1879 / 55 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 05 Mar 1879 18:00:01 GMT) scan diff

besondere für keinen Veteranen mehr als 29 A pro Monat betragen, dagegen können dieselben in diesem Betrage vom 1. April 1879 ab jedem bedürftigen Veteranen gewährt werden, soweit der Leßtere niht etwa ein anderweites anzurechnendes Einkommen beziehe.

FJnhalts des Dekrets des Präsidenten der Republik Guatemala vom 19. August pr. ist bezüglich der dorthin ein- wandernden Personen bestimmt worden, daß, insoweit solche von der dortigen Staatsregierung irgend welhe Ver- günstigungen und Vortheile sei es in Betreff der Reise-

eförderung dorthin resp. der Reisekosten, sei es, nah der Ankunft in Guatemala, hinsihtlich der Erwerbung von Län- dereien, oder der Erlangung von irgend welchen Unterstüßungen beanspruchen, diese nur unter der Vorausseßung gewährt werden dürfen, daß die Betreffenden vorher ihr bisheriges Staatsangehörigkeitsverhältniß gelöst, also, wenn sie deutsche Staatsangehörige waren, ihre Entlassung aus der deutschen Staatsangehörigkeit nachgesucht und erhalten haben. N

Eingcwanderten, welhe nah Guatemala gekommen sind, ohne diese Bedingung erfüllt zu haben, soll die dortige Ge- währung staatlicher Hülfen und Vergünstigungen gleichfalls erst nah ihrer in diesem Falle durch den Geschäftsträger oder Konsul ihres Heimathsstaates zu vermittelnde Ent- Es aus der früheren Staatsangehörigkeit zu Theil werden.

Auswanderer, welche auf Hülfsleistungen oder Vergünsti- gungen der einen oder der andern obenbezeihneten Art Sei- tens der guatemalanishen Regierung irgend sich Rechnung machen, dürfen daher nicht versäumen, rechtzeitig, d. h. vor dem Verlassen ihrer Heimath, ihre Entlassung aus der bis- berigen Staatsangehörigkeit zu nehmen und \ich mit der nöthigen Urkunde darüber zu versehen. Die Nahsutung der Entlassung vom Einschiffungsorte aus oder durch Vermittlung des transatlantishen Konsuls würde mit ebenso lästigen als kostspieligen Weiterungen und Aufenthaltsverlängerungen verbunden sein.

(Fortseßung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

Neichstags - Angelegenheiten.

Burg, 4. März. (W. T. B.) Lei der om 283. Februar im biesigen Waklkreise stattgehabten Reihstagsersaß wahl wurden laut amtlicher Meldung 15 514 Stimmen abgegeben, und zwar 8976 Stimmen für den Rittergutétbesißer lke in Bomsdorf und 55938 Stimmen sür den Deichkauxtmann von Plotho. Der Erstere ist somit gewählt.

Landtags- Angelegenheiten.

Der Ob r-Bürgermeister der Stadt Mürster, Geheimer Regie- rungs-Rath Offen berg, Mitglied des Herrenhauses, ist am 3. d. M. gestorben.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Im Verlage von Gustav Weise in Stuitgart erscheint ia Lieferungen ein Werk, welches zunächst dazu bestimmt ist, dem Künstler und kunftverwandten Handwerker in Wort und Bild eine reichaltige Sammlung ron Material aus dem weiten ethrographischen Gebiete an die Hand zu geben, wegen seines kulturhistorishen Interesses aber auch in weitcren Kreisen Anklang finden wird. Es betitelt si „Trachten, Haus-, Feld- und Kriegsgeräthschaften der Völker alter und neuer Zeit, gezeichnet und beschrieben von Friedr. Hottenroth.“ Der Verfasser will nach den beslen Quellen in gedrängter Uebersicht niht nur die Trachten an si mit ihrem Beiwerk an Put, Schmuck u. \. w. schildern, son- dern auch die Gegenitände des täglichen Gebraubs8 in Haus und Feld, die Waften, die Tranéportmittel zu Wasser und zu Lande, kurz Alles, was geeignet erscheint, die Völker und Ragçen von den frühesten Ueberlieferungen an bis auf die Gegenwart im Bilde vor Augen zu stellen, er will den Leser gleihsam dur ein vollständiges ethnographishes Museum führen. Durch die getreuen Abbildungen zahlreiher Gegenstände aus dem Gebiet des Kunst- gewerbes soll das Werk gleichzeitig eine illuftrirte Geschichte der Kunstgewerbe bilden und dabei der Praris mögli nutbar gema@t werden. Ein erkläuternder Text belehrt den Leser über die Bedeutung der abgebildeten Gegenstände, zum Theil auch über deren Her- ftellungsweise.

Von dem auf 16 Lieferungen berechneten Werk liegen die beiden ersten ror, welche die Völker im Nilthale (Gzypter, Aethiopier), die semitishen Völker von Asien (Westasiaten, Afsyrier und Babylonier, Hebräer, Araber), und die arishen Völker des Alterthums (Meder und Perser) zum Gegenstande haben. Jete Lieferung besteht aus 12 Tafeln von Fr. Hottenroth auf Stein gezeichneter Abbildungen, die sehr saubcr von M. Seeger in Stuttgart in Bunkdruck hergce- stellt find, und 2 Vogen Text mit vielen Holzschnitten. Die Aus- stattung ist vorzügli, der in Buntdruck ausgeführte Titel der ersten Lieferung ein typographishes Meisterwerk. Der Preis stellt si auf 5 M. für jede Lieferung, jedo erscheint gleichzeitig noch eine Aus- gabe zu 3,50 4, in welcher die Abbildungen in \{warz mit Ton- unterdruck ausgeführt sind.

Paris, 2. März. (Fr. C.) Der Minister Jules Fer ry hat in der Verwaltung der nationalen Museen einige Reformen angeordnet, welhe darauf abzielen, dieselbe einer unmittelbaren und wirksamen Kontrole des Ministers zu unterstehen. Der biske- rige D'rektor der Museen führt danach den Titel Administrator ; ein Rathêcomité soll, wie bei der Nationalbibliothek, sein Gutachtea üker alle wihtigeren Fragen und namentli über alle in Lorslag gebrachten Ankäufe abgeben; die Buchhaltung endlih soll nah dem Muster aller anderen Verwaltungszweige gefübrt werden. Zum Administrator der nationalen Museen wird an Stelle des bitherigen Direktors Reiset : Hr. Barbet de Jouy ecnannt. Hr. Etienne Arago, im Jahre 1870 Maire von Paris, erbält die Stelle eines Konscr- vators des Luxemburgmusevms.

Berlin, den 5. März 1879.

In einem der fächerartig angeordneten Kabinete der zweiten Etage der Königlichen Nationalgalerie hat seit Kurzem als neueste Erwerbung ein Meifterwerk moderner Porträâtmalerei von ebenso großem fünstlerishen wie historishen Interesse seinen Plaß efunden, das von Franz Lenbach in München herrübrende

ildniß des Grafen von Moltke, das mobl als die be- deutendfte unter allen bieher an die Oeffentlichkeit getretenen male- rishen Schilderungen des Feldherrn bezeichnet werden darf. Jn seiner ganzen Haltung an die Kunstweise der alten nieder- ländishen Meister erinner«d und in dec tief eindringenden Schärfe der Charakteriftik der Mehrzahl zeitgenössischer Arbeiten weit überlegen, verbindet es mit einer außerordentlich ener- gishen und dabei in hohem Grade vornchmen und ruhigen ktoloriftishen Wirkung die f: appantesflte Wahrheit in ter Wiedergabe der äußeren Erscheinung sowohl, wie des eigenarttgen geistigen We- sens des Dargestellten, Mit dem tiefgestimmten Fond des Bildes geht der dunkle Ton der Jnterimsuniform und des über die Schul-

tern ge1chlagenen, unterhalb der Brust zusammengefaßten Mantels, der nur die oberen Finger der halb in den Falten verborgenen linken

and sihtbar werden läßt, fast untrennbar zusammen; von diesem

intergrund aber hebt si desto imposanter, den Llick des Beschauers ofort «auf \ich fkonzentrirend, der leiht zur linken Schulter ge- wandte Kopf ab, auf den von rechts her das volle Licht auffällt. Ebenso groß und bedeutend aufgefaßt wie in jedem Zuge meisterhaft durgearbeitet, übertrifft derselbe in der plastisd:en Bestimmtheit der Modellirung die Mehrzahl früherer Lenbahscher BVildnifse, während der Ausdruck des klaren, zugleih s\innend und gespannt beobachtend vor \ih hins{auenden Auges das innerste seelishe Leben mit derselben unvergleihliden Feinheit der Individua- lisirung offenbart, der die berühmten Bildnisse Liszts und Richard Wagners} ihre wohlverdiente hohe Werthshäßzung verdanken. Das Porträt des Grafen von Moltke {ließt sich ihnen als eine nach dieser Seite hin vollständig eben- bürtige Leistung an; es beweist zugleid aber au, daß der reih- begabte Künstler, dem nicht selten eine allzu leichte, fast \kizzenhafte Behandlungweise zum Vorwurf gemacht werd:n durfte, keineswegs der Fähigkeit ermangelt, sein Werk bis in das geringste Detail hinein mit ftrençcer Solidität dur{zubilden, ohne hierbei irgendwie die lebendige Frishe ünd Unmittelbarkeit des Eindrucks zu schädigen.

Der große Bazar für die 18 Kleinkinder-Bewahr- anstalten, welher unter der geschäftlichen Leitung der Damen Fr. von Sch{warzhoff, Frau von Kusserow, Frau Krause und des Hrn. Dr. Max Bauer am 6. Donnerstag im Blüch:rschen Palais, Königgräterstrafe 140, eröffnet wird, ft in feinen Arrange- ments nahezu vollendet. Der Bazar bietet eine ungewöhnliche Fülle reiber, eleganter und werthvoller Gaben aber neben diesen au solide, praktische, verwerthbare Gegenstände aller Art aus dem be- \cheideneren Kreise des eigentlihen Haushalts. Von den Allerhöcbsten und Höchsten Herrschaften sind prächtige Geschenke cingegangen. Mit fundiger Hand und feinem Verständniß ist allen den vielseitigen Fragen Rechnung getragen, die bei folher Gelegenheit dem besuchen- den Publikum erwünscht sind. ;

Jeden Abend vom 6.—9. März werden transparente Bilder mit begleitendem Gesange eine Stunde künstlcrishen Genusses bieten, während der reihe „Jahrmarkt der Liebesgaben" gleichzeitig geöffnet bleibt. Der edle Zweck der Humanität, der hier gerade eine dec ernstesten Fragen unseres Lebens, die Ernährung und Erziehung armer Kinder, berührt, möge seinen reihen Lohn finden. Seit Wodten und Monaten haben fleißige und opferfreudige Hände dafür gearbeitet. Für die Popularität dieses Unternehmens spricht wohl am meisten, daß sämmtliche Lieferanten, Fabrikanten und Arbeiter ihre Kräfte unentgeltlih zur Disposition gestellt haben.

Berliner Traberklub. Der junge, so rasch emporgekom- mene Verein hat seine diesjährigen Frühlingëêrennen auf Donnerstag, den 22, Mai (Himmelfahrt), Sonntag, den 25. Mai, und den 12. Juni angeseßt. _

Wie wir hören, find von hervorragenden russischen Trabergestüten bereits Zusicherungen einer regen Betheiligung erfolgt.

Ueber die Seis8mochronographen (System von Lasaulx) und das Erdbeben am 26. August 1878 entnehmen wir dem „Arciv für Post und Telegraphie“ Folgendes:

_ Schon feit längerer Zeit beschäftigen sih die Gelehrten mit der Erforschung der Ursachen des Erdbebens. Da zur Ergründung der Ursachen zunäcbst eine möglihst genaue Feststellung der Umitände erforderlich erscheint, unter welhen ein Erdbeben auftritt, und als besonders wichtige Elemente der Oberflächenmittelpunkt, die Fort- pflanzune8gcschwindigkeit und vor Allem die Tiefe des Ausgangs- punktes cines Erdbebens betrachtet werden, so richtete sich das Be- streten der Naturforscher besonders auf die Erlangung möglichst ge- nauer Zeitangaben über den Eintritt der Erscbütterung an den ver- schiedenen Orten des Erschütterungsgebietes. Zu diesem Zwee sind verschiedene Vorrichtungen in Vorschlag gebracht und ia Gebrauch genommen worden; dicselben sind jedoch zumeist so beschaffen, daß sie einer steten sorgfältigen Beobachtung und Instandhaltung be- dürfen, sowie bei dem Beobachter ein gewisses Maß wissenschaft lichen Verständnisses vorausseßen. Aus diesen Gründen lassen si derartige Instrumente, „Seiêëmometer“ od:-r „Seiëmochronographen“ genanut, nur an verhältnißmäßig wenigen Orten anbringen.

Da nun andererseits gerade auf die Menge der gleichzeitigen Beobachtungen der gréßte Werth gelegt wird, so erschien es geboten, einen Apparat herzustellen, der bei größter Einfachheit möglichst wenig Unterhaltung während der Zeit seiner Unthätigkeit und gar keine wisenshastlide Befähigung Seitens des Beobachters verlangt, demgemäß aber auch überall leiht anzubringen und ohne Mühe zu ktontroliren ift.

Eine folche Vorrichtung ersann der jetige Professor der Mine- ralogie und Geologie an der Universität zu Breélau, Dr. A. von Lasaulx, welcher sich insbesondere die eingehende Erforschung der Erdbeben zur Aufgabe gemadt hat. Ende 1874 wendete sih Herr von Lasaulx an die Reichs- Telegraphenverwaltung mit dem Änsuchen, dieselbe mög? die Aufftellung einer größeren Anzahl seiner Erdbeben- Zeitanzeigec auf den Telegraphenämtcrn gestatten und die Beamten wegen deren Beobachtung mit Anweisung versehen. Die Verwal- tung kam den bezüglichen Wünschen gern entgegen, nachdem das Reichskanzler-Amt sih zur Uebernahme der entstehenden Koften bereit erflärt vatte, und so wurden im Laufe des Jahres 1875 141 Tele- graphenstationen im slüdwestlihen Deutshland mit Seismochrono- graphen versehen. j

Der Zweck dieser Erdbeben-Zeitanzeiger geht aus dieser ihrer Benennung hervor; sie sollen bewirken, daß zunächst betreffs der Zeit, za welcher ein Erdstoß eintritt, genaue Angaben gewonnen werden ;

leichzeitig sollen sie die Richtung des Erdstoßes firiren. Erstere Ab- [icht wird dadurch erreiht, daß der Apparat das Pendel der Uhr, aa deren Rückwand er befestigt ist, aufhält und die Uhr dadur so- fort zum Stehen bringt. Der Apparat felbst ist sehr einfach kon- struirt; er besteht aus einer kleinen bleherncn Büchse, in welcher si eine Feder befindet, mit dieser Feder is ein dünner Stahlstab ver- bunden, auf dessen oberem Ende ein kleines Messingtellercen bef-\stigt ist. Wird auf lebteres eine Messingkugel von einem gewissen Ge- wicht gelegt, so drüdt diese das Tellerhen bis auf eine kleine Holz- sheibe, in deren Umfang acht kreiërunde Löcher gleiher Größe dicht neben einander eingeschnitten sind. Gleichzeitig drückt die Kugel auch die Feder zusammen und den damit verbundenen Stahl- stab nach unten. Mit diesem Stab steht aber ein seitlih neben dem- selben mit Gelenk angebrachter anderer Stahlstzb in Zusammen- hang. ter \sih diht an die Wand d-s Uhrgehäuses anlegt und dem Pendel somit das freie Vorbeishwingen gestattet, so lange die Messingtugel das Tellerchen in der Holz;scheibe festhält, der aber si rechiwinklig zu sciner Ruhelage nach rorn zu stellt und dadur das Pendel a.retirt, sobald die Kugel von dem Tellerchen kerunter in eins der Löcher fällt, welhe in der Holzscheibe angebracht und ent- sprechend den Himmelsrichtungen bezeihn:t sind, und in Folge davon das Tellerhen durch den Druck der in der Büchse befindlichen Feder in die Höbe geschnel.t wird. Das Stillstchen der Uhr wird natürlich von den im Dienste befindlihen Beamten sofort bemerkt werden, cs sind die be- treffenden Dienststellen angewiesen worden, jeden Fall, in dem die Kugel abgeworfen wird, ohne daß dies einer vor Augen liegenden Ursache zugeschrieben werden kann, in einem Bogen nah besonderem Muster unter genauer Angabe der Zeit, womöglich nah Sekunden, und des Loches, in welches die abgeworfene Kugel gerollt ift, auf- zuzeichnen, außerdem aber die Kugel sofort wieder e das Tellerchen

zu legen, die Uhr wieder in Gang zu even und, wenn irgend thunlich,

auch chne Verzug wieder richtig einzustellen. Dadurch wird es er- möglicht, auch mehrere kurz hintereinander auftretende Erdstöße genau zu beobahten und die erforderlihen- Angaben über dieselben zu erhalten. :

Was nun die bis jeßt durch die auf Reihs-Telegraphenämtern aufgestellten Seismohronographen erzielten Erfolge anlangt, so waren

dieselben bis zu der im Herbste 1877 vorgenommenen Abänderung der Apparate (das Messingtellerhen wurde ganz fla hergestellt und da- durd die Empfindlichkeit bedeutend erhöht) beiaahe nur negative, insofern dieselben bei Gelegenheit mehrerer nicht unerbebliwher Erde stôße den Dienst fast sämmtlich versagten. Ers: das Erdbeben vom 26. August 1878 brate die Seiêmocronographen in größerer Zahl, wenn auch roch bei Weitem nicht in dem von ihrem Erfinder er- warteten und im Interesse der Wissensckaft zu erboffendcen Umfange ¿ur Wirkung.

Das genannte Erdbeben wurde innerhalb der Ober-Postdirektions-

bezirke von Aacen, Cöln, Darmstadt, Düsseldorf, Arnsberg, Cassel, Cotlenz, Frankfurt a. M. und Trier beobachtet ein Funktioniren des Seiëmochronographen fand jedoch nur bei einigen wenigen der mit demselben ausgerüsteten Telegraphenkbetriebsstellen, und zwar nur gelegentlich des ersten und heftigsten der drei um 9,22 9,28 und 11,38 Vormittags eingetretenen Erdstöße statt. _ Diefer abermals nur theilweise Erfolg der bescri- benen Ein- rihtung scheint dringend auf eine gründlihe Umgestaltung der von Lasaulrshen Apparate hinzuweisen, wenn aus ihrer Verwendung für die Wissenschaft ein Nutzen erwachsen soll.

Darmstadt, 5. März. (W. T B.) In dem von dem Grof- herzoge gegenwärtig bewohnten Theile des biesigen Schlosses ist diese Naht Feuer ausgebrochen; dasselbe blieb jedech auf den Dachftuhl beschränkt.

Klagenfurt, 28. Februar. Ueber den Lawinensturz bei Bleiberg meidet man der „Klagenfurter Ztg.“ vom 28, v. Mt. Detaillirte Nachrichten über das verheerende Unglück in Bleiberg fehlen au heute noch, doch brate der Telezraph einige Meldungen, da es bereits gelungen ift, die telegraphische Verbindung herzastelien; der Verkehr durch den Grabea, wo 100 Arbeiter mit der Weg- râumung der Schneemassen bes{äftigt sind, wird kaum vor vierzehn Tagen möglich, do dürste die Straße übec Heiligen-Geist am Sonn- abend hergestellt sein. Nach den neueren Mittheilungen hat die Laner Lawine, welche Dienstag Nachmittags abging, eine Länge von 100 Metern und cine Höhe von 10 Metern; zerstört sind in Blei- berg 6, in Hüttendorf 3 Häuser. Die Zahl der Todten beträgt bis jeßt 37, davon wurden heute 29 beerdigt.

Die nah man®&em Mißgeschick gestern im Opernhause zur ersten Aufführung gelangte lyrishe Oper „Feramors* von Anton Rubinstein hat dem Komponisten niht den Erfolg cingebra{t, den die vielen Verehrer dem hier in den leßten Wochen überschwänglich gefeierten Pianisten wobl gewünscht hätten. Dies durfte aber bei den bisherigen Schicksalen des Werkes auch nicht überrashen. Das- selbe ist bekanntliÞ durchaus feine Novität, sondern beinahe zwei Dezennien alt und hat bei früheren Aufführungen in Dresden (1863) und Wien (1872) ebenfalls kein dauerndes Glück gehabt. Und mit gutem Grunde, denn einmal ist das nach „Lalla Rookh“ von Thomas Moore gearbeitete Libretto, welches eigentli nur aus drei breit ausgesponnenen Liebeëmotiven besteht, gar zu inhaltsleer und anderer- seits leidet auch die musikalishe Gesammtfaktur gar zu sehr an Halbheiten. Der Komponist hat sich nämlich insofern von dem älteren Styl emanzipirt, als er an die Stelle der durch dürre Rezitative locker verbundenen Arien, Duette 2c. des- selben die freie melodische Deklamation sett, aber er ift auf halbem Wege stehen geblieben. Denn soviel er si bemüht, die einzelnen Charaktere und Situationen durch cigenthüm- libe mu}kalishe Phrasirung zu bezeichnen, es gebri{t der ganzen Scilderung doch an jener Einheitlichkeit, die, auf dem einmal ein- geschlagenen Wege, nur durch einen Schritt weiter zum Leitmotiv und der viel angefo{tenen unendlichen Melodie zu ermöglichen gewesen wäre. Bei dem hier angewandten einförmigen charakterlosen Arioso aber ver- liert der Hörer immer wieder den Faden. Jedoch wird er andererseits dur Einzelheiten, wie die wirkli großartige Ballade des Feramors, das reizende Schleierlied der Hafisa, durch die pikanten, wenn auc {wer instrumentirten Ballets, die ja oft auf dem Programm populärer Kon- zerte zu finden sind, einigermaßen ents%ädigt. Und auch sonst bietet die Instrumentation rythmisch uud modulatorisch vieles ÎInteressante und Originelle, wie es von einem so ausge:eihneten Instrumental- komponisten niht anders zu -erwarten ist. Daß aber der Sologesang dazwischen so spärlich auftritt, muß eizentlich Wunder nehmen, weil Rubinstein doch gerade als Liederkomponist sich besonders erfindungsrei erwiesen hat. Das, was er in dieser E hier bietet, wie der Liebe2gesang zwischen Feramo:s und Lalla Roukh und das, wenn- glei eiwas salonmäßige Schleierlied der Hafisa, ist dem Besten des früher von ihm Geschaffenen durchaus ebenbürtig, ja die {on er- wähnte große Ballade mit ihrer lokalcharakteristishen Färbung und ihrer ergreifenden insirumentalen Stimmrngsmalerei dürstedas Frühere noch übertreffen. Indessen diese hübschen Ein:elheiten werden dur das ermüdende deklamirende Arioso immer wieder überwuchert und verwischt. Beinahe gänzlich verfehlt ist dabei die nah der Schablone des Osmin in der „Entführung“ gezeichnete komishe Figur des Großveziers Fadladin, deren Humor viel zu \{werfällig heraus-

kommt.

Mit großer Vorliebe sind, wie {on bemerkt, die Ballets und auch die großen Chöre und Ensembles behandelt. Sie, geben Gelegenheit zu blendender Entfaltung musikalischen sowohl wie dekorativen Pompes, an dem es denn auch nicht: fehlt. Die Bajaderen- und Alméentänze, vor allem aber der Tanz der Bräute von Kaschmir, welche \{ließlich ihre Blumenlichter dem sanft dahinfließenden Strome übergeben, gehört zu dem Effektvollsten, was sich denken läßt. Indessen läßt sih doch auch nicht läugnen, daß gerade durch diese üppige Prachtentfaltung in Ballets und Aufzügen, die an 1001 Nacht erinnern, das Ganze etwas Orientalish-weichlihes erhält, was uns den Stoff und die Oper unsympathisch macht. Daß endli der Komponist {hon im Finale des 1. Afts den höchsten Trumpf ausspielt und damit jede Steigerung des Interesses lahm- legt, ist ein weiterer und vielleiht der Hauptübelftand. Dieses Finale, welches mit dem monotonen, aber sich ungemein - echt aus- nehmenden Gebetruf des Muezzin anhebt, dem der Chor der gläu- bigen Mohamedaner psalmodirend antwortet, während die Pausen von dem Geflüster der Liebenden ausgefüllt werden, gehört unstreitig zu dem Originellsten und Gelungensten der ganzen Oper. Die beiden folgenden Akte enthalten im Verglei zu dieser Glanz- nummer zwar viele s{ône Einzelheiten, ‘aber nichts, was sich dieser an die Seite stellen ließe. Der \{ließliche Erfolg war denn auch nur ein solcher der Achtung. /

Die Aufführung war eine durchaus musterhafte. Hr. Niemann als Titelheld sang die große Ballade so hinreißend, daß das Publi- kum sie ohne Nücsicht da capo verlangte; daß unserem unvergleich- liden Heldensänger freilich die fsüßlihen Fisteltöne seiner lyrischen Partie ebensowenig zu Gesichte standen, wie der lange faltige orientalische Weiberrock, wird man begreiflich finden. Fr. Mallinger war sehr gut bei Stimme und stattete die Rolle der Lalla Roukh acsangli® und \hauspielerisch mit glei viel Poesie und Anmuth aus. Auch Fr. Lammert als Hafisa, Hr. Fricke als Fadladin und Hr. Oberhauser als Chosru verdienen volle Anerkennung. Das Orchester bewältigte unter Hrn. Kapellmeister Eckzrts Leitung seine niht geringe Aufgabe mit großer Promptheit und Akuratefse.

Die Ausstattung is außerordentlich glänzend. Sollten jedoch an dem indischen Palaste des mohamedanishen Königs (im letzten Akte) die brahmanischen Göttergestalten und Reliefs nicht. un- gehörig sein ? i: E l i

Der Vorstellung wohnten Beide Kaiserliche Majestäten bei.

Nedacteur: J. V.: Riedel.

Verlag der Expedition (Kessel). Druck: W. Elsner. Drei Beilagen (eins{licßlich Börsen-B eälag?).

Ber lin:

Erste Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Slaals-Anzeiger.

M DD.

Berlin, Mittwoch, den 5. März

1879,

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Personalveränderungen.

Königlih Preußishe Armee.

Ernennungen, Beförderungen und Versetzungen. Jm aktiven Heere. Berlin, 25, Februar. Werner, Sec. Lt. vom Gren. Regt. Nr. 109, in das Inf. Regt. Nr. 57, Frhr. y. Rothkirch-Trach gen. v. Schwarzenfels, Sec. Lt. vom Inf. Regt. Nr. 96, in das Gren. Regt. Nr. 109 verseßt. 1. März. Burgund, Königl. württemberg. Sec. Lt. a. D., bis- her im Gren. Regt. Nr. 123, in der preuß. Armee, und zwar als jüngster Sec. Lt. im Inf. Regt. Nr. 63 angestellt.

Abschiedsbewilligungen. Jm aktiven Heere. 25. Fe- bruar. Arret, Major a. D., zuleßt Hauptm. und Comp. Chef im Gren. Regt. Nr. 10, die Erlaubniß zum Tragen der Unif. des gen. Regts. ertheilt. 27. Februar. v. Goeße, Oberst a. D., zuleßt Oberst-Lt- im Inf. Regt. Nr. 65, mit der Erlaubniß zum Tragen der Unif. des gen. Regts. zur Disp. gestellt. Frhr. v. Beu ft , Major a. D., zuleßt Hauptm. u. Comp. Chef im Inf. Regt. N-. 78, mit der Erlaubniß zum ferneren Tragen der Unif. des Inf. Regts. Nr. 20, unter Fortfall der ihm bei seiner Verabschiedung er- theilten Ausficht auf Anftellung im Civildienst, zur Disp. gestellt.

Königlich Bayerische Armee. :

Ernennungen, Beförderungen und Verseßungen. Im aktiven Heere. 22. Februar. Frhr. v. Freyberg- Eisenberg, Hauptm., von der Stelle eines Comp. Chefs im 2. Pion. Bat. enthoben. Haid, Hauptm. der 2. Ingen. Direktion, ¡um Comp. Chef im 2. Pion. Bat. ernannt. 27. Februar. Prinz Ar nulph von Bayern, Königl. Hoheit, Major und Bats. Commdr., zum Oberst im Inf. Leib-Regt. befördert und zugleich Höcbstdemselben das 12. Inf. Regt. verliehen. §

Abschiedsbewilligungen. Im aktiven Heere. 22. Fe- bruar. Kilian, Sec. Lt. a. D., auf Nachsuchen in die Kategorie der ohne die Erlaubniß zum Tragen der Unif. verabschiedeten Offize. verseßt. 27. Februar. Eben, Sec. Lt. a. D., der Anspruch auf Anstellung im Milit. Verwaltungsdienst verliehen.

Nichtamtliches. Deutsches Neich.

Bayern. München, 2. März. (Allg. Ztg.) Jn der gestrigen Sißung des Ausschusses der Kammer der Reichsräthe, bei Berathung des Geseßentwurfs, betreffend die Kosten der Gerichtsorganisation, erklärte der Staats-Minister des Jnnern, von Pfeuffer, keine Einwendung dagegen er- heben zu wollen, daß, nah dem Wunsche der Kammer der Abgeordneten, die Bezirksämter Friedberg und Zusmars- hausen erhalten bleiben. Der Ausshuß stimmte dann auch dem Beschlusse der Abgeordnetenkammer bei.

3. März. Se. Majestät der König hat die Geseße, betreffend die Ausführung des Neichsgerichtsverfassun gs- Gesetzes, dann die Ausführung der Reichs-Civilprozeß- und Konkursordnung Allerhöchst vollzogen. Das Gesetz über die Ausführung der Reichs strafprozeß-Ordnung wird gleichzeitig mit dem dem Landtage bei dessen Wiederzu- sammentritt vorzulegenden Disziplinargeseße, sowie mit der Veröffentlichung der richtig gestellten Textausgaben zum Malz- aufschlags- und Forstgeseße zur Prormulgation gelangen.

Die diesmaklige Landtagssession schreibt die „Allg. Ztg.“ wird nah achtwöchiger Dauer heute zum Abschlusse gelangen. Jn diesem verhältnißmäßig kurzen Zeitraum ist Be- deutendes geleistet worden. Es gelangten die vier Aus- führungsgefeße zu den Reichsjustizgeseßen und der Geseßent- wurf bezüglih der Kosten der Durhführung der neuen Orga- nisation zum Abschluß, ebenso der Entwurf des Einführungs- geseßes zum Geseß über den Verwaltungsgerihtshof, dessen önslebentreten hierdurch endli gesichert ist; ferner wurden die Geseze in Betref” der Erhöhung des Betriebs- fonds der Centralstaatskasse, in Betreff der Behandlung der Gebührenordnung und der Erbschaftssteuer, dann hinsicht- lih der Besteuerung der Gewerbe im Umherziehen, ferner die Anträge bezüglich der Wucherfrage, in Betreff der Straf- gewalt des Reichstags und andere zur Erledigung gebracht. Außerdem gelangten die Rehnungsnachweisungen des Kriegs- Ninisteriums für vier Fahre, dann die beiden Eisenbahngeseß- Entwürfe mit mehr als 400 Petitionen hierzu wenigstens in den Ausschüssen der Abgeordnetenkammer zur Erledigung , {o daß der Kammer bei ihrer Wiederberufung, die voraussichtlich im Laufe des Monats Juni d. J. erfolgen wird, genügendes Verathungsmaterial für eine Reihe Sißungen vorliegen wird.

In der Schlußsißung der Kammer der Abgeord- neten stimmte das Haus dem heutigen Beschlusse der Kam- mer der Reichsräthe bezüglih des Geseßentwurfs, betreffend die Kosten der Ats R Id bei, wodur auch hierüber Gesammtbeschluß erzielt wurde. Der Staats- Minister des Jnnern verkündete dann beiden Kammern ein Königliches Reskript, durh welhes der Landtag bis auf Weiteres vertagt wird.

Sachsen-Weimar-Eisenach. Weimar, 3. März. (Weim. 218.) Dem am 27. v. M. wieder zusammengetretenen ordentlichen andtage sind zur Berathung vorgelegt worden aus dem gustizressort : wei Gesetzentwürfe zur Ausführung des eriMiaveraffunaC Gefetes, sowie zur Ausführung der Civilprozeß-Ordnung und der Konkurs-Ordnung, ein Geseß betr. die Uebergangsbestimmungen A Civilprozeß-Ordnung, Konkurs-Ordnung und Strafprozeß-Ördnung, zwei Nachträge zum Forst- und Feldschußgeses und zum Geseße über die Friedensrichter, ein Geseß über die Zwangsvollstreckung in das unbeweglihe Vermögen, sowie die Staatsverträge über die Aufhebung des Appellationsgerichts zu Eisenah und über die Bildung der Shwurgerichtsbezirke im Ober-Landes3gerichte Jena. Die Entwürfe zu den Ausführungsgeseten sind in einer gemeinsamen Berathung von Kommissarien sämmtlicher bei deim Ober-Landesgeriht Jena betheiligten Regierungen fest- estellt worden und stimmen hinsichtlich der allgemeinen Grund- uße und in allen wesentlichen Punkten mit den Gesetzen in en anderen thüringishen Staaten überein. Von den aus dem Ressort der Verwaltung dem Landtage zugegangenen zahlreichen Vorlagen sind besonders zu erwähnen die Gesetze über die Ver- anstaltung öffentliher Tänze, über die 4 Gta ah verwahr- loster Kinder und über die Erhöhung des Gesammtbestandes der Anlehen der Landeskreditkasse bis auf 15 Millionen Mark. Von obigen Vorlagen genehmigte der Landtag bei der heutigen

zweiten Lesung die beiden Staatsverträge wegen des Appella- tionsgerihtes und wegen der Schwurgerichtsbezirke, sowie das Geseß über die Veranstaltung öffentliher Tänze, leßteres mit mehreren von der Staatsregierung acceptirten Amendements. Hiernach soll künftighin wieder, wie vor dem Jahre 1873, zu jedem öffentlihen Tanze polizeilihe Erlaubniß nöthig sein. Von jedem Tanz muß eine Abgabe von 2 bis 15 #4 zur Gemeinde- kasse entrihtet werden, deren Höhe im einzelnen Falle von der Polizeibehörde bestimmt wird, aber auch ein für alle Mal durch Gemeindebeshluß normirt werden fann. Auch die ge- {lossenen Gesellschaften unterliegen dieser Abgabe, welche für diese pro Jahr auf einen Betrag von 5 bis 40 4 festgeseßt werden kann. Zuwiderhandlungen sind mit Geldstrafe bis zu 60 é oder 14 Tage Haft bedroht. Durhch das Gese ist einem wiederholt ausgesprohenen Verlangen des Landtags entsprochen worden, und man hofft, daß dasselbe der überhand- nehmenden Vergnügungssuht und Zügellosigkeit wohlthätigen Einhalt thun werde.

Sachsen-Altenburg. Altenburg, 3. März. (Leipz. Ztg.) Die seit dem 24. v. M. versammelte Landschaft hat in der Sißung vom 26. ihre Genehmigung zur Aufhebung des Kriminalgerichts zu Roda und zur Vereinigung dieser Behörde mit dem hiesigen Kriminalgeriht, sowie zu dem Vertrag der thüringishen Staaten wegen Zusammen- legung der zum Sprengel des Jenaer Ober-Landesgerichts gehörigen Landgerichte zu zwei gemeinsamen Schwur- gerichtsbezirken ertheilt. Hiernach bilden die Bezirke der Landgerichte Altenburg, Gera, Greiz, Rudolstadt und Weimar einen Schwurgerichtsbezirk mt dem Sitze Gera ; den anderen mit dem Siße Meiningen bilden die Landgerichtsbezirke Eisenach, Gotha und Meiningen.

Desterreih-Ungarn. Pest, 4. März. (W. T. B.) Der Budgetaus\huß der Reihsrathsdelegation beschloß in seiner heutigen Sißung dem gestern von dem Abg. Sturm eingebrahten Antrage gemäß, nach langer Debatte die Ueber- schreitung des 60-Millionenkredits um 41 720000 Fl. vorbehaltlich einer späteren Beschlußfassung über die Ergebnisse ¡der Schluß- rechnung nacträglih zu genehmigen. Ferner wurde beschlossen, die von der Regierung begehrten weiteren 5 Millionen Gulden pro November und Dezember 1878 nicht zu bewilligen ; - der Zusaßantrag Pirquets auf Bewilligung derselben war vorher mit 11 gegen 8 Stimmen abgelehnt worden,

Großbritannien und Jrland. London, 4. März. (W. T. B.) Jm Unterhau}e richtete heute Simon die An- frage an die Regierung, ob dieselbe bezbsihtige, vor der Anerkennung der Unabhängigkeit Serbiens und Rumäniens die erforderlichen Maßregeln zur Ausführung der Artikel 34, 35 und 43, 44 des Berliner Vertrages, be- treffend die Gleichberehtigung aller Konfessionen, zu verlangen. Der Schaßkanzler Northcote erklärte, daß dies die Absicht der Regierung sei. Nach langer Debatte lehnte das Haus sodann den Antrag Trevelyans auf Aus- dehnung des städtishen Wahlrechts auf die ländlichen Distrikte ab. Die Regierung hatte sih mit großer Entschieden- heit gegen den Antrag ausgesprochen.

5. März. (W. T. B.) Der „Times“ wird aus Konstantinopel, von gestern, telegraphirt: Der Gouver- neur von Thessalien meldet, 500 Griechen hätten die Grenze überschritten und das Dorf Kieulikieuter zerstört.

Frankreich. Paris, 4. März, Nachmittags. (W. T. B.) Wie hierher gemeldet wird, verbreiten einige auswärtige Blätter die Nachricht von der Abtretung der Jn sel Rh odos an Frank- rei, Von zuverlässiger Seite wird diese Nachricht als jeder Be - gründung entbehrend bezeihnet. Die Nachricht von einem bereits erfolgten Demissionsgesuh des Finanz-Ministers Léon Say isst unrichtig. Der Handels-Minister L e- père ist zum Minister des „Fnnern ernannt worden. Der Ministerrath wird heute Abend zusammentreten, um über c anderweitige Beseßung des Handels-Ministeriums zu berathen.

4. März, Abends. (W. D. B.) Die Fnterpella- tion des Bonapartisten Oskar Vallée, betreffend die Haltung des Finanz-Ministers Léon Say in der Konver- tirungsfrage, welche in der heutigen Sißung des Senats erwartet wurde, ist heute niht eingebraht worden. Jn parla- mentarischen Kreisen verlautet jeßt, die Jnterpellation würde erst am Freitag stattfinden ; andere meinen, Vallée habe darauf verzichtet, den Finanz-Minister zu interpelliren, da er fürchte, in der Minorität zu bleiben. Der Minister-Präsident Waddington empfing heute Vormittag eine Deputation Jndustrieller aus dem Departement du Nord, welche über die industrielle Krisis Bericht erstattete. Der Minister- Präsident erklärte, daß er sih eingehend mit der Lage der «c Fndustrie beschäftige; die dfonomisde Situation in Europa und in der ganzen Welt habe sich geändert. Die Regierung sei sich wohl bewußt, daß die Beschlüsse, welche sie zur Besse- rung der wirthschaftlihen Lage fassen müsse, außerordentlich wichtiger Natur seien und sie werde bestrebt sein, für die Jndustrie und die Arbeiterbevölkerung Frankreihs Sorge u tragen. y j 5, März. (W. T. B.) Das „Journal officiel” veröffentliht heute das Amnestiegeseß, sowie die Dekrete, betreffend die Ernennung des bisherigen Handels-Ministers Lepère zum Minister des Fnnern und Andrieux' zum Polizeipräfekten. Die Ernennung des neuen Handels: Ministers ist noch nicht veröffentlicht worden.

Spanien. San Sebastian, 4. März. (W. T. B.) Bei einer Ausfahrt Sr. Königlichen Hoheit des Prinzen von Wales wurden die Pferde heu und zerbrachen den vorderen Theil des Wagens. Der Prinz konnte den Wagen jedoch verlassen, ohne einen Unfall erlitten zu haben.

Numánien. Bukarest, 4. März. (W. T. B.) Nach- dem der Senat und die Kammer sih wegen der Revision der Verfassun g nach mehreren geheimen Ben Pat mit einander ins Einvernehmen geseßt und beschlossen hatten,

daß nur Artikel VIl. der Verfassung revidirt werden solle, be- gann heute in beiden Kammern die erste Lesung. Der An- trag der Majorität der Senatskommission lautet: Auf Grund des Artikel CXRIX. der Verfassung erklärt der Senat, daß es nothwendig ist, den Art. VIT. der Verfassung einer Re- vitton zu unterziehen. Ein gleihlautender Antrag ist der Deputirtenkammer vorgelegt worden. Nach den Bestimmungen der Verfassung müssen dem definitiven Votum der beiden Kammern drei verschiedene in Zwischenräumen von vierzehn Tagen erfolgende Lesungen vorausgehen.

Nußland und Polen. Moskau, 1. März. Neuer- dings ist hier durch St. Petersburger Zeitungen die aus- führliche amtliche Mittheilung in Betreff eines verdächtigen Krankheitsfalles in Antipino im Pronskschen Kreise des Gouvernements Rjasan bekannt geworden. Der erkrankte Knabe verstarb in der Nacht vom 5. zum 6. v. M. Von sonstigen verdächtigen Krankheitsfällen verlautet nichts. Das bereits dementirte Gerücht über den Ausbruch der Pest in Bronnizy (niht Bronsk) des Gouvernements Mos- fau wird vermuthlih auf die Namensähnlichkeit des leßteren Ortes mit dem oben erwähnten Kreise Pronsk zurückzufüh- ren sein.

Die vorgestern hierher gelangte, inzwishen wieder als unbegründet bezeihnete Nachricht von dem dur Dr. Botkin in St. Petersburg konstatirten Pestfalle hat hier aufs Neue eine große Panik hervorgerufen, wie solche bereits vor einigen Wochen sich geltend machte, als ein hie- siger, übrigens allgemein geachteter Arzt hier in 2 Krank- s Pestsymptome konstatirt haben wollte, welche ih

ei den demnächst angestellten Nachforshungen als unver- dächtig ergaben.

Gestern sind hierselbst zwei auf der Reise nah Zarizyn begriffene französishe Sachverständige durchgekommen. Der Ankunft eines dänischen Arztes wird ebenfalls ent- gegengesehen.

4. März. (W. T. B.) Der neu ernannte britische Botschafter, Earl Dufferin, ist hier eingetroffen. Der von hier abberufene französishe Botschafter Leflô hat das Band des St. Andreas-Ordens erhalten.

5. März. (W. T. B.) General Loris-Melikoff meldet aus Astrachan, vom 4. d. M,., daß keine an der Epidemie erkrankten Personen vorhanden sind, und daß die Verhandlungen übér Abshäßung der zu verbrennen- 0 Gebäude und beweglihen Gegenstände ihren Fortgang nehmen.

Amerika. Washington, 4. März. (W. T. B.) Der Kongreß hat sih heute Mittag, ohne die für die Legis- [atur und die Armee geforderten Kredite bewilligt zu haben, auf unbestimmte Zeit vertagt. Wie es heißt, würde der- selbe am 18. d. M. zu einer außerordentlichen Session zu- sammentreten.

Gewerbe und Handel.

Die Allgemeine Berliner Omnibus-Gesellshaft vertheilt für das Geschäftsjahr 1878 10 °/9 Dividende. Der Betrieb des Geschäftes wurde, wie bisher, von 5 Depots aus versehen. Von den 16 Linien, welche im vorigen Jahre befahr:n wurden, und welche eine Gesammtlänge von 79,180 km haben, wurden verkürzt mit Be- ginn des Sommerfahrplans die Linie Ofstbahn—Lüßowstraße bis zur Potsdamer Brücke, die Linie Liesenstraße—Oranienplatz ging ihrer Unrentabilität halber am 1. Oktober ein, an deren Stelle wurde die Linie Gartenplaß—ODranienplaß in Betrieb genommen. Mit Schluß des Jahres, nah Eröffnung der Pferdeeisenbahnlinie vom Hafen- plaß nach dem Hausvoigteiplaß wurde auch die Linie Anhalter Bahn—Rosenthaler Thor aufgegeben. Zur Zeit werden 15 Linien befahren. Dur{schnittlihßh waren täglich 143 Wagen in Fahrt, im Ganzen 52 202 Tageswagen, welche 447 570 Doppeltouren und eine Gesammtstrecke von 4 435 740"kw, 781 km mehr als 1877 zurüdck- legten. Personen wurden befördert in Summa 13 211 529 gegen 13 192 875 in 1877, also 1878 mehr 18 654 Personen, pro Tag und Wagen 253 gegen 252 in 1877, Die Einnahmen betrugen 1990 138 Æ gegen 2000241 J. in 1877, durschnittlich pro Tag und Wagen 38,12 4 gegen 38,31 # in 1877, mithin 1878 weni- ger 10104 M, pro Tag und Wagen weniger 0,19 (4 Verausgabt wurde für Hafer und Mais 511 888 A gegen 527 277 4. in 1877 für Heu 81707 M. gegen 115132 A in 1877 und für Stroh 48 203 M gegen 79354 A. in 1877. Die Gesammteinnahmen be- trugen 2035 982 #6, die Gesammtauêgaben 1 356 013 Æ, so daß sih ein Bruttogewinn von 679 969 M. ergiebt, von welhem Betrag 391 434 Æ zu Abschreibungen verwandt wurden. A i

Wien, 4. März. (W. T. B.) Die „Neue Freie Presse“ erfährt über die Bilanz der Kreditanstalt Folgendes: Der gesammte Reinertrag beträgt 4104000 Fl.; hieran partizipiren die Central- anstalt mit 3335000 Fl. und die Filialen mit 768 000 F[.; der Gewinn der Centralanstalt beträgt an Zinsen der eigenen Effekten 1 479 000 FI., Vorschußzinsen 172 000 Fl. , Eskomptzinsen 829 000 M Konto-Korrentzinsen 574000 Fl., Provisionen 606 000 F[.,

tethzinsen 31000 Fl., Devisen 179 000 Fl., Effektengewinn 210 000 FI., Gewinn aus Konfortialgeshäften 427 000 F.

London, 4. März. (W. T. B.) Bei der gestrigen Woll- auktion war eine geringe Anzahl von Käufern am Markte; die Preise erfuhren keine wesentlihe Veränderung. s

Marseille, 4 März: (W. L. B) Die Quaraulüne,. welche für die Provenienzen aus Egypten und Griechenland ange- ordnet war, ist wieder aufgehoben worden. i s

Washington, 4, März. (W. T. B.) Der Finanzsekretär eman hat weitere 10 Millionen Bonds zur Amortifirung ein berufen.

New-York, 3. März. (W. T. B.) Weizen-Verschiffun- gen der legten Woche von den atlantishen Häfen der Vereinigten Staaten nah England 83 000, do. nah dem Kontinent 120 000, do. von Kalifornien und Oregon nach England 5000 Qrtrs. Visible Supply an Weizen 20 812 000 Bushel.

Verkehrs-Anstalten.

Triest, 4. März. (W. T. B) Der Lloyddampfer „Ettore* is heute Nachmittag? 22 Uhr mit der ostindischen Veberlandpost aus Alexandrien hier eingetroffen.

Southampton, 4. März. (W. T. B.) Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Donau“ ist hier eingetroffen.

Plymouth, 4. März. (W. T. B.) Der Hamburger Postdampfer „Silesia“ ist hier eingetroffen.