1923 / 233 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 08 Oct 1923 18:00:01 GMT) scan diff

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am Fälligkeitstage abgehoben werden, wenn die Shaßanwelsung der Vermittlungsstelle wenigstens zwei Wochen vorher ein- gereicht wird.

Der Betrag der etwa fehlenden Zinsscheine wird vom Kapital zurückbehalten. Mit dem Ablaufe des 831. März 1924 hört die Verzinsung der gekündigten Schaߧ- anweisungen aut. ° :

Vordrucke zu den Quittungen werden von sämtlichen Ein- Tösunasstellen unentgeltlich verabfolgt.

Von den zum 1. April 1915 (Serie VI), 1916 (11, 1917 (VI1I), 1918 (XV), 1919 (V), 1990 (XV1), 1921 (T), 1922 (IX) und 1923 (X) gekündigten Schaganweisungen ist eine große Anzahl noch nit zur Einlösung vorgelegt worden. Die Jn- haber werden aufgefordert, sie zur Vermeidung weiteren Zins- verlusies s{leunigst einzureichen.

Berlin, den 6. Oktober 1923.

Hauptverwaltung der Staatsschulden.

Evangelischer Oberkirchenrat. Der Pfarrer und Konsistorialkat im Nebenamt Kähler

in Münster ist zum Generalsuperintendenten der Provinz

Pommern im Hauptamt ernannt worden. Jhm ist der aus ganz Vorpommern und 6 Diözesen ans Hinterpommern be- stehende Sprengel übertragen.

Ministerium für Wisjenschast, Kunst

und Volksbildung.

Das Preußishe Staatsministerium hat den Studienrat der staatlichen Augusta-Schule in Berlin Busch zum Siudien- dire!tor einer staatlichen höheren Lehranftalt ernannt und ihm die Leitung der Paul Gerhard -Shule Staalliches Real- gymnasium in Lübben übertragen.

Die Wahl des Studtendirekiors Kleffner an dem Gym-

nasium mit Realprog mnasium in Bottrop zum Oberstudien- |

direftor an einer höheren Lehransialt des Patronatsbereichs

der Stadt Bottrop und die Wahl des Studienrats Rieger an

der Lateinischen Hauplschule der Francke'shen Stiftungen in

Le a. S. zum Oberstudienrat an einer der stistishen höheren ehranstalten daselbst ist bestätigt worden.

Uebersicht

J, der Einnahmen ver Neichs-Post- und Telegraphenverwaltung und VL. der Einnahmen der Deutschen Reichsbahn für die Zeit vom 1. April bis 31. August 1923,

VIULR. über den Stand der s{chwebenden Schuld am 30, Sept inber 1923.

Bekanntmach ura.

Auf Grund des § 21 des Gesezes zum Schuße dex Nepublik vom 21. Juli 1922 habe ich den in Sirehlen (Schlesien) erscheinenden „Volksboten“ auf die Dauer von vier Wochen, und zwar vom 3, Oktober bis 31. Oktober 1923 einschließlih verboten.

Breslau, den 2. Oktober 1923.

Der Oberpräsident der Provinz Niederschlesien. Zimmer.

S C E E T I E E E E E R? E I Nichtamtliches.

Deutsches Reich.

Der Königlih \{wedishe Gesandte Freiherr Ramel i nah Berlin zurückgekehrt und hat die Leitung der Gesandtschalt wieder übernommen.

Der österreichishe Gesandte Riedl hat Berlin verlassen, Während seiner Abwesenheit führt der Legationsrat Bu h- berger die Geschäfte der Gesandtschaft.

D. R Sr Edt s

Aufgekommen sind

Aufgekommen sind

Mithin Rechnungsjahr 1923 Im Reichs-

vom 1. April a 0 1923 bis Ende Res a August 1923

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im Monat August 1922

haushalt6plan f die e r das Nechnungs-

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gegen Rechnungsjahr 1922

vom 1. April y insgesamt

1922 bis Ende + mehr weniger ahr August 1922 (Spalte 4 gegen 6) vèränsSlagt auf K ——_Æ M

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3 4 D

6 7 8

Reichs-Post- und Telegrapheuverwaltung!) . . Darunter: Postgebühren Telegraphengebühren . Fernsprehgebühren Scheckverkehr

E. Deutsche Reichsbahn. Personen- und Gepädverktehr Güterverkehr Sonstige Betriebseinnahmen

2 821 992 894

1 569 440 380 685 513 324 358 596 5759

40 284 923

6 331 500 886 435

3 791 474 859 061 2014 525 432 097 254 464 715 007 133 506 142 936

5 611 354 705 924

3 364 196 293 892 1 846 352 288 816 149 129 404 278 105 653 124 647

2 254 906 000 15 219 520 000 978 865 000

9 404 119 620 000 45 518 875 182 000 1 053 583 068 000

8 298 797 444 000 41 346 522 417 000 858 989 298 000

764 608 528 000

423 892 000 000 80 607 000 000 198 980 000 000 33 450 000 000

6 321 801 621 857

3 745 962 260 429 2 012 909 833 782 202 967 488 914 133 202 262 787

9 699 264 578

b 512 598 632 1615 598 315 1 897 226 093

303 880 149

++++ +

1 200 000 000 000 8 600 000 000 000 110 880 000 000

9 395 987 337 000 45 462 176 415 000 1 051 805 677 000

8 132 283 000 56 698 767 000 1 777 391 000

Zusammen . .

§0 504 309 159 000 65 976 577 870 000 18 053 291 000

D Infolge der Verkehrs\{chwierigkeiten im besezten Gebiet fehlen die Angaben der Oberpostdirektion Dortmund.

VET. Stand der schwebenden Schuld am 30, September 19283,

1. Diskontierte Schaßanweisungen. . « . « dei e S e e S Davon: a) mit dreimonatiger Laufzeit (bei der Reichsbank diskontiert) Ls

b) sonstige, mit einer längeren Laufzeit ausgegebene Schaßanweisungen R 2. Weitere Zahlungsverpfliltungen aus Schaßanweisungen und Schaywechseln i

3. Siherheitsleistungen mit Schaßanweisungen und Schaßwech

Berlin, den 4. Oktober 1923.

Deutscher Reichstag. 385. Sißung vom 6. Oktober 1923, Nachmittags 2 Uhr. (Bericht des Nahhrichtenbüros des Vereins deuischer Zeitungsverleger.) *)

Am Regierungstische: der Nees Dr. Strese- mann, der Reichsminister des Jnnern Sollmann, der a der anan Dr. Luther, der Reichswirt- E ter Dr. Koeth, der Reichsarbeitsminister Dr. rauns, der e Dr. Radbruch, der Reichswehrminister Dr. Ge g ler, der Reichspostminister Hoe fle und der Reichsverkehrsminister Oese r. Präsident L ö be eröffnet die Sizung um 2 Uhr 30 Min. Von der Tagesordnung abgeseßt werden das Ermächti- gungsgeseß und das Geseh über die Errichtung einer Wäh- xungsbank. Vor Eintritt in die Tagesordnung beantragt der / Abg. Koenen (Koming mit heftigen Ausfällen gegen die bayerisdhe Regierung, einen Antrag sofort zur Beratung zu stellen, der die Aufhebung der bayerishen Streikverordnung fordert. Abg. Höllein A, beantragt weiter, einen Antrag sofort u behandeln, der die Aufhebung der vom S verordneten orzensur über Nachrichten von Unruhen verlangt. r Redner be- uptet, daß die Konterrevolution marschiert sei, und da je ihre aten im Dunkeln vershleiern wolle: m lte alle habe Geßler die Stirn besessen, von national-kommunistishen Haufen zu A um dur das Schwenken des roten Tuches den deutschen Spießbuürger zu erschrecken. ; uf Vorschlag des Präsidenten werden beide Anträge mit der Aussprache verbunden. u der Tagesordnung steht an erster Stelle die Ent- gegennahme einer ErklärungderReichsregierung. Reichskanzler Dr. Stresemann: Meine Damen und Herren! Die Vorgänge der lehten Tage haben zu einer Neubildung der Negierung geführt. Diese Neubildung hat \sich auf der alten parteipolitischen Grundlage vollzogen. Sie hat Veränderungen in der Beseßung des Reichswirtschaftsministeriums, ferner in der Beseßung des Reichsfinanzministeriums gebracht. ministerium wird von Herrn Dr. e. h. Koeth geführt, das Reichs- finanzministerium von dem bisherigen Minister für Ernährung und Landwirtschaft, Herrn Dr. Luther. Das Reichsministerium für Er- nährung und Landwirtschaft bleibt vorläufig offen. Es ist die Absicht der Regierung, es mögli mit einer aus der Landwirtschaft stammenden oder mit ihr im engsten Vertrauensverhältnis stehenden Persönlichkeit zu beseßen. Die lebten Ereignisse haben eine sehr \harfe Kritik erfahren. Der Verband der Eisen- und Stahl- industriellen sagt mit Bezug auf diese leßten Tage, der Parlamen- tarismus habe versagt. (Sehr richtig! auf der äußersten Rechten.) JIch werde auf die Bedeutung dieser Kritik, soweit der Parlamen- tarismus in Betracht kommt, eingehen. Aber gestatten Sie mir, an die- jenigen Herren, die aus der Wirtschaft heraus hier Kritik daran üben, daß unttz dem parlamentarishen System, unter der Herrschaft der politishen Entwicklung der leßten Jahre eine wirtschaftlihe und finanzielle Zerrüttung eingetreten sei, doch einmal eine Gegenfrage zu stellen. Hat denn niht auch die Wirtschaft versagt, indem sie si

*) Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind,

Das Reichswirtschafbs-

Reichsfinanzministerium.

in ihren führenden Persönlichkeiten nicht dem Staat zur Verfügung gestellt hat? (Lebh. Zustimmung bei den Sozialdemokraten und in der Mitte.) Seit der Zeit, als das Kabinett Fehrenbah sih hier zum ersten Male dem Reichstage vorstellte, haben die Bemühungen nicht aufgehört, für die großen Ministerien der Wirtschaft und der Finanzen, für die Ordnung unseres Verkehrs- und Postwesens die- jenigen Herren heranzuziehen, ‘die ihrerseits auf Grund einer prakti- schen Lebenserfahrung stets davon ausgehen, daß das Fehlen dieser Erfahrung wesentlih zu einem Mißerfolg der Verwaltung bei- getragen habe. Nun, meine Herren, diejenigen Persönlichkeiten, die sih zur Verfügung gestellt haben, die wir Männer der Wirtschaft nannten, fast immer waren es solche, die aus dem Beamtentum hervor- gegangen waren und dann in die Wirtschaft kamen. Das war der Fall bei Persönlichkeiten, wie dem heutigen Botschafter Dr. Wied- feldt, wie dem Reichskanzler Cuno u. a. Wann aber haben die Herren, die da sagen, daß der Parlamentarismus versage, ihre führenden Köpfe mit ihrer Lbenserfahrung dem Staate zur Ver- fügung gestellt, um zu zeigen, wie man es besser maht, wie man die Reichsverkehrsanstalten kaufmännish aufzieht, um den Parlamen- tarismus einmal ad abeurdum zu führen? (Stürmische Zustimmung links.) Den Parlamentarismus führt man niht ad absurdum mit Resolutionen, sondern dadur, daß man dur praktishe Mitarbeit an führender Stelle zeigt, daß und wie die Dinge zu bessern sind. Das muß ih an dieser Stelle gegenüber der Kritik. ausführen. Meine Herren, eine zweite Frage! Die Vorgänge, die sich in den leßten Tagen -abgespielt haben, geben gewiß auch zu berechtigter Kritik Veranlassung. Aber ih möchte do auf eines hinweisen. Es ist ein Jrrtum, wenn es so hingestellt wird, als ob diese ganzen Vorgänge \ih lediglich - bezogen auf einen Kampf um die Macht, auf einen Kampf um andere politische Einstellung. Um was handelte es sih denn in der Grundfrage, die hier vorlag? Es wurde so hin- gestellt, als hätte das Kabinett die Führung verloren, als hätte es sie plößlih an die Fraktionen abgegeben und dadur die Ent- scheidung aus dem Kabinettszimmer in das Plenum des Reichtstags verlegt. Jh würde ein solhes Uebergeben der Entscheidung vom Kabinett an das Plenum des Reichstags und die Führung der Fraktionen für einen ganz falsch verstandenen Parlamentarismus und für eine falsch verstandene Demokratie halten. (Lebhafter Beifall bei den Demokraten.) Hier aber lagen die Dinge so: Wir traten an den Neichstag heran, um ein Ermächtigungs8geseß zu erhalten und den Reichstag zu veranlassen, auf verfassungsmäßig ihm zu- stehende Rechte auf längere Zeit hinaus zu verzichten und dem Kabinett Vollmachten zu geben, - die weit hinausgehen über das, was jemals, glaube ih, ein Kabinett, das auf legalem Wege vor- gehen will, erbeten hat. (Lebhafte Zustimmung.) Für diese ver- fassungändernden Bestimmungen is} hier im- Hause die Annahme dur eine Zweidrittelmehrheit erforderlih. Es war ganz klar, daß bei der Bedeutung dieser Sachlage nit eine Blankovollmacht verlangt und gegeben werden konnte, sondern daß man sih wenigstens über die Grundlinien dessen klarwerden mußte, was in bezug auf die Wirtschaft, in bezug auf die Finanzen und auf dem Gebiete der Sozialpolitik dann unter späterer Nichtmitwirkung des Reichstags hiet geschehen solle, Dem galten die Verhandlungen, und bei diesem Problem

seln (hierunter 36 320 Milliarden für Zwecke der Reichsgetreideversorgung) . .

66 608 441 000 55 909 969 429 000 | 9 910 880 000 000

+|+++

46 716 616 248 406 850 .4

68 220 773 122444 59 944 423 008 609

Summe III. "T6 844 (81 444 537903

einer Festseßung, niht von Prinzipien denn über Prinzipien wi man sih leiht einigen —, sondern dessen, was hier praktis geschehen sollte, und angesihts der Bedeutung dieser Frage entstanden die Differenzen, die wir erlebt haben und die jeßt in der Neubildung der Regierung ihre Erledigung gefunden haben.

Wenn ih nah diesem Rückblik auf die leßten Tage jebt au| die Gesamtlage eingehe, so gestatten Sie mir, zu beginnen mit dem, was unsere ganze Lage zweifellos am meisten beeindrucktt. Es sind das die außenpolitishen Verhältnisse. Jch habe mit Bedauern ein Kritik des deutshnationalen Parteiaufrufs gelesen, der da von de Regierung sagt, sie zeige mehr Vertrauen zum Feinde als zum eigene Volk, Das bezog \ih auf die Aufgabe des passiven Widerstand, Weiter habe ih eine Kritik der Regierung gelesen, und zwar in einem meiner Partei nahestehenden Blatte im Westen, man bedauert daß die Regierung bei der Aufgabe des passiven Widerstands dit materiellen Gesichtspunkte sehr “in den Vordergrund gestellt habe, die ideellen Gesichtspunkte aber dahinter habe zurüdcktreten lassen Eine große und eine weitgehende Kritik \priht davon, daß man einen Mißerfolg mit der Aufgabe des passiven Widerstandes gehab! habe, weil die Erfolglosigkeit der außenpolitishen Wirkung kla zutage liege.

Gestatten Sie mir, mich mit diesen Argumenten auseinander zusehen, wenn ih von der Phase der Entwicklung spreche, die di wichtigste bisher in dieser außenpolitishen Entwicklung is, nämlih von der uns aufgezwungenen Aufgabe des passiven Widerstands. Diese Kritik, die ih dargelegt habe, geht von einer falshen Auffassun aus über die Gründe, die die Regierung zu dieser Maßnahme ver anlaßt haben. Wie war die Situation, die das Kabinett vorgefunden hat, als es zur Regierung berufen wurde? Der NRuhrkampf w

unerhörten Bedrückung der gesamten Bevölkerung, unter Gewalb tätigkeiten sondergleichen, die eine maßlose seelishe Depression aub gelöst hatten, die vielleiht aus dem passiven Widerstand hervorgind und hervorgehen mußte.

Der Widerstand entsprang so unmittelbar dem Willen der V völkerung, daß niemand ihn damals beim Einbruch der Franzose! irgendwie durch Machtmittel hätte zurückhalten können, Beamk, Wirtschaftler und Arbeiter haben zusammengehalten in diesem Wider stande, getragen von nationaler Begeisterung und von Leidenschaftet dieses deutshe Land niht der Gewalttätigkeit des Einbruchs aub zuliefern.

Wie war die Idee des Widerstandes? Jh darf darauf hinweiset daß ih als Mitglied des Auswärtigen Aus\{husses hon in den erste! Monaten, als dieser Widerstand geleistet wurde, darauf aufmerksat gemacht habe, daß der Widerstand niht etwa Selbstzweck sei und dauernd anhalten könne. Er solle vielmehr durch seine Wirkung d! Einbruchmächte dahin bringen, daß sie einsehen, daß die produktitt Ausnußung des Ruhrgebiets ihnen nicht gelänge, daß sie einsehen daß sie einer ihnen abweisend gegenüberstehenden Bevölkerung gege" überständen, daß sie durch die Shwierigkeiten des Landes, die ihne! erwüchsen, gezwungen würden, mit uns den Weg der Verhandlung zu gehen. Diese Verhandlungen sollten die Grundlage bilden für ein

freies Rheinland und die Wiederverfügung des Ruhrgebietes. Mw

seit Januar geführt worden, er war geführt worden unter eine

hat mir den Ausdruck „Wiederverfügung" übelgenommen, man Hak ihn als eine Einschränkung angesehen. Gewiß, es ist eine Ein- {ränkung der mißverstandenen Formel des früheren Herrn Reichs- Fanzlers Cuno, die man ihm in den Mund gelegt hat und die er niemals getan hat, daß man sih erst an den Verhandlungstish mit den Franzosen und Belgiern sehen werde, wenn sie das Nuhrgebiet geräumt hätten. Er hat wiederholt betont, daß er diesen Saß nie ausgesprochen habe. Jh möchte an die Herren von der Rechten, die ebenso wie ih in der Mahhtpolitik den bewegenden Faktor des Volks- Jebens sehen, die Frage rihten, ob sie glauben, daß die größte Militärmacht der Welt sih zurückziehen werde aus einem okkupierten Lande, wenn sie aus\sprehen, daß sie erst Verhandlungen führen wollen, sobald diese Macht sich aus dem okkupierten Lande zurüdck- gezogen habe. Das würde vollkommen dieser Idee widersprechen, die gerade von seiten dieser Kritik ausgespro@en wurde. Man Fann die Frage wohl aufwerfen: Hättet Jhr den passiven Widerstand bedingslos aufgeben dürfen? Man kann ferner die Frage aufwerfen, ob zu einer früheren Zeit ein Wbruch des passiven Widerstandes uns die Möglichkeit gegeben hätte, Bedingungen dur{hzuseßen, damals, als der passive Widerstand auf der Höhe war, als infolge davon die Enttäushung über den bisherigen Mißerfolg beim Gegner das Maximum erreicht hatte, als Herr Poincaré damals in Frankreich den \ck{ärfsten Angriffen wegen der Ergebnislosigkeit dieser Einbruhs- politik sih ausgeseßt sah. Aber es mußte sid naturgemäß ergeben, daß die Zeit dazu führte, die Wirkung des passiven Widerstandes ab- zuschwächen. Die moralishe Widerstandskraft in einem Volke, das soviel durhgemaht hat wie das deutshe, kann nicht ewig dauern. Wer im Januar gesagt hätte, daß diese Drangsalierungen neun Monate lang getragen würden, den hätte man damals einen Uto- pisten genannt, weil wir alle der Meinung waren, daß diese Dinge viel früher ihr Ende finden würden. Meine Herren! Diese Wider- standskraft ist erlahmt, man soll der Bevölkerung daraus keinen Vorwurf machen. Es gibt etwas, was ‘über die Grenzen dessen hin- ausgeht, was die Völker ertragen können.

Es haben sich im Zusammenhang mit dem Sinken der mora- lishen Widerstandsfähigkeit auch gewisse Zeichen der Demoralisation gezeigt in einer zu weitgehenden Jnanspruchnahme von Reichsmitteln. J bringe das in Zusammenhang mit einem Sinken der moralischen Widerstandsfähigkeit, und ih sage Ihnen: gerade wenn plöblih un- berehtigterweise in der Kritik nur die eine Seite dieses Bildes gezeigt wurde, dann soll man auf die andere hinweisen, auf das, was das Volk erlitten und erduldet hat. Von diesem Gesichtspunkte aus waren meine Ausführungen gerichtet gegen eine in der Oeffentlichkeit laut werdende Kritik, die es gerade so hinstellt, als ob dort über- haupt nur noch Reichsrentner gewesen wären, und nicht ein Volk gesessen hätte, das Unendliches für sein Vaterland erduldet hat.

Meine Herren! Die Situation, die wir vorfanden, war die eines niht mehr auf der Höhe stehenden moralischen passiven Widerstandes. Es war infolgedessen klar, daß angesihts der Ermattung, die ein- getreten war, mit diesem Widerstand allein Franzosen und Belgier aus dem Einbruchsgebiet nicht mehx herauszubringen waren. Je \chwäher der Widerstand wurde, desto schwerer war es, ihn diplo- matisch irgendwie für Deutshland ausnußen zu können,

Die weitere Kritik, das Ueberwiegen des Materiellen in der Auf- fassung der Reichsregierung! Mir liegt es durchaus nicht, irgendwie in der ganzen Auffassung der Verhältnisse unserer Zeit das materielle Moment in den Vordergrund zu stellen. Jch bin der Meinung: Wenn wir überhaupt an einen Wiederaufstieg Deutschlands glauben, dann kann dieser Wiederaufstieg nur aus dem Sittlichen hervorgehen, und alles, was wir auf materiellem Gebiete tun, wird demgegenüber vollkommen versagen. Unsere finanzielle Not auf materiellem Gebiete erwähne ih hier, weil sie selbstverständlih wie ein Barometer den Einbru&l8mächten anzeigte, wie es mit uns stand. Denn wir haben heute ein Barometer, das täglih der ganzen Welt zeigt, wie es mit Deutschlands Finanzkraft bestellt ist. Wenn wir uns fragten, ob wir mit dem passiven Widerstand noch diplomatishe Erfolge erringen konnten, mußten wir uns gleichzeitig fragen, ob man denn niht aus dem fortschreitenden Verfall der Währung, den noch keine technische Maßnahme aufzuhalten vermocht hat und der rasende Fortschritte machte, nahdem weite Bestandteile unseres Reichsbankgoldes zu der Stüßungsaktion verwandt waren, schen konnte, daß dieses Deutsch- land finanziell am Erliegen war und daß damit natürlich die Mög- lihkeit auh {wand, angesichts dieser der Welt bekannten Tatsache mit dem passiven Widerstand positiv etwas zu erreihen. Dazu kam, daß sih aus dem beseßten Gebiet die Meldungen über den Wunsch der Bevölkerung nah Abbruch dessen, was sie erdulden mußte, häuften. Auch die Ausdauer einer solhen Bevölkerung kann nur begrenzt sein. Heute, nahdem diese Dinge zu Ende sind, darf ih Jhnen sagen, daß ih zwei Tage nah Antritt meines Amtes die Leiter der Ausschüsse, darunter eine Persönlichkeit wie den Herrn Oberbürgermeister Jarres, gesprochen und ihnen als erste Frage vorgelegt habe: Wie lange glauben Sie, daß die Bevölkerung diese Dinge noch ertragen kann? Der Widerstand ist fortgeführt worden über diese Periode hinaus, die uns als diejenige genannt wurde, in der es nihts anderes mehr gebe, als den Widerstand in sich selbst auflösen zu sehen.

Von dem Augenblick an mußten bei uns auh Bemühungen ein- treten, eine Formel zu finden, die uns die Möglichkeit gab, die Auf- gabe des passiven Widerstandes zu außenpolitischen Ergebnissen zu benußen. Diese Aufgabe ist unzweifelhaft niht gelöst worden. Wir haben in dieser Beziehung einen Mißerfolg erlitten. Jch glaube aber nicht, daß Sie sagen können, daß Menschen oder Parteien an diesem Mißerfolg Schuld getragen haben. Wir waren nicht bereit, den passiven Widerstand bedingungslos aufzugeben. Wir waren bereit, einmal die Formel der englishen Regierung vom 20. Juli anzu- nehmen, die in ganz anderer Weise die Wiederaufnahme der Arbeit im beseßten Gebiet regeln wollte, als es das französishe Gelbbuch vorsah. Wir waren bemüht, weiter dur eine Politik ter Regierung, die die Diskussion über den Grundgedanken des Memorandums vom 7. Juni wieder aufnahm, die aber über die ganzen Gedanken der Garantie der Wirtschaft hinausging, indem sie die mittelbare Haftung gegenüber dem Staat in eine unmittelbare umwandelte, die Grund- lage für eine internationale Anleihe und durch diese internationale Anleihe die Möglichkeit zu schaffen, die Besaßungsmächte aus dem Ruhrgebiet herauszubringen. Mit der Jdee, Lösegeld für deutsche Freiheit zu zahlen, versuhten wir eine Atmosphäre zu schaffen, die es möglih machte, die Aufgabe des passiven Widerstandes uns als ein Opfer bezahlen zu lassen, und zwar mit dem, was uns zunähst am Herzen lag, mit der Freiheit der Gefangenen, mit der Wiedergabe der Heimat an die Vertriebenen und später mit einer unter unserer

Mitwirkung erfolgenden Wiederaufnahme der ganzen Arbeik im Ruhrgebiet.

Wir haben nah dieser Richtung Vorschläge unterbreitet, wir haben nah dieser Michtung Besprehungen eingeleitet. Die so hoffnungsvoll begonnenen Unterhaltungen wurden zum Abbruch ge- bracht durch die von dem französishen Ministerpräsidenten bei anderen Mächten durchgeseßte Forderung der bedinaungslosen Aufgabe des passiven Widerstandes. Jn dieser Frage war eine völlige Einheits- front bei den Alliierten. vorhanden. Jch habe Vorwürfe gegen die Regierung nah der Richtung gehört, sie habe einen vollkommenen Kurswecsel vorgenommen, sie sei nidt in der Lage gewe;en, den großen moralischen Erfolg der englishen Note vom 11. August aus- aunußen. (Sehr richtig! bei der Deutschvölkis{en FFreiçertépartei.)

Ja, es haben si sogar einige Kritiker erboben, die den Gedanken

zum Ausdruck brachten: Wie konntet Jhr erwarten, daß, Ergland an Euch aktives Interesse nahm, wenn Jhr Euch selbst so hlapp zeigtet, den passiven Widerstand aufzugeben? Diejenigen, die diese Kritik aussprechen, würde ih doch bitten, einmal die Rede zu lesen, die Lord Curzon gestern in der englishen Reihskonferenz gehalten hat. In dieser Nede hat Lord Curzon niht davon gesprochen, welchen Stand» punkt die englishe Regierung jeßt einnehme, sondern er hat davon gesprochen, welhe Ratschläge die englische Negierung der Regierung Cuno zum Abbruch des passiven Widerstandes gegeben hätte. Jch darf Ihnen versichern, daß gerade in diesen Ideen der Gedanke ent- halten war, ein früherer Abbruch des passiven Widerstandes bätte dazu führen können, daß wir ihn nit bedingungslos abzuhreden brauchten. (Zustimmung rechts; in der Mitte und bei den Sozial- demokraten.) Darauf bezieht sih au die ganz harte und ¿zum Teil unparlamentarishe Kritik, die Lord Curzon in ten Gpitheta, die er gebraucht, an die Fortseßung des Widerstandes über den Zeitpunkt hinaus knüpft, an dem noh mit diesem Widerstand etwas zu errei den war. Ich glaube, man darf daraus wohl das eine ersehen, daß es unrichtig ift, anzunehmen, wir hätten uns irgendeinen Sekundanten verprellt, und zwar dadurch, daß wir eine einseitige Orientierung vor- genommen hätten.

Ich darf au auf das hinweisen, was ih wiederholt von dieser Stelle aus zum Ausdruck gebraht habe: Jede Jdee, in der heutigen internationalen Situation von deutscher Seite aus einen Alliierten gegen den anderen auszuspielen, wäre eine politishe Dummheit, die sich an uns selber rähen würde. (Lebhafte Zustimmung rets, in der Mitte und bei den Sozialdemokraten. Abg. v. Graefe: Das zu sagen ist eine noch größere Dummheit.) Herr v. Graefe, das ist ein Werturteil, das ih meinerseits nicht unterschreibe. Es ist ganz klar, daß in der gegenwärtigen internationalen Situaton ih wiederhole das die einzige Möglichkeit der Lösung des Neparationsproblems nur besteht in einer Vereinbarung zwishen den Alliierten auf der einen Seite und Deutschland auf der anderen Seite. (Zustimmung in der Mitte und links.) Glaubt irgend jemand, daß hier ein Heraus- nehmen irgend eines Alliierten uns die Möglichkeit gebe, damit die Ansprüche eines andeven abzutun? Möglich, daß Selbstinteressen der einzelnen Alliierten sie veranlassen könnten, sich einer zu starken Schwächung Deutschlands entgegenzustellen \olde Selbstinteressen gibt es sie werden sih aber nur im Zusammenwirken der Alliierten geltend machen und um so mehr sich geltend machen, um so weniger wir irgend jemanden anspornen, nah dieser Richtung hin etwas zu tun und damit vor der Welt als Sekundant Deutschlands etwa zu ersheinen. (Sehr gut! in der Mitte und links.) Ih darf damit diesen Gedankengang zu Ende führen. Jch darf aber dann weiter auf ein Zweites eingehen, Jch habe Jhnen offen zugestanden: Es ist kein außenpolitischer Erfolg mit der Aufgabe des passiven Widerstandes erreiht worden, Aber ih verwahre mich dagegen, daß die Aufgabe des passiven Widerstandes eiwa von uns aus in Aussicht genommen wäre, von uns aus den Vertretern der beseßten Gebiete etwa so dargestellt worden sei, daß wir sagten: Wir geben den passiven Widerstand auf, weil wir glauben und wissen, daß dann der Weg ins Freie gegeben ist. Nein, meine Herren, ehe der Entshluß der Reichsregierung ge- faßt war, habe ih in einer Ansprache an die Vertreter der beseßten Gebiete zum Ausdruck gebracht: ih warne vor jeder Jlusion, daß uns im jeßigen Zeitpunkt die Aufgabe des passiven Widerstandes die Er- leihterung und Verständigung brächte, die wir wohl alle erhoffen, und ih habe ausgeführt: ih bin niht nur \keptish, ih bin ganz stark pessimistisch nah dieser Richtung, und ich glaube, daß wir ganz schweren Zeiten entgegengehen, ganz \chweren neuen Bedrüdungen, und daß der Kampf gegen diese Bedrückungen vielleiht seinen Höhe- punkt erst erreihen wird, wenn wir in die neue Phase eingetreten sind. Jch darf darauf später eingehen, Jch verwahre mich deshalb nur dagegen, daß wir dem Gegner mehr getraut hätten als dem eigenen Volke, Wir wissen, was wir dem eigenen Volke zugemutet haben mit dem Abbruch des passiven Widerstandes. Das ist auch in dem Auf- ruf des Herrn Reichspräsidenten zum Ausdruck gekommen. Wir haben niht dem Gegner getraut, sondern wir haben den Widerstand auf- geben müssen, weil wir der Meinung waren, daß wir sonst sehenden Auges in den Abgrund in bezug auf unsere eigenen deutschen Ver- hältnisse hineinkommen würden. (Lebhafte Zustimmung in der Mitte und links.) Meine Herren, man kann heute nit diese materiellen Dinge einfa als quantité négligeable, als etwas Sekundäres auf- fassen. Wir haben uns wohl überlegt auch das gestehe ih offen —, ob es niht Möglichkeiten gäbe, den passiven Widerstand länger fort- zuseßen, unter anderen Formen. Denn daß wir ihn Herrn Poincaré zuliebe aufgegeben hätten, davon ist gar keine Rede; dem deutschen Volke zuliebe haben wir ihn aufgegeben, nicht dem französischen Ministerpräsidenten zuliebe. (Lebhafte Zustimmung.) Wenn wir mit seiner Weiterführung etwas hätten erreihen können, wenn wir uns gesagt hätten: wird er weitergeführt, so bringt er uns deutsche Freiheit, dann hâtten wir ihn weitergeführt.

Aber so lagen die Dinge niht! Schon früher is von der Elastizität des Widerstandes gesprohen worden. Aus den beseßten Gebieten selbst sagte man, daß die Starrheit des Widerstandes ihn in einzelnen Teilen zerbrähe, Gleichzeitig forderten die anderen größere Aktivität. Neun Monate waren vergangen. Der Widerstand war keine Waffe mehr. Gleichzeitig aber brachte er uns in eine finanzielle Zerrüttung, die den Markverfall in seinem Endeffekt gar niht mehr absehen ließ, so daß wir den Augenblick vor Augen sahen, wo über- haupt die deutsche Mark niht nur im Auslande, sondern auch im Inlande aufhörte, irgendein Zahlungsmittel zu sein. Wir mußten uns sagen: Infolge finanzieller Ershöpfung müssen wir den Kampf aufgeben, weil alle die Folgen dieses Währungsverfalls \sich dann niht nur im beseßten, sondern auch im unbeseßten Deutschland geltend machen würden. Jch glaube, daß diese Gesichtspunkte und der Gedanke, daß eine Festung kapitulieren muß, weil sie keinen

Proviant mehr hat oder weil die Zuführung von Proviant die Gefahr in fih birgt, daß das ganze Volk nachher niht mehr in der Lage ist, si zu ernähren, keine Sade 1, der man si als nationaler Mann zu s{ämen hat. (Sehr rihtig! bei der Deutschen Volks- partei, in der Mitte und links.) Auh wenn man als nationaler Mann trauert, daß die Verhältnisse dahin gekommen sind. (Erneute lebhafte Zustimmung.) Wenn deshalb die „Rheinisch-Westfälische Zeitung“ schreibt, der Kanzler, der das getan hätte, gehöre vor den Staatsgerichtéhof, dann erkläre ih hier: Jch bin gern bereit, mih vor jedem Staatégerihtshof wegen dessen zu verteidigen, was ih getan habe! (Lebhafter Beifall bei der Deutshen Volképartei, im Zentrum, bei den Demokraten und Sozialdemokraten.) Ih möhte denjenigen, die diese Angriffe mit ihrer nationalen Gesinnung be- gründen, sagen: der Mut, die Aufgabe des passiven Widerstandes verantwortlih auf sich zu nehmen, ist vielleiht mehr national, als die Phrasen, mit denen dagegen angekämpft wurde. (Lebhafte Zu- stimmung und Beifall bei den Mehrheitsparteien.) Jh war mir bewußt, daß ich in dem Augenbli, wo ih das tat, als Führer meiner Partei, die nah einer ganz anderen Nichtung eingestellt war, damit nicht nur vielleicht die eigene politishe Stellung in der Partei, ja das Leben auf das Spiel sebte. Aber was fehlt uns im deutschen Volke? Uns fehlt der Mut zur Verantwortlichkeit! Sonst würden die Wirtschaftler die Stellen in der Regierung einnehmen, sonst würde man den Mut haben, auch einmal gegen populäre Strömungen anzukämpfen. (Stürmisher Beifall.) Deshalb verwahre ib mih dagegen, daß hier in dieser Weise, wie es geschehen ist, davon ge- sprohen wird, als wenn alle diese Gründe, die ih hier mit Schonung angeführt habe, in bezug auf die tatsähliden Verhältnisse, aus irgend- einer Schlappheit des Willens heraus geboren wären, aus irgend- einer pazifistishen Einstellung, aus irgendeiner Vertrauensduselei gegenüber denen, die uns weiß Gott, in ihrem Verhalten seit dem Friedensvertrag von Versailles keinen Beweis davon gegeben haben, daß wir ihnen gegenüber irgendwie Vertrauen in ihre Gerechtigkeit haben können. Wem ih das hier zum Ausdruck bringe, so darf ih das Cine doch sagen gegenüber Manchem. Ich knüpfe da an Aus- führungen an, die ih vorhin gemacht habe, daß es unrichtig ift, nun nachträglih, weil der Kampf verloren is denn er ist ver- Toren, soweit der passive Widerstand in Betracht kam nun Kritik zu üben, als wäre der Kampf von vornherein eine falshe Idee ges wesen, und etwa die Schuldfrage aufzuwerfen, wer uns in diese Situation geführt hätte. Wir kämpfen für die Idee. Die Idee unterlag der mahtpolitishen Einstellung der Verhältnisse, aber die óIdee leuhtet weiter und hat der Welt das eine gezeigt, daß dies jenigen die Welt belogen haben, die da sagten, daß im Rheinland ein deutsher Stamm sei, der \sih freue, wenn Frankreich zu ihm käme, die da sagten, daß nur die Regierung und die Industrie die Arbeiter verhinderten, sch mit den Franzosen zu verbrüdern; sie hat der Welt gezeigt, daß ein solher Kampf eines Volkes durch diese Zeit hindurch, unter Bedrückungen, die seelisch \s{chwerer zu ertragen sind, als der Kampf in offenem Felde, nur von einem Volk geführt werden konnte, das in treuer Liebe auch in Not und Elend zu seinem deutshen Vaterlande steht, (Stürmischer Beifall und Händeklakt\schen.) An dieser Idee, an der Bekundung dieser Ideengänge der Welt gegenüber, kann gar nichts ändern, wenn Separatisten unter dem Schuß französisher Bajonette irgendeine Kundgebung in rheinischen Landen veranstalten. (Sehr richtig!) Was dort in diesen leßten Tagen geschehen ist, das zeigt ja doch gerade, wie wenig selbst diese Not und Zerrüttung des ganzen Lebens und die seelishen Pein igungen an der großen Einstellung des Volkes etwas geändert haben. Und danken möchte ih auch an dieser Stelle den Männern der Schuß- polizei, die dort in Düsseldorf gegenüber unerhörtester Vergerwaltis gung «ihre Pflicht getan haben, (Stürmischer Beifall.) Nach dieser Richtung wird auch die Aufgabe des passiven Widerstandes nichts ändern. Dieser Beweis ist vor der Welt geliefert. Denen dafür zu dankèn, die. alles erduldet haben, was er mit sih gebraht hat und was weiter die Verhältnisse mit \sich bringen, ist, glaube ih, eine Pflicht, in der alle Parteien, in der das ganze Volk einig sein sollten. (Anhaltender Beifall.)

Gestatten sie mir nach dieser Behandlung der Frage des passiven Widerstandes und seiner Aufgabe als solcher einen kurzen Blick auf die gesamte außenpolitishe Lage zu werfen, Wir haben noch keine Antwort auf das deutshe Memorandum vom 7. Juni er- halten (Hört! hört!), auch niht von England (Hört! hört!). Einig keit der Alliierten besteht niht über die Grundsäße dieser Antwort. Es scheint, daß ebenso wie manchmal die Einigkeit in Fraktionen über Formulierungen und Grundsäße nicht zu erreichen ist (Heiter- keit), au sonst im diplomatishen Verkehr einheitliche Schrifte stüde sehr {wer zu verfassen sind. Wir haben jedenfalls mit der Tatsache zu rechnen, daß selbst die starke Einstellung Deutschlands auf Gedankengänge, die in England verstanden wurden, daß, selbst die bedingungslose Hingabe an die Entscheidung eines internationalen Schiedsgerichts, das weiteste, was man von einem Volk verlangen kann, daß selbst das uns nit dahin gebraht hat, irgendwie zu einer gemeinschaftlihen Basis der Verhandlungen mit den Alliierten zu kommen.

Die Behandlung, die Deutschland seit dem Friedensvertrag er- fahren hat, dauert in ähnliher Form fort. Sie hat sih au niht geändert, seitdem der passive Widerstand aufgegeben worden ist. (Hört! hört! bei den Deutschnationalen.) Wir waren bereit, Ver- handlungen aufzunehmen über die Fragen, wie das Leben im beseßten Gebiet wiederhergestellt werden sollte. Wir waren bereit, Verhand- lungen über Reparationen wieder aufzunehmen, und ih darf wohl sagen, unsere Angebote sind das weitgehendste, was jemals ein Volk angeboten hat. (Hört! hört! bei den Deutschnationalen.) Sie gehen hinaus über den Friedensvertrag selbst. (Hört! hört! bei den Deutsh- nationalen.) Gewiß, meine Herren, darüber ist gar kein Zweifel —, sie gehen hinaus über die Bindungen, die der Friedensvertrag uns auferlegt, die lediglih das Vermögen des Reiches und der Länder unmittelbar haftbar machen (sehr rihtig!); sie haben den ganz großen Gedanken aufgegriffen, au das Vermögen der Privatwirtschaft haft- bar zu maden (sehr rihtig! bei den Demokraten und Sogul- demokraten), um, wenn es sein muß, durch Schuldknechtschaft der eigenen Wirtschaft herauszukommen aus der Knechtschaft des ganzen Volkes. (Sehr gut! bei der Deutschen Volkspartei und in der Mitte.) Trobdem sind auch diese weitgehenden Angebote bisher nicht irgendwie Grundlage der Weiterentwicklung der Verhältnisse geworden.

Es gibt kein Buch traurigerer Erinnerungen als die Denkschrift der Reichsregierung über die Angebote Deutschlands an die alliierten Mächte. (Zustimmung und Bewegung.) ‘Das ist ein Stück Welt»