1879 / 61 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 12 Mar 1879 18:00:01 GMT) scan diff

western als Lehrerinnen fungiren, und daß in Lot&ritgèn E zur Heranbildung derselben mit Erfoïñ wirken. Im Ganzen könne er sagen, daß der Lehrerstand in ven Reichs- landen mit Liebe und stets wahsendem Erfol-z,e an seinen s{hwierigen Aufgaben arbeite. Was nun dey. höheren Unter- riht anlange von den Universitäten seh? er ab, so kenne er das Meter Lyceum ganz genau, und er müsse sagen, daß sih diese Anstalt mit den besten höheren in ganz Deutschland messen könne. Die Abgg. Winterer Und Guerber hätten dur ihre maßlosen Uebertreibungen der eigenen Sache einen sehr shlehten Dienst geleistet, weil durch solche Uebertreibungen der Entschluß, die Sclbstregierang des Landes weiter auszu- dehnen, naturgemäß immer "nehr verzögert werden müsse.

Die Diskussion wurde g&chlossen. Nach einigen persön- lichen Bemerkungen der Abgg. Winterer und Guerber wandte sih das Haus der weiteren Berathung des Etats zu. Zunächst wurde folgender Antrag des Abg. von Bühler (Oehringen) zur Debaite gestellt:

Der Reichstag wolle bes{ließen: den Fürsten Reichskanzler zu erfuéen, einen europäischen Staatenkongreß zum Zwecke der Herbeiführung einer wirksamen allgemeinen Abrüstung, etwa auf die durhs{nittlihe Hälfte der gegenwärtigen Friedentstärke der euroväiscen Heere für die Dauer von vorläufig 10 bis 15 Jahren zu veranlassen. :

Der Abg. von Bühler (Dehringen) befürwortete feinen Antrag. Er sei kein Humanitätsapostel, aber alle Volk3- wirthe, alle denkende Menschen seien darin einig, daß die fortwährende Konkurrenz in der Steigerung der Militär- ausgaben in Europa die Völker nothwendig zum Bankerott führen müsse, ja theilweise \{chon geführt habe. Es würden jährlich etwa 3000 Millionen dazu verausgabt, und auch der hochverehrte Feldmarschall Graf Moltke Habe wiederholt betont, daß diese Ausgaben in der That eine {were Last seien. Derselbe habe gesagt, daß man in Deutschland einen bewaffneten Frieden noch 50 Jahre haben müsse, aber auch, daß, wenn Deutschland einig und gerüstet, dann der Friede für Europa gesichert sei. Nun, Deutschland sei einig und sei gerüstet, ja Deutschland fei in Bezug auf K1aggsbereitschaft die stärkste Nation in ganz Europa. Aber es “fe niht wie bisher weitergehen, und das sei der Grund sei S Vorschlages. Daß mit einfachen idiplomatischen Verhandlui"s nit geholfen werden könne, sei selbstverständlich, aber wenn \o1e Sache ernsthaft in die Hand genommen würde, wenn der große Staatsmann, der Deutschlands Geschicke lenke, sie in die Hand nähme, dann müsse es möglich sein, daß etwas erreiht würde, dann müßten aus einem Kongresse reife Vorschläge hervorgehen. Deutschland solle ja nit abrüsten, es folle nur mit einem Friedensantrage hervortreten. Oesterreich, ershöpft, wie es sci, werde sih dem gern anschließen. Rußland nach seinen großen und {weren Kämpfen ebenfalls. Was Frankreich angehe, so sei das frei- lih ein sCwieriger Punkt, aber auch dort wehe dieser Frie- denshauch, und jollte ja cin Staat die Abrüstung nicht wollen, nun, so müßte Deutschland gerüstet bleiben, aber nicht fo, daß man 50 Jahre lang die Milliarden weiter ausgebe, fondern daß man bald wisse, woran man mit dem betreffenden Staate fei. Er wünsche, daß der Reichskanzler das Jdeal erreichen möchte, die Vereinigung der Völker in Frieden zu erreichen.

Ein St&hlußantrag wurde abgelehnt.

Der Abg. Sonnemann gab seiner Freude über den vor- liegenden Antrag Ausdruck, weil er unter Anerkennung aller Schwierigkeiten der Ausführung der Meinung sei, daß au die Militärfrage auf internationalem Wege geregelt werden könne. Wie s{wierig jedoch die Ausführung fei, gehe schon daraus hervor, daß der Antragsteller sich nicht darüber ge- äußert habe, wie er sie sich denke. Wenn die Abrüstung auf die Hälite des Präsen: standes, z. B. dadurch erzielt werden sollte, daß die Rekrutirung des Kontingents um so viel ver- ringert würde, so wäre er der Leßte, der dies gutheißen würde, weil darin eine Schwächung der Wehrkraft der Armee überhaupt liegen würde. Möglich wäre eine Reduktion unter gleichzeitiger Herabseßung des Präfenzstandes und der Dienst- zeit. Jn zwei Jahren laufe das Septennat ab; da jede Aen- derung im Militärwesen auf erheblihe Schwierigkeiten stoße, so könne man nit früh genug daran denken, wie fich das- felbe nah dem Septennat gestalten solle. Es sei gut, daß man sich jeder Zeit rergegenwärtige, daß der Militäretat im fortwährenden Steigen begriffen sei. Man möge fich erinnern, wie man in Bayern für eine Herabseßung des Militäretats eintrete. Man Habe doppelt Grund, im Reichstage, welchem noch Steuervorlagen vot enormer Höhe in Aussicht ständen, die Frage zu diskutiren. Auf leßtere dürfe man fich nicht eher einlassen, ehe man wisse, wie nach Ablauf des Septennats die Militär- verhältnisse geregelt werden sollten. Die Hülfe, welche die Schußzölle schaffen sollten, sei problematisch; Hülfe sei nux durch Herabsetzung des Militäretats zu erhoffen Das Haus habe zwar bei der Budgetberathung vom Abg. Ricert gehört, daß die Ausgaben für den deut- schen Militäretat niht so übermäßig hoch feien, da Frank- rcich 710, Rußland 690 und Deutschland nur 350 Millionen für Militär und Flotte ausgebe, aber ihm scheine es nit angezeigt zu jein, das Heer und die Flotte zusammenzuwerfen, denn in den anderen Löndern mit großem Kolonialbesitß seien dafür andere Berhältnifse maßgebend. Wenn er die Ausgaben für die Armee allein nehme, jo finde er nach dem Handbuch von Ed. Pfeiffer, daß in Frankreich die Ausgabe 461, in Deutschland 419, in Oesterreich 208, in Großbritannien 331 Millio- ren betrage. Dazu komme, daß so große Naturalleistungen wie in Deutschlaud in Frankreich für das Heer absolut nicht verlangt würden, au so bedeutende Steucrexemptionen dort nicht statt- fänden. Man werde ferner uicht leugnen fönnen, daß die deutshen Grenzen nach Westen jeßt wesentlich verbessert seien ; Deutschland habe einer doppelten und dreifachen Festungs- gürtel, und dennoch denke man uicht an die Herabseßung des Militäretats. Die Verhältnifse ie: Westen lägen gegenwärtig ciner friedlicheren Gestaltung der Dinge jedenfalls nit un- günstiger als früher, als noch ein Militär an der Spiße des Staates gestandeit habe. Er jei der Ansicht, daß dur eine bessere Vorbildung der Jugend an der Dienstzeit gespart werden könnte, und das bei fürzerer Dienstzeit und kleinerem Präsenzstande die Wehrkraft und Schlagfertigkeit Deutschlands noch verstärkt werden könnte, Auch bei den Ar Pan {ür die Offiziere könnten vielleidt Ersparnisse gemaccht werden. Vielleilt empfehle es si, eine Konmission einzuseßen, welche die einshlägigen Verhältnisse untersu ke, und zwar inr Zu- tammenhange mit der Frage der Steuc“erhöhung, Es seien jo viele Enqueten eingeleitet, leite man also’ aud# einmal eine Enquete ein, welche praftishe Zwecke verfolge. |

Ver Abg. Dr. Hänel bemerkte, die Kommissiork, welche die

möglichen Ersparnisse beint Militär-Etat feststellen solle, sei

bereits vorhanden. würden, \o liege xe Schuld nur an der Regierung und der Majorität dieïcs Hauses. So lange das Septeanat der Frie- denspräserzstärke bestehe, würden erhebliche Ersparnisse nicht gemacht werden können. _ t könne man nur fromme Wünsche äußern, praktishe Maßregeln könne man nicht dur@feben. D ihm der diesem Antrage zu Grunde liegende Gedanke sympathisch sei, so sei er ihm doch in der vorliegenden orm niht genehm. Keine Groß- macht könne einen folhen Staatenkongreß berufen, ohne daß sie die Garantie habe, daß ihn alle Großmächte beschickten und daß fie mit ihren Vorschlägen nicht in der Minorität bleibe. Erinnere man sih doch der allerdings wohlverdienten Demützigung, die Rußland als Einberufer eines internatio- nalen Kongresses zur Milderung des Völkerrechts in Kriegszeiten erfahren habe. Er gebe zu, daß eine erheblihe Abrüstung nur auf internationaler Basis erzielt werden könne, möchte aber konstatiren, daß das in gewissem Umfange auch von der Reichsregierung ein- seitig geshehen könne. Zudem finde er (Redner) es äußerst inopportun, in diesem Augenblicke einen so vertrauensvollen Antrag an den Reichskanzler zu richten, der bestrebt sei, durch seine innere Politik die Nation zu isoliren und die Gemein- samkeit des freien Handels und Verkehrs zwischen den Nationen aufzuheben. Er bemerke zum Schluß, daß diefer Antrag kein idealistisher sei, sondern auf der realistishen Anschauung beruhe, daß die Völker die materielle Last der steten Kriegs- bereitshaft auf die Dauer nicht zu ertragen vermöchten.

Der Abg. Dr. Reichensp@ger (Crefeld) erkannte die ideale Bedeutung des Antrages von Bühler an, trug aber doch Bedenken, demselben zuzustimmen, da der Antragsteller so zu sagen mit Siebenmeilenstiefeln vorangegangen sei; allerdings nöthig sei die Frage, ob noch weiter die stets steigenden Militärlasten das Mark der Völker in Friedenszeiten verzehren dürften; und daran seien alle Länder in gleihem Maße interessirt. Er hoffe, daß in den maßgebenden Kreisen das Gefühl herr- schend sci für den Nothstand des Volkes und daß die Lasten niht größer bemessen würden, als absolut nöthig sei. Dem Antrage könne er nicht zustimmen. Hierauf wurde derselbe fast einstimmig abgelehnt.

Alsdann wurde die Etatberathung fortgeseßt, und zwar wurden die Spezial-Militäretats von Preußen, Sachsen und Württemberg unbeanstandet genehmigt, soweit sie niht der Budgetkommission zur Vorberathung überwiesen waren. Zu Kapitel 17 (Militärgeistlichkeit) wies der Abg. Richter (Hagen) auf das Bestreben der Militärverwaltung hin, Stellungen mit Dienstwohnungen zu fkreiren. Namentlich die Festungen, z. B. in Erfurt und Minden verwende man disponibel ge- wordene Viilitärgebäude zu Dienstwohnungen, anstatt sie zu veräußern. Die Frage der Dienstwohnungen müsse generell geregelt und von der Budgetkommission bei dem Kapitel „Wohnungsgeldzushüsse“ erörtert werden. Titel dürften nur vorbehaltlich der Konsequenzen diefer Be- une bewilligt werden. Diesem Vorbehalt stimmte Abg.

idert zu.

Bei Kap. 19 (höhere Truppenbefehlshaber) \sprach der Abg. Wöllmer das Bedauer| aus, 1daß sich namentlich zur Zeit der leßten Wahlbewegung militärishe Behörden* in un- befugter Weise in die politischen Kämpfe eingemischt hätten. Redner bezog sich hierbei auf einen ia Beeskow vorgekomme- nen Fall, wo den Soldaten der Besuch eines Lo- fals verboten sei, weil daselbst angebli*ßh Sozialdemokraten verkehrten, obwohl der Polizeibehörde von diesem Umstande nihts bekannt gewesen sei. Redner wünschte, die oberste Militärbehörde solle keinen Zweifel darübér lassen, daß es ihr Wille sei, daß die Angehörigen der deutschen Armee sich von den politishen Händeln der bürgerlichen Parteien fern hielten.

Der Bundesbevollmächtigte, General - Lieutenant von Voigts-Rhet erklärte, die Armeeverwaltung theile durchaus die Anschauung des. Vorredners, daß die Armee sih von jeg- lichen politischen Agitationen fern zu halten habe. Wenn aus Gründen der Disziplin ein Lokal verboten werde, so könne sich die Heeresverwaltung nicht auf weitere Erörterungen einl-Fen, ob das Lokal gut oder weniger gut beleumdet sei. Polizci von Beesfow stelle auch niht in Abrede, daß {!! ZMnann- schen Lokal übelbeleumundete Arbeiterbevölkerung verkehre, sondern sage nur, daß dies ihr niht bekannt geworden sei.

Der Abg. Richter (Hager) erflärte, der leßte Einwand des Vorredners sei sehr schwach, in Beeskow kenne man Jeden, da *brauhe man keine weitläufigen Berichte einzuzichen. Er erkenne aber gern an, daß von der Regierung dec Grundsaß proklamirt sei, man dürfe einem Krämer nicht wegen seiner politishen Gesinnung die militärische Kundschaft entziehen. Der Abg. Bebel habe ja au das Verfahren seiner Partei- genossen in Altona, die nichtfozialistishen Krämern mit der Entziehung der Arbeiterkundschast drohten, desavouirt. Der Fall von Beesïow sei ja für jeden Unbefangenen klar. Der betreffende Rittmeister sei offenbar in seinem Diensteifer zu weit gegangen, weil der General-Feldmarschall von Moltke dort kandidirte, welcher solhe Mittel gewiß nit billige. Der Kriegs-Minister sollte seinen Behörden größere Genauigkeit in der Ermittelung von Thatsachen einshärfen. Hier lägen zwei in ihren Gründen widersprechende Bescheide der Militärver- waltung vor, denen das Attest der Civilbehörde entschieden widerspreche.

Das Kapitel wurde bewilligt.

ZU Kap. 35 (Militärbildungswescn) wies der Abg. Rich- ter (Hagen) auf die Vermehrung der Offizierstellen in diesem Kapitel hin und wünschte Auskunft über den Stand der Er- gänzung des Unteroffiziercorps.

Der Bundesbevollmächtigte General-Lieutenant von Voigts- Nhet erwiderte, daß er das erforderlihe Material zur Be- antwortung dieser Frage zur dritten Lesung bereit halten werde. Die Zahl der Kapitulanten habe in erfreuliher Weise Fire und die der Manquements abgenommen, auch ei ein dauernder Fortschritt in der inneren Ausbildung des Unteroffiziercorps zu konstatiren.

Die Titel 18, 18a., 19 und 20 des Kapitel 37, welche die Retablissementsfonds der Waffen enthalten, beantragte der Abg. Richter (Hagen) an die Budgetkommisfion zu verweisen, weil die Anfertigungskosten geringer geworden seien, über- haupt die par nicht aufgebraht werden könnten - und es in Rücfiht auf die Finanzlage des Staates nicht angezeigt sei, unnöthige Bestände anzusammeln.

Der Antrag wurde angenommen und im Uebrigen das Ordinarium des Militäretats unverändert bewilligt.

Es folgte der Etat der Marineverwaltung.

Z# Lit. 1 der Ausgaben T 36 000 a) bemerkte Abg. Dr, Hänel, er habe eigentli erwartet, daß der Chef dex Admiralität zuerst das Wort nehmen würde,

Die vorliegenden,

(Chef der Admiraliüät !

i

TLenn solhe Ersparnisse nicht gemacht 1 und sei gewissermaßen in Verlegenheit, so zu sazen aus dem

Konzept gekommen, daß der Admiral nicht die erste sich dar- bietende Gelegenheit benuße, um über die s{hrecklihe Kata- strophe vom 31. Mai v. J., bei welcher 300 tapfere Seeleute ihr Leben ließen, endlih die von ganz Deutschland so sehr er- sehnte Auskunst, über die Ursahen Klarheit zu geben. Der Chef der Admiralität habe sich im September vorigen Jahres im Allgemeinen vertheidigt, besonders gegen die Angriffe, welhe gegen sein System, gegen das sogenannte Sysiem Stosh erhoben worden seien. Es sei damals vielleiht berehtigt gewesen, daß fich der Herr Admiral diese Reserve auferlegen mußte. eßt aber nah neun Monaten besiße das Haus offiziell no

Auskunft als das Telegramm vom 31. Mai vom Admiral Batsch, das Haus sei also diesem traurigen Ereigniß gegen- über noch immer ohne jedes faktische Material. Auf drei Dinge sollte sih die UntersuGung hauptsächlich beziehen. Man bemängelte die zu enge Fahrordnung für Geschwader, die falsche Ruderwendung und auch das Kentern. Diese Fragen hätten auch dem Kriegsgerihte unterlegen, aber mau frage und forshe nach fieterlienenbèn Ursachen, welcchze eben: in dem System Stosch liegen sollten. Die Vor- würfe, welhe sich auf das System bezögen, rih- teten sich auf eine Ueberspannung aller Kräfte im Allgemeinen, auf eine mangelhafte Ausbildung von Mann- schaften und Offizieren, darauf daß die technische, die prak- tishe maritime Ausbildung zurüdckbleibe hinter bureaukratischen Anforderungen, daß vernachlässigt würden die Nautik, das Torpedowesen, der Schiffbau, wie der leßtere Mangel sich an dem Kanonenboote „Otter“ in so augenscheinliher Weise manifestirt habe. Fene Kollision vom Mai sei zudem nicht die einzige gewesen, ja im Verlauf von 4 Monaten seien 3 Kollisionen vorgekommen, wie die beim Godwyn Feuer mit dem Panzerschiff „Deutschland“ und eine andere zuvor im Mittelmeer. Es komme hinzu, daß ein praktischer und als tüchtig anerkannter Seeoffizier, welcher in der öffent- lihen Meinung hoch geachtet sei, der Admiral Werner, darum,

wie man allerdings nidt aus offiziellen Nahrichten wisse,

seinen Abschied habe nehmen müssen, weil er sich in Meinungsdifferenzen mit dem Chef der Admiralität befunden habe, und jener hohe Offizier solle hon lange vor- ausgesagt haben, daß eine solche Katastrophe eintreten müsse, wenn man das System niht aufgebe. Auch der Admiral Henk habe sich in einem Gutachten auf das Entschiedenste gegen das System Stosch ausgesprochen, und auch dieses Gutachten werde dem Hause vorenthalten. Es liege ihm durchaus fern, persönlich gegen den Chef der Admiralität einen Vorwurf zu erheben, aber wenn Thatsachen vorlägen, wie die, daß ein so schweres Unheil die deutsche Floite getroffen habe, wenn dieses Unglück zurückgeführt werde auf das Syftem und gewisse Maximen der Verwaltung, dann habe die Nation das Recht, die Ursachen zu erfahren und eine Aufklärung zu fordern, um so mehr, als das Haus vor der Berathung des Etats stehe, dessen

Bewilligung bei vielen doch wohl auch von der dem Hause werden--

den Auskunft abhängig gemacht werde. Er gestehe dabei offen, daß ihm die Forderung gewissermaßen hart ankomme, gegen- über gewissen Fnsinuationen gegnerischer Blätter, welche schon voraussebten, man wolle das Material und das Gutachten des Admiral Henk dem Hause vorenthalten, bis es durch den hresabs{chluß zur Bewilligung des Etats gedrängt werde und ih die Aufregung der Gemüther mehr gelegt und die Sache da- durchŸ einen mehr abstraëten Charakter angenommen haben würde. Er wünschte wohl, daß der Chef der Admiralität sich darüber ausspräche, ob er glaube, daß das Haus mit gutem Gewissen, ohne jedes Material, in die Etatsberathung eintreten könne, oder ob es sih nit vielmehr empfehle, die weitere Berathung auszuseßen, bis der Chef der Admiralität in der Lage sei, dem Hause die gewünschten Erläuterungen und Erklärungen. abzugeben, welche zugleih zu seiner Rechtfertigung dienten. Hierauf erwiderte der Chef der Admiralität, Staats- Minister von Stosch: Er. bedauere die gewünschte volle Auf- klärung über jenes unglüdlihe Ereigniß nit geben zu kön- nen, da das gerichtliche Verfahren noch niht abgeschlossen sei. Dieses Verfahren habe nah den bestehenden Vorschriften un- mittelbar nach dem Ereigniß angefangen; das eigentliche Untersuchungsverfahren sei Ende Dezember zum Schluß ge- kommen, im Januar habe der Spruch stattgefunden und ex liege noch der Allerhöhsten Entscheidung vor. Er habe über das Material selbsi, da das gerihtlihe Verfahren bei dem Garde-Corps hierselbst stattgefunden habe, feine Dispo- sition, keine Kenntniß, und was er davon wisse, ge- hóôre ganz außerhalb seines Ressorts, und er fei gar niht einmal im Stande, selbst wenn er dazu auto- risirt wäre, die - Sache in ihren Details hier mit- zutheilen. Er stehe der gerihtlihen Untersuchung fremd gegen- über. Er vertraue, daß das Haus bei eventueller Kenntniß- nahme der Sache sih Mars werde, daß mehr Unglück wie Fehler der Sache zu Grunde lägen. Er könne auf die einzelnen ausgesprochenen Vorwürfe gegen das System Stosch nicht eingehen. Solle er im Einzelnen den Schiffsbau hier vorführen? Solle er den Vorwurf widerlegen, daß in Deutsch- land die Torpedowissenschaft nicht so weit sei wie anderswo? Sie sei in Deutschland so weit wie anderswo und es gebe keinen Staat, wo sie absolut siher und zuverlässig wäre. Was das Schiff „Otter“ betreffe, so könne niht geleugnet werden, daß die Konstruktion einen Fehler gehabt habe, d. h. einen Fehler für die Aufgabe, die dem Schiffe gestellt gewesen sei. Es follte ein kleines Schiff, fähig in den ostasiatishen großen Flüssen zu manövriren, über den Ozean gehen. Man habe zuerst daran gedacht, das Schiff so herzustellen, daß es auseinander genommen werden könnte; das habe sich aber bei - dem - künstlichen Bau als nicht AEG A gezeigt. Man ‘habe darauf das Schiff konstruirt und habe leider die Ueberzeugung gewinnen müssen, daß dieses leine Boot, das etwa halb so groß sci, als dieser Saal, nicht geeignet sei, über das Meer zu gehen. FJnsofern sei es also ein Fehler; das Schiff werde aber zu den Diensten der Stationen brauhbar sein. Er bedauere aussprechen zu müssen, daß er nit für jeden Fehler im Schiffsbau eintreten könne, das liege außerhalb seiner Funktionen und seiner

Fähigkeiten. Es gebe keine Marine, ja keine Werkstatt, wo -

nit einmal etwas mißrathe. Was den Fall des Admirals Werner anbeträfe, so müsse er darauf verzichten, darüber hier zu sprechen. Es sei ein Aït der militärijchen Disziplin und es sei eine einface militärische Verabschiedung auf das ganz reglementsmäßig abgesaßte Gesuch erfolgt. Darüber, ob die Herren ihm gegenüber den Etat bewilligen wollten, könne er fein Wort verlieren. Er glaube, er habe seine Schuldigkei: gethan und werde fie thun, so lange er auf seiner Stelle sei.

Der Abg. Dr. Hänel erklärte sich dur diese Antwort, die

weiter feine-

Wi?! Taxe von 10 3 in Anwendung kommt.

en Rückzug gegen die im September abgegebene Erklärung deute, nicht befriedigt. Es scheine nicht, daß seit dem Sep- ber der Chef der Admiralität seinen Einfluß geltend ge- aht habe, um dem Hause das Aktenmaterial zugänglich zu achen. Aber das Obergutahten des Herrn Werner, das avaricgutahten des Admirals Henk müsse sich doch bei sei- ¿n Akten befinden. Darauf könne sich doch die Unkenntniß 3 Ministers nicht erstreckn. Er provozire gegenüber den brmalen Erklärungen des Ministers von Stosch auf das rtheil des Hauses, ob eine derartige Methode dem Recht und x Pflicht des Reichstages angemessen sei. j

Der Staais-Minister von Stosch erwiderte, er wolle nur flären, daz die von dem Vorredner bezeichneten Aktenstücke uh zu den Gerichtsakten gehörten. E

Der Abg. Dr. Hänel entgegnete, das. sei keine Antwort !

Der Abg. Dr. Lasker bemerkte, wenn der Minister erkläre,

er heute keine Antwort geben könne, so könne man ja ‘dauern, daß eine solche Untersuhung geheim geführt werden üsse, indessen fei dies das geltende Recht. Darin aber verde ihm der Minister Recht geben , daß ein so shchweres nglück nicht im Geheimen abgemaht werden fkönne. 3 müsse untersucht werden, ob einzelne Personen, oder b Unglück, oder ob beides fkombinirt die Schuld age. Der Minister sage, daß er dem Hause heute keine luskunft geben könne, die Sache gehöre niht zu seinem tessort. Ja, welcher der Herren habe sie denn zu vertreten ? Der Reichskanzler ? der Präsident Hofmann? oder vielleiht Hr. Friedberg? Er wolle auf die technishen Einzelheiten nicht ingehen, was das Haus im populärsten Sinne des Wortes nteressire, sei die Frage, was sei die Ursache dieses großen nglücksfalles, und was könne zur Verhütung von Wieder- holungen gesehen? Er wünsche, daß dem Hause heute ein be- immter Zeitpunkt bezeihnet werde, an dem man sahgemäß perhandeln könne, das Haus würde sonst seine Pflicht vernach- ässigen.

Der Chef der Admiralität Staats-Minister von Stosch rfklärte, er könne nur nochmals sein Bedauern aus\pre{en, daß die Sache noch nicht abgeschlossen sei. Das kriegsretliche Berfahren stelle den Kaiser an die Spiße und überlasse ihm die leßte Entscheidung, ohne daß eine Unterinstanz gehört werde. Die Akten lägen ganz außerhalb seines Ressorts. Er könne ur wiederholen, daß er den lebhasten Wunsch habe, den Herren Alles zur Kenntniß zu bringen, weil er überzeugt sei das dies das Beste wäre. Aber mit seiner Autorität ónne er dafür nicht eintreten, das liege außer- halb der Organisation. Was die beiden Kollifionen heträfe, die er vorher nit berührt habe, so sei ihm eine der- selben, die im Mittelländischen Meere stattgefunden haben solle, iur dur die Zeitungen zur Kenntniß gekommen. Bis dahin sei sie nicht allein ihm, sondern auch selbst den Betheiligten nbekannt gewesen. Man habe eine Kollision gemaät aus, inem einfahen Dichtvorbeifahren, aus dem keinerlei Havarie ntstanden und worüber deshalb auch in keinerlei Akten etwas aufzunehmen gewesen sei. Bei der Kollision mit dem Feuershif an der englishen Küste sei er selbst zugegen gewesen. Das sei am hellen lihten Tage und zwar zur Mittags- unde geschehen. Er habe beim Frühstück gesessen, wie der Offizier der Wache hinunter gemeldet habe, die Kollision werde gleich statt- nden. Das Schiff sei durch eine auffallend starke Strömung gegen

F das Feuerschiff angezogen, ohne in seiner Dampfkraft die Ge- walt zu haben, dem entgegen zu arbeiten. Wäre es statt linïs rechts ausgebogen, so wäre es gerettet gewesen. Das sei ein Mangel an Kenntniß der momentanen Stromverhält- nisse, die sich stundenweise nah Ebbe, Strom und Wind rihteten, und könne darum so hoch nicht angerechnet werden. Aljo die beiden Kollisionsfälle, die aus dem Geschwader im Fahre vorher in die Zeitungen gelangt, seien nah seiner Ueber- zeugung Sensationsnachrihten gewesen, die gebracht seien, um mehr aus der Sache zu machen, als daran wäre.

Der Abg. Dr. Lucius bemerkte, er entnehme der Erklärung des Chefs der Admiralität, daß er bereit sei und den Wunsch habe, dem Hause die Ergebnisse der kriegsgerichtlihen Unter- juchung mitzutheilen. Die Katastrophe sei als ein nationales

nglück empfunden worden, und die Nation sowohl, wie die Marineverwaltung hätten ein Jnteresse daran, daß kein Zweifel

Win dieser Sache bestehen bleibe, daß besonders alle Schluß-

olgerungen, die man daran geknüpft habe, widerlegt würden. [Er habe schon früher angedeutet, ehe das Unglück geschehen ei, daß man vielleiht das maritim-tehnishe Element bei der Organisation nicht genügend berüdcksihtigt habe, weil eben in der höchsten Stelle ein Techniker nicht vorhanden sei. Es sei aber jedenfalls nöthig, daß die Ergebnisse der Untersuhung in

M den weitesten Kreisen bekannt würden.

Der Abg. Dr. Hänel erklärte, er bedauere, daß er dem Abg.

Dr. Lucius in einem Punkte nicht beipflihten könne. Derselbe

habe die Erklärungen des Ministers so verstanden, daß er für seine Person dafür eintreten werde, dem Hause die nöthige volle

Aufklärung zu verschaffen. Gerade umgekehrt habe der Minister

gejagt, er fönne seine Autorität niht dafür einsezen. Gerade

F hier sollte er sie einsezen, um seiner Verwaltung neues Ver- trauen zu gewinnen. Er bedaure, daß das Haus keine

präzije Erklärung erhalten könne; er müsse annehmen, daß

formelle Rücksichten dem entgegenständen. Er beantrage,

Y vorläufig die Berathung und Bewilligung des Tit. 1 -ab- zuseßen. :

_Nathdecm sich der Abg. Dr. Lasker gegen diesen Antrag erklärt hatte, bemerkte der Chef der Admiralität Staats- Minister von Stosch, er wolle nur konstatiren, daß er sich weder für berehtigt noch für verpflichtet erachte, si hier zu rflären in B2zug auf seine Stellung zum Kriegsherrn, und er hätte vorhin {hon bemerkt, daß dies die Autorität sei, welche hier allein zu entsheiten habe.

. Der Abg. Dr. Lucius bemerfte, er müsse sih seinerseits Un Sinne des Abg. Lasker aussprechen, ‘daß das Haus nämlich mit der Berathung des Etats fortfahre. Auf die Angelegen- heiten der Marine zurüccktzukommen, werde sich ja, sei es in dritter Lesung, sei es beim Extraordinarium noch genügende elegeirheit nden. Die Geschäfte des Hauses drängten, in der Berathung fortzufahren. ; _ Die Diskussion wurde geschlossen und nach einer persön- ihen Bemerkung des Abg. Dr. Hänel - der Antrag desselben abgelehnt, worauf sich das Haus um 4 Uhr 40 Minuten bis

Vonnerstag 11 Uhr vertagte.

Die vorm 1. April ab im Weltpostverein zur Er- hebung kommendezz Posttaxen sid bereits veröffentlicht. Wir machen indeß noch befonders darauf aufmerksam, daß für

Waarenproben ini inneren Verkehr Deutschiands, wie im

Weltpostverein, bis zuin Gewicht von 100 g eine einheit- Für Waaren-

j

proben über 100 bis 250 g beträgt das Porto im innern Verkehr Deutschlands gleichfalls 10 5, im Weltpostverein da- gegen 5 „S für je 50 g. Die Vereinigung von Drucksachen und Waarenproben zu einer Sendung if zulässig gegen Ent- rihtung der Taxe für Waarenproben (mindestens 10 4). Die vor einiger Zeit versuchsweise und unter Vorbehalt des Widerrufs getrofiene Bestimmung, wona für die unter Band versandten Kataloge, Vreislisten und sonstigen Drucksachen, wenn denselben Stoffproben oder Zeugmuster beigefügt waren, die Drucksachen-Taxe zu berechnen war, is durch die Fest- seßzungen des Weltpostvertrages aufgehoben.

Mit dem gestrigen Tage hat der erste diesjährige militärärztlihe Operations- resp. anatomische Kursus, welcher bis zum 31. d. M. dauert, begonnen und and die zu demselben kommandirten Assistenz-Aerzte hier ein- getroffen. y

Se. Durhlaucht der Prinz Friedrich von Hohenzollern, Oberst-Lieutenant und Commandeur des 2. Garde-Dragoner-Regiments, ist nah beendigtem Urlaub hierher zurückgekehrt.

Der General-Lieutenant von Wichmann, Com- mandeur der 16. Division, welcher vor einigen Tagen zur Abstattung persönliher Meldungen hier eingetroffen war, ift wieder abgereist.

Königsberg, 11. März. Der zweite Landtag der Provinz Ostpreußen ist heute von dem Königlichen Kom- missarius Ober-Präsidenten von Horn mit folgender An- sprache eröffnet worden :

Hochgeehrte Herren! L

Nacd:m tas erste Verwaitungsjahr der neu geschaffenen Provinz Ofipreußen nahezu zum Abschluß gelangt ift, hat sib die Nothwen- digkeit Jhrer Berufung ergeben, damit Sie durch Jhce Befclüsse die Grundlagen für eine weitere Thätigkeit der verwaltenden Organe des Provinzial-Verbandcs hafen, die gedeihlihe Entwickelung des Begonnenen ermözlihen und die Normen zur Lösung derjenigen Aufgaben bestimmen, welche der kommunalen Selbstverwaltung tes Provinzialverbandes bereits seither gestellt waren oder neu gestellt worden sind.

Ich heiße Sie hiezu her:lih willkommen.

Die Erwartungen, welhen ih bei der Eröffnung des ersten ostpreußis&en Provinzial-Landtages dahin habe Auétdruck geben dürfen, daß es Ihnen gelingen werde, die provinzielle Selbstverwaltung inner- halb der räumli enger gezogenen Grenzen des Provinzial-Verbandes von Ostpreußen in ersprießlicher Weise weiter zu entwickeln, und das neue Gemeinwesen gesteigerter Blüthe und Kraft entgegen- führen zu helfen, haben si im Laufe dieses ersten Verwaltur géjahres, soweit dies in dem verhältnißmäßig kurzen Zeitraum eines Jahres überhaupt mögli ist, in vollem Umfange erfüllt. Dank der emsigen und umsihtigen Thätigkcit der vermraltenden Organe des Provinzial- Verbandes dürfen Sie mit Befriedigung auf die Ergebnisse der Verwaltung dieses Jahres blicken. Die Grundsäße, welche bei der Verwaltung der provinziellen Angelegenheiten als leitend festzuhalten bleiben, sind an der Hand der gemahten Erfahrungen berihtigt und in einer Weise festgestellt, welche die wünshenswerthe und unerläß- liche Stetigkeit der Verwaltung verbürgt, und auf allen Gebieten der Verwaltung is eine wesentlihe und erwünschte Förderung in den, durch ihre Bes(lüsse gezogenen Grenzen und bei Einhaltung der bereitgestellten Mittel erreiht worden. i #8 h

Mit bescnderer Befrietigung darf ih darauf hinweisen, daß es gelungen ist, nab unerwünschter, durch die {webende Frage der Theilung der früheren Provinz Preußen veranlaßter, Verzögerung, die Angelegenheit wegen Deckung der - den Kreisen der Provinz zu zahlenden Chaufseebauprämien durch günstige Effektuirung der An- ang von 2216 000 Æ zu ihrcm vollen und befriedigenden Abschluß zu bringen. /

Nicht minder erfr-ulich ift es, daß die Einlôsung der gekündigten Obligationen der Provinzial-Hülfskasse der früheren Provinz Preußen sih ohne Hinderniß und oyne Opfer Seitens des Provinzial-Ver- bandes vollzogen hat, und daß in Fclge des inzwischen ertheilten Allerhëcbsten Privilegiums zur Verausgabung von Suldverschrei- bungen der Provinz in Höhe von 3 000 000 4 der Provinzial-Hülfs- fasse die erforderlihen Mittel gesichert sind, um berechtigten, an die- selbe herantretenden Ansprüchen genügen zu fönnen. A

Die Bemühungen des Provinzial-Auëshufses, zu einem endgül- tigen Auëgleiß mit dem Provinzial-Verbande der Provinz West- preußen zu gelangen, und die, nah den §8. 29 und 32 des Ueberein- kommens vom 13. Juni bezw. 13, Oktober 1877 in gewissen Be- ziehungen noch fortdauernde Gemeinschaft durch Vereinbarung und ratenweise Zahlung eines entsprehenden Betrages Seitens des Pro- vinzial-Verbandes der Provinz Westpreußen aufzuheben, werden von Ihnen gutgeheißen werden. Wenn diese Verhandlungen gegenwärtig auch noch nit zum Abschluß haben gebracht werden können, fo sind dieselben doch geeignet, einen in jeder Beziehung wünschenëwerthen Ausgleich in nabe Ausficht zu stellen. l :

Auf dem Gebiet des Landarmenwesens werden Sie über cine Abänderung der Bestimmung des Reglements vom 29. Dezember 1876, betreffend die Art der Aufbringung der Landarmenbeiträge zu beschließen und die gedahte Bestimmung mit den Vorschriften der Provinzial- Ordnung in Einklang zu bringen haben, was jedenfalls durch Gründe der Zweckmäßigkeit geboten erscheint. Auch wird der Anspruch auf Bewilligung eines weitercn Betrages zum Auëbau des Schlofses zu Tapiau behufs Erweiterung und- Vermehrung der zur Aufnahme von Korrigenden bestimmten Räume an Sie herantreten. Jh kann diese Forderung nur auf das Angelegentlihste Jhrer Berücksichtigung empfehlen, da die Erweiterung jener Räume dringend erforderlich ist, wenn den geseßlihen Mafßmahmen zur Bekämpfung der Arbeits- scheu und der daraus folgenden Uebertretungen und Mißstände volle Geltung und Wirksamkeit verschafft werden soll. : :

In Betrcff der in Anregung gekommenen Gründung einer \. g. JFrrenfolonie wird Ihnen über die inzwischen gepflogenen Verhand- lungen von Ihrem Aus\{usse Bericht erstattet und damit zu wei- teren, die Angelegenheit fördernden Beschlüfsen Anlaß gegeben werden.

Auf tem Gebiet der Fürferge sür d n Unterricht taubstummer Kinder wird Ihre Mitwirkunz zur Umgestaltung der Taubstummen- \{chule zu Braunsberg, welche inzwishen in Folge Jhrer früheren Beschlüsse auf den Provinzial-Verband übergegangen ift, sowie zur Vermehrung der Freistellen bei den bereits bestehenden Anstalten in Königéberg und Angerburg in Anspruch genommen werden. Sie werden die Dringlichkeit des Bedürfnisses an der Hand der Ihnen gebotenen Nachweise über die Zahl der in unserer Provinz vor- handenen taubstummen Kinder und der Zahl derjenigen, welche gegenwärtig eines geordneten Unterrichtes entbehren, selbst zu ermessen in der Lage sein, und sich kei Ihrea Beschlüssen von der früher be- thätigten Theilnahme für das Locs dieser Kinder und von dem Be- streben leiten lassen, denselben die für ihr Wohl und Fortkommen erforderlihe Erziehung und Unterweisung zu fichern. :

Ein erheblicher Theil Ihrer Zeit und Arbeit wird dur die Sorge für die Vermehrung: und Verbesserung der Kommunikations- mittel unserer Provinz und durch die Unterstüzung der hierauf- gerichteten Bemühungen kleinerer korporativer Verbände bearspruht werden. Sie werden zu erwägen haben, ob zum weiteren Ausbau des Chausseeneßes Mittel neu zu bewilligen sind. Sie werden ferner aegenüber dem zweifelhaften Erfolge der nah Ihrem Beschlusse vom 5; April v. Js. von dem Provinzial-Auss{uß über die Uebernahme der Verwaltung der Provinzial-Chaufseen mit den Kreisen ange- knüpften Verhandlungen die Fraze zu enisheiden haben, ob diese Verhandlungen fortzuseßen, oder ob auf die weitere Verfolgung des gedachten Beschlusses Verzicht zu leisten sci; ein Verzicht, welcher viclleibt im Hinblick auf die Vorzüge ciner einheitlichen Leitung zu empfehlen ist,

Außerdem bleibt über die von dem Provinzial-Aus\{ußÿ vor- bereiteten Normativbedingungen, betreffend den Bau von Kieschausseen und die Bewilligung ven Prämien für Herstellung solcher Straßen Be- {luß zu fassen, und über die Verwendung der zur Förderung des Bemeinde- Wegebaues bereit zu stellenden Mittel Entscheidung zu treffen. Die Regelung dieser für die Hebung der Erwerbsvezrhältnifse der Provinz hohwi{htigen Angelegenheiten wird wesentlich dazu beitragen, eine feste Grundlage für die Verbesseruna der Kommunikationsmittel zu bieten, binsichtlih deren unsere Provinz noch weiterhin der kräftigen, einsihtigen und cinmütbigen Thätigkeit aller berufenen Organe des Provinzial-Verbandes und der Kreis-Verbände bedarf, um vorhandene Mängel zu beseitigen

Durch das Geseß vcm 13. März v. J., betreffend die Unterbringung verwahrloster Kinder, if die Zahl der dem Previnzial-Verbande Üüberwiescnen Gegenstände um eine Aufgabe crweitert, welche Anzesihts vieler bedauerlihen Wahrnehmungen von hoher Bedeutung ersheint. Der Pro- vinzial-Auss{uß hat die zur Ausführung des Gese8es erforderlichen Maßnahmen und Spezialvorschriften mit dec der Wichtigkeit der Sache entsprechenden Sorgfalt vorbereitet, und Sie werden fi über die bezüglihen Vorlagen zu entscheiden haben. Wenn der Provinzial- Ausschuß, den Bestimmungen des Gesetzes folgend, in erster Reibe die Unterbringung v-rwahrloster Kinder in geeigneten Familien in Aussicht genommen hat, fo ist damit der Weg eingeschlagen, welcher sich bei der Nothwendigkeit einer \{leunigen Vorsorge ¿ur Aus- führung des Gesetzes als der nächstliegende empfahl; es wird aber an der Hand der Erfahrung ein sicheres Urtheil darüber zu gewinnen sein, ob nit die Unterbringung vernahrloster Kinder in eigenen, für fie eingerichteten Anstalten zu sicherer Erreihung des Zweckes den Vorzug verdient und in Aussfiht zu nehmen bleibt.

In bervorragendem Maße wird der für das näbhste Ver- waltungsjahr entworfene Etat Sie beschäftigen. Derselbe ist nur für ein Jahr berechnct; es bietet sih aber die Frage dar, und ich gebe Ihrer Erwägung anheim, ob niht die Feststellung des Provinzialhaushalts-Etats für zwei Jahre thunliß und rathsam und diese Einri@&;tung gleih jeßt oder doch vom Ablaufe des nächsten Etatsjahres ab zu beshli:ßen wäre, was dann zur Folge hâtte, daß der Provinzial-Landtag ni&t nothwendiger Weise alljährlih berufen werden darf. p

Der Ihnen zugehende Etatétentwurf läßt die Absicht einer wirt5- schaftlichen Verærendung der verfügbaren Mittel erkennen, und zu- gleich die erfreulihe Thatsache hervortretea, daß na voller Befrie- digung der Anforderungen materieller Natur auh auf die Förd:rung und wirksame Unterstüßung intellektueller Intereffen und der Be- ftrebungen zur Bekämpfung von Nothständen auf fozialem Gebiet hat Bedacht genommen werden können. Jch empfehle die hierauf bezügliwen Vorschläge auf das Wärmste Ihrer wohlwollenden Bes rücksi{tigung.

Von Seiten der Königlihen Staatsregierung wird Jbnen der Entwurf eines Gesetzes wegen Abänderung des revidirten Statuts dcr Allensteiner Kceiskorporation für Meliorations8anlagen zur Be- gutachtung vorgelegt werden. Außerdem wird in Betreff gewisser, von Ihnen zu vollziehenden Wablen, nämlich von Mitgliedern der beiden Bezirks*Verwaltungsgerichie und von Mitgliedern der Ober- Ersatkommissionen, eine Mittheilung an Sie gelangen.

Kraft Allerh¿hster Ermäcbtigurg erkläre ih den zweiten Oft- preußischen Provinzial-Landtag für eröffnet.

Oesterreich-Ungarn. Wien, 11. März. (W. T. B.) Die „Polit. Korresp.“ meldet aus Konstantinopel vom 10. d.: Der russishe Botschafter Fürst Lobanoff hat die Erwiderung der Pforte auf seine jüngste Note bezüglich des Tocqueville’shen Anlehen sprojektes mit einem neuen Schriftstück beantwortet, in welchem er seinen früheren Stand- punit, betreffend die Priorität Rußlands vor neuen Anlehen, aufrecht erhält. Der ehemalige Minister des Auswärtigen, Server Vascha, ist zum General-Gouvernéèur von Trapezunt ernannt worden.

Pest, 11. März. Jn der heutigen Plenarsißung der RNeichsrathsdelegation wurden die Anträge des Budget- ausschusses bezüglih der Fndemnität für die Ueberschreitung des 60-Millionen-Kredits im Fahre 1878 um 41/19 Mill. Fl., sowie bezüglih des Okkupationskredites pro 1879 angenommen. Ebenso wurde der von der Regierung verlangte Nachtragskredit pro 1878 im Betrage von 5 Millionen, entgegen dem Antrage des Ausschusses, mit 25 gegen 22 Stimmen genehmigt.

Belgien. Brüssel, 11. März. (W. T. B.) Die mit der Prüfung des Budgets für das Ministerium der auswär- tigen Angelegenheiten beauftragte A btheilung der Reprä- sentantenkammer hat sich mit fünf gegen eine Stimme für die provisorisch€& Aufrechterhaltung der bel- gischen Gesandtschaft beim Vatikan ausgesprochen.

Frankreich. Paris, 11. März. (W. T. B.) Der Präsident Grévy hat heute Vormittag ein Dekret, be- treffend die Begnadigung von 151 wegen Theilnahme an dem Kommuneaufstande im Jahre 1871 verurtheilten Personen, unterzeihnet. Unter den Begnadigten befinden sich der ehemalige Deputirte Ranc und der berühmte Geo- graph Elisée Reclus. i s

Der Justiz-Minister Leroyer hat den Präsidenten des Tribunals in Bayonne wegen Theilnahme an einer bonapartistishen Kundgebung vor die Disziplinar-Abtheilung des Kassationshofes citirt.

Spanien. Madrid, 11. März. E T. B.) Der neu ernannte Ministcr der auswärtigen Angelegenheiten, Mo [ins, wird morgen von Paris hier erwartet. Tie „Correspondencia' be- stätigt die Nachriht von der Ernennung Manuel Silvela's zum Gesandten in Paris an Stelle Molins. Die amtliche „Gaceta“ veröffentliht ein Rundschreiben des Ministers _ des Jnnern Silvela, in welchem dieser die Ansichten des Kabinets bezüglih der bevorstehenden Neuwahlen ausein- ander seßt. Der Minister fordert gleichzeitig seine Untergebe- nen auf, bei- den Wahlen die Freiheit der Abstimmung ficher

zu stellen.

Türkei. Konstantinopel, 11, März. (W.. T. B.) Der Admiral Hornby hat die Weisung erhalten, mit detik britishen Geschwader morgen nach der Besika-Bai zurück- zusegeln,

Bulgarien. Tirnowa, 11. März. (W. T. B.) Von türkishen Einwohnern aus Dartes, im Distrikte Osmanbazar, ist ein Angriff auf Kosaken gemacht worden, wobei meh- rere der leßteren getödtet wurden. Die Russen haben in Folge dessen eine Abtheilung Truppen mit Artillerie nah dem gedachten Distrikte zur Wiederherstellung der Ruhe ab- gesendet.

Nußland und Polen. (W. L. B)

St. Petersburg, 11. März. Die Kaiserlichen Herrschaften werden sich wie dies bereits als in Aussicht genommen gemeldet war, am 29. d. M. nah Livadia begeben. Der Gehülfe des Reichskanzlers Fürsten Gortschakoff, Geheimer Rath Giers, wird den Kaiser begleiten,

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