1844 / 220 p. 2 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

i anzig bestimmt, in der größten Gefahr. Jn Weh-= On, E in 9, Frau mit Kähnen in den Straßen. Die fortwährenden Winde und Stürme aus West, Süd=- und Nordwest während des Juni und Juli haben das Haff durch die Ostsee der= maßen angestaut, daß es sein Bette an der sogenannten lithauischen (östlihen) Seite übertreten und Alles überschwemmt hat. Nach Berichten vom 5. August ist das Wasser der Weichsel und Nogat im

Fallen, der Elbingflu dagegen wieder gestiegen.

Provinz Schlesien. Die Schlesische Chronik enthält folgenden, aus Breslau vom 1. August datirten Artikel: „Der Mi-= nister des Jnnern hat unterm 25. Juni d. J. an sämmtliche Ober= Präsidenten (mit Aus\hluß des der Rhein - Provinz) eine Verfügung erlassen, worin die Ansicht einer Stadtverordneten-Versammlung, daß die Königl. Kabinets-Ordre vom 19. April c. über die Veröffent- lichung der Seis lie städtisher Behörden und Ver-= treter die Königlichen Festsebungen der Städte-Ordnung und der Instruction für die städtischen Vertreter beschränkt habe, als auf einem Mißverständniß beruhend erklärt wird. „,„Jn denjenigen Städ- ten‘, heißt es in dem gedachten Reskript unter Anderem, „„,, in welchem die Städte-Ordnung vom 19. November 1808 gilt, bedarf es der Genehmigung des Magistrats zu der Veröffentlichung der Gut-= achten über die Verwaltung eben so wenig, als solhe zum Ab- drucke der in §. 14 der allegirten Jnstruction bezeichneten ne über Gegenstände bevorstehender Berathungen erforder- lih is. Die Allerhöchste Kabinets - Ordre vom 19, April d. J. hat daher in den betreffenden Vorschriften der Städte - Ordnungen nichts geändert, noch beschränkt, sondern die Gegenstände, welche in geseß= liher Weise veröffentliht werden können, nur vermehrt. “““ Somit isst allen städtischen Behörden und Vertretern, die si mit ihrer Passivität, Bequemlichkeit oder Oeffentlichkeitssheu hinter die angeblichen Beschränkungen der Königl. Kabinets-Ordre vom 19. April d. J, zurückziehen wollten, die Verschanzung weggenommen, und sobald die Bürger einer Kommune darauf bestehen, wird diesem Fortschritt der Oeffentlichkeit in städtischen Angelegenheiten nicht länger ein Hinderniß entgegengeseßt werden können.“ Ju den leßten Konferenzen des breslauer „Vereins zur Abhülfe der Noth der Weber und Spinner“ ist beschlossen worden, 300 Ctr. Flachs von ausgezeichneter Qualität aus Preußen anzukaufen und ihn vorschußweise an die Lokal-Vereine zu vertheilen, damit eine zweckmäßige Unterstüßung auch der Spinner erzielt werden fönne, zumal da die diesjährige Aerndte wenig Hoff- nung darbietet. Zu Reinerz sind am 2. August 5 Menschen dur den Einsturz cines Brandgiebels getödtet und mehrere shwer verwundet worden.

Provinz Posen. Die von Posen nach Erdmannsdorf entsandten Deputirten erhielten am Tage ihrer Ankunst daselbst (31, Juli) eine Einladung zur Königlichen Tafel, bei welcher Gele= genheit Jhre Majestät die Königin sich über die Allerhöchstihnen be- wiesene Anhänglichkeit und Liebe auf huldvolle und ergreifende Weise äußerten,

Nuslaunu d.

Deutsche Bundesstaaten.

Königreich Bayern. Se. Majestät der König hat von Palermo aus für die Verbesserung der Soldaten -Menage folgende Bestimmungen zu geben geruht: Bei einer täglichen Einlage in die Menage von 5 Kr. soll der Soldat, sobald das Psund Ochsenfleisch auf 11 Kr. gestiegen ist, bei jedem Kreuzer, den es mehr kostet, einen

halben Kreuzer Theuerungs-Zulage erhalten, überdies sollen die bis= .

her zur Unterstüßung von Unteroffizieren und ihren Familien verwen= deten Ersparnisse bei dem Holzverbrauhe in den Kasernen, welche niht unbedeutend sind, der Verbesserung der Menage zugewendet werden eine Verfügung, welche, wie der münchner Korrespondent der Augsb. Allg. Ztg. sagt, den bayerischen Soldaten rüdcksihtlich seiner Nahrung so gut oder besser stellen dürfte, als es irgendwo der

Fall ist.

Königreich Sachsen. Am 5. August fand zu Leipzig eine Versammlung des dortigen Haupt - Vereins der Gustav-Adolph= Stiftung statt. Demselben haben sih bisher 39 sächsische Zweig= Vereine angeschlossen. Die Jahres - Einnahmen betrugen etwas über 6000 Rthlr. Von der Masse der eingegangenen Unterstüßungs= Gesuche konnten der Kürze der Zeit wegen nur einzelne mitge= theilt werden ; B gaben, wie die Deutsche Allgemeine Zeitung bemerkt, der Versammlung ein trauriges Bild von der fläglihen Hülflosigkeit und Bedrängniß vieler protestanti- {hen Gemeinden, namentlich in den östeirreihishen Staaten und in Bayern. Die Versammlung bewilligte von den ihr zur Verfügung stehenden Geldern einen Theil zur Unterstüßung zweier Gemeinden in Oesterreih, einen anderen Theil überließ sie der am 8. August in Chemniß stattfindenden Versammlung sämmtlicher zum leipziger Haupt-Verein gehörigen Zweigvereine zur beliebigen Dispo- sition. Der von einem der Anwesenden gestellte Antrag, es möchten von der Central - Verwaltung des Vereins alle geeigneten geseblichen Mittel ergriffen werden, um eine Aufhebung des bayerischen Verbots zu ermöglichen und au dort nothleidenden Protestanten zu Hülfe zu fommen, ward einstimmig angenommen.

Königreich Hannover. Der in Kassel erschienenen Ueber= seßung der „Memoiren des Herzogs Karl von Braunschweig “' ist in Hannover der Debit versagt worden.

Königreich Württemberg. Die Organisation des „Würt- tembergishen Handels-Vereins““ ist in so fern vollendet, als die vier von den Statuten vorgeschriebenen Privat - Handels - Kammern des Landes gewählt und konstituirt sind. Die Mitglieder dieses Vercins haben sich durch ihren Beitritt zu demselben verpflichtet, Streitigkei= ten über Handelsgegenstände, in welche sie verwickdelt werden, mögen sie Kläger oder Beklagte sein, zur Entscheidung vor die Schieds-= gerihte, resp. die betreffenden Handels-Kammern zu bringen. Der Schwäbische Merkur macht die sehr groge Zahl der Vereins= Mitglieder bekannt, Die vier Privat-Handels-Kammern oder Schieds=- 7 iliadis sih in Stuttgart, Heilbronn, Ulm und Reut-

en.

Großherzogthum Hessen. Die Inschriften am Ludwigs- Bun ind beendet, Die va B esten lonie Fs dem T en s Volk‘; die na ten enthält die Angabe der Tage

der Grundsteinlegung und o Eig, : h

, Großherzogthum Oldenbu Der G eine Reise nah d A, D rg. er Großherzog hat bn Beg Lebte angetreten (Um 3, August traf S

Großherzogthum Sachsen - Weim i E 7 ei . Gesandtschaft in Weimar hat L 31, Juli butani Maat Ta

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nachdem im Königreich Polen die dortige Regierung über keine Grund- stücke mehr zur Aufnahme fremder Einwanderer zu verfügen habe, Leßtere sih niht mehr auf Krongütern niederlassen können, mithin auch in Zukunft bei der betreffenden Gesandtschaft keine Pässe dieser Art mehr visirt werden, Nur wer einen Vertrag mit einem Guts= herrn im Königreiche Polen unter Beiziehung der amtlichen Behör- den des Königreichs abgeschlossen und den Beweis dafür vorlegen kann, erhält das erforderlihe Visa. Dasselbe gilt auch von Hand= werkern und Fabrik=Arbeitern.

Landgrafschaft Hessen-Homburg. Dem Frank- furter Journal wird aus Homburg unterm 4, August berichtet : „Von den hohen hier weilenden Gästen hat Se. Königl. Hoheit der Prinz von Preußen uns gestern auf einige Tage verlassen. Se, Königliche Hoheit wohnt, dem Vernehmen nah, heute in Koblenz dem Dank-Gottesdienste bei, welher dort aus Anlaß des wunder= baren Schußes gehalten wird, der dem Könige und der Königin von Preußen bei dem Mordanfalle am 26sten v. M. durch die göttliche Vorschung zu Theil geworden is. Der Prinz wird sodann, die Zwischenzeit bis zu den Manövern in Preußen benußend, wahrschein- lich einen kurzen Besuch in England machen, Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin aber bis zu dem Ende Jhrer angefangenen Kur hier verweilen, Was von einer Reise Höchstderselben nach England in öffentlihen Blättern gesagt worden, beruht \sonach auf einem Jrrthum,“

Oesterreichische Monarchie.

(J Wien, im Juli, Unser Magistratsgebäude, das erst un= längst mit würdigeren Lokalitäten für die Civil = Justiz verschen wor= den ist, bekommt nun von außen einen den Geseßen der Aesthetik ent= sprechenden, reht freundlihen Anstrih. Wir begrüßen dies mit Freu- den und als Vorzeichen, daß nun auch das innere Walten besser ein= gerichtet werde, wobei das der Manipulations=-=Aemter vor Allem zu nennen i. An diesem bricht sich selbst die Energie der Kollegien, weil eine noch so prompte Beförderung vom Rathstische nichts nüßt, wenn sih der Bittsteller niht dazu versteht, dem ersteren seine Huldigungen darzubringen. Die wichtigsten Afte im Grund= buchs-Amte z. B. bleiben unter dem Vorwande, daß keine Zeit zum Vollzuge vorhanden sei, wochen-, ja monatelang unbefolgt liegen, ob= {hon der Auftrag des Rathstishes an Eile mahnte und triftige Gründe für die Meinung vorhanden sind, daß der vorgeschüßte Zeit- mangel leicht beseitigt werden fann. Dasselbe gilt vom Expedite, der Buchhalterei und besonders vom Jnstitute der Gerichtsdiener. Die darüber von Allen, welche mit diesen Hülfsämtern in Berührung fommen, ertönenden Klagen treffen auch die Rathstishe, wenigstens in- sofern, als die Heilung von ihnen ausgehen sollte und in ihrer Macht läge, da sie nur dauernde Energie und verdoppelte Wachsamkeit er= fordert. Die Stelle eines Direktors der Gymnasial-Studien is er= ledigt. Möge die Wahl dazu einen Mann treffen, der den traurigen Zustand unscres Gymnasiums ganz erfaßt und die Krast besißt, seine wesentlichen Gebrechen festen Muths aufzudecken und zu beseitigen. Wie verlautet, liegt der von der Gesebgebungs-Hof-Kommission aus- gearbeitete Entwurf zu einem neuen Handels = und Wechselrehte hon längere Zeit dem Staats-Rathe zur Prüfung vor,

A Aus Ungarn, Ende Juli, Die Fabrication des Zuckers

_aus Runkelrüben sind in unserem Lande große Kapitalien zugewendet

Eworden, aber allgemein verlautet die Klage, daß sich dieselben nicht

rentiren, Den hauptsächlichen Grund davon, den Mangel au geh&=- rigen Kenntuissen, beweist am besten die dem Grafen Karl Forgäeh

F gehörende Zuer - Fabrik zu Ghymes, welche sih im besten Betriebe

# und in jährliher Ausdehnung befindet, Der Graf hatte mit seinem Kennerblicke zur Direction in Berlier einen Mann erkoren, der, aus Frankreich stammend, die Fabrication genau kennt, mit den Wegen des Handels sehr vertraut und grundehrlih is. Dieser huf die große Fabrik und überrascht mit seinen Erfolgen ganz Ungarn,

Frankreich.

Paris, 3. Aug. Die otaheitishen Angelegenheiten haben in den leßten Tagen das Interesse für die Ereignisse an der marokka=- nischen Gränze fast in den Hintergrund gedrängt. Das Ministerium wird von der Oppositions= Presse der Feigheit und Unempfindlichkeit für die National =- Ehre beschuldigt, besonders im Gegensaß zu der Haltung der englischen Minister in dieser Sache. Sir R. Peel und Lord Aberdeen, sagt man, zaudern keinen Augenbli, eine feierliche Erklärung abzugeben, um die öffentlihe Meinung ihres Landes zu= friedenzustellenz sie verhehlen uiht, Nachrichten von Otaheiti erhalten zu haben, sie sprechen ihre Ansicht über das Geschehene ausz sie zeigen an, daß sie Genugthuung gefordert, sie übernehmen also die Veraut- wortlichkeit für die Gewährung dieses Verlangens. Der französische Minister dagegen trete furhtsam und zitternd vor die Pairs-Kammer mit dem lächerlihen Mährchen hin, daß es ihm an Nachrichten fehle, daß die Zeitungen mehr wüßten als erz während ganz England den Missio- nair Pritchard, troß seiner gewaltsamen Handlungsweise, in Schub nehme, blos weil er englisher Konsul gewesen und Engländer sei, finde Herr Guizot kein Wort zu Gunsten der französishen Offiziere, des Gouverneurs und des Kommandanten der Gesellschafts -Jnseln, die stch durch das unwürdige Benehmen eines leidenschaftlihen und hartnäckigen Feindes zu strengen Maßregeln genöthigt gesehen, und er verwünshe den Zufall, der die Neuigkeiten aus Otaheiti nh zwei oder drei Tage vor dem Schluß der Session nah Frankreich gebracht, Die eine Regierung also stolz und kühn, Genugthuung fordernd, ohne viel nah der Gerechtigkeit ihrer Sache zu forsdent die andere de- müthig und lahm, um Zeit zum Nachdenken bittend und sich bemü- hend, ein Unreht aufzufinden, für welches sie um Verzeihung ersuhen könne. Ein solches Raisonnement kann nicht befrem- den, da die Opposition in der Besibnahme von Otaheiti selbst und in der Abseßung der Königin Pomareh kein Unrecht erkennen will und gegen diesen ersten Gewaltschritt freilih jeder spätere als unbedeu- tend erscheinen muß. Was aber die Vergleichung mit dem Beneh- men der englischen Minister anbelangt, so hätte die franzbsishe Dp- position dieselbe auch weiter verfolgen und auf sich und ihre britischen Kollegen ausdehnen sollen, um aus der ganz anderen nationalen Hal= tung der Lebteren bei ernsten Fragen der auswärtigen Politik, welche dort nie anders als mit gemessener Würde auch von den Gegnern der herrshenden Partei behandelt werden, die Verschiedenheit in dem parlamentarischen Auftreten der beiderseitigen Regierungen sich zu er- flären. Jm vorliegenden Falle haben indeß allerdings auch Männer, von deren Seite man keine \chikanenhafte Opposition vorauszuseßen hat, wie gestern in der Pairs-Kammer Herr Charles Dupin, zur Vertheidigung des Verfahrens der französischen Behörden auf Ota= heiti das Wort nehmen zu müssen geglaubt, edoch ohne auf den Ur= sprung der jeßt dort bestehenden erhältnisse zurüzugehen. Wenn aber au die Handlungsweise des Gouverneur Bruat und des Kom- mandanten d’Aubi Vg gegen den Missionair Pritchard sih rehtferti- gen lassen mag, ; ald man davon ausgeht, daß für sie zu jener Veit die franzöfische Occupation von Otaheiti eine vollbrachte That- sahe war, so wird dohch, wenn die Frage zwischen Frankreich und England zur Verhandlung kommt, die Angelegenheit von einem an- deren Standpunkt aus behandelt und dabei auf die Quelle der ent-

standenen Differenzen, näwlih auf die völkerrehtlihe Frage über die Besibnah on den Gesellshafts-Jnseln, zurückgegangen werden müssen. Diesên Punkt hat Herr Ch. Dupin gestern ganz außer Acht gelassen, als er bei Gelegenheit des Geseß-Entwurfs über einen außerordentlichen Marine-Kredit, über den er den Kommissions=- Bericht erstattet hatte, sih, veranlaßt durch eine Juterpellation des Marquis von Boissy, in Abwesenheit des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten folgendermaßen über die Sache vernehmen ließ: „Es ist gestern eine Nachricht von England eingetrofen und dur unsere Blätter nebst Ueberseßungen offizieller Aktenstücke verbreitet wordenz ih trage aber fein Bedenken, zu erklären, daß diese Doku= mente der Ehre des jenseits des Kanals so lebhaft angegriffenen Marine-Offiziers nicht im geringsten zum Nachtheil gereichen, Diese Aktenstücke beweisen, daß der besagte Offizier (Capitain Bruat) ein Mann von Herz ist, ein Mann, der den Absichten der Regierung ge= mäß gehandelt hat. Nachdem er von der Regierung den Befehl er= halten, Otaheiti zu verwalten, hat er dies Land so verwaltet, wie seine Pflicht es ihm vorshrieb. Er is auf Hindernisse von Seiten eines Mannes getroffen , der, nicht seinen Charakter als Gesandter, sondern seinen Charafter als bloßer Konsul oder vielmehr Handels= Agent, dazu mißbrauchte, Jutriguen zu nähren und den Haß der Ein-= geborenen gegen die Franzosen aufzuregen. Jch sage, die Regierung von Otaheiti (d. h. der französishe Gouverneur) durfte niht Anstand nehmen, Hand an einen Mann zu legen, der so auf frischer That betroffen wurde. Und doch befahl der Gouverneur noch, mit allen möglihen Rücksichten gegen einen Mann zu verfahren, der sich selbs außerhalb des Gesebes gestellt hatte, und nah sehr kurzer Haft ließ er denselben auf ein englisches Schiff hin- überbringen. Mag immerhin das englische Parlament von diesen Thatsachen Kenntniß genommen haben. Es giebt in der Majorität beider Parlamentshäuser gerechte Männer genug, welche anerkennen werden, daß der Gouverneur von Otaheiti sich in seinem Rechte befand, Dies is, meiner Ansicht nach, der wahre Stand der Dinge, und wenn der Offizier, von dem es sih handelt, unter uns angeklagt werden sollte, so würde ih ihn auf der Tribüne vertheidigen, von welcher Seite auh die Ankiage ausgehen möchte.“ Dieser Vortrag wurde öfters von lebhaften Beifallsbezeigungen unterbrochen, und als der Redner die Tribüne verließ, empfing er die Glückwünsche mehrerer Pairs, Der vorliegende Geseh-Entwurf erhielt dann mit 91 gegen 4 Stim-= men die Genehmigung der Kammer, nahdem Marquis von Boissy einen vergeblichen Versuch gemacht hatte, die Diskussion über die ota- heitishe Angelegenheit noch weiter fortzuseßen. Eine andere öffent- liche Demonstration in Bezug auf diese Sache fand gestern in der Oper statt. Es wurde „Karl V1,“ von Halevy gegeben, und im zweiten Akt forderte das Parterre laut den National-Gesang: „Krieg den Tyrannen! nimmer soll in Frankreih England herrschen !“ Die Direction ließ darauf anzeigen, daß das begehrte Musikstück zu An= fang des dritten Aktes ausgeführt werden solle. Dies geschah ; Duprez, Levasseur und der Männer-Chor trugen dasselbe vor; es folgte stür= misher Applaus, und der Gesang mußte wiederholt werden. Graf Molé is gestern Abend nah Neuilly gerufen worden; er hatte eine Besprechung mit dem Könige, die an drei Stunden dauerte. Man glaubt, daß dieselbe sich auf Otaheiti bezogen habe, und es verbrei- tet sih zugleih das Gerücht, im Minister-Conseil sei entschieden wor= den, daß drei Svezial-Kommissarien, aus den Mitgliedern der beiden Kammern und dem Staats-Rath gewählt, nah jener Jnsel abge- \hickt werden sollten, um eine Untersuchung über die jüngsten Ereig= nisse anzustellen, Dieser Beschluß, heißt es, wäre bereits dem engli=- schen Botschafter, Lord Cowley, eröffnet worden. y : :

Nach Privatbriefen aus Gibraltar vom 21. Juli \heinen die Resultate, die man sich von der Mission des englischen General-Kon - suls Hay an den Kaiser von Marokko versprach, sih noch zu verzö= gern. Herr Hay hatte zu Mogador auf die Erlaubniß des Kaisers zur Fortseßung seiner Reise warten müssen und fonnte diese Stadt erst am 10. Juli verlassen. Gleichzeitig erhielt der maroffanisde Konsul zu Gibraltar ein Schreiben, welches ihn benaqrichtigte, daß der Kaiser im Begriff stehe, Marokko zu verlassen, um sich nach Fez und Mequinez zu begeben, um der Gränze näher zu sein und seine Unterthanen besser zu überwachen und in Gehorsam zu halten, Fez und Mequínez liegen nur eine halbe Tagereise von einander, und Mequinez is der Sammelplaß zahlreiher Truppen - Corps. Wahr= cheinlich wird also Herr Hay bei seiner Ankunft zu Marokko den Kaiser dort nicht mehr getroffen haben. Der Konsul erklärt, daß, wenn im Fall eines allgemeinen Truppen-Aufgebots die verschiedenen Distrifte ihre Kavallerie-Kontingente stellen, der Kaiser 100,000 Rei= ter, darunter 5000 prächtig ausgerüstete Schwarze, zu Fez und Mequinez würde versammeln können. Die maurische Kavallerie hat keine Jntendantur ; jeder Reiter führt Provision für 20 Tage bei sich, Die Zahl 100,000 wird jedoch für eine große Uebertreibung gehalten, man müßte denn in Anschlag bringen, daß ein 30jähriger Krieger oft 10 Kinder hat, die frühzeitig zu Pferde sißen lernen. An der marokkanischen Küste soll ein französisches Schiff auf den Grund gerathen sein, so daß man Geschüß und andere Stücke der Ladung über Bord werfen mußte, um es flott zu machen; wäh= rend dessen schaarten, wie gemeldet wird, die Marokkaner unter fürch= terlihem Geschrei sich zusammen und wollten es eben angreifen, als es wieder frei wurde und seine Fahrt fortseßen fonte,

na Paris, 9. Aug. Die Triblinen der Pairs - Kammer waren heute ungewöhnlich gefüllt, da man vernommen hatte, daß Juterpellationen in Betreff der Aeußerungen Sir Robert Peel’s im englishen Parlament an den Minister des Auswärtigen gerichtet wer= den sollten, Die Pairs waren zahlreich erschienen, die Herren Guizot, Villemain, Dumon, Martin (du Nord) und Lacave Laplagne befinden sich auf der Ministerbank, Herr von Mareuil verlangt das Wort und verliest ein von ihm mit dem Marquis von Boissy verfaßtes Gesuch um Ermächtigung, den Minister der auswärtigen Angelegen= heiten über Otaheiti interpelliren zu dürfen, Herr Guizot verlangt das Wort. Er werde heute nicht thun für den Marquis von Boissy, was er neuerlich niht für den Fürsten von der Moskwa thun zu dürfen geglaubt, Es gebe Thüren, die nicht jedesmal geöffnet wer= den dürften, so oft man daran anklopfe. So lange der geeignete Augen= blick nicht gekommen, werde er nicht in Erklärungen eingehen, wodurch die allgemeinen Jnteressen des Landes gefährdet werden könnten. Er glaube, man dürfe niht alle Behauptungen der Journale auf der Tribüne disfutiren. Wenn die Thatsachen bekanut und aufgeklärt seien, sei er bereit, die Debatte über Alles anzunehmen, was die Regierung gethan haben werde. Bis dahin verweigere er jede Antwort. Der Fürst von der Moskwa: Er habe neulich in Gegenwart der vom Ka- binet gegebenen Erklärungen niht weiter in dasselbe dringen zu müssen geglaubt. Seitdem aber habe die Frage eine andere Gestalt gewon= nen, neue Thatsachen lägen vor, Der erste Minister des englischen Kabinets habe in Ausdrücken gesprochen, daß es nöthig sei, daß die Regierung sage wie sie sich zu verhalten gedenke. Die Geduld des Landes habe ihr Ziel, dieses Ziel sei gekommen. Ueber=

zeugt, daß keine Unbescheidenheit darin liege, Aufschlüsse über diese Frage zu verlangen, Beiso er aus allen Kräften das Verlangen

des Marquis von Boissy. Herr Guizot: Er sei erstaunt, daß der Redner vor ihm so wenig die wesentlihen Grundsäße der constitutionellen Regierung kenne, daß er dieselbe zwingen wolle, in Erklärungen einzugehen, welhe den Unterhandlungen scha-

den könnten, die angeknüpft seien, und etwas zu sagen, was sie nicht sagen dürfe. Jeder habe das Recht, seine Meinung auf der Tribüne auszusprechen, der Fürst von der Moskwa mache von diesem Rechte einen ausgedehnten Gebrauhz aber man fönne ihm fein Recht zuer= kennen, zu sagen, die Regierung kümmere sich nicht um die Würde des Landes, während sie im Gegentheil im steten Hinblick auf diese Würde handle, nur mit Klugheit und Umsicht. Bevor man auf eine Debatte eingehe, müsse man si versichern, ob die Thatsachen genau seienz bis dahin sei er entschlossen, in keine Erklärung si einzulassen. Graf von Montalembert erinnert an alle Angriffe der englischen Presse gegen die französische Marine und den Prinzen von Joinville und beklagt sih, daß selbst im englishen Parlamente ernste, emi- nente Männer \s{ch zum Echo dieser Angriffe auf Frankreich machten, Herr Guizot wiederholt, daß er die Thatsachen niht so annehmen könne, wie sie dargestellt worden seien. Die Kammer wisse, daß er niht gewohnt sei, der Diskussion auszuweichen. Er mache \sich anheischig, über Alles Rechenschaft zu geben, was das Kabinet in dieser delikaten Frage gethan haben werde. (Beifall.) Marquis von Boissy unterstüßt die Bemerkungen des Grafen Mon- talembert; man dürse die National-Empfindlichkeit nicht verleßen, die in diesem Augenblicke bis zur Erbitterung gestiegen sei. Er führt als Beweis an, was gestern in der Oper bei der Vorstellung von Karl VI, vorgegangen sei. (S. oben unter Paris.) Er verlangt Vertagung der Jnterpellationen auf Montag. Vielleicht könne das Kabinet bis dahin Aufschlüsse, die es inzwischen erhalten, mittheilen und antwor= ten. Der Kanzler fragt, ob die Kammer die Interpellationen des Marquis von Boissy zulassen wolle, Die Kammer entscheidet mit großer Majorität verneinend. Vicomte Dubouchage: Aber die französishen Marine - Offiziere seien insultirt worden, man sei ihuen eine Genugthuung schuldig, er bitte das Kabinet, nicht eine zweite Ausgabe von einer Desavouirung zu machen. Graf Molé bedauert, daß das Kabinet, indem es eine kluge Zurückhaltung beobahte, niht einige Worte der Ermuthigung für die französischen Offiziere habe vernehmen lassen. Herr Guizot: Wenn er geglaubt hätte, daß einige Worte die Wirkung hervorbringen fönnten, die ihnen der Herr Graf Molé beimesse, so würde er sie ausgesprocheu haben. Aber es wäre ihm unmöglich, weiter zu gehen, ohne die Gemüther in einer Sache zu erhißen, wo es vielmehr um Beruhigung zu thun sei. Er wolle die Ehre und die Würde der Marine aufrecht halten, und eben deshalb könne er auf die Juterpellationen nicht antworten.

=/ Variís, 3, Aug. Die ministeriellen Abendblätter haben, gegen allgemeine Erwartung, gestern nihts über den Stand der Dinge in der marokkanischen Frage gebracht, aber hon gestern Nach- mittag wußte man in der Pairs - Kammer, daß die Regierung eine telegraphishe Depesche mit Nachrichten von hoher Wichtigkeit erhal- ten hatte. Nach denselben is der Fanatismus der ganzen muselmän= nischen Bevölkerung von Marokko auf den äußersten Grad gestiegen ; zu Tanger soll ein so heftiger Aufstand gegen die Christen stattgefunden haben, daß der Prinz von Joinville nur mit genauer Noth die dort befindlichen Franzosen und den französischen Konsul selb zu retten vermochte, indem er sie an Bord seiner Schiffe auf- nahm. Hierdurch würde si auch erklären, warum der Prinz am 23sten abermals plöblih mit dem Dampfschiffe „Pluton““, auf welchem er seine Admiralsflagge aufgepflanzt hatte, von Cadix nah Tanger absegelte. Das Erscheinen der ganzen französischen Flotte vor Tanger am 18ten, wo sie in Schlachtordnung in die Rhede eingelaufen war, scheint vollends die Erbitterung und den Fanatismus der Mauren entflammt zu haben. Denn von allen Seiten kamen dieselben aus dem Jnnern in Masse herbei, in äußerst drohender Haltung und mit der laut ausgesprohenen Absicht, sich einer etwaigen Landung zu widerseßen, Jn der Pairs-Kammer taate man auch, eine der höchsten Personen von Marokko, die ehemals selbst Ansprüche anf den Thron gemacht hatte, deren Namen man jedoch nicht nannte, habe an den Sultan Muley Abd el Rhaman geschrieben, wenn er das Ultimatum Frankreichs nicht zurückweise , so_werde er (der erwähnte Thron- Prätendent) felbst an der Spiße von 80,000 Mann ge- gen ihn marschiren. Der charaftershwache Sultan, der an- fangs die Unklugheit beging, den heiligen Krieg im ganzen Lande predigen zu lassen, hat damit nun eine Feuersbrunst entzündet, die wieder zu löschen niht mehr in seiner Macht zu stehen \cheint. Auch die englishe Regierung soll mit Besorgniß diese unter den Ma= roffanern immer mehr um si greifende Stimmung sehen und allen ihren Agenten daselbst aufgetragen haben, mit der größten Umsicht und Thätigkeit im versöhnenden Sinne zu wirken, Nicht ohne Jn-= teresse dürste es sein, zu vernehmen, daß inmitten dieser kriegerischen Aspekten gerade in diesem Augenblicke einer der geschicktesten Waffen- \{chmiede von Paris mit der Anfertigung eines außerordentlich präch- tigen Gewehrs für den Kaiser von Marokko beschäftigt ist. Man fann sich von der Kostbarkeit dieser Wasse eine Idee machen aus dem Umstande, daß das Rohmaterial der in massivem Golde bestehenden Fassung allein 6000 Fr. werth ist,

Man will übrigens wissen, die marokkanishe Frage habe zu Mißverständuissen im Schoße des Ministeriums die Veranlassung ge= geben, indem Marschall Soult nicht mit der von Herrn Guizot bis jeßt befolgten Politik in allen Punkten übereinstimmen soll, Es scheint, der alte Marschall i für ein energischeres Auftreten, wenigstens ver= sichern dies die Männer, die als seine besonderen Freunde bekannt sind, unter ihuen Herr Teste, der, so lange er cin Portefeuille inne hatte, stets auf der Seite des Marschalls und oft gegen die Ansichten des Herrn Guizot stand. Man versichert, derselbe wolle sich nach St, Amand begeben, um den Marschall zu dem festen Entschlusse zu vermögen, daß er sein Portefeuille nicht länger beibehalte, welches er {hon mehrmals niederzulegen beabsichtigte, um sih die scinem vorge= rüdckten Alter nöthige Ruhe zu geben, Ob die Bemühungen des Herrn Teste glücklich sein werden, ist jedoch noch zweifelhaft, da auch Herr Guizot seiner= seits Alles aufbietet, um den Marschall dem Kabinet zu erhalten, weil sein Name besonders bei der Armee immer noch_ einen gewissen Zauber ausübt. Jedenfalls wird vor dem Monat Oktober keine Aenderung im Ministerium eintreten, da alle Mitglieder desselben gegenseitig über= eingekommen sind, in keinem Falle vor jener Zeit irgend eine Ent= lassung einzureichen. Fortwährend wird Herr Hébert, der jebige Ge= neral-Prokurator, künftig als Nachfolger des Herrn Martin du Nord im Justiz - Ministerium betrachtetz nicht so ausgemacht is, wer den Finanz-Minister Herrn Lacave - Laplagne erseßen soll, wenn der Ge= brauch der Bäder auf dessen Gesundheit nicht den gewünschten Er= folg hervorbringen sollte. Herr Passy, der schon früher das Finanz= Portefeuille bekleidete, hegt zwar unverkennbar den Wunsch, wieder ans Ruder zu kommenz aber bisher hat er, Herrn Guizot gegenüber, eine Stellung eingenommen, die eben nicht freundlich zu nennen is, #o daß eine Vereinigung dieser beiden Männer in dem= selben Kabinet kaum möglich wäre. Herr Bignon, der wiederholt Berichterstatter über das Ausgabe - Budget war, scheint mehr Aus= sichten zu haben als Herr Passy, Dieser Leßtere will auch nur mit Herrn Dufaure vereint ins Kabinet eintreten, der seinerseits mit Herrn Guizot ebenfalls nicht gut_steht. Wie also eine Modification des Ministeriums sich gestalten wird, läßt sich {wer voraussehen, wie viele Wahrscheinlichkeit auch vorhanden ist, daß eine solche nah dem Oktober eintreten dürfte.

Nachschrift, Wie man versichert, ist der Regierung die Nah=

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riht zugekommen, daß der Prinz von Joinville mit seiner Es- cadre am 24sten schon, also zu einer Zeit, wo, allen Berechnungen zufolge, der britische General-Konsul, Herr Drummond Hay, -mit der Antwort des Sultans Muley Abd el Rhaman auf das französische Ultimatum von Marokko und Mogador noch nit zurüdck sein konnte, das Bombardement von Tanger begonnen habe. Er hätte dem englischen Admiral, Befeh shaber der britischen Flotte, zu- vor davon Kenntniß gegeben und dieser darauf erwiedert, seine Ju- structionen schrieben ihm vor, neutral zu bleiben. Man sicht mit Spannung dem Erscheinen der Abendblätter entgegen, die ohne Zweifel etwas darüber bringen werden. Die vorstehende Nachricht soll durch einen Courier von Gibraltar der englischen Botschaft zu Madrid überbraht worden sein, von wo sie hierher gelangte.

Großbritanien und Irland.

Oberhaus. Sitzung vom 2. August. Die bekannte An= gelegenheit des in Tunis wegen doppelten Mordes zum Tode verur= theilten und hingerichteten Malteser Xuereb war heute abermals ein Gegenstand der Besprechung der Lords. _Lord Beaumont wollte wissen, ob England von den Mächten eine Genugthuung erhalten habe, deren Konsuln in Tunis sich der von dem britischen Konsul Sir Thomas Reade gutgeheißenen Hinrichtung des Xuereb auf jede Weise widerseßt hätten. Lord Aberdeen antwortete unter Fest- stellung des wahren Sachverbältnisses Folgendes: Xuereb habe einen Tunesen und- einen Malteser ermordet; nah den Privilegien, welche die christlichen Mächte im Orient genießen, würde der Verbrecher ihrer eigenen Nation vor ein christliches Tribunal gestellt, wenn er einen Christen ermor= det, nach einem Vertrage Englauds mit Tunis aber werde der Verbrecher den tunesischen Gerichten überliefert, wenn er einen Tunesen ermordet, Xuereb sei demzufolge wegen des ersten Mordes den Tunesen ausge- liefert und hier nah dem Gesebe derselben zum Tode verurtheilt wor= den. Gegen die Ausführung des Urtheils sei von dem britischen Kon- sul keine Einwendung gemacht worden, wohl aber von den übrigen Konsuln, auf deren Veranlassung der Dey die Hinrichtung aufgescho- ben habe, bis die Sache der englischen Regierung, deren Unterthan Xuereb gewesen, habe vorgelegt werden können, Er (Lord Aberdeen) habe sich nicht veranlaßt befunden, zu Gunsten des Mörders einzu= schreiten, und das Urtheil sei vollstre#t worden. Eine Genug- thuung habe die englishe Regierung gar niht zu fordern; es seien indeß von ihr Beschwerden erhoben worden über die Machina= tionen der fremden Konsuln gegen Sir Thomas Reade. Jn Folge davon haben Schweden und Sardinien ihre Konsuln abgerufen, die übrigen Staaten das Benehmen der ihrigen mehr oder weniger, ge- mißbilligtz nur Fraukreih allein habe zu seinem (Lord Aberdeen's) Bedauern seinen Konsul in Shuß genommen, und behauptet, daß derselbe Recht gethan habe, auf dem von den christlichen Mächten für ihre Unterthanen in Anspruh genommenen Vorrechte exceptioneller Gerichtsbarfeit zu bestehen. Er habe die Frage indeß auf sih be- ruhen lassen, nachdem die Regierung ihre Absicht, die Hinrichtung des Xuereb, erreiht, Lord Beaumont und der Graf Minto stellten sich zwar mit dieser Antwort des Ministers nicht zufrieden, doch blieben ihre weiteren Juterpellationen ohne Resultat.

An der Tagesordnung war die dritte Verlesung der den Lords von den Gemeinen überwiesenen Eisenbahn =- Bill, welhe den Bischof von London veranlaßte, die Restitution der von dem Unterhause gestrichenen Klausel zu beantragen, nah welcher des Sonntags feine Wagen dritter Klasse von den Eisenbahn - Gesellschaften gestellt wer= den sollen. Die Regierung hatte diese Klausel in ihrem ursprüng=

Abstimmung des Unterhauses im Comité dazu veranlaßt, streichen. Der Bischof von London kam auf ihre Ansicht wieder zurück und suhte den Mißbrauch der Sonntagsfeier aus der Zulassung der nie= deren Volksklassen zu den sonntäglichen Eisenbahnfahrten zu erweisen, Die Züge der dritten Klasse, meiúte der Prälat, gingen doch zu langsam, als daß das Volk sie zu Vergnügungsfahrten benußen fönnte, und das Resultat sei daher nur, daß die Eisenbahn=Beamten in ihrer Sonntagsfeier gestört würden, Mit sehr scharfen Bemer= fungen erhob sich gegen solhe Argumentation Lord Brougham, der das Zwangsmäßige der Sonntagsfeier überhaupt tadelte und darin nur das Mittel sah, diese Feier dem Volke gänzlich zu entfremden und die immer größere Entheiligung des Sonntags vorzubereiten. Cine übermäßige, eine puritanische ascetishe Strenge der Sonntagsfeier sei nicht allein verwerflih im Prinzipe, sondern auch weil sie dem Volke den Sabbath verhaßt mache, meinte der Lord, und hob mit Nach= druck hervor, daß man den niederen Volksklassen sowohl aus Billig= feit unshuldige Vergnügungen nah dem Besuche der Kirche gestatten müsse, als auch aus Rücksichten für den allgemeinen Gesundheits- zustand die Mittel niht erschweren dürfe, wenigstens an einem Tage der Woche, ihren engen Behausungen zu entck fliehen und auf dem Lande frishe Luft zu \{chöpfen, Wolle man sie dagegen zwangsmäßig in der Stadt festhalten, so würden sie die Erholung in Schnaps= und Bierhäusern suchen und die Demora= lisation fördern. Lord Monteagle, Graf Wicklow und der Mar= quis von Clanricarde nahmen an der Debatte Theil, die wegen der verschiedenen Meinungs-Aeußerungen von dem Herzog von Wel= lington bis auf den 5ten vertagt wurde.

Zu einer längeren, indeß nur Wiederholungen bekannter Aeuße-= rungen über die Beschwerden Jrlands enthaltenden Debatte führte die dritte Verlesung der Bill gegen die Ableistung verfassungswidriger Eide in Jrland, welche endlich, nahdem Lord W harncliffe die Politik der Regierung vertheidigt hatte, zum drittenmale verlesen wurde.

Im Unterhause kam gestern nichts von allgemeinerer Be= deutung vor. Den Haupt-Gegenstand der Berathung bildete die Bill über insolvente Schuldner, über welche in dem General-Comité bera- then wurde. Sie betrifft eine Reform der bestehenden Gesebße über die cessío bonorum, die Abschaffung des Personal - Arrestes für Schulden unter 20 Pfd, und eine Reform der gerichtlihen Prozedu= ren in Fallitsahen. Nach langer Debatte passirte die Bill das Co-= mité, soll aber mit Zusäßen neu gedruckt und dem Comité noch ein= mal vorgelegt werden.

X Loudon, 3. Aug. Die Ausdehnung des Verbrechens der Brandstiftung auf offenem Lande, welches seit vielen Monaten in den östlihen Grafschaften Englands vorherrsht, muß unter die betrübendsten Erscheinungen der sozialen Verhältnisse dieses Landes gezählt werden. Man hatte geglaubt, daß die bei der gerichtlihen Rundreise in Norfolk gegenwärtig stattfindenden Untersuhungen einiges Licht über die Ur- sahen dieser mysteriösen Verbrechen verbreiten würden, aber die ange=- flagten Personen sind dem größten Theile nah entweder wegen Mangels an direkten Beweisen freigesprohen worden, oder die Ver= urtheilten sind Kinder, welche unter dem Einflusse Anderer handelten oder die Verbrechen der Personen von reiferem Alter nachahmten,

Es is über die Gesammtsumme der in Essex, Suffolk, Norfolk und Cambridgeshire während des lebten Jahres stattgefundenen Brände kein Nachweis veröffentliht worden, aber die Anzahl muß beträchtlich sein; bei den Jpswich-Assisen allein s{chwebten 33 Ankla-

en deshalb. Sehr häufig hätte man von irgend einem erhabenen unkte in diesen Grafschaften 3— 4 Brände an verschiedenen Seiten

des Horizonts entdecken können, Monate lang hatte jede Ortschaft

lihen Entwurfe eingefügt, mußte sie indeß wider Willen, durch die |

ihre Wache, aber selbst diese Dorfwächter wurden hintergangenz die Land - Polizei, welche neuerdings in diesen Grafschaften organisirt worden is, bleibt in beständiger Thätigkeit. Das Geseh droht, die Kirhe crmahnt, die ganze Bevölkerung hat eine Art shuldbewußter Furcht erfaßt, aber das fluchwürdige Uebel herrscht fort, wie die rausamen Heimsuchungen eines zornigen Geistes, Argwohn auê- fend in die Gemüther der Menschen, die Früchte der Erde zerstö= rend und die friedlichen Stätten einer englischen Landschaft in Sibe des Verbrechens umschaffend, das so allgemein und so shrecklich ist, wie die Verwüstungen des Krieges. S

Dessenungeahtet muß man gestehen, daß auf dem Wege zur Beseitigung des Uebels, selbst zur Ergründung der Ursachen desselben noh keine Fortschritte gemaht worden sind. Die Staats-Oekonomie reiht nit bis zu den Motiven, welche die Begehung solcher Hand= lungen veranlassen und der Geseßgeber findet fein Heilmittel. Müssen wir niht vielmehr an jene blinden Verirrungen des menschlihen Willens denken, welche bisweilen auf die Massen einer Bevölkerung mit eben so viel Nachdruck wie auf das Jndividuum einwirken, und welhe die Menschen au bei dem gänzlihen Mangel eines vernünf= tigen Beweggrundes zum Umsturz der gewohnten Thätigkeiten des Lebens, zur Zerstörung des Fleißes und der Betriebsamkeit, zum Geltendmachen des bösen Prinzips antreiben. Wenn jene betrogenen Menschen, welche dieser agrarischen Frevel schuldig sind, ihre elenden Geister dem Auge der irdischen Gerechtigkeit so ofen darlegen fönn= ten, wie sie der ewigen Vorsehung offenbar sind, so würden wir noch größere Ursache zur Trauer über das Dasein so \shlechter Leiden= schaften haben, die ungefesselt in den unwissenden Geistern und rohen Gemüthern herrshen, als über die rauchenden Heuschober und die lodernden Scheunea. Es isst ein endemisher Wahnsinn und ich glaube, der Weiseste kann keine bessere Erklärung davon geben. Bis jeßt is das Verbrechen ausschließlich auf Scheunen, Schober und Wirthschafts - Gebäude beschränkt geblieben; kein Wohnhaus is nochch angesteckt worden, auch kein Leben noch verloren gegangen. Dies Faktum führt zu der Vermuthung, daß die Brandstiftungen Werke der Privatrache sind. Doch da die Besorgniß Jeden veranlaßt, alle seine Besißungen, selbst das auf dem Felde stehende Korn, zu dem möglichst höchsten Betrage des Werthes zu versichern, so erleiden die Personen, deren Feldfrüchte und Gebäude zerstört werden, in der Wirklichkeit keinen Schaden. Die Feuer - Versicherungen tragen alle Verluste, aber zu gleicher Zeit wächst durch diesen Zustand der Be- sorgniß die Gewohnheit des Versicherns zu solher Ausdehnung, daß die Entschädigungs - Summen von den Einlagen noch immer über= troffen werden. Man hat versucht, die Brandstiftungen aus der Un- popularität des neuen Armengesebes zu erklären; aber in den ersten 8 Jahren seit der Einführung dieser Reform in ihrer ganzen Strenge (1834 1843) gab es im Lande weniger Brände als vorher und seitdem. Die folgende Uebersicht ist nicht ohne Juteresse. Man wird sih erinnern, daß während der Agitation der Reform = Bill Brand= stistungen gewöhnli waren. i

Die Anzahl der eingezogenen, überführten und mit dem Tode bestraften Brandstifter betrug

im Jahre eingezogen überführt mit dem Tode bestraft.

1800 16 —LOS 04a 26 16

E cio

1833 )

ABSA S

1835

1836 Fl és.

1837 wurde die Todesstrafe für Brandstiftung abgescha}st.

1838 wurden 44 Personen eingezogen, 20 transportirt.

1839 43 » » 15 »

1840 68 » 18

1841 27 » 12

1842 60 j 18

1843 » 102 » » 34 ; Hieraus geht hervor, daß seit der Abschaffung der Todesstrafe bis auf die lebten achtzehn Monate die Zahl der eingezogenen Brand=- stifter sih fast um ein Dríttel verringert hat, während die Zahl der Verurtheilten beinahe dieselbe geblieben ist.

Gegenwärtig sind die Aussichten sehr trübe. Ein Sommer von außerordentliher Wärme und Schönheit hat die Felder mit Früchten bedeckt, und der Waizen namentlich ist sehr gut und reihlich gerathen. Aber Besorgnisse sind rege selbst um das stehende Korn; und mit welcher Sicherheit kann die Aerndte in die Scheuern gesammelt wer= den? Bis zu welcher Ausdehnung kann dieser Wahnsinn, der bis jeßt zwar noch lokal is , über das Land sih verbreiten? wer wird der Schmach und der Entartung eines solchen Unheils Schranken seben?

Schweden und Uorwegen.

Stockholm, 30. Juli, Die Wahl der Mitglieder des Adels für die beiden wichtigsten Ausschüsse, nämlih für den Constitutions= Ausschuß, der die Gegenstände der Grundgesebgebung und deren Re- formen, und für den Staats-Ausschuß, der das Budget und die übri= gen Finanz-Gegenstände zu prüfen hat, ist so streng fonservativy aus= gefallen, wie es nur möglih war, indem drei Landes-Hauptleute und außerdem nur Offiziere hohen Ranges gewählt worden sind, Dies hat einen Deputirten des Bürgerstandes veranlaßt, den Antrag zu stellen, ob Landes-Hauptleute, die doch Rechenschaft zu geben s{huldig seien und jeden Augenblick vom Könige abgeseßt werden könnten, Mit- glieder des Staats-Auss\chusses sein dürften, Dieser Antrag gründet sich auf §. 41 der Reichstags-Ordnung, worin bestimmt wird, daß Niemand, von dem die Reichsstände Rede und Antwort zu fordern berechtigt sind, in Ausschüsse, bei welchen Rechnungs - Ablage für eigene und Amtsgeschäfte vorkommen kann, gewählt werden könne, Es fragt sih nun, ob Landes-Hauptleute und Mitglieder der Staats=Bérwal= tung, die solhe. Rehnungen zu führen haben , über die vom Reichs= tage Anmerkungen gemaht werden, und welche die Verseßung in Anklagestand zur Folge haben können, zu dieser Kategorie zu zählen sind. Der Aus\huß hat mit 17 gegen 12 Stimmen beschlossen, diese Angelegenheit den Reichsständen anheimzustellen.

S panien.

XX Paris, 3. Aug. Das französishe Dampfschiff, mit dem General Grafen Castellane und mehreren anderen französischen Staats= beamten am Bord, is am Msten v. M. in Barcelona eingetroffen, wo man die zur Beglückwünschung der Königin Christine gekommenen Gäste mit großer Auszeichnung empfing, Der französishe Gesandte hat zur Feier des Namenstages der Königin-Mutter ein großes Fest- essen gegeben, zu welhem die Mitglieder des diplomatischen Corps, die anwesenden Minister und viele andere ausgezeihnete Personen eingeladen waren, Man- hat in Barcelona, troß der inzwischen er= folgten Ankunft der Herren Mon und Mayans, die Politik augen= blicklih etwas aus den Augen verloren. Die einzige politische Nach- richt, welche die neuesten bén Gei Blätter bringen, is} die plöß= liche Abreise des französischen Gesandtschafts - Secretairs, des Herrn Broglie, der mit Depeschen nah Paris geschickt worden is}.

Die Versammlung der General = Junta von Biskaya is} auf den 30sten v. M. festgeseßt. Der politische Chef und die General - De- putirten der Provinz haben Bilbao am 28sten verlassen, um sich nach

Guernica zu begeben und den Berathungen des versammelten Vol=-