1879 / 145 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 24 Jun 1879 18:00:01 GMT) scan diff

Am 16. Oktober 1877 beging derselbe unter vielseitiger Theilnahme der auswärtigen Gescwichts- und Alterthumsvereine oder ähnlicher Institute das 50jährige Amtsjubiläum seines hochverdienten ersten Sekretärs, des Geheimen Raths Lis. Die Zahl der ordentlichen Mitglieder des unter dem Protektorat Ihrer Königlichen Hoheiten der Eroßherzoge von Medcklenburg - Schwerin und M:cklenburg- Strelitz stehenden Vereins betrug im verflossenen Jahre 265. Ferner zählte der Verein 5 Hohe Beförderer, an der Spiye Se. Majestät den Kaiser, 3 Ehrenmitglieder und 53 korrespondirende Mitglieder. Vorsitzender des Vereins ist der Minister-Präsident Graf v. Basse- wiß. Das medlenburgishe Urkundenbach ist bis zum 12. Bande ge- diehen. Die Sammlungen und die Bibliothek des Vereins haben au im vergangene: Jahre mannigfache Vermehrungen erfahren.

Von dem im Verlage von Fr. Kortkampf hierselbst ersciene- nen Werke: „Verhandlungen der Reihs-Justizkommif- \fion“ liegen die vor einiger Zeit herausgeaebenen leßten Hefte vor, welche die „Verhandlungen über den Entwurf einer Stra{prozeß-Ordnung Ik. Theil, 11. Lesung“ umfassen. Von den, Verhandlungen der Reihs-Iustizkommission“ sind auße. dem bis jeßt erschienen: Band I. Strafprozcß, erste Lesung; Band Il. Civilprozeß, erste und zweite Lesung in einem Bande; Band ll. Gericbtsverfassungz I. Tbeil, erste Lesung; 11. Th.il, zweite Lesung. Die Ergebnisse der IIT. Lesungen von „Strafprozeß-“ und „Ge1ichts- Verfassung“ follen, wie die Verlagsbucbhandlung mittheilt, im Laufe des Somtners erscheinen. Band 1. und 1Il. sind na unmittelbaren Aufzeichnungen und bezw. nah den amtlichen Protokollen, Band II. ist nur auf Grund der leßtern von dem Kreisgerichts-Rath Polenz, Mitverfafser der Motive zur Civilprozeß-Ordnung, bearbeitet. Wie eine Durdsicht dieser der Hauptsabe nah fertig vorliegenden Bände ergiebt, sind diejenigen, welhe nah Abschluß der Kom- missicnsverhandlungen erschienen sind, nach anderen Grundsäßen als die zuerst veröffentlihten Heste bearbeitet. Während diese mehr eine gedrängte Uebersicht des Gesammtverlaufes der Ver- bandlungen unter entsprechender Hervorhebung der wesentlihen Mo- mente bieten, dienen jene zugleih auch dur das in größerer Aus- führlihfkeit wiedergegebene Material aus den amtlichen Protokollen interpretatorishen Zwecken. Die Mittheilung auch der abgelehntea Anträge und der Verhandlungen darüber wird als ein für das Studium der Entstehun sgeschichte willkommenes Material si erweisen. Das Werk fkann somit als ein solches be- zeichnet werden, welches verdient, unter den vielen Werken über die demnächst in Kraft treiende neue Justizgesezgebung in erster Reihe mitgenannt zu werden als geeignet, in den Geist dieser Gesetzgebung einzuführen, indem dasselbe wesent- lich da:u dienen wird, einen raschen Ueberblick über die Gesichts- punkte zu gemähren, von welchen die Kommission bei ibren von dem Entwurfe abweichenden Beschlüssen ausgina. Bezüglich der äußeren Anordnung des Satzes, Beifügung der Paragraphen und Nummern des Gesetes 2c. ist alles gethan, um den Gebrauch dieses Quellen- werkes leiht und angenehm zu machen. Í

Im Verlage von Gustav Hempel hierselbst sind soeben die Lief. 4—7 von Mar von Oesfelds Ausgabe der neuen deut- {hen NReihs-Justizgeseue erschienen. Dieselben enthalten die Fortset:ung der Civilprozeßordnung von §. 384—872 oder von Buch 2—10. Es liegt somit jeyt die Civilprozeßordnung vom 30. Januar 1877 vollständig vor. Den einzelnen Paragraphen des Textes sind Anmerkungen beigefügt, durch welcye dieselben in zwed- mäßiger Weise ausführlich ergänzt und erläutert werden. Die fol-

enden Lieferungen werden die übrigen neuen Justizgeseße die trafprozeßordnung, die Konkursordnung, das Gerichtsverfafsung8- geseß, das Gerichtékostengeset, die Rechtéanwalts8ordnung, die Ge- bührenordnungen für Anwalte, Gerichtsvollzieher und Zeugen nebst Motiren, die Ein- und Ausführungsgesete u. \. _w. gieichfalls für den praktischen Gebrauch ergänzt und erläutert bringen. LÆand- und Forstwirthschaft.

St. Petersburg. (St. Pet. Herold.) Das Ministercomité hat dur eine am 11./23. Mai Allerhöchst bestätigte Resolution be- \{lofsen, in den Gouvernements Bessacabien, Jekaterinosslaw, Pol- tawa, Taurien, Charkow und Chersson als temporäre Maßregel die obligatorishe Dienstleistung bei Vertilgung des Kornkäfers einzuführen, Dem Minister des Innern sind u. A. folgende Tele- gramme der Gouverneure zugegangen :

Aus Charkow. Der Käfer ist in geringerer Menge als im ver- gangenen Jahre aufgetreten, zudem gehört er einer anderen Battung an (anisoplia segetum), Dieser Käfer fällt vorzugêweise auf den Roggen und frißt bauptsächlich die Staubfäden beim Blühen des Ge- 1reides; der im vergangenen Jah1e aufgetretene Käfer (auis0pl’a austriaca) ist nur in unbedeutender Zahl im Kupjanschen Kreise vorhanden. Die Vertilgung des Käfers mit Fangmaschinen, und wo dic e fehlen, mit den Händen, wird mit Erfolg betrieben.

Aus JIekaterinosslaw. Sobald in einigen Kreisen der Kornkäfer aufgetreten war, wurde foort daran gegangen, ihn theils durch Ab- lesen von den Aehren, theils durch besondere Vorrichtungen zu ver- nichten. Das Vorkommen des Käfers in dichten Massen und auf fleinem Raum erleichtert seine Vernichtung, so daß das R. sultat erfolgreih ist und vorläufig noch kein Schaden für das Getreide vorausgesehen wird. /

24. Juni. (W. T.¿B.) Ein Telegramm des Gouverneurs von Cherson, vom 283. d. M., meldet, daß die Felder der am Strande liegenden Dörfer Koblewka und Adschiaska von enor- men Massen durch die Meereswellen az das Ufer ges{leuderter Kornkäfer bedeckt sind. Es sind Maßregela ergrisfen worden, um die Käfer auszurotten,

Gewerbe und Handel.

Ait 2 Sul soll «iu Dffenbac à- M: die Lände Gewerbe-Ausfstellung des Großherzogthums Hessen pro 1879, unter dem Protektorat Er. Königlichen Hoheit des Groß- herzogs von Hessen, eröffnet werden. Dieselbe wird gewerbliche und kunstgewerbl.che Gegenstände, Maschinen 2c., sowie Kunstwerke und Alterthümer aus den berühmtesten Sammlungen des Großherzog- thums umfassen.

Die Nr. 15 (ausgegeben am 1. Juni) der „Zeitschrift für technische Hohschulen“, Organ des Allgemeinen deutschen Poly- technikferverbandes, herausgegeben vom Akademischen Verein der Poly- techniker zu Hannover (unter der Redaktion des stud. H. Albrecht und stud, A. Joseph in Hannover, im Kommissionsverlage von Carl Schüßler in Hannover) hat folgenden Inhalt: Die Ausstellung arcitektonisher und dekorativer Reise- Skizzen zu Berlin von Otto Dôgel ; Verbandsangelegenheiten; Chronik der technishen Hochschule zu Berlin; Vereinsnachrichten : Polytechnischer Verein zu Karlsruhe, Polytechniker-Gesangverein „Erato“ zu Dresden ; Inserate.

Verkehrs-Anftalten-

Triest, 24, Juni. (W. T. B) Der Lloyddampter „Juno“ ist mit der ostindi]chen Ueberlandpost gestern Nachmiitag aus Alexandrien hier eingetroffen.

Plymouth, 23. Juni. (W. T: B) (Dex: Hamburger Postdampfer „Herder“ ist hier eingetroffen.

New-York, 23, Juni. (W. T. B) Der Dampfer „Helvetia“ von der National-Dampfschiffs-Compagnie (C. Messingsche Linie) ist hier eingetroffen.

Berlin, den 24. Juni 1879,

Das neue Sool-Dunstbad im Königlichen Soolbad Elmen bei Groß -Salze unweit Magdeburg.

Zu den Neu-Anlagen des in raschem Aufstreben begriffenen Bade- orts Elmen ist im laufenden Monat ein neues Sool-Dunstbad mit zeitgemäßen Einrichtungen getreten.

“C8 ist hierdurch ein empfehlenswerthes Glied in der Reihe der bewährten Heilmittel von Elmen geschaffen. Bisher konnte der dortigen Nachfrage nah Dunstkuren aus räumlichen Rücksichten nur in sehr dürftiger Weise entsprochen werden.

Dur die Verbindung des neuen Dunstbades mit verbesserten Betriebsanstalten verschiedener Art, mit erweiterten und wesent- lich verschönerten Park-, Garten- und Wegeanlagen und mit Kinderspielpläßen erscheint jener Ort wohlgeeignet, nunmehr die Aufmerksamkeit der Genesungsuchenden wie der Erholungsbedürftizen mit steigendem Interesse auf sich zu lenken.

Bereits im vorigen Jahre is ein sehr erhebliher Aufs{wung des Badeortes eingeleitet worden, und zwar durch die Eröffnung eines neuen Soolwannenbades, des Lindenbades, durch die Verschö- nerung der vorhandenen Wandelbahn (Kolonnade mit Trinkhalle), sowie durch die Vergrößerung des ausgedehnten fiskal:\{chen Bade- parkes. In Nummer 104 dieses Blattes vom 3. Mai vor. Is. ist deshalb auch Veranlassung zu eincr Beschreibung des „Lindenbades“ genommen, während ebenda zugleich auf die von Amtswegen heraus- gegebene neue Druckschrift: „Das Königliche Soolbad Elmen“, eine balneologis{-statistishe Skizze Verlag von O. Senff in Schône- beck, 1878 ergänzend hingewiesen wurde. É

Das neue Sooldunstbad ist ganz in der Nähe des neuen Soolwannenbades, auf dem anstoßenden „Kunfthof“ des Gradir- werks massiv errihtet. Dasselbe zerfällt in zwei Abtheilungen von je 3,35 m lichter Höhe: Die eine enthält die Räume des Frauen- bades und li-gt nah der zugehörigen Gartenseite hin, die andere, nah dem Kunsthof, der EingangEseite hin belegen, enthält die Räume des Männerbades. Beide Abtheilungen werden von einem gemein- samen Flur aus betreten; sie sind behaglich und hübsch ausgestattet und zeitgemäß möblirt. Jede Abtheilang ist für vier gleicbzeitig Badende bemcssen und besteht aus einem Vor- und Wartezimmer, cinem Aus- und Ankleidezimmer, einem Schwißzzimmer und einem Sooldunstbaderaum.

Die in Cementmörtel-Mauerwerk mit gewölbten Decken ausge- führten Baderäume sind durch Doppelfenster, die übrigen Räums- lichkeiten durch gewöhnliche und dur Zenithfenster in Mattglas an- gemessen erhellt. Die Bade- und Shwißräume werden durch doppelte Thüren vermittelt. ;

Die Aus- und Ankleidezimmer werden durch eiserne Oefen, die Schwitzimmer dur Kachelöfen erwärmt. Leßtere enthalten bequeme Ruhebetten mit wollenen Decken und sonstigem Zubehör. |

Unter der Gewölbdecke der Diensträume sind nah der Mitte dieser Räume geneigte Brettcrdecken so angelegt, daß eine Belästigung der Badenden durch Herabtropfen des Sooldunstes nicht stattfindet.

Die Pritshen der Dunsträume bestehen aus je einer 0,30 m hohen Stufe und je zwei, in verschiedener Höhenlage angebrachten, geneigten Lagerstätten. Die von den Pritshenanlagen freigelafsenen Theile der Wandflächen sind mit Brettern getäfelt, ebenfo die unteren Theile der Schwitzimmer.

Die Zuführung von Soole, Vampf und Warmwasser erfolgt mittels unterirdisher Rohrleitung von der benahbarten Soolschacht- und Dampffkessel-Anlage des &radirwerks her.

Zur Erzeugung des Sooldunstes findet si in jedem Baderaum ein Völzerner, mit einem vielfah durchlöberten Deckel versehener Bottich tür die Badesoole, welhe dur Einführung von Wasser- dampf bis zum Siedepunkt erhißt wird. Das fo entstandene Salz- wassergas kontensirt durch den freien Zutritt atmosphärischer Luft zu Sooldunst, einem Medium, dessen Temperatur anerkanntermaßen stabiler als die des Wasserdunstes ift. :

n der Decke jedes Baderaumes ist außerdem eine Regendouche- Vorrichtung von kalter Soole (Quellensoole von (+) R.) ange- bracht, welch auch als Sturzbad gebraucht werden kann. Zu diesem Zwette stehen auf dem Dachboden des Gebäudes zwei besondere Sool- dehälter. Mit Hülfe derselben kann zugleih die Temperatur des Baderaumes leiht und {nel nach dem ärztlih verordneten Grade regulirt werden. Desgleichen ist ebenda die Einrichtung für Ein- athmungszwecke ausreichend getroffen.

In der Zeit vom 4. bis 8, September v. I. tagte in Hamburg die Permanente Kommission der europäischen Grad- messung. Die Verhandlungen derselben, redigirt dur die Sdriftführer Dr. C, Bruhns, Professor in Leipzig, und Dr. A. Hirsch, Professor in Neufchatel, find jeßt, in deutscher und französischer Sprache, im Druck erschienen (Berlin 1879, Verlag von Georg Reimer). Den Sibßungen präsidirte der General-Lieutenant Ibañez aus Madrid. Das Programm für die Berathungen war 1) der Bericht der genannten Kommission und des Centralbureaus, welchen Hr. Bruhns in deutscher und Hr. Hirsch in französisher Sprache vortrug. Aus dem erstgenannten Bericht is hervorzuheben, daß in allen betheiligten Ländern die Arbeiten der europäishen Gradmessung vorgeschritten sind. Nach dem Bericht des Centralbureaus (erstattet von dem Prâä- sidenten desselben, General-Lieutenants Dr. Beyer) war für das Jahr 1878 in Au-siht genommen: das trigonometrishe Nivellement des Dreiecks zwischen Neuwerk, Helgoland und Wangeroog und die Wiederholung des badishen Nivellements in entgegen- geseßer Richtung, von Constanz bis Heppenheim, sowie Aus- füllung der Lücke in dem Nivellement um den Bodense? (Radolfzell- Friedrichshafen). Hr. Professor Dr. Börsch hat mit Wiederholung des früheren Nivellements Berlin-Swinemünde in entgegengeseßter Richtung begonnen und, nachdem die Resultate der niederländischen Nivellemerts zwiscdea Amsterdam und Salzbergen bez. Venlo einge- gangen waren, eine (dem Bericht als Anhang 1. beigefügte) provi- sorisde Vergleichung der Höhenlagen der Mittelwasser der Nordsee bei Curhaven und Ostende, der Zuidersee bei “Amsterdam, das Mittelmeer bei Marseille und des Kanals bei Calais gegen das Mittelwasser der Ostsee bei Swinemünde zusammengestellt. Das leßtere zu (000 m geseßt, ergiebt si für Berlin (Treppen- podest des Siege:denkmals an den 4 Eden des Aufbaues im Mittel) —+ 36,924 m, Magdeburg + 50,415 w, Hannover + 957,365 1, Zuidersee + 0,069 m, Nordsee bei Ostende + 0,037 m, Straßburg am Portal des Münster + 144,985 m, Mittelmeer bei Marseille 0,697 m, Atlantisher Ozean bez. Kanal bei Bayonne + 0,159 m, La Rocbelle 0,297 m, Brest + 0,325 wm, Calais + 0,056 m. Der zweite Gegendstand der Tagesordnung waren die Berichte der Bevoll- mächtigten über die Fortschritte der Arbeiten in ihren Ländern im Fahre 1878, worüber der mitabgedruckte Generalberiht noch ausführ- lichere Auskunft ertheilt. Den dritt:n Gegenstand bildeten Anträge, be- treffend wissenschafilihe Arbeiten. Der Bevollmächtigte, Obrist- Lieutenant Adan aus Brüssel hatte in drei Broschüren einige wissenschaftlihe Fragen über die Zugrundlegung ver- schiedenen Abplattungen bei Berechnung der Dreiecksneße angeregt, die einer Kommission überwiesen wurden. Prof. Dr. Hirsch verlas ein Schreiben des General-Licutenants Dr. Baeyer, betreffend die Gründung eines Observatoriums zur Erforshung der terrestrischen Refraktion. Die Kommission erklärte einstimmig die Gründung eines solchen Observatoriums für nützlich und wünschenswerth.

Der erwähnte Generalberiht über den Fortschritt der Ar- beiten für die europäishe Gradmessung im Jahre 1878 bezieht si auf Baden, Bayern, Belgien, Dänemark, Frankreich, Hessen, Holland, Ftalien, Norwegen, Oesterreich, Por:ugal, Preußen, Rumänien, Ruß- land, Sacsen, Schweiz, Spanien, und die Vereinigten Staaten von Nordamerika.

Als weiterer Anhang is den Verhandlungen die Abhandlung Sur la construction de la règle géodésìque internationale par MM, H. Sainte-Claire Deville et E. Masca t (Paris, Gauthier-Villars) welche diese Herren der Kommission am 5. Dezember mitgetheilt haben, beigefügt. In dieser Abhandlung sind die Grundsäße und Methoden entwidctelt, welche Hr. H. Sainte-Claire Deville bei Bestimmung der physikalischen Konstanten der für den internationalen Basisapparat bestimmten Meßstange befolgt hat.

Die Berliner Gewerb e-Aus stellung wurde in der Woche vom 16. bis einschl. 22. Juni von ca. 52620 zahlenden Personen besucht. Die Gesammtzahl der zahlenden Besucher von der Eröff- nung bis zum 22. d. M. ein\{l. betrug 396 252.

Zit Dex Aut hropologishen Gesellschaft machte am Sonnabend Professor Virhow Mittheilungen über Troja. Die Zahl der Grabhügel, äußerte derselbe, erscheine im Allgemeinen

recendsten natürlihe Gebilde sind. Aber auch unter den künst- lihen Grabhügeln befinden sich viele, die keine ‘Ausbeute geben. Scliemann hat sich vor Allem mit 2 großen Tumuli beschäftigt. Einer dieser war der von früheren Forshern als Hügel des Aesinthes 0) bezeichnete, von dem aus auch Forchhammer seine

feier, als fi- wirklich is, da gerade die \{hönsten und vielver- p

Studien begonnen hatte. Dieser Hügel ift einige 60 Fuß hoch. Schon nah kurzer Het stieß man bei den Ausgrabungen auf Mauern, die bis auf den Felsengrund führten und gleihsam als Stüßpunkt für die ganze Konstruktion dienten; menschliche Gebeine fand man jedo nicht. Einen desto interessanteren Fund lieferte der andere Hügel, der sich als ein Massengrab herausstelte indem neben Steingeräthen auch Bronze sich vorfand. Dieser Fund ift dem Berliner Museum als Geschenk überwiesen worden. Was nun Sckiemanns Forschungen speziell anbetrifft, so hat Prof. Virchow den Eindruck gewonnen, daß kein Grund vorliegt, die An- ficht zu bestreiten, der Punkt, den Schliemann gewählt, sei in der That der, welcher in der alten Sage als Thatort der Ilias fort- gelebt hat. Allein der Umstand, daß man bisher noch nie in der Welt eine derartige Trümmeraufhäufung, wie fie sich_ hier zeigt, gefunden hat, ist ein Beweis dafür, daß eine immense Zeit seit der ersten Gründung vergangen sein muß. Welchen Namen nun diesec Ort ursprüoglich gehabt hat, ist an sich ganz gleihgültig Schlie- mann selbst ist unter dem Drucke der gegen ihn gerichteten An- griffe dahin gekommen, seine Funde ganz objektiv hinzustellen und bei Herausgabe seines neuen Werkes auf jeden Spezialnamen verzichten zu wollen. Prof. Virhow kann dies im Allgemeinen nicht billigen ; es bleibe zuleßt do nichts übrig, als die erforshten Sachen chrono- logish zu ordnen, und mit dem was wir wissen in Beziehung zu bringen, und da werde man doch immer wieder auf Homer zurück- kommen. Was nun die ä‘uégrabungen selbst anbetrifft, fo it man an verschiedenen Stellen bereits bis auf den Urboden vorgedrungen. Wie groß die Arbeit Schliemanns gewesen, zeigtein großer Blo, der das frühere Niveau der Fläche darstellt. Dieser Block steht nahezu 20 m über dem Felsenbettk, und diese ganze Höhe ist mit Rudimenten alter Woh- nungen u. dgl. angefüllt, in denen sich die aufeinanderfolgenden Pe- rioden meist genau unterscheiden lassen. Man hat es Schlie- mann zum Vorwurf gemacht, daß er nicht Scbicht für Schicht vor- gegangen ist, sondern sofort sich der untersten Schicht zugewandt hat. Gegen diesen Vorwurf glaubte ihn Prof. Virchow in SE nehmen zu müssen. Die hier dem Dr. Schliemann zugemuthete Arbeit hätte weit die Kräfte eines Mannes überschritten, und sicher würden wir dann noch nicht auf die Resultate hinblicken können, die wir jeßt vor uns haben. Zudem konnte ja Swliemann nur für die unterste Schicht Interesse haben. Redner verzichtete für diesmal, näher auf Details einzugehen, auf die er zurückzukommen gedenkt, wenn feine Samm- lungen eingetroffen seien. In dieier Sammlung befindet sich au ein 25 Centner s{chwerer Vorrathstrog aus dem „Hause das Priamus“ oder wie Schliemann jeßt sagt, des Stadthauptes. Den größten Theil der Sammlungen gedenkt Virhow dem iesigen Museum zu überweisen. Unter den geschäftlichen Mittheilungen der Sitzung verdient Erwähnung, e der Kultus-Minister der Gesellschaft wiederum einen Zuschuß von 1500 4 bewilligt i a Afrikareisenden Hildebrand ijt ein vom 21. April datirter Brief aus Nossi eingetroffen, in dem er mittheilt, daß er in etwa 3 Wochen nach der Provinz Mena auf Madagascar aufzubrehen gecenke. Er wird somit die Route eins{lagen, die der fürzlih ermordete Rutenberg gewählt hatte. In Aden hat Hilde- brand eine Reihe von Messungen an Angehörigen verschiedener Araber- \stämme vorgenommen.

Die Ziehung der Loose des Vereins Invalidendank findet in den Tagen vom 24.—29. ds. in der Charlottenstr. 19, 3 Treppen, statt.

Fulda, 23. Juni. In unserer Stadt fand gestern, wie der „Hess. Beobachter“ schreibt, die feierliche Enthüllung unseres Kriegerdenkmals ftatt. Die von Patriotismus getragene \chwungvolle Festrede hielt der Seminardirektor Dr. Heskamp. Der Redner führte aus, daß uns das Denkmal sein müsse ein Gedenkstein nie erlöschenden Dankes, ein Siegesdenkmal, zu dem wir mit Stolz und Freude emporblicken können, und dann aber auch ein ernstes Mahnzeichen, daß wir wahren und {irmen das kostbare Kleinod, welches so {wer errungen worden. Das Denkmal ift stattlih, es trägt die Namen von 32 Gefallenen. Zur Feier war eine große Menge von Kriegervereinen aus weitem Umkreise und auch der Landesdirektor von Bischoffshausen aus Cassel erschienen.

Den „Hamb. Nachr.“ wird aus Stockholm, vom 21. Juni, gemeldet: Der Marine-Minister von Otter erhielt heute einen Brief vom Professor Nordenskjöld, datirt 18, Oktober 1878, 679 7‘ nördlicher Breite, 1739 32 östlicher Länge. Nordenskjöld verließ dana Lena am 27. August, kam auf der Liakowsinsel am 30., beim Kap Sceliaskoi am 6., beim Kap Iakan am 7., beim Kap North am 18., in Kuljushin am 27. und am 28. September bei der Ueber- winterungéstele an. Die Passage von Lena war äukerst {wer ; 500 bis 700 enaglishe Meilen mußten durch starkes Treibeis forcirt werden. Am Strande liegen 3 von Eingeborenen bewohnte Dörfer; ein Fürst unter den Tschuktschen hat den Brief gelegentlih eines Be- \suhes im Dorfe zur Beförderung übernommen.

Aus Messina, vom 18. Juni, {reibt man der Augsburger „Allg. Ztg.“: Gestern telegraphirte ich Ihnen, daß die Dörfer Santa Venerina und Guardia von einem Erdbeben theilweise zer- stört seien. Bis jeßt sind uns hier nur sehr unbestimmte Gerüchte zu Ohren gekomme"; nah socben erhaltenen offiziellen De peschen an die hiesige Militärbehörde handelt es \sich niht um ein Erdbeben, sondern um eine Senkung der Erdoberflähe. Am meisten {eint das Oerthen Bongiardo gelitten zu haben, Santa Venerina und Guardia weniger, jedoch sollen allercrts Menschenleben verloren ge- gangen und die Zahl der Schwer- und Leichtverwundeten groß sein. Von hier wurde eine Compagnie Artilleriesoldaten und eine Com- pagnie Infanterie mit Spaten und anderem Werkzeug, von Catania weitere zwei Compagnien Infanterie zur Hülfeleistung requirirt. Der Aetna soll gestern Morgen wieder ausgebrochen sein, und zwar nicht an derselben Stelle, sondern mehr am nördlichen Abhange des Berges, oberhalb Linguaglossa; so ließen wenigstens ungeheuere Rauchwolken vermuthen, die sich an genannter Stelle aus dem Berge erhoben.

Eine von der Königlichen Hoftheater-Intendanz zu Mün chen veröffentlichte Erklärung lautet: „Gegenüber den viel- fachen Anfragen bezüglih der Mitglieder der Beurtheilungs- kommission bei der Preisaus\chreibung vom Jahre 1877, und da überdies in der Oeffentlichkeit Namen genannt werden, die mit Beurtheilung der eingelaufenen Stücke durchaus nichts zu thun hatten, sieht \sich die unterzeihnete Jntendanz veranlaßt, auf das obengenannte Preisausschreiben hinzuweisen, worin ausdrücklich gesagt wird, daß die Mitglieder der Beurtheilungskommission erst nach der e Entscheidung, d. h. nah Zuerkennung der Preise, bekannt ge en werden.“

__— Das Repertoire des Bell e-Alliance-Theaters ift für diese Woche, wie folgt festgestellt. Dienstag: „Die relegirten Stu- denten.“ Mittwoch und Donnerstag: „Emmas Roman.“ Freitag (zum Triple-Concert): „Der liebe. Onkel.“ Sonnabend (Sommer- nachtsfest): „Auf hoher See." Sonntag und Montag (neu ein- studirt): „Das Brunnenmädchen von Ems."

Redacteur: J. V.: Riedel.

Verlag der Expedition (Kessel). Drack: W. Elsner.

Drei Beilagen (eins{ließlich Börsen-Beilage).

Berlin:

Erste Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Slaals-Anzeiger.

M 145.

Berlin, Dienstag den 24. Juni

1879.

L df

Nichtamtliches.

Berlin, 24. Juni. Jm weiteren Verlaufe - der gestrigen (64.) Sizung seßte der Reichstag die dritte Be- rathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Verfassung und Verwaltung von Elsaß-Lothringen fort.

Der Abg. Scchneegans führte aus, die Vorlage und die in den Reichstagssißungen vom 21. und 27. März vom Reichskanzler entwickelten Reformprojekte deckten sich im Wesentlichen, die Vor- lage verwirklihe auch im Wesentlichen die Reformen, die er damals als die Wünsche des Landesausschusses vorgetragen habe, und von allen Seiten sei anerkannt worden, daß das Gesetz einen bedeutenden Fortschritt kennzeihne. Der jeßt ein- geschlagene Weg müsse Elsaß-Lothringen zu einer kfonstitutio- nellen Verfassung führen. Jm Jahre 1874 habe es wie im brachen Feld gelegen, ohne erwählte Versammlungen, ohne Vertretung weder im Reichstage noch im Bundesrathe, unter der Herrsc‘ast des Reiches und ohne gesebliches Mandat ; aus der eigenen Jnitiative der Notabeln seien damals Delegirte nah Berlin gegangen, um im Allge- meinen gerade das zu begehren, was heute gewährt werden folle. Im Jahre 1873 hätten sih zum ersten Male die Bezirkstage versammelt und ihrerseits denselben Wunsch ausgesprochen. Zwei Jahre später sei der Landesaus\{uß als berathender Faktor der Gesehgebung eingeführt, und in jeder seiner Sessionen habe derselbe den Wunsh nach Autonomie, nah Selbstverwaltung im Lande, nah allmähliher Gleich- stellung von Elsaß-Lothringen mit den anderen Bundesstaaten wiederholt. Diese Forderung habe sih s{ließlich in folgenden Punkten präzisirt : 1) Verlegung der Landes-Centralverwaltung von Bexlin nah Straßburg; 2) Einseßung eines beschließen- den Landtages in der Hauptstadt des Landes; 3) Ver- tretung der Reichslande, wenn auch nur mit berathender Stimme, im Bundesrath. Jn der Reichstagssession vom Jahre 1877 sei ein erster bedeutender Schritt zur Verwirk- lihung dieser Reform gethan: der Landesaus\huß habe das Recht - erhalten, das elsaß-lothringische Budget ohne Mit- wirkung des Reichstages festzustellen und die Landesgeseße in derselben Weise zu votiren. Viel bedeutender sei die von den Bewohnern Elsaß-Lothringens mit Freuden begrüßte Reform, die heute vorliege und die dem Lande eine zéalie Erweiterung seiner bisherigen Rechte gewähre. Elsaß-Lothringen besiße heute die Organe, vermittelst deren es sich aus sih selbst weiter hervorarbeiten könne zu einem vollsiändigen Staats- wesen. Die Elsaß-Lothringer brauchten es nur Alle zu wollen, und das sei das große Verdienst Derjenigen, die bis jeßt im Landesaus\{huß gearbeitet hätten, daß sie durch ihre kluge

“politishe Hingebung an das Land es der Regierung und dem

Reichstage ermöglichten, seinem im März gestellten Antrage zuzustimmen und ihn jetzt in dieser Geseßesform vorzulegen. Dafür gebühre ihnen der Dank der Elsaß - Lothringer. Er müsse hierbei mit großer Anerkennung der Verdienste der autonomistishen Partei gedenken, welche mit ihrer maßvollen

Haltung dem, was jeßt erreicht sei, vorgearbeitet habe; auch

könne er nicht umhin, dem Reichskanzler, den verbündeten Regierungen und dem Reichstage bei dieser Gelegenheit seinen Dank auszusprechen. Er könne nicht zugeben, daß der Abg. Grad verhin im Namen der Majorität des Landesausschusses gesprochen habe, derselbe gehöre vielmehr der Minorität an. Natürlich sei die Reform noch nicht nah allen Seiten hin ab- geschlossen; was er aber in ihr mit besonderer Genugthuung begrüße, sei der Umstand, daß sie Elsaß-Lothringen die Mög- lichkeit biete, Hand in Hand mit der Regierung die Verhält- nisse zu regeln, Ordnung in der Geseßgebung zu schaffen und weitere Reformen anzubahnen. Er zähle zu diesen leß- teren auch die Abschaffung des Art. 10, des Diktaturparagraphen, dessen Bestehenbleiben ihn aber nicht veranlassen könne, gegen das Gesetz zu stimmen. Es werde Sache der künftigen Landes- vertretung und der Bevölkerung sein, der Regierung die Ueberzeugung beizubringen, daß diefer Paragraph überflüssig sei. Man werde es natürlich finden müßen, daß er als Bürger Straßburgs, der auf die Rechte seiner Vaterstadt so eifersüchtig sei als irgend Jemand, zu den erstrebenswerthen Punkten auch den rehne, der sich auf die direkte Vertretung von Straßburg im Landesaus\chusse beziehe. Hänge Vieles von der Handhabung dieses Geseßes dur die Bevölkerung ab, so komme andererseits auch Vieles darauf an, wie die Regie- rung ihrerseits das Geseß handhaben werde, Vieles auf die Personen, welhe an der Spitze der Verwaltung stehen würden, Vieles werde auch davon abhängen, ob und in welchem Maße die Elsaß-Lothringer selbst in diese Verwaltung hereingezogen werden sollten oder könnten. Jedenfalls hoffe er, daß die zukünftige Regierung sih den wohlgemeinten Rathschlägen Derjenigen nit weiter verschließen werde, welche durch die freie Wahl her Mitbürger in die Bezirkstage und in den Landesausshuß eingetreten und bereit seien, die Wege zu ebnen, welche zu der allmählichen Beruhigung der Gemüther führten. Staatsklugheit und feinfühlende Um- siht der Regierung würden viel mehr zur Lösung der großen Aufgabe der Regierung führen, als der einfache und starre D der den Verwaltungen innezuwohnen pflege.

ie Regierung werde und müsse den elsaß-lothringischen Volkscharakter in seinem angeerbten, oft derben, zähen, aber im Grunde gutmüthigen und dur Been die sih in seine Eigenthümlichkeit einzuleben verständen, leicht m den Wesen erkennen und achten, und dem feinen Taktgefühl eines in dem Wirken der Weltgeschäfte bewährten Staats- mannes werde es niht {wer fallen, zu entdecken, wie und in welcher Weise die heilende Hand mit fester, aber auch vor- sihtiger und sGonender Entschiedenheit die wunde Stelle zu Heilen habe. Man dürfe getrost der Erfahrung des Mannes vertrauen, den die hohe Reichsregierung in das Reichsland \chicken werde und von dessen v “e igl Wirken inmitten der Kriegsbedrängnisse so vielverheißende und ermuthi ende Botschaft y: Elsaß-Lothringen gelangt sei. Wer den Mar- \challstab also führe, dessen Geist sei dem Verständniß der Lage und

der Bedürfnisse in Elsaß-Lothringen geöffnet, dessen Kommen dürfe man mit der Zuverficht entgegensehen, daf au dort sein Wirken ein gerehtes, wohlwollendes und segensreihes sein werde. Er wünsche, daß dieses Geseg allen denjenigen Ele-

menten, die sich bisher {mollend zurücgezogen hätten, Ge- legenheit biete, mitzuarbeiten an dem Wohle des ganzen Lan- des ohne Hintergedanken, ohne Zaghaftigkeit, einzig und allein, um auf dem Boden des durch den Friedensvertrag geschaffenen Rechtes seinem Lande eine glückliche Zukunft zu bereiten. Möge die Hand, welche die autonomistische Partei allen Den- jenigen ehrlih reiche, die sich in dieser Gesinnung ihrem Streben anschließen wollten, ehrlich genommen werden! Fn diesem Sinvye bitte er, dem Geseßentwurf zuzustimmen.

Der Abg. Hoffmann erklärte sih im Namen der Fort- \hrittspartei für das ganze Geseß, wenn auch die Aufrecht- erhaltung des Diktaturparagraphen bedentlih erscheine; er sehe aber in dem Geseß ein Vertrauen8votum für die reihs- ländische Bevölkerung, weshalb er demselben zustimme.

Die Diskussion wurde geschlossen. Persönlich bemerkte der Abg. Grad, dem Abg. Schneegans wolle er entgegnen, daß er sich gar nicht das Recht angemaßt habe, im Namen des Landesausschusses resp. seiner Majorität zu |prechen.

Hierauf wurde ohne weitere Debatte die Vorlage nah dem Antrage des Abg. Windthorst en Þbloc angenommen.

Es folgte demnächst die erste Berathung des Geseßentwurfs, betreffend Abänderungen des Neichshaushalts-Etats und des Landeshaushalts-Etats von Elsaß- Lothringen für das Jahr 1879/80; derselbe lautet:

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König

von Preußen 2c. verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des Reichstags, was folgt:

8, 1. Die im Landeshaushalts-Etat ron Elsaß-Lothringen für das Etatéjahr 1879/80 unter Kapitel 1 Titel 1 und 3, Kapitel 13 Titel 1 und 4, Kapitel 14, Kapitel 61 und Kapitel 68 der fort- dauernden Ausgaben vorgesehenen Fonds dürfen nur für Aus- gaben, welche vor dem Beginn der Wirksamkeit des die Ver- fassung und die Verwaltung Elsaß-Lothringens betreffenden Ge- ees vom S entstanden sind und nur bis zu der durch diesen Termin bestimmten Quote des Jahresbetrages ver- wendet werden.

8, 2. Von dem Zeitpunkte ab, zu welchem das im §. 1 be- zeichnete Geseß vom. L ee in Wirksamkeit geseßt wird, tritt der beiliegende Nachtrag zum Landeshaushalts-Etat von El- saß-Lothringen für das Etatétjahr 1879/80 derart in Kraft, daß für fortdauernde Ausgaben die durch jenen Zeitpunkt bestimmte Quote der Jahresbeträge verwendet werden darf.

8, 3. aur Deckung der aus vorstehenden Bestimmungen si ergebenden Mehrausgaben, soweit sie nicht aus den bei der Lan- desverwaltung für das Etatsjahr 1879/80 sich ergebenden Ein- nahmen gedett werden können, dürfen nach Bedarf Schaßanwci- sungen ausgegeben werden. 2

Bezüglich dieser Schaßanweisungen finden die Bestimmungen in 88. 5 bis 8 des Gesetzes, betreffend die Feststellung des Landes- haushalts Etats von Elsaß-Lothringen für das Etatsjahr 1879/80, vom 31. März 1879 (Geseßbl. für Elsaß-Lothringen. S. 5) mit der Maßgabe Anwendung, daß an Stelle des Reichékanzlers der Statt- balter und an Stelle des Ober-Präsidenten der Staatssekretär für Elsaß-Lothringen tritt.

8, 4. Von dem im Neichshaushalts-Etat für das Etatsjahr 1879/80 unter Kapitel 15 der Cinnahme vorgesehenen besonderen Fahresbeitrage Elsaß-Lothringens zu den Ausgaben für das Neichs-Schaßamt, das Reichskanzler-Amt für Elsaß-Lothringen und das Meichs-Justizamt gelangt der auf das Reichs-Schaßamt entfallende Betrag von 2550 4 voll, der Mehrbetrag zu dem Theile zur Vereinnahmung, welcher dem Zeitabschnitt vom 1. April 1879 bis zum Beginn der Wirksamkeit des Gesetßes vom... 1879 entspricht.

Von dem leßteren Zeitpunkte ab dürfen aus den im Reichs- haushalts-Etat für das Etatsjahr 1879/80 für das Reichskanzler- Amt für Elsaß-Lothringen vor: esehenen Auszabefonds Ausgaben für die Verwaltung von Elsaß-Lothringen nicht mehr geleistet werden.

Urkundlich 2c.

Gegeben 2c.

Nachtrag zum Landeshaushalts-Etat von Elsaß-Lothringen für das Etatsjahr 1879/80. _

Fortdauernde Ausgaben. Kap. 1, Titel 1: fällt fort. Titel 8: fällt fort. Kap. 13, Titel 1: An Stelle der bisherigen tritt fol- ende Fassung: Beitrag zu den Ausgaben für das Reichs-Schavamt 550 A, 1/12 des SJahresbetrages beläuft sih auf 212,50 Titel 4: fällt fort. Kap. 14: An Stelle der bisherigen Fassung des Kap. 14 tritt die folgende: Kap. 14a, Statthalter: Titel 1, u. 2: Repräsentationskosten und Reisekosten 215000 M, 1/12 des JFahresbetrages beläuft sih auf 17916,67 4 Bureau des Statt- halters : Titel 3/6: Besoldungen 21 475 4, "/12 des Jahresbetrages beläuft sich auf 1789,58 4 Titel 7/9: Sonstige Ausgaben 17 550 #4, 1/12 des Jahreébetrages beläuft sich auf 1462,50 46 Summe Kap. 14a. 254 025 #4, 1/12 des Jahresbetrages beläuft sib auf 21 168,75 A. Kap. 14b. Ministerium für Elsaß-Lothringen : Titel 1/10: Besol- dungen 537 100 4, darunter künftig wegfallend 4500 4, 1/12 des Fahresbetrages beläuft sih auf 44 758,34 4 Titel 11/13: Andere persönliche Ausgaben 27 200 4, 1/12 des Jabresbetrages beläuft si auf 2266,67 4 Titel 14/16; Sächlihe Ausgaben 111000 M, 1/12 des Jahresbetrages beläuft sich auf 9250 (4 Titel 17: Zu ge- heimen Ausgaben im Interesse der Polizei 44 000 4, 1/13 des Jah- resbetrages beläuft sich auf 3666,67 #6 Titel 18: Kosten des Ge- E für Elsaß-Lothringen 1200 4, 1/12 des HA e e Irages eläuft sich auf 100 (4 Litel 19: Unvorhergesehene Ausgaben 900 000 A, 1/12 des Sahresbetrages beläuft sih auf 16 666,67 M. Summe Kap. 14b. 920 500 46, darunter künftig wegfallend 4500 H, 1/,2 des Jahresbetrages beläuft si auf 76 708,35 (4 Kap. 14e. Staatsrath 35 000 4, 1/12 des Jahresbetrages beläuft sih auf 2916,67 A Summe Kap. 14e. für fi. Kap. 144. Vertretung bei dem Bundesrath 30 000 X, 1/13 des Jahresbetrages beläuft si auf 9500 A Summe Kap. 14d. für sh. Summe Kap. 14a. bis 14d. 1239 525 4, darunter fünftig wegfallend 4500 M, 1/12 des Jahres- betrages beläuft sich auf 103 293,7 4 Kap. 61. Landesausfchuß 94 500 M, 1/12 des Sahresbetrages beläuft sih auf 7875 4 Kap. 68 fällt fort. Einmalige Ausgaben. Kap. 2a. Kosten der erften Ein- richtung, Umzugskosten 2c. 60 000

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Unter-Staatssekretär Herzog, leitete die Debatte ein, indem er nahwies, daß die für die reihsländischen Beamten vorgesehenen Gehälter nit anz die Höhe der Gehaltssäße erreihten, mit denen analoge

tellen in den nictreihsländishen höchsten Reichsämtern be- dacht seien. Von übergroßer Freigebigkeit gegen die Beamten könne also niht wohl die Rede sein. Das an die Statthalter zu zahlende Gehalt von 200 000 i nebst 15 000 Reise- kosten rechtfertige sich durch die Eigenart dieses neu kreirten Amtes, für das der Reichsetat kein M aufzuweisen abe. Ein Staatssekretär erhalte 36 000 F, 3 nter-Staats- ekretäre je 21000 4, 19 Ministerial-Räthe 5100—9900 A

Jahresgehalt. Die Z1hl der Beamten vermehre sich nur um 8 Personen ; der Etat steige um 528 945 #4, doch werde der Reichstag, der soeben die Nothwendigkeit der Organisation anerkannt und der Regierung dadurch ein Voertrauensvotum gegeben habe, jeßt die Mittel zu deren Durhführung sicher niht verweigern.

Der Abg. Guerber führte aus, wenn die Regierung die eben angenommene Verfassung ein großartiges Vertrauens- votum nenne, so scheine ihm dieser Etat ein großartiges Miß- trauensvotum, denn es würden hier Ansprüche an die Steuer- kraft Elsaß-Lothringens gestellt, die alle Befürhtungen noh weit hinter sich ließen. Wohl sei Elsaß - Lothringen ein reihes Land, aber auf diesem Wege würde es bald genug dahin kommen, daß die Ausgaben die Einnahmen über- schritten. Und man werde nicht stehen bleiben, wohin die Vorlage Elsaß-Lothringen stelle, fondern weitergedrängt wer- den, wie in den leßten Jahren überhaupt stets eine Ausgabe die andere nah sich gezogen habe. Die Gehälter seien viel zu hoh normirt; der Statthalter habe ein Gehalt, das in gar keinem Verhältniß zum Einkommen des Ober-Präsidenten stehe, der \sih heute an der Spiße der Verwaltung des Reich3- landes befinde. Die Ortszulagen seien ganz zwedcklos. Er bedauere, daß man es nicht für nöthig gehalten habe, den Etatsentwurf vorher dem Landesauss{huß vorzulegen. Aber die Repräsentanten der Steuerzahler seien gar nicht gefragt wor- den. Das hätten sie aber wohl verlangen dürfen. Seine Freunde und er könnten dieser Vorlage nicht zustimmen.

Der Abg. Windthorst bemerkte, es sei eigentlich ein Widersinn, wenn der Reichstag Gelder bewilligen solle, die Elsaß-Lothringen bezahle. Es sei einzig und allein in - der Ordnung, den Landesaus\shuß mit der Sache zu befassen. Er möchte höchstens ein Pauschquantum bewilligen, um nachher dic Einzel- bewilligungen durch den Landesausshuß ausfprehen zu lassen. Eventuell beantrage er die Verweisung der Vorlage an die Budgetkommission. Die vorgeschlagenen Gehälter seien denn doch zu exorbitant; 36 000 4 für den Staatssekretär und 21 000 4 für die Abtheilungsvorsteher! Jn keinem deutschen Mittelstaate gebe es etwas derartiges ; kein Minister in Bayern z. B. habe annähernd gleiche Einnahmen; man hätte sich doch an die Verhältnisse des Großherzogthums Baden halten sollen. Er habe st. Z. in einem Lande, das an Leistungsfähigkeit dem in Rede stehenden nihts nachgebe, zu- erst 4000, später 6000 Thlr. erhalten, keine Repräsen- tation, keinen Wohnungsgeldzushuß, keine Ortszulage und doch sei Alles sehr gut gegangen, Für einen Unter- Staatssekretär seien 15000 4, für den Staatssekretär 24 000 6 vollständig genügend. Er beantrage also Verwei- sung der Vorlage an die Budgetkommission.

Der Abg. Nortk erklärte, als Mitglied des Landes- ausschusses mit den Verhältnissen des Landes genau vertraut, könne er versihern, daß man in Elsaß-Lothringen jährlich 2 Millionen Mark Ersparnisse mache, die si, wenn in Folge der Tarifreform die Matrikularbeiträge wegfielen, noch um 3 Millionen vermehren würden. Die Finanzverhältnisse seien sehr günstige; das Land könne die neu in den Etat ein- geseßten Posten sehr gut tragen ; die Ansäße selbst seien keineëwegs zu hoh bemessen. Was wollten 36000 M für den Staatssekretär sagen, wenn früher ein bloßer Präfekt 60 000 Franks erhalten habe, daneben eine Amtswohnung, wie man sie jeßt If den Statthalter bestimmt T wahrscheinlich aber noch viel luxuriöser ausgestattet? Gleichermaßen entsprächen auch die Gehalte der Unter-Staatssekretäre durchaus den Ver- hältnissen. E : 5

Der Abg. Dr. Simonis erklärte, si{ch den Ausführungen des Vorredners nicht anschließen zu können. Die Cxempli- fikation auf die früheren französischen Verhältnisse treffe nicht zu, wenn man bedenke, daß eine einzige Kreisdirektion dem Lande ebensoviel koste, als früher alle Unterpräfekturen zu- sammen. Auh mit der Finanzlage im Allgemeinen sei es durhaus nicht so rosig bestellt, wie es der Vorredner dar-

estellt habe, vornehmlih drücke die Weinsteuer shwer auf die S ollberuia; und vergeblich habe man bisher eine Aender1 ng erstrebt. Er schließe sich dem Antrage Windthorst an.

Der Abg. von Puttkamer (Fraustadt) wies darauf hin, daß Elsaß-Lothringen keine Landes\shuld besiße und außerdem eine Ermäßigung seiner Matrikularbeiträge durch die neuen Steuergeseße zu erwarten habe. Die laufenden Einnahmen ergäben noch Ueberschüsse Über die Ausgaben, cin Defizit sei nirgends zu finden. Was die Gehälter betreffe, so müsse er darauf hinweisen, daß der frühere französische Präfekt in Straßburg ih auf ca. 60 000 Frcs. gestanden habe und daß das viel kleinere Großherzogthum Luxemburg jeinem Statt- halter außer dem prachtvollen Schloß Walferdingen 200 000 Francs gewähre. Er werde für die zweite Lesung einen An- trag dahingehend einbringen, daß durch die Streichung des Gehalts für zwei Ministerial-Direktoren das Gehalt für einen vierten Unterstaatssekretär O werde, damit den Wün- schen der reihsländishen Bevölkerung gemäß ein besonderes Ressort für B Gewerbe, Landwirthschast und öffentliche Arbeiten geschaffen werden könne. Nach feinem Antrage soue die N Tran nicht wie in der Regierungsvorlage N den Etat, sondern dur Kaiserlihe Verordnung geregelt werden.

Der Unter-Staatssekretär Herzog erwiderte, er bätte eben- falls, den Antrag des Abg. Windthorst abzulehnen und die zweite Lesung im Plenum vorzunehmen. Die Ausführungen desselben bezüglih der Etatsverhältnisse seien meist niht zu- treffend, noch viel weniger die Behauptungen von einem an-

eblihen Steuerdruck in Elsaß-Lothringen. Auch die Wein- feuer bringe jeßt lange nicht soviel als wie früher und sei in keiner Weise als drüdcktend zu bezeichnen. ierauf wurde der Antrag Windthorst auf Ueberweisung des Etats an die Budgetkommission abgelehnt.

Jn der darauf folgenden zweiten Lesung wurden die ge- forderten Summen, für den Statthalter (215 000 s), für dessen Bureau (21475 A) und die sonstigen Ausgaben (17 550 4), zusammen 254025 M, bewilligt.

Das Gehalt des Staatssekretärs, 36 000 M, beantragte der Abg. Windthorst auf 24 000 4 zu ermäßigen, um es den Gehältern der mittelstaatlihen Minister analog zu machen.