1879 / 155 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 05 Jul 1879 18:00:01 GMT) scan diff

Nichtamtliches. Deutsches Neich.

Preußen. Berlin, 5. Juli. Se. Majestät der Kaiser und König matten, laut Meldung des „W. T. B.“ aus Ems, gestern eine Spazierfahrt nah Nassau und besuchten am Abend das Theater.

_ Der Bundesrath hielt am 3. d. M. eie Plenar- sißzung unter Vorsiß des Präsidenten des Reichskanzler-Amts, Staats-Ministers Hofmann.

Nach Feststellung des Protokolls der vorigen Sigßung wurde Mittheilung gemaht von Schreiben des Präsidenten des Reichstags über die Beschlüsse des Reichstags, betreffend : a, den Entwurf eines Geseßes über den Bau von Eisen- bahnen von Teterhen nah Diedenhofen u. #. w.; b, den Entwurf eines Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit ; c. den Entwurf eines Geseßes wegen Abänderung des Reichs-

aushalts-Etats und des Landeshaushalts-Etats von Elsaß- ‘cothringen für 1879/80; d, die liquidirten, aus der franzö- sischen Kriegskosten-Entschädigung auf Grund des Artikels V. des Geseßes vom 8. Juli 1872 zu erseßenden Beträge; e. die allgemeine Rehnung über den Reichshaushalt für 1874; f, eine Petition des Comités zur Errichtung des National- denkmals auf dem Niederwald wegen Gewährung einer Bei- hülfe aus Reichsfonds; g. die Uebersicht der Einnahmen und Ausgaben des Reichs für 1877/78.

Ferner kamen zur Vorlage: eine Nahweisung der Verän- derungen in dem Bestande der vom Reih durch besondere Rechtstitel erworbenen Grundstücke, und eine Nachweisung der im Fahre 1878 bei den deutshen Münzstätten erfolgten Gold: und Silberausprägungen, sowie die mit der Schweiz getrof- fene Vereinbarung wegen Regelung der Grenze bei Konstanz.

Sodann wurde Beschluß gefaßt über das Pensionsver-

ältniß eines Beamten der Landesverwaltung von Elsaß- othringen.

Die Geseßentwürfe, betreffend die Verfassung und die Verwaltung Elsaß-Lothringens, und betreffend Abänderung des Reichshaushalts-Etats und des Landeshaushalts-Etats von Elsaß-Lothringen für 1879/80, wurden in der vom Reichs- tage angenommenen Fassung genehmigt.

_Ausschußberichte wurden erstattet über: a. die Steuer- eet des Branntweins zu gewerblichen Zwecken. Ein he- züglicher Geseßentwurf wurde genehmigt; b. Eingaben, be- treffend die Bildung von Besißzgenossenschaften O en gestellten Anträgen soll eine Folge nicht gegeben werden.

Es wurden hierauf Kommissarien für die Berathung von Vorlagen im Reichstage ernannt und eine, die Normaltara für Feststellung des Nettogewichts beim Export von Branut- wein in Fässern betreffende Eingabe dem bezüglihen Aus- \chusse überwiesen.

Die vereinigten Ausshüs}se des Bundesraths für das Landheer und die Festungen, für Handel und Verkehr und für Rechnungswesen, der Aus\chuß für Rechnungswesen, der Ausschuß für Justizwesen, die vereinigten Ausschüsse

für ole und Steuerwesen, für Handel und Verkehr und

für Rechnungswesen, sowie der Ausshuß für Zoll- und Steuerwesen hielten heute Sißzungen.

Im weiteren Verlaufe der gestrigen (72.) Sißung seßte der Reichstag die zweite Berathung de: Zoll- tarifs mit Pos. 41 (Wolle) fort. Der Abg. Löwe (Berlin) führte aus, es sei eigentlih ein undankbares Geschäft, in der verlorenen Position, in der die Minorität sich befinde, noch Auseinandersegungen zu geben einer kompafkten Majorität gegenüber, die {hon in den Beschlüssen der Tarifkommission thren unbeugsamen Willen kund gegeben habe. Jndessen müsse er do etwas zurücgreifen, um auf den großen Unter- schied hinzuweisen, der zwischen den Ermittelungen des von der Tariffommission des Bundesraths bestellten Neichskommissars und den hier mitgetheilten Angaben in Bezug auf’ die Wollen- industrie bestehe. „jene Feststellungen rechtfertigten keineswegs die Vorschläge der Regierungen im Tarif; im Schoße jener Kommission indessen, wie auch innerhalb der Tariffommission seien zum Theil Anschauungen zur Herrschaft gelangt, die davon ausgingen, daß- das Reich eine Art von Bevormun- dung seiner Bevölkerung auszuüben habe, daß das Reich darauf zu achten habe, daß Niemand \ich dem Laster ergebe, allzu s{hlechte Kleider zu tragen. / Daher die höheren Zôlle, welche die Kleider verbessern und vextheuern sollten. Aber diese Argumentation werde in der Praxis nicht ihre Bestäti- gung finden. Die Wollenspinnerei habe \sich seit 1818 bis Me unter denselben Zöllen befunden und sih- unter der Herr-

chaft derselben zu ihrer jeßigen Blüthe entwickelt, wie auch der Reichskommissar anerkenne. Die hohen Erträge, die be- trächtlichen Dividenden, - die die großen Kammgarnspinnereien vertheilten, würden {werlich herabgemindert werden, wenn man das Kammgarn bei den jeßigen E belasse. Die Kammgarnspinnerei in Leipzig und Pfaffendorf habe an Divi- dende im Jahre 1875 62/; Proz., 1876 7 Proz., 1877 71/5 Proz., 1878 10 Proz. vertheilt. Die Kammgarnspinnerei in BVeipersbach, die auch unter denen sei, die bäten, daß ihnen Schuß gewährt werde, habe ihre Spindelz:hl im «zahre 1876 von 54 000 auf 60 000 erhöht, und ihre [eßte Dividende habe 35 Proz. betragen. Unter 30 Proz. sei von dieser Fabrik während der leßten 4 Jahre C Zegun! keine Dividende ver- theilt worden. Er gebe zu, daß nicht alle Etablissements ih in diesem glänzenden Zustande befänden, aber dieselben arbeiteten alle unter denselben Konjunkturen. Gegenüber dieser Jndustrie stehe nun die große Jndustrie der Verarbeitung der Stoffe, die der Weberei erst die Lebensfähigkeit möglich mache, wenn sle selbst erhalten werden könne. Bei dieser Wollwaaren- industrie sei nun in erster Linie die, Stadt Berlin betheiligt. Es handele sih in diesem Falle um Jndustriebranchen, die zusammen eine Arbeiterzahl von 26 000 enschen beschäftigten und einen Produktionswerth von 67 Millionen Mark jährli schafften, von dem über die Hälfte in das Ausland gehe. Alle diese Zndustriezweige seien darauf hingewiesen, daß das Haus ihnen nicht das nothwendige Arbeitsmaterial vertheuere, und das sei für dieselben in diesem Falle das Gespinnft. Jn dem- selben Augenblicke, wo das Haus irgend welchen provinziellen Rücksichten zu Liebe Konzessionen nach einer Seite hin machen und eine künstliche Verschiebung der jeßigen Verhältnisse der E herbeiführen wolle, mache dasselbe es der Berliner

ollwaarenindustrie unmöglih, so leistungsfähig zu bleiben wie bisher. Dieselbe beziche ihr Material nur zu einem

Viertel aus dem Auslande, aber gerade die Nummern, die sie vom Auslande beziehen müsse, würden dazu beitragen müssen, das Geschäft in jolhem Maße zu ershweren, daß die Existenz der Berliner Industrie in höchstem Grade bedroht sei. Er glaube nun nicht, daß die Majorität, welche die Absicht habe, die JFndustrie zu s{hüßen, in diesem Falle so handeln dürfte, daß sie großen industriellen Branchen dadurh nur Schaden zufüge. Er halte es nur für seine Pfliht, noch auf eine andere Branche einzugehen, weil er als Kor- referent für diese Branche in der Tarifkommission es seinen Kollegen schuldig zu sein glaube, die Ansichten der Minorität auszusprechen. Es existire eine große Jndustrie in Deutschland, die vertheilt sei in Barmen und Elberfeld, Sachsen und Schlesien ; sie bedürfe des sogenannten Hartkammgarnes, welches im Jnlande nicht in dem erforderlichen Maße fabrizirt werde, in sehr großen Quantitäten. Diese Barmer Jndustrie, welche diese Hart- kammgarne zum größten Theil für Exportartikel verwende, exportire jährlich in diesen Lißen und Bändern, die in Be- tracht kämen, ca. 80 000 Ctr. Ein FJnteressent, der haupt- sächlih bei der ganzen Streitfrage in Betracht komme, habe angeblich nachgewiesen, daß in Deutschland die Wolle, aus der man dieses Hartkammgarn \pinne, auch produzirt werden könne. Diese Behauptung illustrire sich aber gleichzeitig durch die entgegengesezte Behauptung eines anderen Jnteressenten in Schlesien, der auch den Wunsch habe, daß auf Wolle ein Zoll gelegt werde. Jeder Einzelne beweise eben, daß, weil er zusällig im Stande sei, in diesem oder jenem Punkte etwas zu leisten, ihm zu Liebe für die ganze in Betracht kommende FJndustrie, ein Grenzshlagbaum gemaht wer- den müsse, um niht von Außen die Konkurrenz herein- kommen zu lassen. So liege es auch hier: dieses Garn, welches für die Orleansweberei und die Lißenspinnerei in Barmen, Elberfeld und Schlefien von so hohem Werthe sei, solle besteuert werden, obwohl es aus England genommen wer- den müßte, damit der eine oder andere Jndustrielle in der Lage sei, unter dem s{hönen Schußdach, welches ihm der Staat gebaut, eine Fabrik zu etabliren, mit der er vielleicht in 6 bis 8 Jahren den Bedarf zu decken anfangen könne. Hier liege die Sache so, daß man die Jndustrie, wenn man den Zoll von 3 auf 8 M herausshraube, exportunfähig mache. Unter diesen Hartgarnspinnereien befinde sih auch eine vortrefflich geleitete in Wüstegiersdorf ; sie hätte grade so gut wie alle anderen das Recht gehabt, zu fordern, daß man sie hüben solle, aber sie ver- lange den freien Weltmarkt für sich zur Kontrolirung der Preise. Er könne ja die Dinge nicht ändern und den Wagen, welcher den Verg herunterstürze, niht aufhalten, aber er wolle we- nigstens den Versuh machen, zu moderiren in Bezug auf solche Zweige der Jndustrie, die unter allen Umständen ver- nichtet werden würden, ohne daß davon irgend Jemand einen Nutzen hätte. Die Majorität, die heute ad hoc sich zusammen- gethan habe, um aus den divergirendsten Jnteressen und Mo- tiven alle möglichen Schußzölle zu bewilligen, werde wieder in sih zusammenfallen, aber die Tausende von vernichteten Existenzen, die Summen von zerstörten chrlich und wohl er- worbenen Vermögen würden als ihre Ankläger bleiben, und wenn der Zusammensturz erfolge, werde die liberale frei- sinnige Partei wieder geeint auf den Kampfplaß treten und für jene Opfer Rechenschaft verlangen. :

Der Abg. - Freiherr von Varnbülex bemerkte, ein be- rühmter Staatsmann habe gesagt, die mündlihen Diskus- sionen entschieden sich theils durch die Kraft des Gehirns, theils durch die Kraft der Lungen. Da würde er jedenfalls den Kürzeren ziehen, Der Abg. Löwe habe nun beantragt, es bei dem alten Tarif zu lassen; weil der Abgeordnete aber das Schicksal seines Antrages voraussehe, habe er eventuell einen anderen Antrag gestellt und mit diesem den Versuch gemacht, ein Kriteriuum für die Unterscheidung zwischen hartem und weihem Kammgarn zu finden. Die rage dieser Unterscheidung habe eine förmliche Leidensgeschichte. Als es sih um die Festseßung des Tarifs gehandelt, seien die Betheiligten, die Orleansweber und die Jndustrie"en von Barmen, gekommen, ershreckt durch die Vorschläge des \o- genannten autonomen Tarifs, der drei Klassen machen wollte, nämli 12, 18, 14, und hätten gegen die hohen Säße protestirt. Durch seine Erklärung, daß nur an Säge zwischen 6 bis 10, etwa um 8, gedacht werden könne, seien sie vollständig zufrie- den gestellt gewesen. Als der Reichskommissar, von dem der Vorredner gesprochen habe, mit seinen Ansichten gekommen sei, habe er dieselben niht unbeahtet lassen wollen und dann sei von ihm der Vorschlag ausgegangen, eine Unterscheidung zu machen zwischen harten Kammgarnen und anderen und in Betreff der harten den alten Tarif beizubehalten. Nun habe die ursprünglihe Fassung gelautet: „Garne aus langer, glänzender Wolle“, und hierfür sei ein Saß von 23 bezw. 24 6 angeseßt worden. Da er jedoh beunruhigt gewesen sei, ob eine Unterscheidung wirklih nöthig fein würde, seien viele Jndustrielle vernommen worden; allein meistens sei man dur diese Erkundigungen weniger klar ge- worden als vorher, und so sei, da man die Unterscheidung nicht fallen lassen wollte, der dem Hause bekannte Sat in den Tarif gekommen. Besorgt, wie er sei, habe er nun einen sähsishen Zollbeamten, der an der österreichischen Grenze ein Haupt-Zollamt unter sich habe und der Tariffommission mit berathender Stimme beiwohnte, gebeten, sich Aufklärung darüber zu verschaffen, ob der Begriff „hartes Kammgarn“ mit festeren Kriterien zu präzisiren sei. Nach mehreren Wochen habe er die Antwort erhalten, daß der Erfahrung gemäß durchaus nit zu erkennen sei, was hartes und was weiches Kammgarn sei. Diese Mittheilungen eines sachkundigen Beamten seien für ihn maßgebender, als die der Jndustriellen, an die er anfange, sehr wenig zu glauben. Jn der Tarifkommission des Reichs- tags habe nun der Abg. Hammacher den Gedanken gehabt, den Begriff „hartes Kammgarn“ fallen zu lassen und nur diejenigen Garne in die Ziffer 2 zu nehmen, die ganz ent- schieden zu erkennen wären, das sind Genappes, Mohair und Alpakka, welche beiden leßteren keine Wolle, sondern Ziegen- haare seien. Die Weft hat der Abg. Hammacher fallen lassen, weil West kein Ausdruck für eine bestimmte Art von Garn sei. Er empfehle daher dem Hause die Anträge der Kommission.

Der Abg. Dr, Renßsch erklärte, die Frage spiße sih darauf 74 „ob zwischen harten und weihen Kammgarnen eine Unter- eidung mögli sei. Der Abg. Frhr. von Varnbüler habe diese bestimmt geleugnet, mehrere Steuerbeamten glaubten aber genügende Merkmale für die Unterscheidung angeben zu können. Nach seinen Erkundigungen könne man von dem Bedarf, der ungefähr 160 000—170 000 Ctr. betrage, ca. 80 bis 90 Proz. mit Sicherheit unterscheiden, nur für den kleinen Rest, der aus Mischsorten bestehe, sei ‘eine Unterscheidung für den Zollbeamten vielleiht nicht so {nell möglich, mindestens

würde bedeutende Uebung dazu gehören. Um dieser Schwie- rigkeit aus dem Wege zu gehen, habe er vorgeschlagen, die Einfuhr dieser harten Garne nur über vestimmte Zollstellen stattfinden zu lassen, damit sich an bviesen Punkten eine größere Uebung der Beamten erzielen lasse. Jn Deuts land beständen nur vier Firmen, welche die Garne spönnen, davon spönnen aber 3 nur für den eigenen Bedarf ihrer Webereien. Würden also die Zölle für hartes Kammgarn genehmigt, o würde man nur den konsumirenden Jndustrien eine Last auf- erlegen, ohne damit den einheimischen Spinnereien zu nügen, denn es seien eben keine vorhanden. Er möchte das Haus an das Sprüchwort erinnern, daß ein Sperling in der Hand besser sei, als eine Taube auf dem Dache. Das Haus würde die fette Taube, die es in der Hand habe, nämlich die Weberei, fliegen lassen, um einen mageren Sperling, die zukünftige Wesftgarnspinnerei, zu fangen.

Der Abg. von Bötticher (Flensburg) bemerkte, nah den Ausführungen des Abg. Frhrn. von Varnbüler fönne er ih um so kürzer fassen. Auch die österreichishe Jnstruktion gebe keine genügenden Kriterien der Unterscheidung an. Vielfach an- gestellte Versuche hätten ergeben, daß die extremen Nummern harter und weiher Kammgarne geradezu zusammenträfen. Es sei eine Trennung zwischen harten und weihen Kamm- garnen unmöglich in der Praxis durhzuführen, wenn man niht 1) vor der Einführung der Unterscheidung die Beamten dur jahrelange Schulung ausbilden wolle, 2) in jedem Monat die sämmtlichen Vergleihsproben auf allen Zollstationen zu erneuern bereit sei, und auch dann noch würden fortgeseßte Differenzen zwischen den Zollämtern und den Jnteressenten unvermeidlih bleiben, Wolle das Haus angesichts dieser Perspektive noch den Muth haben, die Möglichkeit der Unter- scheidung festzuhalten, er könne dahin nit folgen. Doch niht dieses Jnteresse allein sei für ihn maßgebend, sondern mehr noch die Rüksicht auf die Landwirthschaft und vor allem die Schafzucht. Es stehe heute so, daß Wolle von Deutschland aus exportirt werde und dann entweder als Kammgarn oder als Zeug verarbeitet zurückomme. Nun sei es ja richtig, daß im Augenblicke die deutsche Kammgarnspinnerei nit für den Markt- bedarf zu sorgen vermöge, gleihwohl aber entstehe für sie bei dem von ihm beschriebenen Procedere der Nachtheil, daß der Preis für die deutsche Wolle in die Höhe getrieben werde zu Gunsten der englischen dur das Hinzukommen von Spesen, Provision und Transport. Hebe man, was leiht mögli sei, die heimishe Spinnerei so weit, daß sie den deutschen Markt beherrschen könne. Man muthe derselben dabei au gar nit so bedeutende Opfer zu, wie man die Sache darzustellen ver- suht habe. Die Erhöhung des Zolles zum Beispiel von 3 auf 10 / würde den ganzen Centner der Barmer Waare um etwa 1/2 Proz. vertheuern. Jeder könne die Zahlen kon- troliren. Da dürfe man doch füglih nicht sprehen von dem vollen Ruin, dem die Beschlüsse des Hauses die Jndustrie entgegenführen sollten; diesen Appell des Abg. Löwe könne man ruhig abweisen. Jm Jnteresse der Landwirthschaft und Schafzucht in den Seeprovinzen, im nördlichen Hannover, in Oldenburg und in Schleswig-Holstein, wo er die Verhältnisse aus seiner amtlihen Thätigkeit kennen gelernt habe, bitte er das Haus, dem Antrage der Kommission zuzustimmen.

Der Abg. Dr. Hammacher bemerkte, für seinen Antrag sprächen die Petitionen von 41 Kammgarnspinnereien Deutsch- lands, ja außerdem auch die Regierungsvorlage, von welcher die Konimission, ganz besonders gestüßt auf die Autorität des Abg. Frhrn. von Varnbüler, abgewichen sei, Zolltechnische Schwierigkeiten, welche der Vorredner gegen seinen Vorschlag anführe, seien niht in dem Grade vorhanden, um sich gegen denselben auszusprechen. Allerdings gebe er zu, daß eine gewisse Uebung, ein sicheres Auge zur Unterscheidung der einzelnen Garne gehöre, aber in Desterreih würden diese Schwierig- keiten überwunden, und auch in Deutschland gebe es bei anderen Artikeln für die Steuerbeamten weit s{hwerere Auf- gaben zu lösen. Er bitte das Haus dringend, den niedrigeren Zoll beizubehalten und nit ohne Noth einen wichtigen Jndustriezweig zu sehr zu belasten.

Hierauf wurde die Diskussion geschlossen.

Der Ref: ren! Abg. Dr. von Schauß wies die Vorwürfe des Abg. Löwe gegen den von der Kommission proponirten Zollsaß zurück. Die Kammgarnindustrie werde nah wie vor lebensfähig bleiben. Wenn die Befürchtungen des Abg. Löwe irgend wie begründet wären, dann wäre er der leßte, welcher die Kommissionsanträge vertreten würde. Vielmehr würde er es dann für seine erste Pflicht halten, sein Mandat nieder- zulegen, um miht an einem #o unheilvollen Werke mitzu- arbeiten. :

__ Hierauf wurden sämmtliche Gegenanträge abgelehnt un d die Kommissionsvorlage ad þ. und c.1 und 2 angenommen,

Zu Titel c. 3 befürwortete der Abg. Findeisen den oben mitgetheilten Antrag Melbeck, da der erdrückenden Konkurrenz Englands gegenüber ein höherer, als der von der Kommission vorgeschlagene Zoll von 24 4 zum Schuße der einheimischen Garnindustrie dringend erforderlih sei. Man möge also den berialtens der Regierung 30 # pro Kilogramm wieder- erstellen.

Nachdem der Abg. Shmiedel seinen Vorschlag, auch die anderen Garnzölle zu erhöhen, mit Rücksicht auf die über- mäßige Konkurrenz der belgischen Streihgarnspinnerei moti- virt hatte, wurde, nah Verwerfung sämmtlicher Anträge, Titel c. 3 nah der Kommissionsvorlage angenommen.

Zu Pos. 41 d beantragte der Abg. Richter (Meißen), den Zoll für unbedruckte Waaren von 120 auf 135 M, Abg. Dr, Frege, den Zoll auf grobe Filze von 3 auf 6 4 zu erhöhen.

r Abg. Löwe (Berlin) wollte die von der Regierung vorgeshlagene Klassifizirung wieder einführen, aber die Zoll- säße von 100 resp. 150 auf 80 ‘resp. 120 herabsegßen, und be- antragte, wollene Posamentier- und Knopfmacherwaaren statt mit 150 mit 130 M zu verzollen.

Der Referent Abg. Dr. von Schauß empfahl die Annahme der Kommissionsbeschlüsse, die sich gegenüber der Re ierungs- vorlage dadurch empföhlen, daß sie die zollamtlih [Sivietige Unterscheidung zwischen Waaren unter und über 1/4 mm Stärke vermieden,

___ Der Réegierungskommissar Geheime Regierungs-Rath Böt- ticher bat um Wiederherstellung der Regierungsvorlage. Der Apparat zur Messung der Stärke der“ Waaren habe sich bei den verschiedenen Proben sehr gut bewährt, jedenfalls sei es aber mögli, mittelst desselben die Waaren mehr nah ihrem Werthe zu treffen, als dies nah den nivellirenden Beschlüssen der Kommission möglich sei. Außerdem sei zu bedenken, daß die Zölle für die härten Kammgarne gegenüber der Regierungs- vorlage erhöht seien; in Folge dessen müßte man e die Zölle für die daraus verfertigten Waaren erhöhen ; die Kom- mission habe aber durch ihren Beschluß die feineren, weniger -

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als 1/4 mm starken unbedruckten Stoffe von 150 auf 120 M’ rabgeseßt. /

Æ gg Richter (Meißen) empfahl im FJnteresse der sächsishen Wollenindustrie die Erhöhung des Zolles auf unbe- druckte Waaren von 120 auf 135 A, denn die in Greiz, Gera, Glauchau, Merane und Zittau gefertigten Wollenwaaren seien weniger als 1/2 mm stark, der Zoll von 120 M reiche aber für diejelben bei Weitem nicht aus. E

Der Abg. Dr. Delbrü erklärte sih gegen den Kommissions- antrag, weil derselbe die Waaren nur nach einem äußerlichen Kenn- eichen, niht nach ihrem Werthe treffe. Die frühere Unter- beidung zwischen gewalkten und ungewalkten Waaren sei allerdings auch nicht ganz dem Werth entsprechend gewesen, aber bei derselben seien do nicht die Unregelmäßigkeiten, wie bei dem jeßigen Kommissionsvorschlage, zu Tage getreten. Besonders würden die billigen englishen Waaren, deren Kette aus Baumwolle und deren Schuß aus Mungo- oder Shoddywolle bestehe, nah dem neuen Tarif doppelt so bei besteuert wie früher, während die feineren Stoffe zum Theil eine Ermäßi- gung erhielten. Die Zölle betrügen für die billigen Waaren früher hon 25 Prozent des Werthcs, würden also jeßt 50 Prozent und mehr betragen, Man müsse aber immer be- denken, daß diese Stoffe hauptsählih von armen Leuten ver- braucht würden, und daß ?/, des gesammten Jmportes auf diese Waaren fielen, die früher 60/6 gezahlt hätten, jeßt 120 M zahlen sollten. Er empfehle deshalb auf jeden Fall die Ab- lehnung des Antrages Richter (Meissen). l i

Der Abg. Dr. Frege empfahl seinen Antrag auf Erhöhung des Zolls für Filze, es handle sih dabei um die Verwendung eines Nebenproduftes der Landwirthschaft, nämlich der Kuh- und Kälberhaare. :

Der le Sonnemann befürwortete den Antrag, im Falle der Ablehnung des Antrags Loewe, den Zoll für unbedruckte Filze, Strumpfwaaren und O von 100 auf 80 M, und für unbedruckte Tuch- und Zeugwaaren von 120 auf 100 M herabzuseßen. : 5

Der Abg. von Kardorff sprach gegen die Ausführungen des Abg. Dr. Delbrü, meinte aber, daß, wenn man auf die Re- gierungsvorlage zurückgreifen wolle, die Grenze auf 1 mm statt 1/2 mm festgeseßt werden müsse. Er behalte sich vor, in dritter Lesung die Regierung zur Vorlegung einer umfassenden Enquete über die Wollenindustrie, wie sie über die Baum- wollen- und Leinenindustrie stattgefunden habe, aufzufordern, damit das richtige Verhältniß zwischen den Werthen der Waaren und den darauf gelegten Zöllen hergestellt werde. Er empfehle die Kommissionsbeschlüsse unter Annahme der von dem Abg. Richter (Meißen) vorgeschlagenen Erhöhung. n i

Der Referent Abg. Dr. von Schauß vertheidigte no ein- mal die Kommissionsbeschlüsse, da die Messung der Stärke des Tuchs nicht zur richtigen Unterscheidung führe, weil man durch eine leihte Manipulation das Tuch so bearbeiten könne, daß es in dem Meßapparat dier erscheine. Wenn die Regie- rungsvorlage wiederhergestellt werde, so verliere ein Theil der Industrie den bisher genossenen Zollshuß von 120 4, während er die erhöhten Garnzölle zu tragen habe. i f

Das Haus genehmigte darauf den Antrag Richter (Meißen), den Zoll für unbedruckte Waaren von 120 auf 135 # zu er- höhen, und mit dieser Aenderung die Vorschläge der Kom- mission, worauf sich dasselbe um 51/4 Uhr vertagte.

Jn der heutigen (73.) Sißung des RNeichs- tages, welcher der Präsident des Neichskanzler-Amts, Staats- Minister Hosmann und zahlreiche andere Bevollmächtigte zum Bundesrath und Kommissarien desselben beiwohnten, seßte das Haus die zweite Berathung des Zolltarifs mit der Pos. 25 (Material- und Spezerei-, auch Konditorwaaren und andere Konsumtibilien) fort :

Material- und Spezerei- auch Konditorwaaren und andere Konsumtibilien: a. Bier aller Art, auch Meth 100 kg 4 MÆ, b. Branntwein aller Art auch Arrak, Rum, Franz- branntwein und versecßte Branntweine in Fässern und Flaschen 100 kg 48 Æ, c. Hefe aller Art, mit Ausnahme der Weinhefe 100 kg 42 6 Anmerkung: Flüssige Bierhefe, auf der bayerisch- österreihishen Grenze von Dberneuhaus bei Melleck ein\chlüssig, auf der sächsish-böhmischen Grenze links der Elbe, auf der badis- \{weizerishen Grenze bei Dehningen und der sogenannten Höri für den eigenen Bedarf der dortigen Bewohner in kleinen Mengen bis zu 30 Pfund einsc{lüssig in einem Transporte 100 kg 3 M, d. 1) Essig aller Art in Fässern 100 kg 8 4, 2) Essig in Flaschen U Qn 100 e 23 Æ# © Wan Und Mo auch Cider, und TkTünstlich bereitete Getränke niht unter anderen Nummern des Tarifs begriffen: 1) in Fässern eingehend 100 kg 24 Æ, 2 in Flaschen eingehend 100 kg 48 MÆ, f. Butter, auch fkünstlihe 100 kg 20 A An- merkung zu f.: Einzelne Stücke in Mengen von nicht mehr als zwei Kilogramm, nicht mit der Post eingehend, für Bewohner des Grenzbezirkes, vorbehaltlich der im Falle eines Mißbrauchs örtlih anzuordnenden Aufhebung und Beschränkung dieser Begünstigung frei, g. 1) Fleisch, ausgeschlachtetes, frisches und zubereitetes; Geflügel und Wild aller Art, nicht [lebend ; Sleischextrakt, Tafelbouillon 100 kg 12 , 2) ‘Fishe, nit anderweit “genannt 100 e 3 M, h, Früchte (Südfrüchte): 1) frishe Apfelsinea, Citronen, Limonen,

omeranzen, Granaten und dergleihen 100 kg 12 4; verlangt der

ollpflichtige die Auszählung, so zahlt er für 100 Stück 2 4 Im

alle der Auszählung bleiben verdorbene unverzollt, wenn sie in

egenwart von Beamten weggeworfen werden; 2) Feigen, Korin- then, Rosinen 100 kg 24 , 3) getrocknete Datteln, Mandeln, Pomeranzen und dergleichen 100 kg 30 Æ, i. Gewürze aller Art, nit besonders genannt 100 kg 50 A Anmerkung zu e Gewürze zur Darstellung ätherisher Oele auf Erlaubnißschein* unter Kontrole frei, k. Heringe, gesalzene, 1 Faß (Tonne) 3 M Anmerkungen : 1) Gesalzene Heringe in niht handelsüblicher Ver- packœung werden mit 2 4. für 100 kg verzollt. 2) Gesalzene He- ringe, zu Dünger bestimmt, nach vorgängiger Denaturirung frei, I. Honig 100 kg 3 #, m. 1) Kaffee, roher und Kaffee-Surrogate (mit Ausnahme von Cichorie) 100 kg 404, 2) Kaffee, gebrann- ter 100 kg 50 M, 3) Kakao in Bohnen 100 kg 35 4, 4) Ka- kaosdalen 100 kg 12 Æ, n, Kaviar und Kaviar - Sur- rogate 100 kg 100 , 0. Käse aller Art 100 kg 20 M, p. 1) Konfitüren, Zuckerwerk, Kuchenwerk aller Art, Kakaomasse,

emahlener Kakao, Chokolade und Chokolade-Surrogate; mit

uter, Essig, Oel oder sonst, namentlich alle in Flaschen, Büchsen und dergleichen eingemacte, eingedämpfte odec auch eingesalzene

rüchte, Gewürze, Gemüse und andere Verzehrungsgegenstände (Pilze, Trüffeln, Geflügel, Seeth ere und dergleichen); zubereitete Fische, zubereiteter Senf; Oliven, Kapern, Pasteten, Saucen und andere ähnliche Gegenstände des feineren Tafelgenusses 100 kg 60 4 2) Obft, Sämereien, Beeren, Blätter, Blüthen, Pilze, Gemüse, getrocknet, gebacken, gepulvert, blos eingekoht oder gesalzen, alle diese Erzeugnisse, \oweit sie niht unter anderen Nummern des Tarifs begriffen sind; Säfte von Obst, Beeren und Rüben, zum Genuß ohne Zucker eingekocht; frishe und getrocknete Schalen von Südfrüchten; unreife Pomeranzen, auch in Salzwasser ein- gelegt; trockene Nüsse, Kastanien, Johannisbrod, Pinienkerne ; ge- rannte oder gemahlene Cichorien 100 kg 4 Æ, q. 1) Kraftmehl,

Puder, Stärke, Stärkegummi, Arrowroot, Nudela, Sago und Sagosurrogate, Tapioka 100 kg 6 Æ, 2) Mühlenfabrikate aus Getreide und Hülsenfrüchten, nämlich geschrotene oder geschälte Körner, Graupe, Gries, Grüße, Mehl, gewöhnliches Backwerk (Bäckerwaare) 100 kg 2 A Anmerkung zu q. 2: Mengen von nicht mehr als 3 kg für Bewohner des Grenzbezirks, vorbehaltlich der im Falle eines Miß- brauchs örtlich anzuordnenden Aufhebung oder Beschränkung dieser Begünstigung frei, r. Muschel- oder Schaalthiere aus der See, als Austern, Hummern, ausgeshälte Muscheln, Schildkröten und der- gleihen 100 kg brutto 24 M, s. Reis, geshälter und ungeschälter 100 kg 4 A Anmerkung: Reis zur Stärkefabrikation unter Kon- trole 100 kg 1,20 Æ, t. Salz (Koch-, Siede-, Stein-, Seesal;), sowie alle Stoffe, aus welchen Salz ausgeschieden zu werden pflegt 100 kg 12,80 46. Anmerkung: Salz, seewärts eingehend 100 kg 12 M, n, Syrup, v. Tabak: 1) Tabaksblätter, unbearbeitete und Stengel, 2) Tabaksfabrikate: a. Rauchtabak in Rollen, abgerollten oèer ent- rippten Blättern oder geschnitten; Karotten oder Stangen zu Schnupftabak, auch Tabaksmehl und Abfälle, F. Cigarren- und Scbupftabak, w. Thee 100 kg 100 M,

(Die Zollsäße für Zucker und Syrup sind

die Zuckerbesteuerung betreffende Geseß vom 26. Juni 1869 be- stimmt und betragen von: 1) raffinirtem Zucker aller Art, sowie Rohzucker, wenn leßterer den auf Anordnung des Bundesraths bei den nah Bedürfniß öffentlich zu bezeichnenden Zollstelen nieder- zulegenden, nah Anleitung des holländishen Standart Nr. 19 und darüber zu bestimmenden Mustern entspriht 100 kg 30 M, 2) Robzucker, soweit solcher niht zu dem unter 1) gedachten ge- hôrt 100 kg 24 A, 3) Syrup 100 kg 15 Auflösungen von Zucker, welche als solche bei der Revision bestimmt erkannt werden, unterliegen dem vorstehend unter 2) aufgeführten Eingangs8zolle, 4) Melasse, unter Kontrole der Verwendunz zur Branntwein- bereitung frei).

Die Zölle für Bier aller Art, auch Meth, 4 (; Brannt- wein, Arrak, Rum, Franzbranntwein 48 4; Hefe aller Art 42 M4; Essig in Fässern 8 M, in Flaschen und Kruken 48 M, wurden ohne Debatte genehmigt. |

Zu Pos. e. beantragten die elsaß-lothringishen Abgg. Winterer und Gen., den Zoll für Wein in Fässern auf 12 s herabzuseßen; sie motivirten diese Herabseßung damit, daß in den Reichslanden der Genuß der gemeinen Weine, von denen bedeutende Quantitäten aus Frankreich importirt würden, ein nothwendiges Lebensbedürfniß geworden sei. Der Bundeskommissar Ministerial-Rath Dr. Mayr empfahl da- gegen die Ablehnung dieses Antrages ; es handle sich um den Schuß des einheimishen Weinbaues sowohl gegenüber dem fremden Weinbau als auch gegenüber der ausländischen Kunstweinfabrikation.

Der Abg. Dr. Delbrü bemerkte, daß die Erhöhung des Weinzolles eine bedeutende Abnahme des Konsums fremder Weine in den Reichslanden und daher auch eine Abnahme der Zollerträge zur Folge haben würde.

Der Abg. Dr. Zinn bestritt, daß die Abnahme des Kon- sums eine so bedeutende sein würde, daß die Zollerträge sich nicht gegen die bisherigen vermehren würden. Er empfehle die Annahme der Kommissionsvorschläge; denn schon der Weinzoll in der bisherigen Höhe habe den Fmport der „tleinen“, billigen französishen Weine ausgeschlossen. Die vorgeschlagenen Zölle würden dem Weinbau nicht nügen, wenn man nicht zugleich ein Verbot der Weinfabrikation er- gehen ließe. E

Der Abg. Richter (Hagen) erklärte, wenn man nicht über die Wirkung des Zolles vollkommen klar sei, so solle man lieber den Zoll nicht ändern; die Erhöhung würde wegen der Abnahme des Konsums keine Mehreinnahme zur Folge haben.

Der Bund: skommissar gab zu, daß ein höherer Zoll aller- dings die Weinfabrikation befördern würde, allein es liege in der Absicht der Regierung, dem durch die innere Gesezgebung entgegenzutreten. Auf eine Anfrage des Abg. Rickert erklärte der Bundcskommissar, daß der Bundesrath noch nicht über die Frage berathen habe, ob den Weingroßhändlern ein Rabatt gewährt werden solle. Nachdem noch der Abg. Dr. Schröder (Friedberg) und der Referent Graf Udo zu Stolberg (Rasten- burg) für die Kommissionsvorschläge eingetreten waren, wur- den dieselben vom Hause genehmigt. :

Gegen den Zoll von 20 # auf 100 kg Butter sprah der Abg. Rickert, indem er ausführte, daß da- durch der ZJmport künstliher Butter, die von den armen Leuten genossen werde, vertheuert würde. Das Haus genehmigte jedo diesen Zoll, sowie die Zölle für aus- geshlachtetes Fleish 12 H; zubereitete Fishe 3 H; Apfel- sinen, Citronen 2c. 12 M; Feigen, Korinthen und Rosinen 24 (; Datteln, Mandeln, Pomeranzen u. dgl. 30 4; Ge- würze 50 M, zur Darstellung ätherisher Dele unter Kontrolle frei; gesalzene Heringe pro Tonne 3 s, in anderer Ver- packung 2 4 pro 100 kg; Heringe zum Dünger bestimmt, frei; Honig 3 /( Bei Schluß des Blattes begann die De- batte über den Kaffeezoll: 40 M

Die in der heutigen Börs:n - Beilage abgcdruckte tabellarishe Uebersiht der Wochenausweise deutscher Zettelbanken vom 30. v. M. schliezt mil fol-

enden summarischen Daten ab: Es betrug der gesammte Kassen-

bestand 712 664 000 M oder 2 725 000 M6 weniger, der Wechsel- bestand dagegen 606 245 000 M oder 32 586 000 / mehr als in der Vorwoche; es zeigten ferner die Lombardforderungen mit 100 882 000 «a eine Zunahme von 25 593 000 4, und der Notenumlauf mit 932462000 A eine solhe von 65 236 000 M; endlih ergaben die täglih fälligen Verbind- lihkeiten mit 216 395 000 A eine Abnahme um 9 781 000 M, und ebenso dic an eine Kündigungsfrist gebundenen Verbind- lihkeiten 41 922 000 M oder 29 000 M weniger gegen die Vorwoche.

Der General-Postmeister Dr. Stephan hat eine Er- holungsreise nah der Schweiz und Fcalien angetreten.

Der General-Lieutenant von Dannenberg, Com- mandeur der 2. Garde-Jnfanterie-Division, hat sih mit Urlaub nach Tepliß begeben.

Bayern. München, 5. Zuli. (W. T. B) Se. Majestät der König hat den Landtag auf den 16. Juli einberufen.

Oesterreich - Ungarn. Wien, 3. Juli. Der vom Finanz-Minister am Schlusse des vorigen Quartals veröffent- lichte Ausweis über den Steuereingang hat bekanntlih mit einem bedeutenden Mehreingang abgeschlossen. Wie nun die „N. Fr. Pr.“ erfährt, lieferten die Steueréinnahmen auch im zweiten Quartal des Jahres 1879 ein sehr be- friedigendes Resultat und zeigen ein Plus sowohl im Ver- gleih mit dem Voranschlage des laufenden Jahres, als auch im Vergleich mit dem Netto-Ergebnisse der entsprehenden Periode des Jahres 1878,

4. Juli. (W. T. B.) Die „Polit. Korresp.“ meldet aus Konstantinopel: Die Verhandlungen wegen der Aufhebung des Fermans vom Jahre 1873 dauern fort. Die Westmächhte machen Vermittelungsvorschläge, die weniger auf eine sahlihe Korrektur, als vielmehr auf eine solche in der Form abzielen. Die wiederholten Versiche- rungen des Sultans, daß er nicht beabsichtige, Mahmud Nedim Pasha in die Regierung zu berufen, wirkten be- ruhigend. Die Abreise Mahmud Nedim Paschas wird für nächste Woche erwartet. Die Ernennung Karatheodori Paschas und Mu n if Paschas zu Bevollmächtigten für die Grenzverhandlungen mit Griechenland steht bevor ; ein bezügliher Antrag des Kakbkinets is dem Sultan zur Sanktion unterbreitet worden.

6. Juli. Einschliéeßglih des Ergebnisses dées gestrigen Wahl tages sind auf 353 zu wählendec _Ab- geordnete 266 gewählt. Hiervon gehören 136 Gewählte den liberalen und 130 Gewählte den konservativen und den nationalen Parteien an. Die Liberalen haben 33 Siße ver- loren. Fn dem steyerishen Wahlbezirke Leibniß wird tom- menden Montag zwischen dem Kultus-Minister Dr. Stremayr und Dr, Magg eine Stichwahl stattfinden. Die verfassungs- treuen Großgrundbesißer Niederösterreihs haben nah Ab- lehnung des Antrages, ein Kompromiß mit den Konservativen einzugehen, die Kandidatenliste des verfassungstreuen Wahl- comités angenommen.

Belgien: Brüssel, 4 Juli. (W. T. B.) Die Ré- präsentantenkammer hat die vier ersten Artikel des Ge - seßentwurfs genehmigt, welcher zur Verhinderung von Un- geseßlichkeiten bei den Wahlen die Geseße über die persön- lichen Abgaben, sowie die Geseße über die Wahlen verschiedenen Aenderungen unterzieht. Die Annahme des ganzen Geseß- entwurfs gilt jeßt als gesichert.

GroßFßbritannien und Jrland. London, 3. Zuli. (Allg. Corr.) Jhre Majestät die Königin empfing vorgejtern Se. Königliche Hoheit den Kronprinzen von Schweden.

Kardinal Newman ist von Rom nah England zurück- gekehrt.

«Fn Portsmouth ist der Befehl eingegangen, die gegen- wärtig im Hafen liegenden drei indishen Truppen- schiffe „Serapis“/, „Crocodile“ und „Malabar“ seebereit zu halten. Die Befehle lauten dahin, daß die Schiffe für „beson- deren Dienst“ erforderli sind. Man glaubt, daß sie entweder weitere Verstärkungen nach Natal befördern oder die am afghanischen Kriege betheiligten Truppen zurücbringen werden.

4. Juli. (W. T. B.) Jn der heutigen Sizung des Oberhauses erklärte der Unter-Staatssekretär der Kolonien, Cadogan, auf eine Anfrage Lord Kimberley's: soweit die Nachrichten reiten, hätte Cetewayo noch nichts behufs Abschlusses eines definitiven Friedens gethan. Eine Depesche des Generals Chelmsford vom 6. Juni melde: die von Cetewayo abgesandten Boten seien am 6. Juni mit einer Botschaft an ihn zurückgegangen, in welcher ein sofortiger Beweis dafür gefordert werde, daß Cetewayo ernstlih den Frieden wünsche. Als Beweis werde die Herausgabe der er- beuteten Kanonen und des erbeuteten Viehes erwartet; außerdem solle Cetewayo aber auch das Versprechen geben, die erbeuteten Waffen den Engländern wieder zuzustellen. Ferner solle ein Regiment sofort in das englische Lager kom- men und dort als Zeichen der Unterwerfung die Waffen niederlegen. Jn Erwartung der Antwort Cetewayo's seien alle militärishen Operationen eingestellt worden. Sobald Cetewayo diese Bedingungen erfüllt habe, würden alle Feindseligkeiten während der Unterhandlungen über den definitiven Frieden aufhören. t :

Jm Unterhause erwiderte auf eine Anfrage Lord Elcho's der Unter-Staatssekretär Bourke: Es habe zwischen England und der Pforte ein Schriftwechsel über Ce C eat a Ss eden. Midhat Pascha habe der Pforte in dieser Hinsicht verschicdene Reformen vorgeschlagen, darunter auch eine größere Ausdeh- nung der Befugnisse des Gouverneurs von Syrien. Die Pforte habe den meisten dieser Vorschläge zugestimmt. Weiter erklärte Bourke Goldshmid gegenüber: Der Schriftwechf el über die Abseßung des Khedive dauere noch fort, des- halb sei es unthunlih, denselben jeut vorzulegen. Chaplin beantragtè die Einseßung einer Kommission zur Untersuhung der Nothlage der Landwirth: schaft behufs Abhülfe derselben. Der Antragsteller führte bei Begründung seines Antrages aus: er wolle zwar nicht behaupten, daß diese Nothlage dem Freihandel ohne Gegenseitigkeit zuzuschreiben sei, doch stehe es feft, daß die Versicherungen und Weissagungen Cobdens fich niht bewahr- heitet hätten. Die anderen Länder seien dem Beispiele Eng- lands nicht gefolgt. Es dürfe nicht überraschen, daß man an der Weisheit einer Politik zweifele, welhe nicht den Freigandel, sondern einen zu Gunsten anderer Nationen beschränkten Freihandel geschaffen habe, Früher oder später müsse die auswärtige Konkurrenz empfind- lih für die Landwirthschaft werden. Macduff bean- tragte ein Amendement, dahin gehend, die Untersuhung auf den Einfluß der Geseße über den Großgrunddesiß zu beschränken. Jm Laufe der Debatte bekämpfte Bright ener- gisch das Monopol des Grundbesißes. Lord Sandon gab die große Nothlage der Landwirthschaft zu, doch sei dieselbe keineswegs cine universelle. Jn England fei dieselbe dem Zusammentreffen einer Anzahl unglückliher Umstände zuzu- schreiben; die Regierung habe stets für die Fnteressen der Landwirthschaft ge)orgt. Die beantragte Untersuhung würde eine umfassende und genaue sein müssen, da aber eine solche verlangt werde, könne die Regierung sie niht verweigern. Eine Ausdehnung derselben auf den Handel sei unzulässig. Die Regierung werde dafür Sorge tragen, daß in der Unter- suhungskommission au die Pächter genügend vertreten seien. Der Führer der Opposition, Marquis von Hartington, sprah gégen die Schuhzölle und befürwortete eine radikale Modifizirung der Bodengeseße. Deshalb sei eine Untersuhung erwünscht. Der Schaßkanzler Northcote erklärte: eine Un- tersuhung sei deshalb erwünscht, weil die Jdee stark verbrei- tet sei, daß die Ursachen der Nothlage bald beseitigt werden könnten; es sei nicht zu fürchten, daß die A8 die Lehren des Freihandels abshwächen werde; dieje feien zur Wahrheit geworden. Der Schatkanzler Ge {ließli die Bemerkungen Brights bezüglich der Bodenge)eße, da die- selben geeignet seien, Unheil zu stiften. Der Antrag Chaplins wurde hierauf ohne R angenommen.

4. Juli. (W. T. B.) Nach hier eingegangenen Nach- rihten aus Capetown, vom 15. Juni, verlautete dort, daß mit Cetewayo ein 14tägiger Waffenstillstand geschlossen