1879 / 78 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 01 Apr 1879 18:00:01 GMT) scan diff

Der ordentlihe Lehrer Wittrock am Gymnasium zu Glüdstadt ist zum Oberlehrer an der genannten Anstalt be- fördert worden.

Die Berufung des Gymnasial-Oberlehrers Dr. Fauth

r Tolhnrf ê si zu Hörter i nehmigt | E. 2 T ERN zu Düsseldorf an das Gymnasium zu Höxter ist genehmig | Kaiser und König nahmen heute militärishe Meldungen

Worden.

L Gi R T . Werr in Düren ist als Ober- | E e Ti Ber: Der Gymnasiallehrer Dr Werr 17 ! M demnächst den Chef ter Admiralität, Staats-Minister von

| Stosch, und den General-Major von Albedyll zum Vortrage. Mittags machten Se. Majesiät im offenen Wagen eine | | Spazierfahrt.

[ehrer an das Gymnafium in Coblenz berufen worden. Am Gymnafium zu Münster is der Elementarlehrer Clemens Bathe definitiv angestellt worden.

Mit Rücksicht darauf, daß in dem russischen Gouverne- ment Astrachan die Pestepidemie in der Hauptsache für er- loschen anzusehen und mit Bestimmtheit anzunehmen is, daß die Pest in keinem anderen Gebietstheile Rußlands herrscht, ändern wir unsere Verordnung vom 20. v. Mts., betreffend die Maßregeln zur Sicherung gegen das Eindringen dér Pest

dem Herrn Reichskanzler, dahin ab, daß die sanitäre Jnspek- tion des Schiffsverkehrs auf die Provenienzen aus den ruffi-

schen Häfen des Schwarzen und Asowschen Meeres beschränkt, |

bezüglih der Provenienzen aus den russishen Häfen der Ost- Jee dagegen aufgehoben wird. Für die aus leßteren Häfen eingehenden Schiffe ist nur die Paßrevision, sowie eine ent- sprehende Kont:ole der Schiffsmannschaften beizubehalten, außerdem aber Fürsorge zu treffen, daß niht Waaren einge- führt werden, welche dem Verbote vom 29. Januar d. Js. (R. G. Bl. S. 3) unterliegen.

Das Königliche Ober-Präsidium seßen e mit Bezug

5 7 S auf unseren Erlaß vom 20. v. Mts. E M S.

iervon mit dem ergebensten Ersuchen in Kenntniß, die betref- fenden Bezirksregierungen (resp. Landdrosteien) danach mit cntsprehender Anweisung s{leunig| zu versehen,

Berlin, den 31. März 1879. Der Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-

Angelegenheiten. Jn Vertretung: Sydow. An die Königlihen Ober-Präsidien der Provinzen Ost- und Westpreußen, Pommern, Schleswig, und Hannover.

Der Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten.

Im Austrage : Jacobi.

Universität zu Berlin.

Nachdem der geseßlihe S(hluß der Vorlesungen mit dem 29. März cr. eingetreten if, wird hierdurch bekannt gemacht, daß das Sommersemester 1879 mit dem 21. April d. Js. beginnt.

Berlin, den 31. März 1879.

Der Rektor der Königlichen Universität. Zeller.

Felix Mendelssohn-Bartholdy-Staats- Stipendien für Musiker.

Am 1. Oktober cr. kommen 2 Stipendien der“ Felix

WMenvrtsfohn-Bartholdy'shen Stiftung zur Ausbildu be- fähigter und strebsamer Musiker zur Vexleihuna-

Fonds Dov- jelben bcträgt 1909 #6 Vas tine ist für Komponisten, das andere für ausübende Tonkünstler bestimmt. Die Verleihung erfolgt an Schüler der in Deutshland vom Staat sub- ventionirten musikfalischen Ausbildungsinstitute, ohne Unterschied des Alters, des Geschlechts, der Religion und der Nationalität.

__ Vewerbungsfähig is nur Derjenige, welher mindestens ein halbes Fahr einem der genannten Jnstitute angehört. Ausnahmsweise können preußische Staatsangehörige, ohne daß fie diese Bedingungen erfüllen, ein Stipendium empfangen, wenn das Kuratorium für die Verwaltung der Stipendien auf Grund eigener Prüfung ihrer Befähigung sie dazu für qualifizirt erachtet.

Die Stipendien werden zur Ausbildung auf einem der betreffenden, vom - Staate subventionirten Jnstitute ertheilt, das Kuratorium ist aber berehtigt, hervorragend begabten Bewerbern nach Vollendung ihrer Studien auf dem Institute ein Stipendium für Jahresfrist zu weiterer Ausbildung (auf Reisen durch Besuch auswärtiger Jnstitute 2c.) zu verleihen.

Sämmtliche Bewerbungen nebst den Nachweisen über die

Erfüllung der oben gedahten Bedingungen und einem kurzen, selbstgeshriebenen Lebenélauf, in welchem besonders der Studiengang hervorgehoben wird, sind bis zum 1. Juli ex: an das unterzeihnete Kuratorium Berlin, NW., Unter den Linden Nr. 4 einzureichen. _ Den Vewerbungen um das Stipendium für Komponisten find cigene Kompositionen nah freier Wahl, unter eidesstatt- licher Versicherung, daß die Arbeit ohne fremde Beihülfe aus- geführt worden ist, beizufügen.

_Die Verleihung des Stipendiums für ausübende Ton- fünstler erfolgt auf Grund einer am 30. September cr. in Berlin dur das Kuratorium abzuhaltenden Prüfung.

Berlin, den 1. April 1879.

; Das Kuratorium für die Verwaltung der Felix Mendelssohn-Bartholdy-Stipendien. Joachim. Fr. Kiel. Carl Eckert.

Fustiz-Ministerium.

Der Advokat Thissen zu Aachen ist zum Anwalt bei dem Landgericht daselbst ernannt worden.

- Bekanntmachung auf Grund des Neichsgeseßes vom 21. Oktober 1878.

Das durch meine Bekanntmachung vom 17. Fanuar d. Js. (Reichs-Anzeiger Nr. 15) erlassene Verbot d vom tom: munistishen Arbeiterbildungsverein in London herausgegebenen periodishen Druckschrift: „Freiheit“ erstreckt sich auch auf diejenigen Nummern dieses Blattes, welhe unter der Aufschrift „Forckenbeck“ zur Ausgalke gelangen.

Berlin, den 31. März 1879.

Der Reichskanzler. Jn Vertretung: Hofmann.

Nichtamtliches. Deutsches Neich.

Preußen. Berlin, 1. April. Se. Majestät der

sowie die Rapporte der Leibregimenter entgegen und empfingen

Im weiteren Verlaufe der gestrigen (30.) Sißurg

| trat der Reichstag in die erste Berathung des vom Abg.

Reichensperger (Olpe) vorgelegten Geseßen: wurfs, betreffend den | | Zinsfuß und die Wechselfähigkeit, und des von den | Abgg. von Kleist-Reßow, Freiherrn von Marschall und Gen. ; rin Nt |} vorgelegten Geseßentwurss, den Wucher auf dem Wege des Seeverkehrs, in Uebereinstimmung mit |

j ) betreffend, ein. Der Abg. Reichensperger (Oipe) wies zur Begründung

| seines Antrages auf das Ueberhandnehmen des Wuchers hin,

der zu einer öffentlihen Kalamität zu werden beginne, und das Einschreiten der Reichsgeseßgebung dringend erfordere. In Folge dessen seien auch în allen Kreisen des deutschen Volkes Klagen hervorgetreten, Schmerzensschreie über das Ueberhandnehmen des Wudchers, welcher das Mark des Volkes auésauge, und zahlreiche Existenzen ruinire. Mögen nun die bestehenden Geseße dur die berectigtesten Doktrinen diktirt worden sein, diefe Doktrinen müsse man doch der Praxis, den bitteren Erfahrungen des Lebens unterordnen. Der bayerische Landtag habe dies auch bereits gethan und sih mit großer Majorität für eine Remedur gegen die Folgen der Zinsfrei- het ausgesprochen. Es handele sih gar niht mehr um Zinsen, es sei absoluter Wucher, wenn 50, 100, ja 150 pCt. des Darlehns als Zins gezahlt würden. Und in Folge der bestehenden Geseße bleibe der Wucherer straflos, dieGerichte scien gezwungen, die fürch- terlihen Verträge, in denen sih Geschäftsurkundige, uner- fahrene, ungebildete Leute zu so horrender Zinszahlung ver- pflihteten, als legal anzuerkennen, und von den armen Leuten auf Anrufen des Wucherers die Wucherzinsen einzutreiben. Was solle bei solhen Zußänden aus dem Rechtsbewußtsein des Volkes werden ? Bei Berathung des Gesetzes über die Zins- freiheit, im Jahre 1867, habe der Abg. von Schweitzer erklärt, „daß er aus Bosheit“ für das Geseß stimme, weil er voraus- sehe, wie die surchtbare Ausbeutung des Volkes eintreten müsse und eine noch furchtbarere Reaktion von unten gegen alle Besißenden zur Folge haben müsse. Nun, der Druck werde vom Volke empfunden, ja auf unerträglihe Weise sollte das den Reichstag nicht an jenes Wort er- innern und zur Rüdckehr mahnen? Sein Antrag wolle einen Maximalsay für das Zinsnehmen gesetzlich festgestelt wissen, er wolle 5 und 6, ja unter gewissen beglaubigten Umständen 8 Prozent zulassen, Ein Marimal- saß des Zinsfußes habe geseblih bis in die leßten Dezennien bestanden. Erst die neueste national-ökonomishe Schule habe unter der Fahne der „Freiheit“ und des „Rehts“, unter der Fahne der „freien Konkurrenz“ das frühere Prinzip aus der ejehgebung verdrängt. Man f\prehe immer nur von der Zinsfreiheit, obgleiÞh man doch eigentlich nur die Wucher- freiheit vertheidige. Man habezeben immer mehr die mate- rialistishe Seite der Fra@Æ*b&ênt, nieinals die ethische, die bavoits wor JuHYrelil Noubrrf vi Mohl vttunt Yhube. Cs werbe gesagt, die freie Konkurrenz söôlle das Verhältniß zwischen An- gebot und Na&hfrage regeln. Adam Smith habe diesen Sat ausgesprochen, aber dieser Nationalökonom habe ausdrülih unterschieden zwishen Waare und Geld und das Geld niemals als Waare anerkannt. Es werde das Kapital bei dem hohen Zinsfuß dem soliden Geschäft entzogen, und das ausgeliehene Kapital selbst werde gefährdet, da, um die hohen Zinsen zu ershwingen, die gewagtesten Geschäfte ge- macht würden. Eine Erhöhung des Zinsfußes habe eine Ent- werthung des Jmmobiliarbesißes, mithin eine große Mehr- belasiung des Grundbesiges zur Folge. Jn Folge einge hender Enqueten habe in Frankreih und Nordamerika eine geseßliche Beschränkung des Zinsfußes, und zwar zum Segen des Landes stattgefunden. Wenn die Gegner des Gesetzes sagten, das Ge- seß fönne den Wucher nicht verfolgen, derselbe werde troß gegentheiliger Bestimmungen doch bestehen, so sei das doch ein Einwand, der nit maßgebend sein dürfe. Der Betrugs- paragraph des Strafgeseßbuches könne keine Anwendung auf Wuchergeschäfte finden ; es sei daher dringend nöthig, diese Lücke in der Geseßgebung auszufüllen. Oesterreich und Belgien zeigten mit den Folgen ihrer Wucdchergeseßgebung deutlih, wie nihtig der Vorwand sei, daß die Legis- lative dem Wucher gegenüber ohnmächtig sei. Fn Bezug auf die Wecselfähigkeit könne darüber kein Zweifel jein, daß fie in Deutschland in ihrer absoluten Freiheit als Unifum dastehe; kein anderes Land in Europa ftelle die ge- zogenen, eigenen und trockenen Wechsel glei, wie es hier ge- sehe. Das stehe mit der Natur und dem Zweck des Wechel- rets in s{härfstem Widerspruch. Der kaufmännische Verkehr dürfe selbstverständlih nicht beshränkt werden ; aber die Aus- dehnung der Wechselfähigkeit auf alle in civilrehtlihen Ver- hältnissen stehende Personen, auf den Landbau, auf die Sub- alternbeamten habe die unheilvollsten Folgen gehabt. Das Handelsgeseßbuch erkläre es für wünschenswerth, daß alle Kaufleute in das Handelsregister eingetragen würden, das habe zu einer Scheidung zwischen Voll- und Minderkaufleuten ge- führt , welche leßteren hon gewissen Beschränkungen bezüglich der Wechselfähigkeit unterworfen werden follten. Die Mehr- heit des Hauses habe alle Veranlassung, die ganze Frage nicht blos einer ernsten, sondern auch wohlwollenden Erwägung in einer Kommission zu unterziehen. Der Abg. von Kleist-Rezow begründete seinen Antrag.

| Das Wort Wucher sei feit einiger geit aus der Geseßgebung v

geshwunden, aber der Begriff des Wuchers existire im Volks- bewußtsein noch weiter. Die Wucherer fräßen sich in eine Wirthschaft wie die Maden in einen gesunden Apfel ein und zehrten von dem Volkswohl, wie die Raubvögel von einem verwesenden Leihnam. Jm Jahre 1877 sei im preu- gischen Abgeordnetenhause über die Rückaufshändler ver- handelt und dabei der Stand der Rückkaufshändler geradezu als ein „gemeinnügiger“ bezeihnet, der bisher arg verleumdet sei. Wie stehe es denn jeßt damit in Berlin? Vorgestern habe ihm eine Deputation der Berliner Nückaufshändler mit Rücksiht auf den gegenwärtigen Antrag einen Besuch abge- stattet und habe ihn um ein Gespräh- über diese Frage ersuht.. Da hätten dieselben ihm selbst mit- getheilt, sie gingen nicht bis zu 200 Proz., son- dern. gewöhnliÞh bis zu 60, bei fleinen Objekten bis zu 100, im Dur@hschnitt also bis zu 80 Proz., und daß in

} Berlin gegenwärtig über 1000 Rückaufsgeschäfte beständen. Dieselben hätten als einen wesentlihen Vortheil angegeben, daß | das Geschäft mit einem Kapital von 5000 Thlrn. betrieben werden | könne, die 1000 Geschäfte arbeiteten also mit 5 Mill. Thlrn., | die 80 Proz. abwürfen. Die früheren Pfandleihgeschäfte hätten | bis zu 18 Proz. nehmen können. Seße man einmal 20 Proz. rund und ziehe diese von der obigen Summe ab, so blieben immer noch 3 Mill. Thlr. übrig, die in Berlin seit dem Gesetz | von 1867 jährlich mehr von den Elendesten und Aermsten der Stadt gegeben würden. Sollten die Reichstagsmitglieder solhen Dingen gegenüber niht auf Abhülfe sinnen, so müßten sie selbst {hon so fest von den Wudcherranken einer schädlichen Dokirin umgarnt sein, daß es hohe Zeit wäre, Anderen Plaß zu machen, die Hülfe schaffen könnten. Man könne den Wucher national- öfonomisch und sittlich betrachten. Es könne und dürfe in ersterer Beziehung dem Gelde eine Grenze geseßt werden, über die hinaus es nicht die anderen Werthe entwerthen dürfe. Das glaube er nicht, daß die deutshe Gesetzgebung die Schwindelgeschäfste geschaffen habe, aber sie habe doch vielfach, z. B. mit dem Alktiengeseß, die Schleusen geöffnet, dur welche sich die Sündfluth ins Land ergießen konnte. Man glaube im Lande, niht mit Fleiß und Sparsamkeit einen kleinen, aber foliden, fondern einen rapiden Gewinn machen zu müssen. Jedoch im Gegensaß zum Vorredner frage er sich: Wären nicht vielleiht die Schwierigkeiten unüberwindlih, die alten Wudchergeseße wieder einzuführen? Der Aba. Reichen- sperger wolle die Wechselfäh'gkeit des reinen Grundbesißes aufgehoben wissen. Wie viele der deutshen Großgrundbesißer seien denn zur Zeit in der Lage, den Wechsel entbchren zu können? Und dann erkenne seine Partei unter Umständen höhere Zinsen als 5 oder 6 Proz. als berechtigt an. Der künftige Erbe eines großen Majorates z. B. sei brustleidend, er müsse nah Egypten. Ein Mann borge ihm das Geld unter der Bedingung der Rückgabe und Verzinsung mit 300 pCt. für den Fall, daß er das Majorat erbe. Hier scien die hohen Zinsen gerechtfertigt durch die Höhe des Risikos. Auch Ver- eine lasse er gelten, die mit einem Zinssaße von 8 bis 10 Prozent doh eine Wohlthat für den Beamtenstand seien. An- ders stehe es mit den Hypothekenbanken, die oft den Grund- besiß verdürben. Allein in seinem Kreise seien 5 große Güter zur Subhastation gelangt durch die Machination einer Hypo- thekenbank. Er könne nur wünschen, daß die Regierung zu der Wucherfrage bald eine entschiedenere Stellung einnehmen möge. Er hoffe eine energishe Erklärung schon heute vom Regierungstish: zu hören. Und nun betrachte man die Sache vom sittlihen Standpunkte-aus! An Stelle der Lehns- herrshaft, welche einen moralischen Hintergrund gehabt habe, sei die Herrschaft des Kapitals getreten, welche unn:oralisch sei. Es bestehe eine tiefe Kluft zwischen dem Rechte und dem Rechtsbewußt- sein. Und wenn das Geseß etwas dauernd für zulässig erkläre, halte es s{chließlich Mancher auch für sittlich erlaubt. Der Wucher charakterisire sih einfach als Diebstahl oder als Be- trug, ohne strafrechtlich als folcher belangt werden zu können. Rechtlich habe der Wucher seine ganz besondere, von allem Handel unterschiedene Form. Beim Kaufgeschäft gebe der Betheiligte das Objeft fort, beim Darlehnsgeshäft sei der Darlehnsnehmer ganz in den Händen des Darleihers. Hier kämen Leichtsinn, Vers{Wwendung, Minderjährigkeit ins Spiel, {und das Schändlichste sei, daß der Wucherer ungestraft sich ! folche Eigenschaften zu Nuße machen könne. Der Hülfsbedürftige jel von einem französishen Minister einmal einem Ertrinkenden verglichen worden, der na einem Strohhalm greife, um fi zu retten; er möchte ihn mit einem Ertrinkenden vergleichen, der es sih gefallen lasse, daß ihm der Strick um den Hals ges{lun- gen werde. Derselbe hoffe, wenn er nur erst an das Land komme, jo würde man schon wieder mit ihm Belebungsversuche an- stellen! Es müsse ein Paragraph gefunden werden, wodurch die betrügerische Absicht dargelegt werden könne. Dem Rich- ter mü}jje es überlassen bleiben, die Strafwürdigkeit einer wucherishen Handlung festzuscßen, und um dem Richter dies zu ermöglihen, habe er jeinen Antraa gestellt. Es handele sich darum, den gewerbsmäßigen Wucher zu tref- fen, also müsse auch der einzelne Fall ciner scharfen Beur- theilung unterliegen. Mit dem Abg. Reichensperger erkenne jeine Partei das Bedürfniß einer Aenderung an, aber die- selbe könne nicht mit ihm für Beschränkung der Wechselfähig- keit und für eine Zinstaxe stimmen; bezüglich der strafrecht- lichen Bestimmung halte er dafür, daß der erste Fall dur jene Vorsläge zu hart, der gewerbsmäßige Wucher zu miide getroffen werde. Werde freilih niht bald Abhülfe geschaffen, jo werde das Geschrei nah Zinstaxe und Beschränkung der Wechselbe ugniß so groß werden, daß der Reichstag sih dem niht mehr werde entziehen könner! Beuge man daher dieser Eventualität vor !

Der Abg. Freund bemerkte, darüber sei auf allen Seiten des Hauses, bei allen Parteien kein Zweifel, taß die Aus- beutung zer wirthshaftlihen Noth höchst bedauerlich sei und so beklagenswerthe Dimensionen angenommen habe, daß man dieser Ausbeutung mit allen geseßlich möglihen Mitteln ent- gegentreten müße. Nur sei es erforderli, daß die Freiheit des Verkehrs durch etwaige Maßregeln nicht geschädigt werde. Die Art, wie eine Beschränkung der Wechselfähigkeit vorge- schlagen würde, halte er nicht für angänglih, es werde da eine Scheidung nah Berufsklassen verjuht, welche wohl im sozialen, nit aber im Rechtsleben existire. Ueberhaupt halte er die Anträge nichtfürzweckmäßig, denn er wisse aus einer langen Praxis daß auch, als noch d2s geseßlihe Zinsmaximum bestanden habe, die Zustände ebenso wie heut gewesen seien ; das Volk habe damals gejagt, die Kleinen hänge man, die Großen ließe man laufen. Er versprehe sich von solchen Geseßen sehr wenig. Man möge allen Respekt vor der Macht der Geseße haben, und die Staatsanwälte mögen noch so eifrig und thätig sein; wenn die Beschädigten selbst nicht einträten, dann sei kcine Wirkung zu erhoffern. Und die Beschädigten seien in den meisten Fällen zu einer gewissen Diskretion gezwungen. Die Fassung der vorgeschlagenen Paragraphen mache sie ihm völlig unannehmbar. Das sei ebenjo als wenn man sagen wollte: „iede Ausbeutung der Leidenschaften werde bestraft.“ Mit fjolhen unbestimmten Worten fönne kein Jurist etwas an- fangen. Der Antrag des Abg: von Kleist-Reßow erstrecke fich auf die Pfandleiher und Rückkaufshändler mit Unrecht, denn diese Frage gehöre der Landes- und nicht der Reichs- geseßgebung an. Die Fortschrittspartei stelle sich zu der Rege- lung der Materie nicht auf einen völlig negativen Boden und werde für deren fommifsarishe Behandlung stimmen.

_ Inzwischen war folgender Antrag der Abgg. Fürst zu Hohenlohe-Langenburg, von Geß und Dr. von Schwarze zur

Vertheilung an die Mitglieder des Hauses gelangt. Dieselben beantragen;

Der Reichstag wolle beslicßcn, in Erwägung: I. daß seit der Aufhebung der Wuchergeseße die Fälle wuherlih-r Aus- beutung der Not, des Leichtsiuns und der Unerfahrenheit der Schuldner erheblih zugenommen haben, II. daß von der öffent- lihen Meinung die Prüfung der Frage dringend. verlangt werde, ob diese Thatsahe eine Folge der Aufhebung jeaer Gesetze sei und ob und in wie weit Abhülfe im Wege der Gesetzgebung ge- boten erscheine, ITI. daß zur Entscheidung über die in dieser Richtung eingebrabten Anträge und zur Beurtheilung der Frage, ob die etwa nöthige Abhülfe auf dem Bebiete des Civilrehts, insbesondere durch Beschränkung der Wehsclfähigkeit, si es in Beziehung auf das Ret zur Ausstellung von Wecbseln, sei es in Beziehung auf den Betrag der Wechselsumme, oder auf dem Ge- biete des Strafrechts, oder endlich auf diesen beiden Rechtê- gebieten zu erfolgen habe, ein tieferes Eingehen auf die thatfäch- lib:n Grundlagen und die rebtlihen, sowie die volkêwirthscaft- lichen Gesichtépunkte nöthig sei, die vorliegenden Anträge der Abga. Neichensperger und v. Kleist - Reßow einer Kommisfion vo1 21 Mitgliedern zur Berichterstattung zu überweisen.

Der Präsident Dr. von Forckenbeck bemerkte, daß für diesen Antrag auf motivirte Ueberweisung an eine Kommijsion eine Präzedenz bisher nit vorliege, auch ein solcher Fall in der Geschäftsordnung niht vorgesehen fei. Der Antrag sei erst zur Vertheilung bestimmt worden, nachdem die Antrag- steller davon abgestanden t;ätten, über die Motive sub I., [L HI. | eine besondere Abstimmung zu verlangen. Auch die Verthei- lung solle kein Präjudiz sein. E i

Abg. Dr. Dreyer erklärte, er habe in sciner amtlichen Stellung Gelegenheit genug gehabt, einen Einb:ick in das Wesen des Wudthers zu gewinnen und sei er der Allerlebte, der eine Abhülfe der ihm dabei bekannt gewordenen Mißstände zurückweisen wolle. Aber wenn er nah Abhülfe trahte, müsse er die wirthschaftliche, die nationalökonomische Seite auf das Genaueste trennen von der juristishen Seite der Sache und von ihrer sittlihen Bedeutung. Er könne dem Abg. von Kleist darin Recht geben, daß das Geld in beshränktem Sinne eine Waare stei, aber er könne ihm dahin nicht folgen, daß darum auch der Staat das unbeschränkte Recht habe, den Spielraum festzustellen, in dem sich das Geld gescäftlih zu bewegen haben würde. Es zeige sh au diese Schwierigkeit, sobald man versuche, die Marxrimalgrenze für den Zins festzuseßen; der Eine sage 8 Prozent, der Andere meine 15, und die Anfichten fönnten sih nit vereinigen. Es sei daher sehr mißlih, Zinstaxen wieder einzuführen und die Entscheidung für ein Maximum nament- lich während der herrshenden Kalamität sehr \hwierig. Der Begriff des Wuchers, wie er sich im Leben herausgebildet habe, stehe auch mit dem Zinsfuße gar nicht in Verbindung. Der Abg. von Kleist habe selbst gesagt, daß in bestimmten Fällen hohe Zinsen Wucher seien, in anderen dagegen nur eine Versicherung gegen das Risiko. Wenn in Frankreich die Zinstaxe falle, scheine es in Deutschland auch nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Die Grenze für die Einschränkung der Wechselfähigkeit sei ebenfalls shwer zu ziehen. Abhülfe auf diesem Gebiet lasse sich nur dur das Strafgeseß fuchen und finden. Der Thatbestand lasse sich, wenn auch {wer definiren, ebenso wie der Richter zu prüfen habe, ob gewinn- sühtige Absicht vorliege. Man wende ein, das Strasfge)eß werde keinen Erfolg haben; nun, ebenso gut wie troß der Bestrafung des Diebstahls noch fortgestohlen werde, werde auch fortgewuchert werden. Zu bedenken fei _auh noch, ob niht, wenn man gegen den Gläubiger, der si übermäßige Vortheile bedinge, scharf einschreite, au gegen den Schuldner vorzugehen sein würde, der sich dann vielleiht durch alleclei Chifanen der Zahlung entzichen wolle. Diese Einzelheiten fönnten aber nur in der Kommission untersuht werden.

Der Abg. Frhr. von Schorlemer-Alst bemerkte, nahdem die Gesetzgebung sich auf Gebiete ausgedehnt, wo sie nihts zu thun habe, könne sie auch dem Wucher entgegen treten, gegen den der Abg. von Kleist mchr Entrüstung gezeigt, als wirk- same Mittel der Bekämpfung nachgewiesen habe. Denn die allgemeine Wechselföhigkeit, die er bestehen lassen wolle, würde das beste Mittel sein, um das Geseß zu umgehen ; gerade die Grundbesißer wären besser daran, wenn sie die Wedchselreiterei unterließen, wie dies im Westen geschehe. Der Abg. von Kleist

habe dann gemeint, der Entwurf seiner Partei lasse die großen Diebe laufen, die kleinen hängen ; nun, wenn die Herren an der Börse sih gegenwärtig bewucherten, so sei das zwar nicht hübsch, lafe ihn aber sehr falt. Stahl habe übrigens die allgemeine Wechselfähigkeit im Gegensaße zu Hrn. von Kleist als eine Kalamität bezeichnet. Die Rückaufshändler hätten beab- sichtigt, ihm eine Deputation von 5 Männern zusenden; er habe gesagt, er hätte an einem s{hon genug und der habe ihm dann mit großer Ueberredungsgabe nach- zuweisen gesucht, daß 60 bis 80 Prozent nur ein mäßiger Zinsfuß seien, daß ihr Geschäft ledigli die humanitäre Aufgabe habe, den Armen zu helfen. Die Geseßgebung habe zu viel Rücksicht auf den Handel genommen und zu wenig auf die Produktion. Sowie der Reichskanzler in der Zollpolitik zu seinen alten Grundsäßen zurückgekehrt sei, so werde er auch auf dem Gebiete der Wuchergeseßgebung wieder umkehren. Die Zustände wurden charakterijirt dur) ein Erkennt- niß des Reichs-Ober- Handelsgerichts vom 9. September 1878, nah welchem in Preußen ein Kind nach Vollendung des 7. Lebens- jahres Wechselverbindlihkeiten eingehen könne, wenn der Vater oder Vormund ihm dies mündlih erlaube, oder nah der Acceptation diese genehmige. Von dem Verein westfälischer Grundbesißer liege jeßt eine Petition auf Beschränkung der Wechselfähigkeit für diesen Stand vor; man sei dort also nit so empfindlih gegen diese Zurücksezung hinter andere Stände. Befreiung von diesem Privilegium werde dem Grundbesiß zum Heile diencn. Er glaube, daß es sehr wohl möglich sei, eine passende und juristish korrekte Fassung für die vorliegen- den Anträge zu finden und hoffe, daß es einer Kommission gelingen werde, zum Wohle des Vaterlandes einen Entwurf auszuarbeiten, welher auch vom Hause angenommen würde.

Der Präsident des Reihs-Justizamts, Staats-Sekretär Dr. Friedberg erwiderte, die Warnung des Abg. von Kleist, die Regierung möge der Frage niht mit vershränkten Armen zusehen, verpflichte n hier, die Auffassung darzulegen,* die er als Vertreter des Reichs-Justizamts auszusprechen berechtigt sei, ohne damit den Entscheidungen der verbündeten Negierungen zu präjudiziren. Troß der sahlihen Erörterungen der Abgg. Reichensperger und von Schorlemer meine er nit, daß die Ge- seßgebung gut thun würde, wenn sie auf dem von Reichensperger eingeshlagenen Wege den wirklih vorhandenen Nothstand zu be- seitigen unternähme. DaßKin solcher vorhanden sei, erkenne er sehr wohl an, und er habe sich {hon vor Monaten ge- nöthigt gesehen, sich darüber zu informiren, ob die Aufhebung der Zinsgeseße wirkli dahin geführt habe, daß ein exorbitanter

Antworten, welche ihm darauf gegeben seien, dem Hause heute mitzutheilen, wäre verfrüht; denn er hoffe, das Haus werde die vorliegenden Anträge einer Kommission überweisen, mit der die verbündeten Regierungen Hand in Hand zum Austrag der Frage zu kommen bemüht sein würden. Aber er fürchte, daß, wenn das Haus nach dem E des Abg. Reichensperger eine geseßlihe Zinstaxe einführen und die Wedselfähigkeit beshränken wolle, das Erreichbare nit er- reiht würde, weil zu viel von der Geseßgeoung verlangt j werde. Der Hauptübelstand liege in der wucherishen Aus- beutung der Noth; hier müsse der Hebel angeseßt werden, um, wenn möglich, abzuhelfen. Thue man das, so mache man keinen Eingriff in die seit fünfzig Jahren befolgte Ent- wickelung der Civilgesezgebung, die seit der Wechselordnung und dem Handelsgeseßbuch bemüht sei, die Zinstaxen zu ver- lassen und die Wechselfähigkeit auszudehnen, und man bemühe sih dann, die Sache im Strafgeseßbuch zu regeln, das cr auf diesem Gebiete für lückenhaft halte. Möglich, daß auch nah dieser Ergänzung die von den Vorrednern geschilderten Miß- stände niht aufhörten, und es dürfte die Frage späterer Ge- seßgebung sein, ob man nach dem ersten Schritte noch ergän- zende Schritte, vielleicht auch in der Civilgeseßgebung zu thun habe. Die Regierung werde die Anträge prüfen und viel- leiht werde sich in der Kommission eine Vereinbarung er- zielen lassen, die wenigstens die shroffsten Mißstände beseitige. Der Abg. Dr. von Geß erklärte, die Anträge erregten mancherlei Bedenken. Der Antrag Reichensperger enthalte mehrere große civilrechtlihe Eingriffe. Der Wechsel sei aller- dings in Kreise eingedrungen, die desselben nit bedürften, fein formaler Charakter begünstige allerdings den Wucher, aber dur eine niht genau durhdachte Einschränkung der Wechsel- fähigkeit treffe man auch die soliden Geschäfte. Auch der Zinsfuß bedürfe wegen verschiedener Momente, z. B. der Sicherheit, eines gewissen Spielraums. Man müsse dem Wucher durch die Errichtung guter Kreditinstitute entgegen- treten. Jn Betreff der vorgeshlagenen Strafbestimmungen sei es schwer, den Thatbestand des Wuchers genau zu fixiren, wenn man nicht dem Richter carte bianche geben wolle. Dieser Anforderung entsprächen die gestellten Aniräge nicht überall, die eine Kommission gründlih prüfen müsse. Hierauf wurde die Diskussion geschlossen. Nachdem der Abg. Reichensperger seinen Antrag nochmals empfohlen, und die Ueberweisung desselben an eine Kom- mission befürwortet hatte, führte der Abg. Freiherr von Mar- schall als Mitantragsteller aus, der Saß, daß Geld Waare sei, treffe für die haute finance zu, aber nit für die Hütten der Armuth. Der Antrag Reichensperger sei zwar shneidia, aber auch zweishneidig. Beim Wucher komme viel auf die subjektiv: Absicht an, da müsse der Richter größeren Spielraum für sein Urtheil haben. Er konstatire mit Freuden die allseitige Bereitwilligkeit des Hauses diescr Frage näher zu treten. _ Die Anträge wurden fast einstimmig einer Kommission von 21 Mitgliedern überwiesen, worauf sich das Haus um 51/, Uhr vertagte.

Jn der heutigen (31.)Sißung des Neihstag-s, welcher der Präsident des Reichskanzler Amts, Staats-Minisier Hofmann und mehrere andere Bevollmächtigte zum Bundes- rath, sowie Kommissarien desselben beiwohnten, theilte der Präsident mit, daß die Kommission zur Vorberathung des Geseßentwurfs, das Faustpfandreht betreffend, gewählt fei und sih wie folgt konstituirt habe: Abgg von Forcade de Biaix (Vors.), von Leveßow (Stellv.), Büsing, von Lenthe (Schriftführer). | : E

Darauf motivirte der Abg. Witte (Rostock) seine Fnter- pellation, welche lautet: : A

„Beabsichtigt die Reichsregierung in entsprehender Weise, wi- dies Seitens der österreichischen, französishen, englishen urxd an- deren Regierungen geschicht, die zur Siherung des auêëwäctigen Marktes wüaschenéwerthe Betheiligung deutscher Industrie an den für dieses Jazr in Sydney und für künftizes Jahr in Melbourne in Australien projektirten Ausstellungen durch Abordnung eines deutschen Kommissars oder auf sonst geeignete Weise zu unter- stüßen ?* 5 2 j Der Jnterpellant wies auf die große kommerzielle und

fulturgeshihtlihe Bedeutung der genannten Ausstellungen hin, auf die rege Betheiligung anderer Kulturstaaten an den- selben und demzufolge auf die Nothwendigkeit einer würdigen Repräsentation der deutshen Jndustrie daselbst.

Der Präsident des Reichskanzler-Amts hob in der Beant- wortung der Interpellation hervor, daß bei allem Fnteresje der Reichsregierung für die deutsche Expo-tindustrie dieselbe do vorsichtig sein müsse, daß sie niht voreilig dem Reiche und den Privaten Kosten aufbürde, die in keinem Verhältniß zu dem dadurch erzielten Nutzen stehen. Sei eine würdige Be- \hickung der Ausstellungen vorauszusehen, fo werde die Reichs- regierung eine entsprehende Vorlage machen. Diese Ermitte- [ungen seien aber noch nicht zum Abschluß gelangt. |

Damit war dieser Gegenstand erledigt. Es folgte die zweite Berathung des Geseßentwurfs, betreffend den Verkehr mit Nahrungsmitteln, Genußmitteln und Gebrauchsgegenständen. _ | A

8. 1 lautet in der Fassung der Kommission:

Der Verkehr mit Nahrungs- und Genußmitteln, sowie mit

Spielwaaren, Tapeten, Farben, Eß-, ZTrink- und Kochgeschirr und mit Petroleum unterliezt der Beaufsichtigung rach Maßgabe dieses

Sesetzes.“ | i

F Der Abg. Büchner beantragte die „Farben“ zu streichen. Der Bundeskommissar, Geheime Regierungs-Rath Dr. Finfeln- burg sprach si für Aufrehterhaltung dieser Worte aus; ebenso der Abg. Dr. Harnier. Die Abgg. Mosle, Rickert cund Dr, Mendel sprachen si generell gegen die Vorlage aus. Die- selbe sci augenblicklich noch nit reif; gegen einen proble- matischen Nutzen taushe man sichere Belästigungen des Ver- kehrs ein. Eine Einheit der Praxis in Deutschland in Bezug au:f Vergehen gegen dieses Geseß werde sih auf Grund dessel- ben nicht erreichen lassen. Dieser leßteren Behauptung wider- sprach namentlich der Abg. Staudy. Die Abgg. Dr. Löwe (Bochum), Dr. Lasker, Graf Luxburg und Baer (Offenburg) sprachen den Wunsch aus, daß niht allgemeine Bedenken das Zustandekommen dieses wichtigen Geseßes hindern möchten. Der Bevollmächtigte zum Bundesrath Staatssekretär Dr. Friedberg widerlegte namentlih den Vorwurf, daß diese Vorlage zu übereilt gearbeitet sei ; dieselbe sei auf die Jnitiative des Hauses ver- faßt. Der Bundeskommissar, Geh. Regierungs-Rath Ur. Finkeln- burg, hob dem Abg. Dr. Mendel gegenüber idt eri daß die Enquete zur Vorbereitung dieser Vorlage nicht erst in dem lezten Jahre veranstaltet worden sei. Der Abg. Windthorst machte seine s{ließlihe Zustimmung zu der Vorlage von erheblichen Aenderungen derselben abhängig. Der Kommissar des Bundesraths, Geh. Ober-Regierungs-Rath Dr. Meyer,

Wuger getrieben worden und ob der vorhandene Nothstand eine unmittelbare Folge der allgemeinen Wechselfähigkeit sei. Die

erklärte, daß die Regierung die jet bestehenden

Polizeiverordnungen für ausreihend zur Steuerung der Fäl- hungen nit erachten könne. Nach einem Schlußworte des Referenten Abg. Dr. Zinn für die Kommissionsfassung lehnte das Haus den Antrag Büchner ab und nahm §. 1 in der Fassung der Kommission an. (Schluß des Blattes.) Mit dem zu Ezade vorigen Jahres erfolgten Ablaufe des Handelsvertrags zwishen Frankreih und Oesterreich- Ungarn vom 11. Dezember 1866 hatten die darin stipulirten ermäßigten Zollsäße auch für Deutschland und die übrigen meistbegünstigten Staaten ihre Wirksamkeit verloren. An die Stelle derselben waren für die Einfuhr nah Frankrei im Wesentlichen diejenigen Zollsäße getreten, welche in den von Franfkreih mit Großbritannien, mit Belgien und mit der Schweiz geschlossene, mit dem Ende d. J. ablaufen- den Handelsverträgen vereinbart sind. Dieser Rechtszustand ist nunmehr durch ein am 17. März cr. in Frankreich erlafsenes, im „Journal officiel“ vom 19. dess. Mts. publizirtes Geseß abgeändert worden, welches für eine Reihe der durch den Ablauf des österreichish-fran- zösischen Vertragstarifs mehr belasteten, aus den Verirags- staaten nach Frankreich eingeführten-Waaren jenen früheren Tarif wieder hergestellt hat. Die wichtigsten Bestimmungen des er vähnten Gesezes, welche vermöge des Rechts auf fogenannte Meistbegünstigung auch für Deutschland gelten, find folgende : L Artikel 1. Der Zolltarif für die Einfuhr der nachstehend verzeihneten Waaren ist für die mit Frankreich durch Tarif- verträge verbundenen Staaten für die Dauer dieser Tarif- verträge wie folgt wieder hergestellt : Bettfedern jeder Urt Ce Rinden zum Medi:inalgebrauch, nicht E Kräuter, Blätter und Blüthen zum Medizinalgebrau, nicht genannte Hopfen a Sciefertafeln, eingerahmte oder nit

eingerahmte, zum Sthreiben oder Zeichnen 5

Stahl: in Stäben und Bandftahl . . in braunen, beiß gewalzten Blechen

oder Blättern in einer Dicke ron I Von E V oes E ._. ¿, in weißen oder kalt gewalzten Blechen ozer Blättern, ohne Berücksichti- E

Drabt, aud weiß gemadht zu Saiten

Glaéëflüfse und Email in Masse oder Röhren

Glasflüfsse schnittenen Perlen, farbigen oder nicht hängen, gefp Knöpfe und

190 kg

1 7 95 (748 11 Fr. 25 Cts. L ew 15 Fr.

2 FE

e 3 Fr. 75 Cts. in dturchbohrten oder ge- in Edelsteinen, r farbigen Be- onnenes Elas, Kugeln, fünstli%e Korallen aus Ea do. Spiegel, von weniger als è qm Fläche do. Leinen: oder Hanfgewebe, rohe do. glatte oder gemusterte, | i welche auf einem R2um} gebleichte | von 5 qmma 24 Fäden \ oter gefärbte, / do. und mehr in der Kette] bedruckte | ersehen lafien Wollene Teppiche . E Schreibmappen, Etuis, Necessaire, Ci- garrentashen, Portefeuilles und Port- Monde V E s a S do. Waaren aus Meerschaum . . . . . vom Wertb Federn zur Wagenfabri- ( kation, für Eisenbahn-

vom Werth 109 kg

wagen und für Loko-

Maschinen- ) motiven theile aus Stakl |

polirt, gefeilt, vorge-

Andere, zum Gebrauch richtet oder nicht mehr als 1 kg

wicht 1 kg oder we-

von J niger .

Werkzeug aus Stahl, mit oder

E

Wirthschaftsgerätze und andere nicht

namentlich aufgeführte Waaren aus

n Etuis aus Holz, Knochen -oder Horn, Necessaire, Portemonnaie und Gegen- stände aus Holz, gedrech{s\elt, gefirnißt E E e Möbel aus gebogenem Holz . . Seeschiffe, in den Vertragsitaaten er- baut, noch nicht immatrikulirt oder noch nicht unter der Flagge dieser Länder fegelnd, von Holz oder von

E L s 1&6 r.

Hölzerne oder eiserne Seeschiffskörper Do U

Artikel 2. Die rohen oder bearbeiteten Gegenstände ein- s{ließlih der Dampfmaschinen und der Theile von Maschinen, welhe zum Bau, Austakeln, zur Ausrüstung und _Unter- haltung von hölzernen oder eisernen Segel- oder Dampf- Handels-Seeschiffen verwendet werden, nd zollfrei, wenn die Verwendung der genannten Gegenstände zu dem „gedachten Zwecke innerhalb eines Jahres nahgewiefen wird. Dle Nach- weise und Bedingungen, an welche diese Befreiungen geounden sind, werden durch besondere Dekrete festgeseßt werden.*) Jede üebertretung der Bestimmungen dieser Dekrete zieht die Ver- pflihtung zur Entrichtung der Zölle nah sih, welhe von den genannten Gegenständen jeßt oder fünftig zu erheben sind, und wird überdies mit einer dem dreifahen Betrage dieser Abgaben gleichen Geldstrafe geahndet. _

Artikel 3. Der Finanz-Minister 1jt ermächtigt, den JFm- porteuren der oben genannten Waaren die Differenz zwischen den Zöllen vor und nach dem 31. Dezember 1878 zurücfßzahlen zu lasen, wenn der Nachweis geführt wird, daß die betreffen- den aus einem Vertragsstaate stammenden Waaren entweder vor dem 1. Januar 1879 abgesendet worden sind, oder den Gegenstand von Geschäften bilden, deren Abschluß vor diesem Termin stattgefunden hat.

Seit einigen Tagen werden auf dem hiesigen Haupt- Telegraphenamt nach Verabredung mit der französischen und belgishen Telegraphenverwaltung Versuche gemacht, zur direkten Korrespondenz mit Paris und Brüs}el auch die unterirdishen Leitungen zu verwenden. Fn Straßburg und in Cöln, wo die unterirdischen, von Berlin

im G:-

ohne

*) Vergl. Dekret vom 18. März cr., abgedruckdt im „Journal

officiel“ vom 19, März cr. S. 2292,