1879 / 104 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 03 May 1879 18:00:01 GMT) scan diff

t: S A E ee Ct WA T P E em ct Me L - 2

N Sir A8 A H N E

ar O cie T R S U D S T h: S A A E E R E R! vos E

In der Provinz Sachsen hat die durch Beschluß der Provinzial- vertretung vom 18. November 1876 ins Leben gerufene Historische Kommission es als eine ihrer wichtigsten Aufgaben erkannt, in gleicher Richtung vorzugehen. Ebenso wie in anderen Proviuzen wurde mit der amtlihen Vertheilung von Fragebogen in den ein- zelnen Kreisen der Anfang gemacht. Leider aber fie!, wie die Kom- mission konstatiren muß, abgesehen von wenigen vereinzelten rühm- lien Ausnahmen, das Ergebniß dieses Versuchs im Ganzen ebenso unbefriedigend aus, wie es früher, so viel bekannt, in anderen Pro- vinzen (Westfalen, Dstpreußen, Schlesien 2c.) der Fall gewesen ist. Auch in den einzelnen Geschichtzvereinen, denen nun die este grund- legende Arbeit anheimgegeben wurde, war es s{wer, Jemand zu fin- den, der neben der unbedingt erforderlihen Sachkenntniß auch die nôthige Muße hatte, um größere Bezirke zu bereisen, die vorhandenen Denkmäler in Augershein zu nehmen und zu verzeichnen. Es blieb also weiter nichts übrig, als vorläufig von dem ganzen Umfange der Provinz und ihrer Regierungsbezirke abzusehen und den Urfang mit den einzelnen landräthlichen Kreisen zu machen, zumal da diese meist nit wilikürlich abgegrenzt sind, sondern auf ältere Eintheilungen zurückweisen. Und mit dieser Aufgabe wurde der Königlibe Bauinspektor a. D. Hr. Gustav Sommer in Zeiß be- traut, nacbdem derselbe in die Kommission aufgenommen worden. Mit Hülfe bereits früher gesammelten Materials an Zeichnungen und Notizen war derselbe in kurzer Zeit in den Stand geseßt, die Bearbeitungen der Kreise Zeiß, Weißenfels, Langen- falza, Schleusingen und Weißensee vorzulegen, uxzd die Kommission besbloß nun, mit der Einzelpublikation dieser Be- schreibungen das Gesammtwerk zu beginnen. Die erste Lieferung, die Beschreibung des Kreises Zeit, liegt nunmehr vor.

Gehen auch die Spuren der Kultur und des künstlerischen Schaffens in ter Provinz Sachsen nicht in so frühe Epochen zurü, wie in den westliheren und südlicheren Landschaften Deutschlands, fo entwickelte do die Kirche, die älteiie Trägerin und Pflegerin der Kunst, gerade auf dem Boden der heutigen Provinz Sachsen eine reie Thätigkeit; wandten doch die politishen Macbthaber und Träger der Reicbsgewalt von den Ottouen bis zu den Hohenstaufen den zablreicten Centren des geistigen und geistlihen Lebens, wie Magdeburg, Merseburg, Naumburg, Halberstadt, Erfurt, Quedlin- burg, zu den verschiedensten Malen ihre besondere Vorlicbe und um- fassende Mae ¿uz star. den toh fast immer geistig bedeutende, mit universaler Bildung begabte Männer, wie ein Tietmar von Merseburg, ein Norbert und Wichmann von Magdeburg nit nur den Katl'edralkirchen, sondern auch den zahlreichen Stifts- und Klosterkirhen vor; nahmen dcch nicht minder jene Gebiete an allen Vewcgungen Theil, die sih im Laufe des späteren Mittelalters vornehmlih im Leben der flösterlihen Ordens8gemeinschaften voll- zogen, die wie die Gründung der Hirshauer und Bursfelder Kon- gregation, wie die Einführung der Praemonstratenser- und Cistercienserregel, wie die Verbreitung der Bettelorden fort uvd fort zur Aufrichtung neuer künstlerish durchdahter und ausgeschmückter Bauwerke führten. So finden si alle Entwickelungsstufen der kirblihen Architektur und Skulptur von den Vorläufern des fiührcmanishen Styles bis zu dea Ausläufern der Spätgothik in der Provinz dur hervorragende Momente vertreten. In gleichem, wenn nicht in größerem Umfange als in anderen deutschen Territorien, hat hier eine’große Zahl kleinerer Fürstengeschlehter, ein viel ver- zweigter Adel, ein angesehenes und reihecs Bürgerthum feirem reli- giöósen Sinne dur kirchliche Bauten kleineren Umfanges, durch zahl- lose Stiftungen gottesdienstlihen Shmudces und gotteédienstlicher Ge- râthe in künftleriswen Formen lebendigen Auédruck gezeben und selbst in den Kirchen wiederum durch Denk- und Grabsteine in gleicher Ausstattung ein dauerndes ehrendes Andenken gefunden. Nicht minder haben diese weltlihen Elemente im Laufe der Zeit für die äußere Ge- staltung ihres profanen Lebens vrollendetere Formen gesucht und ge- funden. Es bedarf hier wohl kaum eines Hinweises auf die durch Lied und Sage so oft gefeierten Burgen des miitleren und nördlichen Thüringens, wie der Au€läufer des Harzes, in deren Unlagen zumeist die fortifikatorisihen Zwecke eine glücklihe Vereinigung "mit den Reizen des Landsites fanden; faum ift es wohl nöthig, der zahl- reichen größeren und kleineren Städte zu gedenken, in denen, ges{chüBtt durch den kunstreich angelegten Mauerring, der vermögendere Bürger sein Heim im Innern bequem einrichtete und nach Außen bald mit stattlicher Stein-, bald mit zierlicher Holzskulptur chmückte, wo später dann in der Errichtung reiher Renaissancebauten Behörden und Private mit einander wetteifern und es den jeßt mehr thalwärts gelegenen Schlössern der Fürsten und des Adels gleich zu thun suchten. Freilih ist von all diesen Zeugnissen des Schönheits- und Ku: st- fsinnes unserer Altvordern nu: ein Vruchtheil in dem unvcrsehrten Glanze seiner alten Herrlichkeit bis auf unsere Tage erhalten ge- blieben; mancbe vermeintlih für die Ewigkeit errihteten Bauten siad der Macht der Elemente und der absichtlichen Zerstörung durch Menschenhand anheimgefallen, veränderte Bedürfnisse und wechselnder Geschmack haben nur zu oft den Sieg über die Achtung vor der hiftorishen Chrwürdigkeit und der einstigen künstlerishen Bedeutung davon getragen. Noch drohen von Stunde zu Stunde gleiche Gefahren den biéher glüdcklih erhaltenen Schäßen: wie manch herrliches E:- zeugniß der Architektur und Skulptur, vornehmlich aber der mittel- alterlihen Kleinkunst, ist im Laufe der Zeit in Vergessenheit ge- rathen; wie manches Denkmal ebt künstlerisher Begabung ist dux eine Kette von Zufällen niht über den engsten Kreis feines Ent- \stehungétortes hinaus bekannt geworden! Indessen noch is} es nicht zu spät um aus den Ueberresten mancher Werke unter Zuziehung

der hislorischen Ueberlieferung ein“ verhältnißmäßig getreues Bild der vergangenen Gestalt zu entwerf:n; noch sind die vorhandenen Trümmer oft wohl geeignet, der Kunst und der Technik der Gegenwart zum Muster zu dienen und selbst in weiteren Kreisen den im Laufe der Jahrhunderte mehr und mehr abhanden gekom- menen Kunstsinn neu zu beleben.

Was bisher geshehen, um den noch erhaltenen Reichthum der Provinz Sachsen an Bau- und Kunstdenkmalen der älteren Zeit nach den oben bczeihneten Richtungen durch Wort und Bild zu firiren, konnte nicht als genügend angesehen werden. Neben ausführliheren Monographien über einzelne der leßteren oder über die Denkmäler einzelner Städte und kleinerer Ge- biete war ed doch nur das bereits vor längerer Zeit und unter Ver- folgung anderer Gesichtspunkte erschienene Werk von Puttrich, das eine zusammenfassende uud übersichtlihe Schilderung versuchte ; dasselbe war vielleicht zu U uod zu eingehend angelegt, um für die Kunstgesbichte der heutigen Provinz Sahsen das zu bieten, was Hannover durch die „Baudenkmälec Nieder-Sachsens“ von Mithoff wurde, was die Arbeit von Loy für Hessen und Franz Xaver Kraus für Kunst und Alterthum des Elsaß \chuf. Dagegen verspricht das in seiner ersten Probe-Lieferung vorliegende, von der Historishen Kommission in Angriff genommene Werk allen An- sprüchen zu genügen, sowobl was a Darstellung, übersichtliche Anordnung, richtige Scheidung des Wesentlichen von dem Unwesent- lichen und nur lokal Interessanten, als namentlich auch bequeme Vertheilung der illustrativen Zugaben betrifft. Jn dieser und mancher anderen Beziehung hat man bei der Abfassung und Ein- 1ihtung des Werkes aus den zitirten vorhandenen Sammelwerken der anderen Provinzen und Lande sehr richtige Lehren g:zogen, und man darf behaupten, daß in Bezug auf Gründlichkeit, Brauchbarkeit und Schönheit der Ausstattung es von keinem jener übertroffen wird.

Was den Inhalt des ersten Heftes angeht, so war freilich die Ausbeute für die Kunstgeschichte im Zeißer Kreise eiae geringe, indessen bietet es gleihwohl mznches Interessante. Den ersten Abschnitt bildet eine kurze geschihtlihe Einleitung zur Orien- tirung. Dann folgt die Kunsttopographie des Kreises in alpha- betisher Reihenfolge der Ortschaften, wobei sowohl in Beziehung auf die Zeitgrenzen vom Frühmittelalter bis ins 17. Jahrhundert, als auch im Einzelnen bei Aufzählung der Denkmäler das zweckmäßige, mustergiltige Shema befolgt ist, welches von Dehn-Rotfelser und Loß den „Baudenkmälern des Regierungébezirks Cassel“ zu Grunde gelegt ist. Besonders anziehend find die Artikel Haynsburg mit den Resten der gleihnamigen Burg; Kloster Posa (früher Bosau), mit einer von dem Verfzsser rekonstruirten Ansicht desselben und mehreren interessanten Einzelheiten aus dem Innern; Zeiß. Zivsendorf, mit Abbildung der zierlihen gothishen Kanzel der Kirche. In den Text sind zahlreiche Holzschnitte und Metallabdrücke, darstellcnd Grundrifsse, architektonishe und bildnerishe Einzelnheiten, Ornamente, Wappen, Inschriften, Steinmeßzeichen, Kicchengefäße 2c. vertheilt. Sehr dankenswerth ist die sih anscließende kunststatistische Vebersicht, in welcher die beschriebenen Bauwerke und andcren Denk- mäler klassifizirt und ihnen ihre Stelle in der Kunstgesbichte ange- wiesen wird ; ebenso die Glockenschau, der eine Tafel sorgfältig nach- E Glodeninschriften beigegeben ist. Ein Anhang enthält ur- undlihe Beiträge über die Entstehung einzelner Denkmäler sowie Inventarien.

Von den 42 Heften, aus denen, der Anzahl der Kreise gemäß, das Werk sich zusammenseßen wird. werden jährlih minde ens drei erscheinen, Die in der Bearbeitung bereits vorliegenden Be- {reibungen der Kreise Langensalza, Weißenfels, Schleusingin, Weiß nsee follen zunächst ausgegeben werden. Weitere Krise be- finden si in Vorbereitung. Auch ift der Ans{luß einiger an die Provinz Sachsen grenzender nihtpreußischer Staatsgebiete, die mit jener jedo durh den Gang der kunsthistorishen Entwickelung eng verbunden find, bereits ae _ Die Kommission bietet durch die Veröffentlihung dieser sorg- fältigen Einzelbeschreibungen dên zunächst interessirten Kreisen eine höchst schäßenéwerthe kunstarchäologishe Heimathskunde, für welche dieselben ihr gewiß zu Dank verpflichtet sind. Und wenn damit auch nur das eine erreiht würde, nämlich das Interesse für liebevolle Er - haltung der vorhandenen Denkmäler zu erwecken, so wäre dies {on des Erfolges genug.

Die Stätte, wo Szegedin gestanden hat, ist abermals von einer Katastrophe heimgesucht worden. Ein Orkan von nie ge- kannter Stärke hat die Dämme und Verstopfungsarbeiten durchrissen. Das Unglück ist um so größer, als das Wasser abermals gestiegen war und am 28. April Abends nur um 1 Fuß niedriger stand, als zur Zeit der Katastrophe.

Aus Szegedin wird dem „Pester L.“ unter dem 30. Apri1 Folgendes telegraphirt: „Seit gestern Nacbmittag 5 Uhr wüthet ein Drkan mit Regen, ftärker als zur Zeit der Szegediner Katastrophe. Auf der ganzen Linie der Ringdammarbeiten herrsht seit Morgens große Aufregung; Scbiffe, Pontons und Kähne werden durch die Unternehmung vom Alföldbahnhofe nah den Baupläten gesendet, um die Ingenieure, Aufseher und zahlreihen Arbeiter zu retten, da deren ohnschiffe nach einander untergehen. Die Schlag- werke werden von den Wellen über die Spundwände ge- \{chleudert, die Flöße sind “sämmtlih zershellt, die bedeutenden Holzvorräthe zerstoben und s{chwimmen nun auf der unüber- sehbaren Wassecflähe umher, Menschenleben sind bisher noch

nicht zu beklagen. Die Arbeiter flüchteten sich hinter die Spuad- wände und auf die Piloten, von wo sie nab dem Bahnhofe überführt und in Waggons untergebraht wurden. Obergespan Dani wurde telegraphiich um Sendung von Pontons angegangen. Die Arbeiter werden Seitens der Unternehmung verpflegt. Die fertig„estellten Spundwände leisteten biéher dem Orkane Widerstand; die Größe des Schadens i} gegenwärtig noch nicht zu übersehen, if aber ia bedeutend. Der Orkan ift in fortwährender Zunahme egriffen.“

Ein späteres Telegramm meldet: „Vormittags erhob \ich ein Orkan in folcher Vehemenz, wie er hier noch nie erlebt wurde. Die haushoch gehenden Wellen vernichteten die Eisen- bahn- und Verstopfungsarbeiten. Alle Schlagwerke bis auf sechs „wurden umgeworfen, Flöße auseinander gerissen, die Bau- materialien und Erdschiffe find größtentheils versunken, zum Theil weggeschwemmt. Hundert Klafter Spundwände sind zertrümmert, die Pilotenwände wurden durch den mäthtigen Wind umgebogen. In die Bahndämme, die bisher der Fluth widerstanden, I das Element 50 Klafter lange Durchrifse gemachi. Die in voller Thätig- keit gewesenen Arbeiter Tlammerten fih an die Piloten oder haben sih an Floßstäâmme angebunten, um vor dem Wellentode sich zu retten ;; bisher läßt sih nicht konstatiren, ob Arbeiter fehlen. Gleich nach der telegraphishen Nachriht vom Alföldbahnhofe hat Obergespan Dani die umfassendsten Maßregeln getroffen, 3 Pontons mit 2 Offizieren und 36 Pontonniers, so auch mehrere Fabrzeuge mit Mitgliedern des Rettungsvereins gingen Mittags ab. Abends 9 Uhr wurde um Succurs gebeten, da die Rettungsmannschaft {wer vorwärts komme und Hunderte Menschen zu bergen seien, zumal die Nacht großes Unheil bringen könnte. Sofcrt wurde von der Militär- behörde und der Donaudampfschiffahrt-Gesellshaft alle verfügbare Mannschaft an den Oit der Gefahr beordert. Abends halb 10 Uhr legte sih der Wind. Die Arbeiter kommen ganz durhnäßt nah der Stadt, den Verlust ihrer auf den Wohnschisfen geborgenen Klei- der, Lebensmittel und Geldbeträge beklagend. Das Jnundations- wasser steht 24 Fuß 3 Zoll, die Theiß 23 Fuß 8 Zoll ho.

Aus Csongrad schreibt man dem „Egyetérctés“: Unserer Stadt droht neuerdings Uebershwemmungs8gefahr. Wicderum arbeiten Tau- sende von Händen an den Shußdämmen, um die vorhandenen Schä- den, welche das Hochwasser angerichtet hatte, zu rcepariren. Die Hochwasserkommission hat si neuerdings in Permanenz erklärt. Die Einwohner der Stadt werden zwangsweise zu Fuhren und Hand- arbeitsleistungen requirirt. Kein Wunder, denn zum höchsten Wasserstande fehlen nur mehr 3 Fuß (gegenwärtig ist die Höhe 22 Fuß), und auf ein baldiges Fallen des Wassers ist keine Aussicht, da von oben noch immer hohe Wa*erstände sfignalisirt werden, so auch von Tokaj. Zum Hochwasser gesellt sich noch Regen. Wegen der starken-Niedershläge kam es vor, daß an cinzelne: Gebäuden das Wasser eine balbe Klafter hoch stand und man den Schußdamm durhstehen mußte, damit niht mehrere Hâuser das Schickfal der S;egediner erleide. Wir haben die Re- gierung gcbet.n, sowie sie den Szegedinern eine Untec stützung gab, au uns etwa 5000 Fl. zu bewilligen; mußten wir doch übe: 40 Häuser cxpropriiren und demoliren. Während wir cinerseits gegen die Theißfluthen ankämpfen müssen, bedecken die aus dem Pester Komitat kommenden Wildwasser einen Theil unseres Gebiets. Von der Donau angefangen, zieht nämlich eine lange Mulde in der Tißa-Dunaköz bis Csongrad sich hin, welche.in zwei Richtungen auf unscr Gebiet bis zur Theiß sich erstreckt und dort einmündet. Diese Gräben dienen zur Ableitung der Wildwasser des Vidre- und Cfukäs-Baches, Nun hat aber geg:nwärtig die Theiß ein viel zu hohes Niveau, um diese Wasser aufnehmen zu können, ja aus ihr selbst dringt {hon Wasser binnenwärts ein, und indem so beide Strömungen sich begegnen, kann es nit anders geschehen, als daß sie Alles auf ihrem Wege und in ihrer Nähe überst wemmen. Nach einer neueren Meldung ist die Szentes-Pester Landstraße inundirt und die Kom- munikatioa auf derselben unterbrochen.

Mit Genehmigung Sr. Majestät des Kaisers und Königs wird am 83. d. M. im Saal-Theater des Königlihen Schau- \pielhauses von Dilettanten Offizieren der Kriegs8akademie und deren Damen die neue Oper von HeinrichHofmann: „Aennchen von Tharau“ zur erften Aufführung gelangen. Jhre Königliche Hoheit die Prinzessin Friedrich Carl hat den Er- trag der Vorstellung zum Besten des Oberlin-Vereins anzu- nehmen Sich huldreichst geneigt erklärt.

Am Germania- Theater wird morgen, Sonntag, neu ein- studirt, „Therefe Krones" zur Aufführung kommen. Das wirkungs- volle Charafterbild ist in den Hauptrollen mit den besten Kräften der Bühne besetzt.

Im Bellealliance: Theater tritt morgen Frl. Wienrich zum leßten Male auf, und zwar in dem effektvollen Schauspiel „Gaëtana“, dessen Titelrolle der Künstlerin reihlich Gelegenheit giebt, ihr \chônes Talent zu entfalten. Vom Montag ab wird Fr. Helßig diese Partie übernehmen und dzs Stück sonach auch weiter auf dem Repertoire bleiben. Für den Monat Juli hat die Direktion einen Gastspielvertrag mit den hervorragendsten Mitgliedern des K. K. Hof-Opernballets zu Wien, unter Leitung des Balletmeisters Hrn. Luigi Mazzantini, abges{lossen.

22 M Inserate für den Deutschen Reichs- u. Kgl. Preuß. Staats-Anzeiger, das Central-Handelsregister und das Postblatt nimmt anz: die Königliche Expedition

des Deutschen Reichs-Anzeigers und Königlich Prenßischen Staats-Anzeigers:

Berkäufe, Verpachtungen, Submissionen 2e.

[3997] Hannoversche Staatsbahn. Submission auf eine s{chmiedeeiserne Cysterne nebst 4 1 - Trägern und Unterlagsplatten im Ge- sa gewicht von 7210 kg für die neue Wafser- station auf Bahrhcf Northeim. Eröffnung der Offerten am 12, Mai cr., Vormittags 11 Uhr, raths. Schomburgstraße Nr. 9 11, wo Bedingungen nebst

Bureau-Versteher Ulrich daselbst zu entnehmen sind. Cassel, den 26. April 1879. Königlicie Eisenbahn-Kommission.

Verschiedene Bekanntmachungen.

Marienburg:Mlawkaer [4004] Eisenbahn. Danzig-Warschau. Preußische Abtheilung.

Die Aktionäre unserer Gesellschaft werden hiermit aemäß §8. 45 des Gesellschaftsftatuts zu der am

einzureichen.

. Steckbriefe und Untersuchungs-Sachen. 2, Subhastationen, Aufgebote, Vorladungen u, dergl. 3, Verkäufe, Verpachturgen, Submissionen etc, Berlin, 8. N. Wilhelm-Straße Nr. 32. 4, Verloosung, Amortisation, Zins:ahlung M K u, s. w, von öffentlichen Papieren,

Dienstag, den 17. Juni 1879, Nachmittays 1 Uhr, | [3987] in unserem Direktionsgebäude, Hundegasfse Vir. 27/28, stattfindenden ordentlichen General - Ve: samm- 18 [lung eingeladen. Tagesordnung: : 1) Vorlage der Bilanz und des Geschäftsberichts | April . der Direktion. 2) Wahl von Mitgliedern des Verwaltungs- | pro Tag u.

1 i 3) 2 lu i ü i Zeichnungen aufliegen, auch gegen 1,00 46 vom d Mer Aubingrung des L Zur Theilnahme an der General-Veisammlung find sämmtliche Aktionäre, zur Stimmabgabe nur diejenigen Besißer von wenigstens 10 Stamm- oder Stammp.ioritäts-Aktien berechtigt, welhe ihre Aktien spätestens am 14. Juni 1879 bei uns oder

Berlin bis zum Schluß der General-Versammlung

gegen eine Bescheinigung deponirt haben. Vollmachten, auf Grund deren Aktionäre dur

andre stimmberechtigte Aktionäre vertreten werden

follen, sind beè uns bis spätestens am 14, Juni 1879 | eutstauden, s0 wird sie durch das Bestreuen der nassen Stellen mit demselben

Danzig, 1. Mai 1879. geht die Austrocknung dadurch Ilgichter von

Die Direktion.

Grosshandel. Literarische Anzeigen,

Familien-Nachrichten.

Allgemeine

Einnahme pro Monat

Durchschn. Wagen M.

Statten,

von Winter.

5, Industrielle Etablissements, Fabriken und 6. Verschiedene Bekanttmachungen,

l 8, Theater-Anzeigen. | In der Börs:n- N beilage. K

Berliner Omnibus- Aktien-Gesellschaft. 78. 1879.

41 28 S. M Die Direktion.

E E E E A R T R E L Antimerulion bei der Direktion der Diskonto-Gesellsh;aft zu | A I L E T A4)

Hausbesitzern mit umstwasser- Anlagen : kann das doppeit prüäp. Kutinioralien Berlin: Redacteur : J. V. : Riedel. vicht dringend genug empfohlen werden: denn ist A durch Usberlaufen derselben eine Schwammgefahr

Deffentlicher Anzeiger. —_,

„Juvalidendauk“, Rudolf Mosse, Haasenstein

& Vogler, G. L, Daube & Co., E. Schlotte,

Büttner & Winter, sowie alle übrigen größeren Annoncen-Bureaus.

[4002]

Nahrungsmiktelgelehß.

. M 177,362 80 S. M 160,039 §0 S. Gesetz, betreffend den Verkehr mit Nah-

rungemiüitteln, Geriussmittelm und Geirauchsgegenstüänden. Mit den amt=- 27 70 4 Iñechen Motiven etc. und dem amtlichen

*| Gutachten des HKaiserl. Gesundheits- amts über Verfälschungenm von Mehl, Zucker, Fleisch, Wurst, Milch, Butter, Biez, Wein, Kaffee etc. etc, 127 Seiten. Preis 1,20 A Soeben bei Gustav Hempel in Berlin erschienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen.

Verlag der Expedition (Kessel). Druck; W. Elsner.

Drei Beilagen (eins{ließlid Börsen-Beilage).

verhütet; auch

Erste Beilage

zum Deulschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

Ne 104.

itc E A

Nichtamtliches.

Berlin, 3. Mai. Jm weiteren Verlaufe der gestrigen

436.) Sißung trat der Reichstag in die erste Berathung

des Geseßentwurfs, betreffend den Zolltarif des deutschen ollgebietes, ein. Die Debatte wurde durch den Reichs- D les Fürsten von Bismarck mit folgender Rede ein- eleitei: H Menn die verbündeten Regierungen durch ihre Vorlagen und durch die Motive dazu die Debatte eröffnet, das erste Wort ge- \sproben haben und die Erwiderung darauf erwarten dürfen, fo ift es mir doch nah der Stellung, welche ih zu diesen Vorlagen von Hause aus genommen habe, ein Bedürfniß, auch diese Stellung per- sönlich mit wenigen einleitenden Worten zu rechtfertigen und meine Auffassung der Gesammtvorlagen, ihrer Motivirung und ihrer Noth- wendigkeit in Kurzem vor Ihnen darzulegen. E

Das Bedürfniß einer Finanzreform in Deutschland ist ja ein altes und nicht blos seit der Zeit vorhandenes und lebendiges, seit wir mit dem Worte Deutschland wieder einen ftaatlichen Begriff verbinden, sondern es war meines Erachtens lange vor 1866, es war seit 1848 vielleiht in allen Landestheilen, namentlich aber in dem größten Bundesstaat, in Preußen, lebhaft empfunden. L

Unsere Finanzgeseßgebung, ih sprete nicht von der wirthschaft- lichen, hat seit den Jahren 1818 und 1824, in Preußen wenigstens ich kann, wenn ih von den einzelnen Reichsländern und ihrer Beziehung zur Neichsfinanz spreche, hier nur über meine engere Hei- math mit Sicherheit urtheilen in Preußen alfo, sage ih, hat diese Geseßgebung, vom finanziellen Standpunkt beurtheilt, geruht ; die Gesetze, die seit 1824 mit Ausnahme der untergeordneten in Preußen erschienen sind, waren mehr von politiser als finanzieller Tragweite; ih rechne dahin die Einkommensteuer, die im Jahre 1851 cingeführt wurde und die einem, wie ih gern zugestehe, berechtigten Verlangen entsprach, diz größeren Vermögen in höherem Maße als bei der alten Klassensteuer heranzuziehen. Es kam dann 1861 die Grundsteuer und die Gebäudeste1er, im Uebrigen aber ist meines Wissens vom prcußishen Finanz-Ministerium eine Initiative zu irgend eincr finanziellen Reform der seit 1824 gültigen Situation nicht ausgegangen, auch keine mißlungene. Es erklärt fi das ja durch das Verhältniß, in welhem die Staaten zum Zollverein stauden, und durch die Lage der Zollvereinsverhandlungen während des größten Theils dieser Cpoche, wenigstens bis zum Anfang der funfziger Jahre ; der Zollverein, der den Schlüssel zu den indirekten Steuern besaß, war eine lösbare Schöpfung, die sih auf davernde Steuerverfassungen nicht wohl einrihten Tonnte, da alle zwölf Jahre ihre Eristenz in Frage gestellt wurde, und dieser mehr äußerlihe Umftand rectfertigt logisch die Thatsache, daß die Auebildung unseres indirekten Steuer- wesens im Vergleich mit anderen europäischen Ländern in dieser Zeit wesentlich zurückzeblieben ift.

Ich bitte, die wirthschaftlide Seite der Sache und die finan- zielle hierbei niht zu konfundiren, ih habe zunächst blos die finan- ziele in Aussicht. : N

Eine Möglichkeit, auc die indirelter Steuern in der Weise zu pflegen, wie es in anderen Staaten geschieht, trat erst ein mit der Schöpfung des -Norddeutshen Bundes, des Zollvereinsparlaments, resp. des Deutschen Reichs. i:

Wenn ich für meine Person nicht damals der Aufgabe einer finanziellen Neform näher getreten bin, so kann i außer den Ab- haltungen, die für mi in politiswen Geschäften und auch zum Theil in der mangelnden Gesundheit lagen, dafür anführen, daß ih es nit als eine Aufgabe betrachtete, die in erster Linie dem Rei ch8 - kanzler obläge, eine finanzielle Neform anzubahuen; es hat si die Praxis auch parallel mit dieser Auffassung bewegt, indem Sie fich erinnern, daß der erste Versu einer finanziellen Reform, bei dessen N ih betheiligt war, sich entwickelte in dem so- genannten Skeuerbouquet des Königlich preußischen Handels-Ministers Sreiherrn von der Heydt, der selbst und perfönlih für die Sache eintrat; seine Vorlage wurde abgelehnt hauptsäblich mit der Mo- tivirung, daß einzelne Finanzmaßregeln dem Lande nicht nüßlich wären, sondern daß es nothwendig sei, eine volle durchgreifende Re- form an Haupt und Gliedern iu den Finanzen vorzu- nehmen. Aehnliß sind demnächst einzelne Vorlagen des Nachfolgers des Ministers von der Heydt, des Ministers Camphausen, mit ähnlichen Gründen bekämpft worden. Für mich war, wenn ich der Sache perfönlich nahe treten sollte, eine Vor- bedingung die, daß ich mit den Finanz-Ministern der einzelnen, wenigstens der größeren Bundesstaaten und namentlich mit dem Preußens über die Hauptprinzipien der vorzunehmenden Reform mich im Einklang befände, da ich nicht vorgehen wollte auf die Ge- fahr hin, die Stimmen meiner preußischen Kollegen nit hinter mir zu haben. Dies war bis vor einem Jahre nicht vollständig der Fall, und foweit es prinzipiell der Fall war, war doch eine Eini- gung in conereto nit zu erreihen. Nachdem diese für mi uner- läßliche Vorbedingung hergestellt war, bin ih einem Geschäft näher getreten, von dem Andere noch mehr, wie ih, überzeugt waren, daß es mir persönlich eigentlich nicht oblag. Ich habe mich dabei, je mehr ih mi hineinarbeitete, von der Nothwendigkeit der Reform nur um so voller überzeugt und namentlich von ihrer Dringlichkeit. ; Der heutige Zustand der deutshen Gesammtfinanzen, worunter ih nit b!o8s die Reichsfinanzen, sondern die Gesammtheit der Finanzen des Reiches und der einzelnen Länder verstehe denn bei dem organischen Zusammenhang derselben lassen fie fich nicht getrennt behandeln und betrachten ist derart, daß er meines Grachtens auf das Dringlichste zu einer baldigen und \{chleunigen Reform auffordert. Das erste Motiv, welches mich in meiner politishen Stellung als Reichskanzler nöthigt, für die Reform einzutreten, ist das Bedürfni der finanziellen Selbständigkeit des Reiches. Dieses Bedürfniß ift bei der Herstellung der Reichsverfassung {on anerkannt worden, Die Reichsver: assung seßt voraus, daß der Zustand der Matrikularbeiträge ein vorübergehender sein werde, welcher so lange dauern solle, bis Reichssteuern eingeführt wären. Es wird für denjenigen, der in dieser Len Zeit Muße dazu gewinnt, gewiß erfreulih sein, die Verhandlungen nachzulesen, die in dem verfassunggebenden Reichstage darüber gepflogen wurden, und namentlich die sehr eindringlihe und überzeugende Rede, die Hr. Miquel damals gegen die Matrikularumlagen hielt. Jch gehe niht fo weit, wie er in seinen Bezeichnungen; er nannte damals die Matrikularumlagen die Umlagen, wie er sich kurz ausdrücckte

[eihbedeutend mit der finanziellen Anarchie in ganz Deutschland. Das möchte ich nicht in diesem Wortlaut unterschreiben, aber gewiß ist, daß es für das Reich unerwünscht i}, cin lästigec Kostgänger bei den Einzelstaaten zu sein, ein mahnender Gläubiger, während es der freigebige Versorger der Einzelstaaten sein könnte bei richtiger Benutzung der Quellen, zu welchen die Sch{lüfsel durch die Ver- fassung in die Hände des Reichs gelegt, bisher aber niht benußt worden sind.

Diesem Zustand muß, glaube ic, ein Ende gemacht werden, denn die Matrikularumlage ist ungerecht in ihrer Vertheilung, wie damals Herr Miquel sagte; 30-, oder wie er sagte, 100 000 Be- wohner von Thüringen oder Waldeck können nicht ebensoviel be-

zahlen an Mätrikularbeiträgen wie 30- oder 100 000 Bewohner von

Bremen oder Hamburg. Die Konsolidation des Reichs, der wir ja Alle zustreben, wird gefördert, wenn die Matrikularbeiträge dur Reichs\teuern erseßt werden ; sie würden auch nicht verlieren, wenn

Berlin, Sonnabend, den 3. Mai

17D.

diese Steuern so reihlich ausfallen, daß die Einzelstaaten vom Reich empfangen, anstatt daß sie sie bisher in einer niht immer berechen- baren und für sie unbequemen Weise zu geben hatten.

Ein zweites Motiv, weshalb mir der gegenwärtige Zustand der Aenderung uothroendig bedürftig erscheint, liegt in der Frage: ist die Laft, die im staatlichen und Reichsinteresse nothwendig aufgebracht werden muß, in derjenigen Form aufgelegt, in welcher sie am leich- testen zu tragen wäre, oder ist sie es nicht. Diese Frage muß ich nach meiner Ueberzeugung und wie Sie aus der Vorlage ersehen werden, wird sie von den verbündeten Regierungen in ihrec Allge- meinheit absolut verneint. Wir streben überhaupt nicht einen höhern Ertrag an, eine höhere finanzielle Einnahme, insoweit nicht der Reichstag und die Landtage die Nothwendigkeit mit uns erkennen und Ausgaben votiren, zu deren Deckung die Mittel beschafft werden müssen. An sich wüßte ih nicht, was das Reich mit einem Ueber- {uß an Geldern anfangen sollte, wir haben es gehabt an den Mil- liarden und sind bei der Verwendung derselben in eine gewisse Ver- legenheit gerathen.

Diesen Zustand aber künstlich auf Kosten der Steuerpflichtigen zu erzeug:n, indem wir in jedem Jahre mehr einnehmen wie aus- geben, kann einer vernünftigen Staatsverwaltung an sich nicht zu- gemuthet werden. Der Verdacht, der in dieser Beziehung stellen- weise in der Presse ausgesprochen wird, ist ungerecht und ih kann sagen absurd. Wir verlangen niht mehr, als wir jeßt haben, und als wir nah Ihrem und der Landtage Votum mehr haben sollen, wir wünschen aber, daß das, was nach Ihrem und der Landtage Votum nothwendig aufgebracht werden muß, in der Form aufgebracht werde, in welcher es für die Kontribuablen am leichtesten zu tragen ist. Die verbündeten Regierungen sind der Ueberzeugung, daß in dieser Beziehung die bei uns vermöge der Verhältnisie, die ih vorhin nannte, im Zollverein so lange vernaclässigte Quelle der indirekten Steuern diejenige ist, welche das Tragen der Last, der wir uns in irgend einer Weise unterziehen müssen, am meisten erleichtern kann. Jch werfe also dem jetzigen Zustande vor, daß er zuviel von den direkten Steuern verlangt, zu wenig von den indirekten, und ih strebe danach, direkte Steuern abzuschaffen und das Einkommen, was sie gewähren, durch indirekte Steuern zu ersetzen. Wenn ich auch hier nur mein näheres Heimathland, Preußen, in das Auge fassen kann, zweifle ih doch nit, daß in den meisten, vtelleibt in allen Bundesstaaten, ähnliche Verhältnisse stattfinden werden. Die Belastung der direkten Steuern hat meines Erachtens in Preußen eine Höhe erreicht, mit Hülfe der Zuschläge, die für die Provinz, den Kreis, die Gemeinde erfordert werden, daß diese Höhe nicht fortbestehen kann, und daß, wo irgendwie wegen Ausdehnung der Selbstverwaltung oder aus an- deren Gründen größere Kosten erforderlich sind, diese nach jetigem System nit aufgebracht werden können. Ich kana ja über das, was ih in Preußen erstrebe, kein bestimmtes Programm aufstellen, id kann nur sagen, für welches Pcogramm ih meinen Einfluß in Preußen, soweit er reiht und er i} geringer, als die Meisten annehmen geltend machen werde. Wir bezahlen in Preußen an Grundsteuer bisher etwa 40 Millionen Mark, an Gebäudesteuer in diesem Augenblick— es pflegt ja bei ihr von Zeit zu Zeiteine Erhöhung einzutreten ich weiß nicht, ob wir 21 Millionen jeßt {on bezahlen oder be- zahlen sollen. Die Erhöhung dieser Gebäudesteuer {webt über den Besitzern der städtischen und ländlichen Gebäude fortschreitend, sowie früher, vor der Kontingentirung, die Klassensteuer; diese beiden Posten, {on zusammen etwa 60 Millionen, wären meines Erachtens der Provinz, dem Kkteis und der Gemeinde zu überweisen und diefe dadur von der Nothwendigkeit zu entbinden, in der sie sich befinden, gerade zu dieser Steuer und anderen ähnlichen Zuschläge zu zahlen, die in den einzelnen Gemeinden mehrere hundert Prozent betragen. Jch will nicht von Berechnungcn sprechen, die mir vorliegen, nah welchen die städtischen Budgets einzelne Städte, und zwar der 170 größten Städte, zusammen von 100% resp. bis über 2000%/, der direkten Steuern aufzubringen haben. Ich ver- mutlhe, daß darin manche Lasten sein werden, wie der Ankauf von Gas- und Wasserleitungen, die eigentlih nicht zu den Steuern ge- hôren; immer aber ift gewiß, daß die Zuschlagsteuern in einzelnen Gemeinden 4- bis 500%, betragen, in städtishen Gemeinden. Da ist eine Erleichterung meines Erachtens ganz unabweislih, und wenn man die genannten beiden Staatsfteuern, zu denen sie Zuschläge zahlen, überweist, so würde man ungefähr 60 Millionen Mark über- weisen, während die Zuschläge, die fie bisher bezahlen, 58 betragen, was sie aber nicht hindert, daß sie außerdem noch Kommunalsteuern im Gesammtbetrag, zu diesen zugerehnet, von 139 Millionen auf- bringen, und daß dabei, wie ich glaube, die 26 Millionen, die für Kreis- und Provinzsteuern in den östlihen Provinzen gezahlt werden, noch nicht mit eingerechnet sind, daß also noch lange nicht eine Kosten- eung der Gemeinden stattfindet, aber doch eine wesentliche Sub-

evation.

Dann glaube ich, daß, immer nur von Preußen und Denjeni- gen, die gleihe Steuern mit Preußen haben, gesprochen, daß die Klassensteuer mit ihren 42 Millionen gänzlich in Wegfall kommen foll, so weit sie vom Staate erhoben wird. Wollen einzelne Ge- meinden sie für sih erheben, so ist das ihre Sache; aber ih könnte unter Umständen sogar für ein Gefeß stimmen, welhes den Ge- meinden das untersagt: denn ih halte diese direkte Steuer, auf Klassen gelegt, welche überhaupt mit der Noth des Lebens nach ihrer Vermögenslage zu kämpfen haben, Klassen bis zu 1090 Thlr. Ein- kommen, wobei diese 1000 Thlr. Einkommen nit der Arbeiter hat, der in Kleidung und Wohnung nicht genirt ist, sondern es muß da- für Steuer zahlen, der mit diesen 1000 Thlrn. Einkommen seine Stellung {hon {wer aufrecht erhalten kann diese Art direkter Steuer, die nah mehr oder weniger Willkür des Veranlagenden von Jemand erhoben wird, die er bezahlen muß, niht nah seiner Be- quemlichkeit, sondern zu einem bestimmten Termin, wo die Exekution, wo die ganze Schmach der Exekution vor den Nachbaren vor seinen Augen steht, wenn er sie nit zahlt, eine Steuer, die mehr als irgend eine andere denjenigen, die die Erregung der Unzufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen sich zu ihrer Aufgabe stellten, zum Mittel und Hebel dienie, diese Steuer sfollte meines Erachtens voll- ftändig wegfallen, am allermeisten in großen Städten wegfallen, wo man sie für die viel vermißte Mahl- und S(hlachtsteuer cin- geführt hat.

Ich stimme, wobei ih von Hause aus erklären muß, daß ih für dieses Detail der Zustimmung der unn chen Kollegen nicht sicher bin und auch nicht sage, ich stehe und falle mit diesem Programm, fondern ich sage, es ist ein Ziel, nach dem ih strebe und sür das ih die „Iissimmung meiner preußishen Kollegen zu gewinnen suchen werde.

Mir ist in den westlichen ceuropäishen Staaten eine ähnliche Steuer, wie die Klassensteuer, eine direkte Steuer auf diese ver- mögensélosen und zum Theil mit den Schwierigkeiten der Zeit in übler Lage kämpfenden Klassen der Staatsbürger nicht bekannt; nur in Rußland ift mir in Erinzaerung die Kopfsteuer, die, wie mir vor- \chwebt, 112 oder 118 Millionen Rubel jährlich beträgt, also nächst der Branntweinsteuer der stärkste Posten des russishen Einnahme- budgets, eine Steuer, die pro Kopf zwischen 1 Rubel 18 Kopeken und 2 Rubel variirt, diese Steuer, die einzige, die mir in ähn- licher Weise bekannt ift, und wo die Sicherheit, mit der sie eingeht, doch nur dadur verbürgt ist, - daß jede Gemeinde sfolidarisch ver- antwortlih ist für die Steuerquote, die auf sie fällt, wie auf die gesammten der Gemeinde angehörigen Individuen, und daß die Ge- meinde ausgepfändet wird vom Staate, wenn die Steuer nicht be-

zahlt wird, daher ist die Steuer eine verhältnißmäßig sicher ein- gehende; nichtsdestoweniger habe i, ich weiß nicht, ob aus Zeitungen, aber jedenfalls aus den mir z1gänglichen Berichten die Nachricht, daß die russishen Finanzmänner diese direkte Steuer für hart halten, die einzige, die fie haben, und damit umgehen, fie durch indirekte Steuern zu erseßen. Ein Staat wie Rußland, der augenblicklich nah den \chweren Kriegen, die er geführt hat, in keiner glänzenden Finauzlage sein kann. trägt doch seinerseits dem Unterschiede zwischen direkten und indirekten Steuern soweit Nechnung, daß er cs sich zur Aufgabe stellt, die einzige große direkte Steuer, die er noch heute hat und die auf dem Volke lastet, zu beseitigen. Jch halte die Klassensteuer für cine Steuer, die abgeschafft werden sollte. Die Einkommen- steuer, die mit ihr in Verbindung steht, sollte meines Erachtens in der Weise revidirt werden, daß sie cinen geringeren Ertrag giebt wie jeßt. Sie giebt jeßt, soviel ih mich erinnere, circa 31 Millionen Mark, und die Nichtung, in der ich ihren Ertrag h:rabseßzen möchte, ist folgende:

Von dem Einkommen, welches aufhört, klafsensteuerpflihtig zu sein, von 1090 bis zu einem Einkommen von 2000 Thlr, ih bitte um Entschuldigung, wenn ich der Kürze und Verständlichkeit wegen nocb in Thalern, noch nicht in Mark rede also zwischen 1- und 2000 Thlr. Einkommen sollte meines Erachtens nur fundirtes Ein- kommen eine Steuer bezahlen. Ich nenne fundirtes Einkommen das- jenige, was erblich übertragbar ist, da: jenige, was aus dem Besitz von zinstragenden Papieren oder Kapitalien oder aus Landgütern und Grundbesitz hervorgeht, und ih möchte dann noch einen Unter- {icd zwischen selbstbewirthshaftetem und verpahhtetem Grundbesitzen machen, der das Einkommen von Pacht bezieht und nebenher noch ein Geschäft betreiben kann, also günstiger gestellt ist, als derjenige, der im Schweiße seines Angesichts paterna rura bearbeitct. Für die beizubehaltenden Kategorien der Einkommensteuer über 20009 Thlr. ift meines Grachtens derselbe Unterschicd festzuhalten, aber nicht so, daß das tägli zu erwerbende und zu gewinnende Einkommen ganz steucr- frei bleibt, sobald es über 2000 Thlr. beträgt, daß es aber jedenfalls einen geringeren Saß bezahlt, als den jeßigen, und jedenfalls einen geringeren Saß, als das fundirte Einkommen. Wer als Kaufmann, als Industrieller, als Handwerker sih ein Ein- kommen durch täglihe Arbeit verdient, der Gefahr laufen kann, daß es ihm morgen verringert wird, welches sih nicht auf seine Kinder übertragen läßt, ift ungerecht besteuert, wenn grade 9 viel von diesem Manne bezahlt werden soll, wie von dem, der blos die Scheere zu nehmen und die Coupons abzuschneiden oder blos eine Quittung zu schreiben braucht für den Pächter, der ihm das Pacht- geld bezahlt. Jch bin deshalb der Meinung, daß die Steuer für das nicht fundirte Einkommen heruntergeseßt werden follte, ich bin ferner der Ansicht, daß ein Staatsbeamter eine staatliche Einkommen- steuer niht bezahlen darf. Es ist das eine unlogishe Auflage, die mir als fole schon erschien, wie ih mich erinnere, in der Zeit, wie sie gemacht wurde. Ich kann fie nur identifiziren mit der direkte: Steuer, die der Staat etwa auf die Coupons seiner eigenen Schulden legen würde. Er s{uldet dem Beamten das Gehalt, zicht ihm abcr unter dem Vormrande der Staatsfteuer ich spreche nicht von der Gemeindesteuer, es is der Beamte in einer anderen Lage einer Ge- meinde gegenüber, aber vom Staate finde ih es als ein unrichtiges Verfahren, daß er dem Beamten einen Theil des Gehaltes als Stever für den Finanz-Minister wieder abzieht. Entweder d:.r Be- amte ist ausreiwend bezahlt, was ih von den wenigsten bei uns sagen kann, oder er ist niht in dem Fall, oder er ist zu hoh bezahlt. In dem Fall, daß er zu hoch bezahlt ift, mag man ihm einen Theil des Gehalts entziehen, ist er ausreichend bezahlt, so ist es gut, ist ez aber nicht ausreichend bezahlt, so ift es eine außerordentliche Ae ibm dur.) die Steuer noch einen Theil des Gehaltes zu verkürzen.

Ich bin in diesem Theile meines Vortrages etwas weitläufiger geworden, weil ih den Eindruck gewonnen habe, daß Über die Ub- sichten der Reichéregierung ich bin ja niht die Reichsregierung, es giebt nur Neichsregierungen der Reichsregierungen nach dieser Richtung, nach der Richtung der Verwendung dessen, was einkommen könnte, dessen, was durch das Hinwegfallen der Matrikularbeiträge flüssig werden würde, daß darüber die verschiedensten und wunder- lihsten Meinungen bestehen. Es wird jedem Staate überlassen sein können, mit seinem Landtage darüber sich zu einigen, was er mit den diéponibel werdenden Einnahmepositionen zu machen hat, in dem Falle, daß er keine Matrikularbeiträge mehr bezahlt, in dem noc günstigeren von mir erhofften und erstrebten Falle, daß das Reich in der Lage sein wird, aus seinen indirekten“ Einnahmequellen noch an die cinzelnen Staaten herauszuzahlen; also was der einzelne Staat mit seiner Quote anfängt, wird er mit feinem Landtage abzumachen haben. Jch habe beispielsweise dargelegt, was mir, da ich zugleich preußischer Minister bin, in Bezug auf Preußen vorschwebt. Ich will nicht sagen, daß cs sofort und glatt zu geschehen hätte, aber worauf ich meine Bestrebungen in Preußen richten werde, ohne daß meine Wünsche gerade absolut, {nell und vollständig befriedigt wer- den müssen, ih arbeite nah der Seite hin.

Ich komme dann auf einen andern Mangel, an dem meines Erachtens die Erhebung unseres Einkommens leidet, und ih muß mich leider auch da mehr auf die preußischen Verhältnisse einshränkfen, da die Ver- hältnisse im ganzen Reich zu ungleichartig sind, indessen das, was für Preußen gültig sein wird, hat mutatis mutandis au in allen nördlichen Staaten Geltung, die der preußischen Gesetzgebung scit längerer Zeit parallel gegangen sind, vielleiht auch in den füdlihen. Es ist das die ungleiche Vertheilung der Last, wie sie jeßt vorhanden ist, zwishen unbeweglichem und beweglichem Vermögen; der ländliche und der städtishe Grundbesig sind durch die Arx, wie heut zu Tage die finanziellen Bedürfnisse in Preußen erhoben werden, wesentlih prägravirt im Vergleich mit dem beweglichen Besiß. Die Steuern, die ih vorher anführte, als neu eingeführt, zu denen die Grundsteuer kaum gehört, denn die Grundsteuer hat seit dem Jahre 1861 für den Staat kaum eine Erhöhung erlitten, sie ist anders vertheilt worden, die Erhöhung ift wenigstens verhältnißmäßig ge- ringfügia, diese Steuern treffen ja mit ihrem Hauptgewiht den Grundbesiß. Le :

In den Reden, dic wir avant la lettre hier über die Fragen gehört haben, die uns heute beschäftigen, und in den Artikeln der Zeitungen ist ja sehr viel von der Nothwendigkeit wohlfeilen Ge- treides und wohlfeiler Nahrungsmittel die Rede. Ich weiß nun nit, ob es gerade ein Mittel gewesen ist, diese Woßlfeilheit herbei- zuführen, wenn man den inländisc en Getreideproduzenten mit einer Grundsteuer belegte, die 10 % des Reinertrages nominell i will sagen: in Wirklichkeit nur 5% des damaligen höheren Reinertrages, aber da, wo eine Verschuldung auch nur bis zur Hälfte ist, ein Fall, der leider bei uns fehr häufig ist in großen und kleinen Besißungen, doch 10% beträgt. i; : :

Derselbe Landwirth, der diese Grundsteuer bezahlt und sie ab- rechnen muß von dem Ertrage des von ihm zu Markte gebrachten Getreides, der hat außerdem nun noh für die landwirthschaftlichen Gebäude, die er braucht, eine Gebäudesteuer zu zahlen, in der eine gewisse Schraube liegt, die alle Jahre wächst, und ich weiß nit, wie hoh noch wabsen wird, wenn fie nicht kontingentirt wird, und wo meiner Erfahrung nach unter Vorwänden, die ih mir niht an- eignen möhte ohne Zunahme der Nußung bei Sre e der ganzen Landwirthschaft fast in jedem Jahre Erhöhungen vorkommen.

Dieselbe Gebäudesteuer \{chlägt also nocmals denselben Noh- produzenten, der durch die Grundsteuer betrofjen ist. Dann kommt