1879 / 52 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 01 Mar 1879 18:00:01 GMT) scan diff

krankfungsfälle vorgekommen sind, abgesperrt, bis die von hier und aus Astrachan delegirten Kommissionen eintreffen, um die durh Feuer zu vernichtenden Besißlichkeiten abzuschäßen, den Eigenthümern Entschädigungen zu zahlen, dieselben, wo es nothwendig erscheint, mit Kleidungsstücken, Wäsche und Fuß- bekleidung zu versehen, die infizirten Häuser selbst niederzu- brennen und sowohl die Gräber der an der Epidemie Ver- storbenen zu desinfiziren, als auch den infizirten Punkt voll- Tommen zu afsainisiren. Nr. 43 vom 24./12. Februar 1879. Zarizyn, 22./10. Februar.

I. Der zur Disposition des Gouverneurs von Astrachan Delegirte Arzt der Odessaer Quarantäne Kollegienrath Woinaklowitsch, welcher vor mehr als Monatsfrist hier eintraf, erkrankte am Tage seiner Ankunft und ist gestern gestorben ; wie die Aerzte versichern, ist der Tod durch Entkräftung ver- ursaht in Folge einer chronischen Nierenentzündung, an welcher Der Verstorbene seit langer Zeit litt und zu der hier noch ein akuter Gelenkrheumatismus hinzukam. Jh sche mi veran- laßt, diefes mitzutheilen, um falschen Gerüchten vorzubeugen.

IT. Fm Astrachanishen Gouvernement in der inneren Bukejewschen Horde und in den übrigen Gegenden des mir anvertrauten Gebietes sind neue Erkrankungs- und Sterbe- fälle an der Epidemie nicht vorgekommen. Flügel-Adjutant Graf Orlow und der Bevollmächtigte des „Rothen Kreuzes“, Herr Pissarew, welhe von mir abgesandt sind, um den infizir- ten Rayon zu inspiziren, berihten aus Wetljanka, daß sie gestern dort eingetroffen und von der Kosakenbevölkerung der Stanize mit Gefang empfangen worden sind. Heute ist der 31. Tag, seit der leßte Sterbefall in Weiljanka in Folge der Epidemie stattfand.

Nr. 44 vom 25./13. Februar 1879. Zar1izyn, 23./11. Februar.

Neue Erkrankungs- und Sterbefälle an der Epidemie sind nit vorgekommen. Meinen telegraphischen Benachrichtigun- gen vom 7. und 9. Februar gemäß ist heute einc aus dem Kammerherrn FJusefowitsh, dem Kreisrichter von Tscherny- «Far, einem Beamten des Finanz-Ministeriums und Aerzten als Mitgliedern bestehende Kommission, in welcher der Flügel- Adjutant Graf Golenischtshew-Kutusow den Vorsitz führt, von hier nah Starizkoje abgegangen, um die Häuser zu taxiren, in denen Erkrankungen an der Epidemie vorgekommen sind, die Eigenthümer zu entschädigen, sie mit Kleidungsstücken, Wäsche und Fußbekleidung zu versorgen, die Häuser zu verbrennen, die Gräber zu desinfiziren, überhaupt den Ort zu assainiren und die Quarantäne aufzuheben, da die durch Art. 1407 des Quarantäne-Reglements vorgesehene 42 tägige Frist abgelaufen ist. Somit ist von den sechs infizirten Punkten in Prischib die Quarantäne shon am 8. Februar aufgehoben, in Stariz- Éoje geschieht dieses gegenwärtig und in Nikolskoje und Udatschnoje steht dasselbe demnächst bevor.

Nr. 45 vom 26./14. Februar 1879. HZarizyn, 24./12. Februar.

Neue Erkrankungs- und Sterbefälle an der Epidemie sind in dem mir anvertrauten Gebiet nicht vorgekommen. Da felbst in Wetljanka im Laufe von 17 Tagen Erkrankungen an der Epidemie nicht stattgefunden haben und Dr. Krassowski mir gestern gleichzeitig berichtete, daß schon eben fo lange dort warmes und feuchtes Wetter herrscht, so glaube ih erflären zu dürfen, daß die gegenwärtige Lage der Sache sich günstig gestaltet. Dessenungeachtet werden jedoch alle Vorsichtsmaß- regeln beharrlich fortgeseßt. Professor Eichwald ist heute hier eingetroffen.

Jm weiteren Verlaufe der gestrigen (12.) Sißung trat der Reichstag in die erste Berathung des Gesezentwurfs ein, ! etreffend die Feststellung des Neichshaushalts-Etats für das Etatsjahr 1879/80, betreffend die Aufnahme einer Anleihe für Zwecte der Verwaltung der Post und Telegraphie, der Marine, des Reichsheeres und zur Dur{chführung der Münzreform, und betreffend die Erwerbung und bauliche Jn- standjeßung eines Grundstücks für das Gesundheits-Amt.

Hierzu beantragte der Abg. Dr. Rickert, eine Anzahl von Kapiteln der Etats, des Reichsheeres, der Marine, der Justiz- verwaltung, der Post- und Telegraphenverwaltung, der Reichsshuld, der Reichs-Fnvalidenfonds, sowie das Anleihe- geseß und das ganze Extraordinarium der Budgetkommission zur Vorberathung zu überweisen. Dagegen den Etat im Uebrigen im Plenum zu berathen.

Außerdem beantragte der Abg. Dr. Nieper die Ver- weisung des Etats der Post- und Telegraphenverwaltung an eine besondere Kommission von 14 Mitgliedern.

Hierauf leitete der Präsident des Reichskanzler-Amtes Staats-Minister Hofmann die Berathung mit folgenden Worten ein:

Meine Herren! Ich bitte um die Erlaubniß, die Berathung mit einigen Bemerkungen einleiten zu dürfen, die zunächst den Zweck baben, festzustellen, wie sih die Lage unseres Haushalts nah 1b- \{luß der leßten Etatsperiode und na den muthmaßlichen Ergeb- nissen der laufenden Etatëp-riode gestalten wird.

Bei der leßten Etatsberathung im hohen Hause hatte ich die Ghre, über die muthmaßlichen Ergebnisse der Finanzperiode 1877/78 einige Mittheilungea zu mahen. Ich war damals auf Grund der Angaben, die vo1 Seiten der verschiedenen Reichsverwaltungen ein- gelangt waren und auf Grund von Schätßungen zu dem Resultat gelangt, daß voraussihtliÞch ein Defizit von etwa 20 Millioven Mark den Abs{luß des Jahres 1877/78 bilden werde. Jn Wirklichkeit hat fih der Abscluß günstiger gestaltet. Es liegt dies hauptsäblich daraa, daß bei der Militärverwaltung die Mehrausgabe nicht so bedeutend war, als man damals vorausseßte, und daß an- dererseits bei den Zöllen und Verbrauchtsteuern durch die größere Einfuhr vou Tabak im Anfang des vorigen Jahres eine höhere Ein- nahme erzielt wurde, als sich voraus}ehen ließ. In Folge dieser Umstände hat d328s Defizit, mit welchem die Finanzperiode 1877/78 abschließt, nicht, wie ih dcmals vermuthete 260 v0) 000, jondern nur 11 000090 Æ betragen. Dasselbe ist, gemäß dem Geste vom vorigen Jahre über die Verwendung der Ersparnisse an den französischen VBerpflegungsgeldern, aus diesen Ecsparuisisea gedeckt worden. Es war deéhalb aus der Finanzperiode 1877/78 fein Defizit in den neuen Etat zu übertragen; es hat im Gegentheil mit Rücksit darauf, daß die Restverwaltung regelmäßig noch Ersparnisse liefert, ein Uebershuß ron 1877/78 im Betrage von 1050000 M in den vorliegenden Etatsertwurf eingestellt werden können.

Was sodann die vorausësichtlihen Ergebnisse des laufenden Etatsjahres betrifft, so möchte ih, ehe ih diejenigen Mittheilungen darüber mache, die mir zu Gebote stehen, zunächst die Reserve wie- derholen, daß es hier nit um fsoelche Zahlen sich handeln kann, die demnächst mit dem wirklichen Abs{chl.ß übereinstimmen. Es wäre nur ein merfwürdiger Zufall, wenn das auf Grund der vorläufigen Anschläge, die bis jeßt gemacht werden fonnten, zu ziehende Ergebs- niß und das demnäâchstige definitive Resultat sich voUiändig deken sollten. Ich möttte also im Voraus bemerken, daß, wenn auch bei meinen heutigen Angaben roiederum eine Differenz eintritt gegenüber den wirklichen Nechnungétabschlufie, dies keineswegs Wunder nehmen

und nicht etwa zu einem Vorwurf gegen die Reichsregierung oder Reibs-Finanzverwaltung gestaltet werden darf, wie das gelegentlich des Abschlusses des vorigen Jahres in der Presse geschehen ift.

Meine Herren! Nacb den bis jeßt vorliegenden Mittheilungen der cinzelnen Reichs8verwaltungen ist anzunehmen, daß bei den Aus- gaben des Reichékanzler-Amts, sowie bei den Ausgaben für den Reichstag und für das Auswärtige Amt eine Ueberschreitung des Etats in ziemlich beträchtlibem Maße stattfinden wird.

Bei dem Reichskanzler-Amt kommt dies im Wesentlichen daher, daß bis jeßt noch auf dem Etat dieses Amtes die Kosten der Rinder- pest stehen, und daß es leider auch im vorigen Jahre nothwendig gewesen ist, sehr bedeutende Summen fürdie Maßregeln gegen die Rinderpeft auf¡uwenden.

Es sind ferher beim Patentamte, das noch in seiner vollen Eut- widckelung begriffen ist, Ueberschreitangen nöthig gewesen, und «s baben auch die verschiedenen Enquetekommissionen, die im vorigen Jahre getagt haben und zum Theil noch tagen, Ausgaben veran- laßt, die nicht vorbergesehen waren. Die Mehrausgzben im Etat des Reichskanzkeramts sich demnach voraussichtlich auf 1242000 M belaufen.

Bei dem Neicbstag ift hauptsächlich in Folge davon, daß im vorigen Jahre 2 Sessionen stattfanden, eine Ueberschreitung voraus- zusehen im Betrage von ungefähr 237 000 Das Auswärtige Amt hat eine Mehrausgabe von 200090 Æ angemeldet.

Diesen Mehrautgaben, die zusammen 1 679000 A betragen, stehen indessen beträchtlibe Minderanägaben bei anderen Verwal- tungs8zweigen gegenüber. Die erste Stelle nimmt hier die Militär- verwaltung ein, welhe auf eine Minderausgabe von ungefähr 4 000000 A. tür das laufende Etatsjahr rechnet. Es hat diete Minderaus8gabe der Militärverwaltung ihren Grund bauptsächlih iu den gesunkenen Preisen der Brotfrüchte und Fourage.

Bei den Zinsen der Reihsschuld wird sich eiue Minderaus8gabe von 1 395 000 M ktecrausstellen, weil es nicht nöthig war, die An- leihe in dem Maße rasch zu begeben, wie es bei der Etataufstellung vorausgeseben war.

Bei dem allgemeinen Pensionsfonds ist eine Minderausgabe von 50 000 4, bei der Eisenbahnverwaltung eine Minderausgabe von 39 000 é zu erwarten, letzteres als Folge davon, daß der Beitrag zur Subvention zur Gotthardbahn fich nicht fo hoch berechnet hat, wie im Gtat angenommen war. Die Minderau3gaben betra en im Ganzen 5 480 000 Æ;z gegenübergestellt der vorhin erwähnten Mchr- ausgabe von 1 679 000 M, verbleiht eine Minaderausgabe von 3 801 009 M.

Bei den Einnahmen sind wiederum Mindererträge zu erwarten, wie das ja nit überraschend ift, da der Druck, der auf den Ge- schäften, auf Hande! und Wardel lastet, immer noch fortdauert.

Bei den Zöllen und Verbrauchsfsteuern ist eine Mindereinnahme in Aussicht zu nehmen von 15 378 000 4 Dieser Rusfall berechnet sid wie folgt: Vom 1. April 1878 bis 1. Februar 1879 hat die Ist-Einnahme an Zöllen und gemeinschaftliben Verbrauchssteuern betragen 195 444230 # Der Etat sieht voraus eine Einnahme von 245 585 830 (4 Es müßten also, um die Etatssumme zu erreiben, in den beiden leßten Monaten des CEtatsjahres, Februar und März, noch eingehen 50141 600 A Nun sind um vorigen Jakr in denselben Monaten Februar und März, troßdem daß damals cine außerordentlich starke Einfubr von Tabak statt- gejunden hat,!eingegangen 34 981 020 „6 Wenn man also annimmt, daß in den Monaten Februar und März dieses Jahres ebenso viel an Zöllea und gemeinsamen Berbrauchsfteuern cingebt, wie im vorigen Jahre, so bleibt ein Ausfall an der Ist-Einnahme von 15 160 580 4A Dazu muß noch hinzu gerechnet werden die entsprehende Verminderung d-r Aversen mit 218190 A4, so daß die ron mir {on vorhin erwähnte Summs* von rund 15 378 000 46 erscbeint.

Bei der Wechselstempelsteuer muß nach dem Ergebniß, wie es bis jeßt vorliegt, auf eine Mindereinnahme gegenüber dem Etat von ungefähr 580 000 M gerechnet werden.

Der Ueberschuß der Post- und Telegraphenzterwaltung wird nah dem Anschlage te® Herrn GénerälèPostmeisters vorauSsichtlih dem Etat gegenüber zurüäckbleiben unt etwa 1 290 000

Bei der Eisenbahnverwaltung wird dec Uebershuß dem Etat gegenüber voraussihtlich 500 C00 F. weniger betragen.

Meine Herren, es ift gegenüber diesen muthmaßliben Mindcr- erträgen der eigenen Einnahmen des Reichs von Interesse, einen Blick auf den bisherigen Entwicklungsgang einiger dieser Ein- nahmen zu werfen. Es fragt sih, ob etwa außerordentlich ungünstige vorübergehende Umstände das Zurückbleiben der Einnahmen bewirkea, oder ob man annehmen muß, daß die Einnahmen, wie fie bis jeyt in diesem Etatäjahre sich gestaltet haben, den normalen Er- träzen der Zölle und Verbrauchssteuern nach der jeßigen Zoll- und Steuergesetgebung entsprehen. Es ist diese Frage deshalb von gro- ßem Interesse, weil davon die Entscheidung der weiteren Frage ab- hängt, ob es, um die Matrikularbeiträge zu vermindern, nothwendig ist und ia welchem Maße es nothwendig 1ft, die Zoll- und Steuer- gesetgebung einträglicher zu machen. :

Ich habe eine Uebersicht anfertigen lassen über die Erträge, die für den Kopf der Bevölkerung aus den Zellen und den gemeinsamen Verbrauchssteucrn eingegangen sind in den verschiedenen Etatsjahren seit 1869, Es ergiebt sich daraus folgendes Resultat.

Im Jayre 1869 ertrugen die Zölle und gemeinsamen Verbrauch8- steuern für den Kopf der Bevölkerunq 5,25 #; sie stieaen in den

werden

- folgenden Etatsperioden bis auf 7,25 #4 im Jahre 1873 das

war der Kulminationspunkt —, sie sanken dann wiederum und be- trugen im Kalenderjahre 1878 ich stelle hier das Kalenderjahr dem früheren Etatsjahr gegenüber 6,59 4. pro Kovf dec Be- O ungefähr so viel, wie sie im Jahre 1872 betragen atten. Bei der Wechselstempelsteuer ergiebt sich folgendes Verbältniß. Im Jahre 1870 das war das erste Jahr, in welhem die Wechsel- stempelsteuer zur Erhebung kam war der Ertrag der Steuer auf den Kopf der Bevölkerung 15 , er ftieg in den folgenden Jahren bis zu 19 4 im Jahre 1873 und fiel wiederum auf 14 Z im Kalenderjahre 1878. Es ergiebt sich also bei diesen beiden Ein- nahmequellen cine Steigerung bis zum Jahre 1873 und dann wieder ein Sinken. -

Eine andere Bewegung zeigt die Bruttocinnahme am Brief porto. Es ist interessant, wie der Verkehr auf das Brief- porto anders einwirkt als auf die Zölle und die Wechsel- stempelsteuer. Wir sehe: bei der Einnahme an Porto von dem Jahre 1869 an, wo der Ertrag für den Kopf der Be- völkerung 1,63 4. betrug, ein ftetiges Zunehmen bis in die neueste Zeit; es ift also hier das Jahr 1873 nicht ein Kulminationspunkt, londern es reiht si nur ein in das allmähliche Wachsen des Portos; vou dem Ertrage von 1,63 4 im Jahre 1869 stieg der Ertrag auf 2,69 Æ im Kalendecjahre 1878.

Meine Herren! Wenn ih nunmehr wiederum zurückehre zu dem muthmaßlihen Ergebniß der jetzigen Finanzperiode, so habe ich bereits die vorauêsihtlihen Mindereinnahmen an Zöllen und Verbrauchssteuern, an Wechselstempelsteuern u. |. w. mitgetheilt. Diefe Mindereinnahmen betragen zusammen 17 745 000 4 Dem gegenüber stehen Mehr- beträge bei dem Abschnitt der verschiedenen BWerwaltungseinnahmen von 500 000 Æ und an Ueberschüfsen aus früheren Jahren 2033 651 46. Dieser Posten erläutert sih dadurch, daß der Uebersbuß des Jahres 1876/77, der in die Finanzyeriode 1878/79 übertragen ist, sich hauptsählich in Folge von Ersparnisscn bei der Mestverwaltung nit, wie wvorhergesehen war, auf 34 664 M. berechnet, sondern auf 2068315 4. Außerdem ift bei den Zinfen von belegten Reich8geldern eine Mehreinnahme von 767 000 M. zu erwarten. Es ergiebt sich also eine Mehreinnahme gegen den Etat von 3 300651 4 Wird diese gegenübergestellt der vorhin von mir bezeihzeten Mindereinnahme von 17 748 000 4, fo bleibt eine Mindereinnahme von 14 447 349 Æ, und wenn man hiervon die frübec erwähnte Minderausgabe von 3 801 000 M ab- zieht, so ergiebt #sich als vorauésihtliher Abschluß des laufenden Finanzjahres - ein Defizit von rund 10600000 A Es würde mithin die Summe der Matrikularbeiträge, die

in dem jeßigen Etat mit rund 87 000000 4 eingestellt is, um un- gefähr 10 000 000 Æ zu niedrig berechnet sein; es würde sich bet rihtiger Veranschlagung eine Summe von 97 000 000 .# an Matri- kularbeiträgen ergeben haben, und das stimmt nahezu mit dem jeßt vorliegenden Etatsentwurf überein, in weihem di: Summe der Matrikularbeiträge mit rund 101 000000 Æ verans{lagt ist.

Ich kann mich nun zu dem vorliegenden Etat wenden und werde mi da schr kurz fassen; will das hohe Haus nicht mit der Aufzählung von Ziffern ermüden, die in dem Gtat selbst ent- halten sind.

Die Abweichungen des vorliegenden Etats von dem gegenwärtig bestehenden find nicht bedeutend, sie sind alle entweder bei den ein- zelnen Positionen des Hauptetats und des Spezialetats oder in der dem Entwurf des Hauptetats beigegebenen Denkschrift erläutert; es wird daher genügen, wenn ih auf diese Erläuterungen Bezug nehme. Das Resultat der Abweichungen des, vorliegenden Etatéentwurfs gegen den be'tebenden Etat drückt sich aus in der von mir eben {hon erwähnten Erhöhung der Matrikularbeiträge um ungefähr 14 Mil- lionen Mark; gegen die jetzige Summe der Matrikularbeiträge von rund 87 000 090 Æ ist eine Summe eingestellt von rund 101 009000

Meine Herren! Wenn die verbündeten Regierungen ge-

nôthiat waren, auch diesmal wieder eine bedeutende Summe von Matrikularbeiträgen in den Etat einzusielen ich füge bei, daß nur im Jahre 1873, wenn ich nicht irre, die Summe der Matrikulor- beiträge eine höhere gewesen ist; es standen damals 103 000 000 M im Etat, während in allen übrigen Etats die Matrikularbeiträge mit geringeren Summen, als die jeßt in dem Etat vorgesehene, eingestellt waren, ich sage: wenn die verbündeten Regierungen sich nibt în der Lage befanden, jeßt {on und gleichzeitig mit dem Etat Vorlagen an das hohe Haus zu bringen, die den Zweck haben, die Matrikularbeiträge zu vermindern oder gani zu beseitigen, fo Haben die verbündeten Regierungen doch eineêwegs die Absicht aufgegeben, derartige Vorlagen noch während der jeßigen Session des Reichstags einzubringen, und sie hoffen, daß es diesmal gelingen wird, eine Verständigung berbeizuführen, durch welche das Ziel er! eiht wird, das {hon seit Jahren sowohl den verbündeten Regierungen als dem hohen Hause vorschwebt.

Ueber die Frage, wie die Finanzreform im Reich und in den einzelnen Staaten denn das bängt ja ganz eng zusammen zu gestalten sei und wie man dem Reichstage den vom ihm selbst bei der vorigen Etatberathung verlangten umfassenden Steuerreformplan vorlegen könnte, über diese Frage, meine Herren, hat ¡wischen den verbündeten Regierungen, wie Jhnen uicht unbekannt, eine Verstän- digung im vorigen Jahre stattgefunden. Auf Veranlassung des Herrn Reichskanzlers sind die Finanz-Minister der verschiedenen deutschen Staaten zu einer vertraulihen Besyrehung in Heidelberg zusammengetreten, einer Besprehung, deren Zweck es baurtsächlich war, festzustellen, wie sich in den einzelnen Staaten das finanzielle Vedärfniß stellt, das heißt, welche Summe die cinzelnenStaaten von dem Reich erwarten müssen, wenn sie kei sich selbst diejenigen Reformen in Bezug auf das Steuerwesen einführen wollen, die sie für nothwendig erachten. Meine Herren! Es hat sich bei dieser Besprechung ergeben, daß in allen deutschen Staaten die Ne-

gierungen steigenden Ausgaben, steigenden Bedürfnissen gegenübec-

stehen; es hat sich weiter ergeben, da solche steigende Bedürfnisse Seitens der Finanzverwaltung der einzelnen Staaten im Wesent- lichen nur durch Vermehrung der direkten Steuern gedeckt werden Föónnen und da die direkten Steuern fast au3nahmslos in Deutsch- land bereits eine Höhe erreicht haben, die es nicht wohl thunlich er- scheinen läßt, sie noch erheblich zu steigern, ih sage, es ergab fich daraus fast in allen deutschen Staaten das dringende Bcdürfniß nach einer beträchtlihen Vermehrung der eigenen Cinnahmén des Reichs. Es war darüber keine Meinungsverschiedenheit vorhanden, daß das System der indirekten Besteuerung, welches ja vom Reich in seinen wesentlichen Theilen beberrst wird, auszubilden sei zu dem doppelten Zweck: einmal, das Neih in seiner Finanz- gebahrung auf eigene Füße zu stellen, und andererseits "den einzelnen Staaten die Mittel zu gewähren, um diejenigen Reformen in Bezug auf die direkten Staatêsteuern und die Gemeindesteuern durchzu- führen, die sie für sich als ein dringendes Bedürfniß erachten.

Meine Herren! Man hat sih au weiter über die Mittel ver- ständigt, die zu diesem Zweck hu ergreifen, und über die Vorschläge, die dem Reichstage zu machen seien. Es sind auf Grund jener Ver- ständigung inzwischen Gesetz-ntwürfe ausgearbeitet worden, allein sie sind ncch nicht so weit gedichen, daß sie bereits dem Reichstage hätten vorgelegt werden können,

Ich halte es unter diesen Umständen nicht für angezeigt, daß ih über den Inhalt dieser Vorlagen nähere Mittheilungen mache; es würde das ja nur dazu führen, daß sich Debatten enspinnen über Fragen, die jeßt noch nit in Gestalt konkreter Vorlagen an das Haus heraugetreten sind. Jch kann nur mit dem wiederholten Wuns ließen, daß es ncch in dieser Session gelingen wird, auf Grund der Vorlagen, die die Regierungen machen werden, eine Verständi- gung zu erzielen, welche den Betrag der Matrikularbeiträge, wie er etzt im Etatsentwurf sich darstellt, nur als fingirct erscheinen läßt.

Der Abg. von Benda erklärte, der preußische Landtag habe in den ‘\{chweren Arbeiten der leßten Wochen die Ueber- zeugung gewonnen, daß man in Preußen ein Defizit habe, das in neuester Zeit auf 30 bis 40 Millionen Mark berechnet worden, und das kein {nell vorübergehendes sei. Zu seiner Deckung habe man kein anderes Mittel, als eine Anleihe ge- funden. Die Steuerreform im Reiche habe daher nicht blos den Zweck, das Reih auf selbständige Einnahmen zu stellen, sondern auch die finanzielle Lage der einzelnen Staaten 4U ordnen. Denn wie in. Preußen stehs es mehLe oder weniger au in den anderen deutshen Staaten. Man habe im preußischen Landtage die Ausführbarkeit der Steuer- erhöhung, die man auf 150 bis 200 Millionen geschäßt habe, be- zweifelt, die Verschiebung des Verhältnisses der direkten und indirekten Steuern als ungerecht bezeichnet und mit Recht den Werth der direkten Steuern für die Finanzverwaltung hervorgehoben. Die heutigen Mittheilungen des Reichs- kanzler-Amts-Präsidenten erregten einige Bedenken gegen das Programm der Regierung. Man verlange die Er- leichterung der Steuerlast durch die Kommunen. Dies würde die an sich {were Aufgabe für das Reih um 50 bis 60 Millionen ershweren. Die Mehrheit des Abgeordneten- hauses sei darin einig gewesen, daß die Abhülfe gegen den jeßigen Nothstand nur dur indirekte Reichs- steuern zu erreichen sei. Seine Partei sei dieser Ansicht schon früher gewesen, und der Reichskanzler behaupte mit Unrecht, feine (des Redners) Partei sei seinen Finanzzoll- projekten unfreundlich entgegengetreten. Fm Februar v. J. habe der Abg. Lasker in Uebereinstimmung mit dem Abg, von Vennig- sen erklärt, daß die Mehrheit des Reichstages das Reich in jeinen Einnahmen selbständig machen wolle und daß der Tabak ein sehr besteuerbares Objekt sei. Seine Partei knüpfte da- mals an die Bewilligung der Sieuern nur zwei Bedingungen, die jet im Wesentlichen erfüllt seien; das Tabaksmonopol set offiziell aufgegeben, die Frage der konstitutionellen Garantien ihrer Lösung sehr nahe gerückt. Die Kommission werde daher die Vorlagen rein sahlich prüfen können; ob das, was seine Partei wünsche , erreiht werde, würden die Verhand- lungen ergeben; aber man sei dem Ziele seit Fe- bruar vorigen Jahres mit Hülfe der preußishen Re- gierung viel näher gekommen. Es scheine ihm aber nicht richtig, die Finanzfsrage mit der wirthschaftlichen Frage zu verbinden. Leßtere müsse sahlih und ernst, und deshalb

nicht unter dem Drucke einer anderen Frage gelöst werden.

Die Rede des Reichskanzle=-Ants-Präsidenten lasse ihn hoffen, daß die Regierung vielleïŒDt noch beide Gebiete trennen, die finanziellen Vorlagen zurrädlst mit den Matrikularbeiträgen verbinden, die Zolltariffra@gge aber besonders ordnen werde. Vor Allem aber müsse man træ sa{hlichen und persönlihen Aus- aben den natürlihen VerHältnissen Deutschlands gemäß sparen.

er vorgelegte Etat bewetFe, wie \hnell sich die finanzielle Entwickelung neu geschaffe mer Reichsbehörden vollziehe. Bei den Bauten komme es miamentlich auch auf das Tempo des Bauens an. Durch Œexlangsamung derselben \spare man Bauzinsen und Unterhaltux x1gskosten. Der wesentlihste Theil der preußishen Anleihen von 70 und 60 Millionen betreffe Baukosten. Das mache S Nillionen Zinsen und cinige Millionen UnterhaltungSbe träge und stehe niht im Verhält- niß zur natürlihen Verxtmchrung der Einnahmen. Bisher habe das Haus dur usßzehrung von Ersparnissen und Hinausschiebung von Au Sezaben formelle Ersparnisse in Er- wartung der Einnahmeverxrzrehrung gemaht. Habe das Haus diese Einnahmevermehrung durch die Steuern definitiv ge- schaffen, so müsse es mater{telle Ersparnisse machen.

Der Abg. Frhr. von WNinnigerocde erklärte, daß die im Etat neu aufgeführten AuSgaben für die Abwehr der Ninder- pest und für das Patentarrtt siherlih dem Lande zu großem Segen gereichen würden. Vas den Militär-Etat anlange, so sei die Hälfte der Au8gaberx, nämli für Brod und Fourage, nach den Preisen vom OktDber v. J. bercchnet, und er möchte davor warnen, nicht sich DeLr Hoffnung hinzugeben, hier etwa noch Abstreihungen zu erzielen. Jm Marine-Etat hoffe er dagegen entschieden für das nächste ahr auf eine größere Ersparniß. Beim Reichsgericht dürfe mckœæmn wohl keine Aenderung erwarten. Unter dem Drange der Um#t ände sei seine Partei auch bei Sachen, die derselben an und für Fqh {hr sympathish seien, immer

möglichst bemüht zu sparerr,„ und man erwarte von der Budget-

Tommission, daß sie eingeherxde Prüfung eintreten lassen werde. So {wer seiner Partei «zu ein solcher Entshluß würde, werde man doch bei den Bauten der Militärverwaltung, und besonders bei den 6 Millio ræen, welche die Telegraphenverwal- tung fordere, erwägen müfF en, ob die gewünshten Summen niht in Anbetracht der Fehr bedrängten Finanzlage ab- zuseßen seien. Die Kaiferlihe Regierung sei sicherlih bemüht, den Schwierig Eeiten möglichst Rehnung zu tragen, aber immerhin seien die einmaligen Aus- gaben um 4 700 000 46, die dauernden um 7 700000 gestiegen. Was nun aber die Einnahmen anlange, so sei allein bei den Zöllen und Szerbrauchssteuern ein Minus von beinahe drei Millionen geggen das Vorjahr, ja gegen den Durchschnitt um 4 Millionen zu konstatiren. Dieselben Er- scheinungen, welche die Folge dr allgemeinen wirthschaftlichen Verhältnisse seien, zeigten ft H au bei der Reichs-Postverwal- tung, wo die Einnahmen =veit hinter denen des Vorjahres zurückblieben; es seien fre lih troßdem über 1 Million an Ueberschüssen eingestelt, wo Bei man allerdings 1 800 000 M berücfsichtigen müsse, welhe Der Einnahme als ersparte Zinsen zu Gute gekommen seien. Su moniren scheine ihm, daß die Zinsen der zur Ausführung der Münzreform gemachten Anleibe aus der Anleihe F elbst gedeck werden sollten. Was die geschäftlihe Behandlung anlange, so wolle ex und seine politischen Freunde fich nit ablehnend verhalten gegenüber den Vorschlägen des Abg. ITidert, sondern dieselben in ge- meinschastliher Arbeit in Er wägung ziehen. Dem Sanguinis- mus der leßten Jahre, den Feine Partei schon immer bekämpft habe, fei durch die Thatsaze 71 ein {lehtes Zeugniß ausgestellt, Chancen desselben erschienerT für die Zukunft keineswegs als ünstige. Die Finanzirung der [eßen Jahre habe aber nur ormelle Resultate erzielen 2xnd die wahre Sachlage verhüllen können. Die Reichsregieruxxg habe auch seit Jahren ihre ernsten Bedenken gegen jene Art der Finanzirung keineswegs zurückgehalten. Mit RücksiŒt auf die Situation im Reiche, den Einzelstaaten und den S5 emeinden gegenüber erstrebten er und seine Freunde eine enexgishe Vermehrung der eigenen Einnahmen des Neis, eirte Erhöhung der Tabakssteuer event. auch das Tabak3mo ræopol, ferner eine Börsensteuer, fowie die stärkere Besteuerurr gg ¿es Kaffees, Thees und eine Petroleumsteuer. Er wünsŒe lebhaft, daß das Haus in gemeinschaftliher Kooperatiorx sih bemühen werde, aus der unangenehmen finanziellen ituation herauszukommen; es werde dann hoffentlih auch Der Erfolg nicht fehlen.

Hierauf erwiderte der Direktor im Reichskanzler-Amte Dr. Michaelis, er müsse einex harten Vorwurf des Abg. von

‘Minnigerode entgegentreten, D anit derselbe nicht unwiderlegt in

die Presse übergehe. Zinsen der früheren Anleihen Für die Münzreform aus der Zur Deckung der Ausgaben des Vorliegenden Etats aufzunehmen- den Anleihe bestritten werderr sollten. Dieser Vorwurf beruhe auf einem Jrrthum; es han Dele sich niht um die Zinsen der fundirten Anleihen, sonderrT nur um die Zinsen sür die Ene, dic ausg egeben seien, um vorübergehend

Der W hOrrédner habe behauptet, daß die

| ‘eine Verstärkung der BetriebSfonds der Reichshauptka}se her-

Bei die im Jnteresse Der Münzreform nothwendig sei. Ursprünglich seien diese Koften auf die Matrikularbeiträge angewiesen worden, aber marT habe aus der Mitte des Reichs- tages selbst Anträge gestellt, Diese Ausgaben auf die Anleihe zu übertragen, weil sie mit z2x den direkten Kosten der Münz- reform, ebenso wie die AuSaaben für Transporte und Ver-

luste, gehörten.

Der Abg. Nichter (Hœægen) führte aus, die Dar- stellung des Herrn Präfideziten des Neichskanzler - Amts ergebe, daß das Neih derr shwersten Uebergang über- standen habe, denn derselbe Habe heute nur halb so s{hwarz gesehen, als vor cinem Jahre- Während er noch im vorigen Jahre 22 Millionen Defizit vDrausgesagt, seien es heute nur noch 11, und die MatrikularbLeiträge, deren Erhöhung für das laufende Etatsjahr um 141/, V2 iLtionen beabsichtigt werde, würden sich hoffentlih auf der alten ÿöhe erhalten lassen. Die einanzpolitik des Hauses denr Etat gegenüber habe sich soweit vollständig bewährt. Dem Wolke seien weniger Lasten auf- erlegt und das Defizit sei geringer geworden. Das sei doch ein Erfolg der Finanzpolitik Des Hauses, die Hr. von Minni- erode nicht bestreiten könne- Jm Marine-Etat würden \ih

rsparnisse erzielen lassen. Wtedner wendet sich sodann Zu dem Militäretat und glaubt, Daß auc in diesem Etat, nament- lih bei den Naturalien, Ersp cærnise gemacht werden können. Was den Post- und Telegrap E enectat anlange, so könne man auf dem Wege des kostspielige 7x Vaues unterirdischer Leitungen vorläufig niht fortfahrcn, Denn die Ausgaben dafür seien ganz enorme. Was den Per fions- und Jnvalidenfonds an- lange, so habe sih auch hier De Voraussicht des Hauses als richtig erwiesen. Troß der ESr-wvoeiterung seiner Ausgaben sei

noch ein bedeutender Uebersch2z §3 erzielt worden, \o daß das

Haus sich nunmehr ernsthaft Die Frage vorlegen sollte, ob es

niht an der Zeit sei, die Verwendungszwecke des Jnvaliden- fonds zu erweitern und dadurch den Etat zu entlasten. Bei einer eventuellen Steuerreform müsse man vor Allem darauf bedackt sein, sichere Einnahmen aus dem Spiritus und dem Zucker durch Umwandlung der Steuer in eine Fahrikatsteuer zu erziclen. Wenn die Verhält- nisse wieder normal würden stehe eine sihere Ver- mehrung der Einnahmen aus Söllen und Verbrauchssteuern mit 10 Proz. sicher zu erwarten, mithin cine Mehreinnahnme von 25 Millionen. Den Tabakssteuerprojekten, ebenso der Besteuerung des Petroleums gegenüber werde si seine Partei entschieden ablehnend verhalten. Man bekämpfe die Ma- trikularbeiträge und erstrebe Ueberschüsse, welche das Reich an die Einzelstaaten zu liefern habe, und do hätten gerade die Ueberschüsse für die Finanzwirthschast der Einzelstaaten that- fäthlih noch größere Bedenken, als jeßt die Zuschüsse. Jm Ganzen sei das bestehende Steuersystem das richtige ; seine Partei werde sih jedem Versuche einer Reform, welche die Mehrbelastung der Besitlosen und die Entlastung der Besißenden zum Ziel- punkte habe, mit Bestimmtheit widerseßen. Redner beleuchtete sodann die Wirkungen, welche die Einsührung von Getreide- zöllen haben würde und berechnete, daß 70 Millionen Mark Mehreinnahmen für das Reich durch eine Vertheuerung von 700 Millionen erkauft werden würden. Der Armee würde 3. B. der Hafer mehr vertheuert werden , als der Haferzoll einbringen würde. Aehnlihes würde beim Schienenzoll stattfinden. Den Schaden würden die tragen, die nichts Schußzollfähiges produzirten , Beamte , Gelehrte, Künstler X., Und wenn der Landmann für sein Getreide etwas mehr bekomme, so müsse er gleichzeitig die anderen Bedürf- nisse theurer bezahlen. Produzenten und Konsumenten würden gleihmäßig durch solche Handelspolitik geschädigt. Es scheine, als ob der Neichskanzler von der Schädlichkeit seiner Wirthschaftspolitik nicht überzeugt sei; er scheine der- felben nur überhaupt eine sefundäre Rolle zuzuweisen, wäh- rend die Wirthschaftspolitik doch in den Rahmen der Gesammt- politik gehöre. Er sei der Meinung, daß der Reichskanzler dur die Benußung der Jnteressen-Parteien sich die Majorität im Reichstage verschaffen wolle. Werde Alles auf die persön- liche Autorität gestellt, wozu dann überhaupt einen Reichstag ?

Als hierbci der Redner durch den Ruf: zur Sache unterbrochen wurde, erklärte der Präsident von Forcken- bed, nur die leßten Säße des Redners hingen mit dem Etat niht mehr unmittelbar zusammen. Aber er müsse anerkennen, daß es einem alten Herkommen des Hauses ent- spreche bei der Bewilligung des Etats die gesammte Politik des Reichskanzlers, als der dafür verantwortlichen Person, zum Gegenstand der Diskussion zu machen.

Hierauf fuhr der Abg. Richter fort: Würde statt der parlamentarischen Einrichtungen bei einer Diktatur auf Lebens- zeit des Kanzlers Alles auf dessen alleinige Verantwortlichkeit gestellt, so würden sih die Verhältnisse klarer stellen, als jeßt. Aber fei das deutsche Volk wirklich geneigt, deshalb, weii der Reichskanzler so Großes geleistet habe, Alles unter seine Autorität zu stellen? Mit nichten, er bedürfe der Kritik selbständiger Männer, um ihn vor falshen Schritten zu bewahren. Sei leßteres die Ansicht des deutschen Volkes, dann sei das Haus verpflichtet, seiner, neuen Wirthschaftspolitik rücksictslos die- jenige Opposition entgegenzustellen, zu der seine Partei sich nah Pflicht und Gewissen gedrungen fühlen müsse.

Der Abg. von Kardorff bemerkte zur Geschäftsordnung, er gebe zwar zu, daß immer bei der Etatsberathung allge- mein wirthschaftlihe und politische Erwägungen in die Debatte gezogen seten, indeß habe wohl vorher noch niemals Jemand einen so ausgedehnten Gebrauch von diesem Recht der Mit- glieder des Hauses gemacht, wie der Abg. Nichter, und be- halte er sich vor, in späterem Falle dieses Recht in dem heute gewährten Umfange auch sih zu vindiziren.

Der Abg. Windthorst (Meppen) fühlte sich verpflichtet, die Praxis des Präsidenten als würdevoll und korrekt anzuer- kennen, die keine Kritik verdient hätte.

Der Präsident Dr. von Forckenbeck konstatirte, daß er den Abg. Nichter, als er von dem Thema abwichen sei, darauf auf- merksam gemacht habe, daß er sich nicht bei der Sache befinde ; im Uebrigen gewähre er innerhalb des Rahmens der Etats- berathungen allen Rednern die gleiche Nedefreiheit.

Nachdem hierauf noch die Abgg. von Kardorff und Lasker kurze Bemerkungen zur Geschäftsordnung gemacht hatten, führte der Abg. Dr. Lucius zur Sache aus, er müsse für sich und seine Partei dieselbe Reit der Gesinnung in Anspruch nehmen, wie der Abg. Richter, von dem r sich nur darin unterscheide, daß er mit weniger Mißtrauen den bisher noh gar nicht bekannten Vorlagen der Reichsregierung entgegensehe. Der Abg. Richter glaube in Hinblick auf den vorliegenden Etat, daß die kritishe Periode der Etatsauf- stellungen nun zu Ende sei. Er (Redner) zweifle aber, ob dieser verhältnißmäßig günstige Zustand ein dauernder sein werde, er glaube vielmehr, daß man zum Zwecke der dauernden Konso- lidirungder Finanzverhältnisse einer Finanzresorm bedürfe. Seine Partei habe ja stets die Matrikularbeiträge als einen Nothbehelf bezeichnet, der nur dauern sollte, bis das Reich finanziell auf eigene Füße gestellt sei. Der Abg. Richter habe behauptet, daß durh seine Politik die Matrikularbeiiräge seit einigen Jahren um 481/, Millionen herabgeseßt seien. Das seten zwar jährliche Abstriche, aber sie repräsentirten keine eigent- lihen Ersparni)se, denn diese müßten sih zeigen in der Ver- minderung der Ausgaben, welche nur in den leßten drei «Fahren in Rer Maße stattgefunden haben. Hätte das Haus wirklih in dem einen Jahre zu viel an Matrikular- beiträgen bewilligt, so wäre der Ueberschuß dem Etat des nächsten «Jahres zu Gute gekommen. Er wundere sih, daß der Abg. Richter gerade die Gegenstände des landwirtschaft lichen Gewerbes, die Nüben- und Spiritussteuer, als erste Objekte einer Steuer- reform empfehle. Abgesehen von den außerordentlichen praktischen Schwierigkeiten, die sih hierbei darböten, follte man si hüten, diese Jndustriezweige, welche allein noch nicht allzusehr von der allgemeinen Kalamität litten und auf welchen die wirthschast- lihe Existenz ganzer Provinzen, namentlich Ostpreußens be- ruhe, unvorsihtig durch eine Steuerreform zu stören. Er protestire lebhaft dagegen, daß diese Jndustrien die ersten Objekte einer Steuerreform fein sollten, sie müßten vielmehr die leßten sein. Der Abg. Richter habe behauptet, daß dur indirekte Steuern nur die Besißlosen belastet würden. Er er- kenne es gerade für einen Vortheil dieses Steuersystems, daß es durch dasselbe möglih werde, für den Staat Beiträge von jenen Theilen der Bevölkerung zu erzielen, welche der direkten Steuer niczt zugänglich seien. Er sei auch nicht der Meinung, daß sofort nah der Durchführung eines Theils der Steuerreform eine erhebliche Verminderung der direkten Steuern möglich sein werde, aber es sei schon genug, wenn dadurch einer Erhöhung

dieser Steuern vorgebeugt werde. Was den vorliegenden Etat beträfe, so zeige er im Ordinarium verschiedene Mehrausgaben in den Civildienstzweigen. Das Haus werde aber in Ver- legenheit sein, wo es Abstrihe machen solle. Einer einnehen- den Prüfung werde das Extraordinarium des Marine-Etats bedürfen, wo Summen für neue Panzerschiffe gefordert wür- den. Der Werth derselben sei auch im Gefecht schr zweifel- haft, denn bei der neulichen Kollision wären beide Schiffe fast ganz gleich beschädigt. Da Deutschland keine kriegführende See- macht sei und sein könne, so könne man anderen Mächten diese kostspieligen Experimente übcrlassen. Ohne einen An- griff gegen die augerbliŒlihe Marineverwaltung damit zu be- absihtigen, wünsche er eine Revision des Flottengründungs- plans in dieser Beziehung. Er begrüße mit Freuden die Ge- haltsaufbesserung der Militär-Aerzte, deren ÄAvancementsver- hältnisse so ungünstige seien. Jm Hinblick auf die gesammte Finanzlage müsse er sagen, das Deutsche Reih könne nicht von der Hand in den Mund leben. Er besorge niht, wie der Abg. Nichter, daß durch etwaige Uebershüsse im Reiche die Selbständigkeit der Mittelstaaten beeinträhtigt würde, man könne mit Mehreinnahmen, die ohne eine drückende Mehrbelastung möglih seien, noch viele dringende Kultur- aufgaden erfüllen und die Festigkeit des Reichs stärken. Des- halb mögen die Regierungen bald mit ihren Reformplänen hervortreten, seine Partei werde daran gehen mit dem festen Entschluß, positive Resultate zu erzielen. Mit der vorges\chla- genen geschäftlihen Behandlung der Vorlagen sei er ein- verstanden.

L Hierauf ergriff der Direktor im Reichskanzler-Amte Dr. Michaelis das Wort:

Meine Herren! Von sämmtlichen Herren Rednern, welche den Etat besprochen haben, ift davon ausgegangen worden, daß bei der gegenwärtigen Finanzlage in der Vorlage die Ausgaben darauf genau zu prüfen seien, ob sie nothwendige, niht aufschiebbare lelen, und ob niht der Zweck s\ich mit geringeren Mitteln erreichen lasse. Ich kann hier konstatiren, daß kei Vorbereitung des Etats dieser Gesichtepunkt vorgewaltet hat, daß alle und namentlich die außerordentlicen Auëgaben daraufhin geprüft worden sind, ob sie nidt mit Rücksicht auf die Finanzlage sich eins{hränken, ob sie ih nicht aufscieben ließen, und wenn der Herr Abgeordnete für Hagen in dem Etat ein Sympton dafür erblitt hat, daß wir in unserer _ finanziellen Entwickeluna über ten Berg hinweg seien, so mögen vielleiht die Ergebnisse dieser lei den Vor- bereitungen zum Etat befolgten Grundsäte die hauptsächliche Ver- anlassung dazu bilden.

_ Wenn ich auf den Militär-Etat eingehe, so {ließt er formell höher ab, materiell aber sind die Ausgaben in wesentlich mäßigerem Bctrage angeseßt worden.

Das Weniger bei den Ausgaben beträgt unt-r Mitrebnung des bayerischen Ave:sums im Ganzen 2 209000 4 und zwar fallen von diesem Weniger auf die einmaligen Ausgaben des ordentlidben Etats 1 300 000 A Im Ordinarium konnten allerdings die Mittel des Berpflegungsfonds in Folge des Herabgehens der Getreidepreise wesentlich niedriger angeseßt werden. Das Minus bei diesem Ansatze für alle Etats summirt sih auf 2800 000 4; es nmürde noch größer ausgefallen sein, wenn nit eine Mehrausgabe für Verpflegung ven Remonten mit ca. 200 000 M. eingetreten wäre, und wenn nicht zweitens für sämmtliche Etats im Verpflegungsfond eine Mehr- ausgabe vo1 im Ganzen ca. 150000 4. für den Schalttag veran» {lagt wäre. Es ift im übrigen beim Minus des Militär-Etats, im Ganzen von etwas über 2 Millionen Mark, nicht aus dem Auge zu lassen, daß der Etat in Folge des Servitgesetzes vom vorigen Fahre Viehrausgaben ungefähr zum gleichen Betrage bat übernehmen müssen, Mehrausgaben, welche zum bei weitem größten Theile an verpflich- tete Gemeinden und Einzelne zur Auszahlung gelangen, welche also, während sie alfo auf der einen Seite den Steucrzahler belasten, auf der anderen Seite den Steuerzahler entlasten. Der Betrag diejer Mehrausgaben berechnet sih im Ganzen auf 2213 000 A4

Was nun die Bemängelungen der Bauausgaben und Ertrzordinarien angeht, so wvirdes Sache der speziellen Berathung und Prüfung in der Bud- ge!kommission sein, auf die einzelnen Ausgaben, auf ihre Begründungen, auf die Möglichkeit ihrer Einschränkung näher einzugehen. Sie wer- den mir erlauben, in diesem Stadium der Berathung des Staats- haushalts-Etats die Einzelnheiten hier niht näher zu behandeln.

Dcr Herr Abgeordnete für Hagen hat nun in Aussicht genom- men, den Etat fo zu verändern, daß die Matrikularbeiträge auf die Höhe der vorjährigen herabgeseßt werden, und er hat, abgesehen von der Prüfung der Ausgaben auf ihre Unerläßlichkeit und Unaufschiebbarkeit, Manipulationen in Aussicht genommen, welche an die Praxis, die dem Etat gegenüber in den leßten Jahren angewendet wurde, erinnert. Er hat zunächst ins Auge gefaßt eine Ermäßigung der Mittel der Vexpflegungsfonds im Militäretar. Meine Herren! Jch erinnere Sie daran, daß in den früheren Jahren die Veranschlagung der für die Verpflegung der Armee er- forderlichen Mittel erfolgte auf Grund eines 10jährigen Durchschnitts, mit Weglafsung des theuersten und wohlfeilsten Jahres. Es war dies eine Praxis, die sich vollständig rechtfertigte und bewährte zu ciner Zeit, wo der Etat festgestelt wurde, ungefähr ein Jahr ver Beginn des Etatsjahres. In neuerer Zeir in Folge der Verlegung des Ctatsjahres fällt die Berathung des Etats in das Quartal, welches dem Beginn des neuen Etattjahres unmittelbar vor- ausgeht, und in Folge dessen ist zwischen der Militärverwaltunz und der Finanzverwaltung eine andere prinzipicle Grundlage dieicr Abschäßung vereinbart worden, dahin gehend, daß für die ein: Hälfte des zu beschaffenden Getreides und der fonstigen Berpflegungsmittel die Preise in Ansaß kommen, welche augenblidlih bezahlt werden, für die andere Hälfte die nah der bisherigen Praxis be- rechneten Preise des 10jährigen Durchschnitts, die leßteren, weil man im Herbste des laufenden Jahres durchaus nicht in der Lage ist, die Ernteverhältnisse und die Preise des nächsten Herbstes, der für die zweite Hälfte des Etatsjahres maßgebend ist, im Voraus zu taxiren. Ich glaube, meine Herren, daß diese Praxis sich prin- zipiell genau der gegenwärtigen Lage anschließt, und erinnere daran, es e Praxis im vorigen Jahre vom Reichstage befolgt wor- en ist.

Der Herr Abg. Richter hat wahrscheinlich zu machen gesucht, daß bei diesen Ansäßen demnach Ersparnisse möglih sind. Meine Herren, man kann darüber ja streiten; im Schooße der Verwaltung jo wenig, wie im Schooße des Reichstages kennt man die Preise des künftigen Jahrccs. Ich meine aber, meine Herren, das es im all- seitigen Interesse liegt, bei den Veranshlagungen der Ausgaben foler Art an festen sicheren Prinzipien festzuhalten und diese Ver- anslagungen nicht ins Willkürliche fallen zu lassen. Der Neichstag hat im vorigen Jahre abgeänderte, aber doch feste Prinzipien auch seinerseits in Anwendung gebracht für die Veranschlagung der Einaah- men. Diese Prinzipien find bei Aufstellung des gegenwärtigen Etats adoptirt worden, obgleih die Mehreinnahme gegen die letzt vergan- gene éinjährige Periode, deren Erträgniß wix kennen, eine sehr bedeu- tende sein muß, wenn dieser Etatsansayz erfüllt werden soll. Accep- tiren Sie diese Anwendung, welhe das von Ihnen im vorigen Jahre sfanktionirte Prinzip gefunden hat, nun, so ziehen Sie auch die Konsequenz, bei Veranschlagung der Vers pflegungzausgaben ebenfalls die feste, auf entsprehcnder Gruaud- lage sih ergebenden Methode zu acceptiren. Wenn Sie sich er- irnern, daß die Minderung des Defizits des laufenden Jahres auf 10 600 000 M. einem bis jegt berechneten Ansfall der Zölle und Vers brauchsfteuern um 15 000000 Æ gegenüber nur dadurch mögli wird, daß bei den Ausgaben der Militärverwaltung in Folge niedrig Marktpreise eine Ersparniß von 4000 000 6 angenommen werdea muß, so sehen Sie, wie diese beiden Prinzipien mit ihren

Wirkungen bei der gegenwärtigen einander kompensiren.

Lage