1901 / 280 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 26 Nov 1901 18:00:01 GMT) scan diff

planmäßige Fortführung der Verstaatlihung der Eisenbal,nen

in mancher Beziehung als sehr wünschenswerth bezeihnen müsse, und zwar in crster Linie für ‘¡ene- Ver- kehrswege, welche die Sicherurg, Behauptung und Stärkung der wirthschaftlichen Stellung des Landes betchcefen könnten. Allein die Frage der Eisenbahnverftaatlihung stelle sih unter den obwaltenden Umständen als ein gr-,zes wirthschafts- politisches Problem dar, dessen gede\ hlihe Lösung die Austragung einer Anzahl der alle-\{chwierigsten Fragen vorausseße, nämlich besonders so!“ner der Tarif- und E und bedeut’amer Fragen des Eisenbahn- redits, Der Minister . versiberte ‘ferner, das Handels- Minifterium werde fih einex - wirksamen verkehrspolitischen Vorsorge, wie ne im Systein der Staatsbahnen liege, nicht verschließen und demselben nachhaltige Aufmerksamkeit zuwenden.

In Lemberg fand in der leßten Nacht eine sozial- demokratishe Versammlung |tatt, in welher über den Verlauf des Wiener Parteitages Bericht er- tattet werden sollte. Da entgegen der Tagesordnung- einzelne Nedter fh win YHesligen Anütlsfen auf die preußishe Justiz wegen des jüngst vom Land- geriht Gnesen in dem „Schulkinder-Prozeß“ gefällten Urtheils ergingen,* erklärte der Regierungsvertreter die Ver- fammlung für aufgelöst. Die Theilnehmer zogen truppweise durch die Stadt in die Mochnacki-Basse, in welcher sich das deutsche Konsulat befindet. Das rasche Erscheinen der Polizei- wache trieb jedoh die Demonstranten, noch ehe sie dort an- gelangt waren, auseinander. Verhaftungen wurden nicht vor- genommen.

Großbritannien und JFrland.

Nach einer amtlihen Mittheilung wird der König Eduard bei dem morgen in der röômisch - katholischen Kirche stattfindenden Requiem für den Grafen Haßfeldt durch den Lord - Kämmerer Earl of Clarendon, der Prinz von Wales durh Lord Wenlock ver- treten sein. Auch die Prinzessin Louise wird vertreten sein; der Prinz Christian zu Schleswig-Holstein wird periönlich an der Feicr theilnehmen. Auf Befehl des Königs werden die fterblihen Ueberreste des Grafen Haßfeldt von der deutshen Botschaft nah der Victoria Station durch ein: Ehrenwache eskortiert werden. Der Prinz Friedrich zu Hohenlohe-Dehringen wird die Leiche auf der Fahrt begleiten. Jn der deutschen Botschaft fand, dem „W. T. B.“ zufolge, aestern ein privater Gottesdienst statt, an welchem die Gräfin Haßfeldt, der Prinz und die Prinzessin Friedrih zu Hohenlohe-Oehringen, Graf Hermann Haßfeldt, die Mitglieder der Bot- schaft sowie der deutsche General-Konsul in London, Wirkliche Geheime Legationsrath Freiherr von Lindenfels theil- zahmen.

Nach einem Telegramm aus Maidenhead ist der Erste Lord des Schaßamts Balfour in Taplow erkrankt. Derselbe leidet an Schüttelfrost. Aus London i} ein Spezialist berufen worden. :

Der Finanz-Sekretär des Schaßamts Austen Cham- berlain hielt gestern in Catshill bei Bromsgrove (Worcester) eine Rede, in welcher er, dem „W. T. B.“ zufolge, sagte, in den leßten Wochen seien heftige Angriffe gegen Großbritannien und 1nsbefondere gegen die britischen Truppen gerichtet worden, die jeden Engländer mit Schmerz erfüllt hätten, und welhe von den Engländern niht leiht wieder ver- gefsen und vergeben werden könnten. Eine ausländische Zeitung, welhe wegen ihrer Angriffe von einer englischen Zeitschrift zurehtgewiesen worden sei, habe sich damit enischuldigt, daj sie nur behauptet habe, was bereits früher Sir Henry Campbell Bannerman von den britishen Soldaten gesagt habe. Der Redner fügte hinzu: Es frage sih, ob Sir Henry Campbell Bannerman sich bewußt sei, welche Verantwortlichkeit er auf sich geladen, und ob er weiter daran gedacht habe, wieviel von anderer Scite geschehen sei, um den guten Nuf des Landes zu beflecken. Die Regierung werde aber durch solhe Angriffe sich nicht beirren lassen. Die in Süd-Afrifa zu lösende Auf- gabe habe sich als shwieriger erwiesen, als man vorausgesehen habe, aber möge das, was noch zu thun übrig bleibe, längere oder fürzere Zeit in Anspruch nehmen, die Regierung werde jedenfalls den einmal betretenen Weg bis zum Ende verfolgen.

Die Neuarmierung der Forts, welhe die Themlíe, den Kanal von Bristol, sowie dic Häfen und Werften der Süd- küste hüten, ist- socben vollendet worden; während der leßten vierzehn Tage find zweihundert veraltete Geschüße dur große, in England hergestellte Hinterladergeshüge erscht worden. Auch die Arbeiten, welche die im Norden befindlichen Befesti- gungswerke uneinnehmbar machen sollen, schreiten aufs schnellste vorwärts.

Dr. Krause ist gestern aus der Haft entlassen worden, da die radikalen Dissidenten-Geistlihen Stead und Rylett als Bürgen für ihn eingetreten sind

Frankreich.

Die Deputirtenkammer sehte in ihrer geslrigen Vo r- mittagssißung die Berathung der Vorlage über die Handelsmarine fort. Art. 3 wurde mit einem Zusaß- antraq des Deputirten Boyer angenommen, welcher verlangt, daß die weniger als zehn Knoten fahrenden Schiffe vom Bezug der Fahrprämien ausgeschlossen seien. Der Deputirte Cadenat beantragte, zwischen Art. 3 und 4 folgende Bcftimmung als Art.’ 3a cinzuschieben:

5% bon den dur das gegenwärtize Gesey bewilligten Prämien sollen zu Gunsten der Mannschaften auf den Prämien beuebenden iffen verwendet und im Verhältniß der Löhnung vertbeilt werden ie Bedingungen sind dur eine Verwaltungsordnung festzuseyen

Der Handels-Minister Millerand erklärte an Stelle des abwesenden Marine-Ministers, daß dieser Antraq seinen Iweck, die Löhnung der Matrosea zu erhöhen, wohl nicht er- Füllen werde. Die Schiffsherren würden dann einfach die Löhne um ebensoviel herabsezen. Auh der Beritht- erstatter bekämpfte dea Antrag, der 368 gegen 82 Stimmen angenommen wurde. Artikel 4, rel

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bestimmt, daß die Schiffe, welche internationale gr ct |

betreiben, nur 2/, der Schiffahrtäprämien oder ?/. der Rann- shaf:äprämien erhalten sollen, wurde angenommen, ebenso cin

Zusazantrag des Deputirten Guillain, welcher den Fall | regelt, daß ein Schiff gleichzeitig lange Fahrt und Küstenschiff- | fahrt betreibt. Jn der Nahmittagssißung wurde die Be- | rathungdes Anleihegeseßentwurfs fortzesczt. Der Deputirte | Guienysse beantragte, daß der Bericht des Generals Voyron |

der Budgetkommission mitgetheilt é Präsident Waldeck-Rousseau bekämpfte diesen Antrag, welher mit 425 gegen 100 Stimmen von der Kammer

werde. Der Minller- |

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äbgelehnt wurde. weiteren Verlauf der Siß beanträgte, dem „W. T. B.“ zufolge, der Deputirte Sembat (Sozialist) nohmals, daß der geheime Bericht des Generals Voyron über Plünderungen in China der Budget- kommisfion vorgelegt werde, und erklärte, daß er und seine Menne sih sonst vorbehalten würden, denselben auf eigene Verantwortung zu veröffentlichen. Der Deputirte Ribot fragte an, ob ein Minister, Offizier oder Beamter dem Deputirten Sembat diesen Bericht übermittelt habe. Der Minister-Präsident Waldeck-RNousseau erklärte, der Marine-Minister habe bereits eine Untersuhung wegen dieser Jndiskretion angeordnet; die Untersuchung sei nahezu durhgeführt und werde zeigen, daß die Regierung derartige Pflichtverlezung rücksihtslos zu unterdrücken wisse. Der Antrag Sembat wurde dann mit 403 gegen 108 Stimmen abgelehnt. Der Berichterstaiter Hubbar d theilte hierauf mit, daß die Budgeikommijsion die Höhe der Anleihe, in Abänderung ihres früheren Beschlusses, auf 265 Millionen festgeseßt habe. Der Deputirte Berger beantragte die Ver- tagung der Abstimmung hierüber bis zur Vertheilung des Ergänzungsberichts Q 9 Dieser Antrag wurde troß des Widerspruchs es FinanzMinisters Caillaux mit 262 gegen 258 Stimmen angenommen. Nachdem die Ver- theilung des Berichts erfolgt war, wurde die Berathung fortgeseßt. Der Deputirte Kloß trat für eine Herabseßung der Höhe dér Anleihe auf 195 Millionen ein. Auf eine Anfrage des Deputirten Devin erklärte der Minister-Präsident Waldeck-NRousseau, er werde bei den Entschädigungen im fernen Orient keinerlei Unterschiede machen. Die Re- gierung nehme alle Pflichten auf sih, welche das Protektorat mit sih bringe, wie fie auch andererseits alle daraus ent- \springenden Rechte für sch beanspruhe. Er erwarte, daß die republifanishe Majorität ihm Vertrauen entgegenbringen werde. Sodann wurde die Regierungsvorlage, durch welche die Höhe der Anleihe auf 265 Millionen festgeseßt wird, mit 277 gegen 225 Stimmen angenommen. Die Minderheit vbe- stand aus 40 Sozialisten, 27 Nationalisten, 65 Monarcisten, 38 Nadikalen und 55 gemäßigten Republikanern. Méline stimmte gegen das Ministerium. i

Im Namen der sozialistishen Partei wird der Deputirte Clovis Hugues heute die Regierung über den Beschluß des Verwaltungsraths des Haager Schiedsgerichtshofes in der südafrikanishen Frage interpellieren.

Die „Petite République“ veröffentliht Heute, wie „W. T. B.“ berichtet, Auszüge aus dem geheimen Bericht des Generals Voyron. Lezterer versichert darin, daß die französishen Truppen sich viel besser benommen hätten als die Truppen der anderen Nationen. Es hätten zwar Plünde- rungen seitens der Franzosen stattgefunden, doch habe es sih um vereinzelte Vorkommnisse gehandelt. Die Soldaten seien von Missionaren verleitet worden, für deren Rechnung sie die Plünderung ausgeführt hätten. Eines Tages, so heißt es in dem Bericht weiter, hätten sich Missionare mit 40 Wagen und 300 eingeborenen Christen nach dem Palast des Prinzen Li begeben, um diesen zu durchsuhen. Sie hätten dort eine bedcutende Summe in Silberbarren an s\ih ge- nommen und jedem der Marinesoldaten, dic ihnen bei der Plünderung geholfen, Schecks bis zum Beirage von 2000 Francs gegeben. Andere Soldaten, die dies erfahren, hätten dann. für ihre eigene Rechnung Silberbarren weggenommen, welche sie Privatleuten gegen Schecks abgetreten hätten, da fie die Barren nicht selbst hätten verwerthen können. Den Soldaten diese Schecks zu lassen, würde geheißen haben ihnen cine Prämie für ihre Plünderungen gewähren. Man habe ver- sucht, ihnen die Schecks wieder wegzunezmen, aber die Marine- soldaten hätten sich geweigert, sie zurückzugeben, und ließlich seien fi2 ihnen auch gelassen worden. Der Bericht fügt hinzu, daß ein Scheck von 5000 Francs vom Bischof Favier ausgestellt worden sei an Stelle der Schecks, welche die Missionare den Soldaten gegeben hatten, die ihnen bei der Fortshaffung der Barren aus dem Palast des Prinzen Li geholfen hätten.

Der Pariser Gemeinderath berieth gestern die von vershiedenen Kongregationen eingereihten Gesuche um Zulassung, über welche er sih gutachtlih zu äußern hat. Eine Tagesordnung, welhe auf Ablehnung der Zulassung hinausging, wurde mit 44 gegen 33 Stimmen atgelehnt und eine solhe, welche das Vereinsgeseß für \{häcklich und anti- republikanish erklärt und ausspricht, daß die Freiheit der Ver- s s p e F einigung nicht beshränkt werden dürfe, mit 39 gegen 33 Stimmen angenommen.

Rußland. Der frühere -japanishe Minister-Präsidènt Marquis Jto ilt, nah einer Meldung des „W. T. B.“, gestern in St. Peters- burg eingetroffen.

Jtalien.

Jn Mailand wurde gestern, wie „W. T. B.“ berichtet, der Anarchist Luigi Granotti als Helfershelfer Bresci's bei der Ermordung des Königs Humbert vom Schwurgericht in contumaciam zu lebenslänglichem Zuchthaus verurtheilt.

Niederlande.

Nach den leßten Nachrichten aus dem Schlosse Loo ist das Befinden der Königin, wie „W. T. B.“ meldet, sehr zufricdenstellezd. Der Hof wird in der Mitte des nächsten Monats im Haag erwartet.

Türkei.

Aus Konstantinopel vom gestrigen Tage meldet das Wiener „Telegr. - Korresp. - Bureau“, die russishe Ne: gierung habe d2:6 jüngste telegraphishe Nundschreiben der Pforte bezüglich Kretas beantwortet. Jn der Antwort heiße es, daß die Besprehungen, welche

| zwischen den Kabinetten der vier Großmächte auf Grund

des Meinungsaustausches der Vertreter der interessierten Mächte in Konstantinopel geführt würden, sih auf Fragen rein administrativen Charakters bezögen und in keiner Weise politishe Angelegenheiten Kretas beträfen.

Griechenland.

Die neuernannten Minister haben, wie dem „W.T.B.*“ aus Athen gemeldet wird, gestern dem König den Eid ge- leistet. Die Arbeiten der putirtenkammer sind dur einen Erlaß auf 40 Tage suspendiert worden. Während des gestrigen Tages herrschte in Athen Nuhe. Die Studenten haben erflärt, sie würden heute dem Nektor die Schlüssel der Uni- versität urückgcben. Die Polizei könne da dann gegen alle Personen vorgehen, die sich noch dort aufhielten, da die- selben keine Studenten seien.

s Bulga rien. Wie „W. T. B.“ aus Sofia berichtet, hat die Sobranje euern eine Vorlage angenommen, durch welche prinzipiell die nabseßbarkeit der Richter ausgesprochen wird.

Amerika,

Eine in NewY ork eingetroffene Depesheaus Co l on meldet das columbische Kanonenboot „General Pinzon“ sei am Sonn- abend dort angekommen, doch sei die Landung der an Bord befind- lichen 600 Mann Truppen nicht gestattet worden. Die Liberalen versicherten, sie würden feuern, wenn eine Lanckung versu werden sollte. Der Kommandant des Kanonenboots habe den Kommandanten der fremden Kriegsschiffe mitgetheilt, daß er am Montag Mittag Colon beschießen werde. Die verschiedenen Konsuln hätten ihren Landsleuten gerathen, sich an Bord der Kriegsschiffe zu begeben. Jn Erwartung des Anrücens der Liberalen seien in der Landenge von Panama Schanzen auf- geworfen worden. Die Regierung erkläre, sie werde, fle die Liberalen in Panama einrückten, jeden Zoll des Bodens ver- theidigen. Es verlaute, ein Kanonenbot der Liberalen sei am 21. November von Libertad nah Panama abgegangen.

Nach einem weiteren Telegramm aus Colon“ ist seit Sonntag Abend kein Zug von Colon nach Panama ab- gelassen worden. Die Negierungstrupp n hätten die Auf- ständischen bei Culebra angegriffen. Das Kanonenboot der columbishen Regierung „General Pinzon“ melde, das Landen von Truppen am Nordende von Colon habe da- selbst große Aufregung in den Straßen verursaht. Die Leute seien auf die amerikanishen Kanonenboote geflüchtet oder hätten Zuflucht längs der Bahnlinie gesucht. Das Kanonen- boot der Vereinigten Staaten „Concord“ sei in Panama eingetroffen.

Der Kommandant des vor Colon eingetroffenen colum- bischen Kanonenboots „General Pinzon“ hat sich, wie ein ferneres Telegramm besagt, entshlofen, die Beschießung Colons nicht vor Freitag Nachmittag 6 Uhr zu beginnen. Es heiße, der Gouverneur von Panama Dr. Alban habe die Ses bei Matachin geschlagen und marschiere jeßt auf

olon.

Aus Washington vom gestrigen Tage meldet das „Reuter'she Bureau“, der columbische Geschäftsträger daselbst habe von dem stellvertretenden Gouverneur folgende Depeshe aus Panama, vom 25. November, er- halien: „Das Heer der Rebellen is bei Culebra und Empera dor vollständig geschlagen worden. Der Gouverneur marschierte in der vergangenen Nacht auf Colon. Der Verkehr wurde gestern unterbrochen, wird heute ober wieder- hergestellt werden.“

Einer gestern Nachmittag in Washington eingegangenen Depesche des General - Konsuls der Vereinigten Staaten in Panama zufolge, ist der Verkehr auf der Eisenbahn zur Zeit unbehindert. Die Regierungstruppen operierten mit Erfolg gegen die Aufständischen. Mannschaften des Kanonenboots „Machias“ seien ins Jnnere marschier und hielten zur Zeit einen Punkt halbwegs zwishen Panama und Colon beseßt.

Ferner wird aus Washington gemeldet, Perry, der Kommandant des Kriegsschiffs der Vereinigten Staaten „Jow a “, habe telegraphiert, der Gouverneur Alban sei mit 6000 Mann an der Bahnlinie in der Nähe von Emperador mit den Aufständishen im Gefeht. Der Tranfsitverkehr sei ge- fährdet. Er (Perry) sei mit einer Truppenabtheilung an Land und mit einem Eisenbahnzuge weiter gegangen, um die Linie aufzuklären und eine Truppenabtheilung an derselben auf- zustellen. Der Kommandant Mc Crea habe sih telegraphisch Instruktionen wegen des drohenden Bombardements von Colon erbeten.” Er habe die Instruktion erhalten, Schritte zu thun, um die amerikanishen Jnteressen zu shüßen. Wie man annehme, verleihe diese Instruktion dem Kommandanten Mec Crea diskretionäre Gewalt, das Bombardement zu ver- hindern.

Das „Reuter'she Bureau“ meldet aus Buenos Aires vom gestrigen Tage, troß der Mißhelligkeiten zwischen Argen- tinien und Chile würden die Reklamationen, betreffend die Anlegung von Straßen in dem umstrittenen Ge- biete, niht zur Eröffnung von Feindseligkeiten führen, da beide Negierungen von den besten Absichten, die Verhandlungen auf friedlicher Basis weiterzu{ühren, beieelt seien.

Der chilenishe Geschäftsträger in Washington theilte heute, wie „W. T. B.“- berichtet, dem Staats- departement mit, daß Chile und Argentinien zu einer freundshaftlihen und befriedigenden Verständi- gung in der Grenzfrage gekommen seien.

Afrika.

Eine Depesche Lord Kitchener's aus Pretoria vom 23. d. M. meldet: Aus einem weiteren Bericht über das Gefecht des Majors Fisher bei Villiersdorp am 20. No- vember gehe hervór, daß in der Naht vom 19. November Patrouillen von dem Posten Fisher's bei Reitfontein nah Kaltspruit zu ausgesandt worden seien, um einen die Zandsdrift beherrshenden Hügel zu nehmen, _und dieje: ügel vom Feinde besezt gefunden hätten. Major Fisher sei bei Tagesanbruch nach Hügel vorgerückt und von Norden und Süden her gleichzeitig angegriffen worden, doch sei cs ihm nah und nah gelungen, eine gut gedeckte Stellung zu erlangen. Um 9 Uhr Morgens seien seine Pferde p!öglih nahe bei dem süd lichen Ende! jeiner Stellung in wilder Hast geflohen, und in der Verwirrung habe sich der Feind festgeseßt. Der Major Fisher und der Hauptmann Laagmore seien ledensgesährlich verwundet worden. Die ganze Abtheilung sei von den ungefähr 350 Mann zählenden feind- lichen Truppen gezwungen worden, sich um 10 Uhr Morgens zu ergeben. Rimington's Kolonne sei um 11 Uhr «eingetroffen, als der Feind mit Ausnahme einer kleinen Nachhut suh de- reits zurücgezogen und die Gefangenen zurückgelassen hade. Der Burenführer Buys6, der von Rimington gefangen ge- nommen wurde, sei verwundct gewesen. ri

Der „Times“ wird aus Marakesc gemeldet, der Suitan von Marokko hzbe nach einer Truppenschau die Gouverneure und Vize-Gouverneure um sih versammelt und ihnen nur etheilt, er beabsichtige, Neformen in der Steuererhebung und andere Reformen einzusuhren. Jeder Gouverneur oder sonstige Beamte, der überführt werde, daß er Geschenke gebe oder annehme, werde streng bestraft werden; die Beamten würden ausfömmlicke Gehälter erhalten. Dem Aenannten Blatte wird hierzu weiter gemeldet, die Erklärung des Sultans habe groze Bestürzung unter den Gouverneuren hervorgerufen und werde zweifellos großem Widerstande begegnen.

Parlamentarishe Nachrichten.

Dem Reichstage ist der Entwurf eines Zolltarif- geseßes nebst Begründung zugegangen. Der leßteren sind wei Hefte Anlagen beigegeben, von denen das erste das estehende Tarifrecht des deutshen Zollgebiets, Angaben der amtlihen Statistik über Mengen und Werth der deutshen Ein- und Ausfuhr im Ganzen und nach Waarengruppen in den Jahren 1880 bis 1900, über die Bevölkerung Deutschlands und ihre Erwerbsthätigfkeit, die Gütererzeugung des Deutshen Reichs und über die Ein- und Ausfuhr von Erzeugnissen der Land- und Forstwirthschaft sowie der einzelnen Zweige der Jndustrie im Spezialhandel des deutschen Zollgebiets enthält, während in dem zweiten Anlageheft eine vergleihende Zusammen- stellung des Zolltarifentwurfs mit den Bestim- mungen des geltenden Zolltarifs gegeben ist.

Bei der gestern im 11. Wahlbezirk des Regierungs- bezirfs Cassel (Hünfeld, Gersfeld) vorgenommenen Ersaß- wahl zum Hause der Abgeordneten wurde, nach der amtlichen Zähiung, der Regierungs- und Forstrath Kaute in Potsdam (Zentrum) mit 103 Stimmen gewählt. Der Land- rath Freiherr von Dörnberg ina Gersfeld (fonserv.) erhtelt 47 Stimmen.

Nr. 47 der „Veröffentlihungen des Kaiserlihen Ge- fundheitsamts“ vom 20. November hat folgenden Inhalt: Gesundheitsstand und Gang der Volksfrankheiten. Zeitweilige Maßregeln gegen ansteckende Krankheiten. Desgl. gegen Pest. Sterblichkeit in Preußen, 1899. Aus dem Statistischen Fahrbuche yon Paris, 1898. Gesetzgebung u. s. w. (Deutsches Reich.) Gifte 2c. (Preußen.) Viebfeuchenstatistik. Krankenfürsorge. Vechältniß der Kreiéärzte zu den Gewerbe-Aufsichtsbeamten. (Bayern.) Titel. (Sachsen.) Trichinenshau bei Hunden. (Württemberg.) Wein- bau-Versuchsanstalt in Weinsberg. Sachsen-Meiningen.) Impf- wesen. (Hamburg.) Gasheiz- 2c. Apparate. (Oesterreich.) Kohlenbergbau. Pemphigus neonatorum etc. Ehbren- rath der Aerztekammern. Augenblennorrhöe der Neu- geborenen: (Böhmen. ) Aerztlihe Standesordnung -— Blattern. (Steiermark.) Fabriken æ. (FItalien.) Wein. Heilserum. (Schweiz. Kanton Zug.) Brots{au. (Groß- britannien.) Acetylen. Schweinefieber. (Belgien.) Nahrungs- mittel. (Rußland.) Ausländische Heilmittel 2c. Harzer Gebirgs- thee. Veterinärwesen. (Bulgarien.) Essenzen. (Straits SZettlements.) Leprosenasyl. Gang der Tbierfeuben in Oesterreich. 3. Vierteljahr. Desgl. in Großbritanni Maul- und Klauen- seuhe in Rumänien. Rinderpest in Süd-Afrika. Zeitweilige Maßregeln gegen Thierseuchen. (Deutsches Reich, Belgien, Schweden.) Vermischtes. (Sahsen.) Fleishbeshau, 19090. Ges\chenkliste. Wochentabelle über die Sterbefälle in deutshen Orten mit 40 000 und mehr Einwohnern. Desgleichen in größeren Städten des Aus- andes. Erkrankungen in Krankenhäusern deutsher Großstädte. Deëgleichen in deutshen Stadt- und Landbezirken. Witterung. Beilage: Gerichtliche Entscheidungen, betr. den Verkehr mit Nahrungs- mitteln (Wurst).

Kunst und Wifsenschaft.

A. F. Der Berliner Architekten-Verein hielt im Laufe er leßten Wochen zwei Versammlungen ab. In der ersten der- elben sprah Herr Paul Theodor Richter über die auf der Erde z. Z. gebräuhlihen Schreibgeräthe und Srifts- zeihen. Als Jllustration zu dem Vortrage hatte im Saal eine von Herrn Rudolf Blanckerß, Jnhaber der bekannten Stahlfeder- Fabrik von Heintze u. B anckderg in Berlin, angelegte, inter- cfsante Szmmlung von Schreib - Utensilien und Schriften aller Völker Aufstellung gefunden. Der umsihtige Sazmmler ist dabei on dem Gedanfen ausgegangen, daß es ich für den deutschen usfubrbandel und im Befonderen für die von ihm vertretene În- dustrie wohl verlobne: e, die Schreibweisen und Schreibgeräthbe anderer Kulturvölker, als der unter europäishem Einfluß stehenden, gründlih zu \tudieren, meil vorauesihtlih die uns zu Gebote stehenden mechanischen Hilfsmitte ermöglihen würden, jenen Völkern er- beblih verbesserte und zugleich billige Schreibgeräthe anzubieten, welche alsdann gern aufgeno:nmen und gekauft werden würden. Daß diese Hoffnung keine eitle sein würde, konnte Herr Blankery

Beginn seiner Sammlerthätigkeit aus dem Erfolge bließen, den innerhalb der europäishen Kulturwelt die tablfeder als Ersay dec Federkicle in weniger als einem Menschenalter errungen hat. die Hoffnung keine eitle gewesen iït, beweist die S2mmlung felbst, die neben dem bis vor furzem üblih gewesenen ‘oder noch üblichen exotishen Schreibgeräth das entsprechende neue, in der Berliner Fabrik bergestellte und dem besonderen Charaffer der Schriftzeihen und der Schreibweise angepaßte Geräth vor Augen führt, von dem der Vortragende später im einzelnen berichtete, daß cs ih steigender Beliebtheit bei den betreffenden Kultur- dôlkern Asiens und Afrikas erfreue und zu einem Exportartikel geworden lei. Das ist ein Erfolg deutsher Wissenshaftlichkeit und Gründlichkeit, der mit patriotisher Genugthuung verzeichnet werden darf, umsomehr, aië nihtdeutshe Fabrifen cinen anderen Weg, nämlich den der genaue Nachahmung der Vorbilder cingeschblagen batten, der 1war weniger mübsam war, aber sih als nicht zum Ziele führend erwies. Die 5rutlosigkeit dieses Verfahrens vorauéssehend, das etwa einem Ver-

den natürlichen Federkiel durch einen fünstlichen, dem Original ganz gleich ausscbenden w ersetzen, vergleihbar sein würde, hat Hecr Blanckery, indem er gewissermaßen die Inventur aller 1. Z. üblihen Schreibgeräthe der Welt mahte und den beson- deren Anforderungen jeder Sé{hriftart sorgfältig nahspürt, inen zwar unsäglih mübsamerén, aber, wie dur Thatsachen erwiesen, ungleih prafktischeren Weg eing?s{hlagen und den Erfolg ‘an lein Unternehmen gefkettet. Im Lichte dieses von der eingangs er- vwâbnten Ausstellung beglaubigten Sachverhalis fanden die Mit- ideilungen des Vortragenden eine besonders aufmerksame Zuhörer- it: Für die Stablfederschrift seit lange gewonnen sind die reiber der deutschen, lateinischen, rusfischen und griehishen Schrift.

n ate sind selbft bei den am entferntesten tobnenden Schreibern russi her Schriftzzichen in Ost-Sibirien und i den sich der griehishea Schrift bedicnenden Armeniern die Feder- ele nur noch in sehr beschränkter Anweaduna. Sehr verschieden hiervon wird in dem an zuwveiter Stelle wichtigsten Schriftgebiet die arabische Só&rift mit aus Rohr ges{hüittener Feter, arabish „Kalam“" (calamus ?), tod Kelent genannt, bergestellt. Die ganze mchamedanische Welt be- dient ih dieser Schrift, so verschieden auch z. B. das PersisLe und das Türkische, das Malaiish-Hindoftanishe und das Urdu der mohame- danishen Inder, damit geschrieben, im Verglei mit dem Arabischen autfiedt. Selb auf den Sunda- Inseln ift diese Schrift in Anwen- dung Nur die kleinste. weitlichste Grube des Jéólam, Marokko, machî cine nabme du Benutzung cines etwas abweichenden Instrumentes, des Robriratels, Reiéstengels, eineë ganz flachen, spatelförmigen Geräthes, aas ln übrigen gleich dem Kalam cine geipaltene Spiye zeigt. Eine dritte Srupve bilden die vorterindischen Schristarten, deren Zahl Legion | n. Sie bedienen sih einer „Kulum“ genannten Rohrfeder, deren

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FSnabel âber wesentli anders geschnitten ist als der des arabischen alam, weil die indisdhen Scbriftarten glei den unseren auf Papier | montal von linfs na rets, die arabish-semitischen dagegen von |

anqe nah linké geschrieben werten. Außerordentlih verschieden hbier- |

von ist die Gruppe der Pinfelschriften, deren Verbreitungsgebiet China, Indochina, Korea und Japan bilden. Die Schriftzeichen folgen einander dabei von oben nach unten, die senfrechten Kolonnen von rets nach links. Shreibpinsel und Tusche bilden das Schreibgeräth dieser Gruppe. Ganz ab- weichend ist wiederum sowohl die Schrift Kambodjas und Siams, die mit Fettkreide von links nah rechts auf s{chwarzes SHieferpapier geschrieben wird, als auch vor allem die Rißschrift, welche mit Hilfe einer in Horn gefaßten Staßblspiue oder eines stählernen Griffels in Palm- blâtter oder ähnlihe Stoffe eingerißt wird. Leßterer SHreibweise bedienen sih die meisten Bevölkerungen Hinterindiens, wenn au unter Anwendung voneinander schr verschiedener Schriftzeichen, ferner die Singhalesen auf Ceylon und zwei Volksstämme auf Celebes Eine siebente Gruppe bildet die von der Cos Mehrheit der Einwohner von Celebes, den Bugis und Makafsern, mittels einer ganz flachen, s{chnabelig zugeschnittenen Palmenripp-z durch Farbe auf grobes Papier hergestellte, von links nah rechts Ende Schrift, deren Zeizhen kleine geometrishe Figuren, Ouadrate, Rechtecke, Winkel 2c. darstellen. Endlich giebt es noŸ eine achte Gruppe. wahrscheinlich die älteste und ursprünglistz, welhz mit einem kleinen Stäben aus Palmenholz mittels Nußbreies auf Baumrinde aufgetragen wird. Sie wird von dem Volk der im Innern von Sumatra wobnenden Battaker angewandt und \Heint in sehr entfernten Zeiten durch brabmanische Einwanderung eingefübrt zu sein : denn es erxistieren so hergestellte brahmanishe Gebetbücher. Die Zeichen sind annähernd fo unentwickelt und unbestimmt, wie etwa die germanische Nunenschrift, vor welcher diese Shrift aber den Vorzug hat, daß fie noch lebt, noch im Gebrauch ist. Es ist sehr wahrscein- lich, daß man hier ebenso den unentwielten Urtypus der vorder- indischen Schriftarten vor sich hat, welche später von den indischen Brahmanen auf Blech von Kuvfer oder Gold yeshrieben wurden, wie die Anfänge der heute noch wesentlich den buddbistisGßen Völkern Hinterindiens eigenen NRibßschrift auf trockznen Palmenblätterstreifen oder Bambusrohr, die in eiligen Fällen wohl auch in grüne Palm- blätter eingerißt und für den Empfänger eines so beshaffenen Briefes [esbar wird, indem er sie mit Speichel befeuhtet oder dunkle Erde hineinreibt.

Es ist nach dem Vorhergesagten ohne weiteres klar, daß die Rohrfedern, sowohl des arabishen „Kalam“ als auc des vorderindischen „Kulum“, wie die zugespizte Palmenrivpe, des Ersatzes durch eine geeignete Stahlfeder sehr wohl fähig sind, weil diese Schreibgeräthe sich der Farbe oder Tinte und des Papiers bedienen. Einen solchen Erfaß zu {hafen und ihn zur Anerkennung und Anwendung zu bringen, ist den Bemühungen der mehrgenannten deutschen Firma denn auch bestens gelungen. Schwieriger, wenn auch bei der bis- herigen unprafktishen Ausführungsweise dieser Schrift ret aussichtsvoll, war die Verbesserung des Schreibgeräths der intelligenten Siamesen, deren Fettkreide und shwarzes Papier anfangs den Gedanken nahelegten, die Kreide zu Sw{lemm- freide aufzulösén und diefe mit einem löflich gekehlten Fn- strument aus Bambus aufzutragen. Doch erwies sh auß dieser Noth- behelf als wenig praktis, ebenso wie die Benutzung von Bleistift auf wolligem Papier. Jeßt ist man auf der Sue nach Besserem auch aùûf eine dem eigenartigen Pavier angepaßte Stablfeder und Tinte gekommen. Beides gefällt und führt si ein. So wird die seltsame,

von der empfindlichen Kreideshrift bedingte Form des siamecsischen |

Briefes wohl bald zu den vergangenen Dingen gehören. Ein solches Schriftstück wurde harmonikaartig zusammengefaltet, kreuzweise mit einer Shnur_ ums{lungen und mit einem Thonklümpchen verklebt, worauf der Schreiber seinen Finger drückte.

Am s{wierigsten ist natürlih der Ersaß des Pinsels durch ein anderes Schreibgeräth; doch haben, wie die Ausstellung ergiebt, alle an den Konfervatismus der Chinesen geknüpften Bedenken, sowie die unzweifelhaften technishen Hindernisse eines geeigneten Ersaßzes des Pinsels von Kaninchen- oder Menschenhaaren durch ein Stablgeräth nicht davor zurückgeshreckt, den Versu zu wagen. Zugänglicher für Neuerungen in dieser Richtung sind Japaner und Koreaner, zumal sie eine Silben- “und Lautschrifst besitzen, im Gegensaß zu den sih einer Bilderschrift bedienenden Chinesen. Ursprünglich hatten auch die Chinesen eine Kerb- oder Ritschrift, für deren Aufnahme sie Täfelhen aus Bambus mit einem Lack bestrichen und diesen sodann mit cinem scharfen Griffel rißten. oh ist die gegenwärtige Tusche- und Pinselschrift bereits länger als 2A Jahre im G:brauch und daher wenig Aussicht vorhanden, s; Gewohnheit eine Aenderung erfährt. Das tragbare Shreibzeug, im Gürtel mitgeführt wird, ift außerdem dem Chinesen so ans £ gewachsen, die mehr oder weniger fünstlerishe Ausstattung | eine fo beliebte Leistung des chinesis{hen Kunstfleißes, industrie zu so großem Umfange und zu solcher Vorzüglichkei daß, solange es eine chinesis{e Schrift giebt, sie wobl niht nach unserer bequemeren und sch{nelleren Art werden wird.

Der Vortragende gab zum Sch{luß noch eine ged der bistorishen Entwickelung des Schreibzeräths. jedenfalls Anspruch auf ein sehr hobes Alter: denn uri von den alten Egyptern angewandt und fam von ibnen auf ( und Römer, bis in \pätrömischer Zeit der Calamus, die Robrfede in ihrer Anwendung auf Pergament und Pavyrus abgelöst wurde durh das Einrißen der Schrift in mit einer Wachsschicht überiogene Holztäfelhen. Der Gäusekiel {eint in sciner Anwendun 7 germanishen Ursprungs zu sein. Schon sol \hrift seiner gothishen Bibelübersetzung Dur das ganze Mittelalter bis in die Federpose, besonders nah Erfindung des mit den altrigen Papiers, fast ohne Wettkewerb irgend eines anderen geräths. Eine wesentliche Verbesserung hat sie in dec ganzen Zeit erfahren, wenn auch seit 1599, in welbem Iabre Le Gagneur ein muster- gültig gebliebenes Buch über die Kunst und Wirkung des Spitzenschnitts \{hrieb, manche nüyliche Winke für Federschnitt, Handstellung und Federführung veröffentlicht worden sind. Eine Neuerung brachte erst die 1798 von Torio erfundene Rundschrift, welche einen abweichenden, eigenartigen Schnitt der Feder bedingte, der nah Erfindung der Stablfeder um das Jahr 1830 alédann ebenso wie der gewöhnliche

Federschnitt durch das neue Schreibgeräth in ungleich dauerhafterer, |

elastisher und zeitsparender Form nacgebildet wurde : , Der zweite Vortrags-Abend des Architekten-Vercins fand in

Gesellshaft von Damen statt. Det Saal war bis auf den letzten | r

Plat gefüllt. Eine solde Anziehungékraft hatten die „malerischen Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ geübt, welche dur den Direktor der „Urania*, Herrn Franz Goerke, in zablreichen Licht- bildern vorgeführt wurden. Es ist über die! cffflihe Leistung bercits früher an dieser Stelle eingehend berichtet word Zu wünschen bleibt, daß Herr Goerke seine Absicht eine in seiner Satumlung în dem Sinne ausführe, daß sie einst dic malerische Ergänzung jener hochgeshähßten märlishen Wanderungen bildet, durch welche Fontane vor mehr als einem Jahrzehnt seine märkischen Lands- leute so sehr ‘erfreut hat.

v. A. Der Innenarchitelt Willy O. Dreßler hat in seiner Wohnung, Knesebeckstraßze 36, zum Besten nothleidender Bucen-Familieu eine Ausstellung seiner Arbeiten veranstaltet. Das Reizwolle dieser Auéstellung besteht darin, daß, wobl zum ersten Mal in Berlin, eine Einrichtung, die der Künsiller für scinen eigenen Gebrauch. in Benuyung genommen hat, dem Publikum zu- gänglih wird, nicht nur eine Schablonen- und Must troohnung, der noch das individuelle Leben fehlt Zum theil sind es bekaunte Arbeiten Dreßler's, die in diesem Herbst. schon bei Keller u. Reiner

ausgestellt waren, wie das Herren- und das Speisezimmer, nur daß |

die Beleuchtungskörper, Stickereien und Bronzen das Ganze jeyt füllen und beleben. Neu sind der Ankleideraum und das Schlafzimmer

Die Möbel diefer beiden Räumlichkeiten sind aus graublauem, im Ton |

sehr warm wirkendem Eschenholz hergestellt; die Tapete ift ebenfalls in stumpfem Blau gehalten und, um Eintönigkeit zu vermeiden, in geringer Höhe dur Einen ey in Messing gekaßten Streifen unterbrochen, der seinerscits wieder in der Farbe zu Kissen und Teppich

| strengen ärztlich

stimmt. Die Wirkung is fein berechnet; die Möbel sind breit, ruhig, elegant und prafktisch, mit kleinen Feinheiten, die sie zum Gebrauch geeigneter machen. Jedes Ueberflüssige ist vermieden, und doch wirkt das Ganze nicht fahl.

Außer diesen Zimmern bietet ein größerer Ausftellungsraum noch Teppiche, Schmucksahen, Stickereien und Entwürfe für Tapeten, Möbel und Teppiche, wie sie aus der Hand des Künstlers in die Werkstätten wandern. Für das Theatercape und die Shmusahen hat Dreßler in Leipzig die goldene Medaille erhalten. Es sind einzelne Stückz2 von sehr anmuthiger Form darunter, und die Verwendung der Naturperlen ist sehr glü- lich; „weniger wirksam ershzinen die Emailarbeiten, denen Feinheiten, wié etwa Pariser Künstler sie ihnen zu geben wissen, fehlen. Die Stikereien sind zum theil jehr eigenartig und s{chön in Farbe und Zeichnung. Für die Besucher werden auch die mannig- fachen Entwürfe von befonderem Interesse sein, da sie zeigen, was der Künstler will und welch2 Veränderungen seine Jdeen dura) die Ueber- tragung in das Material erdulden müssen.

__Zum Schluß seien noch die zum theil sehr originellen, harmonisch wirkenden Kronleuchter für Gas und eleftrisch-8 Licht erwähnt, sowie die Silberarbeiten, die, bis auf einen prächtigen Tafelaufsatz, der neu ist, au schon bei Keller u. Reiner zu sehen waren. s

Es ift zu wünschen, daß die interessante Ausstellung, die bis zum 10. Dezember, täglich von 12 bis 3 Ühr, geöffnet bleibt, auch um ihres guten Zweckes willen recht reihlich besuht werde. Eintritts- larten find in der Kunsthandlung von Keller u. Reiner (Potsdam2r- straße 122) zu haben. i

_ Der Kunstfalon von Paul Cassirer, Berlin W., Victoria- straße 39, eröffnet am Donnerstag, den 28. d. M., \eine ¡weite Winterausstellung. Dieselbe enthält eine Sammlung von Werken von Louis Corinth, H. E. Linde-Walther, U. Hübner, E. Vuillard, ferner zwei hervorragende Werke von Edouard Manet und eine größere Anzahl Arbeiten von E. Orlik, die der Künstler während etnes zweijährigen Aufent„alts in Japan geschaffen hat.

_ Professor Karl von Liebermei ster, Vorstand der medizinischen Universitätsflinik in Tübingen, ist, wie „W. T. B.“ meldet, am Sountag daselbst gestorben. Er war an 2. Februar 1833 zu Rons- dorf bei Elberfeld geboren, studierte in Bonn, Würzburg, Greifswald und Berlin und babilitierte sih im Jahre 1859 in Greifswald. Von dort siedelte er im Jahre 1860 als Assistent Niemeyer's mit diesem nach Tübingen über, wo er im Jahre 1864 außerordentlicher Professor der pathologischen Anatomie wurde. Jm Jahre 1865 wurde er als ordent- licher Professor und Direktor der medizinishen Klinik nah Basel berufen, von wo er im Jahre 1871, nach Niemeyer's Tode, nach Tübingen zurücktehrte, um als dessen Nachfolger die Leitung der dortigen Universitätsklinik zu übernehmen. Als Forscher hat der Ver- storbene sich insbesondere um die Lehre von der Wiärmeregulierung und vom Fieber, sowie um die Behandlung der fieberhaften Krank- heiten Verdienste erworben. Seine Hauptarbeiten beziehen \ich auf das Wesen und die Behandlung des Fiebers, auf die Krankbeiten der WLber und Nieren, Unterleibstyphus und Zuckerharnruhr. Seine. viel- benußten Vorlesungen über spezielle Pathologie und Therapiz er- schienen bereiis im Jahre 1885, seine gesammelten Abhandlungen 1889.

GSesundheit&ä&wesen, Thierkrankheiten und Absperrungs- Maßregeln.

Belgien.

Durch eine im „Moniteur Belge“ vom 21. d. M. veröffentlichte Verfügung des belgishen Ministeriums für Landwirtbschaft vom 2). d. M. sind die Bestimmungen der Artikel 1 bis 4 der Königlich belgischen Verordnung vom 5. April 1897, betreffend .Maßnabmen zur Verhütung der Einshleppung der Beulenvpest in Belgien, vom 4. d. M. ab für Herkünfte aus Odessa in Wirkiamkeit gesetzt worden.

Solche Herkünfte von See sollen an den Quarantänestationen in der Schelde, in den Häfen von Ostende und Nieuport sowie in Selzaete nah den Vorschriften der Kapitel 11, 111 und [V des der VBenediger Internationalen Sanitäts. Konvention vom 19. März 1897

igefügten allgemeinen Sanitätsreglements behandelt werden.

Griechenland. griechische Regierung hat die gegen Herkünfte von

) erlassenen Quarantänevorschriften wieder aufge- hoben.

Die Einfuhr von Lumpen, alten Kleidern, u. ). w. aus Batum bleibt bis auf weiteres noch verbote eR.-Anz.“ vom 9. d. M., Nr. 267.)

H T 4 Len, eden

oten. (Vergl. Rumänien.

Laut Bekanntmachung im „Monitor Oficial“ vom 19. d. M. bat

rumänische Regierung die Quarantäne für Herkünfte aus

je herabgeseßt. (Vgl. „N.-Anz.“ vom

dls Lonstautin «v pl r No T {01 Ann ODei auf drei 2a

( 15. d. M., Nr. 272.)

14 Tp O Tal Cen.

‘gierung hat wegen Erlöschens der Beulenpest

1 Neapel die italien n Häfen für „rein“ erklärt und bestimmt, Einwanderer vor Zulassung zum freien Verkebr

n den nationalen Hâfen bis auf Weiteres einer îtrengen Unter - und nöthigenfalls Desinfektion im Lazareth der Ilba

trn ten Ij M „e 4! Ma gs C v unterwerfen f 7 ( ¡.“ vom 28. v. M. Argentinien Liverpool unterliegen

n Untersuchung.

Herkünfte aus Argentinien einer

Rumänien.

Amilichen Nachrichten zufolge ist, wie des Kaiseclichen Gesundbeitsamts* mitgetbeil die Dobrudscha und ein Theil der und Klauenseuchbe cerarif ì nochd frei isl Der Charal und bei dea davon ergriffenen führen. Die Regierung hat dab [ griffenen Theile des Landes Abfperr man sonst der Seuche freien Lauf Thiere, welche die Krankheit

| immun sein sollen. Die Seuche {ein

Giurgevo aus Bulgarien cinges{leppt woidea

Wie den „Veröffentlichungen des Kaiserlichen Grsuntbeitsamts“ zufolge die „Cape Times“ berichtet, ist die RNinderves nun au in der Nähe von Pretoria ausgebroche Au in dem ursprüaglichen Verbreitungsgedict, dem südlich vom Fre jen Theil der Kap Kolonie, hat die Scucbe n Auñer Aliwal North sind jeyt au y East, sowie Mount Fletcher im rôlei verscuht. Tie Regierung von Natal dat ih daber veranlaßt geschén, di infubr von Vieb aus der Kap- kfolonie zu verbieten. Auch ì fladt rüstete sid zu Maßnahmen, um der Ausbreitung entgegenzutreten. So ift in der „Government Gazette* cine Bekanntmachung über die Belämpfung der Rinderpest erschienen

In dem ersten Theil dieser Bekanntmachung giebt dic erun z

Nald, die Seucde mit Gallen acacdercuta’! wnd mit S. zu bekämpfen T Impfungea follen von den Viechecigenthümern vorgenommen werden, welde Impfsprizea zu mäßigen Preisca von den Regicrungöorganen eérdalten und außerdem inentgelillid im Impfen unterwiesen werden. Damit das nöthige Impfmalerial siets bercit steht, ist beabsidtigt

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E E E R T A S LE, L On Ene

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