1879 / 104 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 03 May 1879 18:00:01 GMT) scan diff

die Einkommensteuer, die ohne Rücksicht darauf, daß sein Einkommen aus Grund und Boden dur die Grund|steuer {con einmal, und durch die Gebäudestever zum zweiten Mal besteuert worden ift, ihn noch durch die Einkommensteuer für dasselbe Einkommen aus den Ge- bäuten belastet, die wesentlih nur das Handwerkzeuz zur Benußung des Grundes und Bodens sind, für den er auch bereits stenert. Es ift dies nicht nur eine doppelte Steuer, es ist eine dreifache Be- fteuerung desselben Einkommens. 4

Die Besteuerung, soweit sie in der Grundsteuer liegt, beläuft i also auf 5/9 bei einem schuldenfreien Gute, auf 10 °%/9 bei einem Gute, was zur Hâälfte verschuldet ist. Die Gebäudesteuer beträgt

etwas über die Hälfte der Grundsteuer; sie ist auf 21 000000 4 gewachsen. Man kann also annehmen, daß auch sie, wenn nicht ganz den halben Vetrag der Grundsteuer, doch mindestens 2 bis 5% auch von dem Ertrage des Getreidebaues vorweg nimmt, soweit sie auf landwirthscaftlihen Gebäuden beruht. Die Einkommensteuer nimmi ficher ibre 39% davon. Sie haben also, wenn Sie das addiren in der Minimalposition, die ih angenommen habe, eine Be- lastung der ivländishen Gctreideproduktion von 5, von 2 und von 3, macht 10, für den unverschuldeten Grundbesiß. Ift er zur Hâlkfte verschuldet, fo steigt diese Belastung auf gegen 20 9%, und die Berschuldungen, die vorhanden sind, wollen Sie doch den Leuten nit so hoch anrechnen und niht als Ergebniß von Verschwendung ! Sie könnenzurückgehen auf die Entstehung der meisten Schulden. Wenn sie nit aus Gütertheilung entstanden sind, sowohl wie bei den Bauern-, wie bei den Rittergütern, so haben sie zum größten Theil ihren Ursprung in den Vecwüstungen, denen Vorddeutsbland und namentlich das nordëstlihe Deutschland in den französishen Kriegen im Anfang dieses Jahrhunderts ausgeseßt gewesen ift, und in der allgemeinen Rathblosigkeit und Noth, in die die Besißer der östlichen Landes- theile gericthen, als ibnen durch die Ablösung8gesetze, jene vernünf- tigen Gesetze, aber für den Augenblick \{chwer drückenden, die vorhan- denen Arbeitskräfte entzogen wurden, sie neue nicht bekamen und kein Kapital hatten! Also man kann die vorhandene Verschuldung mehr dem politischen Gange zurechnen, den Bestrebungen, die Preußen für die Stellung, die es hat, und die \ch@licßlich zur Konsol:;dirung des gesammten Deutschlands geführt hat und dem gesammten Deutschland zu Gute gekommen ist, verfolgt hat. Für diese selbe Aufgabe ift der an und für fch kümmerlihe Grundbesiß der östlichen Provinzen viel- fach im Feuer der Verschuldung gewesen. Jch überlasse das den Statistikern ib bin kein Freund von statisti]chen Zahlen, weil ih den Glauben an sie bei näherem Studium verloren habe aber ih überlasse es den Statistikern, zu erwägen, wie es sich auf den Scheffel Roggen ausërechnen läßt, diese circa 10 bis 20 Prozent an Staatssteuern, die der Grundbesiß vorweg zu tragen hat im Vergleich mit dem beweglichen Einkommen, welches seinerseits nur drei Prozent Einkommensteucr bezahlt. Rechnen Sie zu beiden noch dazu die kommunalen, Kreis- und provinzialen Zuschläge, Sie werden mir zugeben, daß 100% Zusclag günstige Verhältnisse sind, und daß diese Zuschläge in den aderbautreibenden Provinzen vorzug8weise auf der Landwirthschaft ruben, so haben Sie für die einheimische Landwirthschaft eine Be- steuerung der Getreideproduftion, die zwischen 20, 30, ja selbst mehr Prozent variirt, und dem gegenüber fiudet die Einfuhr alles auslän- dischen Getreides unverzollt statt. Wenn es wirklih ein Glück einer Nation if, vor allen Dingen wohlfeiles Getreide zu haben, und wenn das rechtzeitig erfannt wäre, etwa im Jahre 1861, wie die Grundsteuer eingeführt wurde, so sollte man annehmen, daß man damals anftatt der Grundsteuer eher eine Prämie auf den Getreide- bau im Lande gezahlt hätte, und wenn man keine Prämie zahlte, 8 doch im höcbsten Interesse der öffentlichen Ernährung gefunden hätte, daß der inländische Getreidebau mindestens steuerfrei wäre, damit er recht wohlfeil den Konsumenten versorgen könne. Statt dessen ift kein Gewerbe im ganzen Lande so hoch besteuert, wie die Land- wirthschaft. Bringen Sie die Landwirthschaft heute herunter auf die Gewerbesteuer, auf die durhscchnittlihe Steuer jedes anderen Ge- werbes, und Sie werden sie um mindestens drei Viertel dessen, was fie heute trägt, erleihtern müssen, vielleiht um sehr viel mehr.

In allen anderen Produktionen ift die erste Aufgabe des Gesehz- gebers auch {hon früher immer gewesen, den inländischen Pro- duzenten etwas besser zu behandeln als den fremden. In den land- wirtbschaftlihen Produkten ift es gerade umgekehrt. Es ift vielleicht der Glaube an die Unerschöpflichkeit der Bodenrente, daß der Boden immer noch etwas bringt, weil nur ein Maun, der ihn selbst im Schmeiße seines Angesichts bebaut hat, die Grenzen kennt, in denen der Boden noch rentirt. Es ift vielleiht auch das Gefühl, daß die Repräsentanten und Interessenten der Landwirthschaft hauptsächlich die wenigen Besißer von Latisundien seien, die man bier in Berlin unter Umständen, sei es im Reichstage, sei es bei Borchardt oder fonst zu sehen bekommt, und die, weil sie reiche Leute sind, aud noch reiche Leute im allgemeinen Nothstande bleiben, daß das die Reprä- sentanten der Landwirthschaft wären.

Meir.e Herren! Es giebt in ganz Preußen nur 15 000 Ritter- güter, und wenn ih annehme, daß davon 3—4000 wohlhabenden Leuten gehören, so ist das niht viel. Es giebt aber in Preußen allein und im Reiche no% mehrere Millionen von Grundeigenthümern. Die ftatistiscen Nachrichten sind so widersprechend, so ungenau und, wie mir scheint, so absihtlih und tendenzics gruppirt, daß es sehr schwcr wäre, die Zahl der Grundeigenthümer genau herau8zufinden, aber auf 3—4 Millionen belaufen sie sich ganz sicher. Diese Grund- cigenthümer haben ihre Angehörigen, und das Wohl und Wehe dieser Masse der Bevölkerung, mögen Sie sie auf 2/5 oder 3/5 der Nation veranschlagen, auch darüber hat die Statistik keine Sicher- heit, ift e8, die meines Erachtens vom Geseßgeber Gerechtigkeit und gleihe Behandlung mit den übrigen Gewerben verlangt.

Es ift ferner ein vierter Vorwurf, den ih der augenblicklichen Gesetzgebung mache, und das ift ja ciner der gewichtigsten, der uns vielleicht ina unseren Diskussionen mehr beschäftigen wird, wie die rein finanzielle Seite der Sache; das ist derjenige, daß die jeßige BYeranlagung unserer indirekten Steuern der einheimischen, vaterlän- dischen Arbeit und Produktion nicht das Maß von Schuß gewährt, wt gewährt werden kann, ohne die allgemeinen Interessen zu gefährden.

Ich lasse mich hier auf einen Streit zwishen Schutßzoll und Freihandel überhaupt nicht ein. Biéher sind wir noch alle Scbuß- zöliner gewesen, auch die größten Freihändler, die unter uns sind, denn feiner hat bisher noch weiter Eberuntergehen wollen, als der beute zu Recht bestehende Tarif, und dieser Tarif ist noch immer ein mäßig \chußzöllnerisher und mäßig und s{utzöllnerisch ift auch die NBorlage, die wir Ihnen machen. Einen mäßigen Schuß der einl;ei- mischen Arbeit verlangen wir. Wir sind weit entfernt von irgend einem System der Prohibition, wie es in den meisten Nachbarlän- dern stattfindet, wie es in unserem früheren Hauptabnehmer Amerika stattfindet, Zölle von 60— 80 °%/, ad valorem im Durchschnitt. AUes das, was wir ihnen geben als Schußzoll, bleibt innerhalb der Grenze der finanziellen Besteuerung, mit Ausnahme derjenigen, wo das Unter- lassen eines höheren Schußes erhebliche augenblicklihe Nachtheile für zahlreiwe Klassen unserer Mitbürger nah sich ziehen würde. Es ist fein tendenziöser Schußtarif, den wir Ihnen vorschlagen, es ist kein probibitiver, es ist nicht einmal die volle Rückkehr zu dem Maß von Schußzoll, was wir im Jahre 1864 besaßen. Die ver- aleidenden Vebersichten der Tarife von 1864 und von heute sind in Ihren Händen, und Sie werden wahrscheinlih gleih mir überrascht sein beim erften Anblick, wenn Sie die Höhe des Abhanges sehen, den wir allmählih herabgegangen sind. Daß wir das gethan haben, und daß ich es mitgethan habe, obschon die Neigung, mich nun in specie für die Gesetzgebung verantwortlich zu machen auf diesem Ge- biete, eine stark tendenziöse ist, die ih vollständig ablehnen könnte, ich bin aber nicht s{üchtern genug, um irgend eine Verantwort- libfeit, die mir na dem Buchstaben des Gesetzes obliegt, abzulehnen.

Ich glaube au, daß die Strömung für minderen Schut, ih will nicht sagen für Freihandel, denn fo weit ist noch Keiner von uns ge- gangen und kein Staat, vollen Freihandel, lediglich Finanz- und Konfumtionszólle ohne jeglihen Schuß der Industrie, jo weit ist no% Niemand gegangen; aber die Strömung für allmählihe Ver- ringerung der Schuyzölle war um die 60er Jahre höher unter der

Führung des damals leitenden Staates in Europa, unter Führung Frankreihs, war eine \o starke, daß man wohl glauben konute, sie werde sich konsolidiren und werde außer Eng- land und Frankreich noch andere Staaten mit in ihren Strom ziehen, daß man wohl Bedenken haben konnte, dieser Strömung zu widerstreben, die einem Ziel näher führt, das an sich, wenn es er- reihbar wäre, in seiner Idealistik ja ein sehr hohes wäre, daß jedem Lande die Entfaltung der Kräfte, die ihm eigenthümlich sind, über- lassen werden könnte, und alle Grenzen ofen jein müßten denjenigen Produkten, die anderswo braucbarer und besser hergestellt werden Tönnten, wie bei uns. Das ift ein Ideal, was deutscher, ehrlicher Schwärmerei gan; würdig ist. Es mag auch erreichbar sein in zukünsti- en Zeiten, und ih verstehe deshalb vollkommen, daß man Bedenken atte, einer Strömung, die dem entgegenführte, Opposition zu machen. Ich kann noch weiter hinzufügen, daß die Ueberzeugung von der Zu- kunst, welche diesen Bestrebungen blühte, meiner Erinnerung nah in den seziger Jahren eine so starke war, daß jeder Versuh der Re- gierung damals, ihr entgegenzutreten, mißlungen wäre. Wir wären in feinem Parlameut, in keinem Reichstag, so lange wir ihn halten, in keinem Landtag damit durhgekommen, wenn wir im Jahre 1561 eine Schutpolitik, eine mehr s{chütßende Politik, als die damalige hätten betreiben wollen, und ich erinnere Sie, mit welcher Freudig- keit von großen Majoritäten damals die Herabminderungen der Zölle aufgenommen ist. Sie können den Regierungen daraus, wenn sie den Versuch gemacht haben, ob die Ideale sich verwirklichen, ob man ihnen näher kommen könne, keinen Vorwurf machen. Keine deutsche Regierung konnte darauf rechnen, daß alle übrigen in kurzer Zeit hinter ihr abschwenken würden. Die einzige ist noch England, und das wird auch nicht lange dauern, aber Frankrei, Amerika haben diese Linie vollständig verlassen, Oesterreich, anstatt seine Schußzölle zu mindern, hat fie erhöht, Rußland hat dasselbe gethan, nicht blos durch die Goldwährung, sondern auchß in anderer Beziehung. Also allein die dupo einer ehrlichen Ueberzeugung zu sein, kann man Deutschland auf die Dauer nicht zumuthen. Wir find bisher durch die weit geöffneten Thore unserer Einfuhr die Ablagerungs- stätte aller Ueberproduktion dcs Auslandes geworden. Bei uns können fie einstweilen Alles deponiren, und es hat, wenn es erft in Deutschland ist, immer einen ctwas höheren Werth als im Ursprungslande, wenigstens so denken die Leute, und die Masse der Veberfüllung Deutschlands mit der Ueberproduktion anderer Länder ift cs, was unsere Preise und den Entwickelung8gang unserer In- dustrie, die Belebung unserer wirthschaftlichen Verhältnisse meines Grahtens am allermeisten drückt. Schließen wir unsere Thüren einmal, errichten wir die etwas höhere Barrière, die wir Ihnen hier vorschlagen, und sehen wir zu, daß wir mindestens den deutschen Markt, das Absavgebiet, auf dem die deutsche Gutmüthigkeit vom Auslande jeßt ausgebeutet wird, der deutschen Industrie erhalten. Die Frage eines großen Exporthandel3 ist immer eine außerordent- lib prekâre ; neue Länder zu entdeckten giebt es nicht mehr, der Erd- ball ist umscifft, und wir können kauffähige Nationen von irgend welcher erheblichen Ausdehnung, an die wir exportiren können, nicht mehr finden. Der Weg der Handelsverträge ist ja unter Umständen ein sehr günstiger, es fragt sih nur bei jedem Vertrage: qui trom ¡ e-t-on ici? wer wird übervortheilt? Einer in der Regel, und man kommt erst nah einer Anzahl von Jahren dahinter, wer es eigentlich ist. Jch erinnere nicht an unser: Verträge, \ondern nur aa die, die zwischen Frankreiß und England bestehen, wo beide fich auch gegenseitige Täuschung vorwerfen, aber ich erinnere daran, daß unsere Staatsmaschine in steuerliher Beziehung viel weniger in der Hand der Regierung liegt, um die Intentionen des Landes gegen den Vertrag und troß des Vertrages so zu fördern, wie es in den meisten unserer Nachbarländer der Fall is. Unsere ganze Steuererhebung und Verwaltung ist publici juris, und es kann eine erlaubte oder unerlaubte Abweichung von den Vertragsbestim- mungen bei uns niemals s\tattfinden; während bei unseren Nachbaren die Thätigkeit des Beamten Frankreih niht ausgenommen, und Frankrei steht doch unseren Verhältnissen am nächsten eine folche bleibt, daß dort die Vortheile des Vertrages durch die admi- nistrative Einwirkung mehr ers{hwert werden können, als es bei uns je der Fall sein wird, dem anderen Kontrahenten die Ausbeutung des Vertrages zu erschweren. Aber jeder Handelsvertrag ift ja immer ein erfreuliches Zeichen der Freundschaft; in der Völkerwirthschaft kommt es blos darauf an, was darin steht. Handelsverträge an sich find gar nichts, sie können so übel sein wie mögli, es kommt dar- auf an, was darin steht, und können wir es erreichen, daß ein Staat uns mehr abkauft, als wir ihm, so werde ih, wenn das nicht ein großes Derangement in unsere innere Angelegenheiten und unsere jeßige Produktionëslage bringt, einem solchen Vertrage gewiß nicht entgegentreten. Ob wir bei den Verträgen Vortheile gehabt haben oder nicht, ist eine Sacte, die fich jeder sicheren Berechnung entzieht. Thatsache ist, daß wir uns in leidenden Zuständen befinden, und zwar meiner Ueberzeugung na® mehr, wie irgend eins unser:r \chußzöllnerishen Nachbarländer. Wenn die Gefahr des Schutzolles so groß wäre, wie sie von den begeisterten Freihandelanhängern ge- schildert wird, müßte Frankreich läng!t seit Colbert ein ruinirtes, ein verarmtes Land sein, vermöge der Theorien, nach denen es lebt. Nichtsdestoweniger sehen wir, daß Frankreich dieselbe drückende Lage, in der sich die zivilisirte Welt befindet, mit mehr Leichtigkeit erträ:t, daß es, wenn wir sein L ansehen, was um 17 Milliarden seit 1871 gewachsen ift, nicht blos durch Schulden, daß es leistungs- fähiger geblieben ist als Deutschland, und die Klagen über das Dar- niederliegen der Geschäfte sind weniger groß.

Wir sehen dasselbe bei unseren östlichen Nachbaren, Oesterreich und Rußland, wir schen namentli Rußland prosperireu, haupt- sächlich, glaube ih, vom deutschen Gelde.

Nach den amtlichen Nachrichten, die mir vorliegen, ist in dem westlihen Rußland, was haupt\ächlih beim Korn- und Holzverkauf nach Deutschland interessirt ist, die Prosperität nie in dem Maße vorhanden. gewesen wie heute, wo das übrige Europa leidet. Jch habe Verwandte und Bekannte dort viele, mir sind Beispiele ge- nannt worden von dem ungeheuerlihen Steigen des Bodenwerths, so daß in manchen Fällen der frühere Kaufpreis von vor 20 Jahren die jeßigen Revenüen ungefähr bildet, sobald eine Eisenbahn in der Nahe liegt, sobald ein mäßiger Holzbestand ist, oder sobald große fruhtbare Steppen in der Nähe sind, die ausgebeutet werden können durch den Eisenbahntransport. Die Einlagen in den Sparkassen, die Einlagen in der Bank im westlichen Rußland, die Abschlüsse der dortigen Fabriken, mir sind von großen Fabriken Abschlüsse be- kannt mit 35% und 10%/ Reservezurüctlage, von rassishen Jn- dustrien, ja, das ist eine geschützte Industrie, die Valuta ist nie- drig und doch leistungsfähig in dem Lande, wo se ist, und das deutshe Geld für Korn und Holz fließt in einem d zu, wie es nie geahnt worden ist, kurz und gut, das fonft verrufene Polen, das Rußland, welches einen \{chweren und fkost- spieligen Krieg geführt hat und in seinen Finanzen nicht vollständig geordnet ift, {reitet fort in der Wohlhabenheit ih glaube auf Kosten des deutschen Produzenten und in Wirkung unserer Geseygebung ich glaube es. In allen diesen Fragen halte ih von der Wissenschaft gerade so wenig, wie in irgend einer an- deren Beurtheilung organischer Bildungen. Unsere Chirurgie hat seit 2000 Jahren glänzende Fortschritte gemacht, die ärztliche Wifsen- schaft in Bezug auf die inneren Verhältnisse des Körpers, in die das menschlihe Auge nicht hineinschen kann, hat keine gemacht; wir stehen demselben Räthsel heute gegenüber wie früher. So ift es auch mit der organischen Bildung der Staaten. Die abstrakten Lehren der Wissenschaft lassen mich in dieser Beziehung vollständig kalt, ih urtheile nach der Erfahrung, die wir erleben. Ich sehe, daß die Länder, die sih s{chüben, prosperiren, ich sehe, daß die Länder, die offen sind, zurückgehen, und das große mäcbtige England, der starke Kämpfer, der, nachdem er seine Muskel gestärkt hatte, auf den Marft hinaustrat und sagte: wer will mit mir kämpfen? ih bin zu Jedem bereit; auch dieses geht zum Schußzzoll allmählich zurück und wird in wenigen Jahren bei ihm angekommen sein, um sich wenigstens den englischen Markt zu bewahren.

Nach meinem Gefühl sind wir, seitdem wir unsere Tarife zu tief

heruntergeseßt haben, eine Schuld, von der ih, wie gesagt, m:ch nicht eximire in einem Verblutungs8prozeß begriffen, der dur die verrufene Milliardenzahl um ein paar Jahre aufgehalten ift, derx ohne diese Milliarden aber wahrsceinlih {hon vor 5 Jahren soweit gekommen wäre wie heute. Angesichts dieser Sachlage, wie ih sie beurtheile, es liegt kein Grund vor, persönlibe Empfindlichkeit in eine Sache einzumishen die wir, wenn wir ehrlich sein wollen, Alle nicht beherrshen, so wenig wie die Frage des mens{lichen inneren Körpers, von der ih spra, fo wenig behaupte ih, giebt es Einen der mit unfehlbarer Gewißheit sagen könnte, dies ijt die Folge der und der wirthscchaftlihen Maßregel. Deëhalb möchte ich bitten, jede persönliche Empfindlichkeit in diesen Fragen aus dem. Spiel zu lassen, und ebenso die politishe Seite. Die Frage, die vor- liegt, ist Teine politische, sondern eine rein wirthschaftlihe Frage; wir wollen sehen, wie wir dem deutschen Körper wieder Blut, wie wir ihm die Kraft der regelmäßigen Cirkulation des Blutes wieder zu- führen fönnen, aber meine dringende Bitte geht dahin, alle Fragen der politischen Parteien, alle Fragen der Fraktions- taktik von dieser allgemein deutschen reinen FJnteressenfrage fern zu halten, uxd wenn wir dem deutschen Volke etwas zu geben haben, so fage ih: bis dat qui cito dat und qui non cito dat, der schädigt unsere ganze Volkswohlfahrt in hohem Grade. Jh glaube, daß diese Ueberzeugung die Verhandlungen des hohen Hauses beherrschen sollte, daß das deutsche Volk vor allen Dingen Gewiß - heit über seine wirthshaftlihe Zukunft verlangt, und daß selbst eine {nelle Ablehnung dessen, was Sie nicht wollen, immer, auch in der Meinung der Regierung, noch günstiger ist, als ein Hinziehen der Ungewißheit, in der Niemand weiß, wie die Zukunft sich gestalten wird. Hierauf erklärte der Abg. Dr. Delbrück, in der vorliegen-

den Diskussion habe jeder Redner die Pflicht, sih eine große Beschränkung aufzuerlegen, denn das Gebict sei so umfassend und berühre so viele finanzielle und wirthschaftlihe Jnter- essen, daß, wenn ein Einzelner das ganze Gebiet behandeln wollte, er Mißbrauch mit der Zeit und Geduld des Hauses treiben würde, Er (Redner) werde sich deshalb auf den Zoll- tarif beshränken ‘und auch da von allen rein finanziellen Ge- sihtspunkten absehen, da er der Vorlage, so weit eine Zoll- erhöhung nothwendig sei, um die einzelnen Staaten von den Matrikularbeiträgen zu entlasten, durchaus keine Schwierig- keiten bereiten wolle. Auch in Bezug auf den eigentlichen wirthschaftlihen Theil wolle er sich noch weiter beschränken. Es seien in dem Tarife Objekte enthalten, die lange, bevor die Vorlage gemacht sei, die öffentliche Aufmerkjamkeit so in Anspru genominen hätten, daß bei einer Generaldiskussion, welche dieGe- jammtheit der Vorlage in das richtige Licht stellen solle, auf eine Besprehung dieser Gegenstände verzichtet werden könne, er meine Eisen, Getreide, Holz und Vieh. Auch er wünsche, ebenso wie der Reichskanzler, daß die durch den Zolltarif her- vorgerufene Ungewißheit durch eine möglichst {nelle Ent- scheidung beseitigt werde. Wenn man den vorliegenden Ent- wurf mit der Entwicklung des deutshen Tarifs vergleiche, so lasse derselbe sich dahin charakterisiren, daß er die G Be punB der ¡zahre 1868—1873 vollständig aufhebe. Die Ge)ezgebung von 1870 habe sich fast nur darauf beschränkt, Positionen, die eine geringe Einfuhr hätten, bei denen also eine geringe Ein- nahme stattgefunden habe, zu entlasten. Aus diesem Grunde und nicht aus Neigung zum Freihandel sei die ZoUlbefreiung entsprungen. Die Tarifänderung von 1868 sei durch den Vertrag mit Desterreih veranlaßt. Dieser Vertrag habe auf- gehört, und er hätte keinen Einspruch dagegen zu erheben, wenn man nunmehr die an Oesterreih ge- machten Zugeständnisse, soweit das wohlverstandene Jnteresse Deutschlands es zulasse, zurücknähme. Er komme nun auf da3jenige, was der Entwurf an dem Tarif von 1865 ändere, und das sei doch der Kernpunkt der Sache. Wenn er nah dem bei diesen Aenderungen leitenden Gesichtspunkte frage, so komme ihm eine Aeußerung des Abg. Frhrn. von Varnbüler in ciner früheren Session in den Sinn : daß der bestehende Tarif si historisch, also unsystematish und unlogish entwickelt habe, wie es au niht anders möglich, daß man aber, sobald man freie Hand habe, zur Herstellung eines logishen und systemati- hen Tarifes schreiten ‘müsse. Wenn man bestehende Ver- hältnisse logish und systematisch neugestalten wolle, fo ignorire man sehr leicht das, was si irrationell und unsystematish entwidckelt habe, und sehe es als ctwas an, dem, wenn auh niht die Existenzberehtigung, doch die Berechtigung fehle, sich der Durchführung eines logishen Gedankens zu widerseßen. Er könne nur die Ueberzeugung aussprechen, daß in dem neuen Tarife wichtige Fndustrien und Jnteressen der Logik und Systematik zum Opfer gefallen seien. Wenn er sih an die Reihenfolge des Tarifs halte, so sei zunächst die Baumwolle mit einer Zollerhöhung bedaht. Was dieses Produkt anlange, so sei er in Folge der Enquete zu der Ueberzeugung gelangt, daß die Weberei in Deutschland, soweit sie mit genügenden Mitteln und Maschinen betrieben werde, bis zum Fahre 1877 ganz gute Geschäfte gemacht habe, und erst von der Zeit ab in Folge der allgemeinen europäischen Kalamität zu klagen begonnen habe. Schon aus diesem Grunde müßte ex eine Zollerhöhnng dafür ablehnen, aber noch mehr deswegen, weil die Existenz verschiedener Jndustrie- zweige dadurch im höchsten Grade bedroht sein würde, er nenne besonders die Strumpfwirkerei und die NRundweberei; aus den Kreisen dieser Fndustriellen seien darum auch außer- ordentlich viele Petitionen an den Reichstag gelangt, welche um Ablehnung der beantragten Zollerhöhung bäten. Den genannten Jndustriezweigen werde durh dieselbe der Export ganz unmöglih. Es werde in den Motiven angeführt, daß der französishe Export von Baumwollenwaaren im ahre 1877: 257000 Ctr. gegen 8300000 Ctr. in eutschland betrage. Zwar hätten ihm die Quellen, auf die hier Bezug genommen sei, niht zu Gebote gestanden, er habe jedo aus den offiziellen {rangbsilhen fommerzialen Nachweisen der Jahre 1874 bis 1877 die Quantitäten, die aus Frankreih ausgegangen seien, extrahirt, und komme dabei auf eine anz andere Zahl. Er würde auf diese Differenz der Aabien gar nit eingehen, indessen, die Motive legten auf dieselben M großes Gewicht, daß er nicht umhin könne, sie näher zu beleuhten. Es sei nämlih in Frankreih hergebracht, daß diejenigen französischen Waaren, welche nah Algier ver- \chickt würden, unter der französishen Ausfuhr ständen. Die- jelben gingen aber in Algier zollfrei ein, und zwar ganz be- sonders viel Baumwolle. Es sei dieses ungefähr dasselbe, als wenn man Waaren, die aus dem westlichen Deutschland nach dem Osten, etwa den Ostscehäfen, gingen, als Ausfuhr behan- deln wollte. Nun zeige sich das merkwürdige Verhältniß, daß M aus Jahr ein die gesammte Ausfuhr französischer Baum- wollenwaaren mit über 45 Proz. nah Algier gehe, es blieben also niht ganz 55 Proz. übrig, die nach freien Märkten gingen, die also wirklich als Ausfuhr gelten könnten. Danach stelle sich nun die Sache so, daß die Ausfuhr nicht jährlih über 200 000 Ctr. betrage, sondern nur etwas über 100 000 Ctr. Man möge daher rechnen, wie man wolle, es stelle si die Ausfuhr Frankreihs so niedrig, wie sie der

Zollverein in Deutschland niemals, so lange er bestehe, gehabt habe. Die Sache habe auch noch eine andere Seite; er sei dabei leider nicht im Stande, genaue Berichte anzugeben, nämlich über den französischen Einfuhrzoll für Baumwoll- waaren. Jm Durchshnitt der drei Jahre 1875, 1876 und 1877 habe die Einfuhr in Frankreich einen Waarenwerth re- präsentirt von 76 100 000 Francs oder 61 Mill. Mark. Do- gegen berehne sich die deutsche Einfuhr in demselben Durch- N! auf 15 771 000 H, also auf etwa den vierten Theil er französischen. Die Werthangaben Frankreichs seien genau, und auch die des deutschen statistishen Amtes seien mit sehr großer Sorgfalt aufgestellt. Aber wollte man auch statt 15 Mill. 20 Mill. seßen, so würde sich doch immer ergeben, daß si troß der hohen französischen Baumwollzölle gegenüber den deutschen, eine dreimal so große Einfuhr und ein Drittel der Ausfuhr in Frankreich gegenüber Deutschland herausgestellt habe. Ebenso seien die Branchen Shirtingfabrikation sowie die rohen sogenannten englischen Gardinen, welche aber in Deutschland gefertigt würden, bedroht. Fisherneze von Baumwolle zahlten bisher 3,59 /6 Steuer weniger als die Baumwolle selbst, welche 4 e zahlte. Diese „unlogishe“ Einrichtung habe man mit vollem Bewußtsein - eingerichtet, um diesen Fndustriezweig zu ermöglichen und auch im FJnteresse der Fischerei. Eine Fabrik in Jhehoe florire in Folge dessen und dürste wohl na Ein- führung des jeßigen Tarifs ihren Betrieb einstellen. Er komme zum Glas. Von diesem Artikel werde zehnmal soviel exportirt als importirt, und die Glasindustrie müsse eigentlih zittern vor dem neuen Tarif. Die Steuer auf Fensterglas solle un- gefähr auf 25 pCt. des Preises erhöht werden; das Fenster- glas sei aber als „Barometer für die Civilisation“ von ähnlicher Bedeutung wie die Seife. Wo man, besonders auf dem Lande, in ärmeren Gegenden, in Häuschen und Hütten weiße Glas- scheiben sehe, könne man auch immer schließen, daß schon ein gewisses Behagen, ein gewisser Grad von Kultur zu finden sei. Für geschliffenes und Spiegelglas sollten 24 6 Steuer erhoben werden, aber nicht wie früher netto sondern brutto, d. h. also in Wirklichkeit 29 /6 Sei das etwa, wie die Motive sagten, im Jnteresse der Zollpflihtigen? Glasplätthen, Glasknöpfe, 3iasperlen, Glas\hmelz, Glastropfen und Glaskorallen sollten von nun ab einem hohen Zoll unterworfen werden. Der ganze Zweig der so wichtigen und nüßlichen Posamentier- waarenfsabrikation sei dadur gefährdet, ja dürfte durch den Zoll fast ruinirt werden. Menschenhaare sollten 100 Steuer tragen. Dieselben würden bisher in den Haare- produzirenden Ländern aufgekauft und ganz besonders in Weßlar verarbeitet. Diese FFndustrie werde fürder unmöglich gemaht. Auch von den Fabrikanten von Holzwaaren und

B E Qu A S: L MAT T E RE R A Ga

Maschinen lägen Petitionen gegen den Tarif vor. Ebenso von Kautschuk- und Guttapercha-Fndustriellen, welche ausdrücklih be- tonten, daß in Hartgummifabrikaten nur eine minimale Einfuhr stattfinde. Beim Artikel „Kupfer“ seien für die Kupferwaaren in Allgemeinen Zollerhöhungen vorgeschlagen. Die Motive erkennten an, daß die Aussuhr von Kupferwaaren aller Art die Ein- fuhr von solchen erheblih übersteige, daß ein Bedürfniß nah verstärktem Zollshuß für folhe Waaren also kaum vorliege. Mit Nücksicht jedoch auf den verhältnißmäßig hohen Werth sowohl des Rohmaterials als der daraus gefertigten Waaren sei eine Zollerhöhung für rihtig befunden. Diese Zollerhöhun- en, für welche ein industrielles Bedürfniß also nicht vorliege, fien unbeträchtlih, daher finanziell von keiner Bedeutung,

also überflüssig. Was die Besteuerung von Leinwand an-'

lange, so sei zunächst eine Sorte als Packleinwand bezeichnet, worin sih gar Nichts verpacken lasse; wegen der zu großen Maschen würde Alles durhfallen; es sei ein Stoff, der allenfalls als Tapezierleinwand bezeichnet werden könnte. Ferner sei ganz besonders die vorgeschlagene Besteue- rung der Leinwand im FJnteresse der deutschen Industrie zu beklagen. Allein die Berliner Wäschekonfektion brauche jährlih etwa 25 000 Stück irisch Leinen. Diese Sorte sei in Deutschland nicht herstellbar, es sei auch in Biele- feld nie geglüdt, sie zu fabriziren; er glaubz, es liege an den klimatischen Einflüssen. Man brauche aber diese Leinwand und werde mit dem Auslande, wenn sie nah dem neuen Tarif besteuert würde, niht mehr konkurriren können. Die Vertreter der Papierindustrie beschwerten sih, daß der Aus- fuhrzoll auf Lumpen nicht wieder eingeführt sei, ferner be- haupteten sie, daß sie gegen gar keine Einfuhr anzukämpfen hätten, daß aber in Folge des Tarifs ausländische Konkur- renten sich mehr als bisher auf die Herstellung von Gold- und Silberpapier werfen würden. Zu den bedenklichsten Zoll- erhöhungen gehöre auch diejenige auf Seibe. Die hierzu ein- gegangenen Petitionen bezeugten, daß diese großartige, mit Frankreih, England und Ftalien konkurrirende Jndustrie namentlih durch den Zoll auf gefärbte Floretseide (48 /4 auf 100 kg) aufs schwerste geshädigt werden würde. Dasselbe gelte von dem Zoll auf Posamentierwaaren und Zwirne. ZU der Position für Edelsteine 2c. sei eine Erhöhung zu 60 6. in Aussicht genommen; dieselbe werde indeß nie zur Erhebung gelangen; denn Edelsteine würden in deklarirten Briefen versandt, welche bis zum Gewicht von 250 Gramm steuerfrei seien. Zu erwähnen wäre weiter der Zoll auf Eier. In Bezug hierauf schienen die Motive davon auszugehen, daß alle in Deutschland eingehenden Eier gegessen würden. Das sei durchaus nicht der Fall; sondern die Eier seien ein über-

K 5 Fnserate für ven Deutschen Neichs- u. Kal. Preuß. Staats-Anzeiger, das Central-Handelsregister und das Postblait nimmt an: die Königliche Expeditiou

des Dentshen Reihs-Anzeigers und Böniglich

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1. Steckbriefe und Untersnchnngs-Sachen. 2. Subhastationen, Aufgebote, Vorladungen u. dergl. Preußischen Staats-Anzeigers: 3, Verkäufe, Verpachtungen, Submiagíonen ete. 4. Verloosung, Ámortisation, Zinszahlung u. 8. Ww. von öffentlichen Papieren.

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5, Industrielle Etablissements, Fabriken . Verschiedene Bekanntmachungen.

. Theater-Anzeigen. | In der Börsen- beilage.

aus wichtiges Fabrikmaterial ; er erinnere nur an die Albumin- fabrikation. Deutschland versorge die ganze Welt mit Albumin- papier, und man habe sich bei Ausarbeitung der Vorlage wohl nicht ganz klar gemaht, daß man hier eine große blühende FJndustrie mit dem vorgeschlagenen Zollsaß sehr schädigen würde. Zu den wichtigsten Ge- genständen im ganzen Tarif E die Wolle. Das rohe Wollengarn habe in Preußen seit siebzig Jahren im Zollverein, so lange er bestehe, einem Eingangszoll von 1/2 Thaler unterlegen. Jeßt solle weihes Kammgarn und Streichgarn Zöllen von 8, 10, 12, 30 Æ unterliegen. Für diese fundamentale Aenderung führten die Motive nur die Anträge in dem autonomen Tarif und das Beispiel Frank- reihs, Desterreihs, Belgiens und der Schweiz an. Jn den ersteren drei Ländern beständen die hohen Wollgarnzölle aber schon seit 50 und mehr Fahren, und wie es der Schweiz mit ihrem noch nicht eingeführten Zoll gehen wcrde, wisse man nicht, abgesehen davon, daß man mit diesem Staate feiner besonderen Verhältnisse wegen nicht argumentiren dürfe. Die Re- sultate der gewerb-statistishen Aufnahme von 1875 über die Zahl der Spindeln, die der Regierung jedenfalls zu Gebote gestanden hätten, habe man nicht mitgetheilt; ebenso wenig das Verhältniß der Verzollung von englishen Weftgarnen zu der anderer Garne. Vergleihe man die Garneinfuhr von 1860—64 und 1873—77, so ergebe sich eine Zunahme von 34 Prozent, während bei der Wollverarbeitung eine Zunahme von 36 Prozent stattgefunden habe. Er crsehe daraus, daß ein Rückgang der Kammgarn- und Streichgarnspinnerei nicht statt- gefunden haben könne. Die Strumpfwaarenfabrikation, die verschiedenen Zweige der Berliner Wollindustrie, welche leßtz- tere allein 8 700 000 kg verbrauche, und davon 21/4 Mill. kg aus dem Auslande beziehe, die bei einer Gesammtproduktion von 67 Mill. Mark für 35 Mill. Mark cxportire, protestire entschieden gegen jede Garnzollerhöhung, die ihre Exportfähig- keit beeinträchtigen würde. Die neue Klassifikation der Wollen- waaren wolle er nicht besprechen, die alte sei auf die Dauer unhaltbar. Man dürfe aber niht vergessen, daß ein bedeu- tender Theil der importirten Wollengewebe als konfektionirte Kleidungsstücke wieder exportiri werde. Die deutshe Tuch- industrie verlange absolut keine Zölle. Jm Ganzen \schädige der Tarif zu Gunsten einer nur möglichen Entwicklung in einem von der bisherigen Rihtung abweichenden Sinne sehr berehtigte bestehende nteressen, und er glaube aus allen diesen Gründen nicht, daß der Reichstag leichten Herzens in die Berathung des Tarifs eintreten werde. Hierauf vertagte sih das Haus um 4!/, Uhr.

Oeffentlicher Anzeiger. aaen]

L

„Inbvalidenvank“, Nudolf Mosse, Haasenfsteiun

& Vogler, G. L, Daube & Co., E. Swilotte,

Büttner & Winter, sowie alle übrigeu größeren Annoucen-Bureaus,

Steefbriefe und Untersuchungs-Sachen.

benst um gefällige Mittheilung getroffener Entschei-

Berkäufe, Verpachtungen,

zur Kenntniß aus, können auch gegen Erstattung

Genügendes bekannt geworden.

Steckbriefs-Erledigung. Der binter die Han- delsfrau Nichert, Eleonore, geborene Kischel, wegen s{chwerer Urkundenfälschung unter dem 28. Dezember pr. erlassene Steckbrief wird hier- dur zurückgenommen. Berlin, den 28. April 1879, Königliches Stadtgericht. Abtbeilung für Unter- ad Deputation T. für Shwurgerichts- achen.

Steckbrief. Gegen den Tischler Louis (Leese Carl) Blatt, 5./8. oder 3./5. 51 zu Kowno geb., zuleßt Gollnowstr. 39 wohnhaft, ist die gerichtliche Haft wegen wicderholter qualifizirter Urkunden- falsdung in den Allen: Uibir. B. Nr. 340 de 1879 beschlosen worden. Die Verhaftung hat nicht ausgeführt werden können. Es wird er- sucht, den 2c. Blatt im Betretungsfalle festzunehmen und mit allen bei ihm sich vorfindenden Gegenfstän- den und Geldern an die Königlihe Stadt- voigtei-Direktion hierselbst abzuliefern. Berlin, den 30. April 1879. Königliches Stadtgericht. Ab- theilung für Untersuchungssachen, Kommission II. für Voruntersuchungen. Beschreibung. Alter: 27 Jahre, Geburtsort: Kowno in Rußland, Größe: 165 Centimeter, Haare: \{chwarz, Augen: \chwarz- braun, Augenbrauen: \{chwarz, Nase gewöhnlich, Kinn: rund, Gesichtsbildung: länglih, Mund: ge- wöhnlih, Zähne: v, Gesichtsfarbe: gesund, Sprache: deuts, russisch, hebräisch, Gestalt : mittel. Besondere Kennzeichen : keine.

Sieckbrief wider den wegen Unterschlagung ge-

rihtlich verfolgten Kellner Anton Martin Müller, Conrads Sohn, von hier, mit Erfucben um Festnahme und Nachricht anher. Cassel, den 30. April 1879, Königliche Staatsanwaltschaft.

Offene Strafvollstreckungs-Nequisition. Die L 1) der Konditor Julius Johann

ottlieb Grüßmacher, geboren den 10. Juli 1855 zu Potsdam, 2) der Emil Maximilian Bethke, ge- boren den 2. Januar 1856 zu Potsdam, 3) der Georg Mendel, geboren den 15. Januar 1856 zu Potsdam, 4) der Wilhelm Heinrih Schumann, ge- boren den 8. Juni 1856 zu Potsdam, 5) der Karl Friedrich Wilhelm Ebel, geboren den 19. Juli 1857 zu Potsdam, 6) der Georg Karl Adolf Haupt, ge- boren den 4. September 1857 zu Potsdam, 7) der Leo Levy, geboren den 10. August 1857 zu Potsdam, 8) der Emil Louis Hugo Theodor Mann, geboren den 15. März 1857 zu ans, sind durch unser Erkenntniß vom 28. Februar 1878 wegen Sichent- ziehens der Militärpflicht je zu einer Geldstrafe von 180 M, welcher für je nit gezahlte 10 4 ein Tag Gefängniß substituirt ift, rechtskräftig verurtheilt worden. Cs wird ersucht, von den vorgedachten Un- eklagten, wo sie betroffen werden, die Geldstrafe m Wege der Mobiliarexekution beizutreiben, im Unvermögensfalle die substituirte Freiheitsstrafe zu vollstreten und hierher zu den Acten G. 514 78 Mittheilung zu machen. Potsdam, den 16. April 1879. Königliches Kreisgeriht. Abtheilung I.

Ueber die Militärverhältnisse resp. den Verbleib der Nachgenannten ift zu den diesseitigen Listen nicht Ich ersuche erge-

dungen oder Angabe des Aufenthaltsorts und wenn etwa der Eine oder Andere verstorben sein-fellte um Uebersenduug kostenfreier Todtenschéine, sowie in Fällen von Auswanderung um Benachrichtigung, ob der Betreffende mit oder ohne Konsens aus8ge- wandert ist. Geboren 1853. Engelmann, Wilh. Rob. Ed., am 30./10. in Viet, Bahr, Joh. Friedr, am 10.,/6. in Neu-Gennin, Maurer, Jacob, Georg Herrm. Aug. Nich., am 27./1. in Landsberg a./W., Wiese, Gust. Ad. Louis, am 13./7, in Landsberg a. /W.,, Winkelmann, Jul. Franz, am 8./11. in Decbsel, Gesle, Karl Heinr, am 12/10: in Gralow, Knecht. Eeboren 1854. Geisteuer, 00, ScIedE, am 0/0 In LUbIota8rU), Goldner, Friedr. Wilh. am 12./5. in Viet, Stell- machergesell, Schlösser, Karl Friedr, am 22./5. in Gerlachsthal, Schuhmacher. Geboren 1855. Hennig, Karl Heinr., am 19./3.,, Hoehne, Ed. Alb. Mar, am 8./9.,, Klaffke, Joh., am 30./6., Wiese, Alb. Louis Heinr, am 26./2. und Zeiß, Gust. Otto Ed., am 2./1. in Landsberg a. W., Teichert, 1 Emil, am 8./9, in Clementenschleuse, iefke, Karl Ludw. Franz, am 8./12. in Derschau, Arbeiter, Schimmeyer, Karl Friedr. Wilh., am 30./9. in Gennin, Linde, Herm. Louis, am 1./4. und Strauch, Karl Bernb. Gust, am 8./10. in Landsberger-Holländer, Beck, Karl Paul, am 22./9, in Liebenow, Glauflügel, Ernst Otto Herm., am 5/6 in Alt/«Lipke, Gleiß, Ernst Sul. Lous, at 10/00, in Neu - Liplé Koch, Ernst Reinh., am 23./9. in Lossow, Berg- mann, Löscher, Gust. Ad., am 1./9, in Marien- \spring, Wolf, Aug. Jul. Herrm., am 24./6. in Pyrchne, Gombert, Alb. Ioh. Bruno Erdm., am 7./10, in Roßwiese, Gesche, Ad. Franz, am 17./3. in Seidlit, Seminarist, Schröder, Paul Heinr. Jul., am 8.,/6. in Seidliß, Rode, Karl Wilh. Leo, am 10./12 in Zanzhausen. Geboren 1856. Löschke, Joh. Friedr, am 9./10. in Vie, Dunst, Gust. Karl Erdm., am 26./12, Erdmann, Alb. Joh. Gust., am 29./8., Gohlke, Friedr. Wilh. Oscar, am 21./10., acoby, _ VLcar, um 2/9) Knaackl, Ernst Gel, N anm 7/2, Und. Ledmannt, Karl Ed.,, am 23./7. in Landsberg a. W,, Lehmann, Aug. Traug., am 2./8. in Bürgerbruch, Arbeiter, Maaß, Friedr. Wilh. Emil, am 18./12. in Stolyenberg, Kaufmann, Marquardt, Herm. Emil, am 8./12.,, Neumann, Ernst Joh. Friedr., am 11./6., Pankopf, Karl Friedr. Wilh., am e Letors Friedr. Heinr. Alb., am _2./12., Roestel, Ioh. Friedr. Otto, am 25./2.,, Steinicke, Friedr. Wilh., am 18./2.,, Schulz, Karl Alb., am 12./10. und Schwabacher, Alb.,, am 19./9.,, in Landsberg a./W,., Violét, gen. Chevalier, Felix Otto Eugen Karl, am 14./12. in Berlin, Tisch{lergeselle, Zorn, Karl Ferd. Bernh., am 2./3. in Landsberg a./W,., As berin, Friedr. Wilh., am 18./4. in Beiersdorf, Guderian, Karl Aug.,, am 8./9. in Borkow, Dunst, Jul. Ludwig Herrm., am 11./4. in Gulam, Witte, Otto Alb. Prât, am 22./12. in Groß-Gie- senaue, Liebsh, Karl Friedr. Aug., am 26./11. ‘in Massow, Junge, Ferd. Friedr., am. 20./3. in Polly- chen, Schiffer, Penn, Paul Herm., am 30./9., in Pollychen, Schiffer, Gustavus, Karl Gust. Louis, am 19./6. in Pyrehne, Landarb., Nixdorf, Wilh. Friedr. Aug., am 31.-5. in Rohrbruch,

Submissionen 2c.

Berliner Stadteisenbaln. Die Lieferung und Auf- 1 stellung der Eisenkonstruk- ation für den westlichen Ab- E {luß der Halle des östlicen E =Ans{chlußbahnhofs (Nieder- Personenbahnhofes) im Ge- sammtgewicht von ca. 45 Tonnén , soll im Wege der Submission vergeben werden. Zeichnungen und Bedingungen nebst Gewichtsberehnungen liegen in unserem Centralbureau zur Einsicht aus, können auch gegen Entrichtung von 10 4 für erstere und 5 M für leßtere bezogen werden. Die Bedingungen werden jedoch nur an solche Unternehmer abge- geben, deren Unternehmungsfähigkeit uns bekannt, oder durch genügende Zeugnisse nachgewiesen ift. Angebote sind versiegelt, portofrei und mit be- zeichnender Aufschrift versehen bis zum 14. Mai c., Vormittags 11 Uhr, an uns einzureichen, um welche Zeit sie in Gegenwart der etwa erschienenen

Unternehmer eröffnet werden. Berlin, den 28. April 1879. Cto. 551/4.)

Königliche Dircktion der Berliner Stadteisenbahn.

[3841] Königlich Niederschlesisch-Müätkische Eiseibahn. Submission auf E Stück Personenwagen I. u. II, Kl.

, é L L, 5 Gepäckwagen, 30 bedeckte Güterwagen, Donnerstag, den 8. Mai 1879, Vormittags 11 Uhr, im maschinente{nishen Bureau, Berlin SW., Köthenerstraße 24. Offerten müssen frankirt, ver- siegelt und mit der Aufschrift: „Submissions-Osferte auf Lieferung von Wagen“ eingereiht werden. /

Bedingungen, Zeichnungen 2c. sind vom oben- bezeichneten maschinentechvischen Bureau gegen Er- stattung der Kosten zu beziehen.

Berlin, den 24. April 1579.

Königliche Direktion.

[3698] Bekanntmachung. Die Lieferung von ; pptr. 6500 kg Maschinenöl und 1200 kg Talg /

für die unterzeihnete Direktion sol im Wege der öffentlihen Submission an den Mindestfordernden vergeben werden und ist hierzu ein Termin auf Donnerftag, den O d. J, Bormittags3

r,

im diesseitigen Bureau angeseßt und werden Liefe- rungslustige ersucht, den Bedingungen entsprechende phie bis zu dem gedachten Tage hierher zu reichen,

Proben je 5 kg sind bis spätestens den 7. Mai d. I. franko an die unterzeichnete Direktion einzusenden.

Landsberg a. W.,, den 26. April 1879. Der Königliche Landrath. Jacobs.

Die Bedingungen Head während der Ges äfts- stunden im diesseitigen Bureau Zimmer

der Kopialien abschriftlich bezogen werden. Spandau, den 23. April 1879. Königliche Direktion der Gewehrfabrik,

3747] Bekanntmachung.

Es sollen die in dem Zeitraum vom 1. April 1879 bis ultimo März 1880 aus dem Fabrikbetriebe der unterzeibneten Direktion hervorgehenden Mate- rialien-Abfäkle, bestehend aus:

pptr. 50 090 kg Gußstahl-Bohrspähne, / «„ 4009 kg Gußstahl-Drehspähne, im Wege der öffentlihen Submission an den Meist- bietenden verkauft werden und ist hierzu Termin

auf : Montag, den 12. Mai d. Js3., Vormittags 11 Uhr,

im diesseitigen Bureau angeseßt.

Unternehmungslustige wollen den Bedingungen entsprechende Offerten bis zu dem genannten Tage hierher reichen. a

Die Bedingungen liegen im diesseitigen Bureau Zimmer Nr. 1 zur Kenntnißnahme: aus, können auch gegen Erstattung der Kopialien ahs \chriftlich bezogen werden.

Spandau, den 24. April 1879,

Königliche Direktion der Gewehrfabrik,

[3968] Bekanntmachuug.

Die in der Zeit vom 1. April 1879 bis 31. März 1880 bei der Saarbrücter und Rhein-Nahe-Eisenbahn sch ergebenden Materialien-Abgänge, als:

ca. 170 000 kg Schmiedeeisen-Abfälle, 5

« 150090 „, Drehspähne von Stahl und Eisen, ¿4000 Drehspähne von Gußeisen, «ÿ 32 000 Eisenbleh-Abfälle, e 52 000 Stahl-Abfälle, 70 000 alte Nadreifen von Puddelftahl und Schmiedeeisen, 25 000 alte Radreifen von Gußstahl, 5 000 Gummi- Abfälle ohne Einlagen, 3 000 Glas\cerben, 5000 Radsterne ohne Bandagen, 500 Wagendeckten-Abfälle sollen im Wege der öffentlichen Lizitation Samstag, den Ma Be cr., Vormittags

D V:

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im mascinentechnishen Bureau auf dem hiefigen Bahnhofe an den Meistbietenden verkauft werden. Offerten sind bis dahin versiegelt und mit der Aufschrift : „Offerte auf Ankauf von Materialien-

Abgängen“ portofrei an das maschinentechnishe Bureau ein- zureichen. Die Bedingungen können ebendaselbst und in den Stationsbureaus zu Trier l. M. und r. M. Neunkirchen, St. Wendel und “Bingerbrück eingesehen, auch auf por ofreie Anteäge von hier bezogen werden. Cto, 13/5.) Saarbröcken, Bahnhof, den 23, April 1879.

Maschinentehnisches Bureau

der Königlichen Saarbriäker Eisenbahn.

——

[3752]

_Die Veferung des für die Zeit vom 1. Juli cr. ‘0ìs dahin 1880 für die Westfälishe und Münster-

tr. 11 Enscheder Eisenbahn erforderlihen raffinirten und,