1879 / 34 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 08 Feb 1879 18:00:01 GMT) scan diff

Bei der weiteren Berathung des Geseßentwurfes, betreffend die Befähigung für den höheren Verwaltungs- dienst, in der gestrigen Sißung des Herrenhauses handelte es si, wie bereits erwähnt, um die 88. 10, 11 und 16 des Geseßes. Jn der Regierungsvorlage war bekanntlich die Frage der Befähigung für das Amt eines Landrathes gänzlich ausges{lossen und einem späteren Geseße vorbehalten worden. Das Herrenhaus, dem der Geseßentwurf zunächst zur Berathung zugegangen war, hatte sih auch mit diesem Vorschlage der Staatsregierung einverstanden erklärt. Dagegen hatte das Abgeordnetenhaus dem entgegen beschlossen, diese Frage schon jeßt einer geseßlihen Regelung zu unterwerfen, und hatte dem Geseß folgende §8. 10 und 11 zugefügt:

„S. 10. Zur Bekleidung der Stelle eines Landraths, Kreis- und Amtébauptmanns8, Ober-Amtmanns in den hobenzollerns{en Landen und Amtmanns in dem vormaligen Herzogthum Naffau ist die Befähigung zum höheren Verwaltungédienste oder Justiz- dienste erforderli.

Diejenigen Personen, welbe vcn einem Kreistage zur Be- seßung cines erledigten Landrath2amtes vorgeschlagen, beziehungs- weise präsentirt werden, sind auch dann für befähigt zur Beklei- dung dieser Landraths8stelle zu erachten, wenn sie mindestens vier Jahre entweder a, nah beftandener erster Prüfung im Vorbereitungsdienste bei den Gericbts- und Verwaltungsbehörden, oder b. aub ohne die erfte Prüfunz abgelegt zu haben, in Selbst- verwaltungëämtern des Kommunal-, Krcis- oder Provinzial- dienstes mit Ausnahme j:doch des Amtes eines Gemeinde- oder Gu‘svorftehers beschäftigt gewesen find, sofern dieselben seit mindestens einem Jahre dem Kreise beziehungsweise Amtsbezirke dur Gruvydbefitz oder Wohnsiß angehören. Alle anderweitig bestehenden Beschrän- kungen in Bezug auf den Kreis der Personen, welbe von einem Kreistage für die Besetzung eines erledigten Landrathsamtes in Vors(lag gebracht w-rden können, sind aufgehoben.“

„S. 11. Jn Betreff der Befähigung zur Bekleidung eines Landrath8amtes, beziehung#weise der Stelle eines Amts- und Kreis- hauptmanns und Ober-Amtmanus in den hohenzollernshen Landen bleibt in Ansehung derjenigen Personen, welche bereits zur Zeit des Inkrafttretens des aegenwärtigen Gesetes eine der vorgenann- ten Stellen kommifaris verwalten, das Regulativ über die Prü- fung der Landrath8amtskandidaten vom 13. Mai 1838 (Gesetz- Sammk. S. 423) bis zum 1. Januar 1881 in Kraft.“

Die Kommission hatte si der Ansiht des Abgeordneten- hauses nicht angeschlossen, empfahl jedo, um den Forderungen deyelben entgegenzukommen, die §8. 10 und 11 zu streihen und an ihrer Stelle folgenden §. 16 in das Gesetz einzu- Tugen :

„S. 16. Ueber die Beseßung der Stellen ter Landräthe, Kreis- und Amtêëhauptmänner und Ober-Amtmänner in den bohen- zollernshen Landen und über die für diese Stellen erforderliche Befähigung ergeht ein besonderes Geset.

Bis zum Erla5 dieses Gesetzes bleiben die bestehenden Be- stimmungen in Kraft.

Sofern jedoch dieses Gesez nicht bis zum 1. Januar 1884 erlassen ist, können von diesem Zeitpunkte ab nur solche Personen zu den im Absay 1 bezeiGneten Stellen bcrufen werden, welbe die Befähigung für den höheren Verwaltungsdienst (§8. 1) oder für den böberen Justizdienst erlangt haben.“

_ Der Referent Dr. Dernburg befürwortete diese Anträge der Kommission im Jnteresse des Zustandekommens des Geseßes, welches schon zu wiederholten Malen an den Landtag gelangt sei. Durch den Vorschlag der Kommission werde eine Aus- gleihung zwischen den divergirenden Ansichten der Regierung und des Abgeordnetenhauses herbeigeführt, deshalb empfehle er die Annahme desselben. Graf Krafssow erklärte sih da- gegen; er hielt die Fassung des §. 16 noch für viel gefähr- licher, als die Beshlüsse des Aktgeordnetenhauses. Wer stehe denn dafür, daß bis zum Jahre 1884 ein solhes Gese er- laffen werde, das den Tendenzen, die man jebt fordere, ent- jpreche.

Der Vize-Präsident des Staats-Ministeriums Graf zu Stolberg war inzwischen in das Haus eingetreten.)

Von dem Grafen Udo zu Stolberg war der Antrag gestellt : das legte Alinea des §. 16 zu fassen:

„Sofern jedo dieses Gese niht bis zum 1. Januar 1884 erlasten ist, können von diesem Zeitpunkte ab nur soiche Personen zu den in Absatz 1 bezeichneten Stellen berufen werden, welche a. die

Befähigung für den höheren Verwaltungsdiensft (8. 1) oder für den dheren Justizdienst erlangt haben; b. na -bestandener erster Prü-

im Vorbereitungédienste bei den Gerihts- und Verwaltungs-

oder c. auch ohne die erste Prüfung abgelegt zu haben, elbftverwaltungzämtern des Kommunal-, Krei8- oder Pro- vinzialdienstes mit Auênahme jedoch des Amtes ein:8 Ge-

i oder Gutsvorstehers mindestens vier Jahre beschäftigt

gewesen sind, sofern dieselben seit mindestens einem Iahre dem Kreise beziehungsweise Amtsbezirke durh Grundbesiß oder Wohn- sib angehören.“

Nachdem sich Graf Brühl sowohl gegen die Anträge der Kommission, a!s au gegen den Antrag des Grafen zu Stol- berg, wie überhaupt gegen alle derartigen Kompromisse ge- wendet, befürwortete Graf Udo zu Stolberg seinen Antrag. Der von der Kommission vorgeschlagene 8. 16 biete keine Ga- rantien, daß, wenn derselbe zum Beschluß erhoben werden jolite, die Konsequenzen dieses Beschlusses au im Jahre 1884 gezogen werden würden. Der von ihm gestellte Antrag helfe über die bestehenden Schwierigkeiten hinweg und gebe die Ga- rantie, daß nur in der Weise, wie man sie jeßt wünsche, eine gefeßliche Bestimmung geschaffen werden dürfe.

Herr von Winterfeldt erklärte fih gleihfalls gegen den . 16 der Kommission. Wer könne dafür stehen, daß im ahre 1884 ein Geseg in diesem Sinne, wie man es jeßt sordere, zu Stande kommen werde? Auf fo unbestimmte Dinge für die Zukunft hinaus fönne man feine Gesetze erlassen. Redner charakterisirte hierbei in längerer Rede die Funktionen des Landraths. Seither sei der Landrath die Vertrauensperson des Publikums im Kreije gewesen. Man möge dem Amte auch ferner diejen Charafter erhalten. Das sei aber niht der Fall, wenn man einen jungen Gerihtsassessor, der von den Verhältnissen der Verwaltung und den Zuständen im Hause nichts verstehe, zum Landrath mache. Der Redner empfahl in erster Linie die Annahme der früheren Regierungsvorlage und erst in zweiter Linie den Antrag Stolberg.

Hierauf ergriff der Minister des Jnnern Graf zu Eulen- burg das Wort:

Meine Herren! E53 wird kaum der Bemerkung bedürfen, daß i) mil sämmtlihe# Herrn Vorrednern darin einverstanden bin, welche bobe Bedeutung dem Landrathëamt beizulegen ist, welches Gewicht in Folge defsen die Bestimmungen haben, die über die Vor- bedingungen zur Bekleidung desselben zu treffen sind, und daß es nit woblgethan sein würde, die definitive Regelung in dem Sinne zu treffen, daß zum Landrathsamt nur Diejenigen zugelaffen werden dürfen, welche ihre Befähigung für den höheren Verwaltungs- oder Iustizdienst dur Ablegung gewiffer Eramina erwiesen haben. Fndessen, meine Herren, i glaube, daß bei der vorliegenden Frage wesentlich praktische Rüdctsichten in den Bereiß der Ernägungen gezogen werden müfsen.

Ich bitte Sie zu diesem Ende, sich zunächst zu vergegenwärtigen die Entstehungsgeschichte dieses Gesetzes und den Gang der Berhand- lungen, welche in einer Reibe von Jahren bierüber stattgefunden aben. Der ursprünglihe Zweck des Gesetzes ging allein dabin, die Borbedingungen für den höheren Verwaltungsdienst, zu welhem in diesem Sinne die Stellen der Landräthe nicht gerechnet wurden, fest- zustellen. Es beruhte dies darauf, daß das Regulativ von 1846, welhes in dieser Beziehung die Vorschriften enthielt, dur die anderweite Regelung der juristishen Examina nit mehr anwendbar war, so daß es unmögliß war, Regierungs- Afsessoren noch ferner auszubilden und kteranzuzieken. Die Uebelstände dieses Zuftandes zeigten \ich sehr bald und machen si immer dringender geltend, so daß die Staatsregierung und nicht minder, wie mír s{eint, das Land, welches ein wesentliches Interesse daran hat, daß die Regierungskollegien mit geeigneten Beamten be- seßt sind, ein fehr großes Interesse daran hat, wieder Beamte heran- gebildet zu sehen, welde die nöthigen Kenntnisse und Vor- bildung für die Versehung der Verwaltungs8ges{häfte haben. Dies war der Anlaß zu dem Geses, und die Regierung batte das- selbe vorgelegt, ohne Bestimmungen über die Befähigung der Land- räthe darin aufzunehmen. Im Abgeordnetenhause fand dies keinen Beifall; auc das Herrenhaus trat dieser Auffassung bei und bielt ebenfalls ein solches Gesez nit für ¿weckmäßig, ohne daß gleih- ¡eitig über die Befähigung der Landräthe Bestimmungen getroffen würden ; über die Bestimmungen aber, welche hierfür vorzuschreiben wären, ist troß vierjähriger Verhandlungen eine Vereinbarung zwischen beiden Häusern und der Staatsregierung nicht zu Stande ge- femmen. Es mußte deshalb darauf Bedaht genommen werden, das vorher von mir dargelegte Bedürfniß der erncuerten Heranbildung höherer Verwaltungébeamten zu befriedigen in einer Art und Weise, welche zugleich hinsihtlich der Landrathefrage für die Landesvertretung und die Regierung gleihmäßig annehmkar wäre, und da konnte die Staatsregierung im Herbste vorigen Jahres zu keinem anderen Ergebniß kommen, als zu dem, die Frage der Qualifikation der Landräthe einstweilen unerledigt zu lassen, wie es ihre Absicht ursprünglich gewesen war und wie es die langen Verhandlungen zwischen beiden Häusern des Landtages, wie mir scheint, als nit unzutreffend ergeben haben. Diese Arsi®t fand in diesem Hause durch nahezu einstimmige Annahme der Regierungs- vorlage Billigung, ist aber nunmebr im anderen Hause wieder auf Schwierigkeiten gestoßen in dem Sinne, daß man Bestimmungen über die Qualifikation der Landräthe als unerläßlich betrachtet. In dem Sinve von Vorschlägen, welche sowobl bier als in dem anderen Hause früher Anklang gefunden hatten, sind nunmehr die jetzigen SS. 10 und 11 im Abgeordnetenhause angenommen worden. Was dem entgegenzustellen ist, haben, wie mir \{eint, sowohl Herr Graf Stolberg als Herr von Winterfeld zutreffend dargelegt. Es ist für die Königliche Staatsregierung nit annehmkar, daß für die vorge- s{lagenen und präsentirten Kandidaten leihtere Bedingungen auf- gestellt werden, als ihr fonzedirt werden für die Ernennung in den Fâllen, wo entweder kein Vorslags- oder Präsentationêre{t stattfindet, oder wo die Vorgeshlagenen oder Präsentirten nicht ernannt werden können. Ich glaube, meine Herren, die Gründe, welche hierfür \pre&en, sind einleuchtend; ic habe in dieser Be- ziéhung namentlich die in der Praris oft vorkommenden Fälle im Auge, daß Kreistage zwar keine Kandidaten zu präsentiren vermögen, welche die Bedingungen des Präsentations- und Vors&lagsrechts er- füllen, aber wohl den Wuns aussprechen, daß bestimmte andere Per- sonen von der Regierung ernannt werden mögen; die Regierung würde, wenn ihr nit erleiWternde Bedingungen gewährt würden, nicht in der Lage sein, diesen Wünschen zu entsprehen, würde viel- mehr au& in folhen Fällen beschränkt sein auf die Ernennung von vollqualifizirten Regierungs- oder Gerichts8afseforen.

Nacdem nun dieser Zwiespalt der Yeinungen eingetreten war, Tam es darauf an, zu versuben, einen Auêweg zu finden, um unter Wahrung der beiderseitigen Prinzipien den Hauptzweck des Gesetzes ¡u erreichen und gleizeitig einen Zustand zu \{chaffen, welcher der Zukunft nit in bedenkliher Weise präjudizirte, und ih meine, daß dies erreiht worden ift uf m Wege, welchen «Ihre Kommission Ihnen vorgeschlagen hat: Zunächst it für einen fünfjährigen Zeit- raum Alles belaffen, wie e8-bicther gewesen ist, und nad Ablauf dieses Zeitraumes soll, wenn eine anderweitize Einigung nit zu Stande kommt, die Beseßung der Landrathsstellen nur noch mit voll- qualifizirten Beamten geschehen könzen.

Es kann auf den ersten Blick wohl den Eindruck maten, als ob damit der Zukunft präjudizirt würde, aber ih kann nicht ¿ugeben, daß das in der That der Fall ift. Denn es ift vollkommen richtig vom Herrn von Winterfeld hervorgehoben worden, daß das Publikum das größte Interesse dabei habe, daß aus der Mitte des Kreises die Landräthe beruf.n würden; ih stimme dem vollständig bei und glaube, daß diese Meinung auch bei den verschiedenen politischen Parteien in der Lande®vertretung überall vorhanden ift, mit Ausnahme eines kleinen Theils von Mitgliedern, welche in der That die Vorbildung für den böheren Verwaltungsdienst auß für die Landräthe für erforderlich balten. Die überwiegende Mehrzahl stimmt aber darin überein, daß für das Landrath8amt, welches mehr praktischer Bewährung als formeller Qualifikation bedarf, erleicterte Bed:ngungen vorgeschrieben werden müssen. Auf tiesem Gedanken beruht der Vorschlag Ihrer Kommission, wenn ih ihn richtig ver- standen habe. -

Meinerseits kann ih Ihnen denselben von dem Gesibtépunkte aus empfehlen, daß ih die Ueberzeugung babe, daß eine Einigung über crleihterte Bedingungen für die Befähigung zum Landrath8amte innerhalb des vorgesehenen Zeitraums zu Stande kommen wird, weil in Aussicht steht, daß, wenn diese Einigung nit eintritt, nur noch Männer mit der vollen Qualifikation für den höheren Verwaltungs- oder Justizdienft in das Landratbsamt berufen werden können. Meine Herren, es ist, wie ih glaube, ein solhes Vorgehn gar nicht mit dem Namen eines Kompromisses zu bezeichnen, sondern es ist nichts weiter als die Vertagung der Entscheidung,

über welche in diesem Augenblicke eine Einigung nicht herbeigeführt |

werden . kann, über welche aber rach hober Wahrscheinlichkei bis zu dem angegebenen Zeitpunkte eine Entscheidung herbeigeführt werden wird. Was das Amendement des Heren Grafen zu Stolberg betrifft, so ist, an siv betrachtet, dasselbe für. die Königliche Staatsregierung niht_ unannehmbar, weil tyrch dasselbe, abweichend von dem Be- \{lufe des- Abgeordnetenhauses, die unglei{mäßigen Bedin- gungen für die Vorgeshlagenen und die voa der Regie- rung Ernannten beseitigt werden; ich befinde mich aber niht in der Lage, Ihnen die Annahme dieses Amendements zu empfehlen, weil si mit ziemlicher Sicherheit voraussehen läßt, daß dasselbe im gegenwärtigen Augenblick kaum auf die Aanahme im anderen Hause würde zu renen haben. Ich empfehle Jhnen viel- mebr die Annahme der Beschlüffe Ihrer Kommission, welce die Wahrscheinlichkeit einer angemessenen Regelung der Bestimmungen über die Qualifikation der Landräthe in absehbarer Zeit in si tragen und zuglei die Möglichkeit g:währen, dem dringenden Be- dürfniß von Festsezungen über die Qualifikation zu dem böhern Verwaltung®dienste Genüge zu leisten.

Die Herren Graf Rittberg, Wever, Hasselbach und Graf zur Lippe traten nach dieser Erklärung unter Hintansezung aller Bedenken für die Kommissionsanträge ein.

Nach Ablehnung des Antrages des Grafen Udo zu Stol- berg wurden die Kommissionsanträge zu ten 88. 10, 11 _ und 16 angenommen, ebenfo die übrigen Paragraphen der Vorlage und das Geseß im Ganzen.

Es folgte fodann als zweiter Gegenstand der Tagesord- nung der mündlihe Bericht der Justizkommission über den Entwurf eines Ausführungsgeseßzes zur deutschen. Civilprozeßordnung. Die Kommission hatte nur in den 88S. 2, 17 und 24 einige unwesentlihe Aenderungen, redattioneller Natur, vorgenommen, und empfahl der Referent Dr. Dernburg, diese sowie die übrigen Paragraphen des Ge-

seßes, leßtere in der vom Abgeordnetenhause bes{lofsenen Fassung, anzunehmen. Nächdem der Regie-ungskommissar, Geheime Ober-Justiz-Rath Kurlbaum 1l., m Namen der Staatsregierung fich mit den Abänderungen einverstanden er- klärt, wurden die Anträge der Kommission ohne Debatte an- genommen.

Dritter Gegenstand der Tagesordnung war die einmalige S@&lußberathung über den Staatsvertrag zwischen Preußen und dem Fürstenthum Lippe, betreffend die Begründung einer Gerichtsgemeinshaft. Nach kurzer Empfehlung durch den Refe- renten Herrn Dr. Beseler wurde der Vertrag genehmigt.

Endlich wurde eine Petition des Gemeindevorstandes zu Stickhausen, welcher die Errichtung eines Landgerichts in Stick- ‘hausen wünshte, auf Antrag des Referenten der Justiz- kommission, Herrn Dr. Henrici, ‘dur Tagesordnung erledigr, und dann um 3 Uhr 50 Minuten die Sißung geschlossen.

__— In der heutigen (9.) Sitzung des Herrenhauses, welche der Präsident um 1 Uhr 25 Minuten eröffnete, begann sofort die Berathung der auf der Tagesordnung stehenden Gefeße, deren erster Gegenstand der Bericht der 9. Kommission zur Berathung des Gesezentwurfs, betreffend die Aufhebung des Gastgemeindeverhältnisses in der evangelischen Kirche der Provinz Schlesien war. Der Berichterstatter Herr von Woyrs{h gab bei der Generaldisfussion eine kurze Darlegung über das Wesen des Gastgemeindeverhältnisses, welches durch das Geseß aufgehoben werden soll, und empfahl dann die Annahme des Gesegzes in der von der Kommission veränderten Fassung. An der Generaldiskussion betheiligte sich Niemand und das Haus trat in die Spezialdiskussion.

Den §. 1 empfahl die Kommission zur Annahme:

. „Den evangelischen vagirenden und Gastgemeinden in der Pro- vinz S&lesien wird bis zum 1. Januar 1885 Frist gegeben, ent- weder eine selbständige Parochie zu bilden oder fh nad Maßgabe der nah §. 46 der Gemeinde- und Syncdal-Ordnung vom 10. September 1873 befonders zu treffenden statutarischen Bestimmungen einer bereits bestehenden Parochie einzuverleiben.

Nachdem der Referent die Annahme des Paragraphen empfohlen und der Regierungskommissar Geheime Ober-Re- gierungs-Rath Beinert erklärt, daß die Regierung dem Be- shlufse dèr Kommission niht widersprehen wolle, wurde der S. 1 in dieser Fassung angenommen. (S@({luß des Blattes.)

Im weiteren Verlaufe der gestrigen (46.) Sizung trat das Haus der Abgeordneten in die Diskussion über die dem Nachtragsetat angehängten Grundsäße, nach denen das Dienstalter der Richter für deren Reihenfolge in den Besoldungsetats festzuseßen sein wird. Der Berichterstatter Abg. Löwenstein empfahl folgenden Antrag der Kommission :

Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen: den auf Seite 49 der Vorlage Nr. 170 enthaltenen Grundsäßen, nah denen das Dienstalter der Richter für deren Reihenfolge in den Besol- dungsetat festzusetzen sein wird, in unveränderter Fafsung die Zu- stimmung zu ertbeilen.

Diese Grundsätze beruhen im Wesentlichen darauf, daß das Avrancement der Richter, ihr Einrücken in böbere Gehalts\sphären sid nach dem Diensftalter regelt. Es kann fodann u. A. ferner bei der Aufnahme in den preußischen Ricterdienst die Zeit, welche der Aufzunehmende außerhalb des Justizdienstes in einem unmit- telbaren oder mittelbaren Amte des preußischen Staatsdienstes, im Reichsdienste oder im Dienste eines deutschen Bundesftaates zuge- brabt hat, ingleichen die Dienstzeit als Rebtsanwalt oder Rotar mit Königlicher Genehmigung ganz oder theilweise auf das rihter- liche Dienstalter in Anrebnung gebracht werden. Für das Dienst- alter als Nihter wird der Zeitvunkt als Anfangstermin festgeseßt, in welhem der Betreffende Assessor geworden ift.

Der Abg. Stelzer brachte die Avancements3verhältnisse im Bezirke des Appellationsgerihtes Frankfurt a. M. zur Sprache, die von der Regierung in einer für die Betheiligten nicht günstigen Weise geändert seien; er verzihte aber darauf, einen bezüglichen Antrag einzubringen. Nachdem der RNegie- rungskfommissar Ministerial - Direktor Rindfleish und der Abg. Dr. Petri die von dem Abg. Stelzer ausgesprochenen Besorgnisse als unbegründet bezeichnet hatten, {loß sich das

ionsvorshlage an und erklärte zugleih die

Haus dem Kommiss: hierzu vorliegenden Petitionen für erledigt. Kap. 83—88 der dauernden Ausgaben wurden unverkürzt bewilligt.

Zu Tit. 17 Kap. 11 des Extraordinariums beantragte die Budgetkommission, das geforderte Pauschquantum zur Vorbereitung und zur theilweisen Herstellung derjenigen Bau- ten, welche für die Durhführung der Justizorganisation vor- ausfihtlich nöthig sein würden, nit in Höhe von 10 130 000 f, sondern nur in Höhe von 6130 000 # zu bewilligen, also 4 Millionen abzuseten.

Der Abg. Dr. Eberty bemerkte, daß aus dieser Vorlage nicht hervorgehe, wieviel von dieser Summe für Gefängnisse ver- wendet werden solle. Damit der Landtag wisse, ob bei den Gefängnißbauten das System der Einzelhaft oder der gemein- samen Haft befolgt werden solle, bat Redner die Negierung, im nächsten Jahre eine umfassende Zusammenstellung aller Beträge für Gefängnißbauten vorzulegen. Der Regierungs- fommissar Geheime Ober-Justiz-Rath Starke bemerkte, es liege im Interesse der Justizverwaltung, dem Wunsche des Vorredners zu willfahren, indeß sei eine umfassende Zusammenstellung nur da möglich, wo besondere Gefängnißgebäude vorhan- den seien.

Der Referent Abg. Pilet befürwortete den Kommissions- antrag zur Annahme. Er bemerkte dabei, daß die Budget- tommission in Folge dieser Kürzung keineswegs einen Still- stand in der erforderlihen Fortführung der nothwendigen Bauten wünsche, im Gegentheil, es solle mit aller "Energie vorgegangen werden, um s{leunigst diejenigen Bauten herzu- stellen, welche die Justizorganisation erfordere, sowie inzwischen die erforderlichen Lokalien miethsweise zu beshaffen. Es sei aber völlig unmöglich, die geforderten Beträge in einem Bau- jahre zu verwenden. Deshalb habe die Budgetkommission die Forderung um 4 Millionen Mark gekürzt. Das sei die Tendenz des Antrages. Der Referent theilte noch mit, daß es si um 2000 Gerichtssiße in Preußen handle, worunter für 113 Neubauten nöthig sein würden.

Der Abg. Dr. Horwiß erklärte, daß die Justizverwaltung bisher den andern Zweigen der Verwaltung gegenüber stets als Stiefkind behandelt worden sei. Speziell aber legte er seine Wünsche hetrefffs der Ausstattung des zukünftigen Land- gers Berlin 1. dar, wobei er im Einzelnen die aftuellen

erhältnisse des gegenwärtigen Stadtgerichts als vollständig

in folgender Fassung

unerträglich darstellte.

Diese Verhältnisse führten, abgesehen von den persönlichen Unzuträglichkeiten, zu einer positiven Schä- digung des Rechtsbewußtseins.! Jn der Duldung solcher Zustände liege eine so souveräne Gleichgültigkeit, daß man zweifeln könne, ob die Justizverwaltung von lebendigen Jndi- viduen geleitet und niht vielmehr durch ein abstraktes Prinzip geregelt würde.

| verwaltung dew berehtigten Wünschen in der Provinz jeßt

des czustizetats beendet war.

Der Régierungskommissar, Geh. Ober-Justiz-Rath Starke | rehtfertigte die Justizverwaltung gegen die vom Vorredner ausgesprochenen Vorwürfe. Wenn auch X materielle Jnhalt der Rede im Ganzen richtig sei, so seien die Uebelstande do auf Ursachen zurückzuführen, die zu beseitigen nicht in der tat der Regierung liege. Namentlich sei der Raummangel hei dem Stadtgericht durch das enorme Wachsthum der Haupt- stadt bedingt worden, welchem die baulihe Erweiterung der Gerichtsgebäude nicht in gleich s{hnellem Tempo habe folgen fönnen; zum Anderen wäre es doch unthunlih gewesen, kurz vor dem Eintritt der Justizorganisation mit Neubauten vor- zugehen. Eine souveräne Gleichgültigkeit könne der Regierung niht vorgeworfen werden, da sie speziell beim Berliner Stadt- geriht allen Wünschen des Präsidenten sofort gereht gewor- den sei. Der Abg. Ottow (Hirschberg) erkannte an, daß die Justiz-

mehr Rechnung trage als früher, im Allgemeinen aber seien derartige Klagen, wie sie der Abg. Horwiß vorgebracht habe, nur zu berechtigt.

Der Abg. Hoffmeister hoffte, daß die Justizverwaltung in Zukunft einen anderen, besseren Weg einschlagen würde, um folhe Uebelstände, wie fie zum Nachtheile der Würde der Justiz in Berlin vorlägen, aus der Welt zu schaffen. Das beste Beispiel könne sih die Regierung an der Berliner Kommunalverwaltung nehmen, welche für die Ele- mentarschulen prachtvolle Näume herzustellen vermocht habe. Der Redner rügte sodann das Verfahren, nah welchem die Kommunen zur Tragung der Baulasten der Justizverwaltung in zu weit gehendem Maße herangezogen würden.

Der Regierungskommifsar, Ministerial - Direktor Rind- fleish erklärte es für leiht, sich wegen der Abwälzung der Baulast vom Staate auf die Kommune zu dbeschweren, aber shwer dürfte es sein, einen Ausweg anzugeben. Solle etwa der Staat in seiner jeßigen Finanzlage auch noch alle Bauten, die die Kommunen zu tragen hätten, auf sih nehmen ? Die Beschwerden der Kommunen hätten öfter sonderbare Ur- sahe. Z. B. Städte erbäten ein Gericht, sie offerirten den Beitrag zur Baulast, und wenn dann auf Grund des Versprechens den Stlädten ein Gericht zugesagt würde, erklärten sie, nicht in der Lage zu sein, die Lasten auf sich zu nehmen. Wenn die Kommunen 1fo sich ihrer Verpflichtung entziehen wollten, dann sei das zu be- dauern, in der Art aber könne die Staatsregierung nicht auf die Erfüllung gegebener Zusagen verzihten. Solhe Fälle wären übrigens nur ganz vereinzelt vorgekommen, im Allge- meinen wären die Städte mit dem Vorgehen der Regierung einverstanden gewesen, und es dürfte shwer sein, in dieser

Richtung einen berechtigten Vorwurf gegen die Staatsregiérung |

zu erheben. Hierauf wurde Kap. 11 den Anträgen der Budgetkommission gemäß erledigt, womit die zweite Berathung

Eine Anzahl von Petitionen, welhe sich auf die leßten Kapitel des Etats bezogen, werden durch den Beschluß des Hauses für erledigt erklärt.

Bei der Berathung des Etats der direkten Steuern brahte Abg. Seelig zur Sprache, daß die Regierung in Schleswig-Holstein seit 3 Fahren bei der Grundsteuerreguli- rung insofern ein cigenthüiliches Verfahren eingeschlagen habe, als sie gegen die Entscheidungen in der ersten Jnstanz regelmäßig die Provokation auf Ablösung einlege und dadur den Rechtsweg fistire; die Folgé davon sei, daß Prozesse seit 31/2 Jahren vor dem Revisionskollegiuum s{hwebten. Da diejes Verfahren geradezu zu einer öffentlihen Ka- lamität geworden sei, so bitte er die Regierung, dieser Gefahr Einhalt zu thun und frage, inwieweit fie von der Sachlage unterrichtet sei.

Der Regierungskommissar erwiderte, daß von der An- gelegenheit im Finanz-Ministerium eigentlich gar nichts bekannt jei, Die Regierung in Schleswig habe die Führung der Prozesse für den Fiskus wahrzunehmen und daher das Ret, die Provokation auf Ablösung zu stellen. Die Verwaltung der indirekten Steuern habe in dieser Beziehung keinen Ein- fluß geübt, nur stets um möglichste Beshleunigung ge- beten. Von einer öffentlihen Kalamität könne nit wohl die Rede sein, da sonst gewiß Beschwerden eingegangen sein würden, das sei aber nicht der Fall. Jm Uebrigen gebe er Namens der Regierung die Zusicherung, daß sie der Sache näher treten werde.

Bei Tit. 2 der Einnahmen (Gebäudesteuer) fragte Abg. Richter (Hagen), wie viel die Gebäudesteuerrevision an Plus für die Staatskasse ergeben habe? Er finde die Mehr- belastung der Hausbesizer ziemlich hoch und frage an, ob es niht möglich sei, einen Geseßentwurf vorzulegen, welcher die Erhöhung der Gebäudesteuer mindestens auf ein Vierteljahr, bis 1. April 1880 hinaus\{höbe. Der Regierungskommifssar Geheime Finanz-Rath Dillenburger erwiderte, das Plus der Ge- bäudesteuer sei, obwohl es noch nit definitiv festgestellt sei, auf höchstens 6, Millionen Mark anzugeben. Was die Einbrin- gung des vom Vorredner gewünschten Geseßentwurfs angehe, so habe die Regierung dieselbe noch nicht in Erwägung gezogen. j :

‘Der Abg. Seyffarth glaubte einen Wunsch zahlreicher Be- amtenklafsen dem Finanz-Minister ans Herz legen zu sollen. Nah der Kabinetsordre vom 27. April 1876 solle den Hinter- bliebenen von Beamten das Gehalt von 1—3 Monaten gezahlt werden. Hier werde nun insofern niht nah gleihen Grund- säßen verfahren, als die Beamten bei Kollegialbehörden, selbst Kassendiener, einen Vorzug vor den Beamten anderer Kate- gorien genöfsen. Redner bat den Finanz-Minister, dieser An- gelegenheit seine wohlwollende Beachtung zu schenken.

ZU Kap. 5 Titel 2 (der einmaligen und außerordentlichen Ausgaben, nämlih 1 500 000 M zur Herstellung eines Dienst- gebäudes für die Direktion der Verwaltung der direkten Steuern in Berlin) beantragte die Budgetkommission, diesen Titel nit zu bewilligen.

Der Abg. von Benda begründete den Antrag der Budget- kommission damit, daß die mangelnde Beweisführun für das Bedürfniß eines neuen Dienstgebäudes Seitens der egierung, und—außerdem die—sGwierige Finanzlage des Staates -die Motive zur Stellung des mitgetheilten Antrages seien. Nach- träglih habe der Kommissar in der Kommission sih bereit er- klärt, den Nachweis des Bedürfnisses aufs Eingehendste zu führen. Jndeß sei der betreffende Referent, Freiherr von Heereman, erkrankt, die Geschäftslage immer drängender, und die Ueberhäufung der Budgetkommission immer größer ge- worden, jo daß er von einer nohmaligen Berathung diejes

Titels innerhalb der Kommission Abstand genommen habe Und es dem Hause anheim gebe, entweder den Titel zu noŸ-

maliger Berathung an die Kommission zurück zu verweisen, [| hob zwar die unbedingte Nothwendigkeit des projektirten Neu-

oder sih im Hause selbst s{lüfsig zu machen.

Der Regierungskommissar Eee Finanz-Rath Dillen- burger wies na, daß das Bedürfniß für ein neues Gebäude für die Direktion der direkten Steuern unabweislich sei, die Bureaus seien in den verschiedensten Häusern in unzweckmäßigster Weise untergebracht ; er bitte dringend, den Antrag der Kom- mission abzulehnen. Hierauf wurde der Antrag der Budget- kommission verworfen, die betreffende Position nach dem Antrage des Grafen Limburg-Stirum zu nohmaliger Berathung der Budgetkommission überwiesen und sämmtliche übrigen Titel des Etats der direkten Steuern in den Ein- nahmen und dauernden Ausgaben genehmigt.

Beim Etat der indirekten Steuern nahm der Abg. Dr, Serlo das Wort: Der Abg. für Hagen habe ihm einen Vorwurf daraus gemacht, daß er zum Vorsißenden der Eisen- Enquete-Kommissión ernannt worden sei, obwohl er (Redner) vorher öffentlih erklärt hätte, daß er die Wiedereinführung der Eisenzölle befürworten würde. Er habe aber seit dem Ge- seße vom Jahre 1873, welches die Eisenzölle aufhob, niemals eine jolhe Erklärung abgegeben, am wenigsten eine öffentliche. Zwei Monate, nachdem er Vorsizender der Kommission geworden, habe ein Bekannter seine Ansicht über Eisenzölle ergründen wollen und da habe er allerdings einen Brief ges{hr'eben, bei dem er aber hinzugefügt habe, daß er eine Veröffentlihung scines Inhalts nicht wünsche; diese Veröffentlihung sei indessen durch eine Ungeschicklichkeit erfolgt. Jn dicsem Briefe habe er sich allerdings dahin ausgesprochen, daß eine Wieder- einführung der Eiscnzölle den Produzenten keinen Nugzen und den Konsumenten keinen Schaden zufügen, dieselbe aber einer großen Klasse von Jnteressenten Muth und Ver- trauen zurückbringen würde. Mit dem ersten Theile dieser Behauptung stehe er in Uebereinstimmung mit einer großen Zahl von Sachverständigen, ja sogar ein frei- händlerisher Eisenkonsument habe in der Kommission geradezu erkfärt, daß er heute gerade so viel für das Eisen zahlen müsse, wie vor 1873. Er habe die Verhand- lungen der Eisen-Enquete-Kommission damit begonnen, daß er die Theilnehmer zur Bewahrung der größten Objekti- vität aufgefordert habe und sei sich bewußt, daß er stets be- strebt gewesen sei, sie zu beobahten. Was über die Beschlüsse der Kommission durch die Zeitungen gegangen sei, beruhe zum größten Theil auf unrichtiger Darstellung. Die Kommission habe si bestrebt, mit der größten Objektivität zu verfahren. Ferner habe der Abg. Richter gerügt, daß nicht die geeigneten Sachverständigen vernommen seien, Die Kom- mission hätte sich doch nicht an die Redacteure liberaler Zeitungen wenden können, deren ganzer Eisenkonsum in Stahlfedern bestehe. Wenn dann der Abg. Richter gesagt habe, die Sachverständigen hätten von dem Generalsefretär Bueck Jnstruktionen erhalten, so sei ihm davon nichts bekannt. Jhre Stenogramme habe er gleichfalls nit korrigiren können, da die Mitglieder dies selbst hätten thun müssen; außerdem seien materielle A nderungen zurückorrigirt worden. Er glaube, die Kommission könne ein Vorwurf nich: treffen, sie habe ihre Schuldigkeit gethan und sich um das Vaterland ver- dient gemacht. i :

Der Abg. Richter (Hagen) bemerkte hierauf, der Vor- redner habe im Wesentlichen Alles bestätigt, was er (Redner) behauptet habe, niht um ihn persönlih anzugreifen, sondern die Einrichtung einer solchen Enquete zu charakterisiren. Es habe in der Oeffentlichkeit von ihm eine Erklärung vorgelegen vor Beginn der Enqueteverhandlungen, daß er die Wieder- einführung von Eisenzöllen für nöthig halte. Allerdings sei die Erklärung nit mit des Vorredners Willen in die Oeffent- lihkeit gekommen. Aber nachdem es geschehen, also der berufene Richter zur Sache einen Ausspruch gethan habe, hätte die Re- gierung ihn abberufen müssen; oder besser noch, er selbst hätte jeine Entlassung fordern müssen. Allerdings sei die Kom- mission einseitig beseßt gewesen. Drei erklärte Schuzzöllner, Schlöhr, Stumm und Serlo, ein abhängiger Geheimer Rath, Huber. Diesen Vieren habe gegenüber, als unabhängiger Frei- händler, allein der Konjul Meier aus Bremen, gestanden. Der Vorredner habe zugegeben, daß die Sachverständigen nicht cidlih vernommen worden seien. Der {ußzöllnerishe Centralverband habe für seine Sachverständigen vorher Materialien zur Frage- beantwortung autographiren lassen. _Zugegeben sei, daß die im Kaiserhof korrigirten stenographishen Aussagen wieder hätten zurückforrigirt werden müssen. Er fkonstatire, daß heute noch unmittelbar vor der Reichstagsentscheidung Nichts über die Enquete amtlih veröffentlicht sei. : i

Der Abg. Dr. Dohrn bemerkte, au er habe den Eindruck gehabt, als ob man mit der Berufung der Sachverständigen einseitig verfahren sei. Es seien Männer als Sachverständige vernommen, nur wegen ihres s{ußzöllnerischen Standpuntktes. Das sei namentlich auch mit der Berufung des Sachverstän- digen aus Stettin der Fall gewesen. O

Der Abg. von Wedell (Malchow) erklärte hierauf, er müsse die Behauptung des Abg. Serlo, daß ein freihändleri- scher Sachverständiger in der Kommission gesagt habe, er be- zahle das Eisen nach Aufhebung der Zölle eben so theuer wie vorher, auf fih beziehen. Er habe nun erklärt, daß er dem Schmied, den er in seinem Dienste habe, für Schmiedearbeiten noh denselben Akkord wie früher zahle. Das sei etwas Anderes, als was der Hr. Serlo mitgetheilt habe.

Nach weiteren kurzen persönlichen Bemerkungen der Abgg. Richter, Dr. Serlo und von Wedell (Malhow) wurde die Dis- kussion geshlossen, und der Etat der direkten Steuern bewilligt, worauf sih das Haus um 51/4, Uhr vertagte.

Jn der heutigen (47.) Sißung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Handels-Minister Maybah und mehrere Regierungskommissarien beiwohnten, erklärte das Haus die uebersiht über die Verwaltung der fiskalischen Berg- werke, Hütten und Salinen während des Etatsjahres 1877/78 dur Kenntnißnahme für erledigt. Dasselbe beantragte Namens der Budgetkommission der Referent Abg. Dr. Dohrn in Betreff der Denkschrift über die L1ge der im Ressort des Ministeriums der geistlihen, Unterrihts- und Medizinal-Angelegenheiten seit dem Jahre 1872 einsclließlich begonnenen und in der Vorbereitung begriffenen Staatsbauten in Berlin und Pots- dam. Dagegen beantragte der Abg. Freiherr von Huene: „Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen, : daß es sid die Entscheidung über die Hineinziehung des zur Zeit von dem Staats-Ministerium benußten Hauses Behrenstraße 72 in den Erweiterungsbau des Kultus-Minifteriuums vorbehält bis zur Vorlage der revidirten Kostenanshläge für den Bau des leizte- ren Ministeriums und bis zur erfolgten Mittheilung darüber, welche Kosten die anderweitige Unterbringung des Staats« Ministeriums verursacen wird,“ E : E

Der Regierungskommissar Ministerigl-Direktox Greiff

baus des Kultus-Ministeriums hervor, da die jeßige Wohnung des Ministers selbst gesundheitsgefährlih sei, bemerkte aber, daß er die budgetmäßige Berechtigung des Antrages von Huene nit verkenne und gab dem Hause die Entscheidung darüber anheim. Leßteres verwies den Antrag an die Budget- tommission.

Der Abg. Dr. von Bunsen beklagte die Verzögerung, welche der Bibliotheksneubau in Berlin erfahre, und lenkte die Aufmerksamkeit der Staatsregierung auf verschiedene fisfalishe Grundstücke nördlich des Afademiegebäudes, welche sich zur Aufnahme des Kasernements der Schwadron Gardes du Corps eignen würden. Die Kunstakademie könnte auf den Lüßowplaß verlegt werden. So würde Raum für eine neue Bibliothek geschaffen. Für eine augenblicklihe Trennung der Bibliothek in verschie- dene Theile könne er sich niht aussprehen. Der Abg. Dr. Virchow bemerkte dagegen, er halte eine partielle Verlegung der Bibliothek für die einzig möglihe Lösung der Frage. Bezüglich der Akademie der Künste trete er dem Vorschlage des Abg. von Bunsen, dieselbe auf den Lüßowplaß zu ver- legen, entgegen; in seiner Eigenschaft als Stadtverordneter habe er diesen Plat, der als Erholungsplag für die junge Generation erhalten bleiben müsse, bereits zweimal gerettet.

Beim Schluß des Blattes ging das Haus zur Fort- seßung der zweiten Berathung des Entwurfs, die Reichshaus- halts-Etats für 1879/80, über und erledigte ohne Debatte zunächst die Positionen betreffend die Verwaltung der direkten Steuern.

Fn allen den Ländern, in welchen der telegraphische Verkehr durch eine Staatsanstalt besorgt wird, haben die zur Ausgabe an den Adressaten gelangenden Depeschen, nah einem Erkenntniß des Reihs-Ober-Handelsgerihts, IL. Senat, vom 22. Januar 1879, civilrehtlih die Beweisfkraft öffentliher Urkunden. Wird von einer Partei behauptet, daß die von der Gegenpartei zum Beweise ihrer Behauptung produzirte Depesche in dem Ankunftsort unrichtig ausgefertigt worden, so hat sie dies nahzuweisen.

Die Verleßung eines von den Verwaltungsbehörden eines Staates erlassenen Vieheinfuhrverbots, welches zur Verhütung der Einschleppung der Rinderpest erlassen wird, ist, nach einem Erkenntniß des Ober-Tribunals vom 9. Januar 1879, wenn die Verlezung eine wissentliche gewesen, in ideeller Konkurrenz sowohl aus §8. 328 des St.- G.-B. wegen Verleßung der gesundheitspolizeihen Vorschriften als auc aus §. 134 des Vereinszollgeseßzes vom 1. Juli 1869 wegen Contrebande zu bestrafen; ist dagegen die Verleßung eine niht wissentlihe gewesen, so tritt nur die Bestrafung wegen Contrebande ein.

Der selbständige Verwalter eines fremden Besitz- thums beispielsweise ein mit voller Selbständigkeit aus- gestatteter Gutsinspektor is, nach einem Erkenntniß des Ober-Tribunals vom 8. Januar 1879, zur Stellung von Strafanträgen gegen Personen, welche strafbare, gegen das von ihm verwaltete Besißthum gerichtete Hand- lungen verübt haben, berehtigt.

In den deutschen Münzstätten find bis zum 1. Februar 1879 geprägt worden, an Goldmünzen: 1248 037 140 /( Doppelfronen, 404873 220 A Kronen, 27 969 845 M Halbe Kronen , hiervon auf Privatrechnung 3959 903 340 /\4 Vorher waren geprägt: 1 247 626 900 M Doppelkronen, 403 920 280 M Kronen, 27 969 925 4 Halbe Kronen, hiervon auf Privatrehnung 361 427150 Summa 1 650 880 205 M

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Bürgermeister der freien und Hansestadt Hamburg Dr. Kirchenpauer, is hier angefommen.

Bayern. München, 6. Februar. (ATg. Ztg.) Die IV. Abtheilung der Kammer der Abgeordneten hat heute Abend die wiederholten Wahlen des Wahlkreises Schweinfurt geprüft und beschlossen, daß der gegen die- selben erhobenen Reklamation eine Folge niht zu geben, vielmehr die drei {hon zweimal „kassirten,“ aber wieder ge= wählten Abgeordneten als legitimirt zu erklären seien.

Schwarzburg- Sondershausen. Sondershausen, 6. Februar. (Leipz. Ztg.) Die Gesez-Sammlung ver- öffentliht das mit dem versammelten Landtage vereinbarte Geseß, einen Nachtrag zur Geschäftsordnung des Landtags betreffend, nah welchem Fachdeputationen und bestellte besondere Deputationen des Landtags durch Beschluß des leßteren und mit Zustimmung der Staatsregierung ermächtigt werden können, auch während der Zeit, in welcher der Land- tag nicht versammelt ist, die ihnen überwiesenen Geschäfte zu betreiben, bezugsweise fortzusegen und Deputationssizungen zu halten. Der Landtag hat in seiner zweiten Sigzung diese Deputation zur Vorberathung sämmtlicher mit den Reichs- Justizgeseßen“ im Zusammenhange stehenden Regierungs- vorlagen gewählt. Dem Landtage ist der erwartete Geseßz- entwurf über Besteuerung der Wanderlager zu-

gegangen. Neuß j. L. Gera, 6. Februar. (Leipz. Ztg.) Der Landtag s{hloß mit seiner heutigen Sißung die diesmalige Session. Zunächst kamen noch einige auf die Fu stizreor=- aanisation bezüglihe Vorlagen zur Erledigung. Die für die Aufnahme des gemeinschaftlihen Landgerichts bestimmten Gebäude erfordern für Umbau, Reparaturen 2c. einen Auf- wand von 40 000 M, welcher Betrag vom Landtage ungekürzt genehmigt wurde. Sodann fanden nach theils längerer, theils kürzerer Diskussion u. a. die nachstehend genannten Vorlagen im Wesentlichen unveränderte Annahme, als: das Gefeß, die nah dem deutschen Gerihtsverfassungsgeseße zu errihtenden ordent- lihen Landesgerichte betreffend; das Ausführungsgeses zum, deutschen Gerichtsverfassungsgeseße; das Ausführungsgeses zur deutshen Civilprozeßordnung; das Ausführungsgeseß zur deutschen Konkursordnung; das Geseß, die -Uebergargs- bestimmungen zur Civilprozeßordnung, Konkursordnung und Strafprozeßordnung betreffend, und das Geseß, das polizeiliche Straffest)eßzung#& und Strafanforderungsrech? betreffend.

Oesterreich-Ungarn. Wien, 6. Februar. (Prag. Abendblatt.) Die Verhandlungen wegen der Ne"1bildung des Ministeriums nehmen ihren Fortgang. Alle Mel- dungen, welche die Persönli(keiten der kür“tigen Minister betreffen, sind verscltht, da die bezüglichen Besprechungen noch im Zuge sind, Dex russishe Botshaster von Novikoff hat