1879 / 152 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 02 Jul 1879 18:00:01 GMT) scan diff

Nichtamtliches. Deutsches Neich.

Preußen. Berlin, 2. Juli. Se. Majestät der Kaiser und König machten, laut Meldung des „W. T. B.“ aus Ems, gestern Nachmittag eine Spazierfahrt und wohnten am Abend der Vorstellung im Theater bei.

Die Kur seßen Se. Majestät in der gewöhnlichen Weise fort.

Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz besichtigte gestern früh von 9/4 Uhr ab das Lehr-Jnfanterie-Bataillon auf dem Schloßplay am Neuen Palais bei Potsdam.

Se. Königliche Hoheit der Prinz Carl hat den Domänenpächtern Becker in Klukowo, Horn in Stewniß und Petrich in Louisenhof den Charakter als Königlich Prinzlicher Ober-Amtmann verliehen.

Jm weiteren Verlaufe der gestrigen (69.) Sizung seßte der Reichstag die zweite Berathung des Zolltarifs mit der Diskussion der Pos. 35 (Stroh- undBastwaaren) fort. Dieselbe lautet nach der Kommissionsvorlage :

Strob- und Bastwaaren: a. Matten und Fußdecken von Bast, Strob, Swilf, Gras, Wurzeln, Binsen und dergleichen; au an- dere Scbilfwaaren, ordinäre, gefärbte und ungefärbte 100 kg 3 F; b. Strobbänder 100 kg 18 Æ; e. alle nic unter a. und d. be-

riffenen Stroh- und Bastwaaren, insbesondere Strob- und astgeflechte; Decken, Vorhänge und ähnlibde Waaren aus ungespaltenem Stroh; die in a. und e. genannten

Strob- und Bastwaaren in Werbindung „mit anderen Materialien, soweit sie dadur nicht unter Nr. 20 fallen, 100 kg 24 M; d. Hüte aus Stroh, Rohr, Bast, Binsen, Fischbein, Palmblättern und Span 1) ohne Garnitur 1 Stück 0,20 4, 2) mit Garnitur 1 Stück 0,40 A Anmerkung zu d.: Hüte aus Haar- oder Hanfs- eflebten, aus Sparterie, sowie aus Gefle{ten von sogenannter aumwollen\parterie und Stroh werden wie Strohhüte behandelt.

e. Sparterie aller Art 100 kg 90 Æ /

Der Abg. Schwarz beantragte zu b. im Jntere)je der württembergischen Exportindustrie den Zoll auf Strohbänder auf 14 A herunterzusezen

Der Abg. Gerwig {loß sich diesem Antrag an, da die Fabrikanten mit 14 A ganz zufrieden sein könnten.

Nachdem der Bevollmächtigte zum Bundesrath Ober- Steuer-Rath von Moser sich gegen den Antrag erklärt hatte, wurde derselbe abgelehnt und Pos. 35 nah der Kommissions- porlage unverändert angenommen.

Die hierauf folgende Position 17 lautet nach der Kom- missionsvorlage :

Kautshuck und Guttaperha, sowie Waaren daraus. a. Kautshuck und Guttapercha, roh oder gereinigt, Kaut- \{uckbhornmasse (Hartgummi), auch polirt oder mit eingepreßten Dessins versehen in Platten, Stäben, Röhren und dergleichen, frei; b. Kautshuckfäden außzr Verbindung mit anderen Materialien, oder mit baumwollenem, leinenem oder wollenem rohem (nit gebleihtem oder gefärbtem) Garn nur dergestalt umsponnen, um- flohten oder umwidtelt, daß sie ohne Ausdehnung noch deutlich erkannt werden können ; Kautschuckplatten, aufgelöster Kautsbudck, 100 kg 34; c. grobe Waaren auz weidem Kautschuck, unlackirt, ungefärbt, un- bedruckt, Hartgummiwaaren, alle diese Waaren aub in Verbin- dung mit anderen Materialien, sofern sie dadur nit untex Nr. 2% fallen; übersponnene Kautshuckfäden 100 kg 40 K, d. feine MWaaren aus weichem Kautshuck, lacirt, gefärbt, bedruckt, oder mit eingepreßten Dessins; alle diese auch in Verbindung mit anderen Materialien, soweit sie dadurch nit unter Nr. 20 fallen 100 kg 60 #; e. Gewebe aller Art mit Kautshuck über- zogen, getränkt oder durch Zwischenlagen aus Kautshuck verbunden oder mit cingeklebten Kautshuckfäden; Gewebe aus Kaut- \chudfäden in Verbindung mit anderen Spinnmaterialien, Strumpf- und Posamentirwaaren in Verbindung mit Kautschuckfäden 1(0 kg 90 A Anmerkungen zu e.: 1) Kautschbuckdrucktücher für Fabriken und Kratenleder, künftlibes, für Kraßenfabriken, beide auf Er- laubnißsGein unter Kontrole frei, 2) Schläube aus Hanf, Maschinentreibriemen und Wagendecken aus gro- ben Zeugstossen, in Verbindung mit Kautscbuck 100 kg 24

Der Abg. von Kardorff als Referent führte aus, daß die einzige von der Kommission beshlossene Aenderung die Er- mäßigung der Zölle auf Hartgummi fei ; worauf Pos. 17 ohne weitere Debatte genehmigt wurde. _

Die darauf folgende Pos. 21 hat nah den Kommi/sions- beshlüfsen folgende Fassung:

Leder‘undLederwaaren: a. Leder aller Art, mit Ausnahme des unter b. genannten, ungefärbtes ; gefärbtes Juchtenleder ; Perga- ment; Stiefelscäfte 100 kg 18 (; b, Sohlleder, sowie Brüsseler und dänisches Handschubleder ; auch Korduan ; Marokin; Saffian; gefäcbtes Leder, mit Aut:nahme des unter a. genannten ; ladirtes Leder 100 kg 36 # Anmerkung zu b.: Halbgare, sowie bereits gegerbte, noch nit gefärbte oder weiter zugerihtete Ziegen- und Schaffelle 100 kg 3 ; c. grobe Shuhmatder-, Sattler-, Riemer-

und Tâschnerwaaren, sowie andere Waaren ans ungefärbtem oder blos ges{wärztem lobgarem Leder, oder qus rohen Häuten, alle diese Waaren auch in Verbin-

dung mit anderen Materialien, soweit sie dadur nicht unter . Nr. 20 fallen, 100 kg 40 A; d. feine Lederwaaren von Korduan,

Saffian, Marotin, Brüsseler oder dänishem Leder, von 1ämisch-

und weifgarem Leder, von gefärbtem Leder, von lackirtem Leder

und Pergament, aud in Verbindung mit anderen Materialien, soweit sie dadurch nit unter Nr. 20 fallen; feine Schuhe aller

Art 100 kg 60 A Anmerkung zu ec. und d.: Grobe Schuh-

macber- und Täschnerwaaren aus grauer Packleinwand, Segeltuch,

roher Leinwand, rohem Zwillih oder Drillih, oder grobem unbe- drucktem Wachétuh werden wie grobe, Waaren aus feinem Wachs- tuch, Wachtmu\elin, Wachstafit u. dergl. wie feine Lederwaaren

behandelt; e. Handschuhe 100 kg 100 Æ

Hierzu beantragte der Abg. von Bühler (Dehringen), in Pos. 21a. die Regierungsvorlage (24 A6) wiederherzustellen ; ferner: „Stiefelsohlen, Stiefelschäste“ unter 21b. mit 36 # zu verzollen.

Die Abgg. Sonnemann, Wöllmer, Löwe (Berlin) wollten das Sohlleder aus 21b. gestrihen wissen; Abg. Dechelhäuser beantragte hinter Sohlleder in 21 b. einzuschalten: „ausscließ- lih Vacheleder ;“ ferner hinter 21a. und b. die Anmerfung Pagen: „Lederabfälle (Flanken, Hälse, Köpfe) 15 M“ End- ih beantragten die Abgg. Dr. Zinn, Kreuß und Gen. in 21e. und 21 d. Follsäße von 54 resp. 80 H. einzuseßen.

_Der Abg. von Kardorff vertrat als Referent der Kom- mission deren Anträge. Dieselben erreichten die Zolljäße bei Weitem nicht, die bis 1865 bestanden hätten und damals durch den französischen Handelsvertrag ermäßigt worden seien, ohne daß diese Ermäßigung der deutschen Lederindustrie irgendwie Nutzen gebracht e Er konstatire mit Genugthuung, daß in den Kommissionsverhandlungen die Thatsache sich ergeben habe, daß die vielfah gegen die Armeeverwa[tung erhobenen Vorwürfe, als habe sie mit Umgehung des deutjchen Leders

vielfach Submissionen auf Lemlockleder ausgeschrieben, durh-

Der

Zollzusay, den die Kommission befürworte, wolle in erster Reihe die UebersGwemmung des deutschen Marktes mit amerikanishem Sohlleder fernerhin verhindern; er bitte, mit Ablehnung der Amendements den

aus unbegründet seien.

Kommissionsanträgen mnen.

Der Abg. von Bühler befürwortete seinen Antrag. Der von der Kommission vorgeschlagene Zollsaß sei zu niedrig, um ernstlih Hülfe schaffen zu können. Die Regierungsvorlage dagegen scheine die richtige Höhe zu treffen.

Der Abg. Sonnemann erklärte, es widerspräche der Logik, das grobe Sohlleder mit dem feinen Handschuhleder auf gleiche Zollftufe zu segen. Wollte man lohgares Leder zu dem nie- drigen Zollsaß einführen, dagegen gefärbtes Leder hoh be- steuern, so würde die Konkurrenz des Hemlockleders nicht vom deutshen Markte ausgeschlossen, da man nur das ganz reine Hemlockleder als solches erkennen fönnte. Die Kommission habe nun alles Sohlleder dem hohen Zollsaß unterworfen, weil überhaupt das ausländishe Sohlleder zum größten Theil überseeishes Hemlockleder sei. Jndessen seien von 112 000 Centnern Leder, welche im Jahre 1878 in Deutschland importirt seien, nur 48 000 überseeisches gewesen. Die übersecische Leder- einfuhr betrage dem Gewichte nah nur 5 Proz., dem Werthe nah sogar nur 31/, Proz. der Produktion Deutschlands ; wäh- rend man im Jahre 1878 eine Mehrausfuhr an Leder und Lederwaaren im Werthe von 77 Mill. Mart in Deutschland gehabt habe, habe der Werth der Ausfuhr Amerikas nur 5 Mill. Mark betragen. Der deutsche Lederimport aus Ame- rika betreffe im Allgemeinen Leder von so geringer Qualität, daß die deutschen Gerber gar nicht damit konkurriren wollten. Der von der Kommission vorgeschlagene Zollsay betrage 18 Proz. des Werthes, d. i. mehr als in irgend einem ande- ren Staate. Rechne man hierzu 5 Proz. an Transportkosten und Spesen, so werde der deuts en Schuhwaarenindustrie das Rohmaterial so vertheuert, daß die Kleinindustrie, die Hunderttausende ernähre, während die deutshen Ger- bereien nur 20 000 Personen beschäftigten, einen {weren Schaden erleide, und die deutshe in der Entwickelung begriffene Schuhwaaren - Großindustrie ihre Export- fähigkeit einbüße, da man ihr Rückoergütung des Zolls nicht bewilligt habe. Dabei schneide man einem Staate wie Chile einen ganz geringen Exporthandel nach Deutschland ab und risfire, daß man dort den jeßt sehr bedeutenden Jmport deutsher Waaren aus\cließe. Hem'ockleder sei übrigens auch ein dauerhaftes Material, nur nicht so elegant wie das loh- gare. Man have auch keinen Grund, seinen Gebrauch aus Gesundheitsrücksichten zu beschränken. Wenn das Haus also nicht wolle, daß statt des Leders Schuhe eingeführt würden, so lasse man es bei dem niedrigeren Zollsaße bezüglich alles Sohlleders.

Der Bundeskommissar Ministerial-Rath Dr. Mayr empfahl die Annahme der Kommissionsbeshlüsse, durch welche es am besten ermöglicht werde, die hart edrängte deutsche Gerberei gegen die Konkurrenz des überseeishen Hemlockleders zu schüßen, welche auch andere Länder, zum Beispiel Oesterreich und Frankreich, abzuwehren bestrebt seien, so daß Deutschland der aleinige Ablagerungsplaz dieses Leders werden fönnte. Das Vacheleder werde jedenfalls im amtlichen Waarenverzeich- niß zur Gruppe a,, die Stiefelsohlen und Schäfte zur Gruppe b. gestellt ‘werden. Die Herabseßung des Zolls auf Flanken, Hälse und Köpfe sei eine Herabseßung des Lederzolls für große Quantitäten wirklichen Leders. Wären dies nur Abfälle, so müßten sie als solche ganz zollfrei sein.

Der Abg. Dr. Majunke bemerkte, von der Logik des Abg. Sonnemann könne fein Lohgerber existiren, der Kommissions- vorshlag entsprehe dem praftishen Bedürfniß. Das Vache- leder dürfe niht niedriger als anderes besteuert werden, da man sonst dem amerikanischen Leder den Anschein von Vache- leder geben würde. Die kleinen Handwerker, welhe Schuh- waaren fabrizirten, hätten von der Erhöhung des Zolls keinen Nachtheil. i;

Der Abg. von Kardorff fü“rte aus, wenn auch nit alles Sohlleder, das importirt werde, aus Amerika fomme, fo entfalle auf das europäische Sohlleder doch nur ein geringer Bruchtheil des Jmports. Von den 48 000 Centnern Sohlleder, welhe importirt würden, seien ?/g s{lechtes amerifanishes Hemlockleder. Die sogenannten Großindu- striellen der Schuhwaarenproduktion seien nur Händler, nit Fabrikanten. Bei allem Nutzen, den ihr Geschäft für den Verkehr haben möge, habe es doch sehr viel Schatten- seiten. Das moralische Band, welches Meister und Gesellen, sowie die Mitglieder einer Genossenschaft verbinde, bestehe zwischen diesen großen Händlern und ihren Arbeitern nicht. Die Händler drückten die Löhne in der rüsichtslosesten Weise herunter, und wenn ihr Geschäft nicht gehe, so würden große Massen von Arbeitern plöglih brotlos. Halte man das Be- dürfniß der Gerber und Besißer von Shälwaldungen dagegen, so verdiene dieses weit mehr Berücsichtigung.

Unter Ablehnung aller Amendements wurden Position 35a. und b. nah den Beschlüssen der Kommission genehmigt.

Der Abg. Kreutz beantragte, den Zoll auf grobe Schuh- macher- und Sattlerwaaren von 40 auf 45 6 zu «¿rhöhen.

Unmittelbar, nahdem der Antragsteller seinen - Antrag furz mit einem Hinweis auf den Nothstand des betreffenden JIndustriezweiges motivirt hatte, wurde ein Schlußantrag ge- stellt, der mit einer chwachen Majorität abgelehnt wurde.

Der Abg. Löwe (Berlin) bemerkte in Bezug auf den Schlußantrag, daß, wenn das Haus, wie ja loyaler Weise niht geschehen sei, den Schlußantrag angenommen hätte, da- mit nur an seine Partei die Aufforderung ergangen wäre, fortzugehen, denn, wenn man nah einem Redner der Ma- jorität {ließen wolle, so heiße das geradezu, der Minorität das Wort verbieten, oder es seine Parlei werde zu der Revanche- maßregel gezwungen, sobald das Haus nicht vollzählig sei, die Auszählung oder namentliche Abstimmung zu beantragen. Es sei nas logish, bei einem hohen Schußzoll auf das Rohmaterial auch das Fabrikat höher zu verzollen, aber die Thatsachen seien stärker als die Logik. Die Schuhe würden bejonders für die Leute, welche sie in großer Zahl, wenn au nicht so fein gearbeitet gebrauchten, wie die Wohlhabenden sie trügen, erheblih vertheuert werden. Alle kleinen Zölle summirten sih, man lege einen Zoll auf Schuhe, Kleider, Wäsche, Lebensmittel und bilde fi ein, daß man in heu:iger Zeit durch Erhöhung der Löhne einen Ausgleich herbeiführen könne. Davon werde allein die Großindustrie einen Nußen haben. Man denke sich immer, das Hemlodckleder sei absolut tüledt es gutes und s{chlechtes Eichenlohleder gebe, gebe es auch gutes und s{hlechtes Hemlockleder. Wenn das Haus jeßt über den Kommissionsvorschlag hinaus die Einführung der Schuh- waaren ershwere, {ließe man gerade die Waaren aus, die troß ihrer Billigkeit für die armen Leute dieselben Dienste

ebenso gut, wie |

leisteten, wie die aus Eichenlohleder gefertigten. Es sei ja sehr bequem, um gutes Eichenlohleder zu erhalten, dasselbe drei Jahre liegen zu lassen, man könne bei einer solhen Jn- dustrie sehr gut \{chlafen. Aber die Amerikaner interes: sirten sich für die Entwickelung der Chemie und stellten durch andere Gerbstoffe als Lohe in kürzerer Zeit ein gutes Leder her. Nun komme Schutzoll, um sih gegen die Fortschritte der Wissenschaft zu verwahren.

fanishen Material zu profitiren suchen, aber der Abg. von Kar-

dorf behaupte, daß dieser Zwischenhandel illegitim sei ; der Händler |

brauche nur seinen Laden zu {ließen und seine Arbeiter seien F Sei es denn beim Handwerker oder beim Groß- F industriellen anders? Wenn ein Bergwerk still stehe, würden F

brotlos.

die Arbeiter auch entlassen. Der Reichstag dürfe bei seinen Beschlüssen die große Masse der Konsumenten nich: unberück sichtigt lassen! Der Antrag müsse aber einen nothwendigen Bedarfsartikel vertheuern. Lasse man es wenigstens bei den Anträgen der Kommission !

Der Abg. Ruppert bat dagegen, den Antrag Kreuß anzu nehmen, da derselbe ein rihtigeres Verhältniß des Zolles auf Schuhwaaren zu dcm auf Leder herstelle.

Der Antrag Kreuß wurde hierauf angenommen.

Der Abg. Dr. Zinn beantragte, den Zoll auf feine Leder- waaren von 60 (4 auf 70 A zu erhöhen, weil die für den Antrag Kreutz geltend gemachten Gründe hierfür noch in weit höherem Maße sprächen. Dem Abg. Löwe gegenüber mache er darauf aufmerksam, daß nah dessen eigenem Zugeständniß in dem Lande der höchsten Schußzölle, in Amerika, die größten Fortschritte in der Wissenschaft der Bearbeitung de s Sohlleders gemach: worden seien.

Auf die Anregung des Abg. Dr. Beseler erklärte der Bundes- fommissar, daß er zu diesen Anträgen keine Stellung genom- men habe, weil durch die Kommissionsbeshlüsse das ganze System der Lederzölle in der Regierungsvorlage geändert worden sei.

Der Antrag Zinn wurde mit 141 gegen 96 Stimmen angenommen, im Uebrigen die Position 21 nach der Kom- missionsvorlage genehmigt.

Pos. 40, welche nah dem Kommissionsbeschlusse lautet : Wachstuch, Wach smusselin, Wacbstaffst: a. grobes un- bedrucktes Wachstuch (Packtuch) 100 kg 12 Æ, b. anderes, auch Ledertub, Bucbbinderleinen (Buchbinderzeugstoffe) 100 kg 30 ÆÆ, c. Watbéëmusselin, Wachstafft 100 kg 50 Æ,

wurde ohne Debatte angenommen. Hierauf vertagte sich das Haus um 31/2 Uhr.

Jn der heutigen (70.) Sißung des Reichs- t ages, welcher mehrere Bevollmächtigte zum Bundesrath und Kommissarien desselben beiwohnten, seßte das Haus die zweite Berathung des Zolltarifs mit Pos. 2 (Baumwolle und Baummwollenwaaren) fort. Dieselbe lautet :

Baumwolle und Baumwollenwaaren: a. Baumwolle, rohe, fardätshte, gekämmte, gefärbte frei, b, Baumwollwatte 100 kg 1,50 Æ, c. Baumwollengarn, ungemischt oder gemischt mit Leinen, eide, Wolle oder anderen vegetabilishen oder animalisen Spinnstoffen: 1) eindrähtiges, roh a. bis zur Nr. 17 englis 100 kg 12 Æ, g. über Nr. 17 bis Nr. 45 englisch 100 kg 18 A, 7. über Nr. 45 bis Nr. 69 englisch 100 kg 24 4, 0. über Ir. 60 bis Nr. 79 englis 100 kg 30 Æ, e. über Nr. 79 englisch 100 kg 36 A; 2) zweidrähtiges, roh a. bis zur Nr. 17 english 100 kg 15 Æ, f. über Nr. 17 bis Nr. 45 english 100 kg 21 Æ, 7. über Nr. 45 bis Nr. 60 englisch 100 kg 27 #, s. über Nr. 60 bis Nr. 79 english 100 kg 33 Æ, «s, über Nr. 79 englisch 100 kg 39 F; 3) eia- und zweidrähtiges, a. bis zur Nr. 17 englisch 160 kg 24 A, s. über Nr. 17 bis Nr. 45 englis 100 kg 30 Æ, 7. über Nr. 45 bis Nr. 60 englisch 100 kg

36, d. über Nr. 60 bis Nr. 79 english 100 kg 42 Æ, e. über F

Nr. 79 englis 100 kg 48 Æ, 41 drei- und mehrdrähtiges, roh, ge-

bleiht, gefärbt 100 kg 48 G, 5) mehrfah gezwirnter Nähfaden, A auch affommodirter(zumEinzelverkauf vorgerichteter)Nähfaden 100kg #

70 Æ, 6) Dobte, ungewebte 100 kg 24 Æ, d. Waaren aus Baumwolle allein oder in Verbindung mit Metallfäden, ohne Beimischung vou Scide, Wolle oder anderen unter Nr. 41 genannten Thierhaaren : 1) rohe (aus rohem Garn verfertigte) dihte Gewebe mit Aus\ch{luß der aufgeshnittenen Sammete; Tüll roh und ungemustert 100 kg 80 4, 2) gebleichte, dite Gewebe auch appretirt, mit Ausschluß der auf zescnittenen Sammete 109 kg 100 #, 3) alle nit unter Nr. 1, 2 und 5 begriffene dihte Gewebe; rohe (aus rohem

Garn verfertigte) undihte Gewebe mit Aus\{luß der Gardinenstoffe, soweit sie nicht unter Ziffer 1 fallen; Strumpfwaaren; Posamentier- und Knopfmacberwaaren; auch

Gespinnste in Verbindung mit Metallfäden 100 kg 120 , 4) alle undihte Gewebe, wie Jaconet, Mußselin, Tüll, Marly, Gaze, soweit sie nicht unter Nr. 1 und 3 begriffen sind 109 kg 200 A, 5) Spigen und alle Sticktereien 100 kg 250 A An-

merkungen zu d.: 1) Baumwollene Fischerneßze neu 100 kg 3 M, |

2) ganz grobe Gewebe - aus rohem Gespinnst von Baumwoll- abfällen, welche das Ansehen von grauer Packleinwand haben und zu Preßtüchern, Pußlappen 2c. verwendet werden, auch in Verbin- dung mit anderen Spinnmaterialien oder einzelnen gefärbten Fäden 100 kg 10 G, 3) rohe dihte Gewebe für Schmirgel- tuhfabriken auf Erlaubnißschein unter Kontrole, ingleichen Schmirgeltuch frei.

Hierzu lagen folgende Aaänderungs-Anträge vor :

1) Von den Abgg. Dollfus, Grad und Genossen :

Der Reichstag wolle beschließen: in Nr. 2 des Zolltarifs Litt. c, (Baumwollengarn) zu seßen wie folgt: 1) eindrähtiges, rob: über Nr. 79 bis 99 englis 36 Æ, über Nr. 99 bis 119 english 42 Æ, über Nr. 119 bis 139 englisch 48 4, über Nr. 139 54 M; 2) zweidrähtiges, roh: über Nr. 79 bis 99 english 39 Æ, über Nr. 99 bis 119 english 45 F, über Nr. 119 bis 139 englisch 51 M, über Nr. 139 57

2) Vom Abg. Landmann:

in Nr. 2 des Zolltarifs (Baumwolle und Baumwollenwaaren) unter Pos. d. (Waaren aus Baumwolle): 1) zreischen Nr. 3 und 4 der Kommissionsbeshlüfse den ti einzushalten: „4) Gardinen- stoffe, gebleiht und appretirt, 100 kg 230 “; 2) die gegen- wärtige Nr. 4 der Kommissionsbeschlüsse als Nr. 5 zu bezeichnen und darin ‘tatt der Worte; „soweit sie nicht unter Nr. 1 und 3 begriffen sind“ zu seßen: „soweit sie niht unter Nr. 1, 3 und 4 begriffen find“; 3) die Nr. 5 der Kommissionsbeshlüsse als Nr. 6 zu bezeichnen. :

3) Von den Abgg. Loewe (Berlin) und Dr. Karsten :

zu Position 2c. Baumwollengarn 2c.: ad c. 1. eindrähtiges, roh Nr. 1—30 12 #4, Nr. 31—60 15 #4, Nr. 61—90 18 M, Nr. 91 und darüber 21 A, ad c. 2. zweidrähtiges, roh Nr. 1—39 15 Æ, Nr. 31—60 18 M, Nr. 61—90 21 #4, Nr. 91 und dar- über 24 M, ad c. 3. ein- und zweidrähtiges, gebleit oder gefärbt Nr. 1—30 24 M, Nr. 31—60 27 A, Nr. 61—90 30 M, Nr. 91 und darüber 33 4, ad c. 4, drei und mehrdrähtiges, roh, gebleicht oder gefärbt 36 M

4) Von den Abgg. Dr. Hammacher, Berger und Windthorst :

Nr. 2 c. wie folgt anzunehmen: Baumwollengarne, unge-

mist 2c. wie Kommissionsantrag 1) eindrähtiges, roh: a. bis zu Nr. 17 englis 100 kg 12 Æ, g. übec Nr. 17 bis Nr. 45 englisd 100 kg 18 Æ, 7. über Nr. 45 bis Nr. 79 englis 190 kg 21 Æ, 9. über Nr. 79 bis Nr. 100 kg 24 M, e. über english 100 kg 30 H; 2) zweidrähtiges, roh:

Nr. 100

man mit Ï

R follte doch von dem billigen ameri: |

gebleidt oder gefärbt, F

D

a. bis zu Nr. 17 englich 100 kg 15 Æ, s. über Nr. 17 bis Nr. 45 englis 100 kg 21 Æ, 7. über Nr. 45 bis Nr. 79 englisch 100 kg 94 M, ê. über Nr. 79 bis Nr. 100 englisch 100 kg 27 ä, e. über Nr. 100 englis 100 kg 33 F; 3) ein- und zweidrähtiges, ge- bleibt od r g färbt: a. bis zu Nr. 17 english 100 kz: 24 A, s. über Nr. 17 bis Nr. 45 english 100 kg 30 #, 7. über Nr. 45 bis Nr. 79 englisch 100 kg 33 #, d. über Nr. 79 bis Nr. 100 englis 109 kg 36 Æ, e. über Nr. 100 englisch 100 kg 42 Æ'; 4) drei- und mehrdrähtiges, rob, gebleit, gefärbt 109 kg 42 M. 5) Von den Abgg. Loewe (Berlin), Sonnemann, Dr. Karsten ickert (Danzig): ad 2, Baumwolle 2c.: und 2 zu seßen 60 : 6) Von den Abgg. Freiherr von Heereman und Grüßner: in Nr. 2 des Zolltarifs, Baumwolle und Baumwollenwaaren. Anmerkungen zu d. Nr. 2 hinter den Worten: „Gespinnst von Baumwollabfällen*“ einzuschalten: „in Stücken niht über 50 ctm [lang und breit.“ 7) Vom Abg. Sonnemann : für ter Fall der Annahme des Abänderungéantrages Dr. Ham- macher, Berger, Windthorst zwischen den Positionen 2 und # fol- gende neue Position einzuschalten: zu 1 über Nr. 17 bis Nr. 30 englis 15 , zu 2 über Nr. 17 bis Nr. 30 englis 18 F, zu 3 über Nr. 17 bis Nr. 30 englisch 27 4; die Positionen # zu 1, 2, 3 in folgender F2fung anzunehmen: 1 # über Nr. 30—45 englis 100 bg 18 Æ, 2 g über Nr. 30—45 englisch 100 kg 21 M, 3 g über Nr. 30—45 englisch 100 kg 30 H. Die Unterabtheilungen a. und b. wurden ohne Debatte genehmigt. - : B Beim Schlusse des Blattes hatte der Referent der Tarif- fommission Abg. von Bötticher das Wort.

Der Kaiserliche Botschafter, General - Lieutenant von Shweinißt ist, mit Ablauf des ihm Allerhöchit bewilligt gewesenen Urlaubs, auf seinen Posten in St. Petersburg zurückgekehrt und hat die Leitung der Kaiserlichen Botschaft wieder übernommen.

Der Kaiserliche Gesandte am Königlich portugiesischen Hofe, von Pir, en laub angetreten. Während seiner Abwesenheit von Lissabon fungirt daselbst als interimistisher Geschäftsträger der Legaiions-Sekretär Graf von Redern.

Der seitherige Kaiserlihe Minister-Resident in Mexifo, Le Maistre, hat nah Uebergabe seines Abberufungs)chrei- bens Mexiko verlassen, um sih auf seinen neuen Posten am Kaiserlich brasilianischen Hofe zu begeben. Bis zum Eintreffen des zu seinem Nachfolger in Mexiko ernannten Minister- Residenten, Freiherrn von Waecker-Gotter, fungirt der dortige Kaiserliche Konsul de Chapeaurouge als

interimistisher Geschäftsträger.

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Herzoglich sachsen-meiningenshe Staats-Vinister von Giseke ift von hier wieder abgereist.

Sachsen. Dresden, 1. Juli. (Dr. F.) Jhre Ma- jestäten der König und die Königin werden morgen Nach-

mittag eine Reise nah der Schweiz antreten und \ih zunächst nah Ragay begeben.

Baden. Karlsruhe, 30. Juni. Wie die „Karlsr. Z.“ meldet, beabsichtigen der Großherzog und die Groß-

und N : : Pos. c. 5 zu seten 36 4, Pos. d. 1

herzogin sowie die Prinzessin Victoria morgen früh |

sih zu längerem Aufenthalt nah Schloß Mainau zu begeben.

Baden-Baden, 1. Juli. (W. T. B.) Die Königin Olga von Württemberg ist zu mehrtägigem Aufenthalte hier eingetroffen.

Hesterreich-Ungarn. Wien, 1. Juli. (W. T. B.) Nach dem jeßt weiter bekannt gewordenen Resultate der gestrigen Reichsrathswahlen wählte Wien 10 Liberale und einen Konservativen (zwischen Minister Glaser und Dr. Hoffer ist für heute engere Wahl angeseßt), die übrigen fünf Stadt- bezirke Niederösterreihs wählten Liberale. Fn Oberösterreich verloren die Liberalen einen Siß; in Linz steht das Resultat no aus. Liberalz wäl[ten ferner die Salzburger Städte. Die Städte Böhmens wählen 16 Liberale und 16 Czechen.

Die Krainer Städte, bisher dur Liberale vertreten, wählten |

diesmal Nationale. Die schlesishen Landgemeinden wählten zwei Liberale und einen Nationalen, Fstrien wählte einen Slaven und einen Ftaliener, Görz zwei Liberale. Fn den galizishen Landgemeinden gingen 25 Polen und 2 Ruthenen aus der Urne hervor; die Ruthenen verloren 13 Siße.

Der Justiz-Minister Glaser hat ein Telegramm an das Wahlcomité des Wiener Bürgervereins gerichtet, in welhem er dcmselben mittheilt, daß er ein nur in engerer Wahl ihm zufallendes Mandat zum Reichsrathe niht anneh- men würde. E

Der „Polit. Corresp.“ wird aus Konstantinopel vom heutigen Tage gemeldet, die Botschafter Frankreihs und Eng!ands hätten nunmehr gemeinsam tei der Pforte gegen die Aufhebung des Fermans vom A 1873 protestirt. Bn Folge dieses Protestes werde der Rüctritt des Großveziers

heyreddin Pascha als bevorstehend angesehen.

Großbritannien und Jrlaud. London, 30. Funi. (Allg. Corr.) Aus der Kapstadt wird dem „Reuterschen Bureau“ unterm 10. Juni (via Madeira) gemeldet : Die Berichte über die Weise, in welcher der Prinz Louis Napoleon seinen Tod gefunden, lauten widersprehend. Dem amtlichen Be- rihte zufolge wurde die Patrouille, während sie in der Nähe eines Mealiefeldes rastete, von 50 Zulus überrumpelt. Fn der allgemeinen Flucht ritt der Prinz in eine Donga, wo ein Haufen Zulus versteckt lag. Anderen Berichten zufolge wurde von einem Kaffern, welcher der Eskorte angehörte, zu- erst Lärm geschlagen, und zwar in dem Augenblick, als leßtere im Begriffe war, zu Pferde zu steigen, worauf die gus eine Salve abfeucrten und einen Reiter tödteten. Der Prinz, der außer Stande war, sein {heu gewordenes Pferd zu besteigen, lief neben demselben her, bis er von den Zulus ein- geholt und durch Wurfspieße getödtet wurde. Die Uebrigen ergriffen in der Richtung des Lagers des Obersten Wood die

luht und begegneten auf dem Wege leßterem und dem

berst Butler. Nachdem dem General Lord Chelmsford un- verzüglih Meldung von dem Vorfalle gemaht worden, wurde eine ftarfe Kavallerie-Abtheilung abgesandt, um die Leiche zu bergen, die in der Donga gefunden und nah dem Lager ge- bracht wurde, wo der römisch-katholishe Kaplan dieselbe in Gegenwart der für die Gelegenheit parademäßig ausgerüdten ganzen Division einsegnete. Später wurde der Leihnam nah De Stg gebracht, woselbst sie von dem Vize-Gouverneur, dem Kolonial-Sekretär und den Offizieren der Garnison

hat einen ihm Allerhöchst bewilligten Ur: |

| ihre Basis bei Fort Durnford errichten.

empfangen und in der römisch-katholischen Kirche beigeseßt wurde. Am 11. d. M. sollten die Ueberreste in Durban an- fommen, von wo sie, esfortirt von der Gar- nison, an Bord Jhrer Majestät Schiff „Boadicea“ gebracht werden soll, welhes hierauf nah Simons-Bai ab- gehen wird. Dort wird die Leiche an Bord des britischen Truppenschiffes „Orontes““ gebracht und von demselben unter der Obhut des Obersten Pemberton vom 60. Schüßen-Regi- ment nach England übergeführt werden. Die Begleitmann- schaft des Prinzen zur Zeit seines Todes bestand aus Lieute- nant Carey vom 98. Regiment, sechs Kavalleristen und einem Kaffern. Die Patrouille stand unter dem Kommando des Prinzen, und ihre Aufgabe war, dem Vernehmen nach, einen Plat für ein künftiges Lager zu wählen. Nach hier einge- gangenen authentishen Mittheilungen soll Lord Chelmsford von der Entsendung dieser Expedition keine Kennt- niß gehabt haben. Die Leiche des Prinzen wurde gänzlich entkleidet vorgefunden, aber sie hatte keine Verstüm- melung erlitten, und das Medaillon, das er an einer Kette um den Hals trug, sowie seine Uhr und Ringe lagen unweit der Stelle, wo er gefallen. Am 4. Juni trat unter dem Vorsiß des Generals Marshall eine Kommission zur Unter- suchung der mit dem Tode des Prinzen verknüpften Umstände zusammen. General Newdigate's Division ist bis zum Flusse Selese, 20 Meilen jenseits des Blutflusses, vorgerüdt, wo eine verschanzte Stellung gebildet werden soll. General Crealock begiebt sich morgen nah Fort Chelmsford. Die Division wird sodann den Fluß Umlalazi überschreiten und Jhrer Majestät

Kanonenboot „Forester“ geht unverzüglih nah Fort Durnford ab. Während eines Scharmüßels zwischen einer Abtheilung Lanciers und dem Feinde wurde

Adjutant Frith und ein Kavallerist getödtet, Oberst Pearson ist gegenwärtig krank, und Oberst Rowlands vertritt ihn. Eine Abtheilung Kolonialtruppen hat Moirosi's Berg- festung wiederum erfolglos angegriffen. Zwei Kavalleristen wurden dabei getödtet und 12 verwundet. Sir Bartle Frere wurde bei seiner Rückkehr nach der Kapstadt mit un- gewöhnlihem Enthusiasmus emp}angen. Die Stadt prangte im Festesschmuck und wurde am Abend illuminirt. Das zu Ehren Sr. Excellenz vorbereitete Bankett wurde jedoh wegen des Todes des Prinzen Napoleon verschoben.

Lieutenant Car cy, der Augenzeuge des Todes des Prinzen Napoleon, berichtet Folgendes :

„Nachdem ich erfahren, daß der Prinz am 1. Juni eine Rekog- noszirung der Gegend unternehmen würde, um einen Play für das Lager des folgenden Tages auéfindig zu machen, erbot ich mi ihn zu begleiten, da ih das Terrain bereits früher beritten hatte. Mei- nem Gesuche wurde gewillfahrtz; aber gleichzeitig wurde i von Oberit Harrison, der als General-Quartiermeister fungirte, angewie- sen, mi in feiner Weise in die Anorduunger des Prinzen zu mischen, da er (Oberst Harrison) wünsckte, daß dem Prinzen die ganze Ehre zu Theil werde, das Lager gewählt zu haben. Kurz vor dem Auf- brecen fand id, daß für feine Eskorte Vorbereitungen getroffen worden, und wandte ich mi dieserhalb an den Brigade-Major der Kavallerie. J erhielt die erforderlicben Ordres, und um 9{ Uhr para- dirten sech8 von Kapitän Bettingtons Reiter1 voc dem Haupt- quartier. Mit diesen und einem freuntlih gesinnten Zulu traten wir unsern Weg an. Anh hatten sechs8 Basutos von Kapitän Shepstcne's Corps den Befehl, uns zu begleiten Ehe wir den Blutfluß überschritten, sandte ih deshalb nach diesen Leuten. Der Bote fkebrte mit dér Antwort zurück, daß sie auf dem Bergrücken zwishen den Incenzi- und den Itelezi-Hügeln zu uns stoßen würden. Hierauf scickte ich den Boten nochmals mit der Weisung zurü, die Esforte mit si zurüczubringen. Auf unserer reten und linken Slanfe sah ih starke Abtheilungen Basutoplänkler. Auf dem Berg- rüden angekommen, saßen wir ab, da wir die Lage einiger Hügel mit unseren Kompafsen zu fixiren wünschten. Oberst Harrison kam als- daun angeritten und theilte uns mit, daß die Kavallerie des Generals Marshall im Anzuge sei. Als er us verlassen, {lug ich dem Prinzen vor, auf den Rest der Eskorte zu warten. „Oh nein,“ erwiderte der Prinz „wir sind stark genug“.

Nab 14 Meilen bestiegen wir eine beherrshende und felsige Hügclreihe jenseits d-8 Ilyotozi-Flufsses. Jch {lug vor, hier abzu- satteln, allein der Prinz bemerkte, daß er dies lieber mchr in der Nähe des Flusses thun würde. Wir hielten uns hier eine halbe Stunde auf und beschäftigten uns mit Skizzicungen und Beobach- tungen durch das Fernrohr. Da wir Niemand erblickten, so 1itten wir na einem Kraal ins Thal hinab und sattelten ab. Wic unter- ließen alle Vorsitsmaßregeln, da wir annahmen, daß sich keine Zulus in der Nacbbarschaft befänden. Der Prirz war ermüdet und legte sich in der Nähe einer Hütte nieder. Die Leute bereiteten Kaffee, und ih rekognoszirte mit dem Fernglas. Um 3 Uhr 35 Mi- nuten {lug ib vor, aufzubrehen. Der Prinz erwiderte: „Warten wir noch 10 Minuten!“ gab aber {oa nach 5 Minuten den nöthigen Befehl Ich gab denselben weiter und ging, um mein Pferd aus dem Maealiefelde zu holen. Ich hatte gesattelt und war diesseits des Kraals zu Pferde gestiegen, als ich den Prinzen den Befehl geben hörte: „Zum Aufsigen bereit !“ Fch wendete mich um und sah ihn, den Fuß im Steigbügel. Zu gleicher Zeit gab ich_ den Befehl: „Aufsigen!“ und er- blidte, da die Leute in den Sattcl sprangen, die \chwarzen Gesichter der Zulus ungefähr 20 Yards von uns entfernt, in vollem Anlauf gegen uns, durch die Mealiefelder. Dieselben stießen ein Geschrei a1s und feuerten auf uns, während wir davoa ritten. Ih wähnte Alle im Sattel und hielt es für besser, übec das lange Gras hin- wegzukommen, ebe wir einen Halt maten, da ih wußte, daß die Karabiner der Leute nit geladen waren Da ich das schlechte Schießen der Zulus aus Erfahrung kannte, so erwartete ih nicht, daß Jemand verwundet ct. Fch rief daher, als wir uns dem Donga näherten: „Wir müssen uns an der andern Seite sammeln. Üeberwacht den Rückzug eines Jeden unter uns.“ Als ih zurü- blickte, sah ih, daß ein Theil uns folgte, während ein anderer zu unserer Linken den Versuch machte, unsern Rückzug dur den Thal- einshnitt abzuschlicßen. Unterdessen waren wir cinem schweren Feuer ausgeseßt, und nachdem wir den Donga passirt hattea, sagte einer unserer Leute zu mir: „Jh fürchte, der Prinz ist getödtet.“ Jch hielt aa, blidte zurüúck und frug ihn, das Pferd des Prinzen an der anderen Seite des Donga erdlickend, ob es Etwas nüßen könne, wenn wir zurükehrten. Die Zulus hatten bereits die Stelle passirt, wo er gefallen sein mußte, und der Mann zeigte mir die Zulus, welche uns zur Linken umsblichen. Jch wartete, bis unsere Leute

| berangekommen waren und galoppirte dann weiter, um eine Fährte

über den Tombocto-Fluß zu suchen.“

1. Juli. (W. T. B.) Das Blaubuch über die griehishe Grenzregutirungsfrage ist heute zur Ver- öffentlihung gelangt. Dasselbe enthält eine Depesche des Staatssekretärs des Auswärtigen, Marquis of Salisbury, an den englischen Botschafter in Konstantinopel, Layard, vom 12. Juni. Der Marquis of Salisbury weist darin Layard an, sih mit den Botschaftern der anderen Mächte behufs Ver- einbarung von Vorschlägen für die Rektifizirung der griechi- schen Grenze in Verbindung zu seßen. Der Marquis betont die Nothwendigkeit der Grenzberihtigung und bedauert, daß eine solhe nicht unverzüglich nah der Beendigung des e beige ausgeführt worden sei, wo sich eine günstige Gelegenheit dafür dargeboten hätte, den im Jahre 1832 begangenen Jrrthum gut

zu machen. Die Pforte habe noch keine Absicht kundgegeben, auch nur wenigstens annähernd die vom Kongresse vor- geshlagene Grenzlinie zu acceptiren. Die Botschaster dürften es demna, ehe jie über die genaue Anwendung der Kongreß- vorshläge disfutiren, für zweckmäßig halten, die Türkei und Griechenland aufzufordern, sich deutlich darüber zu erklären, ob sie die von dem Kongresse befürwortete allgemeine Grenz- linie acceptiren wollen. Durch eine Grenzberichtigung im Sinne der Kongreßvorshläge würde die Türkei mehr geträf- tigt als geshädigt werden. Wenn der Sultan Garantien für die künftige freundliche Haltung Griechenlands verlangte, wür- den England und, wie Salisbury glaubt, auch Frankrei alle dicserhalb von der Pforte proponirten Maßregeln auf das Sorgfältigste in Erwägung ziehen.

Die Kanalflotte wird den Dampfer „Orontes“ mit der Leiche des Prinzen Louis Napoleon von Madcira nah England escortiren.

Frankreich. Paris, -1. Juli. Codicill zu dem Testamente des Prinzen Louis Napoleon lautet, wie folgt: Jh habe nicht nöthig, meiner Mutter anzuempfehle", daß sie nihts verabjäumen möge, das Andenken meines Groß- onfels und meines Vaters hochzuhalten; ich bitte dieselbe, stets eingedenk zu bleiben, daß, jo lange ein Bonaparte lebt, die Kaiserlihe Sache auch Vertreter besißen wird. Die Pflich- ten unseres Hauses gegen Frankreich erlöschen nicht mit meinem Leben. Nah meinem Tode fällt die Aufgabe, das Werk Napoleons 1. und Napoleons III. fortzuführen, dem ältesten Sohne des Prinzen Jerôme Napoleon zu. Jch hoffe, daß meine vielgeliebte Mutter, indem sie demjelben nah ganzem Vermögen ihre Unterstüßung zu Theil werden läßt, uns, die wir niht mehr zu den Lebenden gehören, hierin den leßten und höchsten Beweis ihrer Liebe geben wird.

l. Juli (W. D. B.) Das Journal Pays ver- öffentlicht einen Artikel aus der Feder Cassagnacs, welcher unter Hinweis auf das Testament des Prinzen Louis Napoleon den Prinzen Victor als Denjenigen anerkennt, auf welchen die Hoffnungen und die Hingebung der von partistishen Partei sih jeßt vereinigen müßten. Der Artikel fordert den Prinzen Jerôme Napoleon auf, seine Zu- stimmung hierzu zu geben, da er nicht selost als Prätendent auftreten und die Erbschaft der Napoleoniden nicht überneh- men wolle. Der „Ordre“ bezeichnet eine derartige Pole- mik als unnüß und erklärt: der Prinz Ferôme Napotieon sei der unbestreitbare Erbe der napol:onischen Rechte. Der „Moniteur“ will wissen, der Prinz Feròôme sei fest ent- lossen, keine der Republik feindselige Haltung zu beobachten und weder selbst irgend wie als Prätendent aufzutreten, noch au seinem Sohne Victor dies zu gestatten.

Norsailles. 1. Qui: (W. T. B) In der DepUck- tirtenkammer richtete heute Bouchet (äußerste Linke) eine Interpellation an die Regierung in Betreff der Saisirung des radikalen Journals „La Lanterne“. Der Polizei- präfekt Andrieux vertheidigte sein Vorgehen und hob hervor: das Journal „La Lanterne“ gehe in gewissenloser Weise auf die Desorganisation der Polizeipräfektur aus. Der Minister des Jnnern erklärte: das Verfahren des Polizei- präfekten sei vollkommen regelrecht und geseßmäßig gewesen. Die Kammer nahm hierauf die einfache Tagesordnung an.

Der Senat wird am Donnerstag den Geseßentwurf, bétreffend die Verlegung des Sitzes der Kammern nach Paris, berathen.

Ftalien. Rom , 30, Juni. Die „Ftalie“ schreibt: Der Bericht über den Zusaß zu der Münzkonvention weist nah, daß unter anderen Vortheilen dadurch auch eine Er- sparniß von mehr als 2 Millionen für den Staatsschaß er- reiht worden ist. Die Konvention soll noch im Monat Juli von der Kammer berathen und die Ratifikationen im August ausgetauscht werden.

2 Deputirtenkammer vertheidigte der Minister-Präsident Depretis das Verhalten des Kabinets in der Mahl- steuerfrage und hob hervor, daß die Regierung die Prärogative der Kammer in finanziellen Angelegenheiten wahren und die öffentlihen Lasten im ganzen Königreiche ausgleihen wolle. Der Präsident der Kammer theilte mit, daß 33 Tagesord nungen beantra t worden seien. Auß: r- dem seien 6 Amendements eingebracht worden. Die Berathung soll morgen fortgeseßt werden. Der Minister-Präsident Depretis hat der Kammer einen Handelsvertrag zwischen Ftalien und Serbien vorgelegt.

Prinz Alexander von Battenberg is heute nah Brindisi abgereist, von wo sich derselbe zu kurzem Aufenthalte nah Konstantinopel begeben wird.

Rumänien. Bukarest, 30. Juni. (W. T. B.) Fn der Deputirtenkammer hat Blaremberg eine Motion eingebraht, welche von mehreren Mitgliedern der Minorität unterzeichnet ist und dahin geht, daß es niht nöthig sei, den Artikel VII. der Verfassung zu revidiren.

Amerika. Washington, 1. Juli. (W. T. B.) Der Senat und die Repräsentantenkammer haben eine Bill angenommen, durch welche der Zoll auf Chinin auf- gehoben wird. Der Kongreß hat sih auf unbestimmte Zeit vertagt.

Die Staatsschuld der Vereinigten Staaten hat im Monat Juni d. J. um 25 000 Dollars zugenommen. on E Staatskasse befanden si ult. Juni 353 153 000 Dollars in Baar.

Südamerika. (Allg. Corr.) Der „Panama Star & Herald“ veröffentliht einen Auszug aus einem: Huasco, 8, Mai, datirten Privatbriefe, worin es u. A. heißt: „Die Peruaner erwarten drei Panzerschiffe aus Europa, mit denen ihnen die britischen Besißer peruanischer Obligationen ein Geschenk machen, um ihren Guano zu retten. Die Ankunft dieser Schiffe an der Küste würde das Signal für die unver- zügliche Vernichtung des hilenischen Geschwaders und das Bombardement von Valparaiso sein.“

Der columbishe Staat Cauca hat sih in die neue Ordnung der Dinge gefügt und den General Payan als Civil- und Militär-Chef anerkannt. Der Gencral hat ein Dekret erlassen, welches erklärt, daß die Legislaturen von 1877 und Garres Usurpatoren gewesen, und daß folglich Alles, was sie gethan, jezt null und nichtig sei.

Asien. Japan. Tokio, 15. Mai, Die offiziófe Zeitung „Nichi Nichi Schimbun“ vom 5. d. M. veröffentlicht nachstehenden Artikel in Beug auf die Einverleibung von Liukiu in das japanische Reich:

(W. T. B.) Das