1879 / 68 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 20 Mar 1879 18:00:01 GMT) scan diff

nit einmal ershwert haben. Die Verwaltung halte die von ihr geübte Art der Durchführung des Geseßes für die Eigen- brenner für eine durchaus annehmbare. Die vorkommenden Beschwerden mögen in der Unkenntniß der zuständigen Er- leihterungen ihren Grund haben. Man könne nit mehr verlangen, als daß, wie der Vorredner an- erkenne, in den höheren Jnstanzen Abhülfe eshaffen werde ; und die Entscheidung werde auch in Zukunft immer in günstigem Sinne erfolgen. Auch der Landesaus\{uß sei seit 4 Jahren von der Anschauung zurücckgekommen, als sei die bestehende Steuergeseßgebung drückend, er halte es jeßt viel- mehr für gerecht, den Eigenbrenner als Konsumenten ebenfalls mit dieser Verbrauchssteuer zu belegen. Eine vollständige Be- seitigung des Branntweinsteuergcseßzes werde sich nah Lage der Dinge erst in Erwägung ziehen lassen, wenn im Deutschen Reiche eine Aenderung der Steuer überhaupt eintreten sollte. Was die Steigerung des Branntweingenusses anlange, so werde sie vielfah der Steuergeseßgebung zur Last gelegt. Es lasse si allerdings behaupten, daß der Branntwein billiger und dadurch sein Konsum stärker geworden sei, zumal der Weinpreis sih gesteigert habe. Angeschene Gewährsmänner versicherten, daß die früher in Wein verzehrten Quantitäten jeßt in Branntwein genossen würden. Hülfe hiergegen werde aber niht durch eine Aenderung der Steuergeseßgebung, son- dern nur dur eine Ershwerung des Verkaufs und eine Er: Pans der Steuern für denselben geschaffen werden können. lach dieser Richtung werde der Antrag des Landesaus\{chusses Seitens der Regierung Berücksichtigung finden.

Der Abg. Pr. Buhl bemerkte, eine höhere Besteuerung des Branntweins in Süddeutsc&land seße eine Gleichheit ver Verhältnisse in Nord- und Süddeutschland voraus. In Süd- deutschland sei die Branntweinbrennerei aber nur ein land- wirthschaftlihes Nebengewerbe der kleineren Besißer. Man habe dort circa 800 solcher kleiner Brennereien. Ér wünsche nit durch eine Aenderung dieser Steuergesezgebung und Ver- schiebung der Produktionsverhältnisse den Norden und Osten des deutschen Vaterlandes zu s{hädigen, aber die freie Cirfku- lation des Branntweins in ganz Deutschland müsse dadur hergestellt werden, daß eine der jeßigen norddeulschen Steuer entsprehende Fabrikatsteuer in Süddeutschland eingeführt

werde.

Die Diskussion wurde geschlossen. Persönlich bemerkte der Abg. Winterer, daß die Partei des Abg. Schneegans aller- dings ein frcies Wor: in Elsaß-Lothringen sprechen könne, er und seine Partei könne dies seit 8 Jahren nur noch von der Reichstagstribüne. Darauf wurden Titel 5 und Titel 6 (Brausteuer) genehmigt.

Bei Titel 7—9 (Aversa für die außerhalb der Zollgrenze liegenden Gebietstheile des Reichs) fragte der Abg. Dr. Gareis an, ob Ermittelungen über den Umfang des Exports und JZmports von Hamburg und Bremen Seitens der Regierung angestellt seien; und wie weit die Verhandlungen gediehen seien über die festen Zuschläge bei den Aversen mit 3 4 p-0 Kopf, deren Ablösung von den Hansestädten beantragt sei ?

__ Der Direktor im Reichskanzler-Amt Dr. Michaelis er- widerte, bei der Feststellung der Aversen habe man auf zwei Punkte besondere Rüjichten zu nehmen. Einmal sei es un- möglich, bei den Hansestädten Bremen und Hamburg, die außerhalb des Zollgebiets lägen, genaue Verbrauchszahlen zu gewinnen ; auch sehr eingehende Ermittelungen über dic Ein- und Ausfuhrstatistik Bremens, wie auch Ermittelungen über die Einkommensverhältnisse, die übrigens zum Theil noch im Gange seien, hätten ein ganz zuverlässiges Material ergeben, und erst bei dem Vorliegen der vollständigen Ergebnisse werde es möglih sein, mit positiven Vorschlägen über die ander- weitige Festseßung der Aversen hervorzutreten. Das Be- mühen der Kommissarien sei unverwandt darauf gerichtet, zu Resultaten zu gelangen, die sowohl den Interessen der Han}se- städte, als denjenigen der Reichsfinanzen besser entsprächen.

Der Abg. Dr. Delbrück erklärte, er begrüße die wohl- wollenden Erklärungen des Bundeskommissars mit um so größerer Freude, als neulich der Präsident des Reichskanzler- Amtes Maßregeln in Aussicht gestellt habe, die einen der be- deutendsten Gewerbszweige der Hansestädte eincr Umwälzung entgegenführen dürften. Derselbe habe nämlich mitgetheilt, daß die Reichsregierung damit beschäftigt sei, zu erwägen, wie diesem Theil des deutschen Gewerbefleißes, der deutschen Rhederei aufzuhelfen sei. Da jene Bemerkung mit der weite- ren eingeleitet sei, daß der augenblicklich nicht günstige Zu- stand des Rhedereigewerbes au ein Beweis für die Unzweck- mäßigkeit der bisherigen Zollpolitik sei, so habe er (Redner) die Mittel zur Abhülfe nur auf einem Gebiete suchen können, das nit dasjenige der bisherigen Zollpolitif sei. Die Geseßtz- gebung des Zollvereins und jeßt des Reiches habe in Be- bine auf die Rhederei als Jdeal immer die ab- olute Freiheit im Auge gehabt, deren sih die Rhederei der Hansestädte erfreue. Seit einer Reihe von Jahren habe er dahin

estrebt, in allen Häfen der Welt der deutschen Flagge die- selbe Behandlung zu sichern wie im eigenen Lande, die Zoll- abfertigung so viel als möglich zu erleichtern, die Massenartikel ganz vom Zoll zu befreien, für die übrigen möglichste Erleich- terung zu schaffen und dem Schiffbau möglihst alle Materia- lien zollfrei zu verschaffen. Da dieses alles zur Hebung der Rhederei bereits geschehen sei, so könne eine andere Abhülfe nur gesucht werden auf dem Gebiet, welches bis zur Mitte dieses Jahrhunderts die Mehrzahl aller Nationen zum Theil mit großer Vozliebe kultivirten, später aber verlassen hätten, nämlich auf dem Gebiete des sogenannten Schutes der nalio- nalen Flagge. Dieser Schuß könne ja in verschieden- ster Weise gedaht werden; er wolle auf die einzelnen Kombinationen niht näher eingehen ; sie ließen sih dahin usammenfassen , daß die nationale Flagge auf Kosten er fremden Schiffe ges{hüßt werde. Sei dies rvirklih beab- sichtigt, so werde bci den Hansestädten das zweite Gewerbe (das erste sei ja der Handel), die Rhederei, vollständig aus threr Bahn gebracht. Jn der Geseßgebung fast aller See- staaten finde sich der Sat, daß das Schiff eines fremden Landes, in welchem die eigenen Schiffe ungünstiger behandelt würden, einer vergeltenden ungünstigen Bestimmung unter- liege. Redner wies auf die shädlihen Folgen solher Be- handlung für die deutsche Schiffahrt hin, welche \sich haupt- jählih in drei Richtungen bewege. Es seien die Frachtshiff- fahrt von einem deutschen Hafen zum andern, die so- jfannie Kabotage, die Frachtfahrt von deutschen nah aus-

a

indischen Häfen und umgekehrt, und endlih die Frachtfahrt

deutscher Schiffe zwischen außerdeutshen Häfen. Von den be- ladenen Tonnen deutscher Flagge auf dem Meere seien etwas über 8 Proz mit Kabotage beschäftigt, 51 Proz. betrieben den Verkehr der zweiten, ca. 41 Proz. den der *dritten Rich- tung. Wollte man, dem Schuß der deutschen Flagge

folgend, die fremden Flaggen ungünstiger behandeln, so würde ,

zunächst die gesammte Fracht der dritten Richtung von selbst aufhören. Aber auch den Schiffen, die den Verkehr mit außerdeutschen Hifen pflegten, würde eine völlige Umwälzung aller Verhältnisse drohen; wenn ein deutsches Schiff von Hamburg nah England gehe und dort höherer Abgabe unter- liege als ein englishes auf der gleihen Route, so werde der Verkehr zwishen Hamburg und England ausschließlich der englishen Flagge anheimfallen. Es werde ferner die Zahl der Ballastfrachten sehr vermehrt werden, worin der Keim zu einer weiteren Umwälzung liege. Er wolle indessen dies Gebiet nicht weiter betreten, um si niht in Kon- jekturalpolitik zu verlieren; er glaube aber, es werde, um solche we g - Umwälzungen in den Verhältnissen der hanseatishen Rhederei nit eintreten zu lassen, nüßtz- licher sein, es bei den bisherigen Aversen zu belassen.

Der Abg. von Kardorff bemerkte, er müsse die Frage dcr Aversen mit dem Vorredner als außerordentlich {wierig und wichtig erklären. Vorläufig sei ihm nichts davon be annt, daß die vom Vorredner angedeuteten Maßregeln von der Reichsregierung wirkli beabsichtigt würden. Aber jede Frage habe ihre zwei Seiten, und auch das Exempel, welches der Vorredner aufgestellt habe, inwieweit solche Maßregel günstig resp. nachtheilig wirken könne, könne doch sehr bedeutenden Anfechtungen unterliegen. Er erinnere nuc daran, wie man heute gezwungen sei, den gesammten Bedarf Deutschlands an roher Baumwolle und Kolonialwolle aus England zu holen, dies sei das Land des Zwischenhandels, direkt bezögen die deut- schen Handlungshäuser fastgar nichts. Es sei doch fraglich, ob man niht zu einem Jmport direkt aus den Erzeugungsländern ge- langen könne, wenn solche Maßregel eingeführt würde. Es sei bekannt, daß die deutsche Rhederei bei der cir esischen Küstenschiffahrt sehr interessirt sei. Er führe diese Dinge nur an, um zu zeigen, daß die Berechnungen des Vorredners möglicher Weise nicht ganz zuverlässig sein könnten. Der Abg. Rickert habe außerdem neulich ein sehr beredtes Klagelied angestimmt über die üble Lage der Ostseeprovinzen. Der Verfall stamme aber hauptsächlich von jenen Differentialtarifen her, die die Güter gezwungen hätten, die Eisenbahnrouten zu wählen. Er führe zugleich an, daß auch bei dem russischen Sprit die Eisenbahnen in der Konkurrenz die Rhederei geschlagen hätten ; das habe A mit den Verfall der deutschen Rhederei herbei- geführt.

Der Präsident des Reichskanzler-Amts, Staats-Minister Hofmann erwiderte, keine von den verbündeten Regierungen denke daran, in der Richtung vorzugehen, in welcher si die Befürchtungen des Abg. Dr. Delbrück bewegten. Aber er möchte darauf aufmerksam machen, daß das Prinzip der Gegenseitigkeit noh keineswegs überall durchgeführt sei, sondern noh vielfach zum Nachtheile Deutschlands verleßt werde. Könne man hier Nutzen stiften, ohne neue Nachtheile auf si zu nehmen, so werde dies Vorgehen voraussihtlih auf Dank zu renen habcn. Es beständen z. B. in verschiedenen deut- schen Staaten „ganz verschiedene Normen für die Zulassung fremder Kauffahrteischiffe zur Küstenfrachtfahrt. Jn den preußishen Ostseeprovinzen gelte das Prinzip der Gegen- seitigkeit. Wenn also ein russishes Schiff z. B. von Königsberg nah Stettin fahren wolle, dann würde dies ver- boten sein, fahre ‘es Aber nah Lübeck oder Rostock, so würde es zulässig sein, während umgekehrt die deutschen Schiffe an den russischen Küsten gar nicht Küstenschiffahrt treiben dürfen. Hier liege ein Punkt vor ,wo der deutschen Rhederei und Schiffahrt Nutzen geschafft werden könne, ohne ihr neue Nachtheile aufzubürden.

_Der Abg. Meier (Schaumburg-Lippe) erklärte, als Ne- präsentant einer der größten deutschen Rhedereien müsse er den Ausführungen des Abg. Delbrü zustimmen. Die Be- hauptung des Abg. von Kardorff, daß die Baumwolle über England nach Deutschland komme, sei positiv unrichtig. Die deutshen Baummwollen-Fabrikanten bezögen telegraphish ihre jämmtlihe Baumwolle direkt aus Amerika, die Vertheuerung durch den Umweg über England könne der Fabrikant gar nicht ertragen. Der Antheil Deutschlands an der ostasiatischen Küstenschiffahrt sei ein vershwindend geringer. Bezüglich der Differentialzóle könne Redner versichern, daß nah den eigenen Aussagen der oberschlesischen Herren in der Enquetekommission die Rhederei gegenüber den Tarifen der Eisenbahnen billiger transportire. In keinem Lande übrigens liege die Rhederei so sehr darnieder als in Frank- reih, dem gelobten Lande der Schutzöllner; dieselbe werde dort durch die „surtaxe“ oder „droits de pavillon“ fehr ge- schädigt. Sollte das, was der Präsident angedeutet habe, hier vorgebracht werden, so müsse er sih entschieden ablehnend da- gegen verhalten; denn der Effekt würde der sein, daß die Ein- fuhr überseeisher Produkte per Land höher besteuert würde. Dies würde Norddeutschland, Rheinland und Westfalen sehr s{chwer treffen, und das würde geschehen, troß aller Rederei vom Schuß der nationalen Arbeit, und was jolher Phrasen mehr seien. Die deutsche Rhederei verlange feinen Schuß, nur das möge man ihr lassen, was sie besitze.

Der Abg. Rickert knüpfte an die eben gehörten Ausfüh- rungen an und wies auf Amerika hin, das eine Bestimmung befiße, wie sie der Präsident des Reichskanzler-Amts in Aus- sicht gestellt habe. Dort sei die Rhederei troßdem fast völlig zu Grunde gegangen. Der erst ganz kürzlich im krassen Wider- spruch zur sonstigen Politik -der Reichsregierung durch den preußishen Handels-Minister eingeführte Differentialtarif zu Gunsten der oberschlesischen Kohle shädige den Handel der Ostseeprovinzen in {limmster Weise. Derartige Mittel zur Abhülfe habe er (Redner) nicht im Auge gehabt, als er die v vas wirthschaftlihe Lage der Ostseeprovinzen geschildert abe.

_ Der Abg. von Kardorff bemerkte, der Abg. Meier habe sih als Vertreter eines großen Seehafens gerirt. Er habe noch gar nicht gewußt, daß Schaumburg-Lippe einen großen Seehafen habe. Er wolle zugeben, daß unter gewissen Um- ständen die Rhederei ein besseres Geschäft machen könne mit dem Freihandel, aber dennoch würden stets überwiegende Be- denken dazu führen müssen, im Interesse der Allgemeinheit zum Schuß der nationalen Arbeit zurüctzukehren. Der Abg. Meier sage, alle seine (des Redners) Zahlen seien falsch er habe aber keine einzige Zahl angeführt. Das Haus werde ja im Uebrigen die Angelegenheit der Rhederei eingehend prüfen müssen, und werde es thun, ohne an einer Theorie festzuhalten, allein vom praktishen Gesichtspunkte aus. Der Abg. Rickert habe \sih empört gezeigt, daß den oberschlesischen Kohlenbesißern jeßt ein den Transport erleihternder Diffe- rent ialtarif zugestanden sei. Jm Gegentheil verdiene diese That des preußischen R die Tausenden von Arbeitern Brod verschaffe, den Dank der Nation.

Der Abg. Richter (Hagen) erklärte , wohin die Schußzoll-

politik die Rhederei führe, zeige die Absicht Frankreichs, jeßt 14 Villionen Mark an Schiffsrheder zu verausgaben. Das sei die Perspektive des deutschen Staates, wenn man auh diesen Weg der Politik betrete. Das Hauptinteresse der deut- schen Rhederei bestehe in der Einfuhr von Rohstoffen. Wenn diese noch mehr als bisher beschränkt werde, müßten die Schiffe, die in deutsche Häfen einliefen, Ballast führen. Das vertheuere naturgemäß die Ausfuhr und schädige die deutsche «Fndustrie, die auf die Ausfuhr angewiesen sei. Die Statistik der Ostsee- provinzen weise schon heute nah, daß viele Schiffe mit Ballast einlaufen und mit Fract ausgehen. Diese Zahl werde noch größer sein, wenn der Bezug englischer Kohle verhindert werde. Er sei kein Gegner der Differentialtarife, aber man dürfe sie nicht einfah zum Vortheil der oberschlesischen Kohlen- und eForstbesißer einmal verfolgen, das andere Mal empfehlen. Bei den Privatbahnen seße deren eigenes Intreresse, nicht unter dem Selbstkostenpreis zu fahren und einen Gewinn zu machen, den Differentialtarifen eine Grenze. Bei den Staatsbahnen sei das nicht der Fall und es frage sih, ob man nicht durch diesen Differentialtarif einen Kohlenexport aus Oberschlesien vermittele, der den Ueberschuß der Staatsbahnen vermindere, so daß aus den Taschen der preußishen Steuer- zahler eine Exportprämie gezahlt werde. Er sei nicht der Meinung, daß si diese ganze Wirthschaftspolitik um die Kohlen- und Forstbesißer in Oberschlesien zu drehen habe, son- dern daß das, was dem Einen recht, auch dem Andern billig sei. __ Der Abg. Graf Bethusy-Huc bemerkte, ohne sih hier zun pezifishen Vertreter des Staates aufzuwerfen, betrachte er es in der That nicht als eine Schande, sondern rechne es sich im Gegentheil zur Ehre an, die Regierung in den Bestrebungen zu vertreten, in welchen sie, wie er glaube, das rechte Wort gefunden habe, „ohne deshalb in Abrede zu stellen, daß die Politik der Regierung die soziale Krisis, in der Deutschland sih befände, allerdings zum Theil vershuldet hate, wenn auch in einem ganz anderen Sinne, als es sonst gemeint werde, nämlich niht durch ihre Thaten, sondern durch die Unterlassungen, denen sie \ih selbst neulich schuldig erklärt habe. Und diese Schuld theile die Regierung mit vielen Mitgliedern dieses Hauses. Er selbst habe sich vor noch nicht langer Zeit auf der Seite der allerentschiedensten Freihändler befunden und sei dort auch dann geblie- ben, als er erkannte, daß dieses System seine eigenen Fnteressen [hädige. Aber nicht diese Erkenntniß habe ihn auf einen an- deren Standpunkt gebracht, sondern die Ueberzeugung, daß die Einheit der deutschen Nation nit blos auf der Einheit der Sprache, des Rechts, der Wissenschaft und der äußeren Macht- mittel, wie sie sich im Heere und der Diplomatie darstelle, sondern wesentlih auf der Erkenntniß der Einheit der wirth- shaftlihen Fnteressen beruhe. Die Sicherheit der Arbeit sei es, die vor Allem zu erstreben sei, und diese Sicherheit könne nur durch die Sicherheit der Jndustrie gewährleistet werden. Hôre man endlich auf, die Mitglieder des Reichstages in Frei- händler und Schußzöllner zu scheiden, und bekenne man sih gemeinjam als deutsche nationale Wirthschaster. Die Herren von der Linken wollten die Differentialtarife für Kohlen, die von Oberschlesien nach den Ostseeprovinzen geschafft würden, nit zulassen, dagegen shügßten sie di: Differentialtarife, welche für österreichishe und russishe Produkte Exportprämien bil- deten. Seine Partei sei gewillt, der Industrie in allen ihren men au der Rhederei möglichsten Schuß angedeihen zu assen.

Der Abg. Meier (Schaumburg-Lippe) bemerkte, dem Abg. von Kardorff gegenüber berufe er ih auf Artifel 29 der RNeichs- versa}jung, wona er hier nit Vertreter von Schaumburg sei, sondern das ganze deuts e Volk und seine «nteressen ver- trete. Er könne mit demselben Recht sagen, der Abg. von Kardorff spreche nur für Oels, denn was Schiffahrt angehe, so stehe Schaumburg und Oels wohl auf derselven Stufe.

Die Diskussion wurde geschlossen. Persönlih bemerkte der Abg. von Kardorff, er fenne die vom Vorredner angezo- gene Verfassungsbestimriung auch und er würde den Abg. Meier auh nit als Vertreter von Schaumburg angesprochen haben, wenn er nit felbst gesagt hätte, cr vertrete hier im

Hause ‘eine der größten Hafenstädte Deutschlands. Hierauf wurden die Aversen bewilligt.

Es folgte auf Antrag des Abg. Rickert der mündliche Bericht der Budgetkommission über die derselben zur Vorbe- rathung überwiesenen Theile des Marine-Etats.

_ Dei Kap. l (Militärpersonal 4 971 724 46) beantragte die Budgetkommission bei Tit. 15 „Löhnung und Zulagen jür ein See-Bataillon“ die Mehrforderung zur Verstärkung des See-Bataillons um 6 Sergeanten, 6 Unteroffiziere, 18 Ge- freite und 102 Seesoldaten mit 20 520 M abzulehnen.

Diesem Antrage stimmte das Haus nach kurzer Motivi- rung durch den Referenten Abg. Nickert troß des Widerspruchs des Chefs der Admiralität zu. Ebenso wurden dem Antrage der Kommission entsprehend bei Tit. 20 „Ur Unterhaltung der Waffen und Lederzeugstücke 211 M, bei Tit. 21 „All- gemeine Unkosten“ 343 F abgeseßt.

Bei Kap. 52 (Jndiensthaltung der Schiffe und Fahrzeuge 3 230 000 6) wurden 500 000 M abgeseßt, ebenso bei Kap. 53 (Naturalverpflegung 2 052 485 46) 253 000 M Bei Kap. 54 (Bekleidung 119455 4) wurden 8267 H, bei Kap. 59- (Unterriht 112879 M) 80 M, bei Kap. 60 (Werstbetrieb 11 782 416 M) 950 000 M gestrichen.

Bei den cinmaligen E wurden die zum Bau der Panzerfregatte E. als erste Rate geforderten 876 000 Á ge- strichen. Zur Erbauung eines Dienstgebäudes für die deutsche Seewarte wurden als erste Rate 300 000 gefordert, indeß. troß des Widerspruches des Abg. Möhring nur 200 000 bewilligt. Damit war der Marine-Etat in zweiter Lesung erledigt. ;

Der Eiat für den Spielkartenstempel mit Netto 1216 000 Æ wurde bewilligt, ebenso die Einnahme an Wechselstempelsteuer mit 6577300 M

Beim Etat der Eisenbahnverwaltung (Tit. 1 der Einnahmen: Personenverkehr 9 950 000 H) führte der Abg. Dr. Hammacher aus, es seien im Ganzen feine erfreulichen Resultate, die hier vorlägen. Wiederholt sei die Reichsregie- rung zu größeren Ersparnissen bei den Eisenbahnen der Reichslande aufgefordert worden. Besonders bezüglih des Personals sei aber immer von zuständiger Seite erklärt wor- den, Ersparnisse herbeizusühren sei unmöglih, da man den dortigen Beamten eben höhere Gehalte bewilligen müsse, als im übrigen Deutschland. Jndessen sei es anzuerkennen, daß die Regierung bestrebt gewesen sei, die Zahl der angestellten Beamten zu vermindern, was ebenfalls zu bedeutenden Er- sparnissen führe. JFmmerhin sein die den Bahnen des Reichs- landes vom Reiche gewährten Zuschüsse viel zu groß.

Der Abg. Rickert bemerkte, mehrere kleine Linien von:

zusammen 207 km, die eigentlich Sckundärbahnen sein könn- ten, beanspruchten eine Ausgabe von 111 Proz. der Brutto- Einnahmen. Die Kommission habe im vorigen Fahre bean- tragt, billigere Bctriebseinrichtungen zu schaffen, die Regierung habe erklärt, daß diese Frage erwogen werden solle. Wie stehe die Sachlage jeßt? j

Der Unter-Staatssekretär Herzog erwiderte, der Abg. Hammacher habe anerkavynt, daß der Etat das Bestreben zeige, die Ausgabe zu vermindern. Mit welchem Erfolg dies geschehen sei, mögen folgende Zahlen beweisen: 1874 hätten die persönlihen Ausgaben 10 871 M pro Kilometer, nah dem vorliegenden Etat 7737 M. betragen. Die Erfahrung habe gelehrt, daß hierbei eine Grenze sei, wenn nit die Zahl der Bewerber um Stellen im Eisenbahndienste abnehmen solle. Die Zuschüsse zu der Luxemburger Eisenbahn beeinträchtigten die finanziellen Ergebnisse der eihs-Eisenbahnen allerdings sehr. Der Anregung, auf Seitenlinien den Betrieb zu er- mäßigen, sei Folge gegeben; auf 5 Linien von zusammen 65 km habe man die Fahrgeshwindigkeit ermäßigt, was jähr- lih 49 000 6 Ausgaben ersparen solle; in wie weit sih Er- sparnisse noch weiter ergeben würden, wegen geringerer Ab- nußuag des Oberbaues 2c., werde sich später herausstellen. Die Einrichtung sei versuhsweise gemacht und von ihrem Erfolg werde es abhängen, ob die Maßregel weiter aus- gedehnt werde. E L i E

Hierauf wurde dieser Titel bewilligt, desgleichen Titel 2: Güterverkehr 24 284 000 4 und s{lie5lich die Einnahmen im Ganzen mit 36 337 000 #, desgleihen die Ausgaben mit 26 427 000 E Ebenso die einmaligen Ausgaben mit 416888 A, darunter 400088 / als Beitrag zu der vom Deutschen Reih übernommenen Subvention zum Bau der Gotthard-Eisenbahn (siebente Rate). i

Der Etat der Verwaltung der vormaligen von Decker- schen Geheimen Dber-Hofbuchdruckerei in Berlin wurde in Einnahmen mit 1 270500 #, in Ausgaben mit 1 090 500 M bewilligt, ebenso der besondere Beitrag von Elsaß-Lothringen mit 157450 H, sowie der Gewinn bei der Ausprägung der Reihsmünzen und fonstige Einnahmen aus der Münzreform 100000 #4, worauf sich das Haus

um 41/5 Uhr vertagte.

Jn der heutigen (23. )Sißung des Reichstages, welcher der Kriegs-Minister von Kameke und mehrere andere Bevollmächtigte zum Bundesrath und Kommissarien desselben beiwohnten, seßte das Haus nah einer Bemerkung des Abg. Sonnemann vor der Tagesordnung, in welcher derselbe die neu- liche Behauptung des Abg. Stumm, betreffend den Abdrudck eines Artikels der Wiener „Neuen Freien Presse“ in der „Frankfurter Zeitung“ dementirte, die zweite Berathung des Etats pro 1879/80 mit der Diskussion der der Budgetkommission überwiesenen Theile des Militär-Etats foiut. Bei Kap. 5 der einmaligen Ausgaben Tit. 13 beantragte der Referent Abg. von Schmid (Württemberg), unterstüßt von den Abgg. Windthorst, von Benda und Richter (Hagen), die Streichung des Tit. 13 „Ankauf und Einrichtung eines Dienstwohngebäudes für den Commandeur der 4. Division in Bromberg . .. 190 000 M“, während der Bundesbevollmächtigte General-Lieutenant von Voigts:Rheß und die Abgg. von Puttkamer (Löwenberg) Und Frhr. von Malgzahn-Güly für die Bewilligung derselben plaidirten. Der Kommissionsantrag wurde angenommen. Beim Schluß des Blattes dauerte die Debatte fort. C2 it L E C M t A E E A L E E E LE E E O T E azn Q FSAEHELE Das französishe „Journal officicl“ vom 18. März enthält folgenden Artikel: : : j :

„Begenwärtig tagt in Paris eine internationale Konferenz unter dem Vorsiß des Herrn Cochery, Minister der Posten und Telegraphen. An derselben nehmen Vertreter der deutschen, belgishen, niederländischen, spanischen, portu- giesishen und französishen Postverwaltungen Theil. Die an dem internationalen Transitverkehr betheiligten deutschen, niederländischen, belgischen, spanishen und französischen Eisenbahngesellshasten sind gleichfalls auf der Kon- ferenz vertreten. Dieselbe hat zum Zweck, eine Beschleu- nigung in der Beförderung der Korrespondenz aus Deutschland und den nördlihen Ländern Europas nah Südfrankreih, Spanien, Portugal und denjenigen überseeishen Ländern herbeizuführen, nach welchen der Post- verkehr dur die von Bordeaux und von Lissabon ausgehenden Dampfschiffe vermittelt wird. Diese Korrespondenzen treffen gegenwärtig in Paris um 9 Uhr 5 Minuten Abends ein und gehen erst am folgenden Morgen weiter. E :

Zwischen den verschiedenen Betheiligten ist ein Einver- nehmen erzielt worden; in Folge der auf dieser Konferenz beshlossenen Maßregeln werden die betreffenden Eisenbahn- züge binnen Kurzem derart zusammenschließen, daß die fran- zösishe Postverwaltung im Stande sein wird, die von Nor- den kommend:.n Korrespondenzen ohne Aufenthalt nach dem Süden weiterzusenden.“ , O :

Das Ergebniß dieser Konferenz ist für den Briefverkehr aus Norddeutschland, besonders aus Berlin und Hamburg, insofern sehr wichtig, als namentlich für die Korrespondenzen nah Bordeaux bez. Spanien und Portugal eine Beschleu- nigung bis zu 24 Stunden erreicht wird. E

Es fommt dazu, daß vor einiger Zeit, als Vorläufer der Pariser Konferenz, in Wien Vereinbarungen zwischen den be- theiligten Post- und Eisenbahnverwaltungen stattgefunden haben, durch welche für die Verbindung Konstantinopel (bez. Odessa)—Berlin in Zukunft ein unmittelbärer Zusammen- hang mit dem Berlin—Pariser Nachtcourierzuge gesichert worden ist. | :

Bei Mitberücksihtigung der hierdurch erlangten weiteren Vortheile ergiebt sich für den betreffenden Briefverkehr eine Beschleunigung bis zu 48 Stunden.

Sachsen -: Coburg - Gotha, Gotha, 18. März, (Leipz. BIO Den gothaishen Spezial-Landtag hat neben einigen Gegenständen von blos lokaler Beziehung, die Beschlußfassung über die neue Gerichtsorganisation, ein Geseß über die Wittwensozietät, sowie der Geseßentwurf über Feld- und Forstvergehen beschäftigt. Der leßtere s{hließt ih im Wesentlichen dem preußishen Geseße über den Forst- diebstahl an und ist ziemlich unverändert angenommen worden. Eine bemerkenswerthe statistishe Angabe ist die, daß in den gothaischen Bezirken Zelle und Ohrdruff ein Forstdiebstahl auf 6 Köpfe bezüglih 9 Köpfe kommt, während im rudol- städtishen Justiz-Amtsbezirke Oberweisbah nur auf 36 Köpfe der Bevölkerung, im Justiz-Amtsbezirk Eisenach auf 27 Köpfe der Bevölkerung ein Forstdiebstahl entfällt. 2 :

Coburg, 18. März. (L. Ztg.) Der Magistrat unserer Nachbarstadt Neu stadt hat mit Genehmigung des Herzoglichen Staats-Ministeriums die Entrichtung einer Fleischsteuer zu

Gunsten der Stadtkasse von allem in der Stadt geshlacteten Vieh und eingebrachtem Fleisch na einem festgeseßten Tarife wieder eingeführt.

Oesterreich-Ungarn. Wien, 18. März. Die „Presse“ schreibt : „Es gilt heute {on als ziemli gewiß, daß der Schluß der Reichsrathssession erst in der zweiten Hälste des Monats Mai erfolgen wird. Demnach wäre das Projekt, die Landtage in der Zeit zwishen Ostern und Pfingsten tagen zu lassen, nur in dem Falle realisirbar, wenn die Land- tagssession über Pfingsten hinaus ausgedehnt würde. Die Frage, wann das Abgeordnetenhaus in die Budgetdebatte eintreten wird, ist noch in Schwebe, doch hält man es kaum E möglih, das Budget noch vor den Osterferien zu er- edigen.“

Pest, 18. März. (W. Abdpst.) Sämmtliche Blätter widmen der Reise des Kaisers nah Szegedin Worte der innigsten Dankbarkeit und s{öpfen aus derselben den Trost und die zuversichtlihe Hoffnung, daß Szegedin wieder auferstehen werde.

19. März. (W. T. B.) Jn der heutigen Sizung des Unterhauses sprah sich der Minister-Präsident Tisza gegen die hinsihtlich der Katastrophe in Szegedin ein- gebrachten Anträge auf Entsendung von Neichstagsausschüssen aus, indem er hervorhob, daß das Erforderliche \chnell ver- fügt werden müsse. Die Regierung werde nah Anhörung ausländisher Experten dem Hause Vorschläge unterbreiten. Alle bezüglichen Anträge wurden hierauf abgelehnt,

Schweiz. Bern, 19. März. (W. T. B.) Entgegen- dem Antrage, die Berathung der Vorlage wegen Wieder einführung der Todesstrafe zu verschieben, beschloß der Ständerath in seiner heutigen Sißung mit 25 gegen 16 Stimmen, sofort in die Debatte über diese Vorlage ein- zutreten. Dieser Beschluß ist für die Anhänger der Todes- strafe günstig.

Belgien. Brüssel, 19. März. (W. T. B.) Die Repräsentantenkammer hat das gesammte Budget für das Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten, mit Ein- {luß der Position für die belgishe Gesandtschaft beim Vatikan, einstimmig angenommen.

Großbritannien und Irland. London, 18. März.

(Allg. Korr.) Der Dampfer „Osborne“, welchen Se. Königliche Hoheit der Prinz von Wales zur Disposition der Hohen Neuvermählten, des Herzogs und der Herzogin von Connaught, Königlichen Hoheiten, für einen Ausflug nah dem Mittelländischen Meere gestellt hat, wird, den neue- sten Verfügungen zufolge, am 24. d. M. mit dem prinzli- hen Paare abgehen. Die Reise soll 9 Wochen dauern.

Im Kolonial amte ist ein Telegramm von Sir Bartle Frère eingegangen, welches meldet, daß die Boers si fried- lich verhalten und eine Störung der Ruhe in Transvaal nicht besorgt wird. Auf Ersuchen Lord Chelmsfords wird mit dem nächsten, nach dem Kap abgehenden Dampfer ein vollständiger Feldtelegraphenapparat nah dem Kriegs- shauplaße abgesandt werden. 2

Jm Oberhause lenkte gestern der Herzog von Somerset die Aufmerksamkeit auf deu Bericht des Comités, welches die Ursache des Berstens der 38 Tonnen {weren Kanone an Bord des Thurmschiffs „Thunderer“ er- mittelte. Er hielt eine gründlihe Untersuchung für erforder- lih, weil das jeßige Ergebniß der Bedienungsmannschaft und deren Offizieren die Schuld beimesse und die Regierung von jeder Verantwortlichkeit befreie. Er glaube, daß die Maschinerie der Kanone eine zu komplizirte gewesen sei. Lord Sudeley erklärte sich mit dem Comitéberihte für einverstanden, glaubte aber, daß die Admiralität \ich der neuesten Geschüßverbesserungen niht schnell genug bedient habe. Lord Elphinstone, der Vertreter der Admiralität, erklärte mit Bezug auf das Ergebniß der Untersuchung, daß zwei Ladungen in der Kanone gesteckt hätten, als dieselbe barst, und daß, wenn Geschüße zu gleicher Zeit abgefeuert würden, nicht immer sofort ermittelt werden könnte, ob eines derselben nit entladen worden. Das Kriegs-Ministerium erwäge gegen- wärtig einige in dem Laden und Abfeuern von Kanonen einzufüh- rende Verbesserungen, wodurch eine Wiederholung eines folchen Unglücks in der Zukunft verhindert werden dürfte. Es sei im Plane, die andere Kanone des „Thunderer“ nah England kommen zu lassen und dieselbe einem ähnlichen Experimente zu unterziehen, wie das, welches cie Urfache des Unfalls bildete. Lord Cardwell, der ehemalige Kriegs-Minister, drüdkte seine De gung her diese Erklärung aus, und damit war

Gegenstand erledigt.

I ca i März. (W. T. B.) Fhre Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten der Kronprinz und die Kron- prinzessin haben mit dem Prinzen Wilhelm gestern über Calais die Rückreise nah Berlin angetreten. Vor der Abreise stattete der Kronprinz dem Herzog und der Herzogin von Edinburgh in Eastwell einen Befuch ab. Jhre König- lichen Hoheiten der Herzog und die Herzogin von Connaught sind in Windsor-Castle eingetroffen und wer- den dort bis zum Antritt ihrer Reise nach dem Mittelmeer verweilen.

Frankreich. Paris, 18. März. (Fr. K.) Jn der heu- tigen Sißung der Deputirtenkammer wurde ein Kredit von 200 000 Fr. für den Umbau des französischen Bot- shaftshotels in Berlin bewilligt. Der Siegelbewahrcr Le Royer brachte den bereits mehrfach angekündigten Geseß- entwurf zur Reorganisirung des Staatsraths ein. Die Hauptbestimmung der von dem Siegelbewahrer vorge- s{lagenen Staatsrathsreform besteht in der Einführung einer fünften Sektion, nämlich einer Sektion für Geseßgebung. Die Zahl der Staatsräthe soll von 22 auf 32 erhöht werden. Dann wurde die Verhandlung über die Paul Bertsche Vorlage wieder aufgenommen und der Hauptartikel votirt.

Das Finanz-Ministerium veröffentliht im „Fournal officiel“ folgende Anzeige: „Der Finanz-Minister hat an die Bank von Frankreich die 64700 000 Frcs, zurüczahlen lassen, welhe ihr der Fiskus auf ihre Vorschüsse aus den Jahren 1870 und 1871 noch s{huldig war. y Diese große ion ist mithin heute definitiv abgewickelt.“ Herr Léon Say wird übrigens dem Präsidenten der Republik noch in einem ausführlichen Berichte über die Art und Weise, wie die Vorschüsse geleistet und zurückerstattet worden sind, Rechen-

legen. S „National“ schreibt: „Die Gerüchte von be- vorstehenden Ministerveränderungen haben, nahdem

sie hon einige Tage lang verbreitet waren, heute einen ziem- lih ernsten Charakter angenommen. Die Herren Waddington und Léon Say, heißt es, würden angesichts der Feindseligkeit, auf welche sie bei einem Theile der Kammer stoßen, sich zurück- ziehen und ihre Portefeuilles, der erstere an Herrn Fournier, zur Zeit Botschafter in Konstantinopel, der leßtere an Herrn Cochéry, den dermaligen Minister für Post und Telegraphen, abtreten. Wir glauben nicht, daß diese Veränderung, wenn überhaupt, schon so bald stattfinden sol. Zunächst würde sie für den Augenblick nichts rechtfertigen. Die Herren Waddington und Say sind mit allen ihren Kollegen vom Kabinet vollkommen einig; sie haben vor dem Parlament keine Nieder- lage erlitten, und es scheint auch nit, daß bis zum April, zu welcher Zeit die Osterferien der Kammer beginnen, irgend eine störende Frage, die ihre Stellung zu erschüttern geeignet sein könnte, aufgeworfen werden soll. Jene Gerüchte haben also keine andere Grundlage als die versteckte FFeindselig- keit einer gewissen Anzahl von Deputirten, welche aller Orten wiederholen, daß eine neue Situation auh neue Männer erfordere. Wir glauben übrigens versichern zu können, daß Hr. Fournier durchaus nicht gencigt is, seinen Botschafter- posten in Konstantinopel zu verlassen und daß er jede Er- öffnung bezüglich des Portefeuilles des Aeußeren entschieden zurückweisen würde.

19. März. (W. T. B.) Die Zolltarifkommission hat mit 23 gegen 3 Stimmen besc;lossen, das System der Handelsverträge aufrecht zu erhalten, und die Feststellung der Ziffern des Generaltarifs für verschiedene Kategorien von Produkten in Angriff genommen.

Spanien. Madrid, 18. März. (Ag. Hav.) Alle Parteien rüsten sich zu dem nähsten Wahlkampfe. Die Senatoren und Deputirten der konstitutionellen Partei haben ein Wahlcomité erwählt, welhes demnähst ein Manifest er- lassen wird. Die amtlihe „Gaceta“ veröffentlicht ein Cirkular, welches alle Konsuln Spaniens auffordert, zur Aufdeckung der Verfälshungen des Weins durh Fudhsin beizutragen. :

19. März. (W. T. B.) Die Regierung hat beschlossen, für die Dauer der Wahlperiode über die baskischen Provinzen den Belagerungszustand zu verhängen.

Italien. Rom, 19. März. (W. T. B) Jn der heutigen Sizung der Deputirtenkammer machte, in Beantwortung der von dem Deputirten Della Rocca an die Regierung gerihteten JFnterpellation, der Minister-Präfident Mittheilung von den Schritten, die der italienische Bevoll- mächtigte zu dem Berliner Kongreß gethan habe, um ein billiges Arrangement über die türkishe Schuld herbeizu- führen. Der Kongreß habe davon Akt genommen. Er selbst habe später bei der Türkei remonstrirt, die Pforte habe indeß eine wenig befriedigende Antwort ertheilt, und habe er darauf in sehr energischer Weise die Proteste erneuert, damit die italienishen Gläubiger gegen die Gläubiger anderer Nationen nicht hintangesezt würden. Die bezüglichen Verhandlungen seien noch in der Schwebe, und werde die Regierung nicht naclassen in ihren Bemühungen, die gerechten Jnteressen der italienishen Gläubiger zu wahren. Der Deputirte Della Rocca erklärte sich durch die Antwort zufriedengestellt, empfahl der Regierung indeß, die Unterstüßung der Signatarmächte des Berliner Vertrages anzustreben.

Türkei. Konstantinopel, 19. März. (W. T. B.) Nach hier umlaufenden Nachrichten hätte die Pforte in Folg des Mißerfolges, den das Tocqueville'sche Finanzprojekt erlitten, ein anderes Projekt genehmigt, wonach künftig alle Abgaben zu 4/; in Élingender Münze, 1/; in Kaimes zum Course von 4 Prozent bezahlt werden sollten. Leßtere würden dann fofort durch Verbrennen vernichtet werden.

Griechenland. Athen, 19. März. (W. T. B.) Nach hier eingegangenen Nachrichten aus Prevesa haben die griechischen Kommissäre in der gestrigen Sißung der griechisch- türkishen Kommission erklärt, daß fie keine andere Demar- kationslinie annehmen würden, als die in dem 13. Pro- tokoll zum Berliner Vertrage erwähnte. Die griechischen Kommissäre haben sich heute in Prevesa ein ;eschift, um nah Athen zurückzukehren.

Nufland und Polen. Moskau, 19. März. (W. T. B. Von den deutschen Delegirten haben Professor Hirs und Dr. Küßner gestern Wetljanka v-rlassen, um sich zu- nächst in Samianowskaja der Quarantäne zu unterziehen, während Dr, Sommerbrodt noch in Wetljanka verbleibt.

Amerika. Washington, 19. März. (W. T. B.) Der Präsident Hayes hat eine Botschaft an den Kongreß gerichtet, in welcher erx darauf hinweist, daß die außerordent- liche Session des Kongresses nothwendig sei, um die Kredit- vorlagen zu berathen. A

New-York, 17. März. (Per Kabel.) FJhrer britischen Majestät Schaluppe „Osprey“ und der amerikanische Kutter „Walott“ sind in Alaska angekommen und fanden, daß die Fndianer jenes Territoriuums die Regierung der Vereinigten Staaten mit Krieg bedrohten. Der „Osprey wird in Alaska bleiben, bis er durch ein amerikanisches Kriegs- chiff abgelöst wird. : / |

Bayard Taylors sterblihe Ueberreste wurden am 16. d. M. in Kennet-square unweit Philadephia mit großer Feierlichkeit zur Ruhe bestattet. Der Gouverneur von Penn- sylvanien, das Comité der Legislatur und zahlreihe Perfonen von Auszeihnung waren zugegen.

Aus dem Wolffschen Telegraphen-Bureau. ern, Donnerstag, 20. März. Der Ständerath hat mit 27 A 16 Stimmen bie Aufhebung des Art. 65 der Bundes- verfassung, welcher die Todesstrafe verbietet, unter der Be- \{ränkung beschlossen, daß politischen Vergehen gegenüber die

Todesstrafe nicht in Anwendung gebracht werden darf. Brüssel, Donnerstag, 20. März. Der „Moniteur Belge“ veröffentlicht ein Dekret, durch welches das Verbot der Einfuhr von Vieh aus Deutschland vom 25. d. M. ab auf- oben wird. ges Bukarest, Mittwoch, 19, März, Abends. Jm Senate und in der Deputirtenkammer gelangte heute die Vorlage be- züglih der Abänderung der Verfassung zur zweiten Lesung. Jn der Deputirtenkammer wurde der Antrag der Ma- jorität fast ohne Debatte mit 67 gegen 13 Stimmen ange- nommen. Für den Minoritätsantrag stimmten nur 17 De- putirte. Auf eine Jnterpellation, betreffend das Verbot der Vieheinfuhr aus Oesterrei, erwiderte der Minister des