1879 / 66 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 18 Mar 1879 18:00:01 GMT) scan diff

mungsftation durch Sanitätskommissionen untersuht werden sollen, und daß diese Untersuhung bei Fischsendungen, da diese zur Zeit des Thauwetters unterwegs verdorben sein können, selbst dann einzutreten habe, wenn die Sendungen bereits in Zarizyn einer Untersuhung unterzogen worden sind.

Der zweite Gegenstand der Tagesordnung betraf die Quarantänemaßregeln bezüglih der Arbeiter, welche aus dem Sanitätscordon in der Provinz Astrachan entlasscn zu werden wünschten, um in dem Fischereigewerbe beschäftigt zu werden. Da es si hierbei um eine Zah! von nahezu 10 000 Arbeitern handelte und eine gleichzeitige Quarantäne derselben, wenn auch unter Vertheilung an den beiden, dafür zur Ver- fügung gestandenen Punkten, {wer ausführbar, auch mit Gefahren in sanitätlicher Beziehung verbunden gewesen wäre, so gelangte die Kommission zu dem bereits anderweit bekannt gewordenen Beschlusse, eine größere Anzahl von temporären Quarantänestationen längs des Sanitätscordons an beiden Ufern der Wolga errichten zu lassen, übrigens aber um thun- lichst viele Personen an Ort und Stelle zurüWzubehalten, in den Dörfern innerhalb des Cordons bekannt machen zu lassen, daß die demnächst beginnenden Assainirungsarbeiten eine große Zahl von Arbeitskräften erfordern würden.

Den dritten Gegenstand der Tagesordnung bildete die Prüfung der Reglements, betreffend die Organisation der Sanitätskommissionen auf den Eisenbahnstationen.

Nah einem Telegramm des Grafen Melikoff, vom 13, d. M., beabsichtigte die Abschäßungskommission, nahdem das leßte der infizirt gewesenen Häuser des Dorfes Prifchib am 11. d. M. niedergebrannt worden, si Tags darauf nah dem Dorfe N ikolkskoj zu begeben.!

© Die Rede, welche in der gestrigen (21.) Sitzung des Reichstages der Bevollmächtigte zum Bundesrath Staats- Minister Graf zu Eulenburg bei Gelegenheit der Be- rathung der Anordnungen, welche von der Königlich preu- ßishen Staatsregierung mit Genehmigung des Bundesraths gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie getroffen worden sind, gehalten hat, ist in der Ersten Beilage abgedruckt.

Im weiteren Verlaufe der gestrigen (21.) Sizung seßte der Reichstag die zweite Berathung des Etats pro 1879/80, speziell die Einnahme der Zölle und Verbrau ch s - steuern fort. Der Abg. Stumm vertheidigte die Eisen- enquete-Kommission gegen die besonders vcm Abg. Richter (Hagen) vorgebrachten Angriffe; er müsse den aufgestellten Be- hauptungen widersprechen, sonst heiße es nachher, die Dinge jeien bei jeder Gelegenheit ohne Widerspruch gesagt worden, also seien sie wahr. Die „Freihandelskorrespondenz“ habe ge- meint, er (Redner) habe gegen die Angriffe sahlich nihts vor- ebracht ; dagegen sei do bekannt, daß er auf Mahnung des Präsidenten damals seine Rede abzubrechen gezwungen sei. Der Abg. Sonnemann habe auf die Verschiedenartigkeit der Enqueten in Frankreih und England aufmerksam gemacht; in England verläsen die Sachverständigen ihr Material, ohne daß eine mündliche Diskussion möglich sei; und in Frankreih seien die Enqueten zum Theil ebenfalls nicht öffentlich gewesen. Man habe hier das Richtige der englischen und französishen Enqueten zu verbinden gesucht; die Veffent- [lihfeit sei dadurch gewahrt, daß Stenographen zugezogen! und die Protokolle gedruckt seien, so daß sie dem Reichstage even- tuell mitgetheilt werden könnten. Außerdem habe eine münd- liche Vernehmung stattgefunden, so daß im Kreuzverhör die einzelnen Fragen genügend klar gestellt werden konnten. Uebrigens seien die Exemplare der Protokolle niht so geheim gehalten worden; jedes Kommissionsmitglied und jeder Sach- verständige habe ein vollständiges Exemplar derselben erhal- ten; und wenn einer der Herren auch nur den leisesten Wunsch ausgesprochen hätte, so wäre er bereit, ihm die Pro- tokolle zu geben; (Abg. Richter-Hagen: Er melde sih dazu !) nur müsse er dann so lange warten, bis sie ihm von Haufse geschickt seien. Eine zeugeneidliche Vernehmung, wie dies in England üblich sei, habe allerdings nicht statt- gesunden, dazu hätte ein Geseß gehört, welches der Kommission ein Recht dazu einräumte;/ und bei der Tabakenquete habe si der Abg. Richter selbs gegen die zeugeneidlihe Verneh- mung ausgesprochen. Uebrigens sei die Vereidigung gar nicht nothwendig, denn die Aussagen der Sachverständigen z. B. über ihre Vcrkaufspreise könnten leiht kontrolirt werden nach ihren Preiskouranten 2c. Man habe dann von der einseitigen Auswahl der Sachverständigen gesprochen ; man scheine dabei von einer ganz falschen Ansicht darüber auszugehen, wozu denn die Kommission berufen wäre; sie sollte keineswegs eine Zollvorlage ausarbeiten, sondern nur Material schaffen über die Lage der Eisenindustrie. Hätte die Sache so gelegen, daß vorgeschlagen wer- den sollte, ob und ein wie hoher Zoll erhoben werden solle, dann hätte man nicht die Jnteressenten vernehmen dürfen, sondern auch Leute, die kein Jnteresse daran hätten, also auch vielleicht den Abg. Richter (Hagen), der dabei nicht interessirt sei, derselbe spreche ja nur bei Sachen, bei denen er kein Interesse habe ; da derselbe aber über Alles spräche, so habe er also an allen Dingen kein persönliches Jnteresse. Es sei ja sehr peinlich, wenn man in Dingen, die ein persönliches «Fnteresse repräsentirten, \prehen solle; es sei ja ein erheblicher Grund dafür, daß so wenig Juteressevertretung in Deutschland zu finden sei, darin zu suchen, daß die meisten Leute sih schämten, da in öffentlihen Angelegenheiten aufzutreten, wo dieselben mit ihrem Privatinteresse zusammen- fielen. Von den 46 Sachverständigen, die vernommen seien, seien 16 aus Rheinland und Westfalen, 6 aus Schlesien, 4 aus Elsaß - Lothringen, 5 aus Mittel-, 5 aus Süd- und 10 aus Norddeutshland gewesen. Die Landestheile, welche kein Eisen produzirten, seien also erheblicher betheiligt, als die cigentlihen Eisenindustriebezirke. Die Kleineisenindustrie solle niht genügend berücksihtigt sein; sie habe indeß keine so große Bedeutung, daß sie durch zwei Sachverständige nicht ge- nügend vertreten sein sollte. Der eine derselben solle nun der einzige Schußzöllner im Kreise Hagen gewesen sein. Nun die Wähler des Abg. Richter seien keineswegs alle mit seinem wirthschaftlichen Programme einverstanden, derselbe e sich nur beim Centrum danach erkundigen. Aus der Land- wirthshaft habe man zwei hervorragende Vertreter der- selben vernommen aus Norddeutschland, einen aus Viitteldeutshland und einen aus Süddeutschland. Der leßtere sei in der Person des Abg. Frhr. von Frankenstein ausge- wählt gewesen, habe jedo abgelehn ; man habe sich darauf an Hrn. Ramm in Stuttgart, Mitglied der württembergischen Kammer gewandt; sofort sei die öffentlihe Meinung bereit, denselben zu verdächtigen, er solle ein Beamter des Hrn. von Varnbüler sein. Eisenhändler seien vernommen aus Stettin, Berlin, Hamburg, Frankfurt a. M., Mainz und Dortmund ;

dem aus Stettin werfe man aber vor, er sei ein Agent der Laurahütte; derselbe bezöge von dort sein Eisen, wie mancher Andere; Hr. Seele sei keineswegs als Schußzöllner bekannt gewesen ; der damalige Generalsekretär der Kaufmannschaft in Stettin, jeßige Redacteur der „Freihandelskorrespondenz“, Hr. Brömel, habe si selbst an Hrn. Scheele um Auskunft über die Lage des Eisenhandels gewandt. Damals sei man von der Objektivität des Hrn. Steele überzeugt ge- wesen, jezt nicht mehr. Ob das eine erlaubte oder glücklihe Kampfesweise sei, lasse er dahingestellt. Die FJndustriellen sollten sich nun haben einpaufken lassen; wenn jemand 60 bis 80 Fragen beantworten solle, so müsse er sich informiren und da sei doch der Centralverein das rihtige Organ. Das aber, worauf es ankomme, die eigenen Kosten und Verkaufspreise der «Fndustriellen, hätten dieselben ganz unbeeinflußt angegeben. Das stärkste an Ver- unglimpfung sei in einem Artikel der „Neuen Freien Presse“ in Wien geleistet worden, Alles, was da geschrieben, sei erfunden. Er könne Niemand für den Jnhalt verantwortlih machen, wohl aber für den Ton und die Sprache, die \ich allmählich in den Preßorganen eingobürgert habe und an denen auch der Abg. Richter mit Schuld sei, wenn er von „Zollbettlern“ spreche, von NMillionären, die um 25 Zoll bettelten. Auch der Abg. Sonnemann dürfte verantwortlih zu machen sein, denn der erwähnte Artikel sei auch in die „Frankfurter Zeitung“ über- gegangen. Man sollte es doch unterlassen, dur persönliche Gehässigkeiten die parlamentarische Atmosphäre in einer Weise zu erhißen, die des Reichstags in der That nicht würdig sei.

Der Abg. Dr, Bamberger erklärte, es sei nicht zu ver- stehen, wie man si schon jeßt darüber erhitzen könne, ob die Arbeiten der Eisenenquete von Werth seien oder niht. Die Protokolle der Sizungen lägen ja noch gar nicht vor. Diese Kommission sei in einer Weise zusammengeseßt, die man an- greifen müsse. Die bona fides der Herren, welche für die Eisenzölle agitirten, habe er nicht bezweifelt, indeß könnten dieselben auch bona fide für ihr Jnteresse eintreten; nur sei es “wunderbar, daß man ihn und seine Partei, die doch gar kein persönliches oder Spezialinteresse vertrete, in so unquali- fizirbarer Weise verdächtige. Er (Redner) opfere seine ganze Zeit und Gesundheit dem öffentlihen Leben, und trete nur für seine Ueberzeugung ein, troßdem habe man ihm bei der Berathung des Bank- und Münzgesetes persönliche Motive untergeshoben. Was nun die Eisenenquetekommission anlange, so sei der Abg. Stumm bemüht, deren Vorsitzenden, den Geh. Rath Dr. Serlo, zu vertheidigen, und habe ge- meint, ders.lbe müsse do eine best.mmte Meinung haben, ebenso wie die Vorsißenden der parlamentarischen Kommis- sionen. Aber die leßteren hätten si möglichst aller selbständi- gen Aeußerungen in den Kommissionsverhandlungen zu ent- halten, Aufgabe Hrn. Serlos sei es aber gewesen, besonders eingreifend in der Diskussion zu wirken. Da er mit einer ausgesprochenen festen Ueberzeugung für die Zölle in die Kom- mission eingetreten sei, habe derselbe nicht mehr über den Parteien stehen und kein unparteiischer Richter mehr sein können. Damit sei der Kommission der Makel der Parteilichkeit aufgedrückt und die Wahl des Präsidenten müsse als die unglüdcklichste bezeichnet werden. Nun sage Abg. Stumm, ja die Komnissiön sei auch mit Freihändlern beseßt gewesên und habe den Abg. Meyer und den Geh. Rath Huber als solche genannt. Aber dabei sei nur die ¿Form gewahrt, der Fnhalt völlig verleßt. Wie könne man si denn die beiden Herren Meyer und Stumm ‘als gleihe Gegner denken? Der Abg. Meyer sei ein alter Herr, ein Niedersahse, gemüthlich und etwas phlegmatis, Abg. Stumm sei dagegen der gewandteste, feurigste Redner, der Shrecken aller Stenographen. Auch er (Redner) bewundere die ungeheure Kraft und Gewandtheit, mit welcher Abg. Stumm die Kommission vertrete. Derselbe habe indeß ganz Recht, denn er sei eigentlih die Seele der Kommission, er sei die Kommission selbst. Redner tadelte es heftig, daß bisher nichts geschehen sei, um die Protokolle den Reichstagsmitgliedern zugängig zu machen, ¿zumal es wahrscheinlich sei, daß sich aus den Proto- kollen viele Argumente gegen die Eisenzölle ergeben würden. Jm Uebrigen seien fast nur Sachverständige zur Kommission zugezogen worden, welche ausgesprochene Schußzöllner seien, besonders auch aus den Jndustriebezirken Remscheid, Lüden- scheid und Solingen. Was die Angriffe der freihändlerischen Presse gegen die Eisenenquete anbetreffe, so seien dieselben, be- sonders die der freihändlerishen Korrespondenz, vollkommen gerechtfertigt. Die Wiener „Neue Freie Presse“ wolle er nicht vertreten, aber soviel er wisse, habe es \sich in derselben nur um eine humoristische Parodie gehandelt. Der Abg. Stumm möchte gern sich und die Eisenenquetekommission als glänzend gerecht- sertigt hinstellen. Das könnte demselben zwar nie gelingen, indeß sei sie troß aller Vorwürfe noch lange nicht so werthlos als die Tariffommission. Ohne Verständniß der einzelnen Zweige sei einfach immer gesagt: jede Jndustrie, die leide, müsse durch einen Schutzoll gerettet werden, da möge die In- dustrie, da mö,en die Sachverständigen, da möge die Wissen- chaft sagen, was sie wolle. So sei es ja immer gewesen, wo keine medizinishe Wissenschaft helfen könnte, da fänden ih immer Naturärzte, so werde jeßt Abg. von Kardorff sämmt- liche Jndustrien heben und jeden Nothstand durch die Zölle beseitigen. Man berufe sich auf Frankreich; dieses Land habe einen unglücklichen Krieg viel leichter verwunden, als Deutschland einen glücklichen. Es sei eben ein so sehr wohlhaben- des Land, daß es au ein Experiment mit dem Schutzzoll aus- haltén könne. Deutschland könne das nicht aushalten, und ren müßte man alle derartigen Versuche als unheilvoll be- ämpfen.

Der Abg. Dr. Reichensperger (Crefeld) erklärte \ich nicht für autorisirt, das Siegel zu brechen, das bisher die Stellung des Centrums zu den bezüglihen Fragen bedeck habe. Die einzige Belehrung, die er aus den Debatten bisher genommen habe, sei die, daß es mit Zahlen allein niht gethan sei. Da- wit werde nichts gewonnen. Redner habe nur darum das Wort genommen, um dem Abg. Richter (Hagen) bezüglich seiner Aeußerungen vom Sonnabend über Mahl- und Schlachtsteuer einiges zu entgegnen. Es sei arge Uebertreibung, wenn man immer sage, die genannten Steuern vertheuerten das Fleisch und das Brot des armen Mannes. Er könne das um so weniger gelten lassen, als er einer Kirche angehöre, welche es in hervorragender Weise sich zur Aufgabe mache, ih der Armen und Bedrängten anzunehmen, wenn au anders als es die Generalpächter der liberalen Staatsomnipotenz zu thun pflegten, die die Hülfsbeiträge durch den Exekutor beitreiben ließen. Die Mahl- und Schlachtsteuer habe die Waaren so wenig vertheuert, wie in England umgekehrt die Aufhebung des Theezolls den Thee billiger gemacht habe. Er könne si also den Richtershen Ausführungen nicht anschl:eßen.

Der Abg. Nickert bemerkte, dem Vorredner gegenüber, daß jede Religionsgenossenschast, nit allein die katholische, die Unterstüßung der Armen als Prinzip angenommen habe ; alle Religionsgenossenschaften sorgten für den armea Mann gleihmäßig, und keine dürfe die Priorität für sih in An- spruch nehmen. Redner wies auf die genauen statistischen Erhebungen, die in Breslau angestellt seien, hin; dieselben hätten ergeben, daß die Fleishpreise nach Aufhebung der Schiachtstéuer in genannter Stadt heruntergegangen seien. Der Abg. Stumm habe sih beshwert über den Ton, den die liberale Presse gegen diese Kommission angeschlagen habe. Dieser Ton sei aber noch gemäßigt, gegen die Sprache, welche ein s{lesisher Grundbesißer gegen den Freihandel führe, der die Macht an sih reißen, Tyrannei ausüben und das Piark und Blut des Volkes aus\augen solle. Was sage denn der Abg. Stumm dazu? Was den Ton angehe, so fönnten beide Seiten von einander lernen, und es empfehle sih, von dem Tone abzusehen, der auch auf Kongressen landwirthschaft- lihen Charakters sih bemerkbar gemacht habe. Er komme noch mit einigen Worten auf die Eisenenquetekommission. Welchen Eindruck müsse es im Lande machen, wenn der Vor- sißende der Kommission erklärt habe, daß Eisenzölle in ma- terieller Hinsicht nichts nüßen würden, aber doch deren Einfüh- rung befürwortet habe, um die Eisenindustriellen zu ermuthi- gen. Und an der Entscheidung dieser Kommission hänge das Wohl Tausender! Solche Fragen erheishten doch eine andere Behandlung. Die deutsche Rhederei sei beispielsweise so umfassend, daß sie ungefähr 42 000 Mann Besaßung ernähre. Heute stehe die Sache der Rhederei fo s{hlecht wie möglich; sie habe troßdem nie vom Reichstage Schuß verlangt, aber das ver- lange sie, daß ihr nicht ihre Lebensbedingungen angeblich zu Gunsten einer anderen Jndustrie weggenommen würden. Der Eingangszoll sei die Vernichtung der Rhederei ; dennoch seien von der Rhederei feine Sachverständigen einberufen worden. Was die Eisenindustrie angehe, so hätten Schuß und Eisenzölle selbst in Amerika den Rückgang derselben niht aufhalten können, und Amerika sei doch das Eldorado der Schußzöllner. Wenn nun in ländlichen Kreisen heute vielfach die Meinung verbreitet sei, von Eisenzöllen sei eine Hebung der landwirthschaftlihen Kalamität zu erwarten, so sei das eine unerflärlihe Umstimmung derselben Kreise, die noch vor wenigen Fahren für die Aufhevung der Eisenzölle einge- treten seien. Heute wollten die Landwirthe unnatürlih eine Jndustrie begünstigen, die dann zum Dank der Landwirthschaft die Kornzölle geben wolle. Der Abg. von Kardorff wolle das Aequivalent für die durch Einführung von Getreide- und anderen Zöllen im Preise steigenden Lebensbedürfnisse in der Erweiterung des Arbeitsmarktes finden, aber die Theorie solle erst erfunden werden, daß man eine Nation dadur fkauf- kräftiger mache und den Arbeitsmarkt dadur erweitere, daß man die Preise der Lebensmittel niht nur, sondern aller Verbrauhsgegenstände durch Eingangszölle erhöhe. Er habe immer angenommen, es gehöre zu den Elementen jeder Volkswirthschaft auch der Listshen —, daß nichts ge- fährliher sei, als durch derrtiage Eingangszölle die Verbrauchsgegenstände zu vertheuern, und daß dies noth- wendig die Kaufkraft s{chwächen müsse, umsomehr bei cinem Lande, dessen Jndustrie zum größten Theil auf den Export angewiesen sei. Man klage immer über die Agitation der Freihändler, aber sie könne nicht mit dem ver- glihen werden, was von der anderen Seite ins Werk geseßt werde: Flugschriften von Schußzöllnern finde man in jedem Krug, jedem Bauerngut, bei jedem Gutsbesißer. Bei vielen Landwirthen mache sich jezt \{chon ein Umschwung der Ge- sinnung bemerkbar, und in Westpreußen gebe es eine er- heblihe Zahl der hervorragendsten Lan wirthe, welche nah wie vor gegen den Schußzoll auf Getreide und Eisen 2c. protestirten. Er hoffe, es werde zur Aufklärung hierüber kommen, wenn das Haus der Vorlage und Ziffern gegen Ziffern gegenüberstehe. Man verweise immer darauf, daß England, Frankreih und Oesterreich sämmtlih Getreidezölle hätten und Deutschland sich in einer völligen Ausnahmestellung befinde. Aber England habe keine Getreidezölle mehr. Oester- reih hab? sie am 1. Januar d. J. abgeschafft. H-lland gleich- falls, in Frankreich betrage der Zoll nur 32 4 und in der Schweiz 12 Z pro Ctr. Deutschland würde also geradezu entgegen allen civilisirten Nationen handeln, wenn man diese Zölle einführte. Es werde immer gesagt, Frankreich sei das Jdeal der Zollpolitik. Allerdings habe Frankreich eine Einnahme pro Kopf der Bevölkerung von 4,88 A, während man in Deutschland nur 2,83 A habe. Vor dem Kriege habe Frankrei erheblih nicdrige Einnahmen an Zöllen ge- habt; als es nah dem Kriege gezwungen worden sei, die durch denselben erwachsenen kolossalen Lasten zu decken, habe man einzelne Zölle, nämlich die auf Kakao, Pfeffer, Petroleum erhöht und damit eine Steigerung von 121 auf 214 Millionen ¿Francs Bt las Auf dem Gebiete der Finanzzölle sei seine Partei nicht jo widerstrebend, sondern bereit, dem Reiche die nöthigen Einnahmen zu schaffen und die direkte Steuerlast nah Kräften zu vermindern. Es sei auch in keiner Weise erwiesen, daß Frankreih eine erheblih andere Zollpolitik be- folge als Deutschland. Und wäre dies der Fall, sei denn 1m Augenblick die FJndustrie in Frankreich glüdlicher daran als in Deutschland? Hätten nicht au in Lyon die Arbeiter vom Maire Brot oder Arbeit verlangt und habe nicht der Maire den Nothstand anerkannt? Und dabei sei Frankrekch viel reicher als Deutschland. Redner werde dem Hause später den Beweis führen, daß man mit der Vertheuerung der nothwendigsten Lebensmittel für das Volk durch Getreidezölle eine verderbliche Politik einschlage. Jm Ernst könne der Abgeordnete von Kardorff doch wirklich nit meinen, daß er erst pater peccavi sagen wolle, wenn er durch eine solhe Zollpolitik die Küstenländer und die Land- wirthschaft Deutschlands tödtlich getroffen habe. Auf wirthschaftlihem Gebiet müsse man zögernd, langsam, vorsichtig experimentirend vorgehen. Das Experimen- tiren mit Zöllen sei außerordentlich gefährlih, so zum Beispiel würde der von der Zollkomnission beschlossene Holzzoll den Ostseeprovinzen ihren ganzen Holzhandel rauben. Die Ostseeprovinzen seien bisher immer die am s{hlechtesten berücksichtigten Landestheile gewesen, - jeßt aber wolle man ihnen noch neue Lasten zumuthen. Man solle auch Vertreter der Ostprovinzen zu den Enqueten heranziehen, sie hätten ein Recht dazu. e A

Der Präsident des Reichskanzler-Amts, Staats-Minister Hofmann erwiderte, er könne niht in Erörterungen “über Vorlagen eintreten, die noch niht gemacht seien. Erst wenn diese vorlägen, könne er die erhobenen Vorwürfe widerlegen. Die Angriffe auf die Kommissionen hätten jeßt keinen prak- tischen Werth, weil ihre Gutachten noch niht Beschlüsse der

Regierung seien. Er bitte das Haus, abzuwarten, bis das zur Begründung der Regierungsvorlagen beigebrahte Material Gelegenheit zur Kritik der Methode der Kommissionen geben werde. Der Vorredner habe einen Appell an die Regierung gerichtet, au. die Jnteressen der deutschen Küjstenstriche und der deutshen Rhederei im Auge zu behalten. Die Klagen über die Lage derselben seien gewiß begründet und bewiesen nur, daß diese bisherige Zoll- und Handelspolitik auch für fie niht fördernd gewirkt habe. Die Regierung untershäße diese Fnteressen keineswegs und sei vollständig be- reit, auh die Mittel in Erwägung zu ziehen, um diesen Theilen des deutschen Gewerbes zu Hülfe zu kommen. Der Reichs- kanzler besonders beschäftige sich mit dieser Frage eingehender, als der Vorredner vorauszuseßen scheine. Eine Enquete darüber wolle jeßt wohl auch der Vorredner nicht, sollte aber Werth darauf gelegt werden, so würde die Regierung dieser Frage bereitwillig näher treten. Wenn bestimmte Regierungs- vorlagen vorhanden seien, würde man auch auf diese Punkte näher eingehen können.

Die Diskussion wurde geschlo}sen. persönlicher Bemerkungen.

Der Abg. Richter (Hagen) konstatirte, daß der Abg. Stumm auf den materiellen Theil seiner neulihen Rede gar nihts erwidert habe,

Es folgte eine Reihe

kommission polemisirt. Auch mache der Abg. Stumm ihn mit Unrecht für jede heftige Aeußerung in der freihändleri- hen Presse verantwortlih, deren Ton doh nur durch die aggressive shutzöllnerische Presse provozirt werde. Er habe nicht die Berechtigung und Sachverständigkeit von «Interessenten bei der Geltendmahung ihrer Jnteressen bestritten, sondern nur seine Fntegrität den verhüllten Fnsinuationen des Abg. von Kardorff gegenüber konstatirt.

Der Abg. von Wedell-Malchow nahm die landwirthschaft-

Lichen Sachverständigen, die in der Eisenenquete vernommen

seien, in Schuß und erllärte in seinem und des Abg. Flügge's Namen, daß ihnen für ihre Aussagen von der Eisenenquete- kommission Material von der Freihandelskorrespondenz oder von der Freihandelspartei nicht gegeben worden sei, wie man aus einer Aeußerung des Abg. Stumm vielleiht mißver- ständlih {ließen fönne.

Der Abg. Stumm erklärte dem Abg. Bamberger gegen- über, daß er gegen die Berufung des von Mainz vorgeschla- genen Eisenverständigen gewirkt habe, weil derselbe sein Haupt- agent in Eisen sei und deshalb gemäß seines Gutachtens wegen ebenso verdächtigt worden wäre, wie der Stettiner Sachver- ständige als Agent der Laurahütte.

Der Abg. Meier (Bremen) führte aus, er sei in der En- quetekommission durchaus frei in der Stellung der Fragen zur Richtigstellung des Sachverhalts gewesen ; der Vorsitzende jei gegen ihn unparteiüish gewesen. Ein drittes Exemplar dec Protokolle habe er nur mit Mühe durh die Spezial- erlaubniß des Reichskanzler-Amts-Präsidenten erlangen fönnen. Der Abg. Bamberger habe als Grund, weshalb er (Redner) seine Ansicht in der Kommission nicht so eifrig vertreten habe, wie der Abg. Stumm die seinige, sein Alter angegeben. Sein Alter könne er nit leugnen, er trage es aber noh ziemli leiht. Was der Abg. Bamberger von seinem Phlegma gesagt habe, so wünschte er, daß das wahr wäre. Den meisten Kummer im Leben habe ihm aber sein etwas ungezügeltes Temperament gemacht. Er hätte dem Abg. Bamberger mehr Menschenkenntniß zugetraut. :

Tit. 1 (Zölle) wurde bewilligt, worauf sih das Haus um 41/2 Uhr auf Mittwoch 11 Uhr vertagte.

Der Kreisvertretung des Kreises Neusladt O.-Schl. ist unterm 5. Februar 1879 behufs Ausführung der vom Kreise unternommenen (unten erwähnten) Straßenbauten ein Allerhöchstes Privilegium zur Berausgabung von 494 700 6 mit 41/2 Proz. verzinsliher Kreisobliga- tionen des Kreises Neustadt O.-Schl. verliehen wor- den. An demselben Tage ist dem Kreise auch für die zum Ausbau der nathfolgend benännten Straßenstrecken erforder: lihen Grundstücke das Enteignungsrecht, sowie auf den Straßen selbst das Recht der Chausseegeld- erhebung ertheilt worden : 1) Chaussirung der Wegestrecke vom Bahnhofe in Deutsch-Rasselwiß bis zur Landesgrenze bei Stubendorf, 2) der Straße von Ober- Glogau bei dem Suchanshen Gasthause bis an das Dorf Rosnochau, 3) der Straße von Ober-Glogau bis Alt-Zülz, 4) der Straße von der Kirhe in Deutsch-Rasselwiß bis an die Kreisgrenze auf dem Glaesener Ufer der Hoßenplog, 5) der Straße vom Bahnhofe in Ober-Glogau über Alt-Kuttendorf bis an den östlihen Ausgang von Friedersdorf und 6) Pflasterung der Straße vom Schloßthore in Ober-Glogau bis an das Coseler Thor und von dort bis an den Bahnhof. Ebenso ist dem Kreise Pleß unterm 3. März 1878 das Enteignungsrecht für die zum Bau der Chaussee von Pleß nach der Landesgrenze bei Zawiszowice erforderlichen Grund- stüde und das Recht zur Chausseegelderhebung verliehen worden. Unterm 16. Oktober 1878 ist der Gemeinde Kleinglad- bach im Kreise Erkelenz das Recht verliehen worden, zum Zwecke der Anlegung eines Begräbnißplaßes einen Theil der Hansenschen Parzelle im Wege der Enteignung zu erwerben.

Tarife sind genehmigt worden: unterm 27. Januar 1879 für die Benußung der Neßebrücke bei Trebitsch im Kreise Friedeberg N./M. und für die Fußgängerbrücke über die Elster bei dem Bahnhofe zu Zeiß.

Zum Begriff des groben Unfugs im Sinne des S. 360 Nr. 11 des Strafgeseßbuches is, nah einem Erkennt- niß des Ober-Tribunals, vom 6. Februar 1870, keineswegs erforderlih, daß durch den Unfug die öffentliche Ruhe und Ordnung bereits gestört worden ist. Es genügt vielmehr eine Handlung, welche geeignet ist, ein öffentliches Aergerniß zu geben und die öffentlihe Ordnung zu stören.

Se. - DUTLMlauUGt Heintih AlX Prinz Reuß, Nittmeister, aggregirt dem 3. Badischen Dragoner-Regiment Prinz Carl Nr. 22, is mit Urlaub von Karlsruhe hier ein- getroffen. 7 : L

Als Aerzte haben si niedergelassen die Herren Dr, Fan in Rothenburg O./L., Krause in Görliß, Dr. Neumann in Grünberg, Dr. Lüttih in Hannover.

Danzig, 18. März. Der Zweite Provinzial- Landtag der Provinz Westpreußen ist heute Mittags 12 Uhr von dem Kommissarius , Regierungs-Vize-Präsi denten von Saltzwedell, eröffnet worden.

Sachsen - Coburg - Gotha. Gotha, 13. März. (Leipz. Ztg.) Der hier tagende Spe ziallandtag hat an die Staatsregierung das Ersuchen gerichtet, auf Wieder-

1 er habe nur gegen einen beiläufigen | Say derselben über die Zusammenseßung der Eisenenquete- |!

einführung der Dienstbücher Bedaht zu nehmen, da die Abschaffung derselben viele Unzuträglichkeiten zur Folge gehabt habe. : :

15. März. Se. Hoheit der Herzog wird morgen von hier aus eine Reise nah Jtalien antreten. Der Spezial landtag für das Herzogthum Gotha ist heute durch den Minister von Seebach vertagt worden, nachdem er unter Anderem den Be- {luß gefaßt hatte, den diesseitigen jährlichen Beitraa für die Universität Jena auf 9000 in der Vorausseßung zu erhöhen, daß von Sachsen - Altenburg und -Meiningen die in Aussicht gestellten Mehrbeträge (6000, 9000 M) ebenfalls be- zahlt würden. Außerdem wurde an die Regierung das Er- Juchen gerichtet, den Entwurf eines neuen Gemeinde- geseßes anstatt der dermaligen Vorlage eines Revisionsent- wurfes der Versammlung später zu unterbreiten.

Anhalt. Dessau, 15. März. Der „Anh. St.-Anz.“ meldet: Fhre Hoheiten der Herzog und die Frau Herzogin sind heute mit Gefolge nah Neu-Streliß abgereist. Von dort aus beabsichtigen die Hohen Herrschaften Sih zum Geburt s- tage Sr. Majestät des Kaisers nach Berlin zu begeben.

Bremen, 15. März. (Wes. Ztg.) Der Senat hat der Bürgerschaft den Entwurf eines Geseßes, betreffend die Ausführung des Gerichtsverfassungsgeseßzes, zu- gehen lassen. Der erste Titel regelt die Zusammenseßung und die Befugnisse der Justizverwaltungskommission. Der zweite Titel handelt vom Richteramt, den Prüfungen und dem Vor- bereitungsdienste, der Wahl der Richter, den Amtsverhältnissen. Die landesgeseßlihen Vorschriften über die Gerichte selbst sind im folgenden Titel enthalten. Die Angelegenheiten des Richter- follegiums, der Vormundschaftsbehörden, der Staatsanmwalt- haft und der Gerichtsvollzieher sind in den nächsten vier Titeln behandelt, während vorübergehende Bestimmungen einem achten Titel vorbehalten sind. Das ganze Geseß umfaßt 153 Paragraphen; dem Reichsgesetze, betreffend die Gerichts- organisation, entsprechend, soll es am 1. Oktober d. J. in Kraft treten. :

In einer Mitlheilung des Senats, das B udget für 1879 betreffend, tritt der Senat unter Vorbehalt einiger Punkte den Beschlüssen der Bürgerschaft zu dem Budget bei. Was die Deckung des Defizits betrifft, so beantragt der Se- nat die Erhebung der Einkommensteuer zu dem Saße von 41/2 Prozent in zwei Raten von je 3 und 11/; Prozent. Zur Begründung dieser Ziffer bemerkt der Senat das Folgende : Nach dem von der Finanzdeputation vorgelegten Budget be- trägt das Defizit 1 581 662 /6 Dasselbe erhöht sich dur die Beschlüsse der Bürgerschaft um 15 010 M; dagegen sind von der Bürgerschaft gestrihen worden 422 050 M, jo daß ein Defizit bleibt von 1174622 46 Hierbei ist angenom- men, daß die Einkommensteuer zu 3 Prozent 1 650 000 M ergeben werde. Im Jahre 1878 hat dieselbe aber zu demselben Saße nur rund 1440000 A6 ergeben, Und e ift mcht zu holen Daß sie im laufenden Jahre ein höheres Ergebniß liefern werde. Der Unterschied zum Nachtheile der Staatskasse beträgt 210 000 H, um wel- chen Betrag das Defizit höher anzuschlagen sein wird. ¿Für Nachbewilligungen sind in den leßten drei Jahren dursnitt- [ih rund 81 000 M erforderlih gewesen, und auch im lau- fenden Jahre wird auf einen ähnlichen Bedarf zu renen sein. ‘Danach stellt sih das Defizit für das Jahr 1879 fol: gendermaßen: Berechnetes Defizit 1174 622 6, Minder- ertrag der eingestellten 3 Prozent Einkommensteuer 210 000 M, Nachbewilligungen 81378 M, zusammen 1 466 000 A Von dem Reservefonds der Ueberschüsse sind 954 000 6 verfügbar, und es würden, wenn derselbe voll- ständig im laufenden Haushalte des Jahres 1879 aufgezehrt werden sollte, noh zu decken sein 512000 (4 Daß es nicht zweckmäßig sein würde, den Reservefonds bis auf den leßten Rest für den Haushalt des einen Finanzjahres an- zuweisen, liegt auf der Hand. Es würde damit nur auf das «Fahr 1880 eine um so größere Steuerlast gewälzt werden. Ohne Zweifel liegt es im FJnteresse der Bevölkerung, diese Last, soweit thunlich, zu vertheilen und wenigstens einen gewissen Betrag des Reservefonds für das schon jeßt mit Sicherheit vuraus- zusehende Defizit des Jahres 1880 zurückzuhalten. Außerdem ist zu berücsihtigen, daß niht allein die Einkommensteuer, sondern auch andere Steuern im Fahre 1878 hinter den An- schlägen zurüdckgeblieben sind, und daß auch im laufenden Jahre durchaus nicht mit Sicherheit auf den vollen Eingang der in das Budget eingestellten Steuerbeträge gerehnet werden kann. Bei Erhöhung der Einkommensteuer von 3 auf 41/2 pCt. würde auf eine Mehreinnazme von 720 000 # zu zählen sein, und mithin, da das Defizit bei vollständiger Aufzehrung des Reservefonds 512 000 M beträgt, dieser leßtere noh mit 208 000 e für das Jahr 1880 nußbar gemacht wetden oder im Falle der Noth als Ersaß für die Ausfälle bei den dies- jährigen Steuereinnahmen dienen können. Es bedarf keiner ausdrüdlichen Versichecung, daß der Senat nur widerstrebend eine so hohe Ziffer für die Einkommensteuer in Vorschlag bringt. Er glaubt aber, daß die Aufrechterhaltung der finan- ziellen Ordnung unseres Gemeinwesens die Aufbringung der von ihm bezeichneten Summe dur Steuern gebieterish er- fordert, und zweifelt niht, daß auch die Bürgerschast von dieser Nothwendigkeit überzeugt sein wird.

Oesterreich-Ungarn. Wien, 17. März. (W. T. B.) Die „Wiener Abendpost“ meldet, die Kaiserin habe in Folge der Katastrophe in Szegedin die sofortige Rückkehr be- schlossen, werde nah Vollendung der Reisevorbereitungen Jrland verlassen und am 26. d. M. hier eintreffen.

Der „Polit. Korresp.“ wird aus Athen vom 16, 0. gemeldet, die griechishe Regierung habe ihre Kom missäre in Prevesa angewiesen, die neuen Fnstruktionen sür die türkishen Kommissäre abzuwarten. Falls diese Jnstruktionen mit dem Berliner Vertrage nicht übereinstimmten, sollten die Kommissäre das Protokoll unterzeichnen und abreisen, Der Minister des Auswärtigen, Delyannis, habe sich bereits jeßt wegen Vermittelung an die Mächte gewendet, gleichzeitig die Weigerung der Türkei konstatirend. l 1

18. März. (W. L Der hiesige serbishe Minister- resident Zukits ist gestorben. i :

| E 17. -März. (W. T. B) Der Kaiser ist heute Vormittag hier eingetroffen und von der hier zurück- gebliebenen Bevölkerung begeistert empfangen worden. Der- selbe begab sich sofort zu Schiff, um die Trümmer der Stadt zu besichtigen. Bis jeßt sind 23 000 Personen von hier weiter befördert worden. An Lebensmitteln herrscht kein

Mangel. j | n Auf die Ansprache des hiesigen Bürgermeisters Palley

entgegnete der Kaiser: „Ein tiefer Shmerz im Herzen leitete Mich hierher; Jh wollte mit eigenen Augen sehen, wie es dieser unglücklihen Stadt ergangen ist, das Herz shmerzte Mich, als Jch dieses große Unglück sah. Jch hoffe, daß bessere Zeiten kommen werden, und daß die Stadt noch aufblühen wird. Man muß nit allzutief bekümmert sein, Hülfe wird kommen.“ Der Kaiser sprach mit vor Rührung bebender Stimme und wandte sih ab, um seine Thränen zu verbergen.

Der Kaiser erkundigte sich sodann bei dem Bürgermeister, dem Regierungskommissar und anderen Personen nach den Details des Unglücks und fuhr auf einem Ponton durch die Stadt, überall begeistert empfangen. Mittags 12 Uhr trat der Kaiser

die Nücreise n2ch Wien an.

Schweiz. Bern, 14. März. (Bund.) Jn Ausführung des Artikels 5 des Bundesgeseßes vom 17. September 1875 über Jagd und Vogelschußt hat der Bundesrath heute fol-

gende Verordnung, betreffend die Einfuhr und den Verkauf von ausländishem Wildpret während der geshlossenen Jagdzeit erlassen :

Art. 1. Der amtlihe Nachweis über den Ursprung von fremdem Wildpret muß auf Verlaagen durch Vorlage der Zollquittung er- bracht werden, welche während zehn Tagen nach dem Tage ihrer Ausftellung durch die eidgenössische Zollstätte Beweiskraft hat.

Das Verlangen kann gegenüber Jederma..n, der mit Wildpret

Handel treibt, gestellt werden. Die Sendungen von Wild im Innern der Schweiz während der ges{lofsenen Jagdzeit müssen entweder von der Zollquittung oder von einem andern auf Grund der Zollguittung autgest:Uten amtlichen Ausweis darüber, daß das Wild an dem und dem Tage vorfchrifts- gemäß eingeführt wurde, begleitet werden.

Art. 2. Das eidg. Handels- und Landwirth\chafisdepartement ist ermäctigt, wenn es von ihm nöthig erachtet wird, die beim Zoll- amt vorzunehmende Plombirung alles Haarwildes gegen Entrichtung der reglementari|chen Taxen vorzuschreiben.

Art. 3. Das eidg. Zolldepartement und die kantonalen Polizei- behörden werden mit den nöthigen Vorkehrungen für Vollziehung der gegenwärtigen Verordnung beauftragt.

Großbritannien und Jrland. London, 15. März. (E. C.) Fm Unterhause wünschte Mr. Richards gestern zu wissen, ob die nah Birma geschickten Verstärkungen mit Wissen und Willen der hiesigen Regierung abgegangen seien. Der Schatzkanz ler verlas cin Telegramm des Vize- lónigs, welches besagt: die britische Regierung sei auf die dringende Empfehlung des Ober - Kommissars und den dring- lichen Rath des britishen Residenten in Mandalay verstärkt worden. Es seien fkriegerishe Vorbereitungen im Gange ge- wesen, und die Ausländer hätten sih unsicher gefühlt. Die Besaßung habe bis dahin auf Friedensfuß gestanden, und der Resident habe gefühlt, daß seine Stetung ge- sichert werden müsse. O So TD Northcote fügte hinzu, der Vizekönig habe dem Staa' ssekretär sofortige Nachricht gegeben. Mr. Chamberlain und Mr. Sullivan fragten nah dem Stande des Zuluklrieges. Sir Michael Hicks-Bea ch erklärte: er sehe kein Anzeichen von einem friedlihen Ausgleiche. Daß Natal nicht angegriffen worden, rühre theils von der denkwürdigen Vertheidigung von Rorkes Drist, theils von der trefflichen Stellung des Obersten Pearson und drittens von den kriegerischen Rüstungen der Militärbehörden Südafrikas her. Das Unglück von Fsandula solle ers ausgeglichen werden. Mr. JFenkins fragte, ob die Regierung den Oberbefehl der südafrikanischen Truppen anderen Händen anvertrauen werde. Der Schaß- kanzler Northcote erwiderte: „Nein, die Regierung hat nicht die Absicht.“ Mr. Jenkins, damit nicht zufrieden, begann darauf unter großer Unruhe des Hauses und vielfacher Unter- brehung Lord Chelmsford als einen Protégé darzustellen, der nur Unheil angerichtet habe. Schließlich beantragte er die Ver- tagung des Hauses und Sir R. P-el unterstüßte ihn dabei. _— 17. März. (W. T. B.) Jhre Königlichen Hoheiten der Prinz und die Prinzessin Friedrih Carl und Prinz Friedrich Leopold von Preußen haben heute über Vlissingen die Nückreise angetreten. N 18, März. (W. T. B.) Lord Blackford hat für die Sißung des Oberhauses am 25. d. M. die Einbrin- gung eines Tadelsvotums, betreffend den Zulukrieg, ange- kündigt.

Frankreich. Paris, 15. März. (Fr. K.) Der Protest der Minister vom 16. Mai gegen die brandmarkende Re- solution, mit welcher die Kammer über den Antrag auf Ministeranklage zur Tagesordnung übergegangen ist, lautet:

„In Folge einer Untersuchung , die nicht weniger als 15 Monate gedauert hat, hat die Kommission der Deputirtenkammer bei diefer die Anklage der Minister vom 17. Mai und 23. November beantragt. Im Verlaufe dieser Untersuhung, in welcher sie nicht vorgefordert find, haben ahtzig Wahlannullirungen die Zusammenseßung der Kammer, welcher der Antrag vorgelegt wurde, verändert ; eine theil- weise Erneuerung gestaltete die Majorität des Senats Um, dem na der Berfafsung das Net zusteht. über die Anllage zu befinden. Troßdem haben die an- geshuldigten Minister in Stillshweigen die Erstattung des so lange verzögerten Berichts erwartet. Sie haben nichts ge- than, um die sie bedrohende Anklage abzuwenden. Sie waren bereit, ihren Anfklägern vor die von der Konstitution errichtete Jurisdiftion zu folgen. Die Kammer hat also freiwillig, in voller Freiheit ihrer Entschließungen am 13. März erklärt und zwar mit einer Ma- jorität von mehr als 150 Stimmen —, daß eine Anklage gegen fie nicht angestellt werden würde. Anscheinend erkannte sie dadur mit der öôffentlihen Meinung die Nichtigkeit dec im Berichte der Kom- mission niedergelegten Beschwerden an. ‘Und gleichzeitig ist dur einen zweiten Beschluß, der aus einer Versammlung von mehr als 500 Mit- gliedern nur 217 Stimmen auf sih vereinigte, eine TageêSordnung votirt, welche für alle Zeit dieselben Thaten als Verbrechen bezeich- net, welcbe dieselbe Kammer in derselben Sißung soeben aller Ver- folgung ledig gesprochen hat. Außerdem hat die Kammer die Re- gierung aufgefordert, diese Erklärung in allen Gemeinden durch Plakate bekannt zu machen, eine Maßregel, welche nur den Charakter einer Strafe haben kaun, weil es diefelbe ist, die der Code in den \{hwersten Fällen für die Urtheile der Gerichte vorsreibt. Es ift also ein ausgesprochenes Verdikt, ohne vorhergek ende Instruktion, ohne kontradiktorishes Verfahren, in Abwesenheit der Angeklagten, durch ein inkompetentes Tribunal ; ein solcher Aft ist aller Autorität entkleidet. Die Deputirtenkammer hatte das Ret, die alten Minister anzuklagen, aber kein Verfafsungsartikel bekleidet sie mit dem Rechte, gegen fie, selbst durch indirektes Votum, ein Urtheil, cin Verdikt zu fällen. Diejenigen, die in ihrer Freiheit niht angetastet werden dürfen, dürfen au nit in ihrer Chre angegriffen werd-n. Die Kammer hat dazu nit die Macht. Die Tagesordnung überliefert die Akten des alten Ministeriums dem Gewissen der Nation. Un;ererseits überliefern wir diesem höchsten Tribunal die Tagesordnung selbft, sicher des Urtheils, das alle Freunde des Recbts und der Gerechtig- keit fällen werden.“ / : :

Unterzeichnet haben die Herzöge von Broglie und Decazes, die Herren de Fourtou, E. Caillaux, Joseph Brunet, Paris, de Meaux. Die Minister für Krieg und Marine, General Berthaut und Admiral Gicquel des Touches, haben.