1878 / 305 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 28 Dec 1878 18:00:01 GMT) scan diff

Nichtamtliches.

Deutsches Neich.

Prenßen. Berlin, 28. Dezember. Se. Majestät der Kaiser und König empfingen heute die Gencral- Adjutanten, General der Kavallerie Graf von der Golß und General-Lieutenant von Kessel, und nahmen demnächst in Gegenwart des Gouverneurs und des Kommandanten mili- Minit Meldungen und hierauf die Vorträge des Kriegs- Ministers, sowie des Majors von Brauchitsh vom Militär- Tabinet entgegen.

Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz nahm gestern Vormittag um 112/, Uhr mili- tärische Meldungen entgegen und stattete um 11/2 Uhr dem Großfürsten Alexis von Rußland und dem Prinzen Arnulf von Bayern Besuche ab. :

Nachmittags um 5 Uhr nahm Höchstderselbe mit Sr. (oda: c Pin dem Prinzen Wilhelm an dem Diner bei Jhren Majestäten Theil.

Das die Revision des Zolltarifs betreffende Schreiben des Reichskanzlers, dessen Berathung in der Sißzung vom 283. d. M. auf der Tagesordnung des Bundes- raths Rand, hat folgenden Wortlaut :

ers den 15. Dezember 1878.

Nachdem der Bundesrath auf Grund der Vorlage vom 12. No- vember l. F. (Nr. 123 der Dructsachen) die Einseßung einer Kom- mission zur Revision des Zolltarifs beschlossen hat, beehre ih mi, nachstehend die Gesichtspunkte darzulegen und zur geneigten Er- wägung zu stellen, uelhe mir bei dieser Revision als leitende vor- \{chweben und in deren Richtung ich amtlih zu wirken bestrebt bin.

Jn erster Linie steht für mich das Interesse der finanziellen Nc- form: Verminderung der direkten Steuerlast dur Vermehrung der auf indirekten Abgaben beruhenden Einnahmen des Reichs.

Wieweit Deutschland in der finanziellen Entwickelung seines Zollwesens hinter anderen Staaten zurüclgeblieben ist , zeigt die unter 1 anliegende Uebersiht. Das hier dargeistellte Verhältniß würde \ich voch ungünstiger für Deutschland gestalten, wenn zu den für Oesterreih-Ungarn, Frankreih und Jtalien aufgeführten Be- trägen der Cinnahme an Grenzzöllen die Summen hinzugefügt würden, welche diese Staaten an Stelle des Zolls vom ausländischen Tabak in der Form des Monopolertrages beziehen und welche zu Gunsten der Gemeinden als Oktroi erhoben werden.

Es beruht nicht auf Zufall, daß andere Großstaaten, zumal folche mit weit vorge|\chrittener politisher und wirthschaftliher Ent- widelung die Deckung ihrer Ausgaben vorzugêweise in dem Ertrag der Zölle und indirekten Steuern fuchen.

Die direkte Stezec, welche in einem für jeden einzelnen Steuer- pflichtigen im Voraus festgestellten Betrage dem einzelnen Besteucrten abgefordert und nöthigenfalls durch Zwang von ihm beigetrieben wird, wirkt ihrer Natur nach drückender als jede indirekte Abgabe, die in ihrem Betrage sowohl der Gesammtheit als dem Einzelnen gegenüber an den Uznfang des Verbrauchs besteuerter Gegenstände sich anschließt und, soweit sie den einzelnen Konsumenten trifft, von diesem in der Regel nicht besonders, sondern in und mit dem Preise der Waaren entrichtet wird. In dem größten Theile Deutschlands haben die direkten Steuern einschließlich der Kommunalabgaben eine Höhe erreicht, welche drückend ist und wirthschaftlih nicht gere{chtfertigt ersheint. Am meisten leiden unter derselben gegenwärtig diejenigen Mittelklafsen, deren Ein- Yommen fich etwa in “der Grenze bis zu 6000 4 bewegt und welche dur exekutorisch beigetriebene oder über ihre Kräfte gezahlte direkte Steuern noch häufiger als die Angehörigen der untersten Steuerklassen in ihrem wirthschaftlihen Bestande untergraben werden. Soll die Steuerreform, wi: ich es für erforderlich halte, in ihren Erleichte- rungen bis zu diesen Grenzen reihen, so muß sie bei der Revision des Zolltarifs auf einer möglichst breiten Grundlage beginnen. Je er- giebiger man das Zollsystem in finanzieller Hinsicht gestaltet, um so arößer werden die Erleichterungen auf dem Gebiete der direkten Steuern sein können und sein müssen.

Denn es verjiteht sich von selbst, daß mit ver Vermehrung der indirekten Einnahmen des Reichs nicht eine Erhöhung der Gesammt- \teuerlast bezweckt werden kann. Das Maß der Gesammtsteuerlast it niht durch die Höhe der Einnahmen, sondern durh die Höhe des Bedarfs bedingt, durch die Höhe der Ausgakten, welche im Ein- v:rständniß zwischen Regierung und Volksvertretung als dem Be- dürfniß des Reichs oder Staats enisprechend festgesteUt wird. Höhere Einnahmen zu erzielen, als zur Bestreitung dieses Bedürfnisses un- bedingt erforderlich find, kann niemals in der Absicht der Regierungen liegen. Dieselben haben nur dahin zu strebey, daß das Erforderliche auf die relativ leichteste und erfahrungsmäßiz minder drückende Weise aufgebraht werde. Jede Steigerung der indirekten Ginnahmen des Reichs muß deshalb die nothwendige Folge haben, daß von den direkten Steuern oder von solchen indirckten Steuern, deren Er- hebung von Staatswegen etwa aus besonderen Gründen niht mchr wünschenswerth erscheint, soviel erlassen oder an Kommunalverbände überwiesen wird, als sür die Deckung der im Einverständnisse mit der Volsvertretung festgeseßten Staatsausgaben entbehrlih wird.

Nicht in Vermehrung der für die Zwecke des Reichs und der Staaten nothwendigen Lasten, sondern in der Uebertragung eines größeren Theils der unvermeidlichen Lasten auf die weniger drücken- den indirekten Steuern, besteht das Wesen der Finanzreform, zu deren Verwirklichung au die Zolltarifrevision dienen sol.

i Um eine d eser Rücksicht entsprehende Grundlage für die Re- vision zu gewinnen, empfiehlt es sih meines Erachtens, niht blos einzelne Artikel, welche sih dazu besonders eignen, mit höheren Zöllen zu belegen, sondern zu dem Prinzip der Zollpflichtigkeit àller über die Grenze eingeheuden Gegenstände, welches in der preußischen Zoll- Geseßgebung vom Jahr 1818 an als Regel aufgestellt war und später in der allgemeinen Eingangsabgabe des Vereins-Zolltarifs bis zum Sahre 1865 seinen Ausdruck fand, zurückzukehren.

Von dieser allgemeinen Zollpfliht würden diejenigen für die SJndustrie unentbehrlihen Rohstoffe auszunehmen sein, welche in Deutschland gar nicht (wie z. B. Baumwolle) und nach Befinden auch die, welche nur in einer ungenügenden Quantität oder Qualität erzeugt werden können. :

Alle nit besonders au8genommenen Gegenstände sollten mit einer Eingangsabgabe belegt sein, die nah dem Werthe der Waaren und zwar unter Zugrundlegung verschiedenec Prozentsäße, je nah dem Bedarfe der efüheimischen Produktion , abzustufen wäre. Die hiernach zu bemessenden Zollsäße würden auf Gewichtseinheiten, wie dies ia dem bestehenden Zolltarif die Regel ist, zurückzuführen und danach zu erheben fein, soweit niht nach der Natur des Gegenstands eine Gr- hebung des Zolls per Stück (wie bei dem Vieh) oder unmittelbar nach dem Werth (wie bei Cisenbahnfahrzeugen, eisernen Flußschiffen) sich mehr empfiehlt. L

Nach den Veröffentlichungen des Kaiserlihen Statistishen Amts “(Statistik des Deutschen Reichs, Vand XXXI1II. S. I1L. 93) betrug im Jahre 1877 der geschäßte Werth der Waareneinfuhr (Eingang in den freien Verkehr) rund“ 3877 Millionen Mark. Hiervon fallen | E Mos 2 auf bisher zollfreie Artikel rund 2853 Millionen “Mark.

In dieser Summe ist der Werth einer Reihe von Artikeln ent- halten, welche auc in Zukunft zollfrei zu lassen sein werden, weil sie unter die obenbezeihnete Kategorie der für die Industrie unentbehr- lichen Rohstoffe fremder Herkunft fallen oder weil sie, wie gemünztes Metall, sih ihrer Natur nah niht zu einem Gegenstande der Ver- ollung eignen. Außerdem würden die Positionen in Abzug A bringen lia, für welhe etwa auch in Zukunft die Freiheit der Durchfuhr andern Ländern vertragsmäßig gewährleistet oder im Interesse des

inländischen Verkehrs geseßlih zugelassen werden foll. Es kommt ferner in Betracht, daß die Belegung jeßt zollfreier Artikel au mit _einer iäßigen Eingangs8abgabe, do Einfluß auf den Verbrauch dieser Artikel üben kann. i

Welcher Betrag hierüach an der obigen Summe von 2853 Mil- lionen Mark abzuseßen wäre, um den Gesammtwerth der jeßt zoll- freien, nah meinem Vorsc(:lag künftig der Zollpfliht unterliegenden Gegenstände zu ermitteln, dies läßt sih mit irgend welcher Zu- Vera ge nicht berechnen. Wollte man indessen auch annehmen, daß selbst die Hälfte der obengenannten Summe was ohne Zweifel zu hoh gegriffen ist als Werth auch tlünftig zollfreier Ein- und Durchfuhr in Abzug kommen müßte, so bliebe immerhin noch eine, jeßt zoUlfreie, künftig und nah den ursprünglichen bis 1865 gültigen Grundsäßen Preußens und des Zollvereins zollpflichtige Einfuhr im Werthe von etwa 1400 Millionen Mark. Wird ferner angenommen, daß die hiervon künftig zu erhebenden Eingangs8abgaben auch nur durchs{chnittlich 5 °/9 des Werths betrügen, so würde fich die Ver- mehrung der jährlihen Zolleinnahmen auf 70 Millionen Mark belaufen.*) i

Dieser Vermehrung der Zolleinnahme würde eine wesentliche Erhöhung der Zollerhebungs- und Verwaltungskosten nicht gegznüber- stehen, da eine wenn auch nur summarische Revision der die Zoll-

renze passirenden zollfreien Güter jeßt ebenfalls stattfindet. Die be- tehenden Einrichtungen an der Zollgre1nze und im Innern würden voraussichtlich auch zur Verzollung aller jeßt zollfreien, künftig zoll- pflichtigen Gegenstände ausreichen oder doch nicht in sehr erheblihcm Maße zu erweitern sein; sie würden durch Vermehrung der zoll- pflichtigen Artikel vielfa nur noch besser ausgenüßt und einträg- licher gemacht werden, als es jeßt der Fall ist.

Wenn hiernach vom finanziellen Gesichtspunkte aus, auf welchen ih das Hauptgewicht lege, die von mir befürwortete Wiederherstellung der Regel allgemeiner Zollpflicht sih empfiehlt, so läßt ein solches System sich meines Erachtens auch in volkswirthschaftlicher Be- ziehung nicht anfechten. i

IFch lasse dahingestellt, cb ein Zustand vollkommener, gegen- feitiger Freiheit des internationalen Verkehrs, wie ihn die Theorie des Freihandels als Ziel vor Augen hat, dem Interesse Deutschlands entsprechen würde. So lange aber die meisten der Länder, auf welche wir mit unserem Verkehr angewiesen sind, \sich mit Zollschrauken umgeben, und die Tendenz zur Erhöhung derselben nod im Steigen begriffen ift, erscheint es mir gerechtfertigt und im wirthschaftlichen Interesse der Nation geboten, uns in der Befriedigung unserer Pes Bedürfnisse nicht dur die Besorgniß einshränken zu assen, daß dur dieselben deutsche Produkte eine gerinze Bevor- zugung vor ausländisczen erfahren. | ;

Der jeßt bestehende Vereinszolltarif enthält neben den reinen Finanzzöllen eine Reihe von mäßigen Schußzöllen für best.mmte Industriezweige. Eine Beseitigung oder Verminderung dieser Zölle wird, zumal bei der gegenwärtigen Lage der Industrie, nicht rathsam erscheinen; vielleiht wird sogar bei manchen Artikeln im Interesse einzelner besonders leidender Zweige der heimishen Industrie, je nah dem Ergebniß der im Gange befindlihen Enqueten eine Wieder- derse nd höherer ozer Erhöhung der gegenwärtigen Zollsäße sich empfehlen.

Schutzölle für einzelne Industriezweige aber wirken, zumal wenn sie das durch die Rütsicht auf den finanziellen Ertrag gebotene Maß überschreiten, wie ein Privilegium und begegnen auf Seiten der Vertreter der niht ges{üßten Zweige der Erwerbsthätigkeit der Abreigung, welcher jedes Privilegium ausgeseßt ist. Dieser Abnei- gung wird ein Zollsystem nicht begegnen können, welhes innerhalb der dur das finanzielle Interesse gezogenen Schranken, der ge- sammten inländishen Produktion einen Vorzug vor der ausländi- \chen Produktion auf dem einheimishen Markte gewährt. Ein solches System wird nach keiner Seite hin drückend ersheir.en können, weil seine Wirkungen \sich über aile produzirenden Kreise der Nation

gleichmäßiger vertheilen, als es bei einem System von Schußzöllen Die Minderheit der Be-

für einzelne Industriezweige der Fall ift. r D völkerung, welhe überhaupt nit produzirt, sondern aus\chließlich konsumirt, wird durch ein die gelan nationale Produttion begün- stigendes Zollsystem scheinbar benachtheiligt. Wenn indessen dur ein solches System die Gesammtsumme der im Inland erzeugten Werthe vermehrt und dadurch der Volkswohlstand im Ganzen gehoben wird, so wird dies schließlich auch für die nicht pro- duzirenden Theile der Bevölkerung und namentlich für die auf festes Geldeinkommen angewiesenen Staatt- und Gemeindebeamten von Nugtea sein; denn es werden der Gesammtheit dann die Mittel zur Ausgleichung von Härten zu Gebote stehen, falls fich in der That eine Erhöhung der Preise der Lebensbedürfnisse aus der Ausdehnung der Zollpflichtigkeit auf die Gesammteinfuhr ergeben sollte. Eine folhe Erhöhung wird jedoch in dem Maße, in welchem fie von dem Konsumenten befürchtet zu werden pflegt, bei geringen Zöllen voraus: sichtlich nicht eintreten, wie ja auch umgekehrt nach Aufhebung der Mahl- und Schlahtfteuer die Brod- und Fleischpreise in den früher davon betroffenen Gemeinden nicht in einer bemerkbaren Weise zurückgegangen find. i l : Cigentliche Finanzzölle, welche auf Gegenstände gelegt sind, die im Inlande nicht vorkommen und deren Einfuhr unentb?hrlih ift, roerden zum Theil ven Inländer allein treffen. Bei Artikeln dagegen, welche das Inland in einer für den einheimischen Verbrauch ausreihenden Menge und Beschaffenheit zu erzeug-n im Stande ist, wird der ausländische Produzent den Zoll alicin zu tragen haben, um auf dem deutshen Markt noch konkurriren zu können. In solchen Fällen endli, in denen ein Theil des inlän- dischen Bedarfs durch auswärtige Zufuhr gedeckt werden muß, wird der ausländiscbe Konkurrent meist genöthigt sein, wenigstens einen Theil und oft das Ganz: des Zolls zu übernehmen und seinen bis- herigen Gewinn um viesen Betrag zu vermindern. Daß Grenzzölle auf solhe Gegenstände, welche auch im Inland erzeugt werden, den ausländishen Produzerten für das finanzielle Ergebniß mit heran- ziehen, geht aus dem Interesse hervor, welches überall das Ausland gegen Einführung und Erhöhung derartiger Grenzzölle in irgend einem Gebiete an den Tag legt. Wenn im praktischen Leben wirklich der inländishe Konsument cs wäre, dem der erhöhte Zoll zur Last fällt, so würde die Erhöhung dem ausländischen Pro- duzenten gleichgültiger sein. e : Soweit hiernah der Zoll dem inländishen Konsumenten über- haupt zur Last fällt, tritt er hinter den sonstigen Verhältnissen, welche auf die Höhe der Waarenpreise von Einfluß sind, in der Regel weit zurück. Gegenüber den Preisschwankungen, welche bei bestimmten Waarengattungen durch den Wechsel im Verhältniß von Angebot und Nachfrage oft binnen kurzer Zeit und bei geringer örtlicher Gntfer- nung der Marktpläße von einarder bedingt roird, kann ein Zoll, der

etwa 5 bis 10 °%/ vom Werth der Waare beträgt, nur einen verhält-

nißmäßig geringen Einfluß auf den Kaufpreis üben. Andere Momente, wie die Ungl-eichheiten der Frachtsäße bei den Differenzialtarifen der Eijenbahnen, wirken in dieser Beziehung viel einshneidender vermöge der Einfuhrprämie, die fie dem Auslande, oft zum vielfachen Betrage jedes vom Reiche aufzulegenden Zolles, auf Kosten der deutschen Produktion gewähren. Jh bin deshalb auc der Ueberzeugung, daß mit der Revision der Grenzzölle eine Revision der Eisenbahntarife nothwendig Hand in Hand gehen muß. Es kann auf die Dauer den einzelnen Staats- und Privat-Eisenbahuverwaltungen nicht die Be- rechtigung verbleiben, der wirthshaftlichen Geseßgebung des Reiches nah eigenem Ermessen Konkurrenz zu machen, die Handelspolitik der verbündeten Regierungen und des Reichstages nah, Willkür zu neutralisiren und das wirthschaftlihe Leben der Nation den Schwan- kungen auszuseßen, welhe im Gefolge hoher und wechselnder Ein- fuhrprômien für einzclne Gegenstände nothwendig eintreten.

Die Rückkehr zu dem- Prinzip der allgemeinen Zollpflicht ent- spricht der jeyigen Lage unserer handelspolitishen Verhältnisse. Nach-

*) Der Botiay in dem bis vor 13 Jahren gültigen Tarif

reußens und des Zollvereins war für alle im Tarif nicht als zoll- fri enannte Einfuhrgegenstände 15 Sgr. für den Centner.

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dem der Versuch, mit Oëésterreib-Ungarn einen neuen Tarifvertraz zu vereinbaren, respektive den bisherigen zu prolongiren, gescheitert ist, sind wir (abgesehea von den in den Verträgen mit Belgien und der Schweiz enthaltenen Tarifbestimmungen) in das Recht selbst- ständiger Gestaltung unseres Zolltarifs wieder eingetreten. Bei der bevorstehenden Revision des Zolltarifs kann nur unser eigenes Inter- esse maßgebend sein. Dieses Interesse wird vielleicht demnächst zu neuen Verhandlungen über Tarifverträge mit dem Aus! and führen. Sollen aber fole Verhandlungen mit der Ausficht auf einen für Deutschland glüdcklihen Erfolg begonnen werden, so ist es nötbig, vorher auf dem autonomen Wege ein Zcllsystem zu s{affen, welhes die gesammte inländishe Produktion der ausländischen gegenüber in die möglichst günstige Lage bringt.

Dem Bundesrath stelle ich ergebenst anheim, die vorstehenden Bemerkungen der Kommission, welche behufs Revision des Zolltarifs zufolge des Beschlusses vom 12. d. M. eingeseßt wird, zur Erwägnng gefälligst überweisen zu wollen.

von Bismarck.

An den Bunde rath.

Jn der Anlage 1 sind nah mehrjähriger Fraktion die DurWschnittseinnahmen an Grenzzöllen in folgenden Sta..ten zusammengestellt : Deutsches Reih (1873—1877) 119 688 266 M (2,83 6 pro Kopf der Bevölkerung), Oesterreih - Ungarn (1872—1876) 46 465 675 A (1,26 É pro Kopf der Be- völkerung), Frankreih (18?73—1876) 177 288 472 M, (4,88 M pro Kopf der Bevölkerung), Jtalien (1873 —-1877) 81 643 560 44 (2,97 M4 pro Kopf der Bevölkerung), Rußland (1872—1876) 190 272 000 M (2,65 46 pro Kopf der Bevölkerung), Groß- britannien (1. April 1872/73—1876/77)412 221 192 M: (12,59 M pro Kopf der Bevölkerung),Schweden (1874—1878) 22 275 000 4 (5,03 4 pro Kopf der Bevölkerung), Dänemark (1875/76— 1876/77) 20 346 008 M (10,60 /6 pro Kopf der Bevölkerung), Anierika (0. 8. of A) (l Juli 181279 187077) 629 911 645 M (16,34 Æ pro Kopf der Bevölkerung).

Anlage 2 enthält ein Verzeichniß der Mengen der im Fahre 1877 in den freien Verkehr des deutschen Zollgebiets zollfrei eingegangenen Artikel, im Gesammtwerth auf 2 853 233 750 Hf geschäßt.

Nachdem die Königlichen Eisenbahn-Direktionen “L Erhaltung und Förderung einer lebendigeren Verbindung der Eisenbahnverwaltung mit Vertretern der Eisenbahn-Verkehrs- interessen von dem Handels-Minister angewiesen worden sind, mit Delegirten der wirthscaftlihen Korpo- rationen und Verbände ihres Bahnbereihs behufs gemeinsamer Erörterung wichtigerer Verkehrsfragen in periodischen Konferenzen zusammenzutreten und hierneben zur Erleichterung \{leunigerer Fnformationen auf die Bestellung eines ständigen Ausschusses thunlichst hinzuwirken, beabsichtigt der Handelsminister auch für die Zentralverwaltung der Eisenbahnen eine Einrichtung zu treffen, welche es ermöglicht, in ähnlicher Weise Ansichten und Gutachten über wichtigere, das Eisenbahnwesen betreffende Fragen von all gemeinerer Bedeutung aus den Kreisen der Verkehrsinteressenten in un- mittelbarer Berührung mit geeigneten Vertretern derselben ent- gegenzunehmen. Zu dem Ende ist vorläufig nur versuhs- weise in Aussiht genommen, eine beschränkte Zahl ange- sehener, mit den allgemeinen Verkehrsinteressen des Landes vertrauter Männer aus den Kreisen des Handels, der Fn- dustrie, der Land- und Forstwirthschaft, sowie auch der Privat- eisenbahnen zu einem wirthschaftlichen Beirath der Centra!l-Eisenbahn-Verwaltung zu vereinigen. Die Zusammens zung und der Geschäftsgang dieses Beiraths werden durch ein besonderes Regulativ geregelt, den Konferenzen des- selben auch je nach R D Kommissarien der übrigen Ressorts, insbesondere des landwirthschaftlichen wie des Finanz- ressorts beiwohnen.

Der Königlich belgishe Gesandte Baron Nothomb ist auf seinen hiesigen Posten zurügekehrt und hat die Leitung der Gesanttschast wieder Übernommen.

Sachsen-Meiningen-Hildburghausen. Meiningen. (Eisen. Ztg.) Die Regierung hat am 20. d. M. das Dissi- denten- und das Finanzgeseß gleichzeitig veröffentlicht. Das Finanzgeseh bestimmt die Forterhebung der Steuern auf das Jahr 1879 nah dem Geseße von 1875. Der mitpubli- zirte Etat besteht aus Domänen- und Landesetat. Ersterer hließt in Einnahme mit 2058505, in Ausgabe mit 1 522 391 M ab; der Uebershuß von 535 114 wird zu gleichen Theilen zwischen Herzog und Land getheilt; die feste Civilliste ijt mit 394 286 /6 aus den Domänen eingestellt. Der Domänenertrag hat sich um 203 225 4. höher als im Vor- jahre gestellt, weil Domänengüter und Forsten besser rentirten. Der Landesetat {ließt in Einnahme und Ausgabe mit 2 534 809 6 Die direkten Steuern sind mit 1 056 150, die indirekten mit 355 500 A etatisirt, beide 138 000 M höher als imm Vorjahre. Bei den Ausgaben bleibt der Matrikular- beitraa mit 300 000 4 unverändert; die Justiz ist um ellt: die Kirchen und Schulen um 46 000 6 höher eîin- gestellt.

Oesterreich : Ungarn. Wien, 26. Dezember. Das Herrenhaus ist, der „Presse“ zufolge, für Sonnabend, den 28. d., zu ciner Sißung einberufen, auf deren Tagesordnung die Wehrvorlagen, der Handelsvertrag mit Deutschland, die Vorlage, betreffend den italienishen Vertrag, und Ergänzungs- wahlen in die Delegation si befinden.

Schweiz. Zürich, 28. Dezember. (W. T. B.) Der E Anarchist Brousse, Verfasser der bekannten rtikel der „Avant-Garde“, ist in Ve've y verhaftet worden.

Genf, 27. Dezember. (W. T. B.) Der Bundesrath hat in der gerichtlichen Untersuchung gegen das Journal „L'Avant-Garde“ Marc Morel (Waadtland) zum General- ae und Berdez (ebendaher) zum Untersuchungsrichter ernannt.

Großbritannien und Jrland. London, 27. De- zember. (W. T. B.) Eine Extra-Ausgabe der „London Gazette“ veröffentliht ein Schreiben der Königin an den Staatssekretär des FJnnern, Croß, vom 26. d. M, ‘in welhem die Königin ihren und des Großherzogs von Hessen Dank ausspricht für die ihnen anläßlich des Ablebens der Großherzogin Alice Seitens der ganzen Nation dargebrahten sympathischen Kund- gebungen der Theilnahme. Jhre Majestät hebt hervor, sie wisse diese Theilnahme um so höher zu schäßen, als dieselbe bei der gegenwärtigen bedrängten Lage des Landes erfolgte, welche Niemand mchr beklage als die Königin selbst. /

%W. Dezember. (W. T. B.) Die „Times“ sieht die Ankunft Jakub Khans in Fellalabad als ein Zeichen an, daß ein beträchtliher Theil der Bevölkerung Afghanistans

geneigt sei, mit England zu unterhandeln. Jedenfalls müsse der künftige Beherrsher von Afghanistan das Versprechen leisten, daß er unter keinen Umsiänden ermangeln wolle, ein Freund der Freunde und ein- Feind der Feinde der englischen Regierung zu sein, und die englishe Regierung müsse für die Erfüllung dieses Versprehens ausreihende Bürgschaften er- halten. Diese Nothwendigkeit erheische zwar ein Vorschieben der bisherigen Grenze von Fndien, indeß werde die Regierung weise und gerecht handeln, wenn sie nur mäßige Bedingungen stelle. Nach hier vorliegenden Nachrichten aus Capetown, vom 10. d. M., werden heute die Abgesandten des Königs Cetewayo an der Grenze zur Entgegennahme der Botschaft des Gouver- neurs erwartet. Wie verlautet, werden in der Botschaft die Entwaffnung und Entlassung der Zulutruppen, die Abtretung der Bai von Santa Lucia und die Zulassung eines britischen Residenten zu dem Gebiete der Zulus verlangt. Obgleich die leßten Kundgebungen Cetewayo s versöhnlih.r Art gewesen sein sollen, so hält man doch vielfa den Ausbruch der Feind- seligkeiten für nahe bevorstehend.

Frankreich. Paris, 26. Dezember. Ein im „Journal officiel“ ershienenes Dekret des Präsidenten ernennt eine Kommisssion, welche die Grundgeseße und organi- schen Verordnungen der französischen Kolonien dur é Jehen und geeignete Reformvorschläge machen soll. Diese Kommission besteht aus den Senatoren Graf Rampon, Schölcher, General Frebault, de Laserve, Graf Desbassayns de Richemont, Baron Lareinty, General de la Jaille und Desmazes, den Abgg. Bethmont, de Mahy, Godissart, Lacas- cade, Godin, Langlois und G. Perin, jowie einigen Beam- ten des Marine-Ministeriums. 5

27. Dezember. (W. T. B.) Das Journal „France meldet, daß der Bey von Tunis troß des Widerspruchs des französchen Konsuls das Eigenthum eines Franzosen, des Grafen Saucy, zu verlegen versucht habe; das Journal will wissen, daß Seitens des französischen Ministers des Aus- wärtigen ernste Maßregeln ergriffen werden würden, um für diese Unbill eine Genugthuung zu erlangen. Das Blatt ist der Meinung, der Bey habe auf diese Weise eine Krisis her- beiführen wollen, mi Seankreis zu nöthigen, seine définitiven Absichten bezüglih einer Annexion von Tunis oder eines Protektorates über das Land kund zu thun.

Italien. Rom, 27. Dezember. (W. T. B.) Der Minister-Präsident Depretis und der englische Botschafter Paget hatten gestern eine längere Kon- ferenz, in welcher die zwischen dem italienischen Konsul auf Cypern und dem englishen Generalgouverneur über das Exequatur und die Anerkennung der Kapitulationen ent- standenen Differenzen nahezu vollständig behoben worden sind.

Nußland und Polen. St. Petersburg, W. De- zember. (W. T. B.) Staatsrath Schmitt ist zum Direktor der Kanzlei der 3. Abtheilung der Geheimen Kanzlei des Kaisers ernannt worden.

Affrika. Egypten. Kairo, 27. Dezember. (W. T. B.) Von der Winterresidenz des Khedive, dem Abdinpolaste, ist etwa die Hälfte durch Feuer zerstört worden. Die egyptischen Staatseinnahmen in den Monaten Januar bis Oktober d. J. betrugen 51/4 Millionen Pfd. Sterl. gegenüber 6 750 000 Pfd. Sterl. im Vorjahr.

Aus dem Wolffschen Telegraphen-Bureau.

Wien, Sonnabend, 28. Dezember, Vormittags. Die angeblich in Pest und Gödölóö umlaufenden Alttentats- gerüch‘e werden von dem „Telegraphen-Korrespondenz-Bureau“ als Erfindungen bezeichnet, die auf Gerüchte zurüczusühren eien, welche vor etwa drei Wochen zirkulirten und bereits

amals völlig unbeglaubigt und unrichtig waren.

Paris, Sonnabend, 28. Dezember, Mittags. Der „Agence Havas“ sind von der spanischen Grenze Mittheilungen zugegangen, wonach eine gegen 400 Mann starke Bande Be- 0e AL S Rd Labata, in der Provinz Barcelona, sih gezeigt

aben soll.

New-York, Sonnabend, 28. Dezember. Nach hier ein- getroffenen Nachrichten war in Tepic (Mexiko) eine Rebellion ausgebrochen, welhe nah kurzer Dauer unterdrückt worden ist. Gegen 80 Jnsurgenten sind hingerichtet worden. Der österreichische Konsul in New-Orleans, Bader, hat sich ertränkt.

Statistische Nachrichten.

Nach dem von der General-Direktion der Douanen in Paris veröffentlichen „Tableau général du commerce de la Fra ce“ reprâs- sentirte der Spezialhandel Fran kreihs mit dem Aus- lande im Jahre 1877 cinen Gesammtwerth von 7106,1 Mil. Fr.

egen 7564,0 Mill. Fr. in 1876, hat also eine Abnahme um 457,9 ill. Fr. erfahren. Die Einfuhr Frankreichs hatte einen Werth von 3669,8 Mil. Fr. (gegen 1876 weniger 318,6 Mill. Fr.), die Ausfuhr einen folchen von 3436,3 Mill. Fr. (gegen 1876 weniger 139,3 Mill. Fr.). Das Deutsche Reich partizipirte an dem Werthe der Einfuhr mit 372,8 Mill. Fr. (gegen 1876 weniger 16,2 Mill. Fr.), an demjenigen der Ausfuhr mit 395,1 Mill. Fr. (gegen 1876 weniger 36,1 Mill. Fr.). Die hauptsächlichsten Artikel des Verkehrs zwischen Deutschland und Frankreich waren in 1877 (bez. 1876) folgende: __1) Einfuhr Frankreichs aus Deutschland: Schlatht- vich 40,5 Mill. Fr. (1876 50,8), Holz 33,6 Mill. Fr. (1876 25,3), Baumwollengewcbe 23,7 Mill. Fr. (1876 26,9), Steinkohlen und Koks 22,3 Mill. Fr. (1876 21,9), Garn aller Art 19,1 Mill. Fr. (1876 30,9), rohe Häute und Felle 14,7 Milk. Fr. (1876 20,7), Wollenwaaren 12,9 Mill. Fr. (1876 11,5), Maschinen und mechanische Jristrumente 12,7 Mill. Fr. (1876 10,6), Bier 11,7 Mill. Fr. C 876 10,7), Cerealien 10,8 Mill. Fr. (1876 5,1), chemische Produkte ,0 Mill. Fr. (1876 4,43, Gewebe, Bänder 2c. aus Seide 6,5 Mill. Fr. (1876 6,3), Delsämereien 6,5 Mill. Fr. (1876 0,9). Hopfen 6,4 Mill. Fr. (1876 11,6), Thon-, Glas- und Krystallwaaren 6,4 Mill. Fr. (1876 5,7), Blei 6,3 Mill. Fr. (1876 3,0), Hanf 5,7 Mill. Fr. (1876 3,4), Rohseide 5,6 Mill. Fr. (1876 9,2), Papier, Bücher, Stiche 5,5 Mill. Fr. (1876 5,3), Metall- waaren 5,4 Mill. Fr. (1876 5,4), Schafwolle 5,4 Mill. Fr. (1876 9,3), Zink 5,3 Mill. Fr. (1876 4,2), zuberreitete Häute 5,2 Mill. Fr. a 7,0), Pferde 4,9 Mill. Fr. (1876 7,2), Fleisch, fris und ge- alzen 3,8 Mill. Fr. (1876 4,1). Eisenerz, Roheisen 2c. 3,8 Mill. Fr. uta 3,0), Kupfer 3,8 Mill. Fr. (1876 2,6), Hüte von Stroh, ohr 2c. 3,7 Mill. Fr. (1876 5,3), Melasse 3,4 Mill. Fr. (1876 1,3), Branntwein und Spiritus 3.1 Mill. Fr. (1876 1,1).

2) Ausfuhr Frankreihs nach Deutschland: Wein 27,7 Mill. Fr. (1876: 33,7), rohe Baumwolle 24,2 Mill. Fr. (1876: 31,8), Wollenwaaren 23,7 Mill. Fr. (1876: 29,2), Getreide 23,1 Mill. Fr. (1876: 21,6), Seidenwaaren 23,0 Mill. Fr. (1876: 21,4), Mercerie 21,0 Mill. Fr. (1876: 21,7), Mehl 19,4 Mill. Fr. (1876: 20,9), Rohseide 10,7 Mill. Fr. (1876: 11,5), Schafwolle

und Abfälle davon 9,7 Mill. Fr. (1876: 10,2), Vieh 9,3 Mill. Fr. (1876: 12,5), Bijouterien 9,1 Mill. Fr. (1876: 7,9), Metallwaaren und Werkzeuge aus Metall 8,7 Mill. Fr. (1876: 10,0), rohe Häute und Felle 8,4 Mil. Fr. (1876: 8,2), zubereitete Felle 7,1 Mill. Fr. (1876: 5,2), chemische Fabrikate 6,2 Mill. Fr. (1876: 6,0), Mode- artifel und fkünstlide Blumen 6,8 Mill. Fr. (1876: 6,5), Lederwaaren 6,5 Mill. Fr. (1876: 7,5), Farbehol; - Ex- trakfte 5,8 Mill. Fr. (1876: 4,0), Gerberlohe 5,8 Mill. Fr. (1876 5,8), Papier, Bücher 2c. 5,7 Mill. Fr. (1876 6,2), Sämereien allèr Art 5,7 Mil. Fr. (1876 5,6), raffinirter Zucker 5,5 Mill. Fr. (lars 9,1), Pferde 5,2 Mill. Fr. (1876 3,7), Holz 4,1 Mill. Fr. 1876 6,0), Garn aller Art 4,2 Mill. Fr. (1876 4,5), M.schinen 3,5 Mill. Fr. (1876 3,0), Pariser JIndustrieartikel 3,6 Mill. Fe. (1876 4,9), Tafelfrüchte 3,1 Mill. Fr. (1876 6,0), Schmuckfedern 3,0 Mill. Fr. (1876 2,5).

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Von der im Verlage von J. Guttentag (D. Collin) hier- selbst ersheinenden , Sammlung Deutscher Reich8geseße“ find jüngst wiederum folgende zwei Bändchen erschienen: 1) „Rechtsanwalts - ordnung für das Deutsche Reih“ mit Anm-:rkungen und Sach- register und 2) „Gerichtskostengeseß. Gebührenordnung fürGerichtsvollzieher. Gebührenordnung für Zeugen- und Sachverständige; mit Anmerkungen, Kostentabellen und Sachr gister. Beide Bändchen, welche sih wegen ihrer übersichtlihen Anlage und zweckmäßigen Form für den praktischen Gebrauch vor- züglich eignen, sind von dem Königlichen Kreisrichter R. Sydow in Halle h¿rausgegeben.

Gewerbe und Hanbel.

Die Verordnung des Gesundheitsamts zu Gibraltar, betref- fend die bereits erwähnte Herabseßung der Quarantäne*), ent- hält folgende nähere Bestimmungen:

Schiffe, welhe aus maroccanischen Häfen Mogador aus- genommen mit reinem Gesundheitspaß und ohne Kranke an Bord in Gibraltar eintreffen, haben sich einer dreitägigen Quarantäne zu unterziehen; die aus Mogador kommenden Schiffe dagegen blei- ben einer einundzwanzigtägiger Quarantäne unterworfen.

Rinder, Geflügel und c.ndere Vorräthe, mit Ausnahme voa Fleis, werden, unter Beobachtung der geltenden Vorsichtsmaßregeln, zugelassen; Güter und Waaren jedoH erst nah einer dreitägigen Quarantäne.

Bon der Zulaffung ausgeschlossen sind: Häute, Leder, Schube, Federn, Wolle und andere Gegenstände, welhe den AnsteckEungsstoff weiter zu verbreiten geeignet sind.

Nach neueren Berichten aus Canea auf Creta ist in den leßten Tagen weder in der Stadt, noch in deren nächster Umgebung ein neuer Erfrankungsfall an Blattern vor:ekommen, sodaß die daselbst vor einiger Zeit mit großer Heftigkeit aufgetretene**) Blattern- epidemie als im Erlöschen begriffen angesehen wird. Diese günstige Wendung ift offenbar den seit etwa 14 Tagen dort wieder einge- tretenen normalen Witterungsverhältnissen zuzuschreiben.

Seitens der Aeltesten der Kausmannschaft von Beclin wer- den folgende neuen „Usancen für den Berliner Woll- handel“ mitgetheilt, welche Anwendung finden, soweit nicht zwischen den Kontrahenten besondere Vereinbarungen getroffen find: §. 1. Bet Geschäftsabschlüssen in Wolle versteht sih der bed1 ngene Preis netto Tara. Bei Berechnung des Taragewichts sind die Wollschnüre nicht zu berücksihtigen. Das Taragewicht wird vorläufig nach der einseitigen Angabe des Verkäufers berechnet. Stellen sich später Differenzen bezügli des Taragewichts heraus, so it der Käufer ver- pflichtet, binnen 6 Monaten nah dem Tage der Uebergabe die Säcke dem Verkäufer in trockenem Zustande fcanko zurückzusenden und zwar bei Verlust des Anspruchs auf Vergütung der Gewichts- differenz. Falls die Säcke zurückgegeben werden, gehen sie in das Eigenthum des Verkäufers zurück. §. 2. Der Verkäufer hat dem Käufer die Wolle zuzuwiegen und trägt die Kosten des Wägens. §. 3. Die Zahlung des Kaufpreises, welcher sih netto Kasse und ohne Ab- zug versteht, ist sofort nach Verwiegung der Wolle, und falls Ver- käufer es verlangt, vor Herausgabe derselben zu leisten. Verkäufer ist aber verpflichtet, die Assekuranz sür die nächsten aht Tage auf alleinige Rechnung zu übernehmen, so lange in dieser Zeit die Wolle auf seinem Lager sich befindet. §. 4. Ist das Geschäft Über Rücken- wäschen geschlossen, so darf die Waare weder Lammwollen noch un- gcewaschene Wollen, noch Wascblocken, noch auch Sterblingswollen, noch’ endlich folhe Wollen enthalten, welche erst nah dem Scheeren gewaschen sid. §. 5 Erfolgt der Abschluß des Geschäfts „mit O ana so werden fünf Prozent vom Preise in Abzug gebracht.

Ihn der außerordentlihen Generalversammlung der Land- und Baugesellschaft a..f Aktien, Lichterfelde, vom 21. d. M. wurden die beiden Gegenstände der Tagesordnung: 1) Genehmi- gung der unentgelilihen Ueberlassung eines Terrains von ca. 25 Morgen an die Reichs-Militärverwaltung zum Zwecke der Erbauung eines Kasernements und 2) Antrag auf Ermächtigung des Aufsichts- rathes, bei Verkäufen von Terrains oder Hochbauten Aktien der Gesellshaft in Zahlung nehmen zu dürfen, cinstimmig genehmigt.

_— (N. Zürch. Ztg) Um eine Umgehung des Verbots der Vieheinfuhr von Deutschland nach Frankreich auf dem Umwege dur die Schweiz zu verhindern, hat der s{weizer Bundeêrath untec dem 24, Dezember folgenden Beschluß gefaßt: 1) Rindvieh, Schafe und andere wiederkäuende Thiere, welche aus

Deutschland in die Schweiz geführt werden, dürfen erst wieder über |

eine andere, als die deutsche Grenze, au3 dem Lande geführt werden, nachdem sich dieselben mindestens 14 Tage in der Schweiz aufge- halten haben. 2) Für Schafe und Rinder, welche aus Deutschland eingeführt werden, dürfen keine Gesundheité seine ausgestellt werden, bis mindeslens 14 Tage nah Abgabe des vom Grenzinspektor ausge- stellten und von der Zollstation gestempelten Passirscheins (§. 15 der bundesräthblihen Verordnung, betreffend Maßregeln zur Veriilgung der Maul- und Klauenseuche vom 3. Juli 1873). 3) Uebertretungen dieser Borschriften werden mit einer Buße von 100—509 Fr. bestraft.

Stettin, 27. Dezember. (W. T. B.) Heute fand hier éine Di- rektions- und Vermaltungsrathsfißung der Berlin-Stettiner

Eisenbahngesellscchaf}t statt, behufs Feststelung der den Kom- missarien für die weiteren, am Montag im Handels-Ministerium stattfindenden Verkaufsbesprechungen zu ertheilenden Instruktionen. Die Montagssißung fällt daher hier aus. i

Meiningen, 23. Dezember. (Mgdb. Ztg.) Eine soeben aus- gegebene amtlihe Zusammen!“ellung über die Gestaltung des ge- sammten Staatsschuldenwesens im Jahre 1877 giebt einen erfreulichen Beleg über die fortschreitende regelrechte Tilgung. Die fämmtlihen Staatsschulden betrugen zu Ende des vorigen Jahres

12464 624 Æ ; diese Ziffer bekundet gegen das Vorjahr eine Ver- minderung um 154411 & Das Prämienanlehen (7 Fl.-Loose) allein ist um 60622 # gemindert und besteht noch zu Anfang dieses Jahres in der Höhe von 5 680633 A Von - der neuen Schuld ist das aus den Jahren 1862—63 herrührende Anlehen um 70 971 Æ

emindert und besteht noch in der Höhe von 2527 630 A Diesem Anlehen fteht zwar auch noch ein Activum in 5000 Stück Werra- bahn-Aktien gegenüber, doch sind diese nicht geeignct, zum Nennwerth in Aufrebnung gebracht zu werden.

__ London, 23. Dezember. Wie die „Engl. Corr.“ reibt, haben die Fabrikdistrikte vor Allem unter der gegenwärtigen Noth zu leiden. In Sheffield, der Stadt der B soll die Noth größer sein, als sie je gewesen seit Bestehen derselben. Die Miethpreise sind um ein Drittel gefallen, gehen aber selbst dazu niht ein. Der „Mayors Fund“ daselbst unterstüßt gegenwärtig 12 000 Leute, Tausende aber melden sich überhaupt nicht um Unter- stüßung. Cine bezeichnende Thatsache ist es, daß sehr viele Leute, die früher hohe Löhne verdienten, jeßt brotlos sind. In Glasgow waren am 30. November 3091 Leute außer Beschäftigung, und inner-

*) Siehe Reichs-Anzeiger vom 24. d. M. **) Siehe Reichs-Anzeiger vom 27. v. M.

halb 14 Tagen stieg diese Zahl bis auf 4368. Darunter befinden sich viele Famikienväter, so daß die Noth deshalb eine noch weit höhere Anzahl von Leuten betrifft. In Liverpool sind die Kajen mit Arbeitern überfüllt, die auf einen gelegentlihen Verdienst warten. Die Thatsache, daß die Noth nah einer so lang andauernden Ge- drücktheit des Handels eintritt, macht fie um so fühlbarer, als in den \{chlechten Zeiten der vergangenen zwei Jahre die Reserven erschöpft

wurden.

London, 28. Dezember. (W. T. B.) Das Comité der Kohlengrubenbesißer von Yorkshire und Lancaster trat Jes in Sheffield und Lancaster zusammen, um die Delegirten der Grubenarbeiter zu hören, welhe die Zurücknahme der Bekannt- machung der Arbeitgeber, betreffend die Herabseßung der Löhne um 128 °%, verlangten. Die Arbeitçeber lehnten diese Forderung ab. Der Auss{chuß der Grubenarbeiter wird sih am 6. Januar versam- meln, um über den Beschluß der Arbeitgeber zu berathen, und seine Entschließung bei der nächsten, am 9. Januar stattfindenden Vereini- gung der Arbeitgeber bekannt geben. Sollte der Strikz zum Aus bruch kommen, so würde derselbe gegen 60 000 Arbeiter umfassen.

Verkehrs-Anstalten.

Southampton, 27, Dezember. Das Postdampf\chiff «„Neckar“, Kapt. W. Willigerod, vom Norddeutschen Lloyd in Bremen, welhes am 14. d. M. von New-York abgegangen war, ist heute 8 Uhr Morgens wohlbehalten hier angekommen und hat, nach Landung der für Southampton bestimmten Passagiere, Post und Ladung, 10 Uhr Vormittags die Reise nach Bremen fortgeseßt. Der „Neckar“ überbringt 77 Passagiere und volle Ladung. Der DeDler hatte auf der Reise einen 4 Tage andauernden Orkan zu

estehen.

Verlin, 28. Dezember 1878.

Ueber das Winckelmanns-Fest in Bonn wird der „Cöln. Ztg.“ geschrieben:

Die am 9. Dezember wie alljährlich vom Verein von UAlter- tbhumsfreunden im Rheinlande veranstaltete Feier von Winckelmanns Geburtstag fand unter zahlreicher Betheiligung im Kais-:rhof in Bonn Statt. Unter den Anwesenden beme:kte man den Prinzen von Meiningen, den Feldmarschall von Herwarth, viele Angehörige der Universität, mehrere Kölner und andere auswärtige Theilnehmer. Auch die Damen fehlten diesem wissenschaftlichen Kreise nicht. Eine Ausftellung kleinerer römischer Alterthümer, besonders von den letzten Ausgrabungen des Bonner Castrums herrührend, wie Pläne und Zeichnungen desselben dienten zur Jllustrirung des ersten Bortrags.

Professor aus’'m Weerth widmete als Vereint präsident der Be- deutung des Tages einige Worte und bezeichnete dann den Bericht über die Ausgrabungen des römischen Castrums in Bonn als ein der Manen Winckelmanns nicht unwürdiges Geburtstagsgcschenk. Ausgehend von der Annahme, daß Cäsar seine zweite Rheinbrüde bei Bonn schlug, dieselbe für eine weitere Verwendung zur Hälfte stehen ließ, am linksrheinishen Ufer mit großartigen Befestiguagen und einer Besaßung von 12 Cohorten versah, gelangte der Vor- tragende zu dem Schlusse, daß diese Befestigungen zum Schuße der Brücke als die erste Anlag2 des unterhalb Bonn am Wichelshof belegenen militärischen römischea Lagers anzusehen seien. Wenn die Konservirung der Brücke auf eine durch die Er- folge bhervorgerufene Entsc{ließung Cäsars, die römishe Machtsphäre über den Rhein auszudehuen, hindeute, fo sei von Augustus und Drusus diese erweiterte Politik aufgenommen worden, wie dies die große linksrheinishe Befe)\tigungslinie Xanten, Bonn, Weißenthurm und Mz.inz mit den_rehtérheinisch vorgeshobenen Werken Alifo, Niederbiber und der Saalburg klar auzdrüte. Das von Auzustus oder Drusus erbaute und aus den Brückenbefestigungen Cäsars hervor- gegangene Bonner Castrum sei deshalb ein bemerkenswerthes Glied in der großen Offensivpolitik gewesen, aber alsobald auch zu einer lediglih defensiven Bedeutung herabgefunken, als erstere unter Claudius endgültig aufgehoben wurde. Die seit dem vorigen Jahre durch das Bon:r.er Provinzialmuseum methodisch in. Angriff ge- nommenen, {on im Jahre 1820 einmal begonnenen Ausgra- bungen des Castrums beschränkten sich bisher auf die Offen- legung der Gebäude des südlichen Drittheils des Rüdlazers, der Retentura des Castrums. Zwei große, je 80 m lange Jn- fanteriekasernen, eine dritte, horizontal dazu liegende Kavall-riekaserne mit vorliegenden Pferdeställen; ferner ein kleinerer Bau für die Vexillarii, jene Truppe vom übrigen Dienste befreiter Veteranen, welchen die Führung der Feldzeichen der Reiterei, des Verxillums, anvertraut war; daun ein großes Magazin mit Schlachthaus sind bereits bloßgelegt und festgestellt worden. Eine Menge kleinerer Funde, dar.nter mehrere hundert Münzen, welche sih in deu durh- gängig aus Tuffstein gebauten Räumen fanden, tragen zur Kennzeich- nung von Zweckck und Zeit der &rbauung wesentlich bei. Daß nach der dur den Aufstand des Civilis (70 n. Chr.) herbeigeführten Zerstörung auf den ältern Fundamenten ein durchgängiger Neubau unter Domitian statt- fand, erweisen die vielen Ziegel mit dem Stempel der von diesem Kaiser erriht:ten Leg. I. Minerva pia fidelis, Nach den bisher ge- wonnenen Ergebnissen lassen die Fortseßungen der Auszrabungen auf großen Umfang der Anlage, eine weitere Anzahl bereits festgestellter Gebäude, wie überhaupt darauf \{ließen, daß das Bonner Castrum sowohl nah der Größe wie nah den baulihen Einrichtungen das bedeutendste bisher bekaunt gewordene set.

Professor Justi sprach Über den holländishen Maler Johann van Scorel (1495—1562}, einen der ersten nordishen Künstler, den seine Wanderjahre über Italien hinaus ins Morgcnland führten und der, als er auf der Rückreife von Palästina nah Rom kam, dur feinen Landsmann Papst Hadrian IV. die Aufsicht über die Kunstscbäße des Belvedere erhielt, wo er Gelegenheit hatte, sich ganz in die Werke des eben verstorbenen Raphael und des Michel-Angelo hineinzuleben, und nun der erstc wurde, der konsequent den neuitalie- nischen Stil in Holland einführte. Deshalb wurde er von seinen Zeitgenossen wie Fr. Floris und van Maucer verehrt als der Er- leuhter und Bahubrecher der neuen Malerei. Seine Persönlichkeit erregt die forsh:nde Neugier noch dadurch, daß fast alle seine großen Werke im Bilderstucm von 1566 untergingen und die Kenntaiß von ihm sid so verlor, d von den Boisserées durch Unter- \chiebung der von den seinigen gänzlih verschiedenen Werke eines Cölner Meisters ein Pseudo-Scorel geschaffen wurde. Die neuer- dings besonders im Museum von Harlem wieder zu Tage gekom- menen Werke Scorels, wie die Taufe im Jordan, die Pilgerbildnifse, zeigen, daß er au er jener traditionellen Bedeutung aach ein Por- trätist von energisher Charakteristik war (Ant. Mor war sein Schüler) und einer der ersten eigentlichen Landschafter, so baß er der bisher blos für einen Manieriften wie Corcie und Heemskerk galt, au als Begründer zweier Fächer angesehen werden kann, in denen der holländishen Schule die höchsten und eigenthümlichsten Leistungen beschieden waren.

Geheimer Rath Schaaffhausen erläuterte eine Anzahl ausgestell- ter merovingish-fränkischer Grabfunde, welhe in Folge lüdlicher Ausgrabungen von Seiten des Bonner Provinzial-Museums ürz;lih in Meckenheim zu Tage traten.

__ London, 27. Dezember. (W. T. B.) Nach einem bei Lloyds eingegangenen Telegramme aus Kingston auf Jamaica, von heute, ift der amerikanische Dampfer „Emily Souder“, welcher New York am 8. d. M. verlaffen hatte, um sich nach San Domingo, Port-Plate und Panama zu begeben, zwei Tage nah der Abfahrt untergegangen. Zwei Personea von der Mannschoft sind bei Kingston gelandet. Man beforgt, daß die Passagiere und die übrige Mannschaft ertrunken sind.

Im Victo ria-Theater ist der Andrang zu den Auf- führungen der neuen Feerie „Dornröschen“ ein fortwährend wachsender. Während der Festtage mußte die Abendkasse ausfallen.