1901 / 287 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 04 Dec 1901 18:00:01 GMT) scan diff

ob es darauf ankäme, den ganzen internationalen Handel auf eine neue Grundlage zu stellen; er hat die Produfktionsstatistik aufgestellt, 20090 Sachverständige vernehmen lassen, den Wirthschaftlichen Aus- schuß berufen. Er rühmt sih dessen, andere Leute denken anders darúber, denn man hat sich bei allen diesen Wahrnehmungen auf die engsten persönlichen Gesichtspunkte bes{chränkt und nur in den wenigsten Fallen Interessenten und Gegeninteressenten gegenübergestellt. Bei der Be- rufung der Sachverständigen ist man einseitig vorgegangen, und der be- rühmte Wirthschaftliche Ausschuß ist nihts Anderes als eine {{lcchtere neue Auflage des Bismarck’\{en Volkswirthschaftsraths, den Abgeord- netenbaus und Reichstag ablebhnten, weil man sich sagte, daß die Addition und Subtraktion der Sonterinteressen nicht identisch mit dem allge- meinen Interesse scien. Fürst Bismarck hatte im Volkswirthschafts- rath wenigstens auch Handwerker und Arbeiter sien, aber in diesem MWirthschaftlichen Aus\{chuß saßen nur Vertreter der Großindustrie, des Großgrundbesißes und des Großhandels. Graf Posadowsky rühmte sich, daß er den Ausschuß aus den Interessenverbänden hätte hervorgehen lassen wollen. Das ift ja eben das Schlimme. Mit Necht bat Graf Caprivi gesagt, was der Einzelne sih niht aus seinem Inter- effse zu fordern getraue, das bringe man in cine große Interessengemein- schaft, die dann die Forderung aufstelle. Zur Vertretung des Groß- grundbesitzes im Wirthschaftlichen Aus\{huß hat man die Landwirthschafts- kammern Vertreter stellen lassen, also den Extrakt eines „Junkerparla- ments“. Der Verband der Landwirtbhschaftskammernist ja eineOrganisation zur einseitigen Vertretung der Interessen des Großgrundbesitßes, und der Herr Staatéësekretär hat nicht einmal daran genug gehabt, daß ihm von diesem Agrarier wie Kani, Frege, MNettih präsentiert wurden, fondern hat noch aus Allerhöchstem Vertrauen die Herren Graf Schwerin und Freiherr von Wangenheim hineingezogen, als ob noch nit Agrarier genug darin wären. Thatsächlich ist immer nur der Großgrundbesiß zu Wörte gekommen. Graf Purusadowsky erzählt uns, wie Herr von Marschall für die Einleitung dieser Politik verantwortlih sei, spricht aber mit keiner Silbe davon, wie Graf Bülow als Staatssekretär des Auswärtigen Amts sich zur Instradierung diefer Politik gestellt hat. Das Auswärtige Ressort ist doh im höchstem Maße an Handelsverträgen interessiert. Als Graf Bülow Neichskanzler wurde und die Einheitlichkeit der Politik proklamierte, interessierte uns seine Ansicht über die Politik, aber er sagte: „Du kennt mein Herz noch lange nicht". Wir warteten und warteten, bis das Festessen des Deutschen Landwirtb\chaftsraths da war; da hatte Graf Bülow sein agrarisches Herz entdeckt und er- innerte sich, daß seine mecklenburgishen Vorfahren Jahrhunderte lang die Scholle bearbeitet batten; dann kamen die allgemeinen Nede- wendungen im Reichstag und Landtag, aber so recht wußte man doch niht, wie man mit ihm daran war, selbst auf der Nechten machte sich einiges Mißtrauen geltend. Um fo gespannter war man gestern auf die Einleitung dieser Verhandlungen, aber bier ist man enttäuscht, oben auf den Tribünen ift man enttäuscht, draußen ist man enttäuscht. In der ganzen Rede war nicht ein Satz, d:r nicht {hon früher in einem Trinkspruch oder sonst ausgesprochen war. So schwach und so unbedeutend ist noch nie eine große Vorlage eingebraht worden. Ich habe die Nede Bismarck’s beim Zolltarif noch im Sinn und die Rede, welche der shlihte, tinfahe General Graf Caprivi für die Handeléverträge hielt, und die große Fülle von Gedanken darin. . Die Mehrheit der Konservativen bat ja für diefe Handelsverträge gestimmt. (Wider- spruch rechts. Zuruf: die Minderheit der Fraktion.) Von den Konservativen und Freikonservativen hat ja die große Zahl dafür ge- stimmt, ebenso das ganze Zentrum und die Nationalliberalen. Welche Tiefe und\ Fülle von Gedanken war nicht in jener Nede enthalten. Es ift unmöglich, zu glauben, daß der jetzige Reichskanzler in der handelspolitishen Frage niht au) Ueberzeugung und G.èdanken hat. Jch nehme an, daß er mit den Diplomaten die Sprache für erfunden hâlt, um die Gedanken zu verbergen. Und Freiberr von Thielmann sprach dann gestern cinige Spezialitäten, die wir Alle kannten und für die Niemand Interesse hatte. Als er dann aber auf das Allgemeine kam, berief er sih auf feinen geehrten Vorredner und seßte sich Sicher ist Graf Posadowsky davon auch enttäuscht worden, und darum hat er heute die große Nede gehalten, tie gestern der Reichskanzler und Freiherr von Thielmann nicht gehalteú haben. Die Rede des Grafen von Posadowsky war agrarischer als selbst die des Grafen Bülow. Wenn ich solche Anfichten hätte, hielte mich niht auf mit 1 oder 2 M höherem Getreidezoll, sondern gäbe mindestens das, was die He auf der Rechten wollen. Graf Posadowsky ist die ceigentlihe agrarishe Seele der Neichs- regierung. Von ausgleichender Gerechtigkeit ist in dieser Vorlage nichts zu fintea. Ale Konsumenten werden belastet. Die große transatlantische Schiffabri wird ges{ädi Man rühtnt die großen deutshen Schnell- dampfer in Trinksprüchen, und dann macht man eine Politik, die diese Schiffahrt wi icdrängt. Den Arbeitern werden die Lebens- mittel vertbeuer le wird der Export g“fahbrdet durch Ver theuerung aller landwirthschaftlihen Erzeugnisse, die für sie Robstoffe sind. Denken Sie nur an die Brauerci, an die Nabhrungsmittelindustrie! Die Erböhung der Zölle garnicht ndustrie wegen vor- geschlagen worden, fondern als Drohung gegen das Ausland zu Gunsten der landwirthschaftlichen Zölle è erhô iczölle baben für die inländische weil es ih pielfah nu von Zöllen belastet die Induftui ( Ha!bfabrifkate ver theuert. Vortheile baben nur gewisse Zweige der Großindustrie, di auch ohne Zoll r-it demn Auéland konkurrieren könnten, die aber den

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Zoll erhöht baben wollen, u Inlande desto höhere Preise nehmen zu fönnen mit Hilfe tibrcr Svndikate Aníîta wre Preise für das Inland berabzusetzen, balter e fie möglichst boch und s{idcken den Uebers{uß; ibrer Prod1 s Ausland. Das sind die Agenten des Auslandes. “erren auf der Rechten find ja auch

gegen di: Syndikate, wenn es sich nicht gerade um Zucker und Spiritus M D v 4 é d

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handelt Benn ie Svndikate macen wollen, so fangea Sie doch 1 ing des Zollschutzes für diese an, die die Preise für das Jnlan öher balten. Graf Schwerin Löwit kann nit ig über den Nückgang der Landwirthschaft flagen Graf Sc{hwerin ist ja der Ober-Präsident der Agrarier, seine rechte Hand ift der Genera dicser bat ih vers pflichtet gefühlt, die Lichtsciten der Lantwirthschaft, wie er es nennt, bervorzuheben OCN r ari r F î wirthscha filichen usdehnung deë Zuckerrüben- Futter- rübenbaucs, des Kartoffelbaues, der Verwendung künstlichen Düngers, Aufschwung ter Viehwirth Scündung von Molfercien, Auts- dehnung des Genoftenschaftäwesent 2c ei folhen {ritten ist die Muthlosigkeit d Landwirthbs{ha2®t nit begründet. Von 1887 bis 1892 beîtar t Zoll, seitdem der 3,50 „Æ-Zoll; eine d daf Ie Pro- duktion an Reggen în der leuten Periote ut , bei Weizen um

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«I «F protukiion geitiegen er Di ¡ieral-Sefretär bezeugt außerdem aber auch, tas tie ® , | derselben Höbe geblieben find. Die Aagrariec langen immer früherer Jahrzehnte für Getreide, aber die frúberen Preise der anderen lanowirthbsch{aft- lichen Produkte r L der Gier u. ! ummen für fe nicht mebr in Betracht. i meinem Sinne ausgesprochen Mittel ift, untd r emvfoblen Weil Sic baben Sie doch kein Sie von vornk hat bier 1895 erflärt, roher Vlechaniómus, b der seinen berebtigken erhalten, obne de Und derfelbe (Hraf das einzig Richtige der Natur!“ Auch die Zölle entwickelt flingen; er hat selbft cinmal bôbere Zôlle sollten. Ic möchte

30 9/5 gestiegen ift. ntivreheno ift in demelben Zeitraum die Vichb- ifi

erinnern. Die Erhöhung der Fulterzölle trifft gerade die mittleren und kleinen Betriebe. Der deutsche Fleishkonsum ist noch sehr erheb- lier Steigerung fähig; wenn Sie aber das Getreide vertheuern, nehmen Sie den Leuten das Geld weg, womit sie Fleisch kaufen könnten. Die Begründung beruft fih auf den Rückgang der Domänenpachten. Ja, haben die Herren denn ein Recht auf Rente? Und ist die Zinsrente nicht viel weiter zurückgegangen? Der Zinsrechner - mußte sich Kon- vertierungen von 45 auf 35 und 3 9/6 gefallen falen: das sind viel stärkere RNüdckgänge als diejenigen der Pachterträge. Weshalb die Landflucht ? Weil die Leute in den gebundenen Verhältnissen, wie sie in ganz Ostelbien noch herrschen, nicht mehr aushalten mögen. Die Wehr- fraft foll durch die Zölle gestärkt werden. Aber jede Verschlehterung der Ernährung, wie sie doch durch höhere Lebensmittelzölle herbei- geführt wird, s{chwächt doch auch die Wehrkraft. Ueber die Frage, daß die Erhöhung der Zölle auch eine Erhöhung des Getreideprei]es zur Folge hat, sollte man doch auch bei der Regierung klar sein; statt dessen aber hält man an dem Märchen fest, daß die höheren Getreidepreise keinen höheren Brotpreis bedingten. Es is nach- gewiesen, daß geringe Getreidepreise auch niedrige Brotpreise im Gefolge haben; ih weise auf die Statistik von Württemberg hin. Im Jahre 1887 haben nur Bäckermeister gesagt, daß sie. den Zoll niht tragen fönnten. Am besten wäre es wohl, wenn Ihre Söbne (nah rechts) statt Kavallerie-Offiziere Bäckermeister würden. Die Zollerböhung würde die jeßige Vertheuerung der Lebensmittel von 99 „. pro fünf Köpfe einer Familie nur um 18 4 erhöhen. Es find doch gerade die minder wohlhabenden Klassen, die die Zölle aufbringen müssen. Man möchte einen Theil der Uebershüsse zu Gunsten der Arbeiter verwenden. Eine wunderbare Methode, von der sih übrigens in der Vorlage nichts findet! Ich glaube, wenn wirklih Ueberschüsse vorhanden sind, so werden sie für Heer, Marine 2c. verwendet. Die Minister der Einzelstaaten lechzen förmlih nah einer Verminderung der Matrikularbeiträge. Hier handelt es sh nicht um den Schuß der nationalen Arbeit, sondern der Renten. Früher schnitt man die Vor- lagen auf die Sozialdemokratie zu; nie habe ih die Sozialdemokraten so munter gefechen wie in diesen Tagen. Die Palme hat sich in der Förderung dieser Munterkeit Graf Bülow erworben, und. wenn die Sozialdemokratie ihr Vermögen als Prämie ausgeseßt hätte, so hâtte sh Graf Bülow dieje Prämie verdient Die einseitige Förderung von Sonderinteressen muß das monarchishe Gefühl in Deutschland und unsere Stellung dem Auslande gegenüber schädigen. Graf Caprivi hat den russishen Handelsvertrag als Brücke des Friedens zwischen den beiden großen Nationen bezeichnet, als einen großen politischen Aft. Diese Politik wird jeßt ins Ungewisse ge- stellt. Der Dreibund wird von allen Parteien als eine werthvolle Errungenschaft gleichmäßig geschäßt. Diesen Dreibund wollte man damals stärken, und darum trat man für die Handelsverträge ein. Veute ist auf die Freude am Dreibunde, wie man in Oesterreich schreibt, ein „dunkler Schatten" gefallen. Unsere besten Freunte in Ungarn bedauern unsere Zollpolitik. Der Dreibund legt den Stiaaten große militärische Nüjtungen auf, um so besser müssen die gegenwärtigen wirthschaftliten Beziehungen gestaltet werden. Graf Bülow meinte, man solle dech abwarten. Seit Jahren ist alles in der Schwebe. Wer soll in der Industrie Aufwendungen machen, wenn es fo ungewiß ist, wie sih nah 1903 der Absaßz gestaltet ? Diese Ungewißheit ist nicht geeignet, den inländischen Unternehmunge- geist zu stärken. Dazu kommt die Depression auf wirthschaftlichem Gebiet. Die Regierung ist ja nicht s{chuld daran, um so eher sollte sie sh hüten, diese Depression zu vermehren Der Minister Möller meinte allerdings, auf die sieben fetten müßten fieben magere Jahre folgen. Er sollte fi den orientalischen Kollegen zum Muster nehmen, der dafür sorgte, daß auch in den ichlechten Jahren Getreide vorhanden war. Wir müssen alle Musfeln an]pannen, eine Voilage zu Falle zu bringen, welche den Arbeitern und dem ganzen Volke zur Schande gereichen muß.

Reict,skanzler Graf von Bülow:

Der Herr Abg. Richter hat sih darüber beklagt, daß ih gestern nicht mehr gesagt hätte. Der Herr Abg. Nichter sollte mir cigentlih dankbar sein, daß ich bei der Einleitung einer vorauésihtlich langen Debatte mih der Kürze befleißigt habe. Wir werden noch lange Neden genug zu hören bekommen. (Heiterkeit.)

Im übrigen möge der Herr Abg. Richter mir gestatten, ihm zu sagen, daß er zwar einige sehr gute Wiße gemacht hat einige wirklih recht gute Wite (Heiterkeit), aber daß er doch nit allzu viel Neues gesagt hat, was ich nicht {hon im Laufe des Sommers in mancher ihm nahestehenden Zeitung gelesen hätte. (Sehr richtig! rechts; Unruhe linfs.)

Nun hat der Herr Abg. Nichter siH bemüht, einen Gegensaßz zu konstruieren zwis{ch2n der Tarifvorlage der verbündeten Regierungen mit der Erhöhung der Getreidezölle und jener Weltpolitik, die ich mehr als einmal von dieser Stelle aus vertreten habe und deren überzeugter und entschiedener Anhänger ih, wie Sie alle wissea, bin. Ein solcher Gegensahy besteht aber niht. Denn die Basis einer ge- sunden und vernünftigen Weltpolitik ist eben eine kräftige nationale Heimathspolitik. (Sehr richtig! und Bravo! rets.) Das Eine {ließt das Andere nicht aus, sondern das Eine ist die Vorausseßung des Anderen. (Sehr richtig! rechts.) Eine Welt- politik, welche die heimische Arbeit ohne SHuy lassen würde, die fich insbefondere niht um die Landwirthschaft fümmern würde, wäre eine phantaîstische, ungesunde und chimärishe Politik. (Bravo! rets.) Für eine folche Weltpolitik danke ich, für eine solhe Weltpolitik werde ih nie zu haben sein. (Bravo! rechts.)

Der Hecr Abg. Richter hat auch die Kanalfrage berührt. Diese Frage gthört ja eigentlich nicht vor das Forum dieses hohen Hauses,

or ein anderes hohes Haus, das zur Zeit geschlossen

ch nebme aber gar feinen Anstand, mih auch übcr diese

i von allgemeinem Interesse ist, hier zu äußern. Der

bz. Richtec hat mir ia der Kanalfcage Nachgiebigkeit vor- geworfen. Ich hätte den Herrn Abg. Nichter eigentlih für konsti- tutioneller gehalten. (Sehr gut! rechts.) Warum nimmt es der Herr Abgeordnete mir denn übel, wenn ih gegenüber einer parlamen- tarischen Körperschaft, in diesem Falle dem preußischen Abgeordneten- hause, nicht sofort das ganze schwere Geshüy aufgefahren habe, das einer Regierung zu Gebote steht? Jst denn das Jdeal tes Herrn Abg. Richter für das Verhältniß zwischen der Regierung und ter Volksvertretung dasjenige von Reiter und Roß: der Eine führt, der Andere pariert! (Sehr gut! rechts) Das würde für mich als Minister in gewisser Hinsicht ganz nett zu hôren sein. (Heiterkeit.) Jch traue aber dem Herrn Abg. Richter in dieser Beziehung niht ganz. (Heiterkeit) Jch fürchte, daß es dem Herrn Abgeordneten do wroeniger darauf anfommt, die Autorität der Megzierung zu befestigen, als darauf, einen Zwiespalt herbeizuführen ¡wischen der Regierung und großen Parteien des Landes, einen Streit, bei dem er den tortius gaulens abacben würde. (Heitcrkeit.) Daß ih dazu nicht die Hand bieten will, daß ih dem Herrn Abg Richter nicht das Streichhölzcben liefern will, um den Brand anzu- zündea, an dem er seinen Parteitovf fkohen fann (große Heiterkeit), deshalb zürnt mir der Herr Abg. Richter. Nun bin ich ja immer gern bereit, ibm eine Freute wu machen. Es tarf nur nit auf Kosten des Staatéroobls scin. Das Staatêwobl verlangte, taß die Kanalfrage im vergangenen Frühjahr mit Ruhe behandelt wurde, im Hinblick auf das

Meine Herren!

allgemeine Interesse und nicht vom Standpunkt dieser oder jener Frakticn. Das s{hließt natürlih niht aus, daß die Regierung an ihren verkehrä- politishenZielen unbedingt festhält. (Hört, hört! bei denNationalliberalen. } Von einem Fallenlassen der großen Wasserftraßenpläne ift keine Rede! (Sehr gut!) Von einem endgültigen Scheitern der Kanalvorlage kann {on deshalb nit gesprohen werden, weil das eine tiefgehende Schä- digung bedeuten würde nit nur für diesen oder jenen Gebietstheil, sondern für den allgemeinen Wohlstand des Landes. Die Königlich preußische Staatsregierung ist der festen Ueberzeugung, daß ein Projekt, das niht nur einzelnen Erwerbszweigen, sondern dem allgemeinen Volkswohl und der gesammten Monarchie zu gute kommt, mit der Zeit realisiert werden wird (Lachen links), und wenn der Herr Abg. Richter uns dabei unterstüßt, so kann uns das nur recht sein. Es muß aber in sahliher Weise geschehen.

Nun hat der Herr Abgeordnete weiter moniert, daß ich_ gestern gesagt habe, man möge doch einmal abwarten, wie der Hafe weiter liefe; und er hat gemeint, ih spiele in der ganzen Tariffrage keine führende Rolle. Meine Herren, es kann doch nicht die Aufgabe des Neichskanzlers sein, seine Ansichten den verbündeten Negierungen - zu okftroyieren; das würde nicht nur im Widerspruch stehen mit dem Geiste der Reichsverfassung, sondern auch mit der Ansicht, die ich persönlich von den Nechten, von der Selbständigkeit und der Würde der Bundesstaaten habe. Ich kann auch nicht ohne weiteres meine Ansichten diesem hohen Hause oftroyieren. Wir alle wissen do, daß das konstitutionelle Leben auf dem Prinzip der gegenseitigen Verständigung beruht, auf dem wechselseitigen Entgegenkommen und hier und da auch auf Koms- promissen. Ich konstatiere mit Befriedigung, daß es mix gelungen ist, zwischen den verbündeten Regierungen ein Einvernehmen herbeizuführen, und ich denke, es wird auch gelingen, eine Verständigung über die Tarifvorlage zwischen den verbündeten Regierungen und diesem hohen Hause herzustellen. (Bravo!) Jedenfalls habe ih in dieser Be- ziehung meine Pflicht erfüllt und wie König Philipp von Spanien kann ih zu Ihnen sagen: „Jh habe das Meinige gethan, Herr Kardinal, thun Sie das Jhrige !“ (Große Heiterkeit.)

Ich sage alfo, ih hoffe, es wird zu einer Verständigung kommen zwischen den verbündeten Regierungen und diesem hohen Hause troß des Herrn Abg. Nichtcr, der, wie ih hoffe, diese Verständigung nicht wird hintertreiben können, fondern dabeistehen wird als der Geist, der oft verneint, aber s{hließlich überstimmt wird Meyphisto unter- liegt, und die Engel triumphierten. (Große Heiterkeit.)

Der Herr Abg. Richter hat auch angedeutet, daß ih als Staatssekretär des Acußern handelépolitishen Ansichten gehuldigt hâtte, die im Widerspruch sländen mit dieser Tarifvorlage. Dem- gegenüber erkläre ih, daß zwishen allen Reichéressorts und allen preußishen Ministerien für diese Vorlage volle Ueber- einstimmung besteht. Ih muß für alle Ressorts in der Vergangen- heit wie in der Gegenwart das Vertrauen in Anspruch nehmen, daß sie sih gleilmäßig der Pflicht bewußt sind, die uns die Pflege und der Schutz der nationalèn Wohlfahrt auferlegt, und taß sie die gewaltigen wirthschaftlihen Interessen, die für uns in diefen Fragen auf dem Spiele stehen, mit Umsicht und mit Besonnenheit, aber aud) mit aller Festigkeit wahren. Von Gegensäten, von Wider- sprüchen, von starken Ungleichheiten kann übrigens {on desbalb nicht die Nede sein, weil die Litung der ganzen Aktion ja nur von einer Stelle ausgehen kann, nämlich von dem Ihnen bekannten, cinzig ver antwortlihen Beamten im Neiche. Also mit einer Zwei-Scelcn- Tbhecrie ist es nihts! (Heiterkeit.)

Meine Herren, ein großer Theil der Ausführungen des Herrn Abg. Richter galt der Frage der Handelsverträge Ich habe nie einen Zweifel darüber gelassen, daß ich die Erneuerung der Handelsverträge, und zwar langfristiger Handelsverträgz, für durch- aus wünschens- und erstreben3werth halte. Ich habe schon im vorigen Jahre es muß im Februar oder März gewesen sein von dieser Stelle aus gesagt, daß es unser Wunsh und unsere Absicht sei, auf für uns annehmbarer Basis wiedèr zu Handelsverträgen zu gelangen. Ich sage: auf für uns annehmbarer Basis; denn allerdings bin i nit der Ansicht, daß Deutschland sich in ciner Zwangslage befinde, die uns nöthigte, um jeden Preis und unter jeder Bedingung mit anderen Sta1ten Handelsverträge abzus{licßen. (Sehr wahr! rets.) Ich bin der Ansicht, daß für dic Staaten, mit denen wir gegenwärtig Handelsverträge baben, genau dasselbe Interesse wie für uns bestebt, daß; die Handelsvertragspolitik fortgeseßt wird. (Sehr richtig! rcchts.) Ich vin auch der Ansicht, daß neue Handelsverträge nur mögli sind auf der Basis voller Gegenseitigkeit, und ich bin endlich der Ansicht, dasz im Hinblick auf die kommenden Handelsvertrags- Verhandlungen wir unfere Wünsche mit derselben Freiheit zur Sprache bringen fênnen wie Andere. Wir brauchen nicht s{Güch{terner zu scin als Andere! (Heiterkeit.)

Was nun die tadelnden Auslassungen fremder Blätter über unscre Tarifvorlage angeht, so werden si die verbündeten Regierungen ta durh natürlih nit um eines Haarcs Breite von dem Wege ab- drängen laffen, den uns unsere Rehe und unsere Interessen vor schreiben. (Bravo! rets.)

Ich gestehe übrigens, meine Herren, daß mi diese Angriffe der freinden Presse gegèn die Tarifvorlage garnicht weiter betrüben; im Gegentheil, wenn der Tarif von allen Ecken und Enden des Auslandes beifällig besprohen würde, so müßle mich das eher uathdenklich stimmen! (Sehr wahr! rechts.) Die fremde Kritik [lobt den Tarif. Wr sind Herren im eizenen Hause und thun nur, was wir im Inter- esse dec wirtbsc{aftlihen Entrwoickelung Deutschlands für nütlih halten. (Bravo! rets.)

JIch möchte noch cins hinzufügen: Fern sei mir der Gedanke, au nur cinen Augenblick den Patriotiómus des Herrn Abg. Richter oder irgend cines Vertreters in diesem hohen Hause in Zweifel zu ziehen; aber, meine Herren, das ewige Drohen mit dem Zorn des Auéslandes, wie es seit einiger Zeit in einem Theil unserer Presse im Schwange ist, die geradezu denunziatorishe Weise, wie die Negierung des cigenen Lantes angeshwärzt wird bei der Regierung fremder Länter, das ist würdelos (lebhaftes Bravo! rechts), abgesehen von der, ich will eirmal sagen: politiscken Nairetät, die tarin lieg!, immer dieses oder jenes fremde Land als von uns bedroht hinzustellen, oder aub immer wu drohen mit dem fremden „Knecht Rubprechtk“- Jh muß sagen: ih bencide meine Freunde und Kellegen, die fremden Minister tes Aecvfßern, um den Eifer, mit tem ihnen die Besorgung ibrer Geschäfte von deutscher Seite erleichtert wird. (Bravo! rets.)

Unter diesen Umständen ist es wirklich nicht shwer, Politik ju machen; vom deutschen Standpunkt aber ist es unpatriotisch und kur sicbtig, derart das fremde Selbsigefühl zu steigern, das ohnehin hier

tôthig und

und da zuweilen nicht gering ist. Wir wünschen mit allen anderen Mächten politisch wie wirthschaftlich in den allerbesten Beziehungen zu bleiben; aber wir lassen uns durch fremden Tadel, dur fremde Angriffe und durch fremde Drohungen nicht ins Bockshorn jagen. (Bravo! rechts.)

Das vorausgeseßt, betone ih, daß auch wir selbstverständlich, wie das ja auch in den Ausführungen des Herrn Abg. Spahn zu meiner Freude zur Geltung gekommen ist, den Werth der Handels- verträge für uns rückhaltlos anerkennen und daß wir von dem Wunsche erfüllt find, solhe Handelsverträge wieder zu erneuern. Jch glaube auch, daß Handelsverträge, und zwar langfristige Handelsverträge nicht nur der Industrie und dem Handel, sondern auß der Land- wirthschaft zu nußen kommen, denn auch diese hat ein Interesse an stetigen Zuständen, an ruhigen und gleihmäßigen Verhältnissen. (Sehr wahr!) Jedenfalls ist die Erhaltung und die fortschreitende Erweiterung des Absatzgebietes unserer Industrieprodukte für unsere gesammte wirthschaftliche Entwickelung eine soziale und ökonomische Nothwendigkeit, der sih die verbündeten Regierungen nicht im Ent- ferntesten vershließen. (Lebhafter Beifall.)

Nun, meine Herren, möchte ih noch bemerken: es hat mich gewiß gefreut, daß der Herr Abg. Nichter so warm eingetreten is für den monarchischen Gedanken. (Heiterkeit rechts.) Ich glaube aber mit den verbündeten Regierungen, meine Herren, daß durch diese Tarifvorlage der monarchishe Gedanke gefördert wird (Heiterkeit links); denn aus dieser Tarifvorlage kann die Bevölkerung ersehen, wie sehr die Monarchie darauf bedacht ist, ehrlihe und tüchtige Arbeit zu schüßen. (Bravo! rehts. Widerspruch links.)

Wenn ih also gewiß dem Abg. Richter für seine Sorge um die Erhaltung der Monarchie dankbar bin, so weiß ih doch nicht, ob ih das Interesse der Monarchie fördern, ob ih ihre Zukunst noch mehr sicher stellen würte, wenn ih mi gar zu sehr dem Standpunkte des Herrn Abg. Richter nähern wollte. (Sehr gut! rets.)

Meine Herren, auf die mancherlei Einzelfragen und mancherlei Gedanken, die gestern der Herr Abg. Graf Schwerin und heute der Herr Abg. Dr. Spahn geltend gemacht hat von einem Picken habe ih übrigens beim Herrn Grafen von Schwerin garnichts bemerkt (Heiter- keit) heute einzugehen, enthalte ih mi; darüber uns auszusprechen und, wie ih hoffe, au zu verständigen, wird die Aufgabe der Kommissions- berathungen sein. Es ist eine alte Erfahrung, daß \{ließlich nichts versöhnlicher wirkt, als gemeinsame Arbeit an großen gemeinsamen Aufgaben. Die verbündeten Regierungen hoffen, daß dicse Erfahrung sih auch diesmal bestätigen, daß sich bei den Berathungen heraus- stellen wird, daß manche Gegensäße nicht in der Schroffheit bestehen, wie es gegenwärtig hüben und drüben scheint. Sie hoffen jedenfalls, daß diese Berathungen zu einer Milderung der Gegensäge beitragen werden, und daß es gelingen wird, ein Tarifgesetz zu stande zu bringen, der Landwirthschaft zu Nuß und der Judustrie niht zu Trutz, ein Tarifgesetß, mit dem das Land zufrieden sein kann. (Lebbaftes Bravo! rechts.)

Darauf vertagt sih das Haus.

Es folgen persönliche Bemei kungen der Abgg. von Kar- dorff (Rp.) und Molkenbuhr (Soz.)

Schluß gegen 6 Uhr. Nächste Sißung Mittwoch 1 Uhr. (Fortsezung der Berathung.)

Literatur.

Die Begründung des Deutschen Reiches durch W ilhelm 1. Von Heinrich von Sybel. Neue billige Ausgabe in sieben Ganzleinenbänden. Verlag von N. Oldenbourg in Münchea und Berlin. Preis 2450 (A Dieses Werk über die Neubegrün dung des Deutschen Reiches hat deshalb einen besonderen Werth, weil dem Verfasser zur Benußung für* den größeren Theil desselben die Archive des Auswärtigen Amts und des preußishen Staats- Ministeriums geöffnet waren. Aus diesem reihen Aktenmaterial hat Zybel mit fstaunenêwerthem Fleiß und tmeisterhaftem Geschick ein Bild der Entwicklung des neuen Deutschen Reiches und der sciner Aufrichtung vorhergegangenen Kämpfe gezeihnet und damit einen tiefen Blik in die zeitgenösssche Geschichte ermöglicht Die Erclaubaiß zur Benußung der Archive wurde dem Verfasser aller dings noch - vor der Bearbeitung der Bände 6 und 7 wieder entzozen. Einerseits war jedoch für diese die Friedensjahre umfassenden Bände die Benußung der Akten mehr entbehrlih, und mdererseits fand Sybel cine außerst werthvolle Unterstüßung in dem Fürsten Bismarck, der sein Interesse an dem Werke durH zahlreiche persönliche Mittheilungen bekundete und vor Drucklegung der beiden Bände eigenhändig berichtigte, was ihm bierzu Veranlassung gab Ueberhaupt stellt das Sybel’sche Geschichtswerk gewissermaßen einen authentischen ge&cbihtlihen Kommentar zu den Gedanken und Er- nnerungen*“ des Fürsten Bismarck dar Das ganze Werk ift ein unvergänglihes Denkmal, weihes der erhabenen. Kaiser Wilbelm's 1. und der Kraft seines getreuesten Berathers, des Fürsten Bismarck, errichtet worden ift, gleih ausgezecihnet durch die Strenge und Gründlichkeit der historishen Forshung, dur die Schärfe und Sicherheit der Kritik, wie durch die edle, jeder rueate abholde Sprache und durch das warme Nationalgefühl des Autors Freudig zu begrüßen ist die Beigabe eines umfangreihen Namends- ind Sachregisters für alle sieben Bände, das bei der bisherinen Aus- gabe fehlte. Dieses Negister wird allen denen, die im öffentlichen Leben stehen oder dafür Interesse haben und daher bäufig in die Lage kommen, über die eine oder andere Frage der Politik uad Geschichte nachzuschlazen, sehr erwüns{t sein. Für Freunde der vaterläadischen Geschichte eignet sich das mit dem Porträt des Verfassers nebst facfimilierter Unterschrift ges{mückte, auch äußerlih gediegen aus- gestattete Werk wie kein zweites als preiswertheds Weihnachtégeschenk. Deutschland zur See. Bilder zus dem deutschen Kricgs- \chiffleben von Victor Laverrenz, Mit 88 Jlluftrationen von K. Blumenau, F. Lindner, G. Martin, A. Zick u. A., sowie Natur- aufnahumen des Marinephotographen Arthur Renard in Kiel. Verlag von Herm. J. Meidinger in Berlin. 13 Lieferungen zum Preise von je 50 4, Dieses die verschiedensten Vorkommnisse, wele sih an Bord eines Kriegsschiffes ereignen können, an der Hand der Schicksale Erlebnisse cines Secekadetten \{ildernte Werk liegt nunmehr, nah dem Erscheinen des 13. Heftes, vollständig vor. Die Darstellung unterscheidet sich insofern von manchen anderen der zahlreichen Neuheiten auf dem Gebieteder Marine-Literatur, als sie nicht in dem mehr oder minder trockdenen Ton eines Handbuchs gehalten ist. Jun anziehender, novelli- stiicher Form fügt sie vielmehr innerhalb des Rahmens einer Lebens- \hilderung, wie unbeabsichtigt, Belehrungen über das Thun und reiben an Bord, sowie binsichtlich des Dienstcs auf dem Schiffe ein und weiß in gleicher Weise auh manche besonders charakteristishen Momente aus dem Entwickelunzögange des angehenden Seeoffiziers ges{ickt einzuflehten. Ebenso sind die Abschnitte über die geschichtliche Entwickelung der deutschen Marine, deren Material und das Sce- friegöwesen auh für fernerstehende Kiecise gemcinverständlih und unterhaltend geschildert und durch zahlreiche Abbildungen erläutert. _— JFns Reich.“ „Normannenfahrt“ „Vom Hothh- gebirg.“ Von Ch. Thesfter. Verlag von Th. Schröter in Zürich und Leipzig. Pr. geb. 5,20; geh. 4, Der als Kanzelredner und

Größe

Schriftsteller bekannte Verfasser hat in dem vorliegenden Buche die Eindrücke geschildert, wie er sie auf seinen Reisen von Basel nah Berlin, nah Paris und der Normandie, sowie in die Rhätischen Alpen gewonnen hat. Seine von sittlihem Ernst und religiösem Gefühl getragene Darstellung ist belehrend, dabei aber in ihrer bilderreichen, vielfa jovialen Sprache gleichzeitig auch unter- haltend und frei von dem trockenen Ton eines Reisehand- buches. Von einem solchen oder einer \reng wissenschaftlichen Neisebeschreibung unterscheidet sich das Buch in vieler Beziehung. Es trâgt einen ganz eigenartigen Charakter insofern, als es niht nur die äußerlichen Eindrücke verzeihnet, sondern mehr auf das innere Wesen des Gesehenen- und Gehörten eingeht, dasfelbe mit warmem Herzen und offenem Verstande prüft und mit treffendem Urtheil \tets den springenden Punkt herauszufinden weiß. Es bereitet einen wahren Genuß, auf folche Weise gewissermaßen mit dem Verfasser gemeinsam reisen zu können und selbs Bekanntes von einem ethishen Gesichts- punkt aus neu betrachten zu lernen.

Dartmoor - Jdyllen. Von S. Baring - Gould. Autorisierte Ueberseßung von Oskar Wilda. 245 Seiten 89. Schlesische Veilagsanstalt von S. Schottlaender in Breslau. Pr. eleg. geh. 3 M, fein geb. 4 4 Das im südwestlichen England fich erhebende Hochland des Dartmoor ist sowohl dur seine natürliche Beschaffenheit und seine vorgeschichtliden Denkmäler, die Menhirs und Steinkreise, als auh durch seine merkwürdigen recht- lihen Besitverhältnisse. die gleichfalls als Denkmäler alter Zeiten sich zum theil bis heute erhalten haben, wie durch seine den betonderen Lebensbedingungen angepaßte Bevölkerung ein höchst interessantes Stück Erde. S-Baring-Gould, ein in England hochgeshäßter Schriftsteller, der insbesondere auf dem Gebiete des Folklore Verdienstliches geleistet hat, schildert in vorliegendem Buche dieses eigenartige Hochland und seine Bewohner in einer Reihe idyllisher Erzählungen, die mit. \{lichter, zu Herzen gehender Kunst und mit gesundem, gemüthvollem Humor ausgeführte G-nrebilder ernsten und heiteren Charakters darbieten.

Land- und Forstwirthschaft. Getreideaussaat in der Türkei. Nach einem Bericht des Kaiserlichen Konsuls in Smyrna vom 23. v. M. ist rehtzeitig ausgiebiger Negen eingetreten _und die Feld- bestellung günstig verlaufen. Die Anbaufläche ist ungefähr die gleiche wie im Vorjahre.

Die landwirthschaftlichen Verhältnisse im Don- und Kubangebiet und in den Gouvernements des Schwarz- meecrbezirks und Stawropol.

Die Bodenbearbeitung wird im Dongebiet, im Kubangebiet und in den Gouvernements des Shwarzmeerbezirks und von Stawrovol im allgemeinen noch nicht rationell betrieben, obwohl die Einwohner in der Kunst des Ackerbaus weiter vorgeschritten sind als in manchen anderen Gegenden Nußlands und \ich namentlich von Jahr zu Jahr mehr an den Gebrauch landwirthschaftliher Maschinen gewöhnen.

Die im Dongebiet angewandten Acerbaumethoden waren bisher t ie Brachfeld- und die Dreifelderwirthschaft. In den Steppen gegenden und Vorbergen des nördlichen Kaukasus berrschte bis in die jüngste Zeit die Brachfelderwirthschaft, in Waldgegenden die Waldfelderwirthshaft. Weniger verbreitet war bis jeyt die Drei- felderwirthschaft; nur ausnahmsweise, und zwar bei Gutsbesitern, trifft man bessere Systeme an. Düngung der Felder kommt selten vor. Die Verwendung ‘von Stallmist als Dungmittel macht fich nicht bezahlt, da scine Aufbewahrang und Verbringung auf die ausgedehnten Ackerflächen erhebliche Verluste an ven dem Boden nüt lien Stoffen mit sich bringt und er als Heizmaterial in Gestalt von Mistziegeln verbältnißmäß'g theurer bezahlt wind. Der Werth von 2600 Stück Mistziegeln wird im Dongebiet auf 4 Nubel 50 Kopeken bis 25 Nubel geschäßt. Jn der Zeit, wo die Truppen im Lager steben, steigert sich dieser Preis noch mchr. Im Jahre 1900 sollen während der Lagerzeit im Salkreise 1000 Mistziegel nur mit Mühe für 45 Nubel zu erhalten gewesen sein. Verständige Landwirthe beginnen ihre Aufmerksamkeit der künstlichen Düngung zuzuwenden. Versuche damit sind jedoch bisher nur beim Weinbau gemacht worden. Die Fabriken künstliben Düngers werden voraussichtlih vorläufig nur geringen Absay finden, zumal da ein Theil der Landwirthe der

Ansicht ist, daß Düngung \chädlich sei. Die Fabriken werden wo- Moi 1 t vol Bei Mariupc

möglich einen Erport ins Auge zu fassen haben in der Nähe dec metallurgishen Fabrik „Providence“ ist vor

furzem als Unternebmen einer deutschen Gesellschaft die erste

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Thomasschlacktenmeblfabrik errihtet worden, auf der man guten

phosphorsauren Dung für 27 bis 28 Kopcken das Pud erbalten fann. Bei Taganrog wird gegenn

mit dem System der Kugelmühblen gebau ibr die belgishen metallurgisben Werke vo dem hat sih die Gesellschaft den Bezug der

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\ârtig eine weitere derartige XFabril ba liefern

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Werlen in Kertsch gesichert, wo homaseiten beginnen wird. Landwirthîd giebt es noch nicht, wen eriitert Yandwirtbe" Tiefen chiedenen Säemetk und ähnliche Fragen geprüft cine Landwirthscbaftsgesell Verbesserung der Adckerbauverk tbeiligt find die größeren Landi Rostow domizilierten Abtbeilung Kaiserlichen Landwirtb veranstaltet i

auêg Masajewsche untd kfaukasis{he Merinc i Kaukasus sowie Kreuzungen frantöfischer und deutscher Rambouillets Die weite im September 1900 veranstaltete Ausstellung war noch \{wächer beschickt

Im Gouvernement Stawropol haben in den leyten Jahren kleinere landwirtbs{aftlihe Gesellschaftsäbanke arfe Verbreitung ge- funden. Im Jahre 1899 gab es deren 3 ie Cialagea im Ge sammtbetraaec von 250 000 Rubel angenommen 700 00 Rubel Darlebne gegeben baben. ie Summ kapitalien betrug am 1. Januar 1900 170 000 Rubel. Diese Bauernbanken sind erst eine Er‘cheinung des leßten Jahrzehnts Für Kredit- gewährung an üer existiert dagegen seit zwei Jabren in Nostoro cine „Landwirthschafts- und Jndustricbank“ mit einem Grund- fapital vor Millionen MNubel, die namentli Vorschüsse auf Wolle gieb ie Aktien der Bank sind meist in Händen der örtlichen Gutsbesiger er Reingewinn betrug nah den Veröffentlichungen 1899 98 075, 1900 249 040 Rabel, wobei 1899 6,5, 1900 16,25 Rubel Dividende auf jede Aktie kzmen

Fine im vergangenen Jahre im Dongebiet aufgestellte Statistik eraab das Vordandensein einer erstaunlih großen Anzabl von modernen landw irthschaftlihen Geräthen und Maschinen Es waren davon bei einer Bevölkerung von 2544428 Seelen, worunter sich{ch 26 701 Kalmücken befinden, im Gebrauche: 26 628 deutsche Pflüge, 3876 eogalishe 1499 moldauische, 8873 amerikanische, 69 252 russisde einscharige, 67 792 uwveischarige, 19 894 Getreidemäh- maschinen §499 Grasmäber, §9904 vervollfkfommneie Eggen, 75 471 Kornreiniger, 3137 Sortierer, 4244 Pferderehen und 2369 maschinen für Pfertedbetricb Von dieser Gesammtzabl land- wirtbschaäftlicher Geräthe waren 166 341 Stôck îin Händen der Ko- safen, 115 317 der ei Bauern â jen gewanderten und 11 717 in den Händen der nicht ansässigen Besiyér Die Anwendung der Maschinen bietet im Dongebiet den nothwendigen

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tbeimischen 83 063 der antäfigen Au-

Ersaß für die mangelnden Feldarbeiter. Die Arbeiter müssen von Besitzern größerer Wirthschaften vielfa aus den inneren Gouverne- ments gedungen werden. Die Kosaken find oft gerade zur Zeit der Feldarbeiten zu militärischen Uebungen eingezogen. An nicht wenigen Orten findet die Landbevölkerung in der Montanindustrie Beschäftigung.

Im Gouvernement Stawropol waren im Jahre 1899 bei einer festansässigen Landbevölkerung von 836 798 Seelen und 46 095 Nomaden folgende landwirthschaftlihe Maschinen und Geräthe im Gebraudh:

bei auf dem Terri- torium nomadisierenden

Stämmen

a 5 „__ bei Guts- bei den Bauern besitern Dampfdresch- maschinen . . 161 57 8 Pferdedresch- maschinen . . 1 220 234 5 Säemaschinen . 91 201 18 Pflüge. . . 62 353 507 1 214 Pferderechen . . 1 989 395 139 Kornreiniger . 21 683 219 188 Kornschneide- maschinen . 5 Grasmähßer . . 1 D 8

3 Zusammen. 98 212 5 234 1 838 im Werthe von 6624333 689 378 155 467 Rubel. _Es kamen auf je 3 Höfe 2 eiserne Pflüge und auf je 9 Höfe 2 Kornreiniger. Seit zehn bis fünfzehn Jahren sind dort landwirth- haftlide Maschinen überhaupt erst in Aufnahme gekommen. In aht Jahren hat sich die Zahl der Kornreiniger um das 42 fache, die der Grasmäher um das 21 fache vermehrt. N

Im Kubangebiet sind Maschinen fast nur unter den deutschen und russishen Kolonisten anzutreffen. Die eingeborenen Stämme bearbeiten den Boden und mahlen das Getreide mit fehr primitiven Geräthen.

Im Schwarzmeer-Gouvernement ist der Ackerbau wegen des bergigen Bodens und des eigenartigen ursprünglichen Verfahrens der Bestellung von seiten der eingeborenen Bevölkerung nicht nennens- werth. Dort kommt etwa nur 14 Desjätine auf einen Hof Böhmische Ansiedler haben sih dort durch Einführung der Düngung und eines leichten Pfluges sowie dur Verbesserungen im Taback- und Gemüsebau Verdienste erworben.

Die Großgrundbesißer verpachten meist ihre Felder. Große Flächen werden zur Zeit noh als Weide zur Schafzucht benußt, wobei der Pachtzins bis vor kurzem 1,50 Rubel bis 7 Rubel betrug und der Werth einer Desjätine 15 bis 75 Rubel nicht überstieg. geht man 1parsamer mit den Weideflächen um.

Angebaut werden im Dongebiet und nördlichen Kaukasus haupt \ächlich Weizen, Gerste, Noggen, Hafer und Hirse; auch der Kartoffel- bau nimmt eine größere Fläde ein. Von Oelgewächsen sind zu nennen Sonnenblume, Lein, Hanf, Senfsaat. Wichtige Nahrungs mittel sind im nördlihen Kaukasus für die Bevölkerung Arbusen, Melonen, Kürbis, Gurken und vor allem die Baumfrüchte. Das Verfahren zum Trocknen und Konservieren ter Früchte ist noch recht primitiv.

An Wein werden im Dongebiet von etwa 10000 Desjätinen 25 000 Wedro gewonnen. Im nördlichen Kaukasus sind (mit dem Terekgebiet) etwa 20 000 Desjätineu mit Neben bepflanzt, von denen gen 3 Millionen Wedro gewonnen werden sollen.

Der Tabackbau ist außer im Kubangebiet niht beteutend und hat im Schwarzmeer-Gouvernement erbeblih gegen früher abgenommen, wo er dem Weinbau gewichen ist. Im Kubangebiet waren 1898 2929 Tabadckplantagen auf 13 481 Desjätinen vorhanden, vorzugsweise Griechen gehörend. Der Ertrag war 1899 758 742 Pud und wurde als unbefriedigend angesehen.

Da eine rationelle Landwirthschaft im allgemeinen noch nit betrieben wird, fo soll der Boden, namentlich im Dongebiet, ftellen- weise bereits abgewirthschaftet sein. Die Ernten sind auf besitzerland überall besser gewesen als auf Bauernland, wozu die Güte des Bodens als dessen s\orgfältigere Bearbeitung bei- getragen hat. Das dirigierende Comité für landwirthschaftliche An- gelegenheiten des Dongebiets bat festgestellt, daß in der fünfiäbrigen Periode: 1896 bis 1900 an Winterfrucht nur das 4,4fabe, an Sommer- frucht pas 4,1fahe an Korn geerntet wurde, wobei Winterfrucht für die einzelnen Jahre vom 1,5 bis zum 6,5fachen, Sommerfruht vom 25 bis 5,4fahen und îin einzelnen Kreisen sogar vom O0fachen (wo icht einmal die Ausfaat eingebracht wurde) bis zum C 1 Korn

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