1844 / 158 p. 2 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

j senbahn-Verbindung zwischen der Krakau-Oberschlesischen ged zend ans Vorbereitungen zu treffen. Unter der Leitung des General - Lieutenants Hiller von Gartenstein is zu Görliß am 30, Mai d. J. das provisorische Comité eines Zweig - Vereins der Gustav - Adolph - Stiftung, welcher die ganze preußische Ober -Lausiß umfassen soll, zusammengetreten.

Nhein-Provinz. Die Köln. Ztg. enthält ein Privat-Schrei- ben aus Elberfeld vom 31. Mai, worin mit Belegen nahgewiesen wird, daß sih seit Kurzem im Wupperthal ein lebhafter Sinn für bildende Kunst bethätige. „Jun der schönen Baukunst“, heißt es ferner, „hat man gleichfalls in den leßten Jahren zu Elberfeld einige Fortschritte emacht. Die traurigen dunkelblauen Schieferhäuser werden immer unbeliebter, wogegen sich eine Reihe prachtvoller bausteinerner Pri-= vathäuser im neuesten Geschmack erhebt. Dies findet man namentlich in der Königsstraße und ihren Verbindungsgassenz es is überraschend, wie schnell und hübsch sich dies neue bedeutende Stadtviertel gebildet hat, dessen Mittelpunkt die große katholische Kirche ist.“ Demselben Blatte zufolge, geht man zu Elberfeld mit dem Plane um, dem ver= storbenen Ober-Bürgermeister Brüning ein Denkmal auf dem neuen Markte zu errichten.

AuslaudD.

Deutsche Bundesstaaten

Königreich Bayern. Zu Anfang Juni verweilte eine der ersten militairischen Celebritäten, der K. K. General-Feldmarschall Lieutenant Graf Bianchi, Herzog von Casalanza , der berühmte Be- sieger Murat's, in München. Bereits mehr als siebzig Jahre alt, begiebt sih der alte rüstige Feldherr nah den neuen Bundesfestungen, welhe zum Schuße Süddeutshlands im Bau begriffen sind, Un term 1. Juni wird aus München berichtet, die unlängst oon Sr. Majestät dem Könige niedergeseßte Geseßgebungs-Kommission habe vor einigen Tagen ihre erste Sißung gehalten. Die kissin ger Kurliste vom 1. Juni weist eine Gesammtzahl von 315 Kurgästen nah, dar= unter wiederum beinahe die Hälfte aus England und Schottland, und der russische Gesaudte Herr von Severin. Bereits herrsht reges Leben in Kissingen, und in kurzem erwartet man dort, außer Sr. Majestät dem Kaiser Nikolaus, Se. Königl. Hoheit den Prinzen Al= brecht von Preußen, den Hof von Altenburg und die Kronprinzessin von Hannover, die Königin von Württemberg mit den Prinzessinnen Auguste und Katharine, den Prinzen von Württemberg und andere hohe Personen,

Königreich Hannover. Die neueste Nr. der Geseb= gebung enthält ein Königliches Patent, die Stiftung eines Ehren-= zeichens für die Armee betreffend. Dieses neue Ehrenzeichen hat den Namen „Ernst-Augusts-Kreuz““ erhalten, und nur eine funfzigjährige Dienstzeit in der hannoverschen Armee gewährt Anspru auf Erlan- gung desselben, Se. Majestät der König hat das Ernst-Augusts= Kreuz Sr. Königl. Hoheit dem Herzog von Cambridge, dem General der Jufanterie von dem Bussche, den General-Lieutenants Hartmann, Röttiger, von dem Bussche (zu Hannover), von dem Bussche (zu Stade) und von Berger, so wie noch verschiedenen anderen höheren Militairs verliehen. Die Hannoversche Zeitung vom 5. Juni (Geburtstag Sr. Majestät des Königs) enthält ein Verzeichniß von weiteren Ordens=Verleizungen und Beförderungen.

Großherzogthum Baden. Das Regierungs-Blatt vom 31. Mai meldet die Ernennung des Abgeordneten, Geh. Rathes Schaaff zum Regierungs = Direktor des Unterrheinkreises, Die Dampfschifffabrten der Düsseldorfer Gesellschaft stud seit dem 10, Mai d. J. bedeutend beschleunigt worden, Die Fahrt von Mannheim

nach Rotterdam wird seitdem auf einem, mit allem Comfort aus= gerüsteten Dampfboot in 35 Stunden zurüdckgelegt.

Großherzogthum Sachsen - Weimar. Se. Königl, Hoheit Prinz Karl von Preußen hat am 2, Juni das Großherzogl. Haus mit einem Besuch erfreut.

Großherzogthum Mecklenburg - Schwerin. Die am 30, Mai zu Schwerin eingetroffenen Berichte aus Konstan= tinopel enthalten die erfreulichsten Nachrichten über das Befinden und den Aufenthalt Sr. Königl. Hoheit des Großherzogs. Am 15, Mai sollte ein großes Abschieds - Diner beim Sultan stattfinden ; die Ab= reise von Konstantinopel war auf den 17ten festgeseßt. Se. Königl, Hoheit hoffte, am 24. Mai Malta zu erreichen und am 31sten dort aus der Quarantaine entlassen zu werden, wollte dann auf Sicilien noch einmal den Aetna besteigen und über Neapel und Livorno nach Florenzz nah einem Aufenthalt von mehreren Tagen in dieser kunst= reichen Stadt über Lukka und Genua nach den italienishen Seen und von dort durch das berner Oberland über Schaafhausen nah Stutt- gart gehen, dann aber über Karlsruhe, Darmstadt und Frankfurt nach Meklenburg zurückehren, und hoffte, Anfangs August das geliebte Vaterland wiederzusehen.

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Anhaltische Herzogthümer. Jm Anhaltishen haben

UVebershwemmungen der Elbe großen Schaden angerichtet. Die Fluth stieg so unerwartet, daß an Abwehr - Maßregeln gar nicht gedacht werden fonnte.

Freie Stadt Lübe. Unsere Dampfschifffahrt nah Peters- burg hat eine unangenehme Unterbrechung erlitten. Dem Nasled- nick“’ (Großfürst Thronfolger), welher am 1. Juni von Travemünde abgegangen, sind auf der Höhe von Bornholm die Kessel gesprungen; die Maschine stockte und die Jngenieurs erklärten, die Reise nicht fortseßen zu können. Am 3. Juni ist das Boot nah Travemünde zurückgekehrt, ohne weiteren Unfall erlitten zu haben; am Bord be- fanden sich 14 Passagiere. (Laut der Hamburger Börsenhalle vom 5, Juni ijt der Schaden bald zu repariren, und das Schiff wird schon in ein paar Tagen seine Reise wieder antreten können.)

XckX Frankfurt a. M., 4. Juni, Der Kampf wegen der Wahl des Piabes für das Göthe-Monument hat von neuem begon- nen, und es is nun wahrscheinli, das Monument werde do in die Stadt, und zwar in die Allee kommen, welche aber eigens dazu ein- gerihtet werden muß. Prof. von Launiß is in Paris und will nach seiner Rückkehr mit erneuter Thätigkeit an die Modellirung des Gutenberg=-=Monuments gehen. Prof. Beer hat sein neuestes Gemälde, „ein Mann wird auf dem Felde vom Bliß ershlagen“', der städtelshen Gallerie für 3000 Fl. verkauft, cin Preis, der der Trefflichkeit des Bildes entspriht. Schwind malt auch cin histo- risches Gemälde für die Gallerie des Justituts,

Russland und Polen.

St. Petersburg, 1. Juni, Se. Majestät der Kaiser hat dem Erzbischof von Warschau, Nikanor, wie das Journal de St, Petersburg meldet, „als ein Zeichen hohen Wohlgefallens an der thätigen Sorgsamkeit, welthe dieser Prälat stets für das Wohl der (griechischen) Kirche entfaltet, so wie an der Weisheit, dem Cifer und der Milde, feiner dem Geist und den Juteressen des orthodoxen Glaubens so entsprehenden apostolischen Bemühungen“, ein an der erzbishöflihen Mübe zu tragendes Kreuz in Diamanten verlichen.

Hraunkretdg.

Deputirten-Kammer. Sißung vom 1, Juni. Von Herrn St. Marc Girardin wurde im weiteren Verlauf der De= batten über die Supplementar-Kredite auch die Frage über die grie- chische Thronfolge zur Sprache gebracht.

„Wenn ih mich nicht irre‘“, sagte der Redner, „haben die Gesandten Englands und Frankreichs gegen den 40sten Artikel der neuen gricchischen Verfassung protestirt.“

Herr Guizot: Nein.

Herr St. Marc Girardin: Sobald der Minister e:klärt, daß eine solche Protestation nicht erfolgt ist, nehme ih dic Bemerkungen zurück, die ih in dieser Hinsicht machen wollte,

Herr Guizot: Jch wiederhole meine Versicherung z es i} kein Protest eingelegt worden.

Herr Verrver: Diese Erklärung veranlaßt mih, das Wort zu nch- men, um zu fragen, warum keine Protestation stattgefunden hat. Als Frank- reich sich zu Gunsten Griechenlands bewaffnete, als es so wesentlich dazu

beitrug, die Unabhängigkeit dieses Landes zu sichern, da trat es mit den großen Staaten Europa's in Unterhandlung ; cs unterhandelte mit Rußland und England ; es ordnete die Verhältnisse der europäischen Mächte zu Grie- chenland, als unabhängigem Staat, Man suchte nah einer Garantie für die Zukunst, welche aller Welt eine sichere Bürgschast gewähren könnte, und man glaubte dieselbe in der Wahl des Souverains zu finden, der \päter Griechenland gegeben wurde, Die religidse Frage erhält hier große Wich- tigkeit, Was dic getroffenen Vorkehrungen bet1isst, die Wahl aus der Fa- milie, welcher dieser Souverain angehört, und welche Garantieen darbot, so können diese Garantieen vermisht werden, verloren gchen. Es scheint auch wirklich, daß jene Vorkehrung duch die Klausel der neuen Verfassung vernichtet is, welche verlangt, daß der Souverain Griechenlands sich zur griechischen Neligion bekenne. Dies, scheint mir, kann unserem Lande zut ernsten Betrachtungen Anlaß geben, Jch frage daher, ob der Minister es wohl bedacht hat, daß es Franfreichs türdig und für unser Land heilsam wäre, die Folgen dieser neuen Bestimmung der griechischen Verfassung zu erwägen und darüber zu berathen, inwieweit, nah dem Antheil, welchen wir an G. iechenlands Unabhängigkeit genommen, nach der Hülfe, die wir bei der neuen Begründung dieses Landes geleistet, und nah den Freundschafts- beziehungen, in denen wir zu ihm stehen, eine solche Veränderung seiner Zu- funft in dem constitutionellen Grundvertrage des Landes stipulirt werden fann, ohne uns irgendwie Besorgniß zu erregen.

_ Herr Guizot; Es is dies allerdings eine ernste Frage, die auch die Aufmeiksamkeit der Regierung beschäftigt. Die zwischen verschiedenen euro- päischen Mächten abgeschlossenen Verträge, welche also einen Theil des europäischen Völkerrechts ausmachen, können durch keinen inneren Akt irgend einer Macht abgeändert werden, Der König von Bayern, der bei dieser Frage am meisten betheiligt is, hat Reclamationen in dieser Hinsicht erho- ben, und seine Vorbehalte sind angenommen worden (i] lui a été donné acte de ses réserves), Dies ist Alles, was ich bis jeßt sagen fann,

In den übrigen Verhandlungen dieses Abends kam nichts vou allgemeinerem Juteresse vor. Außer den {hon erwähnten Kredit-Be- willigungen erfolgten auch noch die für das Finanz-Ministerium. Näch= sten Moutag wird das Marine-Departement an die Reihe kommen.

___ Paris, 2. Juni. Die vorgestrige Debatte in der Deputirten- Kammer war eigentlih weniger ein Streit über Buenos - Ayres

und Montevideo, Rivera und Oribe, als ein persönlicher Kampf zwi= schen Guizot und Thiers, zwischen dem Minister der auswärtigen An= gelegenheiten vom 29, Oktober und dem Minister desselben Depar= tements und Conseils - Präsidenten vom 1. März. Der Sieg blieb auf Seiten des Ersteren, obgleich Herr Thiers es sih niht nehmen ließ, das leßte Wort zu behalten. Die Niederlage für diesen war so entschieden, daß Odilon Barrot einige Verlegenheit zeigte und die Opposition, von der man nah dem Anlauf, den sie genom= men, entweder den Antrag auf eine Reduction des geforderten Sup- plementar= Kredits oder wohl gar den Vorschlag einer Erhöhung desselben, um Rivera in seinem Krieg gegen Rosas beizustehen, hätte erwarten sollen, die Opposition machte nicht einmal Miene, auf Ab- stimmung zu dringen. Von dem Schauspiel, welches die beiden Gegner darboten, die ihre staatêmännischen Eigenschaften und ihr Redner= talent an diesem Abend gegen einander maßen, entwirft die Presse folgende Schilderung :

„Unsere Bewunderung für Herrn Guizot is bekanntlich keine blinde und systematische, man wird uns also glauben fönnen, wenn wir versichern, daß niemals seine unbestreitbare Ueberlegenheit über Herrn Thiers mit o viel Glanz hervorirat, Welcher Unterschied zwischen dem Talent des Einen und dem des Anderen! Welcher Kontrast zwischen diesem beiderseitigen Ausdru : der cine sich selbs so beherrshend, stets das Ziel tressend und niemals darüber hinaus\{hweifend, eben so würdevoll als von stolzer Verachtung erfüllt, nicht bis zur Jronie sich herablassend, sondern durch unerschütterliche und unwiderstehlihe, freigebige und feine Höflichkeit sie zu sich erhebend z der andere seiner niht mächtig, sich beständig wiedcrholend, mit Kleinlichkeiten sich \chleppend, in Persönlichkeiten und Beleidigungen ver- fallend und von diesen nur zu Gemeinpläßen und Uebertreibungen si wendend. Hat denn Herr Thiers gar keinen Freund mchr, der ihn darauf aufmerksam macht, daß sein Aerger ihn in die Jrre führt, sein Groll ihn zu Grunde richtet? Ein chemaliger Minister, ein ehemaliger Conseils- Präsident konnte nicht weiter gehen im Vergessen seiner selbst, im Vergessen aller G:undsäte und aller Schicklihkeit. Wird er von diesem Sturz sich crholen? Es darf bezweifelt werden, So viel kann man behaupten, daf, um ihn nunmehr wieder ans Ruder zu biingen, schr ernste Umstände ein- treten müßten, und daß dieser Tag der Vorabend unseliger Ereignisse sein dürfte, Um sich eine richtige Vorstellung von der Sitzung des 31, Mai zu machen, muß man ihr selbst beigewohnt, muß man den ehemaligen Conseils -Prä- sidenten vom 22. Februar und 1, März die Verirrung und Erniedrigung so weit haben treiben sehen, daß er bei jedem Zeichen von Ungläubigkeit, welches scine Worte begleitete, die Kammer aufforderte, sie solle sich, gleich dem Konvent, zum Richter über das Benehmen unserer Konsuln und Ad- mirale bestellen und, ohne daß cine fkontradiktorishe Debatte möglich wäre, die Aussagen ihrer Ankläger entgegennehmen, Man muß es gehört haben, wie Herr Thiers zu wiederholten Malen den Präsidenten eines Staats, mit dem er, als Präsident des 1. März, Unterhandlungen eröffnet und einen Vertrag (vom 29, Oktober 1840) abgeschlossen hatte, wie er diesen als Straßenräuber bezeichnete. Man muß es ge- hört haben, wie Herr Thiers sich zum Vertheidiger der Empörung auf- warf und erklärte, daß die Franzosen, welche dem Verbot des französischen Konsuls zu Montevideo zuwider sich bewaffnet, Necht gehabt hätten, sich der Autorität des Konsuls nicht zu unterwersen, da sie das französische Interesse besser als er hätten beurtheilen können, die National - Ehre besser als der Befehlshaber der Escadre, Vice-Admiral Massieu de Clerval. Man muß es gehört haben, wie Herr Thiers, ein ehemaliger Conseilé-Prâsident und Minister der auswä: tigen Angelegenheiten, auf unsichere Aussagen hin öffentlih den ganzen Ruf eines alten Seemannes brandmaikte und sich niht scheute, das ganze Verhalten eines mit hoher und ernster Ver- antwortlichfkeit belasteten, zweitausend Meilen von scinem Vaterlande entfernten und sich nicht vertheidigen könnendcn Agenten auf die leichtfertigste Weise zu verurtheilen, Man muß es gehört haben, wie Herr Thiers auf der Rednerbühne die Geheimnisse Der Kö- niglichen Raths - Versammlungen verrieth und sich rühmte, 24 Stun- den lang sein Portefeuille abgegeben zu haben, ohne aber zu erklären, warum er es wicder übernommen, wenn doch seine Ansicht nicht durchdrang. Man muß es endlich gehört haben, wie Herr Thiers von den Justructionen sprach, die er dem Admiral Mackau ertheilt, von den Approvisionirungen, die er angeordnet, von der Matrosenzahl, die er von 3 auf 6000 erhöht, von der Expedition, die er anbefohlen u. \. w.,, als ob es damals, unter dem Ministerium vom 1, März, weder Marine-, noch Kricgs8-Minister, weder ein Conseil der Krone, noch eine Negíerung des Königs gegeben. Niemals hat ein Autofkrat die Negierung so selbstisch in seinem Jch personifizirt, nie- mals hat ein Minister so wenig Notiz genommen von seinen Kollegen und sie mit so wenig Nücksicht behandelt,“

Das Jourual des Débats äußert sich mehr mit ironischem Bedauern, als mit ernster Rüge über die Rolle, welche Herr Thiers in dieser Debatte gespielt:

„Herr Guizot erthcilte ihm eine harte Lection. Warum nahm Heir Thiers sie niht mit der muthigen Fassung an, welche allcin scine Nicder- lage bemänteln fonnte? Warum sträubte er sich so gewaltig gegen seinen Sieger? Wozu dicse lange, heftige Rede, die cine bloße Wiederholung war? Wozu diese lächerlichen Herausforderungen, dies ohnmächtige Dro- hen? Wollte Herr Thiers der Kammer Furcht einjagen, weil er sie zu überzeugen verzweifelte? Es is ihm nur gelungen, sie zu ermüden. Er hat nur von neuem bewiesen, wie er die Leichtgläubigkeit seiner Par- tci, die Mäßigung seiner Gegner und die Geduld aller Welt miß- braucht. Nie schien ein fruchtbarer Geist so am Ende seiner Mittel ; nie eine so bewegliche und lebhafte Einbildungs{raft so ausgedorrt und mit Starrsucht geschlagen, Der geistreihe Redner drehte sih im leidigen Zirkel seiner Declamationen vom vonigen Abend und stieß überall gegen die Tiüm- mer scines umgestürzten Gerüstcs. Es war ein peinlihes Schauspiel, ein Schrei der Verzweiflung, s{hmerzlich anzuhören, Vielleicht werden uns die Journale des Herrn Thiers morgen verkünden, der ehrenwerthe Redner habe sich niemals höher aufgeshwungen, und seine Beredsamkeit habe nie einen

Solche, welche die Herrschaft des Geistes und die ewige Freiheit in tas gegenwärtige Leben des Staats hereinzerren wollen, ohne im mindesten die Gewalt der vorhandenen Zustände anzucrkennen. Sie bauen ohne Funda- ment und heißen: Radikale. i

Zum anderen solche, welche die Freiheit des Geistes aufgeben und blos der Nothwendigkeit huldigen, indem sie vergangene Zustände versteinern und die Flügel der Zeit fesseln möchten. Sie bauen ohne Jdce und heißen: Absolutisten. /

Derjenige aber, in welchem sich das Wünschen und Wollen, das ganze Leben des Volkes am meisten und geistigsten äußert; mit anderen Worten:

der wahre Mensch, der feine Parteithätigkeit kennt, ist uns der wahre Staatsmann,

Das Symbol des am meisten staatsmännischen Volkes, das Svymbol der Römer is Janus, der Gott der shönen Gegenwart, der in dem Einen Haupte den Werth der Vergangenheit und Zukunft teägt. So lange das römische Volk sein eigenes Symbol zu deuten wußte, fehlte es nie an sol= . hen, welche das auszuführen verstanden, was das Volk im Jnnern wälzte,

Als aber das Volk zerfiel, herrschten nur di teien ie Herrlichkei dés Reithés war zu Ge herrscch ur die Parteien, und die Herrlichkeit

Genau dieselbcn Parteien, dasselbe Volk, welches wir dogmatisch als

die Elemente jedes Staatslebens bezeihnet hab in ran und Mila nachweisbar seit 1215 M Son S R dgr )hibellinen und Guelfen fämpsten in wilder Wuth um die Herrschaft, "u. hâlien das florcntinische Leben gar zertrümmert, hätte nicht, wie Kopie In Ri Me Volk zwischen den Parteien der kämpfenden weile Bla ite gehalten, und mächtig durch Anzahl, eine ziemlich

feit i f} -geseplih Zügel prr des Jbr g dem allzugewaltsamen Toben zuweilen

/ Endli ab L i Sobnéës e a detggrzangle mit Hülfe des leyten Friedrich's und seines

sche Partei zur M Volk sahe aber bald, daß es a Macht, und vertrieb die Guelfenz das ; : , ch ärger war, als d i Migleih selbst aber ein toiten, Es berief 1250 vie Guelsen zurü, machte macht unter dem Capitano gay t Un tritt nun durch seine Kommunal-

1 popolo und 412 Aeltesten als Schwerpunkt

in ein crweitertes politisches Leben ein, und beginnt die glücklichste Zeit der Kraft nach außen und einfacher Sitte im Junein.

__ Diese ward bald, zuerst jedoch vergcblich, von den Ghibellinen gestört, die Guelfen fügten ih, Allein die Kommune verlor früh schon toieder das echt staatsmännische Gleichgewicht, sie nahm immer mehr die guelfische Parteifarbe, war grausam gegen die Ghibellinen , bis sih diese crmannten und durch die Schlacht bei Montaperti 1260 Florenz wieder in die Hand bekamen und das alte stolze Regiment des ghibellinischen Adels unter einem Podesta wiederhcrstellten und zu Manfred, dem natürlichen Sohne Frie- drich's 11. von Staufen, hielten. Als Gegner riefen nun die allenthalben in Jtalien vertriebenen Guelfen Karl von Änjou herbei, der unerwartet er- schien und Manfred's Sturz herbeisührte. Nun s{höpften auch die Guelfen von Florenz wieder Hoffnung, sie singen wieder Verbindungen in der Stadt an und kamen dort bald zur Macht, Während dieser Versuche ward Dante geboren und tritt hernach, als große Scele schicksalsmäßig hinein- geworfen, ganz im Sinne des Volkes auf, unwirsch gegen beide Par- tcien, den Guelfen noch feindseliger als den Ghibellinen, wie in unseren Tagen am Ende der isolirte große Mensch, der wahre Staatsmann von geringerem Abscheu erfüllt ist gegen den Absolutismus, weil dieser nicht so maßlos sein kaun, selbst wenn er wollte als unsere Guelfen und Nadikale.

Dante's Wille is: die große Zeit der Einfachheit und Kraft, die Macht des Volkes wieder zu heben, und die Macht der Partei niederzuhalten,

Schon in seiner Geburt is diese Stellung ausgesprochen, Er is vom Stamm der Elisäi, die nah und nah ganz men ol people geworden sind, aber durch Heirath mit den Alighieris wicder an den ghibellinischen Adel geknüpft werden. So trägt er {hon durch Geburt und Tradition scines Stammes das Verständniß des Volkes und der Ghibellinen Politif in der Seele, Jnsofern wird ihm dieselbe politishe Stellung, wie sie cin Plato, der Lehrer des Dante, besessen hat. Plato, obwohl aus dem Stamme Solon's, will doch nicht mit der ihm verwandten oligarchishen Partei ope- riren, sondern sucht das griehische Volk wieder zu erwecken, und da dies unmöglich is, entsagt er einer praktischen Wirksamkeit im Staate. Un- gleich ist Dante dem Plato, weil er stets noh hofft, daß sein Volk erwachen werdez überall versöhnt und vermittelt erz gleich i er ihm darin, daß beide nicht gehört und verstanden werden,

Freilich is der Vater Dante's als Guelfe genannt, aber nicht als ent- schiedener Parteimanu, sondern nur so weit das guelfishe Prinzip dem Leben der florentinischen Volksgemeinde mehr zusagte, als das ghibellinische, Scin Vater war deshalb auch während der ghibellinishen Herrschaft unge- stört in Florenz sißen geblieben und bekleidete cine eht volksthümliche neu- trale Stellung als Richter,

__ Dies Volks - Element war zur Zeit der Geburt Dante's (1265) noch so mächtig, daß Karl von Anjou, obwohl von der guelfischen Partei beru- fen, doh nicht wagte, nah Vertreibung der Ghibellinen eine rein guelfische Herrschaft in Florenz einzuführen ; im Gegentheil kehrte er zur alten Regie- rungsweise der Gemeinde zurück, unter 12 Aeltesten und einem Rath von Hundert, Doch geschah dies nur aus Klugheit von Karl, nicht weil er dem Volke freundlich gewesen war, Er war dem Volke vielmehr ein Feind und darum auch Dante verhaßt. Der Eindruck seiner Treulosigkeit, als Führer der Guelfen, der Tod Konradin's war die erste Kindheits-Erinnerung Dante's, die -wohl auch bestimmend auf seine späteren Ansichten wirkte. Dante wuchs also, früh von beiden Parteien abgestoßen, im Volke auf, Eine reine große Liebe zu Beatrice, die gleichfalls einer Familie des Volkes angehört, brachte seine Seele zum Bewußtsein. Unsicher is, ob er verscbul- det oder unverschuldet um sein Lebensglück kam; gewiß is, daß verlorenc Liebe nur um so inniger die Liebe zum Vaterlaude anfachte und der Schmerz ihm die Weisheit öffnete, dic keiner Partei angehört, sondern, ein- fach wirkend, ihn seine ganze Einsamkeit fühlen ließ, Dies ist am Ende das Schiksal jedes großen Menschen,

Die parteilose Stimmung Dante's wurde aber genährt dur den Ein- druck einiger glücklichen Jahre der Nepublik, 1276 hatten sih Guelfen und Ghibellinen endlich zu Florenz versöhnt und war große Freude im Volke, der großes Glück auf dem Fuße folgte, Jmmer mehr konzentrirt sich das florentinische Leben in sich selbst, die auswärtige ghibellinische Politik tritt immer mehr in Hintergrund, das innere Leben der Stadt gedeiht, Man unterscheidet niht mehr zwischen Guelfen und Ghibellinen , nur zwischen Volksgemeinde und Adel,

Allein in kurzem schon macht der Wohlstand den Adel übermüthig. Es entspinnt sih ein Kampf zwischen Adel und Gemeinde innerhalb der

Stadt, bei welchem jedoch der Adel zuerst unterliegt,

glänzenderen Erfolg gehabt; Herr Thiers aber hat zu viel Geist, um sich mit einer solchen Täuschung zu s{hmeicheln, Wenn er in sich geht, so wird sein natürlicher Menschenverstand ihm im Gegentheil sagen, daß er nie einen traurigeren Feldzug gemacht, und daß die Ufer des La Plata ihm nicht günstiger waren, als die des Nil, Jm Grunde aber mögen wir doch noch lieber die Thiersschen Feldzüge in der Opposition, als scine Kriegspläne, wenn er Minister is. Jene kosten weniger, und ihre Folgen machen sich nicht so lange fühlbar.“ ,

Das Journal des Débats lobt die Vorsicht, womit die französishe Regierung, wie aus den Erklärungen des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten sich ergebe, bei Erwägung der ernsten Frage über die Bestimmung in Betreff der Religion des griechischen Thronfolgers zu Werke gehe, weil die Einstimmigkeit, welche die griechische National-Versammlung in ihrem Beschlusse über jene Frage gezeigt, die Lösung derselben höchst shwierig mache.

Ohne revolutionaire Demonstration hat das Leichenbegängniß Laffitte’'s nicht vorübergehen können. Herr Garnier Pagès war es, der am Grabe im Namen der Arbeiter und der Juli = Kämpfer eine Rede hielt, die selbs dem Blatt des Herrn Thiers, dem Constitu- tionnel, zu leidenschaftlich vorgekommen is, und von der das Fournal des Débats sagt: „Wir werden die Rede des Herrn Garnier Pagès nicht mittheilen; wir erweisen dadurh dem Andenken Laffitte’'s größere Achtung, als er es gethan. Das war nicht der Ort, solhe Worte hören zu lassen, Die Rede bestand in nihts als einer der heftigsten und beleidigendsten Declama= tionen gegen die ganze Politik der Juli - Regierung, eine demagogishe Tirade, würdig der revolutionairen Klubs. Es war darin Alles zusammengefaßt, was der zügelloseste Radi=- falismus jemals über die Erniedrigung des Landes, über die Undankbarkeit und Verderbtheit der Regierung, über die Ausbeu- tung des Armen durch den Reichen gesagt worden is. Wiederholter Zuruf aus der Volksmenge, welche die Grabmonumeunte und Bäume ringsumher einnahm, antwortete dieser Appellation an die Volksleiz denschaften.“’ Die France giebt den Männern von 1830 zu beden- ken, daß dergleihen Demonstrationen sehr erklärlih seien. „Wie fonnte ihnen wohl ““, sagt dies Blatt, „der Grundfehler der großen Bewegung jener Epoche entgehen, nämlich daß eine politische Umwäl= zung in sozialer Hinsicht keine Frucht trägt und keine tragen kann, und daß die Revolutionen, als Sprößling der Leidenschaften, sehr bald der väterlichen Obhut sich entziehen und ungerathene Kinder werden. Daraus erklärt es sich auch ganz natürlich, daß das Werk von 1830 seinen Ursprung verleugnet, daß es keine seiner Versprehungen ge- halten, und daß niemals die Freiheit weniger gesichert und mehr an- gegriffen war.“ Auch durch eine tumultuarishe Scene wurde die Bestattung Laffitte’s im leßten Augenblicke noch gestört; doh wurde die Ordnung durch die Munizipal =Garde gleih wieder hergestellt. Einige junge Leute nämlich wollten dem Dichter Beranger die Pferde vom Wagen spannen und diesen selbst nah Hause ziehen. Sie wur= den indeß dur das Einschreiten der Munizipal = Garden daran ver= hindert, Dabei geriethen einige Personen unter die Pferde, andere verloren ihre Hüte, oder es wurden ihnen die Kleider zerrissen. Die Menge drängte sih in dichter Masse um den Wagenz Herr Beranger aber stieg aus, und es gelang ihm, unversehens zu entschlüpfen, worauf er schnell einen anderen Wagen nahm und im Galopp nach

feinem Landsiß zu Passy zurückeilte.

© Paris, 2. Juni, Die Debatten über die Supplementar= # Gelder haben gestern einen unerwartet s{hnellen Gang genommen, seit in der vorgestrigen Sißung der Deputirten-Kammer Herr Latour- nelle den Bericht über das Eisenbahn-Projekt von Paris nah Lyon vorlegte. Wenige Tage früher hatte Herr Dufgure das nämliche in Betreff der Eisenbahn von Paris nah Bordeaux gethan, so daß ge= genwärtig zwei wichtige Eisenbahn-Projekte zur Diskussion bereit vor= liegen, Die Deputirten der dabei betheiligten Departements sind dahin übereingekommen, alles aufzubieten, daß beide Eisenbahn-Pro= jefkte noch vor der Diskussion des Budgets votirt werden möchten, und so werden dieselben wohl auch vor dem Schlusse der Session zur Sprache kommen.

Die Supplementar-Kredite des Departements der Marine wer= den noch zu lebhaften Debatten Anlaß geben, weil sowobl Herr Guizot als Baron Mackau Willens sein sollen, die in der Broschüre des Prinzen von Joinville enthaltenen Angaben über den Zustand der französischen Marine zu bekämpfen und zu widerlegen, Herr Thiers, heißt es, wird die Broschüre des Prinzen vertheidigen.

Ungeachtet der Schnelligkeit, womit die Deputirten-Kammer gestern eine Menge Supplementar- Kredite votirte, sind doch dabei mehrere sehr wichtige diplomatische Fragen berührt worden, Meiner An- sicht nach i} die wichtigste darunter, die in Betreff der griechischen Ver= fassung. Man hat bisher allgemein geglaubt, daß die Höfe von Paris und London gegen den Artikel 40 der neuen griechishen Constitution protestirt hätten, weil, wie Herr Berryer ganz richtig bemerkte, und Herr Guizot zugeben mußte, die griechische Nation nicht befugt is, die Bestimmun- gen des londoner Vertrages, welcher unter der Garantie der Schuß= mädchte steht, zu ändern, und dem Nachfolger des Königs Otto in Betreff des Religions-Bekenntnisses eine Obliegenheit aufzuerlegen, welche im londoner Vertrag nicht enthalten is. Herr Guizot er= flärte, daß Frankreih und England sich darum enthalten haben, eine

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direkte Einsprache gegen den Artikel 40 der neuesten griechischen Con- stitution zu erheben, um niht den Schein zu haben, in die inneren Angelegenheiten Griechenlands sich zu mischen, und daß sie sih nur darauf beschränkten, die vom König von Bayern gegen jenen Artikel erhobene Protestation aufzunehmen. Gut Unterrichtete versichern indeß, daß Hexr Guizot gestern über diesen Punkt nicht alles ge- sagt habe, was er wisse, indem in der That Unterhandlungen zwischen den Schußmächten stattfinden sollen, welhe das Memoran- dum des Königs von Bayern, das Fürst Dettingen-Wallerstein über= reichte, zum Gegenstande haben sollen, so daß bisher hierüber mit dem Kabinet von Athen weder direkt noch indirekt Rücksprache ge-

nommen worden zu sein scheint. : zal Jn der gestrigen Sißung hat Herr Boissy d'Anglas den Mini=

ster der auswärtigen Angelegenheiten gefragt, wie- es mit den ver= schiedenen Geldforderungen stehe, welhe Frankreich an Griechenland, Spanien , Mexiko , Belgien u. st. w._ geltend zu machen hat, Frank- reih hat allerdings von Spauien 85 Millionen in Folge des Krieges von 1823, von Griechenland an 4 Millionen wegen der vorgeschossener Gelder zur Zahlung der Zinsen-Semester, von Belgien 15 Millionen in Folge der französischen Jutervention von 1830 u. st, w. zu fordern. Herr Guizot hat in Betre} Griechenlands und Mexifo's genügende Auf- \hlüsse gegeben, aber in Betreff der übrigen Geldforderungen beschränfte er sich auf die Versicherung, daß die Regierung mit den betreffenden Mächten über die Einzahlung der Schulden unterhandle, ohne jedoch zu bestimmen, in wiefern diese Unterhandlungen ein sicheres Endresultat versprechen. Darum soll die Kommission, welcher die Prüfung des Budgets der Ausgaben anvertraut ist, in ihrem Berichte verlangen wollen, daß die betreffenden Verhandlungen mit größerem Nachdruck geführt werden.

Herr Muñoz, welcher bisher in Paris weilte, is in Begleitung des Marquis von Viluma, welcher das“ Portefeuille des Aeußeren im neuen Kabinet Narvaez übernehmen soll, vorgestern von hier nach Barcelona abgegangen, wo die Königin Jfabella mit ihrer Königli= chen Mutter jeßt eingetroffen sein wird. Man hat viel von einem Besuche, welhen der Graf von Trapani, Bruder des Königs beider Sicilien, dem spanishen Hofe in Barcelona machen würde, gesprochen und zog schon daraus den Schluß, daß die Heirath zwischen der Königin Jsabella und diesem Prinzen ausgemacht wäre. Ein Brief aus Barcelona von sicherster Hand meldet, daß das Gerücht des Besuches des Grafen von Trapani darin seinen Grund zu haben scheine, daß die spanische Regierung in Barcelona mit großer Pracht ein Hotel einrihten ließ, während die beiden Königinnen im Palacio de la Gobernagcion absteigen sollten. Man {loß daraus auf den Besuch irgend eines fremden Prinzen, und beeilte sih, den Grafen von Trapani zu nennen. Allein das auf Kosten des Kabinets von Madrid eingerichtete Hotel in Barcelona i} bestimmt, den neu ernannten Gesandten der Pforte aufzunehmen, welchem die spanische Regierung den \{chmeihelhaftesten Empfang bereitet, und welcher während des Aufenthaltes der Königin Fsabella in den Bä= dern von Coldès in Barcelona verweilen wird. Somit fällt das Gerücht des Besuches des Grafen von Trapani von selbst weg.

Grossbritanien und Irland.

London, 1. Juni. Die ausführlicheren Berichte über die gestern erfolgte Landung Sr. Majestät des Kaisers von Rußland ‘sind heute hier noch niht eingegangen, „Se. Majestät“, schreibt die [Times in einem leitenden Artikel an der Spihe ihres heutigen Blat= Vtes, „werden wahrscheinlih Jhren Fuß auf den Boden Englands ge- seßt haben, wenn diese Zeilen unseren Lesern vorliegen. Die Reise PSr, Majestät von Stk. Petersburg geshah unter dem strengsten Ju= ognito und mit der größten Schnelligkeit. Wenige Stunden Ruhe Fn Berlin und im Haag haben thren reißend schnellen Lauf unter= Wrochen, und zugleich mit dem Eintreffen der Nachricht seiner Ab=

eise von der Hauptstadt wird der Kaiserlihe Gast der Königin Hon England die Schwelle ihres Palastes überschreiten.“ „Ob= #hon““, fährt die Times weiter fort, „die milderen Sitten des Frie= ens und der neueren Gesellshaft Besuhe von Souverainen häufiger geschehen lassen, als in früheren Zeiten, da solhe Zusammenkünfte entweder von einem rohen Streite wetteifernden Prunkes oder einem {hlecht verhehlten Kampfe politischer Eifersüchteleien begleitet sein mußten, so haben diese Ereignisse do einen Charakter angenommen, welcher sie weit mehr den dabei betheiligten Souverainen und Staa= ten zur Ehre gereichen läßt. Sie sind die Versicherungen nicht einer gelegentlihen und außerordentlihen Freundschaft, sondern eines dauernden, ewigen Friedens, Sie sind die glanzvollen Zeichen jener bei der gemeinsamen Arbeit der Welt - Regierung und Welt - Verbesserung nothwendigen Einigkeit der Gewalt, welche die sicherste Bürgschaft für die Dauer und die guten Erfolge dersel- ben is, Sie tragen dazu bei, Vorurtheile zu beseitigen, Verdächti= gungen zu entfernen, jene unverbrieften Bündnisse und hergebrachten Sitten der Treue und des Anstandes zu befestigen, welche das beste Völkerrecht ausmachen, Auch hat es sich wohl noch nicht in der Ge= hihte der Menschheit ereignet, daß zwei Souveraine zusammenge- fommen sind, welche eine so ausgedehnte und unbestrittene Herrschaft auf dem Erdkreise ausgeübt, so viele Hunderte von Millionen zu ihren Unterthanen gezählt, und unter dem Schuße des Himmels einen sto

mächtigen Einfluß auf die Geschicke der Erde besessen haben, als diese Potentaten, welche am heutigen Tage der Hof von England vereinen wird. Zu anderen Zeiten würde eine solche Begebenheit mehr Er- staunen erregt haben; in anderen Ländern dürfte sie vielleicht auh heutigen Tages mehr Aufregung verursachen; aber die Abwesenheit aller pomphaften Förmlichkeiten dient uur dazu, die Courtoisie eines solhen Besuches, und die Würde einer solchen Zusammenkunft zu ver- größern.“ Im weiteren Verlaufe des Artikels freut sih die Times der Stellung Großbritaniens, dessen Freundschaft von deu verschie- denen Souverainen zur Begründung des Wohles der Menschheit ge= sucht werde. „Wir erhalten“, heißt es, „durch diesen Besuch den glänzendsten Beweis dafür, daß die Stellung dieses Landes gegenüber den anderen Staaten und Souverainen Europa's, eine so hohe Stufe der Größe und Würde erreicht hat, daß von den Mächten der Welt die stärksten unsere Freundschaft erstreben, die fernsten unsere Küsten aufsuchen, Mit unserem Bündnisse erstrebt man aber nicht eine Com- bination gewisser politisher Elemente zur Ausführung eines beson- deren Planes, sondern vielmehr die Anerkennung jener großen Prin- zipien politischen Rechts, dessen Verkündigung und Beschüßung die Aufgabe der Regierung Englands is, Auf dieser breiten Grundlage stehen wir, um eine gleiche Gastfreundschaft gegen alle Mächte zu üben, in gleich gutem Einverständniß mit ihnen allen zu leben. Unser Land nimmt einen zu großen Raum in der Welt ein, um ein aus- s{ließliher Bundesgenosse Frankreihs oder Rußlands zu sein, und zu welchen Unternehmungen und Entschließungen man es auch führen mag, es duldet in seiner Politik keine nationalen Vorurtheile, sondern freut sich, wenn es nicht isolirt, vielmehr umgeben von allen anderen Nationen dasteht, und durch deren Achtung, wie dur seine eigene Kraft, die erste Stelle behauptet.“

Die Times vermuthet, daß Se. Majestät der Kaiser Nikolaus zu der Reise nah England vorzugsweise durch das Juteresse veranlaßt worden sei, welches derselbe an den großen mechanischen Erfindungen und den industriellen Fortschritten unseres Jahrhunderts nehme und freut sich des günstigen Eindrucks, welchen in dieser Beziehung Eng- land auf Se. Majestät machen dürfte, während die Jutelligenz und die Persönlichkeit des Kaisers demselben bei dem englishen Volke wiederum den günstigsten Empfang bereiten werde.

Unsere Blätter bringen heute auch die ausführliheren Berichte über das Endresultat des O'Connellschen Prozesses, welches gestern nur nah den kurzen Depeschen aus Dublin vom 30sten gegeben werden fonnte. Es is aus den Verhandlungen der Sibßung dieses Tages die Rede des Richters Burton, welcher das Strafurtheil publizirte, näher hervorzuheben, insofern als sie das Urtheil motivirt und für die Stimmung charakteristisch i. Nachdem in der bereits angegebenen Weise die Sibßung eröffnet war und der General-Pro=- furator beantragt hatte, daß das Urtheil ausgesprochen werde, er- hob sich der Richter Burton sichtlich bewegt mit folgenden Worten:

Es sei, sagte er, eine schr {chmerzlihe Pflicht, das Urtheil des Ge- richt8shofes und die geseßlihe Begründung desselben bekannt zu machen, Das Hauptverbrechen, welhes den Angrklagten zur Last gelegt werde, be- stehe in dem Versuche, die legislative Union mittelst einer Vershwörung abzuschaffen oder aufzuheben, welhe auf Einschüchterung durh Entwickelung großer physischer Gewalt berechnct war. Dicse Einschüchterung und das damit verbundene Streben, Uebelwolten zu erregen, sei der hauptsächlichste und verbrecherischste Theil der Verschwörung, welcher das Urtheil des Gerichts be- gründet habe, „Es ist also jegt meine schmerzliche und höchst betrübende Pslichi““, sagte der Richter, „das Ergebniß der Berathungen des Gerichts- hofes kund zu geben Ein Ergebniß, welches die Freiheit so vieler Männcr antasten wird, die, wic ih glaube insgesammt von einem derselben weiß ih es gewiß hoch in der öffentlichen Achtung stechen. Besonders \chmerz=- lich is mir dies in Bezug auf cinen der Angetlagten, auf dessen Urtheil als Rechtokundiger und wohlunterrichteter Mann ich selbst in einer Sache, wie die gegenwärtige, das höchste Vertrauen seßen würde, wenn dritte Personen betheiligt wärenz in Bezug auf ihn, den Haupt-Angeklagten, wenn man ihn mit den anderen Angeklagten vergleicht; in Bezug auf ihr, der sicherlich selbst mir darin zustimmen wird, daß er sich in einer beson- deren, von jener der Mitangeklagten verschiedenen Stellung befindet. (Hörbares Murren ín allen Theilen des Saales.) Diese haben sein Vergehen getheilt und gemeinsam miíit ihm für die Sache gewirkt, der er sich gewidmet hatte; aber sie haben nach Ansicht des Gerichtshofes aus Achtung für seine überlegene Talenten und Einsichten dazu mitgewirkt, und er hatte überdies eingestandener Maßen übernommen, ihr Führer zu seinz in dieser Beziehung is sein Fall von jenen der anderen Angeklagten zu seinem Nachtheile verschieden. (Bewegung in allen Theilen des Saales, ) Diese Erwägungen vermindern die große Schuld der übrigen Angeklagten, wenn nämlich berücksichtigt wird, inwieweit sie vielleicht zur Verübung ihres Vergehens durch die Achtung bestimmt wurden, in welcher (hier stürzte John O'Connell, .der mit scinem Vater in der Nähe saß, zu den Füßen des Rich- ters und rief: „Erlauben Sie mir, Herr Richter““ —z er sprach jedoch den Say, welcher offenbar dahin lauten sollte, daß cr selbst die ganze Verantwortlichkeit für seine Handlungen trage und daß er dabei blos durch die eigene Ueber- zeugung geleitet worden sci, nicht aus, da sein Vater ihm gerührt die Hand auf die Achsel legte und in ihn drang, seinen Siß wieder einzunehmen.) Der Richter fährt fort: „Einer der Angeschuldigten is der Sohn des Haupt-Angeklagten, und Letzterer wird selbst einsehen, daß die nahe Ver- wandtschaft mit ihm mildernd zu Gunsten des Sohnes spriht. Noch muß ih eines Umstandes in Bezug auf den Haupt - Angeklagten erwähnen, des Umstandes nämlich, daß derselbe bei den zahlreichen Monster-Versammlun- gen, welche er zur Förderung scines gesezwidrigen Einschüchterungszweckes hielt, durch sein großes und unwiderstehlich wirkendes Ansehen alle Exzesse und jeden Friedensbruch zu verhindern wußte, Jch bin überzeugt, daß dir

Das Volk aber läßt sich bereden, den Adel von Pistoja, der sih als Weiblinger und Welfen gegenübersteht, in die Mauern von Florenz aufzu- nehmen, um Pistoja zu beruhigen. Pistoja wird allerdings ruhig, allein der florentinische Adel, gestärkt durch die Antkömmlinge, spaltet sich selbst wieder. Weiße und s{warze Guelfen, Cerchi und Donati, Gemäßigte und nicht Gemäßigte, stehen sich gegenüber und suchen Jider für sich die Herrschaft,

Vergeblih wendet sih die Volksgemeinde an den Papst um Vermitte- lung. Schon hat das System jeder Partci die Verdächtigung begonnen;z die weißen Guelfen sind beim Papst verleumdet als Ghibellinen, die schwarzen Guelfen nennen sich allein Guelsfen, So sehr is das Wesen und die Erscheinung der beiden Parteien nothwendig, - sobald das Volk schwach wird. Nicht vergeblich sucht Dante, dem Einheit über Alles geht und Zwiespalt verhaßt i}, der fremden Einfluß fürchtet, die Vo!ksgemeinde um die Stadt- fahnen zu versammeln, damit sie selbst den Streit ihres Adels \chlichte. Sie richtet und verbannt die Häupter beider Parteien, geräth aber dadurch in Streit mit dem Papst, der Florenz mit dem Juterdikt belegt.

Allein nicht lange hielt die Kraft des Volkes, sie wih den durch den Papst und Karl von Valois unterstüßten Schwarzen, denen ebenso daran gelegen war, die Männer der Volksgemeinde, wie Dante, als die Männer der Adels-Partei der Weißen zu vernichten. Die Stadtämter wurden der Volkswahl entrissen, Dante und die Weißen verbannt. Dic Weißen, weil gemäßigt, standen Dante näher, gleihes Schicksal mochte sie noch mehr befreunden. Jedoch {loß er sich nur an den Theil dieser Partci an, welcher dem Volks-Element verwandter war, an die sogenännten Ghibellini verdì, eine gemäßigte Mittelpartei, welche sich nicht direkt gegen das Papst- thum auflehnte, wie die entschiedenen Ghibellinen , sondern nur auch die Macht des Kaisers bewahrt wissen- wollte, die von je Stüße der Volkë- gemeinde in Deutschlands wie in Jtaliens Städten gewesen war.

Jn Florenz selbst aber wüthete die Partei der Schwarzen, so daß Jeder, der ein Herz für sein Volk hat, den Grimm Dante's verstehen wird, auch ohne daß man ihn zum Ghibellinen stempelt , selbst wenn es erwiesen wäre, daß er den vergeblichen Versuch der Weißen, nah dem Tode des vas rent sih mit den Waffen ihrer Vaterstadt zu bemächtigen, ge-

eilt hat,

Der Mensch, der von sich sagen durfte: „Wenn ih von Florenz gehe, wer bleibt; wenn ih bleibe, wer geht“', konnte auh von sih sagen: „Mir wird es Ehre sein, Partei für mich allein gemacht zu haben“’z und wer die eherne Hand betrachtet, welche die Komödie schrieb, wird nicht daran denkcn, daß ein so selbstständiger Mann dem innersten Bedürfniß seiner Natur, die jeder Partci fremd war, sei untreu geworden. ,

Erst lebte der Dichter in der Verbannung zu Bologna, von 1306 in Padua, und trat überall mit Männern beider Parteien in Verbindung. Dies lann uns nicht wundern, denn überall sucht die stolze Gestalt, die zwischen den Parteien durchschreitet, und mit jeder unterhandeln darf, nur Friede, nur Vermittelung. Alle seine Gesandtschaften, alle seine Briese gehen auf Lösung des Zwiespalts und Beruhigung seiner Vatet stadt.

Wäre aber auch der Vorwurf gegründet , daß Dante grimmig über ungerechte Verbannung seine Vaterstadt gehaßt und ihrer vergessen hätte, so darf man nicht überschen , daß eine so große Natur nicht blos Florenz gehörte, sondern seine Bestimmung als Retter und Friedebringer Jtaliens fühlen mußte, Er glühte für die ungetrennte Nationalität Jtaliens, er haßte, wie hernach Machiavelli, Alles, was die Zerstückelung und Zeiklüf- tung der italischen Nationalität herbeiführte, sei es das weltliche Regiment des Papstes , sei cs eine zeitweilige falsche Politik seiner Vaterstadt, sei cs die Politik der deutschen Kaiser, Jtalien mußte, Kaiserlich und päpstlich verwaist (die Päpste waren in Avignon), eben die bitteren Früchte aller Fehler genießen, welche Päpste, Kaiser und Volk begangen hatten. Auf die Gefahr hin, für einen Shwärmer gehalten zu werden, wagte es Dante, die Noth- wendigkeit eines allgemeinen Kaiserthums darzuthun, das Anrecht scincs, des rö- mischen Volkes daran zu erweisen, und dies Kaiserthum sür unabhängig vom Papst und für unmittelbar unter Gottes Leitung stehend, zu erklären. Beide Mächte, die geistliche und die weltliche, sollen die zwei leuchtenden Sonnen der Erde, die zwei Hüter der Christenheit sein.

So fkolossal diese Jdce auftritt, so gewaltig das Bewußtsein in Dante war, daß er nicht blos für Florenz, nicht blos für Jtalien, sondern für die ganze Welt und für alle Zeiten eine Bestimmung habe, o tritt bei ihm doch nirgends ein Kosmopolitismus auf, wie ihn die neuere Zeit als Jdeal hinstelt, Er weiß nichts von diesen unstätslatternden Jdeen, das

Größte, was er gedacht hat, ruht stets auf dem Gefühl der Nationalität,

hierin liegt der Nerv seiner Natur; darin wird auch die Lebenskraft jedes wahren Staatêmannes überhaupt beruhen. Ein weltbürgerlicher Staats- mann ist eine Lächerlichkeit, und nur das 19te Jahrhundert ist so klug, von einer Lächerlichkeit Erlösung zu hoffen.

Deutscher Verein für Heil - Wissenschaft.

In der Mai- Versammlung des Vereins theilte Herr Hertwig über die frebshaften Uebel der Hausthiere, namentlih über den Scirrhus mammae der Hündinnen, mit, gegen welchen die Operation, frühzeitig ausgeführt, sich entschieden hülfreih erweist. Hierau knüpfte derselbe cinen Vortrag über die Beschälkrankheit der Pferde, nah welchem die von Einigen behauptete Analegie dieser Krankheit mit der Syphilis der Menschen abgewiesen wer- den müßte. Es entspann sih ferner eine mündliche Unterhaltung über Tu- berfelbildung und flimatische Krankheiten, namentlih über Wechselfieber in den verschiedenen Zonen, an welcher die Herren Link, Sinogowiß, Hecker und Andere Theil nahmen,

ch4 Aus dem Haag, 1. Juni. Der hier verweilende Oberst N. aus Bern, Offizier der Ehrenlegion, hat in seiner Wohnung ein sehr in- teressantes Kunstwerk zur Anschauung für Freunde antiker Kunst ausgestellt. Es is ein in Holz ausgearbeitetes massiv mit Gold überplattetes Basrelief, das die vier Erzengel und in der Mitte Christus in ganzen Figuren (Stand- bildern) darstellt, und 55 Fuß breit, 4 Fuß hoch is, Der Werth wird von Kennern auf 150,000 Fr, geshägt, Das Basrelief ist, w e Dokumente be- weisen, in Auftrag und noch bei Lebzeiten Heinrichs 11. zu Basel gemacht und zierte dessen Haus - Kapelle, Heinrich U. und seine Gemahlin Kuni- gunde sind zu des Heilands Füßen in betender Lage angebracht, Oberst N. beabsichtigt, diescs Merkmal byzantinischer Kunst dur eine Lotterie zu ver- äußern und sammelt die Subscriptionen kunstsinniger Monarchen und rei- cher Privaten,

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