1879 / 110 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 12 May 1879 18:00:01 GMT) scan diff

/

Y R did e E Es E —— D E E i E R

\ f |

I 1 N V |

i MLLIS N B E U E ERE Sw |

8. 36, Bei der nach §. 420 der Deutschen Strafprozeßordnung erforderlichen Sühneverhandlung darf der zuständige Schiedsmann die Ausübung seines Amtes aus den in §. 16 Nr. 3 bis 6 und 8. 17 Nr. 2 angegebenen Gründen nit ablehnen. :

Er hat, wenn bei einer Partei einer ter im §. 16 Nr. 3 bis 6 angegebenen Umstände vorliegt, dies in dem Protolle zu vermerken. Gegen eine solche Partei findet die Zwangsvollstreckung aus einem aufgenommenen Vergleiche nicht statt.

8. 37. Die Ladung zu der nach §. 420 der Deutschen Straf- prozeßordnung erforderlihen Sühneoerhandlung is den Parteien durch den Schiedsmann oder in anderer zuverlässiger Weise zuzu- tellen. / Erscheint der Antragsteller in dem Termine nicht, so findet eine Sühneverhandlung nicht statt. Erscheint der Beschuldigte nicht, so wird angenommen, daß er sih auf die Sühneverhandlung nicht ein-

: lassen wolle.

8, 38. Eine Bescheinigung über die Erfolzlosigkeit des Sühn2-

mine erschienen ist. i : i

Die Bescheinigung muß mit der Unterschrift und dem Amts- siegel des Schiedsmanns versehen scin. Sie soll die Angabe der Zeit der Beleidigung und der Anbringung des Antrags, sowie des Orts und der Z-it der Ausstellung enthalten.

Ueber die Verhandlung und die Ausstellung der Bescheinigung hat der Schiedsmann im Protokollbuche einen Vermerk aufzunehmen.

8, 39, Für Privatklagen gegen Studirende kann der Justiz- Minister im Einverständnisse mit dem Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten bestimmen, daß der nah 8. 420 der Deutschen Strafprozeßordnung erforderliche Sühneversuch niht von dem Schied8manne, fondern von einer anderen Vergleichs- behôrde vorzunehmen sei.

Vierter Abschnitt. Kosten und Stempel.

8. 40. Die Verfügungen, Verhandlungen und Ausfertigungen des Schiedsmanns find kosten- und stempelfrei.

Die Stempelfreiheit der Verhandlungen erstreckt sch nit:

1) auf Rechtsgeschäfte, welche an sih ftempelpflihtig find und als ein Bestandtheil des Vergleichs in den leßteren aufgenommen werden ;

2) auf Vergleiche, durch welche ein unter den Parteien bisher nit in stempelpflichtiger Form zu Stande gekommenes Rechtsgeschäft anerkannt oder im Wesentlichen aufre{cht erhalten wird. i

8. 41. Die Sciedsmänner sind nicht verpflichtet, dafür zu sorgen, raß die von ihneu aufgenominenen Verhandlungen rechtzeitig mit dem tarifmäßigen Stempel versehen werden. Die Parteien haften für die rechtzeitige Verwendung desselben nah Maßgabe der Stempel- geseße. Der Stempel ift binnen zwei Wochen, vom Tage der Auf- nahme der Verhandlung an, zu der Urschrift derselben beizubringen. Die Ertheilung von Ausfertigungen der Verhandlung ist von der vorgängigen Verwendung des Stempels nicht abhängig.

Die Schiedsmänner haben auf jeder von ihnen ertheilten Aus- fertigung der Verhandlung zu vermerken, ob und welcher Stempel zu der Urschrift verwendet ift.

8. 42. Shhreibgebühren und baare Auslagen sind dem Schieds- manne sofort zu entrichten. Derselbe kann seine Thätigkeit von der vorherigen Entrichtung abhängig machen.

8. 43. Die Schreibgebühren sind für die Aufnahme der An- träge, sowie für die Ausfertigungen und Abschriften der Verhandlurgen und Bescheinigungen zu entrichten. Sie betragen mindestens fuünf- undzroanzig Pfennige und bei Schriftstüken von mehr als ¿wei Seitcn für jede folgende Seite zehn Pfennige. Jede angefangene Seite wird voll berechnet,

8. 44, Die Stwreibgebühren und boaren Auslagen fallen der Partei zur Last, welche dieselbe veranlaßt hat. Ist jedoch ein SBer- gleich zu Stande gekommen oder die Vermittelung des Schicds- manns von beiden Parteien nachgesucht, so haftet für die Schreib- gebühren und baaren Auslagen, welche bis zum Schlusse der Ver- handlung entstanden sind, jede Partei.

Erforderlichenfalls werden diese Gebühren und Auslagen auf Antrag des Schied8manns von den Betheiligten ebenso béigetrieben, wie die Gemeindeabgaben.

8. 45. Die säcblichen Kosten des Schied?mannsamts fallen der (Gemeinde zur Last.

In B':zirken, welche aus mehreren Gemeinden bestehen, werden die sählichen Kosten auf die betheiligten Gemeinden nah dem Maß- stabe der Seelenzahl vertheilt. Den (Bemeinden werden die felbst- ständigen Gutsbezirke gleihgeachtet. °

S. 46. Die Geldstrafen, welche in Gemäßheit dieses Gesehes zur Erhebung gelangen, fließen den Gemeinden zu, welche die säch- lichen Koften zu tragen haben.

Fünfter Abschnitt. SMluUßbentimmungqen

8. 47, Die Vorschriften dieses Gesetzes, welche sich auf die Aus- fertigung und Vollstreckung der abgeschlossenen Vergleiche beziehen, finden auch auf solche Vergleiche Anwendung, welche vox dem In- krafttreten dieses G?eseßes von einem Schiedsmanne zu Protokoll ge- nommen worden sind. e

8. 48. Die auf Grund der bisherigen Vorschriften berufenen Schied8männer haben bis zum Ablaufe ihrer Amtsperiode ihre Thä- tigkeit in Gemäßheit des gegenwärtigen Gesetes fortzusetzen.

In denjenigen Landestheilen, in welhen das Institut der Swiedsmänner bisher nicht einzcführt worden ift, haben bis zum Amtsantritte der in Folge dieses Gesetzes zu berufenden Schieds8- männer die Amtsgerichte die Geschäfte der Vergleichsbehörde bei Bes Teidigungen (S. 420 der Strafprozeßordnung) wahrzunehmen.

8. 49, Dieses Geseß tritt gleichzeitig mit dern Deutschen Gerichtsverfassungsgeseße in Kraft, Mit der Ausführung werden der Justiz-Minister und der Minister des Innern beauftragt.

Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrudtem Königlichen JInsiegel.

GegeLen Berlin, den 29. März 1879,

Ur) Wilhelm. O zu Stolbera Leonhard Call.

von Kameke. Friedenthal. von Bülow Hofmann. Gr. zu Culenburg. Maybach. Hobrecht.

Ministerium der geistlichen, Unterrihts- und Medizinal-Angelegenheiten.

Der ordentliche Lehrer Dr. Weyland am Progymnasium in t a. D. ist zum Vberlehcer an derselben Anstalt ernannt worden.

Am Schullehrer-Seminar zu Hildesheim is der kom- missarishe Lehrer Warne de dajelbst als ordentlicher Lehrer angestellt worden.

Der Seminarlehrer Nick zu Linnih is an das Schul- lehrer-Seminar in Siegburg verseßt.

Abgereist: Der Ministerial-Direktor, Ober-Berghaupt- mann Dr, Sexlo nah Saarhrüdcken.

Die Nummer 20 der Gesez-Sammlung, welche von heute ab zur Versendung gelangt, enthält unter

Nr, 8642 die Schiedsmannsordnung. Vom 29. März 1879, und unter

Nr. 8643 das Geseß, betreffend die Uebergangsbestin- mungen zur Deutschen Civilprozeßordnung und Deutschen Strafprozeßordnung. Vom 31. März 1879.

Berlin, den 12. Mai 1879.

Königliches Geseß-Sammlungs-Amkt.

j | { | | l | |

BeranntmaGWUuUnmg en auf Grund des Neichsgeseßes vom 21. Oktober 1878.

Das durch meinz: Bekanntmachung vom 17. Januar d. J. (Reichs-Anzeiger Nr. 15) erlassene Verbot der vom kommu- nistishen Arbeiterbildungsverein in London herausgegebenen periodishen Druckschrift „Freiheit“ erstreckt sich auch auf diejenigen Nummern dieses Blattes, welhe unter der Auf- christ „Mahnruf“ zur Ausgabe gelangen.

Berlin, den 12. Mai 1879.

Der Reichskanzler, Jn Vertretung: Hofmann.

Auf Grund des Reichsgesebßes gegen die Bestrebungen

versuch8s kann nur ertheilt werden, wenn der Antragsteller im Ter- ! der Sozialdemokratie vom 21. Oktober 1878 wird hierdurch

zur öffentlichen Kenntniß gebracht, daß die zu Buckau mit Beschlag belegte Druckschrift: „Zum neuen Jahr“ ein Gedicht unterzeichnet „Ein Freund“ (Drucker und Ver- leger sind niht genannt), durh die unterzeichnete Landes- polizeibehörde, gemäß 8. 11 des gedachten Geseßes, verboten worden ist.

Magdeburg, den 6. Mai 1879.

Königliche Negierung Abtheilung des Jnnern. Graf Baudissin.

Auf Grund von 8. 12 des Reichsgeseyes gegen die gemein- gefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie vom 21. Ofkto- ber 1878 wird hierdurch zur öffen!lihen Kenntniß gebracht, daß die Nr. 46 der unter dem Namen „Dresdner Press e“ in Dresden erscheinenden periodishen Dru ckschrift nach 8. 11 des gedachten Gesezes durch die unterzeichnete Landespolizei- behörde verboten ist.

Dresden, den 9. Mai 1879.

Königliche Kreishauptmannschaft. von Einsiedel.

Dan ma Un a Der konzessionirte Markscheider August Hammer hat seinen Wohnfiß von Waldenburg nah Görlitz verlegt Breslau, den 6. Mai 1879. Königliches Ober-Bergamt.

Nichtamklices. Deutsches Neich.

Preußen. Berlin, 12. Mai. Se. Majestät der Kaiser und König wohnten am gestrigen Sonntage dem Gottesdienst im Dome bei und empfingen später den Präsi- denten des Reichsgerichts, Wirklichen Geheimen Rath Simson, den Oberstkämmerer Srafen Redern und Allerhöchstihren aus Athen hier eingetroffenen Gesandten von Radowig.

Heute Vormittag um 10 Uhr begaben Se. Majestät Sich zur Besichtigung des 1. Garde-Regiments zu Fuß nach Potsdam.

Jhre Majestät die Kaiserin-Königin em- pfing in Baden-Baden den Besuch Fhrer Königlichen Hoheit der BSroßherzogin von Baden bei Höchstderen Rückkehr aus Wiesbaden.

Fhre Majestät wird heute nah Coblenz und von dort morgen, Dienstag, Abend über Ostende nah Schloß Windsor reisen. ;

Die Ober-Hofmeistecrin Gräfin von Perponcher, die Hof- dame Gräfin Olga zu Münster, der Königliche Kammerherr Graf Fürstenstein. und der Kabinets-Setretär von dem Knesebeck haben die Ehre, Jhre Majestät zu begleiten.

Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz erfreut Sih in Kissingen unausgeseßt des er- wünschten Wohlbefindens. Die Höchstdemselben mehr als eine allgemeine Vorsichtsmaßregel wie auf Grund etwa hervor- etretener bestimmter Krankheitsersheinungen angerathene eihte Brunnenkur is vom günstigsten Erfolge begleitet, so daß mit Zuoersiht die Rückkehr Sr. Kaiserlichen Hoheit ia bekannter Kraft und Gesundheit gegen Ende dieses Monats zu erwarten steht.

Der Bundesrath hielt am Sonnabend, den 10. Mai, eine Plenarsizung unter Vorsiß des Präsidenten des Neichskanzler-Amts, Staats-Ministers Hofmann.

Nach Feststellung des Protokolls der vorigen Sihun„,, wurde Mittheilung gemacht von der erfolgten Ernennung des Sroßherzoglich hessischen Regierungs-Naths Schulz zum stell: vertretenden Bevollmächtigten zum Bundesrath. :

Zur Borlage kamen Schreiben des Präsidenten des Reicbstags, betreffend die Beschlüsse des Neichstags über : a. Petitionen bezüglih des Entwurfs cines Geseßes über den Verkehr mit Nahrungsmitteln; þ. Petitionen, betref- fend die Wcinfabrikation; c. den Geseßentwurf, betreffend die Vertheilung der Matrikularbeiträge für 1879/80; d. den Ge- seßentwurf, betreffend die Erwerbung dec Königlich preußischen Staatsdruckerei für das Reich; e. den Geseßentwurf, betreffend Feststellung eines Nachtrags zum Reichshaushalts- Etat für 1879/80.

Die Vorlagen, betreffend a. die anderweite Regulirung der Verhältnisse und Cinrichtungen im Bremischen Zoll- und Freihafengebiet; b, den Entwurf eines Geseßes über die Statistik des auswärtigen Waarenverkehrs des deutshen Zollgebiets; c. den Entwurf eines Gesehes wegen provisorischer Einführung von Aenderungen des Zoll- tarifs; d, eine Beschwerde über vermeintilic) unbegründete Anfor- erungen der Zollverwaltung an die Rheinische Eisen- bahngesellshaft; e. den Entwurf eines Geseßes wegen Fest- stellung - eines zweiten Nachtrags zum Reichs haushalts - Etat für 1879/80, wurden den bezüglichen Ausschüssen Überwiesen.

Der Geseßentwurf, betreffend den Verkehr mit Nahrungs- mitteln, wurde in der vom Reichstage beschlossenen Fassung genehmigt. Hierauf wurde Beschluß gefaßt über das Pensions- verhältniß mehrerer Beamten der Postverwaltung.

Ausschußberichte wurden ecstattet über: a, den Entwurf eines Nachtrags zur Geschäftsordnung für das Ober-Seeamt. Der Entwurf wurde genehmigt ; b. den Entwurf von Bestim- mungen über die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter in Spinnereien, nebst den darauf bezüglichen Petitionen. Auch dieser Entwurf wurde genehmigt, wodurch die betreffeuden Petitionen ihre Erledigung finden; c. die Beschlüsse des Landesausscusses oon Elsaß - Lothringen zu den Entwürfen

von Geseßen über das niedere Unterrichtswesen Und über die Beschränkung der Bausreiheit in den neuen Stadttheilen zu Straßburg. i ;

Beide Gesezentwürfe wurden in der vom Landesaus\huß beschlossenen Fassung genehmigt.

Endlich wurde eine Eingabe des Direktoriums des Deut- schen Apothekervereins, betr. das bei Abgabe von Arzeneien zu beochahtende Verfahren, vorgelegt und dem betheiligten Ausschusse überwiesen.

Die vereinigten Ausschüsse des Bundesraths für Zoll- und Steuerwesen und für Justizwesen traten heute zu

einer Sißung zusammen.

Der Sghlußbericht über die vorgestrige Sigzung des Reichstages befindet sih in der Ersten Beilage.

Jn der heutigen (43.)Sißung des Reichstages, welcher der Präsident des Reichskanzler-Amts, Staats-Minister Hofmann und mehrere andere Bevollmächtigte zum Bundes- rath und Kommissarien desselben beiwohnten, theilte der Prä- sident mit, daß der Abg. Baer (Offenburg) seine Ernennung zum Landgerichts-Nath angezeigt habe. Das betreffende Schreiben wurde der Geschäftsordnungskommission überwiesen. Darauf seßte das Haus die erste Berathung der Gesey- entwürfe, betr. die Besteuerung resp. Nachversteuerung des Tabaks, fort. Der Abg. von Schmid (Württemberg) trat der von verschiedenen Rednern erhobenen Besorgniß ent- gegen, als ob diese Vorlage den einheimischen Tabakbau zu rui- niren geeignet sei. Der Tabak sei ein besteuerungsfähiger Ge- genstand, und vie Höhe der Säße müsse nach dem finanziellen Ne- sultat bemessen werden, welches man durch die Steuer erzielen wolle. Jn dieser Beziehung sei die Regierungsvorlage durh- aus korrekt. Wolle man ein anderes finanzielles Resultat als die Regierung erzielen, dann müsse man auch die Säge anders normiren. Die Gewichtssteuer sei, wenn man das Monopol nit wolle, die geeignetste, weil sie die geringsten Kontrolmaßregeln erfordere. Jn Betreff der Licenzsteuer theile er den Standpunkt des Abg. von Marschall, dagegen müsse er sih für eine Nachsteuer aussprechen, damit nicht der O Tabakbauer gegen den Jmporieur unbillig besteuert werde.

__ Der Abg. Meier (Schaumburg-Lippe) führte aus, daß die Frage des Tabakmonopols ganz von der Tagesordnung verschwinden müsse, da es shlecht mit den FJntentionen des Schußes der Fndustrie harmonire, wenn man die ohne Schuß groß gewordene Tabakindustrie durch solhe Maßregeln ver- nihten wolle. Die Fabrikationssteuer sei bei dem Vorhanden- sein eines finanziellen Bedürfnisses immer der Gewichtssteuer vorzuziehen, da sie einer Konsumtionssteuer viel näher komme als leßtere. Aber immerhin müsse jeßt auf dem Boden der Gewichtssteuer etwas Definitives geschaffen werden. Der Nedner benußte die Gelegenheit, um zu erklären, daß Bremen keines- wegs einer surtaxe d’entrepot günstig gestimmt sei; es sei viel zu national gesinnt, als daß es den südlihen Gegenden Deutschlands ihre natürlichen Einfuhrwege um eines geringen Vortheils für sih willen verkümmern wollte. Die Licenzsteuer dürfe das Haus unter ke'nen Umständen bewilligen, weil sie die stete Besorgniß wach halten würde, es lauere das Monopol dahinter. Eine Nachsteuer werde viele kleine und mittlere Fabrikanten vollständig ruiniren, während ohne dieselbe si eine allmäh- lihe und für die Tabakindustrie unschädlihe Preissteigerung eintreten werde.

Der Kommissarius des Bundesraths, Provinzial-Steuer- Direktor Schomer, hob hervor, daß diese Vorlage die Jnter- essen des inländischen Tabakbaues mehr berücksichtige, als irgend eine frühere. Die Regierung erblicke in der Licenz- steuer keine Fortseßung der Tabakenquete. Dieselbe sei den Geseßgebüngen der meisten Länder, die kein Monopol hätten, nxchgebildet. Damit widerlege sih auch die Behauptung, daß d'eselbe ein Vorläufer des Monopols sei. Auch die Nachhsteuer jèi durchaus eine Forderung der Gerechtigkeit. Beim Schlusse des Blattes hatte der Abg. Lender das Wort.

—- Das französische „Journal officiel“ veröffentliht am 5, Mai einen umfangreichen Auszug aus einem Bcrichte, welchen der Minister des Jnnern dem Präsidenten der Re- publik über die Maßregeln erstattet hat, die von der französischen Regierung in Ausführung des Ar- tifels 16 des Frankfurter Friedensvertrages, zum SchUPe der Gräber der in dem legten Kriege ge- fallenen deutschen und französischen Soldaten er- griffen worden sind. Der Bericht weist im Einzelnen nach, wie das auf Grund jener Friedensbestimmung unter dem 4. April 1873 erlassene Geseß, das Seitenstück zu dem deutschen Gesetze vom 2. Februar 1872, in 36 Departements und 1438 Ge- meinden, welche die Gebeine von 87 396 Kriegern beidec Na- tionen bergen, seine Anwendung gefunden hat. 21876 Deutsche und 37859 Franzosen ruhen in besonderen Gräbern ; 27 661 Leichen, deren Nationalität niht mit Sicherheit festgestellt werden konnte, sind unter gemeinschastlihen Hügeln bestattet. Die Terrains, welche der Staat zu diesem Zweckde auf den Gemeindefriedhöfen, sei es unentgeltlich oder durch Ankauf er- worben hat, erstrecken sih im Ganzen auf 13 143 m, wovon 4919 auf sfranzösishe, 5289 auf deutshe und 2933 m auf gemishte Gräber entfallen. Die Umfriedungeit haben eine Totallänge von 12050 m, nämlich 5373 für deutsche, 5739 für französishe und 936 m für gemischte Gräber. Sie hckben 395 498 Francs gekostei. Die Grabstätten, welche der Staat auf den Friedhöfen erwarb, kosteten 714 225 Francs; außerdem hat er sür die Anlegung besonderer Soldaten- friedhöfe 20 985 Francs und für die Ausgrabung resp. Wiederbestattung einer großen Anzahl von Leichen 332 172 Francs, endlih noch an Entschädigung für die Grundbesiger, die auf eine solche niht verzichten wollten, 42 537 Francs ausgegeben.

Die Gemeinden und Privatcomités haben in Frankreich 349, die Familien 88, die deutsche Regierung 69 Denkmäler errichtet. Die französische Regierung hat ferner 25 große Bein- häuser mit einer Ausgabe von 782777 Francs konstruiren lassen. Die Gesammtausgabe für die Gräber der in dem deuts - französishen Kriege Gefallenen beläuft sich auf 2 287 896 Francs; und der Minister beabsichtigt, von den Kammern einen jährlihen Kredit zu verlangen, der dazu dienen soll, die Gräber sorgfältig zu erhalten, damit man nie vergesse, daß das Vaterland Diejenigen ehrt, die für seine Ver- theidigung gekämpft haben und gefallen sind,

Dex Bericht verbreitet \ih in einem seiner Kapitel aus- führlih über die Gräber französischer Krieger in Deutschland, Elsaß-Lothringen und der Schweiz, um deren Errichtung und Pflege sih das sogenante „Oeuvre des tombes“ besonders verdient macht hat. Fn Deutschland wurden in 48 Städten Grahb--

„«

N

denkmäler für in der Gefangenschaft gestorbene Franzosen er- richtet, nämlich in Ansbach, Altdam, Breslau, Cottbus, Cöln, Colberg, Durlesbach, Düsseldorf, Dessau, Ditlingen, Friedberg, Glogau, Glaß, Hamburg, Halle, Heiligenstadt, Jüterbogk, Krekow, Landshut, Landsberg, München, Mainz, Minden, Magdeburg, Münster, Marienburg, Neckargemünd, Neisse, Neustadt, Neu-Streliß, Ober-Fngelheim, Prenzlau, Quedlin- burg, Reuß, Rastadt, Rönneburg, Siegburg, St. Adelheid, Spandau, Stettin, Stendal, Stralsund, Tangermünde, Thorn, Torgau, Ulm, Weißenfels, Wittenberg und Wismar. |

Als besonders stattlih werden die Grabmäler von Mainz, Ulm, Leipzig, Cöln, Rastatt, München, Ditlingen und Glogau erühmt.

: Da Bericht erwähnt, daß von den 400 000 französischen Gefangenen, welche in 259 deutschen Städten internirt worden waren, 18 000 gestorben sind, wovon die große Mehrzahl auf den Friedhöfen der oben genannten 48 Städte ruht. Aber außerdem hat das „Oeuvre des tombes“ sodann noch in 153 deutschen Städten Grabmäler errichtet.

Jn Elsaß-Lothringen is auf allen Schlachtfeldern das Nöthige gethan worden. Der Bericht hebt namentlich die Denkwäler auf dem Friedhof in Moosbrunn für die Kürassiere von Reichshofen mit der Jnschrist: „Militibus Gallis hic inter- emptis die VI, Augusti 1870 Defuncti, adhunc loquuntur Erexit Patria moerens!“ die von Wörth, Niederbronn, Straßburg und Meg hervor.

Jn der Schweiz ruhen über 3000 auf der Flucht um- gekommene Franzosen. Sie haben Monumente in Freiburg, S Neufchatel, Biel, Lausanne, FJnierlaken, Thun,

olothurn, Pruntrut, Einsiedeln, Schwyz, Zug, Luzern, Basel, Genf u. A.

Fn Belgien ist für den Shmuck der Gräber französischer Krieger bis jeßt noch nihts geschehen. Es hat sih jedo kürzlih ein Comité gebildet, um diese Verpflichtung zu er- füllen. Die französishe Regierung ist bereit, dasselbe durch Geldmittel zu unterstüßen.

Der Bericht, aus dem obige Auszüge gemacht sind, bildet ein Prachtwerk von 640 Seiten in mit zahlreichen shönen Abbildungen der bemerkenswerthesten Grabdenkmäler. Er ist unter deni Titel: „Execution de la loi du 4 Avril 1873 relative aux tombes des Militaires morts pendant la guerre 1870— 1871“ erschienen und in Paris, in der Imprimerie Nationale, 1878 gedruckt.

Nach der vom Reichs - Eisenbahn - Amt auf- gestellten, in der Ersten Beilage veröffentlihten Nachw-isung Uber m Monat März d. J. beförderte Züge Und deren Verspätungen wurden auf 57 größeren Eisen- bahnen Deutschlands (exkl. Bayerns), mit einer Ge- sammtlänge von 26 901,50 km, an fahrplanmäßigen Zügen besördert : 11 438 Courier- und Schnellzüge, 76 101 Persfonen- züge, 41 436 gemischte und 69990 Güterzüge; an außer- fahrplanmäßigen Zügen : 1095 Courier-, Personen- und ge- mischte, und 25 018 Güter-, Materialien- und Arbeits- züge. Jm Ganzen wurden 574 462 395 Achskilometer be- wegt, von denen 163 209 851 auf die fahrplanmäßigen Züge mit Personenbeförderung entfallen. Es verspäteten von den 128 975 fahrplanmäßigen Courier -, Personen- und gemischten Zügen im Ganzen 795 oder 0,62 pCt., (gegen 0,41 pCt. in demselben Monat des Vorjahres, und 1,34 pCt. in Vormonat). Von diesen Verspätungen wurden jedo 305 dur das Abwarten verspäteter Anschlußzüge hervor- gerufen, so daß aus im eigenen Betriebe der betreffenden Bahnen liegenden Urjachen 490 Verspätungen oder 0,38 pCt. (gegen 0,89 pCt. im Vormonat) der beförderten Züge entstanden. Jn demselben Monat des Vorjahres verspäteten auf 58 Bahnen durh im eigenen Betriebe liegende Ursachen 353 Züge, gleih 0,28 pCt., sonach 0,10 pCt. weniger. Jn Folge der en wurden 192 Anschlüsse versäumt (gegen 94 in demselben Monat des Vorjahres und 501 im Vormonat).

Die ‘in der heutigen Börs-n - Beilage abg. druckte fabellarishe Uebersicht der Wochenausweise deutscher Zettelbanken vom 30. April {ließt mit fol- genden summarischen Daten ab: Es betrug der gesammte Kassenbestand 691 275 000 46 oder 430 000 6 weniger als in der Vorwoche, während der Wechselbestand in Höhe von 567 682 000 e eine Zunahme um 14521 000 /( und die Lombardforderungen mit 81 937 000 6 eine solhe um 5 449 000 a zeigen; es betrug ferner der Notenumlauf 849 905 000 oder 27 537 000 X mehr als in der Vorwoche, während die sonstigen täglich fälligen Verbindlichkeiten im Be- trage von 230 623 000 /6 eine Abnahme um 8119 000 ausweisen; die an eine Kündigungsfrist gebundenen Verbind- lichkeiten sind um 482 000 M auf 49 228 000 4 angewachsen.

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Großherzoglich badische Präsident des Ministeriums des Jnnern, Stoeßer, ist hier angekommen.

—. DeY General - Lieutenant von Conrady, bisher Commandeur der 1. Division, ist aus Anlaß seiner Verseßung in gleicher Eigenschaft zur 2. Division behufs Abstattung per- jönlicher Meldungen mit Urlaub hier eingetroffen.

Der General-Lieutenant von Bülow, Jnspecteur der 2. Feld-Artillerie-Fnspektion, ist von Torgau, resp. Erfurt, wohin er sich zur Musterung des Thüringischen Feld-Artillerie- Regiment Nr. 19 begeben hatte, hierher zurückgekehrt.

mem»

Oesterreich-Ungarn. Wien, 10. Mai. (W. T. D) Das Abgeordnetenhaus erledigte heute die General- debatte über das Geseg, betreffend die Maßregeln gegen die Zhierseuchen, und beschloß mit allen Stimmen gegen zwei in die Spezialdedatte einzutreten.

Die „Polit. Korresp.“ meldet: Aus Belgrad: Die europäische Grenzkommission hat sich nah Nisch be- geben. Dieselbe hatte zuvor wiederholte Besprechungen mit dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten und mit dem Kriegs-Minister wegen Erweiterung der serbischen Grenze im Toplicer Kreise. Fn Folge des Ersuchens der serbischen Re- gierung um Feststellung einer geeigneten Gebirgsgrenze behufs Verhinderung von Einsfällen der Arnauten haben mehrere Groß- mächte ihre Delegirten dahin instruirt, der Bitte der serbischen Regierung zu willfahren. Hiernah wurde Prepolac noch Serbien zufallen. Aus Tirnowa: Der Fürst Dondu- koff-Korsakoff, welcher von Livadia zurückgekehrt ist, wird sih am 13. d. M. nah Sofia begeben. Der Prinz von Battenberg soll morgen, den 11., in Livadia eintreffen, woselbst derselbe auch die bulgarische Deputation empfangen

wird, die zu diesem Zwecke am 13. d. M. dorthin reist. An- fangs Juni wird sih der Prinz dann nach Konstantinopel be- geben und von dort nah Empfang des FJnvestiturberats zur Eidesleistung nah Tirnowa kommen und die Regierung vom Fürsten Dondukoff, welcher nah Rußland zurückehrt, über- nehmen. :

Der Klub der Linken beshloß heute eine längere Erklärung, welche ausfüyrt, daß die diesein Klub treu ge- bliebenen Mitglieder niht ohne Befriedigung auf die abge- laufenen Jahre zurücblicken. Die Erklärung besagt:

Kein Mitglied verschloß sich der Ueberzeugung, daß betreffs der Orientfrage der Einfluß Oesterreihs niht geschwächt werden dürfe, sondern geachtet hervorgehen müsj-, erfüllt von der Zuversicht in die eigene Kraft; keine Anklage vermag jeßt die Thatsache zu entfräften, daß das Vaterland bewahrt blieb vor den Schrecken des Krieges, sowie der Schmach kleinmüthigen Aufgebens \einer selbst. Nachdem die politishe Lage wieder ih vollständig geän- dert hatte, wurden alle Parteien des Reiches in dem Wunsche nach Frieden und geringerer Belastung des Reiches vollkommen cinig. Die Aufgaben der Verfassungspartei betreffs des staatlichen und kulturellen Fortschrittes sind durhaus nit gänzlih erschöpft und abgeschlossen; die Aufgabe der nächsten Zeit besteht in dem tiefern Erfassen der wirthschaftlichen Fragen, namentlich rüc|ichtlich Deutsch- lands, des Südostens und im Inrern. Das küastige Parlament sollte nur eine solche Regierung unterstützen, die in diesen ent- scheidenden Fragen eine klare und feste Haltung zu nehmen vermag und den als nothwendig erkannten Maßnahmen auc gegenüber der gemeinsamen u=d ungarischen Regierung Geltung zu verschaffen wciß. Ersparung auf allen Gebiet.n, folglich in der Militä- verwaltung, war stets in dem Klub- Programm. Die Erklärung betont sodann die Erseßung der Einkommeusteuer dur rationelle Personal-Einkommen- steuer und die Beseitigung des Defizits. Jn den Reichsrath eintretende Czechen würde der Klub aufs Loyalste als Kollezen und Mitarbeiter will- kommen heißen und alle ihre verfassungêmäßigen Anträge einer sorg- fältigen und unb.fangexen Erwägung unterziehen. Die trüben Prophezeiungen sind nicht eingetroffen ; die Bekämpfung des Pessi- mismus und das Eintreten für die Forderungen des Gesammt- reiches bildeten stet? die Nichtshzuur des Klubs, der sih hiercon auch bei dem Ausgleich mit Ungarn leiten ließ; gerade die damalige ge- mäßigte und rersöhnlih? Haltung legt dem Klub die Pflicht auf, niht zu verschweigen, daß zur Konsolidirung des Reichssriedens solche Uebereinkommen niht ausreichen, wofern nicht allenthalben die Ueberzeugung sich befetigt, daß aub in der anderen Reichéhälfte dieselben Anschauungen tiefer Wurzel fassen und daß man auch dort geneigt sei, den einseitigen Standpunkt aufzugeben. Mit den Worten „Friede und Arbeit“ außerhalb des Parlaments und inner- halb desselben w-rden die Klubmitglieder vor die Wähl:r treten.

Großbritannien und Jrland. London, 9. Mai. (Allg. Corr.) Jm Oberhause theilte gestern Viscount BUrLry, der Unter - Staatssekretär des Krieg3-Mini- steriums, in Beantwortung einer Anfrage Lord Truro's, mil: es jer am Dienstag Abend ein Telegramm von Lord Chelmsfor d eingegangen, worin derselbe um Ver- stärkungen für die Garnisonen von Natal und Transvaal bittet und bemerkt, daß drei Bataillone erforderlich sein wür- den. Lord Chelmsford verlange auch Kriegsvorräthe, augen- scheinlih als Ersaß für die durch den Schiffbruch der „Clyde“ verloren gegangenen. Es seien bereits Schritte geschehen, um leßtere zu erseßen, aber da das Gesuch um Verstärkungen in dem Telegramme etwas undeutlih sei, habe das Kriegs- Ministerium beschlossen, bis zum Eintreffen der das Tele- gramm bestätigenden Depesche in der Sache nichts zu thun.

Im Unterhause erklärte in Erwiderung auf eine An- frage Sir Trevor Lawrences der Kriegs-Minister Oberst Stanley: die Regierung habe keine Jnformation erhalten, die das Telegramm der „Daily News“, welches melde, daß die Sicherheit Natals bedroht sei, bestätige.

In Canterbury wurde gestern Oberst Laurie, der konservative Kandidat, mit 1159 Stimmen zum Vertreter der Stadt im Unterhause, an Stelle des wegen Kränklich- keit ausgeschiedenen Mr. Majendre (ebenfalls konservativ) ge- wählt. Auf den Kandidaten der liberalen Partei, Mr. Ed- wards, fielen nur 1103 Stimmen.

Wie die „Daily News“ erfahren, trifft die Regierung Vorkehrungen für die Absendung eines großen Truppen- corps nach dem südafrikanishen Kriegsschauplaß e. Es sind Erkundigungen eingezogen worden, betreffs der Trans- portmittel, um 5000 Mann ohne großen Verzug nah Natal befördern zu können. Die Truppen werden indeß wahrschein- lih nicht vor 2 oder 3 Wochen abgehen.

Aus Simla mird dem „Reuterschen Bureau“ unterm 8. d. M. telegraphirt: Der Emir Ja kub Khan traf heute Morgen in GBandamuk ein, Major Cavagnari empfing ihn an ter Grenze, begleitet von einem Detachement des 10. Husaren-Regiments und der Guiden. Britische Truppen aller Waffengattungen bildeten Spalier bis zu dem 24 Meilen entsernten Lager. General Sir Samuel Browne und sein Stab er1pfingen den Emir am Ende des Spaliers, worauf 21 Salutschüsse abgefeuert wurden. Der Emix hat dem Vizekönig seine Ankunst angezeigt und den Wunsch nah Herstellung freundliher Beziehungen zwischen «Fndien und Asfghanijtan zu erkennen gegeben. Major Cavagnari telegraphirte dem Vizekönig aus Gandamuk, daß die militärishe Demonstration zu Ehren der Ankunst cFakub Khans in dem britischen Lager sehr glänzend war, und daß der Emir mit scinem Empfange sehr zufrieden zu sein schien. Jn der Begleitung des Emirs befinden sich Mustaufi,

General Daoud Schah und mehrere Mitglieder seiner Familie. .

Aus Simla wird unterm 8. d. M. ferner gemeldet: Eine Rechtfertigung des Vorgehens des Generals Roberts im Khostthale, dessen im englishen Parlament am 17. Februar Erwähnung geschehen, ist veröffentliht worden. Der Ober- befehl38haber hat das Verhalten des Generals gutgeheißen.

10. Mai. (W. T. B) Nach aus der Kapstadt hier eingetroffenen Nachrichten, voin 26. v. M., begiebt sid General Chelmsford mit dem Generalstabe nah Utrecht. Der Bruder des Königs Cetewayo, Magneza, hat mit einigen Anhängern den Engländern seine Un ter? werfung angezeigt.

12 0, (W-L. V) Dr „Dimes“ wird aus Gundamuk, von gestern, telegraphirt: Major Cavagnari überreiht Jakub Khan ein an den Emir von Kabul adressirtes Schreiben des Vizekönigs, durch welches Jakub Khan als faktisher Herrscher von Afgha- nistan anerkannt wird.

Frantreih, Paris, 8 Mai (r. Korr) Die zweite Abtheilung des Staatsraths trat heute zusammen, um sih mit der Angelegenheit des Erzbischofs von Aix zu beschäftigen, die wegen Amtsmißbrauchs an den Staats- rath verwiesen ist. Dieser Amtsmißbrauch wurde in scinem bekannten Hirtenbriefe gefunden. Staatsrath Marbeau war Berichterstatter. Die Abtheilung hct erkannt, daß die Anklage begründet ist, und sie an die Gesaruntsißung des Staatsraths

verwiesen, die am näthsten Donnerstag zusammentritt. Der Klerus führt dem eingeleiteten Verfahren gegenüber eine sehr troßige Sprache. „Wir glauben nicht“ sagt die Geistlichkeit von Aix in einer Adresse an den Erzbischof, „daß der Staats- rath in dem Hirtenbriefe Veranlassung zu einem Tadel wegen Amtsmißbrauchs finden wird; sollte er aber doch, so würde das für Jhre Größe ein Ruhm mehr sein und ein weiterer Anspruch auf unsere Verehrung und Ergebenheit.“

(Cöln. Ztg.) Für die am 15. beginnenden Arbeiten der Deputirtenkammer sind umfassende Vorlagen bereit. Der Minister des Jnnern hat einen Geseßentwurf fertig, der das jeßige Gesez über di: Maires v-rvollständigt, die Zu- sauimenseßung ordnct, die Befugnisse der Gem:inderäthe er- weitert und die Oeffentlichkeit der Sißungen bewilligt. Der Bauten-Minister wird den Entwurf über den Bau des Kanals von Toncarville nah Havre, ferner mehrere Eisenbahngesete, so ein Geseg über eine zweite Klassifizirung der Eisenbahnen, welche die Linien betrifft, die niht der vor den Kammer- ferien angenommenen augemeinen Klassifizirung angehören, vorlegen. Der Justiz-Minister bereitet einen Entwurf vor, durch den die Anzahl der Gerichte und die Anzahl der Mit- glieder der Appellhöfe beshränkt wird, und einen anderen Entwurf, der Reformen în den Bestimmungen des Straf- geseßbuches über Vorhaft und geheime Untersuhung anordnet. Der Finanz-Minister bereitet ein Geseß über die Checs vor, von denen mehrere Arten besteuert werden sollen. Der Marine-Minister wird einen Entwurf vorlegen, der das Militärsystem des Mutterlandes auf die Kolonien überträgt und die dortigen Franzosen zum Kriegsdienste heranzieht.

Q) Dr Cem elde Dag sich der gestrige Ministerrath mit den Fragen , betreffend die Reorganisation der Pariser Polizeipräfektur und die Rückkehr der Kammern nach Paris, beschäftigt habe, und fügt hinzu, wenn in diesen Fragen auch einige Meinungsverschiedenheiten über die in Anwendung zu brin- genden Mittel vorlägen, so bestehe doch cine Uebereinstimmung über das zu erreichende Ziel. Folgeweise sei eine Verstän- digung zum Voraus erreicht.

2 Mai C. D. B) Die Morgenblätter ind im Allgemeinen der Ansicht, daß keine Ministerkrisis eintreten werde, bevor die Frage wegen Zurücverlegung der Kammern nah Paris vor die Kammern komme. Die „Ré- publique française“ meint, daß man einen Sturz des Ministeriums vermeiden sollte, weil man nicht sicher sei, daß durch ein anderes Ministerium die Sache besser erledigt würde ; das gegenwärtige Kabinet repräsentire die Durchschnittsansicht der Majorität der beiden Kammern, und mit diesen Majoritäten müsse man regieren.

Ma (Wi V) De Uher der aug eten Linken, Clémenceau, legte in einer gestern stattgehabten Privatversammlung sein Programm dar und ver- langte namentlich Preß-, Vercins- und Versaminmlungsfreiheit, die Säkularisation des Unterrichts, die Unterdrückung der Dbedienzbriese, die Reduktion der Militärdienstzeit, die Aus- dehnung der Militärdienstpfliht auf die Seminaristen, die Aufhebung der Seminarstipendien, die Trennung von Kirche und Staat und endlih ein auf Einkommensteuer und Frei- handel gegründetes Steuer- und Zollsystem. Nach Darlegung des vorstehenden Programms unterzog der Redner die Hal- tung der Regierung in verschiedenen Fragen einer ausführ- lichen Kritik und {loß mit der Erklärung, daß es Zeit sei, den Weg einer wahrhaft republikanischen Politik einzuschlagen, damit alle Spaltungen der republikanishen Partei vermieden würden.

Marseille, 11. Mai (W. T. B) Anläßlich der hier stattgehabten landwirthschaftlichen Kreisausstellung hielt der Handels-Minister eine Rede, in der er auf De Jett Dem Jahre 1870 ¿Ur DUtO fuhrung e: brachten Verbesserungen hinwies und namentli her- vorhob, daß die Armee reorganisirt sei, daß die Grenzen ge- {hüßt seien, und zwar, nit um das Ausland zu bedrohen, sondern um die Sicherheit des Landes zu vermehren, und daß endlih die Steuern herabgeseßt worden seien. Der Minister \{hloß mit der Aufforderung zur Erhaltung der Ordnung und V eFriedens, die für die Wohlfahrt des Landes unerläßlich eien.

2 M (V B) Der Handels- Minister Tirard erklärte in Erwiderung auf die Rede des Präsidenten der Handelskammer, daß die Prinzipien des internationalèn Handelsverkehrs sich nur auf dex Grundlage der Reziprozität verwirklichen ließen.

Spanien. Madrid, 9. Mai. (Ag. Hav.) Der Ministerrath wird si am Montag unter dem Vorsiß des Königs versammeln, um die Botschaft an die Cortes ah- zusassen. Die Majorität der Cortes wird die Berathung der Reformen für Cuba bis zum Herbst verschieben.

Griechenland. Athen, 10. Mai. (W. T. B.) Jn Arta haben Manifestationen zu Gunsten einer Vereini- gung von Epixus mit Griechenland stattgefunden ; die Mani- festanten begaben sich vor das Gebäude des französischen Kon- lulats und drüdckten der französishen Republik ihre Sym- pathien aus.

Numänien. Bukarest, 11. Mai. (W. T. B.) Ge- genüber den bei der Wahlpropaganda von gewisser Seite ausgegangenen Behauptungen, das Kabinet Bratiano hätt2 dem Auslande gegenüber Verpflichtungen hinsichtlich der die Stellung der Juden betreffenden Frage übernon:- men, veröffentliht tas amtliche Blatt ein Communiquè, in welchem erklärt wird, daß die Regierung keinerlei Ver- pflihtung übernommen habe. Weiter werden jene Behaup- tungen als Verleumdungen bezeichnet, welche geeignet eien, Ruhestörungen im Lande herbeizuführen, und die Fateressen des Landes zu gefährden.

Nufßland und Polen. St. Petersburg, 10. Mai. (W. D B) Die Verwaltung dex NeiWsvant macht bekannt, daß auf Grund der Kaiserlihen Befehle vom 10 Februar 18/8 Und, von 25. April d. J. die vierte Emission ‘von Obligationen der Reichsrentei auf furze Frist im Gesammtwerthe von 50 Millionen Rubel erfolgen wird. Die Obligationen follen zum Nominalwerthe von 1000 und 5000 Rubel emittirt werden, sind mit 4 Prozent zu verzinsen und gelten auf eine vom 1. Mai c. (a. St.) an zu berehnende Frist von 6 Monaten.

=— U Va L) Se Kalserlie Hoheit der Großfürst Michaek ist mit seiner Gemahlin und seitiem ältesten Sohne, deni Großfürsten Nicolaus, heute nach dem Auslande abgereist.