1912 / 123 p. 9 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 23 May 1912 18:00:01 GMT) scan diff

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußishen Staatsanzeiger.

V 123

Berlin, Donnerstag, den 23. Mai

1902,

e

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Beim Etat des Reichseisenbah R e Abg. Stolle (Soz.) diese Behörde zu energisherer Wahr- nehütung ihres Anctentts gegenüber den Eisenbahnverwaltungen auf. Cs scheint, als ob das Reichseisenbahnamt nicht den Mut dazu habe. Wie könne es gesehen, daß man Schnellzüge von Berlin nah Leipzig ab Bitterfeld bzw. ab Wittenberg mit ganz unver- bältnismäßkig verminderter Geschwindigkeit fabren lasse ? In der um- Febrten Richtung, in der Fahrtrihtung Leipzig—Berlin, sei dieser ißstand noch viel krasser. Da müsse doch endlich eingeschritten werden. Auch über die Praxis der preußishen Eisenbahnverwaltung, die Züge auf längeren Wegen zu führen, zu dem Zwecke, Sachsen zu \{ädigen, werde immer wieder Klage g; g Sei räsident des Reichseisenbahnamts Wacckerzapp: e ber- dee e l Geschwindigkeit auf den erwähnten Fugen hängt einfa mit den örtlichen Verhältnissen zusammen. Es haben 906 Vereinbarungen stattgefunden über die Frage, bis zu welchem ¡rade ein Umweg genommen werden kann. Es ist dabei ausdrüclih ipuliert, daß nicht der kürzeste, sondern der leihteste Weg ge- wählt werden soll. Die Interessenten werden dadurch niht im firzeen berührt, denn der Tarif bemißt sich immer nah dem zeiten Wege. iz L Abg. Stoll e (Soz) bleibt bei scinen Ausführungen stehen und beschwert sich ferner ne daß die preußische Eisenbahnverwaltung nach wie vor das älteste Wagenmaterial verwende. A Í Um Etat der Postverwaltung wird ein von alen Partélen d ictine iet Anita angenommen, die Denkschrift über die Anstellungsverhältnisse der Postbeamten beim Wieder- öusammentritt des Hauses im Herbst gesondert Us Abg. il (Soz.): Sie haben in dem Vrange, on heute u D TBliehen, bereits den Achtstundentag überschritten. Hätten Sie bis reitag gesessen, wie es auch beabsichtigt war, so hätte i verzihtet; da Sie aber {hon heute nah Hause wollen, verzidte ich nicht. Angestellte der Post- verwaltung, ob Beamte oder Unterbeamte, verkaufen ih nicht mit Haut ünd Haar der Verwaltung, wenn sie in sie eintreten; nie- mand hat nach ‘unserer Meinung das Recht, die Beamten über das, "was sie außerhalb des Dienstes tun, zu fkontrollieren. Es wird ja auch vielfach danah verfahren, aber sobald sich ein Unterbeamter berausnimmt, Sozialdemokrat zu sein: „Ja, Bauer, das ist ganz was anders." In Hamburg erfolgten Ende ua 1911 bei der Telephonbauabteilung Entlassungen, weil keine Mittel mehr dafür vorhanden sein sollten. Anfang diefes Zayres entdeckte die dortige berpostdirektion, daß noch 75 000 f vor anden waren, und die sind dann in den drei Monaten bis Ende März au wirklich vom etnsprechbauamt klein gemacht worden. Ueberhaupt wird über die ustände in diesem Amte, speziell was die Behandlung der Arbeiter betrifft, ‘lebhafte Klage geführt, Auch sonst ist die Postverwaltung wenig entgegenkommend aegenner ausgesprohenen Wünschen. So wurde einem Erfinder in Breslau einfah nit geleiten mit einem von ihm erfundenen Telephonanzeigeapparat im staatlichen Telephon- ne Versuche anzustellen. (Vizepräsident Paa f che bittet den Redner, mit Nücksicht auf die ehhäftölage des Hauses hier bei der dritten Fejung Ge solche kleinen Fuzeliten älle vorzubringen.) Der Redner bringt troßdem eine ganze Reibe weiterer Fälle vor und beschwert ih über den zu bureaufkratischen Geist in der Verwaltung. So sind gan besonders viele Klagen über zu langsame Telephonverbindungen Bad außerhalb erhoben worden. Auch bei Krankheitsfällen wir B bei ganz alten und bewährten Beamten nicht mit der nötigen Rük- sicht verfahren. (Vizepräsident Paa se rügt es weiter, daß immer mehr neue Fälle angeführt werden.) Wenn ih gezwungen bin, hier o. viele Fälle zur Sprache zu bringen, so egt das nur, daß die An- sthöri en der bürgerlichen Parteien für die Klagen der Unterbeamten “tin Interesse haben. (Vizepräsident Paasche unterbriht den Redner von neuem. Wohin soll es führen, wenn jeder Abgeordnete hier die Klagen und Wünsche aller Beamtenkategorien vorbringt, von enen er Kenntnis erhält. Dann würden wir ja nie fertig werden. Ih möchte Sie deshalb dringend bitten, uns hier vor der Oeffent- lihkeit nidt mit allen diesen Kleinigkeiten zu E Ich würde schon längst fertig sein, aber wenn ih immer unterbrochen werde, \o kann ih doch nicht zu Ende kommen. Die Post muß den Unter- eamten eben mehr entgegenkommen, und cs muß ihr vollständig gleihgültig sein, ob diese sozialdemokratisch_ wählen oder nicht. üt Ae Paasche teilt mit, daß die übrigen Redner ver- et haben. d Der Etat der Postverwaltung wird bewilligh “eno der er Reichsdruckerei, der Reichseisenbahnen, der Allgemeinen Finanzverwaltung und das Etatsgesey. Der Etat im ganzen R gegen die Stimmen e Sozialdemokraten, Polen und iger Elsässer endgültig genehmigt.

Das Haus wendet sih zu den E Etat gestellten R e - solutio nen, über die die Abstimmung noch aussteht. won sind 54 zum Reichsamt des Junern, 8 zur Heeresver- begutrig und je 3 zur Postverwaltung und zur Reichseisenbahn- altung gestellt. Ï d Veber die Resolution von Normann (dkons.), betreffend Nei baldige Einbringung eines G. E. zur Abänderung der wi Sgewerbeordnung, bzw. des Strafgeseßbuchs, durch den ein Arg lAmer Schutz der Arbeitswilligen gegen Hinderung an der ünt tit, gegen Bedrohungen und Gemwalttätigkeiten herbeigeführt

i sichert wird, erfolgt na m entliche Abstimmung. 3 le Resolution wird mit 275 gegen 63 Stimmen bei Regre Mmenthaltungen abgelehnt. Die Verkündigung des lats witd mit lebhaftem Beifall auf der Linken auf- Inommen ibe, Auf V isi ird die Abstimmun üh Vorschlag des Präsidenten wird die Abstimmung “dle übrigen Nbsolutionn von der Tagesordnung abgeseßt. ohne oer die Petitionen, soweit sie zum Etat gehören, wird di isfussion nah den Anträgen der Dahgeltonentes ent- Und D: Das Gleiche geschieht hinsichtlih der zu den Wehr- DeEungsvorlagen eingegangenen Petitionen L die Mer, Berit der Wahlprüfungskommission über

ahl des Aba. d. Reformp.) wird von der Tagegorduun ros ( formp.)

mit ist die Tagesordnung erledigt.

Abg ergab der Tagesordnung ra tes skommission eriht ¿E Jun ck (nl ens der Geschäftsordnung betref ber ein Ba Age y Stellvertreters des Reichskanzlers,

Gert rteilung der Genehmigung zur Strafverfolgung des Abg. teidigung. erger (Zentr.) Du uet Privatklagesache wegen Be-

Die K ; i sagen.

as omtwnission beantragt, die Genehmigung zu verjag : R beschließt demgemäß ne Diskussion.

Und für qut Dr. K a empf: Wir stehen am Ende unserer Tagesordnung

von Am, den Schluß eines Sitzungsabschnittes gelangt, der

von Sorgen und voll von Aufregungen ge-

tonaten haben wir in 69 zum Teil Dauetsißungen

nicht nur den ganzen Etat, sondern eine Reihe der wichtigsten und einschneidendsten Fragen und Gesetze erledigt. Mehr als einmal ist bis in die leßten Tage hinein in diesem hohen Hause Zweifel darüber entstanden, E es möglich sein werde, vor den Pfingstferien alle diese Aufgaben zu Ende zu führen. Aber die Arbeitskraft und die Arbeitsfreudigkeit des Reichstags hat alle Schwierigkeiten, die \ih entgegenstellten, überwunden. Da wir uns eine lange Zeit niht mehr sehen, so bitte ich um die Ermächtigung, den Tag der nächsten Sitzung und die Tagesordnung felbständig festzustellen. Da niemand widerspricht, so nehme ih an, daß diese Ermächtigung erteilt ift.

Abg. Bassermann (nl.): Im Namen des Hauses gestatte ih mir, unserem hochverehrten Präsidenten für feine unparteiishe und gerete Geschäftsführung unseren besten Dank auszusprechen. Er hat es ver- standen, die Geschäfte des Hauses energish zu fördern und foviel, wie möglich war, zu erledigen.

Präsident Dr. Kaempf: Ih danke dem Abg. Bassermann für die freundlihen Worte, die er an mich gerihtet hat, und dem Hause für den Beifall, womit es diese Worte begleitet hat. ‘Der Dank ges nur zu einem kleinen Teile mir, zum größten Teile jedoch den beiden Vizepräfidenten, den Schriftführern, Quästoren und dem gesamten Vorstande des Reichstages. Und in gleicher Weise allen unseren Beamten, an deren Leistungsfähigkeit große Ansprüche estellt worden find. Nur dem Zusammentvitken aller dieser Faktoren ist das erzielte Resultat zu verdanken.

Reichskanzler Dr. von Bethmann Hollweg: Meine Herren! Sie stehen vor dem Schlusse eines bedeutungs- vollen Sessionsabschnitts. Die feste Einigkeit, zu der fih die große Mehrheit der Volksvertretung bei Bewilligung der Wehrvorlagen und der für sie erforderlihen Mittel zusammengeschlossen hat, legt nah innen und außen Zeugnis ab von dem Geiste der Entschlossenheit, mit dem die Nation unter Verstärkung ihrer Friedensgarantien für ibre Macht eintritt. (Lebhaftes Bravo! rechts, im Zentrum und bei den Uberalen.) Mit berechtigter Genugtuung über das Geschaffene werden Sie in Ihre Heimat zurückehren. Dem Danke, den Ihnen mit dem gesamten Vaterlande Seine Majestät der Kaiser und die verbündeten Regierungen zollen, darf ih hierdurch Ausdruck geben. (Lebhaftes Bravo.) Ih habe nunmehr dem Reichstage eine Kaiserlihe Verordnung mitzuteilen. (Der Reichstag erhebt - fih.) Die Verordnung lautet : Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen, verordnen auf Grund der Artikel 12 und 26 der Verfassung, mit Zustimmung des Reichstags, im Namen des Neichs, was folgt :

gro

8 1. Der Reichstag wird bis zum 26. November 1912 vertagt. 8 2. Der Reichskanzler wird mit der Ausführung dieser Ver-

ordnung beauftragt. Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel. Gegeben Homburg v. d. H., den 22. Mai 1912. (L. 8.) Gezeihnet: Wilhelm 1. R. Gegengezeihnet: von Bethmann Hollweg. Ich habe die Chre, diese Urkunde in Urfchrift Ihrem Herrn Vräsidenten zu überreichen.

Präsident Dr. Kaempf (die Sozialdemokraten verlassen den Saal bis auf den Abg. Landsberg und den als A DE fungierenden Abg. Fischer): Wir aber trennen uns mit dem alten Ruf: Seine Majestät der Deutsche Kaiser und König von Preußen“ Wilhelm I]. lebe hoch! lebhaft in diesen Ruf ein.)

Schluß 71/5 Uhr.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 79. Sigung vom 22. Mai 1912, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphishem Bureau.)

Ueber den Beginn der Sihung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden. h

Verhandlung steht die zweite und dritte Beratung des

Diet ‘4 die landwirtschaftliche Unfall-

versicherung. i :

Abg. Dr. Rewoldt (freikons.): Wenn auch die Selbst- verwaltung der Berufsgenossenschaften gewahrt werden muß, so kann das do die Landesgesezgebung nit abhalten, Bestimmungen über den Maßstab für die Umlegung der Beiträge zu treffen. Daß in jeder Provinz nur eine Berufsgenossenshaft gebildet wird, ist nicht nötig. Es muß die Bildung von besonderen D tetogerolenTasten für Teile einer Provinz nah dem Ermessen der Fa naa. versammlungen zugelassen werden. Nach der Reichsver iherungs- ordnung ist es nun zweifelhaft, ob der Bundesrat nur in den Fällen zu entscheiden hat, wo die Berufsgenossenschaft eine Teilung der Ge- nossenschaft beschlossen hat, oder auch in den Fällen, wo sie die Teilung. N elen hat. Wir bestimmen deshalb in unserem Antrage, daß die Minister in jedem Falle entschetden sollen.

Abg. Dr. Schroeder - Cassel (nl.): Kampf um den Maßstab berrs{t wohl in allen Provinzen. Eigentümlih ist, daß der Rheingaukreis, der ursprünglih für das C ae O ge- wesen ist, weil die Weinberge sehr hohe Grundsteuer bezahlen, von diesem System abgekommen ist und sh für das Grundsteuersystem entschieden hat. . Bedenken gegen das Arbeitsbedarfssystem bestehen ebensowohl wie gegen das Grundsteuersystem. Wir in Hessen-Nafsau find mit den Versuchen, das Arbeitsbedarfssystem streng durchzuführen, d. h. jeden Betrieb individuell zu veranlagen, kläglih gee Das Arbeitsbedatfssystem ist ein sehr s{wieriges; ih arbeite bereits seit 25 Jahren damit und weiß, wie große Schwierigkeiten darin liegen. Es ist geradezu unmöglich, „für die große Zahl der Betriebe, in der Rheinprovinz ¿. B. 557 000, etn sicheres Kataster nah dem Arbeitsbedarf aufzustellen, zumal wenn, wie in der Rheinprovinz, jährlih "/« der Betriebe den Besißer wechselt. Das Grundsleuersystem ist gar nicht so s{lecht, wie die Antragsteller meinen. Allerdings ist es veraltet, und deshalb wird ein Teil meiner

reunde für den Antrag Engelbrecht stimmen. In Bayern und P will man gerade umgekehrt vorgehen wie die Antragsteller und das Grundsteuersystem landesgeseßlih festlegen. Gegen den An- trag Malyzaha auf Teilung von Berufsgenossenschaften nah

rovinzteilen habe ih nichts einzuwenden. Aber das Grundsteuer- vstem, das seit 25 Jahren besteht, soll man niht ohne Not ändern. Die Antragsteller täuschen sich, wenn fie annehmen, daß sie die Un- zufriedenheit im Lande beseitigen werden, wenn sie das Grundsteuer-

(Das Haus stimmt dreimal *

s rp

system durch das Arbeitsbedarfssystem erseßen. Im Gegenteil, der Kampf um den Maßstab wird dann von neuem extbrennen.

Abg. Shmedding (Zentr.): Meine Freunde werden die Vorlage in der Kommissionsfafsung und mit ‘dem Antra Maltzahn annehmen, “dagegen den Antrag Engelbrecht ablehnen. ‘Wenn es ih jeßt darum handeln würde, die landwirtschaftliche Unfallversicherung erst einzuführen, dann Tieße sih vielleiht darüber reden, ob man den Steuerfuß als ‘Mafßstab-einführen sollte, aber jet würde die Vor- schrift eines anderen Maßstabes ein Unreht gegen die Berufsgenossen- schaften fein, die ‘den Steuecrmodus besißen und beßtzubehaiten wünschen. Ich kann insbesondere für Westfalen - bestätigen, daß diese Frage lange Jahre hindurch wiederholt aufs eingehendste er- wogen worden ist. Das Arbeitébedarfssystem macht sehr große Schwierigkeiten bei der großen Zahl der Betriebe, von denen wir in der Rheinprovinz über 550000 haben. Wenn die Verhältnisse fo liegen, so ist es nicht richtig, in die Freiheit der Berufsgenofsen- schaften einzugreifen und ihnen das Selbstbestimmungsrecht zu nehmen. Der Abg. Rewoldt meint zwar, es sci kein Eingriff- in die Selbst- verwaltung der Berufsgenossenschaften, aber es ist doch so. Wenn in Preußen ein Gesey erlassen wird, das die Bestimmungen der Reichs- versicherungsordnung in diesem Punkte aufhebt, so haben die Berufs- genossenschaften niht mehr das‘freie Reht der Entschließung. Die Berufégenossenschaften werden son selbst wissen, was ihnen zum Heile dient; sie müssen infolge der Reichspersicherungsorbnung und des vorliegenden ‘Gefeßes demnächst an die Frage herantreten und ven neuem prüfen, welcher“ Maßfab für ‘die örtlichen Verhältnisse am besten ist. Dieses Recht zu prüfen, wollen meine Freunde den Berufs- genofens Lis niht nehmen und sind deshalb gegen den Antrag

ngelbre{ht.

Abg. Kung e (kons.): In meiner Fraktion sind die Ansichten verschieden. Jch vertrete eine starke Minorität; - wir sind der Re- Peomg dankbar, daß sie den Weg offen gelassen hat, daß der alte Modus weiter bestehen kann. Die Aenderung des Maßstabes -würde nur eine große Beunruhigung in der“ landwirtschaftlichen Bevölkerung hervorrufen. Wir wollen-das Alte bestehen lassen, bis etwas Besseres gefunden ist. Die Genossenschaftsvorstände werden ih nun mit diesem Gesey zu beschäftigen haben, und“ wenn fie zu der Veberzeucung kommen, daß eine Neuregelung eintreten soll, so habe ich das Ver- trauen zu unseren Provinzialausshüssen , daß kein UÜnreht ge- schehen wird.

Zu dem Antrage Mal baun haben inzwishen die Antragsteller selbst, denen fih auch der Abg. Dr. Schr oede r- Cassel angeschlossen hat, die Abänderung beantragt, daß nicht die Minister, sondern die oberste Verwaltungsbehörde in jedem Falle entscheiden soll. j

Abg. Dr. Fle \ ch (fortschr. Volksp.): Durch den § 8 der Vor- lage wérden die §8 690‘ bis 705 der Reichéversicherungsordnung, durch die die Stellung der Beamten der Reichsversicherung in einer gewissen Weise gestärkt und gestützt werden, außer Kraft geseßt. Wir werden die Streichung dieses Paragraphen beantragen. “Denn die Beamten bedürfen gewisser Garantien, denn fie kommen fortwährend in Gefahr, gegen die Interessen ihrer Arbeitgeber handeln zu müssen.

Unterstaatssekretär Dr. ster: Jch bitte, diesem Antrage keine

Folge zu geben. Jn der Vorlage ist vorgesehen, daß die (Ze- äfte des Genossenschaftsvorstandes vom Ln ialaus\{chuß, die des _Sektionsausschusses * vom Kreisausshuß - wahrgenommen werden. Es kommen also für die L IERag der Geschäfte Beamte in Betracht, die "a anders gestellt werden fönnen, als bie übrigen Beamten derselben Behörde.

_ Abg: Graf von der Groeben (kons.): Kein Vorredner bat die Grundsteuer als éinen idealen Maßstab bezeichnet. Ih möchtemit Freuden feststellen, daß insofern eine Einigkeit besteht. Die Divergenz- beginnt erst beider Auffafsung über den - Antrag Engelbrecht, Einige der auen haben ibn fo guigefaßt, als: ob lediglih der Arbeitsbetarf zu

runde gelegt werden darf und nit mehr die Grundsteuer. Das trifft aber nit zu. Denn nach § 1010 kann die Grundsteuer in Ver- bindung mit anderen Steuerarten auch weiterhin als Maßstab dienen. Von einer Majorisierung der Majorität kann keine Rede sein, es handelt \sich nur num dén Shug der Minorität. Daß dur den zu § 1 ein bédenflihes Risiko entstehen könnte, in- dem ih zu leine Genossenschasten bilden können, ist ausges{lessen. Dagegen sind Sicherheiten vorhanden, daß die oberste Vermwallungs- behörde entscheiden muß. Ich halte die Aussprache für grundsäßlich bedeutsam und nüßlih, weil festgestellt ist, daß es nicht an eht, auf den Maßstab der Grundsteuer noch in Zukunft weitere Lasten auf- zubguen. Die Grundfteuer hat früher eine große Bedeutung gehabt, ist aber jetzt ein Es veralteter Maßstab.

Abg. Dr. Liebknecht (Soz.): Wir werden auch für tie Streichung des § 8 stimmen. Der “Antrag Engelbrecht ist an- seinend annehmbar, aber ih habe do die Vermutung, daß er noch ctwas anderes bezweckt. Jet haben die kletneren Besißer in der Berufsgenossenschaft die Mehrheit, und wenn diese für die Bet- behaltung der Grundsteuer sind, müssen doch gewisse Gründe dafür

sprechen.

Abg. Win ckler (kons.): Gegen diese Behauptung des Vor- redners muß -ich Verwahrung einlegen. Als die Grundsteuer als Staatösteuer abgeschafft wurde, hat selbst die Negierung ausgeführt, daß infolge der wirts{chaftlihen Entwicklung die ursprünglich ziemli gleichartige Veranlagung immer ungleichartiger geworden ist. Seit dieser Zeit sind wieder viele Jahre ins Land gegangen, die wirtshaft- lihen Verhältnisse haben sich noch mehr verschoben. Dur das Amendement zu dem Antrage zu § 1 ist der Antrag in Ueber- einstimmung mit der Reichsgeseßgebung gebraht worden. Auf Grund einer derartigen Bestimmung wird die Regierung, wenn cine Minderheit für die Gründung einer besonderen Beru1s8genossénschaft ist, daraus die moralische Verpflichtung ableiten müssen, daß fie den Gründen der Minderheit nahgebt. Wenn tatsächlih kolossale Ver- schiedenheiten in einer Provinz bei der Veranlagung bestehen, dann muß eine derartige Möglichkeit gegeben sein. \

Abg. Kuntze (fon},): Wenn der § 1010 auch nbdch die An- wendung der Grundsteuer ult, dann sind doch L E gar nicht beseitigt, die die Antragsteller beklagen. Wenn die C randsteuer au nur zu einem kleinen Teil angewandt wird, bleiben dié Befürchtungen der Herren doch bestehen. Ver Maßstab des § 1010 ift übrigcuz so kompliziert, daß unter keinen Umständen eine Genossen\chafts- verwaltung si dazu herbeilassen wird, ihn anzuwenden. Wir wollen keine neuen Lasten auf Grund der Grundsteuer mehr auferlegen, aber wir wollen nicht, daß die Unzufriedenheit, die, wie die letten Reichstagswahlen gezeigt haben, son genug vorbanten ist, noch mehr

vermehrt wird.

Nach weiteren kurzen Ausführungen der Abga. Dr. Schroeder und Dr. L iebknecht wird der “iets von Malyahn in der amendierten Fassung angenommen und mit diesem Zusaß § 1. S F

10 wird in der durch den Antrag Engelbrech t ab- geänderten Form Ms angenommen. :

Jm übrigen wird das Gese ohne weitere Debatte nah dem Kommissionsbeshluß angenommen.

Jn der sofort sich anschließenden dritten Lesung wird das Geseß ohne Debatte in seinen einzelnen Teilen und im ganzen angenommen. (