Amende- ments Laffarelle, Haussonville und Odilon Barrot, (Die Sizung dauert fort.)

© Pariís, 15. Mai. Die Regierung hat in Gemäßheit des Versprechens, welches Herr Guizot in der Sißung vom 4ten d, M, der Deputirten-Kammer machte, gestern den Pairs einen Geseß-Ent- wurf über die Emancipation der Sklaven vorgelegt. Es wird Jhnen vielleicht auffallen, daß der Geseß-Entwurf des Herrn Mackau so kurz und summarisch die Maßregeln beleuchtet, wodur die Regierung zur vollständigen Sklaven - Emancipation zu gelangen hofft. Man sollte meinen, daß der See-Minister eine so wihtige und \{hwierige Frage gründlicher und umständlicher hätte behandeln sollen. Allein man muß bedenken, daß die Regierung ihren Hauptzweck, nämlih die Sklaven- Emancipation, vorzüglih durch administrative Vorkehrungen zu errei- hen hofft, die später dur besondere Königliche Ordonnanzen geregelt werden sollen. Vor der Hand will die Regierung nur das Prín=- zip aufstellen, daß die Zeit gekommen is, «wo es ihr möglich wird, an die Emancipation der Neger die Hand zu legen, Da die Eman-=- cipation niht, wie in den britischen Kolonieen, auf einmal, sondern stufenweise erfolgen soll, so beschränkt sih jeßt die Regierung darauf, den Kammern nur im Allgemeinen den Weg anzudeuten, welchen sie einzuschlagen gedenkt, um dabei nöthigenfalls den Rath und die Un- terstübung der Kammern zu erhalten. Der See = Minister sagt aus= drüclich in seinem Geseß- Entwurfe, daß die vorgeschlagenen Maß- regeln eigentlih als Ausfliisse der Prärogative der Krone nah dem Gescße vom Jahre 1833 zu betrachten wären, und daß die Regie=- rung nur- darum die Mitwirkung der Kammern in Anspruch nimmt, um einerseits zu zeigen, wie aufrichtig sie wünscht, die Sklaverei in den französischen Besißungen abzuschaffen, und andererseits, damit durh das vollkommene Einverständniß zwischen der Krone und den Kammern dieser große Zweck wirksamer gefördert werde,

Das vorgelegte Projekt beruht auf den persönlihen Ansichten des Baron Mackau, welcher als ehemaliger Gouverneur von Marti= nique und in Folge seiner weiten See-Reisen nicht nur mit den Zu-= ständen der französishen Kolonieen genau vertraut is, sondern die meisten fremden Kolonieen besucht und kennen gelernt hat. Seinem System liegt der Zustand der Neger in den spanishen und in den dänischen Kolonieen zum Grunde. Jn den dänischen Kolonieen ge= nießen die Sklaven eine sehr menschliche Behandlung, und die Re=- gierung wendet Alles an, namentlich deren religiöse und moralische Bildung zu fördern. Baron Mackan-bekenut mit edler Offenherzig- feit in seinem gestern eingebrahten Geseß=Entwurfe, daß er, um die Lage der Sklaven auf den französischen Kolonieen zu er- leihtern und deren sittlihe und intellektuelle Bildung zu be- gründen, die Maßregeln adoptirt habe, die er in den däni=- hen Kolonieen zu beobachten und zu würdigen Gelegenheit gehabt habe. Um dann von der moralischen Befähigung der Sklaven für den Genuß der Freiheit zur praktishen Emancipation derselben über- zugehen, adoptirt Baron Mackau das von der spanischen Regierung {hon vor Jahren eingeführte System, welches darin besteht, daß der Neger aus eigenen Mitteln, nämlih mit den Früchten seiner Arbeit, die Freiheit vom Pflanzer erhalte, wobei das Geseß den Pflanzer zwingt, um einen bestimmten festgeseßten Lösungspreis seinen Sklaven frei zu geben. Die Vortheile davon sind Jedem einleuchtend, Nicht so geschah es in den britishen Kolonieen, dort wurden ausgeartete, arbeits\{cheue Neger, ohne den geringsten Uebergang, von der härtesten Sklaverei zu ganz freien Menschen gemacht; sie meinten nun, mit der Erlangung der Freiheit wären sie für immer von der Arbeit entbunden worden. Sie versanken vollends in den Müßiggang und erzeugten alle jene Uebelstände, welche die Vertheidiger der Neger - Sklaverei gegen die Emancipation in den britischen Kolonieen vorbringen,

Anders verhält es si mit dem spanishen Emancipations-System, welches Frankreih nahzuahmen beabsichtigt, Die Erfahrung hat die Vortrefflichkeit des spanischen Systems hinlänglih bewährt, Wäh= rend in den britishen Kolonieen durch die allgemeine plößlihe Eman-= cipation der Neger Elend und Noth erzeugt wurde, sind die spani- schen Kolonieen immer blühender geworden, M daß eigentlich sie es sind, welche die finanziellen Bedürfnisse des Mutterlandes decken. Die Philippinen-Jnsel und die Jnseln Cuba tragen der spanischen Regie- rung weit mehr ein, als das ganze übrige Spanien. Auch erlangt man nah dem spanischen System die Emancipation der Neger, ohne daß dem Staatsschaß dadurch Kosten verursacht werden, während nach dem briti- hen System für die französischen Kolonieen 200 Millionen kaum hinge- reicht hätten. Hätte die französische Regierung hierin dem Beispiele Eng- lands folgen wollen, so wäre bei dem heutigen Stande der französischen Finanzen die Emancipation in unseren Kolonieen kaum in 50 Jahren ausführbar gewesen, während sie nah dem spanischen System in 10 bis 15 Jahren vollbracht sein wird. Dem Verdienste des Admirals Madau i} es zuzuschreiben, wenn das Kabinet diese so komplizirte Frage auf eine so einfahe und natürliche Art zu lösen beabsichtigt.

Grossbritanien und Irland.

London, 15. Mai. Der außerordentlihe Gesandte und be- vollmächtigte Minister der Königin Jsabella 11. von Spanien, Mar= quis von Viluma, isst vor einigen Tagen hier eingetroffen und hatte am 11ten eie Ehre, Jhrer Majestät der Königin in einer Audienz seine Kreditive zu überreichen.

Die gestrigen Sibungen der beiden Häuser bieten in ihren Ver= -

handlungen nur geringes Juteresse. Jm Unterhause ließ die ra- difale Partei durch Herrn Sherman Crawford ihren {hon so oft vergeblih gemachten Versuch, eine Erweiterung des Stimmrechtes bei Parlamentswahlen und dadurch eine unifässendere Vertretung des Volkes herbeizuführen, abermals ohne Erfolg wiederholen, Dr. Bowring unterstüßte den Antrag, der indeß ohne weitere Debatte mit 97 gegen 31 Stimmen verworfen wurde, Eine sehr ausgedehnte Erörterung veranlaßte hierauf ein Antrag des Herrn Watson auf Einsebung eines Spezial-Comité's, das über die Entschädigungs=Zahlungen berichten sollte, welhe gewissen Beamten des Kanzleihofes, nach Eingehung ihrer Stellen, vor einigen Jahren bewilligt wurden. Diese Beamten, die en Six Clerks, 25 an der Zahl, beziehen alljährlich eine Sümme von 25,000 Pfd, Ministeriellerseits wurde der Anträg

bekämpft und demzufolge mit 42 gegen 10 Stimmen verworfett. Im Oberhause hatte eine vom Marquis von Normanby angeregte Beschwerde über eín ee Spionir-System, welches sckch 1n Jr= land die unteren Regierungs-Beamten erlauben sollen, die Folge, daß mehrere auf einzelne Fälle bezüglihe Dokumente dem Hause vorge- legt wurden, welhe die Anschuldigungen als unbegründet erwiesen.

Jhre Majestät die Königin Wittwe wird am 2ten k. M. eine Reise nach Deutschland zu ihren Verwandten unternehmen.

© London, 15. Mai, Die Majorität von 138 Stimmen gegen Lord Ashley's Amendement zur Fabrik=Bill hat alle Erwar= tungen, selbst die der Regierung übertroffen. Sie ist ein s{lagender Beweis der parlamentarischen Stärke der Verwaltung Sir R. Peel's, denn ein größeres Zeichen des Vertrauens zu dieser Verwaltung konnte es wohl nicht geben, als daß auch diejenigen Mitglieder vorgestern die Bill unterstübten, welhe früher zu Gunsten des Lord Ashleyschen Amendements gestimmt hatten, Die Thatsache steht demnach fest, daß Sir R. Peel in dem gegenwärtigen Parlamente allmächtig is, und daß er es so lange bleiben wird, bis die Meinung des Landes, als deren Ausdruck der Wahlköryer betrahtet werden muß, eine an- dere geworden ist.

Jn der vorliegenden Frage indeß konnte man kaum sagen, daß die Regierung in Uebereinstimmung mit der öffentlihen Meinung des Landes gehandelt habe; sie handelte ehrenhaft und ihrer Ueberzeu- gung gemäß. Aber Lord Afhley?s Vorschlag hatte eine populaire Seite, und erfuhr nicht allein aus Humanitäts-Rücksichten, sondern auch aus Religions-Prinzipien kräftige Unterstüßung. Ueberdies wer= den die Grundbesißer von einer gewissen Eifersuht gegen die Fabri= fanten geleitet, welche die Ersteren leiht veranlaßte, die Sache der Arbeiter in dieser Frage zu vertreten. Es is nicht unwahrscheinlich, daß einige Parlaments-Mitglieder, welche für die Regierung gestimmt haben, bei der nädhsten allgemeinen Wahl die Wirkungen ihres Vo- tums empfinden werden.

Während der Debatte im Parlamente haben einige Redner und auch die Times die Frage so dargestellt, als handle es sih darum, ob die Arbeit beschränkt werden sollte oder nicht. Das war indeß keinesweges der Fall, und der beste Beweis dafür is die Verwerfung des Antrages des Herrn Roebuck, welcher in allgemeinen Ausdrücken dahin lautete, daß jede Vorschrift des Staates hinsichtlich der Dauer der Arbeitszeit überhaupt unstatthaft sei. Der Unterschied zwischen Sir James Graham's Bill und Lord Ashley's Amendement lag nicht im Prinzipe, sondern in der Schärfe der Bestimmungen. Das beste= hende Geseß hatte die Zeit der Fabrik-Arbeit für Weiber und junge Leute auf 12 Stunden beschränkt; Lord Ashley verlangte, sie auf 10 Stunden herabzuseßen. Es is also augenscheinlih, daß es sich durh= aus nicht um den von Herrn Roebuck aufgestellten Grundsaß han- delte, und daß man aus der etwanigen Resolution des Parlaments, alle Einmischung des Staates in die Angelegenheiten der Herren und Arbeiter sei unstatthaft, die Nothwendigkeit eines Widerrufs aller in Bezug auf Fabriken bestehenden Geseße und offiziellen Anordnun= gen hätte folgern können.

Herr Roebuck i} ein höchst unpraktisher Gesetzgeber. Der ein=- flußreichse Mann der radikalen Partei, ergreift er jede Gelegenheit, den Tories Verlegenheiten zu bereiten, und noch mehr die Whigs bloszustellen, welhe er noch weniger als die Anderen leiden mag. Demgemäß war sein Antrag so abgefaßt, daß viele Tories und Whigs, wenn sie darüber ihre Stimmen abgaben, sich einer Jnkonsequenz hul= dig machen sollten, Eine derartige Taktik weiß man indeß in Eng= land wohl zu beurtheilen. Man wußte, daß es Lord Ashley Ernst und vaß dic Regierung aufrichtig sei. Das Parlament duldete deshalb den Versuch niht, öffentlichen Charakteren zu schaden, indem man eine vorgeblihe Prinzipienfrage anregte, während die wahre Frage \ich nur auf die ausgedehntere oder beschränktere Anwendung eines schon festgestellten Prinzips bezog. Das Resultat dieser Verhandlungen, so wie es sih seßt herausgestellt hat, is für die britishen Jnteressen ein glüdcklihes, und es würde eine unheilvolle Zeit für England herein= brehen, wenn die Philanthropie dem Handelsrathe ausscließlich präsidirte, oder wenn die Regierung um die Popularität so ängstlich bemüht wäre, daß sie gesunde politische Prinzipien und den Rath der= jenigen, welche mit Ver=praktishen Wirksamkeit des Fabrik = Systems vertraut sind, niht mehr beahten wollte.

Betg iv ens.

Brüssel, 16. Mai. Ein Antrag des Herrn Delehaye, die Diskussion über die Regierungs - Vorschläge in Betreff der Differen= zial-Zölle so lange auszuseßen, bis die Regierung ihre auf den Kom=- missions = Bericht über die industrielle Frage zu begründenden Vor= {läge gemacht haben würde, ist in der gestrigen Sißung der Re- präsentanten-Kammer mit 51 gegen 27 Stimmen verworfen und die Fortseßung der Diskussion auf nächsten Montag, den 20sten, anbe= raumt worden,

Se

& Madrid, 9. Mai. Die Abreise der Königlichen Familie, nah den Bädern von Caldas bei Barcelona ist auf den 20sten fest= geseßt und zugleih beschlossen worden, daß die Abwesenheit von Madrid nur 40 bis 50 Täge dauern soll, Der Minister - Präsident Narvaez und der Justiz-Minister begleiten die Königin, der Marine= Minister Armero wird während der Abwesenheit des Ersteren dessen Geschäfte übernehmen, Ob auch der Finanz = Minister und der des Jnnern hier zurüdckbleiben, is noch nicht entschieden. Die Königin hat den französischen Botschaster, den englischen und neapolitanischen Gesandten einladen lassen, sie zu begleiten, Erst nah erfolgter Zu= rückfunft der Königlichen Familie wird die Auflösung der Cortes und folglih die Einberufung einer neuen Versammlung erfolgen,

Man bezweifelt immer mehr, daß der Marquis von Viluma

eneigt sein werde, in das Ministerium einzutreten, und es hieß, der Sinanz-Minister Mon werde für diesen Fall seinen dermaligen Posten aufgeben und dagegen das auswärtige Departement definitiv über= nehmen.

| Die spanische Fregatte „Cristina““ und die Golette „Cartagenera““ haben \sich vor Tanger vor Anker gelegt, um das Ultimatum der ma= rokfanishen Regierung abzuwarten, Die dortigen Einwohner zeigen friedlihe Gesinnungen und suchen den spanischen Konsul zu bewegen, in ihrer Mitte zu bleiben. -

Am 2ten wurde in der Provinz Almeria eine große Ladung Contrebande ans Land gesebt, Cine Abtheilung Truppen griff die Schleichhändler, deren Anzahl man auf 300 angiebt, an und tödtete ihrer 16; die Uebrigen entkamen, ließen aber die Waaren im Stiche.

Einige der außer Thätigkeit geseßten Offiziere, die sih in dem Depot zu Alcalá de Henares befinden, e verhaftet uud ‘es is von hier ein Kavallerie-Regiment dorthin geschickt worden. L

Griechenland.

2 Athen, 6. Mai. Große Sensation hat hier die Ent=- deckdung einer geheimen Gesellschaft zun Umsturz: der bestehenden Ordnung der Dinge erregt. Die Gesellschaft {eint durch das ganze Land verbreitet und hat auch Zweige in den türkischen Prous nz

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sie heißt „Die große Brüder\schaft“ ( Zuerst hielt man das Game für cine Mostificcliot t