1879 / 20 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 24 Jan 1879 18:00:01 GMT) scan diff

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aufs Sorgfältigste, während si allerdings wegen der Oeffent- lihkeit in England ganz andere Verhältnisse als in Preußen herausgebildet hätten, so daß die hiesigen Verhältnisse mit der be- | deutenden Machtstellung des englishen Parlaments gar feinen | Vergleich aushielten. Éin Motiv für die Beschränkung der Rede- freiheit sei durhaus nicht vorhanden ; man fürchte sich eben nur | vor eingebildeten Gespenstern. Eine solche Beschränkung wäre aber au, abgesehen davon, daß sie nit motivirt fei , ebenso | wenig zweckmäßig. Die allerdings vorkommenden Ueberschrei- tungen trügen ihre Korrekiur in sich selbst. Eben dasselbe | gelte von der Veröffentlihung der Verhandlungen. Die | Oeffentlichkeit derselben sei ein nothwendiges Requisit jeder | parlamentarishen Versammlung, weil nur so eine Kontrole | der Abgeordneten Seitens ihrer Wähler möglich sei. Die | Bildung einer Kommission, wie sie der Gesehentwurf wolle, führe nothwendig zu einer Unterdrückung dec Minorität. Auch jei es unmöglich, daß der Präsident die Oeffentlichkeit in der | vorgeschlagenen Weise beschränke. Ein Mitglied auszuschließen, entsprähe der Auffassung seiner Partei von der Stel- lung der Abgeordneten niht, welhe ihr Recht nicht von dem Hause, sondern von den Wählern hätten. Die Wählbarkeit aber Jemandem gänzlih zu nehmen, sei jedenfalls ein tiefer Eingriff in das Verfassungsleben. Die Verfassung habe nicht so große Garantien, daß man ihr noch irgend welhe Rechte und Freiheiten nehmen könne; ge- schähe dies, dann bleibe von ihr nur ein trauriger Torfo! Wenn man auch über die Sache selbst verschiedener Meinung sein könnte und wirklich wäre, so stehe doch fest: so lange man die Verfassung habe, dürfe man sie nit innerlih verwirren ! Jn Deutschland sei die Kultur und Gesittung zur Zeit jeden- falls niht soweit zurückgegangen, daß man die bisherigen Freiheiten nicht mehr ertragen könnte; darum sei die An- nahme seines Antrages gerechtfertigt. Hierauf erwiderte der Vize-Präsident des Staats-Ministe- riums Graf zu Stolberg-Wernigerode, er habe schon jeßt das Wort erbeten, weil er glaube, daß es nur zur Klärung der Diskussion beitragen könne, wenn bereits bei Beginn derselben eine furze Bemerkung Namens der Staatsregierung erfolge. Die Frage, ob es als zweckmäßig zu erachten sei, über Ent- würfe von Reichsgeseßen, die bereits dem einen Faktor der Geseßgebung vorlägen, {hon vorher im preußischen Landtage ein Votum abzugeben, werde das Haus ja selbst durch die Abstimmung über den Antrag des Freiherrn von Heereman beantworten; was aber die Stellung, die Auffassung der Staatsregierung zu dieser Frage betreffe, so halte die Staats- regierung es in der Regel für niht angemessen, über Ent- würse von Reichsgesezen, während sie der Diskussion des Bundesraths unterlägen, sich außerhalb desselben zu äußern, und Namens des Staats-Ministeriums sei er daher in der Lage, die Erklärung abzugeben, daß, wenn hier Aeußerungen der Staatsregierung über den FJnhalt des Gesetzes gewünscht werden sollten, die Regierung es ablehnen müßte, auf solhe Erklärungen einzugehen. T Demnächst beantragte der Abg. Stengel Namens seiner Partei, über den Antrag des Abg. Freiherrn von Heereman zur Tagesordnung überzugehen und begründete diesen Antrag. Er würde gegen die Tendenz und denSinn desselben handeln, wenn er auch nur mit einem Worte auf das Materielle der Angelegenheit eingehen wollte. Der Zweck seines Antrages auf Uebergang zur Tagesordnung gehe gerade dahin, dem Hause so viel als nach der Geschäftsordnung möglich eine Diskussion zu ersparen, welche die schon so k.:aoy hem Hause zugemesjsene Zeit wahr- scheinlih in sehr a=2gedehnter Weise in Anspruch nehmen würde, ohne für die Wohlfahrt des Landes Ersprießliches zu leisten. Er müsse deshalb ebenfalls darauf verzichten, auf irgend etwas einzugehen, was der Abg. Freiherr von Heere- man ausgeführt habe. Redner wolle das Recht dieses Haus.s nicht beinträhtigen; aber von dem Rechte, welches der Vertretung jedes Einzelstaates zu- stände, sollte nur ein sehr beshränkter Gebrauch gemacht werden. Der Abg. Dr. Lasker habe früher einmal, als es fih um die Gewährung von Reisekosten und Diäten an den Reichstag (auf Antrag des Abg. Schröder-Lippstadt) handelte, fich dahin ausgesprochen, daß die Einzelvertretungen nur dann in Reichsangelegenheiten sich zu mischen hätten, wenn es gelte, die Kompetenzen des Reiches zu stärken ; Redner sei darin ganz mit ihm einverstanden, und wolle au solhe Befugnisse er partifularen Vertretungen namentlich dann anerkennen, wenn die nächste Reichstagssession ziemlih fern wäre, was doch jeßt nicht der Fall, im Uebrigen bringe man vor das Forum des Reichstages, was des Reichstages sei. Selbst die von andern Parteien eingcbrachte motivirte Tagesordnung stelle sich dem Antrage von Heereman nicht scharf genug ent- gegen, der nicht einmal die Ehre einer eingehenden Diskussion verdiene. Sie wende sich allerdings gegen ihn, folge aber

seiner Jntention, indem sie einen Gegenstand der Reichsgesetß- |

gebung zur Diskussion bringe. Es handele sich nicht um ein Attentat auf die Redefreiheit der deutschen Parlamente. Ver- traue das Haus dem Reichstage doch, daß er seine eigene Würde zu wahren wissen werde! Auch ein Blick auf die schwierige Geschäftslage sollte das Haus nöthigen, mit jeder Minute zu geizen. Wenn endlich das Centrum fort- fahre, troß der großen Menge von Petitionen die dafür be- stimmten Berathungstage durch unfruhtbare Anträge auszufüllen, so begehe es eine arge Versündigung an dem Petitionsrecht des preußischen Volkes.

Der Abg. Dr. Lieber sprach gegen den Antrag auf Tages- !

ordnung. Wo es sich um die bestehenden Garantien der Rede- freiheit, um die Grundlagen der preußischen und der Reichs- verfassung handele, da sei der Hinweis des Abg. Stengel auf die drängende Geschäftslage des Hauses fehr be- fremdlih. Nah den Vorgängen in Bayern und Württemberg sei es eine Ehrensache. des preußishen Abgeordnetenhauses, der Diskussion über den Antrag von Heereman freien Lauf zu lassen. Der Vorredner nenne das Vorgehen seiner Partei einen fraffen Eingriff in die Reichskompetenz; Redner würde

eher die Vorlage selbst kraß nennen, wenigstens dürfte sich !

hier das alte deutshe Sprühwort vom Keil und Kloß an- wenden lassen. Uebrigens würde es nach seiner Ansicht dem deutschen Reichstage sehr erwünscht sein, wenn die einzelnen Landesvertretungen sih vorher äußerten ; eine Eifersucht der einzelnen Parlamente wäre hier nicht wohl am Platze. Der Vorredner erkenne das Recht der Landesvertretung, ihre Wünsche in Bezug auf dic zu befolgende Reichspolitik ihrem leitenden Minister vorzutragen, auch an, meine aber, nur in den selten- sten Fällen empfehle es sich, von diesêän Rechte Gebrau zu

| träte. Gleihwohl aber

Der Antrag des Abg. Stengel wurde hierauf in nament- licher Abstimmung mit 299 gegen 63 Stimmen abgelehnt.

Der Abg. Dr. Lasker befürwortete nunmehr seinen Antrag. Dem Abg. Stengel gegenüber halte er Alles aufrecht, was er über das Verbältniß des Abgeordnetenhauses zum Reichstage früher ausgeführt habe. Aber gerade aus seinen damaligen Betrachtungen hätte der Abg. Stengel entnehmen können, warum seine Partei auf ihrem Antrage beharren müßte. Mit dem Abg. Frhrn. von gv selbst sei er sahlih derselben Meinung, daß das Wesen des Parlamentarismus alterirt sei,

| und daß von der Redefreiheit nur noch der Schein bleiben

enannte Geseßentwurf ins Leben ei ihm der Antrag von Heere- man höchst unwillklommen gewesen, denn er nöthige das Haus, heute so zu sagen eine halbe, dem Reichstage vor- greifende Verhandlung zu führen. Jn den Ausführungen des Abg. Freiherrn von Heereman habe er das wichtige

würde, wenn der oft

| Moment vermißt, daß, wenn der Reichstag sih diese Schranke

gefallen lasse, dann auch die Partikular-Landtage ähnlichen Bestimmungen in Kürze würden unterworfen werden, denn was man dem allgemeinen Stimmrecht biete, würde man sicherlih auch dem Klassensystem niht ersparen. Das aber habe der Abg. Freiherr von Heereman übersehen, daß die Jn- struirung der Bundesrathsstimme, lediglich Regierungssache sei und daß darin der Landesvertretung höchstens in gewissen Fällen eine Jnitiative zustehe. Sei denn aber überhaupt das Verhältniß dieses Hauses zur Regierung ein solches, daß von einer solchen Jnitiative Erfolg erwartet werden dürfte? Fin Bayern hätten die vorgehenden Liberalen Fühlung mit ihrer Re- gierung, aber man wisse doh, daß das Haus auf die Regie- rung absolut keinen Einfluß ausübe, es möge beschließen, was es wolle. Es würde mit der Annahme des Antrages Heere- man lediglich ein Konflikt geschaffen, denn die Regierung würde niemals dem Antrage dieses Hauses Folge geben. Aber dem Vertrauen gegenüber, das Redner zum Reichstage habe, wolle er keine einfache Tagesordnung annehmen, sondern ege Werth auf den im ersten Saß des Antrages ausgesprochenen Gedanken. Jm Uebrigen aber habe man doch Vertrauen zum Reichstage, daß er seine Rechte nicht blos sih, sondern dem anze Reiche erhalten werde. Aus diesen Gründen empfehle

edner seinen Antrag, dem, wie er hoffe, auch die Freunde des Abg. von Heereman sich anschließen würden.

Der Abg. Windthorst (Meppen) führte aus, daß der An- tragsteller Hrhr. von Heereman seinen Antrag so wohl be- gründet habe, daß nichts mehr hinzuzufügen wäre, auch sei derselbe materiell vom Abg. Dr. Lasker nicht angegriffen. Der Abg. Dr. Lasker wolle sich nur an den Reichstag wenden, seine Partei wende sich an die Regierung. Redner wolle des Abg. Dr. Laskers Vertrauen zum Reichstag nicht anzweifeln, aber mit diesem Vertrauen habe man {hon manche sonderbare Er- fahrung gemacht. Jhm scheine es so, daß der Antrag von Heereman nur bekämpft werde, weil er vom Centrum ausgehe. Er frage nun, welhes denn eigentlih der Unterschied zwischen dem An- trage des Abg. Lasker und dem des Centrums sei? Bei der sorgfältigen Redaktion des liberalen Antrages aber fürchte er, daß durch diesen Antrag nur das spätere Kompromiß ermögliht werden solle. Der Antrag des Centrums wolle klar und entschieden. - die - Redefreiheit im Parlamente wahren, und diese ntschicdehheit und Bestimmtheit lasse der Laskersche Antrag vermissen, darum werde er nicht für ¿hn stimmen. Die Liberalen Bayerns hätten den Antrag jeiner Partei wörtlich acceptirt. Zulässig sei nun ein solches Vorgehen der Einzel-Landtage, wie es der Antrag fordere, das könne in feiner Weise bestritten werden. Die Minister der Einzelstaaten seien ihrem Landtage für das im Bundesrath abgegebene Votum verantwortlih. Auch der Umstand, daß die Vorlage dem Bundesrath bereits zur Berathung vorliege, mache ihn für die Diskussion niht unzu- lässig; denn bevor er in dies Stadium getreten sei, sei er unkenntlih und darum auch nicht diskutabel. Der Abg. Dr. Lasker finde den Antrag nicht ganz angemessen, über diesen Begriff sei nicht zu disputiren, er sei schr relativ. Redner bat, für den Antrag von Heereman zu stimmen , damit die bekannte Vorlage niemals Geseh würde, sonst würde die ganze parlamentarische Redefreiheit zu Grabe getragen.

Der Abg. Dr. Hänel erklärte, nicht in die volle Tiefe der Ma- terie eingehen zu wollen. Dem Liberalismus lägen die Jnteressen der Redefreiheit ebenso am Herzen wie dem Centrum, und er werde jedes Gesey abweisen, welches das Hausreht des Reichs- tages anders regeln wolle, als durch die Fnitiative des Haujes selbst. Diesem ernst ausgesprohenen Grundsate der Liberalen gegenüber möge man doch die entgegenstehenden Bedenken ruhig fallen lassen und den von diesen dem Hause unterbreiteten Antrag annehmen. Gleichwohl hätte seine Partei aber si nicht entshließen können, dem Antrage von Heereman bei- zutreten, obwohl sie sachlich ja dasselbe wollte. Allein die Ausführungen des Abg. Dr. Lasker seien durchaus shlagend gewesen, und außerdem hätte der Liberalismus in Bayern einem ganz unvorbereiteten Ministerium gegenüber, dessen Entshluß er beeinflussen könnte, gegenübergestanden, während die hiesigen Verhältnisse ganz anders lägen. Redner wies darauf hin, daß nah Artikel 27 der Reichsverfassung der Reichstag aus\chließlich sein Recht selbst zu wahren habe, und daß er deshalb jeden Gesetentwurf, welcher die bestehenden Garantien angreife, verwerfen müsse. Diesen Gesichtspunkten gegenüber begreife er den Widerstand nicht, den sein Antrag im Centrum finde; die Herren würden ihr Ziel besser er- reichen, wenn sie sich dem Laskershen Antrage anschließen wollten. Seine Partei habe den Geseßentwurf betrachtet als ein s{chweres Syniptom des dem Reiche noch mangelnden Konstitutionalismus, dieselbe wolle das Verfassungsrecht hüten und behalten, aber er (Redner) habe di: Hoffnung nicht, mit dem Antrage von Heereman das erreihen zu können und darum lehne seine Partei den Antrag ab.

Hierauf wurde die Diskussion geschlossen. Der Antrag- steller Freiherr von Heereman trat sein Reht, nochmals das Wort zu nehmen, an den Abg. Windthorst (Meppen) ab. Derselbe freute sich, den Abg. Dr. Hänel zu einer klaren Aeußerung über seine Auffassung veranlaßt zu haben, wel auch von den Nationalliberalen niht desavouirt wäre. Er ersehe daraus, daß die Fortschrittspartei absolut gegen die Vorlage sei. Niemals dürfe der Grundsaß zugegeben werden, | daß die parlamentarische Disziplin durch irgend einen außer- | halb des Da aems stehenden Faktor tangirt oder gar geregelt

würde. J.n Uebrigen bleibe er dabei, daß der Antrag des Abg. von Heereman klarer und präziser sei, als der des Abg. Lasker,

machen; nun, wenn es in irgend einem Augenblicke nöthig wäre, dies Recht wahrzunehmen, so sei es der FLGER Seide, Redner bat unter Ablehnung des Antrages des! Abg. Stengel, dem Antrage von Heeremann zuzustimmen.

| welcher immerhin verschiedener Fnterpretation fähig sei. Abg. | Lasker halte es nun für inopportun, Anträge an eine | Behn zu stellen, von welcher man wisse, daß sie diese Î

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chlü}sse nicht respekftire. Jm Uebrigen, ob die Regierung

dem Antrage folge oder nicht, jedenfalls müsse man ihn an- nehwen, und wenn ihn die Regierung nicht berücksichtige, dann sei ihre Verantwortlichkeit später um so größer.

Auf Antrag des Abg. Freiherr von Schorlemer-Alst wurde über den Antrag des Abg. Lasker getrennt abgestimmt. Der erste Theil desselben wurde mit großer Majorität angenommen ; der zweite Theil, und ebenso der Antrag im Ganzen wurde sodann ebenfalls mit geringer Majorität angenommen. Der Antrag von Heereman war somit gefallen. Hierauf vertagte sich das Haus um 41/2 Uhr.

Jn der gestrigen Abendsißung, welcher der Staats-Minister Maybach und mehrere Regierungskommissare beiwohnten, und die vom Vize-Präsidenten Kloß um 73/, Uhr eröffnet wurde, stand die Fortseßung der zweiten Berathung des Kultus-Etats Kap. 126a. Titel 14a. (Wohnungs- zuschüsse 2c.) mit dem Berichte der Konmission über die Pe- titionen in Betreff des technischen Unterrihtswesens auf der Tagesordnung. Die Kommission hatte beantragt, über die Petition des Baurath Hobreht und Genossen zum Examen für das höhere Bauwesen nur diejenigen jungen Leute zuzulassen, die ihre Vorbildung in einem Gymnasium oder Realschule I. Ordnung erhalten hätten zur Tages- ordnung überzugehen. Der Abg. Dr. Hoffmann erklärte, der in Rede Tenende Reorganisationsplan für die Gewerbe- shulen empfehle sich durch die Beobachtung wichtiger päda- gogisher Regeln. Der Staat könne nicht die Ausbildungs: eit aller Staatsbürger bestimmen, obwohl das vielleiht wün- sbendwerts wäre. Ein Theil könne nur die Zeit bis zum 14., der andere geringere bis zum 16. und der dritte, kleinste Theil bis zum 24. Jahre sich der Ausbildung widmen. Daraus ergäben sich die drei Arten der im Organisationsplan genau geittebénen Schulen. Diejenigen, welche sich dem tieferen Studium der Wissenschaften w'dmen wollten, müßten eine längere Zeit die vollständige Lernfreiheit genießen, allerdings nachdem sie die nöthige intellektuelle und moralische Reife erlangt hätten. Auch diesem Erforderniß genüge der Organisationsplan, denn er fordere sür das Polytehnikum dieselbe Vorbereitungszeit wie für die Universität. Je tiefer Jemand in die Wissenschaft eindringen wolle, desto breiter müsse die Basis seiner all- gemeinen Bildung sein. Deshalb sei es rihtia, daß der Or- ganifationsplan zwischen der Vorbildung für das praktische Leben und zwischen derjenigen für das wissenschaftliche Leben eine Unterscheidung mache. Jn der Volksschule sei für irgend einen Fachunterricht kein Raum und für die große Masse der Schüler müsse man sich daher mit dem traurigen Mittel der E behelfen. Daher sei es rihtig, hier Hülfe für später abzuwarten, nicht aber niedere Gewerbeschulen zu errichten. Die an die mittleren Gewerbe- schulen zu -rihtenden Anforderungen aber schienen, wie der Plan jeßt vorliege, nicht ganz berechtigten Wünschen zu ent- sprehen. Man solle da nicht lehren, was nicht zu Ende ge- führt werden könne und gleih nach dem Verlassen der Schule vom Schüler vergessen werde. Troßdem sei English und Französish in den Lehrplan aufgenommen. Ebenso sei ein regtariger Fachkursus in Aussiht genommen, der in en Jahren beginne, wo die Schüler die Anstalt verlassen müßten. Diese Klassen würden also nach der neuen Organisa- tion ebenso leer stehen, wie nach der alten. Redner speziali- sirte darauf einen Plan, dex diesem Uebel abhe.fen solle, und zwar durch Ersparungen im Sprachunterriht und Zuwendung dieser ersparten Stunden an tehnishe Fächer. Sonst würden diese Anstalten doch wieder darnach streben, höhere Schulen zu werden. Die Gewerbeschulen müßten aber dann auch die Berechtigung zum einjährigen Dienst ertheilen dürfen, weil Jeder, der seinen Sohn bis zum 16. Jahre in die Schule \chicke, diesen Zweck habe, gleichviel ob der Unterricht zweck- mäßig wäre oder. niht. Die Angriffe ent lih gegen die höhere Gewerbeschule seien ganz ungerechtfertigt, soweit sie den Weg- fall des sogenannte: klassishen Unterrichts beträfen. Die vom Gymnasium und der Realschule auf Griechish und Lateinish resp. Leßteres allein verwendete Zeit könne von der höheren Gewerbeschule zu einer viel praktisheren Vor- bildung für das Polytehnikum verwendet werden. Die- selbe könne auch ohne fklassishe Vorbildung recht gut eine allgemeine Bildung erzeugen, seitdem das Latein aufgehört habe, allgemeine Gelehrtensprahe zu sein. Ueber- haupt liege ja niht im Besiß der Kenntnisse, fondern in ihrem Erwerb das wahrhaft Fördernde. Kenntniß des Alterthums gehöre sicherlih zur allgemeinen Bildung; sie sei aber auch dur andere Mittel zu erreichen, als durch Kenntniß der alten Sprachen; die großen Maler und Bildhauer seien dafür ein Beweis. Troß der angeführten Mängel biete der vorgelegte Organisationsentwurf fo große Vortheile, daß man ihn an- nehmen müsse.

Der Regierungskommissar Geheime Regierungs-Rath Dr. Wehrenpfennig ging auf einige von dem Vorredner erhobenen Mängel, die dem Gewerbeschulwesen anhaften sollten, näher ein. Es müßten zwei fremde Sprachen auf den mittleren Gewerbe- schulen gelehrt werden, weil man sonst für dieselben nicht die Berechtigung zum einjährigen Dienst erlange. Sobald diese nicht mehr gefordcrt würden, werde er gern auf die Ansichten des Vorredners eingehen. Er sei mit dem Vorredner nicht darin einverstanden, daß die Fortbildungsshulen nur ein Nothbehclf seien. Er lege gerade in diese Schulen den Schwer- punkt der ganzen künftigen Entwickelung; es sei die Fortbil- dungsschule ein für die Gesammtheit der Nation wichtigere Institution, als alle Schulen, die darüber hinausgingen. Was- die neue Reorganisation anlange, so enthalte er jih zur Zeit jedes Urtheils darüber. Man müsse erst die Erfahrung wal- ten lassen, die künftige Entwickelung der Schulen solle und- könne allein über den Werth der Reorganisation entscheiden.

Der Abg. Dr. Viiquel erklärte, er vermisse in der vor- gelegten Denkschrift einen Hauptpunkt. Die höheren Provin- ial-Gewerbeshulen Preußens machten sich unmögli, weil sie für das niedere Kleingewerbe und zuglei für die tehnishen E vorbereiten wollten. Man habe das seit 1870 gelernt.

ie mittleren Techniker fehlten in Preußen bisher im Gegensaß zu anderen Nationen und die Arbeiten dieser Leute müßten dukch theuere höher gebildete Techniker ausgeführt werden. Pn Preußen wären solche mittleren Techniker nur in der

ergindustrie in den Obersteigern. Also diese mittleren gewerblichen Schulen seien außerordentli) wichtig und nöthig. Jn Paanover habe man s{hon sehr früh ge- werbliche Fortbildungs\chulen, desgleihen in Hessen - Nassau, Preußen habe 1866 no

von der löblihen Wirksamkeit einiger Privatv+reine absehe.

Unser Handwerk bedürfe jeßt mehr als je der Pflege des Staates,

um mit dem Auslande konkurriren zu können. Man müsse das entscheidende Gewicht mehr auf die Bildung des Hand-

nit eine eirzige gehabt, wenn er-

werks legen, die Ausbildung der Spigen des Gewerbes genüge allein niht. Redner ging fodann auf die Petition selbst ein. Die Petenten erblickten in dieser veränderten Sachlage eine Erniedrigung für fich selbst. Es liege das daran, daß Alle noch unter dem Vorurtheile ständen, daß eine gewisse Kenntniß der klassishen Sprachen erforderli sei, um ein wahrhaft gebildeter Mann zu sein. Es sei daher begreiflih, wenn die Petenten eine Herabseßung ihrer Stellung in dieser Reorganisation erblickten. Wenn man aber erwäge, daß die Gymnasien am allerwenigsten geeignet seien, eine Vorbildung für die Techniker zu schaffen, daß die Technik von den Gymnasien nicht gepflegt, sondern geradezu zerstört werde, dann könne man sich nicht auf den Standpunkt der Petenten stellen. Man möge daher immerhin den Versuch machen mit den Schulen ohne Latei:, der Erfolg werde ja lehren, wie sich dieselben neben den Realschulen und den Gymnasien bewähren würden. Den Einzelnen bleibe es ja überlassen, ihre Vorbildung auf den leßteren Schulen sih zu erwerben. Nach der Reformation seicn die Deutschen Theo- E dann eine Zeitlang nur Philologen gewesen, es wäre endlich Zeit, daß dicselben auch einmal praktishe Männer würden. Er stimme deshalb dem Or anisationsplane zu.

Der Regierungskommissar Geheime Regierungs-Rath Lüders erwiderte, die neue Organisation sei keineswegs nur als ein Versuch anzusehen. Die Denkschrift beschäftige sich mit den gewerblichen Fortbildungsschulen weniger, weil sie zum Ressort des Kultus- Ministeriums gehörten. Die jeßigen Mittel seien zwar für die,en Zweck zu gering, aber man dürfe das Ziel für diese Schulen nicht zu hoh stecken. Jn Preußen seien circa 40 000 Fortbildungs\shüler bei den wenigen Schulen, und da lönne die Regierung mit den etatsmäßigen 150 000 M nit dasselbe leisten, was mit viel mehr Schulen und mit bedeutend weniger Schülern in Württemberg geleistet werde. Frankreich thue seit 200 Jahren ungeheuer viel für den ge- werblichen Unterricht. Die Republikaner hätten 1789 die Köpfe abgeschlagen, aber die Porzellanmanufaktur in Sèvres bestchen lassen. Er habe selbst die Tassen mit den Jakobiner- müßen gesehen. Das müsse in Preußen Alles nahgeholt werden, man müsse gute Schulen gründen für die Jndustrie. Pro rata der württembergischen Verhältnisse müßten sieben Millionen Mark für diese Zwecke verwendet werden. Wenn man auch die Summe bedeutend geringer fixire, mit den jeßt ausgewor- fenen 1 700 000 / werde die Regierung niht auskommen können, wenn i-gendwie die Zwecke, welche der Abg. Miquel angedeutet habe, erfüllt werden sollten.

Der Abg. Sombart beklagte den Viangel an Fachschulen niederer Ordnung ; was die lateinlose neunklassige Realschule solle, könne er nicht begreifen ; man solle das dafür verwendete Geld lieber den Gewerbeschulen zuwenden und Provinzial- Polytehnika gründen. Der Staat dürfe die Ausbildung seiner tehnishen Beamten nicht mit der der Privattechniker ver- wechseln und in dieser Beziehung befinde sich der Regierungs- tisch sammt seiner Denkschrift im Jrrthum. Die Re- gierung dürfe ihre Bcamten zur Vorbildung nicht auf die latcinlose Realschule, gleihsam wie auf eine Präparanden- anstalt hinweisen. Die Petition der Architekten müsse noch einmal gründlih geprüft und berücksihtigt werden. Er be- antrage, diejenigen Positionen aus dem Etat zu entfernen, welche anderen Schulen als den eigentlihen Gewerbeshulen zugute kämen. Denn die neuen lateinlosen Gewerbeschulen jchädigten das Ansehen der Beamten dadurch, daß sie denselben die bisher übliche Bildung nicht böten.

Der Abg. Dr. Lasker erklärte sich im Gegensaß zum Vorredner mit dem Reorganisationsplan dexr Re- gierung einverstanden. Die Methode der Regierung sei vollständig zu billigen. Der Vorschlag der Regierung sei aber nicht so aufzufassen, als ob er feindlih gegen die Realschulen und Gyunasien auftrete, es handele sih ja nur um Schulen, bei denen für einzelne Disziplinen kein Plaß vorhanden sei. Er bitte deshalb, die Abstimmung für den Vorschlag der Regierung nicht als eine Feindseligkeit gegen die Tendenz der Gymnasien und Realschulen anzusehen. Jn diesem Sinne werde er für denselben stimmen. Die Diskussion wurde hier-

auf ges{hlossen. Referent Abg. Dr. von Bunsen berichtete noch

über eine neue Petition, ausgehend von verschiedenen Archi- tektenvereinen, die sich gegen den Beschluß der Kommission aussprähen. Dann wurde der Antrag der Kommission auf Uebergang zur Tagesordnung angenommen, worauf sih das Haus um 101/2 Uhr vertagte.

M der heutigen (37. )Sißung des Hauses dec Abgeordneten, welcher die Staats - Minister Dr. Leon- bardt, Dr. Falk, Dr. Friedenthal, Graf zu Eulenburg und mehrere Regierungskommissarien beiwohnten, wurden auf einen von Mitgliedern aller Fraktionen unter- zeihneten Antrag in einer Abstimmung folgende sieben Vorlagen in dritter Berathung en bloc ange- nommen: die Staatsverträge mit verschiedenen Staa- ten über die Begründung von Gerichtsgemeinschaften ; der Entwurf einer Hinterlegungsordnung ; die Gesetzentwürfe, betreffend die Ausführung der Deutschen Civilprozeßordnung : zur Ausführung der Konkursordnung; betreffend die Ueber-" Deilflen Sia zur Deutschen Civilprozeßordnung und Deutschen Stra prozeßordnung; betreffend die Zwangsvoll- streckung in das unbewegliche Vermögen und betreffend die Zwangsvollstreckung gegen Benefizialerben und das Aufgebot der Nachlaßgläubiger im Geltungsbereiche des Allgemeinen Landrechts.

On EtiteT Berathung über den Staatsvertrag mit dem Fürstenthum Lippe, betreffend die Be- gründung einer Gerichtsgemeinschaft, sprah der Abg. Spangenberg sein Bedauern darüber aus, daß Detmold einen besonderen Landgerichtsbezirk für ih bilde und nicht einem preu ischen Nachbarbezirk angeschlossen sei. Der D Dr. Köhler (Göttingen) wies darauf hin, daß durch den vor iegenden Staatsvertrag das Amtsgericht zu Lippstadt in den das Fürstenthum Lippe betreffenden Rechtsstreitigkeiten die Unterschrift führen müsse : Königlich preußisches Amtsgericht für das Fürstenthum Lippe. Nach Analogie eines gleichen Falles in Hannover befürchte er, daß durch eine leiht entstehende Ver- wehselung beider Unterschriften, vielfahe Prozesse wegen dieses Formfehlers verschleppt werden könnten. Der Regierungs- fommissar, inisterial-Direktor Rindfleisch, erklärte, die Re- Getung hege die leßtere Befürchtung nicht, weil auf einen olhen Formfehler ein Nichtigkeitsantrag nicht begründet werden fönne. Jn Betreff des Landgerichts zu Detmold habe die preußische Regierung eine nur resignirte Stellung einnehmen können. Der Vertrag wurde darauf in erster und zweiter Berathung unverändert angenommen.

betreffend die Befähigung zum höheren Verwal- tungsdienst. Zu §. 1, welcher lautet : ) „Zur E der Befähigung für den höheren Verwal- tungsdienst (8. 9) ist ein mindestens dreijähriges Studium der Rechte -und der Staatswissenschaften auf einer Universität und die

Ablegung zweier Prüsungen erforderlich ;“ hatte Abg. von Ludwig folgenden Antrag gestellt :? „Das Haus der Abgeordneten wolle beschliezen:

Dem §. 1 folgende Fassung zu geben: E Erlangung der Befähigung für den höheren Verwaltungé- dienft ift erforderlich 1) der Nachweis eines sittlihen mit den Vorschriften des be- treffenden religiösen Bekenntnisses nit derartig in Widerspru stehenden Lebenswandels, daß derselbe zu öffentlihem Aergerniß n bietet ; des

4) ein mindestens dreijähriges Studium der Rechte u

Staatswissenschaften ar f einer Universität und die Gta: pf Prüfungen.“ Der Antragsteller motivirte denselben, mit dem ver- suhten Nachweis, daß derselbe ein Mittel a der Kaor- ruption unjeres Beamtenstandes vorzubeugen. Der Abg. Frhr. von Schorlemer-Alst trat dem Antrage mit der Aus- führung entgegen, daß unsere höheren Beamten im Ganzen | vollständig integer seien, daß ein solcher Antrag nur eine Phrase ohne materielle Wirkung im - Veïcs ien würde und daß man sich besser auf die wohlwollende E aa Regierung und der bei den Anstellungen mitwirk enden Korporationen verlasse. Schluß des Blattes.

Berichtigung. Nach dem Bericht über die Sißzun des Hauses der Abgeordneten vom 12. d. M. in Ne 10 d. Bl. hat der Abg. Dr. Kolberg einen Fall zur Sprache ge- bracht, wonach im Arbeitshause in Braunsberg die katholischen Znsassen gezwungen worden seien, dem Gottesdienste eines altkatholischen Geistlichen beizuwohnen. Auch beim Seminar in Braunsberg seien die katholishen Schüler gezwungen worden, Zan dem Gottesdienste des Genannten theilzu- nehmen. Nah den stenographishen Berichten dagegen hat der Abg. Dr. Kolberg erklärt, daß in der Land- armen- und der Korrigendenanstalt zu Tapiau und in der Frrenheilanstalt zu Allenberg die katholischen Fnsassen gezwungen seien, dem Gottesdienste eines altkatholishen Geist- lichen beizuwohnen. .… Er hoffe, daß der Minister in dieser Beziehung Abhülfe schaffen werde, wie dies schon manchmal in seiner Gegen geschehen sei, indem z. B. am Gymnasium zu Braunsberg, auh am dortigen Lehrerseminar ein römisch- katholischer Religionslehrer angejtellt worden sei. _—.. erna berichtigt sich die Mittheilung in Nr. 10 d. Bl.

Ma der vom Reichs-Eisenbahnamt in der Ersten Beilage d. Bl. veröffentlichten Uebersicht der Betriebsz- Ergebnisse deutsher Eisenbahnen exkl. Bayerns im Monat Dezember 1878 stellt sich auf den 89 Bah- nen, welche in dem Zeitraum vom 1. Januar 1877 bis Ende Dezember 1878 im Betriebe waren und zum Vergleich gezogen werden können: die Einnahme aus allen Ver- kfehrszweigen im Monar Dezem-ber 1878 bei 41 Bahnen = 46,1 Proz. der Gesammtzahl höher und bei 48 Bahnen = 53,9 Proz. der Gesammtzahl geringer, als in demselben Monat des Vorjahres; die Einnahme pro Kilometer im Monat Dezember 1878 bei 36 Bahnen = 40,4 Proz. der Gesammtzahl höher, bei 53 Bahnen = 59,6 Proz. der Gesammtzahl (darunter 13 Bahnen mit vermehrter Be- triebslänge) geringer als in demselben Monat des Vorjahres ; die Einnahme aus allen Verkehrszweigen bis Ende Dezember 1878 bei 38 Bahnen = 42,7 P-0oz. der Gesammtzahl höher und bei 51 Bahnen = 57,3 Proz. der Gesammtzahl geringer, als in demselben Zeitraum des Vorjahres; die Einnahme pro Kilometer bis Ende Dezember 1878 bei 31 Bat;nen = 34,8 Proz. der Gesammtzahl höher, bei 58 Bahnen = 65,2 Proz. der Gesammtzahl (darunter 14 Bahnen mit vermehrter Be- triebslänge) geringer, als in demselb.n Zeitraum des Vor- jahres. Bei den unter Staatsverwaltung stehenden Privat- bahnen betrug Ende Dezember 1878 das gesammte konzessionirte Anlagek pital 1 242 369 800 # (408 495 900 /# Stamm- aktien, 44 595 000 / Prioritäts-Stammaktien und 789 278 900 Prioritäts - Obligationen) und die Länge derjenigen Strecken, für welche dieses Kapital bestimmt ist, 4492,59 km, so daß auf je 1 km 276537 A entfallen. Bei den unter Privat- verwaltung stehenden Privatbahnen betrug Ende Dezember 1878 das gesammte konzessionirte Anlagekapital 3 062 377 057 M (1 099 931 758 6 Stammaktien, 334 975 650 / Prioritäts- Stammaktien und 1 627 469 649 Prioritäts-Obligationen) und die Länge derjenigen Strecken, für welche dieses Kapital pie ist, 11 956,61 km, so daß auf je 1 km 256 124 M ommen.

Der Finanz-Minister hat unter dem 23. November v. J. genehmigt, daß allen außeretatsmäßig mit einem den Betrag von 750 A jährlih übersteigenden fixirten Diäten- bezuge angestellten Mitgliedern der Königlichen Re- gierungen, welche der Allgemeinen Wittwen - Ver- Pg gIan stalt mit einer Versiherung ihrer Ehefrauen beitreten, dieser Eintritt fortan, nahdem sie in Gemäßheit des Pensionsgeseßes vom 27. März 1872 die Pensionsberehtigung erlangt haben, ohne Beschränkung auf einen geringeren als E Ben Betrag der Versicherungssumme zu ge- atten ist.

Nah einem Erkenntniß des Ober-Verwaltungs- gerichts vom 18. November v. J. ist die Polizeibehörde nah g. 10. Tit. 17 Th. 11. Allg. Landr. befugt, die Entfernung von Bienenständen aus der Nähe von Straßen, wo die Bienen durch ihr Schwärmen dem Publikum oder einem ein- zelnen Theile desselben gefährlich sind, unter Androhung von Exekutivstrafen anzuordnen.

Die Allerhöchste Kabinetsordre vom 13. Juli 1839 verbietet im dienstlihen Jnteresse .den Staatsbeamten die Uebernahme von Nebenämtern und Nebenbeschäftigungen ohne Genehmigung ihrer Dienstbehörden. Fn Beziehung auf diese Bestimmung hat das Ober-Tribunal, 1V, Senat, ausgesprochen, daß dadurch die mit Beamten ohne Geneh- migung ihrer Dienstbehörden abgeschlossenen Verträge, be- treffend die Uebernahme von an sich zulässigen Neben- beshäftigungen, niht unerlaubte und ungültige werden, viel- mehr sind sie civilrehtlich und bis zur vertragsmäßigen Auf- hebung als wirtsam anzusehen.

Nach dem deutschen Festungsrayongeseßze vom 21. De- zember 1871 darf im zweiten Rayon die Genehmigung zur Erbauung von Gebäuden, die in ausgemauertem Fachwerke von nicht mehr als 15 cm Stärke erbaut sind, nicht versagt

burg dahin ausgelegt, daß das Mauerwerk ohne Einrehnung des Verpußtes 15 cm Stärke haben dürfe. Die'e Auslegung wurde jedo vom Reichs-Ober-Handelsgericht, als dem höchsten Gerichtshof für Elsaß-Lothringen, durch Erkennt- niß vom 22, Oktober 1878 für irrig erklärt, indem es aus- sprach, daß das Festungsrayongesez seinem Wortlaute und wedckde nah bei Bestimmung der Stärke des Mauerwerks diescs im Ganzen, nit aber blos die aus festen Steinen be- stehende Stärke desselben im Auge gehabt hat.

_ Stralsund, 21. Januar. Zum diesjährigen ordent- lichen Kommunal-Landtage von Neu-Vorpommern und Rügen hatten sih die Mitglieder desselben heute Vor- mittag um 11 Uhr im landständishen Hause hierselbst ver- sammelt. Die Konvokation der Stände war, da der geseßlich berufene Vorsißehde, an der persönlichen Leitung der Verhand- lungen verhindert ist, der Allerhöchsten Verordnung über die Einrichtung der Kommunalstände in Neu-Vorpommern und Rügen, vom 17. August 1825, gemäß, - von dem ritterschaftlichhen Abgeordneten des Kreises Rügen ausgegangen, den Vorsiß aber mußte, da auch der Leßtere inzwischen erkrankt und am Erscheinen behindert is, sein Stellvertreter, der Kreisdeputirte und Rittergutsbesißer von Kahlden auf Neclade, übernehmen.

Der Vorsißende eröffnete den Landtag zur festgeseßten Stunde mit dem Hinweis darauf, daß die langjährigen Ab- geordneten für Stralsund und Greifswald inzwischen ihr Mandat niedergelegt hätten und daß sowohl statt ihrer, wie statt des schon früher verstorbenen Abgeordneten der kornbinirten Landgemeinden der Kreise Franzburg und Grimmen neue Ver- treter gewählt und heute eingetreten seien. Die Versammlung begrüßte die Leßteren in herkömmlicher, angemessener Weise, gedachte aber auch der langen und ersprießlichen Mitwirkung der ausgeschiedenen Mitglieder mit größter Anerkennung.

In Erledigung der heutigen Tagesordnu:1g trug zunächst der Land-Syndikus den Jahresbericht der Landfastens-Bevoll- mächtigten vor. Derselbe gab zu allgemeinen Bemerkungen und Erörterungen keine besondere Veranlassung. Sodann erfolgte die Wahl eines Landkastens-Bevollmächtigten in Stelle des mit der Aufgabe seines Abgeordnetenmandats auch aus dieser Stellung ausgeschiedenen Vertreters der Städte, und von drei stellvertretenden Mitgliedern des ständischen engeren Aus- usses, jowie eines Mitgliedes des Kuratoriums der König- Wilhelm-Stiftung. Hierauf trug die Revisionskommission für die Prüfung der Landkastensrehnungen pro 1. Ja- nuar 1877 bis 1. April 1878 ihren Bericht durch den be- stellten Referenten vor. Vorbehaltlich der Erledigung einiger von der Kommission gezogener Erinnerungen, wurde auf den Vorschlag der'elben die Decharge votirt und in herkömm- liher Weise unter den einzelnen Rechnungen erklärt. Die leßteren betreffen die „Feuerversiherungs - So- cietäts-Kasse“, die „allgemeine Landeskasse“, die „Kasse der Landgemeinden“, die „Kasse des Reservefonds“, di „Hülfskassen-Gewinnkasse“, die „Kasse der König-Wilhelm- Stiftung“, die „Kass: der Neu-Vorpommerschen Wilhelm-Stif- tung“, die „Kasse des Fonds zur Linderung allgemeiner Nothstände in Neu-Vorpommern und Rügen“, die „Nügensche Kreis-Chausseebaukasse“, die „Chaussee-Unterhaltungskasse“, die „Landesschulden-Kasse“ und die „Neu-Vorpommersche Pro- vinzial-Hülfskasse.“

Jm weiteren Verlaufe der Verhandlungen verkündete der Vorsißende den Cirkularerlaß des Landtagskommissarius, be- treffend den bisherigen Erfolg der Beschlüsse des vorjährigen Kommunal-Landtages, aus dem mit besonders dankbarer An- erkennung die Mittheilung entgegengenommen wurde, daß Se. Majestät der Kaiser dahin zu bescheiden geruht habe, daß durch den Allerhöchsten Erlaß vom 16. November 1872 das „Soldatenkinderhaus“ zu Stralsund nicht als aufgehoben zu betrachten, sondern wegen Regulirung dieser Angelegenheit das Weitere noch vorbehalten sei, woraus Stände schließen zu dürfen glauben, daß ihren Bestrebungen wegen Erhaltung dieser segensreichen Einrichtung Allerhöchsten Orts ein geneigtes Gehör geschenkt werde.

Nachdem noch eine theilweise Prüfung der Abschlüsse der Landeskassen pro 1878/79 und der Etats für das Jahr 1879/80, namentlich in Betreff der Landes\schulden-Kasse, der Chaussee: Unterhaltungskasse, der allgemeinen Landeskafse und der nun- mehr geschlossenen Kasse des Reservefonds und die Verthei- lung der Referate für die nähsten Sißungen erfolgt waren, wurde die heutige Sizung um 2 Uhr geschlossen.

Bayern. München, 22. Januar. Von verschiedenen Seiten find in Betreff einer höheren Besteuerung der Wanderlager und Wanderauktionen Petitionen an die Abgeordnetenkammer gelangt ; ein Gesezentwurf in dieser Beziehung ist wie die „Allg. Ztg.“ mittheilt im Finanz-Ministerium bereits ausgearbeitet, und steht die Vorlage desselben an die Kammer in nächster Zeit zu erwarten. i

28. Januar. (W. D. B) Die Abgeordneten - kammer hat das Ausführungsgeseß zur Reichs- Strafprozeßordnung und das Ausführungsgeseßz zum Reihs-Gerichtsverfassungsgeseßze einstimmig ange- nommen. Bei dem leßteren wurde der Antrag des Abg. erithinger auf Streihung des 8. 55 (betreffend die Be- seßung der Amtsanmaltshaft in den \. g. unmittelbaren Städten), obschon der Justiz-Minister sich gegen den Antrag ausgesprochen hatte, in namentlicher Abstimmung mit 79 gegen 63 Stimmen angenommen.

Sachsen. Dresden, 23. Januar. Nah dem „Dresdner Journal“ hat Se. Kaiserlihe Hoheit der Kron- prinz Rudolf von VDesterreih im Laufe des Vor- mittags den Königlichen Majestäten sowie Jhren Königlichen Hoheiten dem Prinzen und der Prinzessin Georg Besuche abge- stattet, Nahmittags aber mehrere Kunstsammlungen besichtigt. __HU der Königlichen Tafel ist außer der Suite des Kron- prinzen und dem sächsischen Ehrendienst auch der hiesige öster- reichische Gesandte mit dem Legations-Sekretär von Biegeleben und der Kaiserlih österreichisße Militärbevollmächtigte in Berlin, Fürst zu Liechtenstein, geladen.

Abends wird der Kronprinz Rudolf einem Hofballe bei den Königlichen Majestäten beiwohnen.

Oesterreich-Ungarn. Wien, 23. Januar. (W. T. B.) Im Abgeordnetenhause gelangten bei der heute fort-

Es folgte die zweite Berathung des Geseßentwurfs,

werden. Diese Bestimmung hat das Polizeigeriht zu Straß-

gesebten Generaldebatte über den Berliner Vertrag die bgg. Hofer, Peez und Obentraut gegen den Majoritäts-