1879 / 237 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 09 Oct 1879 18:00:01 GMT) scan diff

Deutsches Nei.

Flaggenatteste sind ertheilt worden: / 1) vom Kaiserlichen Vize-Konsulat zu Coronel am 16. Zuli d. J. der im Jahre 1862 in Sunderland erbauten, bisher unter der Flagge von Guatemala gefahrenen Bark „Kent“ von 445 t Ladungsfähigkeit nah dem Üebergange derselben in das aussließlihe Eigenthum von Gustav A. Jacobsen zu A welcher Hamburg zum Heimathshafen des Schiffes ewählt hat ; : E 2 D Kaiserlichen General-Konsulat zu Valparaiso am 19. Juli d. J. der im Jahre 1854 in Hamden (V. St. v. A.) erbauten Bark „Anita Delfina“ von 621,58 Register-:Tons Ladungsfähigkeit, sowie der im Jahre 1865 in Shoreham erbauten Brigg „Clara“ von 289,3 Register-Tons Ladungsfähigkeit, welhe bisher unter der Flagge von Nica- ragua gefahren sind, nah dem Uebergange derselben in das ausscließlihe Eigenthum des im Königreich Preußen staats- angehörigen Gottlieb Heinrich Wilstermann zu Valparaiso. Lebterer hat Altona zum Heimathshafen beider Schiffe gewählt ; 3) vom Kaiserlichen Vize-Konsulat zu Caldera am 30. Juli d. J. dem im Jahre 1873 in Honolulu erbauten, bisher unter der Flagge von Nicaragua gefahrenen Schooner „El iza“ von 113 Register-Tons Ladungsfähigkeit nah dem Ueber- gange desselben in das ausscließlihe Eigenthum des Ham- burgischen Staatsangehörigen Friedrih Julius Stahmer, welcher Hamburg zum Heimathshafen des Schiffes gewählt hat.

Königreich Preußen.

Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht:

den Ober-Landesgerihts-Rath von Rosenberg zum rihterlihen Mitgliede und den Amtsgerihts-Nath Küster zum stellvertretenden rihterlihen Mitgliede des Bezirksverwal- tungsgerihts in Stettin für die Dauer ihres Hauptamtes am Siße des lebteren,

den Landgerichts-Rath Oelzen in Erfurt zum richter- lihen Mitgliede und den Amtsgerihts-Rath Rohland da- selbst zum stellvertretenden rihterlihen Mitgliede des Bezirks- Verwaltungsgerihts in Erfurt für die Dauer ihres Haupt- amtes am Sitze des leßteren zu ernennen und zuglei zu be- stimmen, daß der Bezirks - Verwaltungsgerichts - Direktor Nobbe zu Merseburg auch den Vorsiß bei dem Bezirks-Ver- waltungsgerichte in Erfurt zu führen hat ; ferner

den Amtsgerichts-Rath Schießle zu Sigmaringen zum richterlichen Mitgliede des Bezirksverwaltungsgerichts in Sig- maringen für die Dauer seines Hauptamtes am Sitze des leßteren zu ernennen ; sowie S

den Friedensgerihts\{hreibern Pfißner in Merzig und Finger in Grevenbroich bei ihrer Verseßung in den Ruhe- stand den Charakter als Kanzlei-Rath zu verleihen.

__ Abgereist: Se. Durchlaucht der Reichskanzler und Prä- De. des Staats-Ministeriums Fürst von Bismarck nach arzin.

Bekanntmachung auf Grund des Reichs geseßzes vom 21. Oktober 1378.

, Auf Grund des §. 12 des Reichsgeseßes gegen die ge- meingefährlihen Bestrebungen der Sozialdemokratie vom 21. Oktober 1878 wird hierdurch zur öffentlichen Kenniß gebracht, daß der 11, Jahrgang der im Verlage von C. Jhrings Nach- folger zu Verlin im Jahre 1874 erschienenen periodischen Drucks chrift: „Sozial-politische Blätter.“ Zur Unter- haltung und E für die deutschen Arbeiter, sowie der III. Jahrgang derselben Druckschrift, welcher im «zahre 1875 im Verlage von C. Jhrings Nachfolger, später im Verlage von H. Rackow und der Allgemeinen Deutschen Affssociations- Buchdruckerei (E. G.) zu Berlin erschienen ist, nah §8. 11 des gedachten Geseßes dur die unterzeihnete Landespolizeibehörde verboten ist.

Berlin, den 7. Oktober 1879. Königliches Polizei-Präsidium. von Madai.

Nichtamtkliches. Deutsches Nei.

Preußen. Berlin, 9. Oktober. Beide Kaiserliche Ma jestäten hatten gestern in Dos eine Begegnung mit Jhrer Majestät der Kaiserin von Rußland auf Allerhöchstderen Reise nach Cannes.

Beide Majestäten waren mit der Großherzogli badischen Familie bei dem ersten Wettrennen in JZffezheim anwesend.

S OIL WeLe Der reichsgeseßlichen Regelung des Versicherungswesens hat der Reichskanzler unter dem 4. August d. Js. das nachstehende Run ds\chreiben an die Bundesregierungen gerichtet :

Die baldige reichsgeseßlihe Regelung des Versicherungs- wesens ist in jüngster Zeit von vershiedenen Seiten bei mir in Anregung gebracht worden.

Den Hohen Bundesregierungen ist es bekannt, daß bereits auf Grund eines Beschlusses des Bundesraths des norddeut- {hen Bundes die Vorarbeiten für diese Negelung in Angriff genommen waren. Die Arbeiten sind später zum Stillstand gekommen, weil inzwischen eine Revision der Geseßgebung über das Aktienwesen, mit welhem das Versicherungswesen manche Berührungspunkte hat, in Aussicht genommen wurde. Der Abschluß der Reform des Aktienwesens ist in naher Zeit noch nicht zu erwarten, Es wird sih deshalb den erwähnten Anregungen d zunächst fragen, ob der Erlaß eines Reichsversicherungs- gejeßes nah Lage der Verhältnisse in der That als ein drin- gendes Bedürfniß anzuerkennen und demgemäß von den Er- gebnissen jener NRevisionsarbeiten niht weiter abhängig zu machen ist. Jch gestatte mir hiernach eine Aeußerung darüber ganz Caen zu erbitten, inwieweit ein solches Bedürfniß vorliegt.

: ei der Beurtheilung des Bedürfnisses wird vor allem die Tragweite einer Reich8geseßgebung auf diesem Gebiete

das Eingreifen der Reihhsgeseßgebung zur Zeit auf die vetwaltungsrehtlihe Seite des Versicherungswesens zu be- schränken fin, Die aen des bürgerlihen Rechts, welche das Versicherungswesen berühren, werden ihre Erledigung sahgemäß an anderer Stelle zu finden haben und für die vorliegende Aufgabe um so mehr auszuscheiden sein, als ihre Hineinziehung der Lösung der Aufgabe nur Hindernisse be- reiten könnte. Aber auch im Bereiche des Verwaltungsrechts dürften noch Einschränkungen zu machen sein, indem einer- seits nur diejenigen Zweige des Versicherungsgeschäfts berück- sihtigt werden, in Ansehung deren die allgemeinen wirth- schaftlichen Jnteressen eine gleihmäßige Ordnung wirklich er- heischen, und indem andererseits nur solhe Formen der Ver- Beru AAuN cen emu A geregelt werden, welche nach der Ent- widelung des Versicherungswesens in Deutschland eine praktische Bedeutung erlangt haben. Von dem ersteren Gesichtspunkte aus würde kein Anlaß vorliegen, die See-, die Transport- und die Rückversicherung von untergeordneten Versicherungszweigen ganz abgesehen in die geseßlihe Regelung weiter hinein- zuziehen, als etwa nöthig ist, um die in Ansehung des Ge- ]häftsbeginnes und Geschäftsbetriebes landesrehtlich bestehen- den, sehr verschiedenen und deshalb dem Geschäftsverkehre hinderlichen Beschränkungen zu beseitigen. Von dem zweiten Gesichtspunkte aus würden Versicherungsunternehmungen jeder Art, soweit sie dur einen einzelnen Gewerbetreibenden oder dur einfache Handelsgesellschaften, einshließlich der Kommanditgesellschaften, betrieben werden, aus der geseßlichen Behandlung auszuscheiden sein. Der Hauptsahe nah würden demgemäß nur die Lebensversicherung in allen ihren Verzwei- gungen, die Unfallversicherung, die Feuerversiherung und die Versicherung gegen landwirthschaftlihe Schäden (Hagel- und Viehversicherung) und auch diese Versicherungszweige nur in- soweit in Betracht kommen, als Aktiengesellshaften, Kom- manditgesellshaftcn auf Aktien oder Gegenseitigkeitsgesell\schaf- ten die Unternehmer sind. Dabei bleibt noch die Frage offen, inwieweit ein Bedürfniß vorliegt, diejenigen Unternehmungen auf Gegenseitigkeit dem Geseß zu unterstellen, welche nur einen ganz beschränkten örtlichen Geschäftskreis haben und namentlih zur Unterstüßung im Krankheits- oder Todesfall (Kranken-, Sterbe-, Wittwen-, Aussteuer-, Versorgungskassen) oder für Schäden im landwirthschaftlihen Kleinbetriebe (Vichladen, Kuhgilden, Bauernvereine) bestehen. Zum Theil sind diefe Unternehmungen, wie die Kranken- kassen in dem Geseg über die eingeschriebenen Hülfs- kassen vom 7. April 1876, Gegenstand einer besonderen reihsgefeßlihen Regelung geworden , oder doch, wie die Ar- beiter-Jnvalidenkassen, für eine solche Regelung bestimmt. Zum Theil würde ein Eingreifen der Reichsgeseßgebung für diese eigenartigen und troß ihrer Kleinheit segensreih wirken- den Unternehmungen leiht empfindliche Beschränkungen schaffen, ohne damit die allgemeinen Jnteressen zu fördern.

Würden die Hohen Bundesregierungea nach näherer Prüfung der hier angedeuteten Gesichtspunkte für die Vor- bereitung eines Versicherungsgescßes sich entscheiden, so würde es für die Vorarbeiten von großem Werthe sein, bereits jeßt die Meinungsäußerung über einige Fragen zu erhalten, welche die Richtung der weiteren Arbeiten in wichtigen Beziehungen beeinflussen.

_1) Das Geseß würde in erster Reihe die Zulassung neu- errihteter Gesellschaften regeln. Durch welche Behörde und unter welchen Boraussezungen die Zulassung auch exfolgt, in jedem Falle wird*üe die Wirkung haben müssen, daß die Ge- sellshasten damit zum Geschäftsbetrieb im ganzen Reiche er- mächtigt sind. Die Zulassung erhält damit die Bedeutung eincs weittragenden Aktes, und es ist eine wichtige Frage, ob sie ähnlich, wie bei den Aktiengesellshaften, auf Grund einer Anmeldung bei dem zuständigen Richter oder einer fonst geeigneten Unterbehörde erfolgen soll, derart, daß durh die Zulassung im Wesentlichen nux das Dasein einer ausreichenden, den Normativen Des Geseßes entsprehenden Ordnung der rehtlihen Verhältnisse des Unternehmens festgestellt wird, oder ob sie in den Formen eines Konzessionsverfahrens erwirkt werden soll, in welchen auch gewisse thatsählihe Verhältnisse der Unternehmung, wie die Zuverlässigkeit der das Unternehmen begründenden Gesell- schaster, die Solidität des Geschäftsplanes im Allgemeinen und die Nichtigkeit seiner tehnishen Unterlagen insbesondere, nah näheren geseßlichen Maßgaben zur Beurtheilung gelangen.

Die bei der Zulassung an das einzelne Unternehmen zu stellenden Anforderungen würden nach der Gesellschaftsform der Unternehmungen und nah den Versicherungszweigen, welchen die leßteren gewidmet sind, verschieden sein müssen. Vor Allem würden sie die finanzielle Fundirung betreffen können. Die Frage, wie weit gerade nah dieser Richtung hin gegangen werden darf, bildet noch heute in der Theorie wie in der Praxis den Gegenstand großer Meinungsverschieden- heiten, Es wird darüber gestritten, ov die Zulassung eines neuen Unternehmens abhängig gemacht werden darf von einem bestimmten Umfange der ganzen Geschäftsanlage, wie solcher bei den Prämiengesellshasten in der Größe des Grundkapitals und in der Höhe der darauf ge- [eisteten Einzahlung, bei den Gegenseitigkeitsgesellschaften in der Größe der ersten Betheiligung und in der Höhe der von den ersten Gesellschaftern aufgebrahten Betriebs- und Deckungsfonds zum Ausdruck gelangt, und inwieweit daran weiter die Forderung geknüpft werden kann, daß mit einer, die Verbindlichkeiten des Unternehmens erheblih mehrenden, unahme des Geschäftsbetriebles nach den bezeichneten tihtungen auch dessen Fundirung verstärkt, also bei den Prämiengesellschaften die Einzahlung auf das Grundkapital und unter Umständen dieses selbst, bei den Gegenseitigkeits- gesellschaften der Betriebs- und Deckungsfonds cine Erhöhung erfahren sollen.

Eine besondere Beachtung nimmt sodann in der Lebens- versicherung der Prämientarif und die Prämienreserve in An- spruch. Die Geseßgebung wird eine Einwirkung auf die Fest- seßung der Prämientarife niht üben wollen : fraglih is es aber, ob sie dur die Verpflichtung der Gesellschaften zu ge- wissen Veröffentlihungen Über die von ihnen angenommenen Prämientarife die betheiligten Kreise in den Stand seßen soll, die Solidität jedes Tarifs und die Höhe seiner Ansäße zu beurtheilen. Allerdings bildet hier die Mannigfaltigkeit der Tarife, welche für die verschiedenen Versicherungsmodalitäten zur Anwendung kommen, eine Schwierigkeit : vielleicht würde es aber schon von wohlthätigem Einflusse sein, wenn nur die Ver- öffentlihung der einfachsten und üblichsten in den Geschäftsplan der einzelnen In aufgenommenen Tarife für die gewöhn- lichen inländischen Risiken angeordnet würde. Gegen eine Ein- wirkung auf die Berechnung der Prämienreserven werden

in Betracht kommen. Nach diesseitiger Auffassung dürfte

Bedenken kaum obwalten können. Dessenungeachtet ist es

den bisherigen Geseßen niht gelungen, einen praktis nan: befriedigenden Weg für eine solche Einwirkung u Jnwieweit eine Veröffentlihung der Grundsätze, nach welcher, die Gesellschaften die Zeitwerthe der laufenden Versicherun! berehnen, verlangt, und inwieweit auf die Bestimmung do, für diese Berechnung zunächst maßgebenden Elemente dadur eingewirkt werden soll, daß das Geseh die Höhe des Grunde zu legenden Zinsfußes begrenzt und der Verwaltun das Recht giebt, eine in Aussicht genommene Wahrscheinlig keitstafel zu verwerfen, bedarf ebenfalls eingehender Er- wägung.

2) Jn dem Geschäftsbetrieb der Versicherun Zan kommt für die Geseßgebung zunäWhst die Vermögensve: wah in Betracht. Für die zinsbare Anlegung der Reserven, wel 6 die Lebensversicherungsgesellshaften zur Deckung der künftigen Ansprüche aus den laufenden Versicherungen zurüdzustellen haben, lassen si, wie ih als unzweifelhaft annehmen darf bindende Vorschriften nit entbehren. Dagegen fragt es sih, ob für die Anlegung der sonstigen Bestände dieser Gesellschaf- ten und der Bestände der sonstigen Versicherungsunternehmun- gen derartige Bestimmungen als ein Bedürfniß anzuerkennen sind. ZU strenge Anforderungen können auf dem leßteren Gebiete unter Umständen die Dispositionen der Verwaltun sehr empfindlih und selbst zum Nachtheil d-r Versicherten er- schweren ; es bedarf deshalb die Frage einer besonders sorg- fältigen Prüsung, in wie weit hier den Gesellschaften geseß- liche Beschränkungen aufzuerlegen sein werden,

3) Ein eigenthümlihes Moment in dem Geschäftsbetriebe der Feuerversiherungsgesell schaften ist die Gefahr der Ueber- versicherung. Daß der wissentlihen Ueberversicherung entgegen getreten werden muß, ist gewiß. Die Frage ist nur, oh dies durch eine regelmäßige polizeilihe Kontrole der Versicherungs- abschlüsse, wie solhe in manchen Theilen des Neichs besteht oder auf anderen Wegen bewerkstelligt werdeu soll; bei der Beantwortung dieser Frage können die Schwierigkeiten nit außer Betracht bleiben, welche der Einführung einer für die Versicherungsgesellschasten und Versicherungsnehmer in gleicher Weise lästigen Präventivkontrole dort entgegenstehen würden, wo das Landesrecht sie zur Zeit nicht kennt. Zweifel- hafter ist die Behandlung der fahrlässigen Ueberversicherung. Sie wird häufiger vorkommen, als die wissentlihe Ueber- versiherung, weil die höheren Prämieneinnahmen für die Gesellschaften und die höheren Provisionsbezüge für die Agenten unter Umständen bestimmend sein können, die Schäßungen der Versicherungsnehmer in sehr nachsihtiger Weise zu behandeln. Andererseits ha: sie vom Standpunkte der öffentlichen Jnteressen weitere Nachtheile nicht, als daß sie einem die Feucrsgefahr vermehrenden Leichtsinn auf Seiten Ber Versicherungsnehmer förderlih werden fann und für die leßteren zu unwirthschaftlichen Aufwendungen führt.

4) Was den Geschäftsbetrieb im Uebrigen betrifft, so wird man sih dabei bescheiden müssen, daß die staatliche Aufsicht nur einen beschränkten Einfluß auf die Umsicht und Redlichkeit der Unternehmer zu üben vermag. Es wird \ich hauptsählich darunt handeln, diejenigen Gesellschaftseinrihtungen zu vervoll: kommnen, dur welche Fehler und Mißbräuche im Geschäfts: betriebe am chesten an die Oeffentlichkeit gebracht werden. Es wäre in dieser Beziehung vielleicht auf eine Gesellschaftsorganisation Gewicht zu legen, vermöge deren die Versicherten selbst, in ben Prämien-, wie in den Gegenseitigkeitsgesellschaften einen Einfluß auf die Geschäftsführung gewinnen können. Das Un- befriedigende der jeßigen Einrichtungen ist bei denjenigen Ge- sellschaften, in welchen die Versicherungen regelmäßig für eine längere Zeit laufen, niht zu verkennen und es fann in der That kaum schärfer hervortreten, als in den Lebensversicherungs- Aktiingesellschaften, in welchen das Jnteresse an ciner sachge- mäßen Geschäftsführung auf Seiten der Aktionäre gegenüber dem gleichen Znteresse der Versicherten ein verschwindend ge- ringes ist.

5) ZUr besseren und leichteren Beurtheilung der jährlichen Geschäftsergebnisse der Ge)ellshaften wird eine ausführlichere als die bisher üblihe Rechnungslegung , welche insbe- sondere auf jolhe Gebiete des Betriebes klarlegt, auf denen erfahrungsmäßig Mißbräuche am leichtesten sih einschleicen, vorzugsweise beitragen können. Ob indessen die Veröffent: lihung ausführliher Rechnungsabschlüsse und Bilanzen ge- nügen wird, die Verhältnisse der Gesellschaft den betheiligten Kreisen flarzulegen, unterliegt manchem Zweifel. Anderer- seits wird au derjenige, welcher geneigt ist, diesem Bedenken, wenigstens in Ansehung der Lebensversicherungsgesellschaften, sich anzuschließen, zugeben müssen, daß eine erschöpfende Prü- fung jener Veröffentlihungen durch die ordentlichen Landes- aufsihtsbehörden nicht bewerkstelligt werden kann, weil die- selben im Allgemeinen den Verhältnissen des Versicherungs- wesens zu fern stchen. Eine erschöpfende Prüfung würde nur dur eine Centralstelle, welche in dem gesammten Versicherungs- wejen orientirt und dessen Entwickelung stetig zu ver- folgen in der Lage is, geschehen können. Wird eine jolche Prüfung als Bedürfniß anerkannt, so wäre zu erwägen, ob fie niht im Anschluß an eine bestehende Be- hörde, etwa an das Kaiserliche statistische Amt, ohne erhebliche Mühe Und Aufwendungen sich schaffen ließe. Wird ste aber nicht für erwünscht gehalten, so möchte vorzuziehen sein, auf eine amtliche Kontrole des Geschäftsbetriebes überhaupt zu verzichten, um nicht durch den Schein einer solchen ein Ver- trauen in die Versicherungsgesellschaften zu begründen, für welches eine staatliche Gewähr dann nicht übernommen wer- den könnte.

6) Es wird davon ausgegangen, daß eine reichsgeseßzliche Regelung des Versicherungswesens keinenfalls soweit ausge- dehnt werden soll, daß auch die Grundsäße für die Besteue- rung der Gesellshaften und ihrer Agenten in den einzelnen Bundesstaaten ihren Plaß darin finden, Eine andere ¿Frage ist es aber, ob ein Reichsgeseß, welches die Geschäftsthätigkeit der Versicherungsgesell schaften im ganzen Reiche unter gleiche Bedingungen zu stellen bezweckt, nicht Vorsorge zu treffen hat, daß diese Absicht durh die in den einzelnen Bundesstaaten dem Versicherungsgeshäft auferlegten steuerlihen Verpflich- tungen nicht wieder illusorisch werde. Bekannt ist es, daß Seitens der Versicherungsgesellschaften über die ungleichartige, zum Theil die Geschäftsentwielun hemmende Besteuerung geklagt wird. Es würde daher von nteresse sein, eine Ueber: sicht über die in den einzelnen Bundesstaaten bestehenden, die Besteuerung der Versicherungsgesellshaften und ihrer Agenten t Gunsten des Staates oder der Gemeinden regelnden Vor- risten zu erhalten.

7) Ein Anlaß, die Verhältnisse der dur Landesgeseße oder Verordnungen, namentlich für die Versicherung gegen A gegründeten Anstalten in eine reichsgeseßliche Regelung hineinzuziehen, dürfte im Allgemeinen nicht vor-

liegen. Fnsbesondere würde der zu Gunsten mancher öffent- liher Versicherungsanstalten bestehende Versicherungszwang vom Standpunkte der Reichsgeseßgebung aus unberührt bleiben können. Zweifelhafter wird es sein, ob die- jenigen Bestimmungen, welche, ohne einen Versiche- rungszwang zu Gunsten jener Anstalten zu begründen, doch dem Geschäftsbetrieb der Versicherungsgesellschaften Beschränkungen auferlegen, ob insbesondere solche Vor- \hriften, durch welche Denjenigen, die niht geneigt sind, bei den öffentlihen Anstalten Versiherung zu nehmen, die Versicherung überhaupt untersagt wird, sih gegenüber einex Geseßgebung würden aufrecht erhalten lassen, welche die För- derung des Versicherungswesens im Allgemeinen, nicht die Förderung der Geschäfte gewisser Anstalten bezweckt. Be- stimmungen der gedachten Art können, so weit sie nit zur Versicherung bei den begünstigten Anstalten führen, in der That nur die Wirkung haben, die Versicherung zu ershweren oder zu verhindern.

Zch würde es mit lebhaftem Danke erkennen, wenn die Hohen Regierungen, welche das Bedürfniß des baldigen Er- lasses eines Reichs-Versicherungsgeseßes anerkennen sollten, die in Vorstehendem berührten Fragen, so weit die auf dem Gebiete des Versicherungswesens gesammelten Erfahrungen die geeigneten Unterlagen bieten, einer geneigten Beurtheilung O und zum Gegenstande einer Rückäußerung machen wollten.

Die seit Kurzem s{webenden Verhandlungen wegen eines neuen Vertrages über den Austausch von Po st- anweisungen zwishen Deutschland und den Ver- einigten Staaten von Amerika sind zum Abschluß ge- langt. Das Abkommen ist heute auf dem General-Postamte von dem Geheimen Ober-Postrath Günther und Mr. Macdo- nald, Superintendent des Postanweisungs-Amts dex Ver- einigten Staaten, unterzeihnet worden.

Die Erste General-Synode dex Evangelischen Landeskirche ist heute Vormittag um 10 Uhr in Gegen- wart des Ministers der geistlichen 2c. Angelegenheiten von Puttkamer und des Ministerialdirektors Lucanus im Sißungs- saale des Herrenhauses eröffnet worden. Nachdem der General- Superintendent Dr. Brückner das Gebet gesprochen hatte, hielt der Präsident des evangelischen Ober-Kirchenraths Hermes die Eröffnungsrede, in welcher er als die wichtigsten Vor- lagen zur Berathung die folgenden ankündigte: die Ge- seße über die LTrauungs-Ordnung und über die Ver- leßung kirhliher Pflichten in Bezug auf Taufe, Konfir- ma:ion und Trauung, ein Geseß über Umgestaltung der Emeritenverhältnisse, verschiedene Denkschristen, durch welche theils eine Berathung der Behörde dur die gutachtliche Aeuße- rung der Synodalkörperschaft, theils nur die Darlegung ein- zelner, die Kirche allgemein betreffender Verhältnisse an die Synode bezweckt wird, und die Jahresrechnung über die bis- her vom Evangelischen Dber-Kirchenrath verwalteten Fonds.

Nachdem die vier jüngsten Synodalen zu provisorischen Sqriftführern bestimmt worden, und die Synode auf Antrag des Präsidenten Hermes beschlossen hatte, die anwesenden Synodalen vorläufig als legitimirt zu betrahten, wurde Graf v. Arnim-Boitenburg einstimmig zum ersten Präsidenten, und Superintendent Rübesamen (Möhringen) mit 114 gegen 65 Stimmen zum zweiten Präsidenten erwählt. Graf v. Arnim- Boitenburg übernahm hierauf mit dankenden Worten den Vorsiß und veranlaßte die Wahl der Schristführer, die auf den Freiherrn von Malgzahun-Gülß, den Superintendent Pfeiffer, den Pfarrer Eilsberger und den Landgerichts-Rath Schellberg fiel. So- dann rief der Schriftführer Frhr. von Malßahn-Güly die Mit- glieder einzeln auf, und der Prähdentiließ sie das Gelöbniß ablegen.

Alsdann wurde beschlossen, an Se. Majestät den Kaiser und König sogleich cin Telegramm abzusenden, in welchem Aller- höchstdemselben von der Eröffnung der General-Synode An- zeige gemacht wird. Demnächst wurde ein Schreiben des Evangelishen Ober - Kirchenraths verlesen , nah welchem der General - Superintendent Dr. Brückner zum König- lichen Kommissar der General - Synode ernannt ift. Nachdem die nächste SißUng auf morgen 1 Uhr Mittags anberaumt worden war, sprach der Ober- Hofprediger von Hengstenberg das Schlußgebet, worauf die Sißung gegen 12%/, Uhr Mittags geschlossen wurde.

S. M. Kanonenboot „Hyäne“, 4 Geshüße, Kom- mandant Kapt. Lt. von Gloeden, ist auf der Reise nah der Westküste Amerikas am 8. d. Mts. von Wilhelmshaven nah Plymouth in See gegangen.

S. M. Aviso „Möwe“ ist am 8. d. Mts. von der Werst des Kommerzien-Raths Schichau in Elbing glülich vom Stapel gelaufen.

Elsaß-Lothringen. Straßburg, 8. Oktober. (W. T. V.) Der in das Ministerium für Elsaß-Lothring: n be- rufene Reichstagsabgeordnete Sch neegans hat si heute von seinen Wählern im Kreise Zabern verabschiedet. Jn seiner Ansprache sagte derselbe: Das von ihm gegebene Ver- sprechen, dahin zu wirken, daß die Verhältnisse des Landes im Lande selbst geregelt würden, sei dur das Zusammen- wirken des Reichstages, der Regierung und seiner autono- mistishen Kollegen in Erfüllung gegangen. Die Befugnisse des Landesausschusses seien erweitert und derselbe zur An- nahme von Petitionen ermächtigt worden; das Land \chicke Kommissäre in den Bundesrath. Er hoffe, daß die neue Aera eine glückbringende sein und daß die regelmäßige Entwicklung des Landes demselben eine versöhnende Zukunft sichern werde. Diese Ueberzeugung habe ihn bewogen, auf Aufforderung der Regierung in das neugegründete Ministerium einzutreten. Er habe den Entschluß dazu erst gefaßt, nachdem er in dem Ein- verständnisse seiner politischen Freunde die Ermuthigung dazu gefunden have. Die Annahme seines neuen Amtes ziehe nah dem Geseß die Niederlegung seines Mandats nach sich, Und habe er daher dem Präsidium des Reichstags die bezüg- lihe Anzeige gemacht.

Oesterreich-Ungarn. Wien, 8. Oktober. (W. T. B.) Die Thronrede, mit welcher der Neichsrath heute er- öffnet wurde, heißt zunächst die Vertreter beider Häuser des Reichsraths am Beginn einer neuen Periode verfassungs- mäßiger Thätigkeit herzlich willkommen. Es heißt dann weiter: „Jndem nun auch die Abgeordneten meines geliebten Königreihs Böhmen, meinem Rufe folgend, unbeschadet ihrer Rechtsüberzeugung und ungeachtet der Verschiedenheit ihrer Anschauungen , vollzählig den Boden gemeinsamer Verhand- lungen betreten, is ein wihtiger Schritt geshehen, um zu

jener allgemeinen Versöhnung und Verständigung zu ge- langen , die stets das Ziel meiner Wünsche waren, und ih gebe mich der zuversichtlichen Hoffnung hin, daß es bei allseitiger Mäßigung und gegenseitiger Achtung des Rechts Jhren Berathungen gelingen wird, dieses im nteresse der Machtstellung der Monarchie stets festzuhaltende Ziel auch wirklich zu erreichen, und so der Verfassung die gleih freu- dige Anerkennung aller Völker zu sichern.“ Auf die Arbeiten, die des Reichsraths harren, übergehend, werden in der Thron- rede vor Allem Gesetzentwürfe über das Wehrwesen angekün- digt. Bei Berathung dieser Vorlagen werde den Reichsrath die patriotishe Erwägung zu leiten haben, daß in der cigenen Kraft die verläßlichste Bürgschast des Friedens liege, welcher der Bevölkerung die Früchte des Gewerbefleißes sichert, und daß die Monarchie immer im Stande sein müsse, mit dem vollen Gewichte ihrer Bedeutung einzutreten, wenn die Ereig- nisse den Schut ihrer Jnteressen erheischen. Ferner wird ein Geseßentwurf angekündigt, betreffend die Aufbesserung der Jnvalidengebühren, die Versorgung hülfsbedürftiger Wittwen und Waisen der vor dem Feinde Gefallenen, sowie die Unterstüßung hülfsbedürstiger Familien der im Falle der Mobilisirung Einberufenen dur Einführung der im Wehrgeseße vorgesehenen Militärtaxe; eine weitere Geseßzvor- lage wird die Verwaltung Bosniens und der Herzegowina be- treffen. Das Bestreben zur Herstellung des Gleichgewichts im Staatshaushalte werde sich zunächst auf alle mit den bestehen- den Einrichtungen vereinbarliche Ersparungen, speziell durch Vereinfachung der Verwaltung, erstrecken und auch das Kriegs- budget umfassen, soweit dieses mit der Machtstellung und Sicherheit des Reiches vereinbarlih fei. - Die Deckung des Abganges, welchen der nächste zur Vorlage gelangende Staatsausgaben-Voranschlag aufweist, soll ohne Jnanspruch- nahme des Staatskredits und ohne Schädigung der Pro- duktionskraft der Bevölkerung durch Vermehrung der Ein- nahme geschehen. Eine neue Vorlage, betreffend die Reform der direkten Besteuerung werde mit Benugung umfassender Vorarbeiten eingebracht werden. Dem Reichsrathe werde es hoffentlich gelingen, die im Jnteresse einer gerechten Verthei- lung der Lasten so dringend nothwendige Verbesserung der Steuersysteme Oesterreichs endlih zur Ausführung zu bringen. Eine besondere Sorgfalt werde den Maßnahmen zur Hebung der heimischen Arbeit gewidmet sein. Bei der Erneuerung der demnächst ablaufenden Handelsverträge werde darauf Bedacht zu nehmen sein, die Nachtheile abzuwen- den, welhe die Produktion, sowie den Handel und Verkehr Oesterreihs durch die geänderte wirthschaft- lihe und Zollgeseßgebung des Auslandes gefährden könnten. Die in leßter Zeit gepflogenen Besprehungen eröffnen eine erfreuliche Aussicht auf eine günstige Regelung des Verkehrs und der Handelsverhältnisse mit dem Deutshen Reiche. Die Einbeziehung der neuen Gebiete in dom Zollverband, sowie Errichtung von Lagerhäusern in Triest lassen eine dauernde Belebung des Handelsverkehrs erwarten. Die Entwickelung des Eisenbahnwesens und die nöthige Erleichterung der mit dem Systeme der Staatsgarantie verbundenen Lasten werde volle Aufmerksamkeit erheishen. Der Bau der immer witi- ger werdenden Arlbergbahn sei durch Verhandlungen bedingt, auf deren baldigen Abschluß die Regierung bedacht sei. Weiter kündigt die Thronrede sodann Geseßentwürfe an über die grund- säßlichen Bestimmungen für die Zusammenlegung von Grund- stücken, ferner eine Revision der Gewerbegeseße behufs Förde- rung der gewerblichen Fnteressen, insbesondere durch Kräfti- gung des kleinen Gewerbes und zeitgemäße Regelung des Verhältnisses zwishen Arbeitgebern und Hülfsarbeitern, ein Geseß über die Erleichterung und theilweise Auflassung der Besteuerung von Vorschußkassen ist in Aussicht genommen. Weitere Gesechentwürfe, A: die Abhülfe wider unred- lihe Vorgänge bei Kreditgeschäften und die Befreiung von der Legalisirungspfliht bei Tabularurkunden über Objekte von geringerem Werthe, ferner die eform der Civilprozeßordnung und des materiellen Strafredl,ts, endli die Verbesserung der Lage des Seelsorgeklerus. Die Thronrede betont, daß angesichts der längeren Dauer dex leßten Scssion und der Neuwahlen die Landtage nicht vor dem Beginn der Reichsrathssession einberufen werden konnten; eine Selbstbeshränkung und weise Ausnußzung der Zeit behufs regelmäßiger Aufeinanderfolge der legislativen Körperschasten erschienen wünschenswerth. Die Thronrede konstatirt die ungetrübte Fortdauer der guten Beziehungen zu allen Mächten, die Durchführung des Berliner Vertrages in seinen wesentlihen Bestimmungen und den Vollzug des Ein- marsches in das Sandschak Novibazar auf Grundlage dieses Vertrags in freundschaftlichem Einvernehmen mit der Pforte; es werde die Aufgabe der Regierung sein, der nunmehr er- möglichten nachhaltigen Pflege und Entwickelung der wirth|chaft- lichen Beziehungen Oesterreichs zum Oriente ihre voll: Aufmerk- samkeit zuzuwenden. Die Thronrede schließt: „Die vielen Beweise treuer Liebe und Anhänglichkeit meiner Völker für mih und mein Haus, sowie die aus der Mitte der Bevölkerung immer lauter tônenden Rufe nach Erhaltung der Eintracht, in welcher meine Völker seit Jahrhunderten friedlich neben einander lebten, haben meinem Herzen wohlgethan. Diese Kundgebun- gen sind mir eine Gewähr, daß auch Sie, von demselben Geiste der Eintraht und Mäßigung beseelt, auf dem Boden verfassungsmäßigen Wirkens zu ruhiger und stetiger Ent- widelung des allgemeinen Wohls sich verständigen werden. Vesterreih wird treu seinem geschichtlichen Berufe ein Hort sein für die Rechte seiner Länder und Völker in ihrem un- trennbaren einheiilihen Verbande und eine bleibende Stätte des Nechts und der wahren Freiheit“. i /

Die heutige Eröffnung der Neichsrathss\ession erfolgte in sehr feierliher Weise. Sämmtliche Logen und Pläbe waren dicht beseßt, das diplomatische Corps war sehr zahlreich vertreten. Bereits vor 12 Uhr hatten sih die Mit- glieder beider Häuser des Reichsrathes, theils in großer Gala- Uniform, theils im Frack, theils in ihrer Nationaltraht im großen Saale versammelt. Punft 12 Uhr erschien der Kaiser unter Vorantritt der Erzherzöge, Minister, General- Adjutanten und Hoswürdenträger und wurde von den Anwesenden mit dreimaligem stürmishen Hoh be- grüßt. Der Kaiser verlas sodann die Thronrede mit weit vernehmbarer Stimme, fortgeseßt durch lebhafte Zurufe und Hochs unterbrochen. Sehr stürmischen einstim- migen Beifalls erfreuten si die Absäte der Thronrede, be- treffend die Hebung der volkswirthschaftlichen Lage, und \cließ- lih ertönte namentli bei den Worten: „Oesterreih wird treu E geschichtlihen Berufe ein Hort sein für die Nechte einer Länder und Völker in ihrem untrennbaren einheitlichen Verbande und eine bleibende Stätte des Rechts und der wahren Freiheit“ ein niht endenwollender Beifallssturm, welcher in fortwährenden Hos in deutscher und slavischer

Sprache Ausdruck fand. Bei dem Verlassen des Saales Seitens des Kaisers erscholl abermals ein dreimaliges be- geistertes Hoch. i i ;

Aus Cettinje meldet die „Polit. Corresp.“: Die Montenegriner shicken " sch an, von den ihnen durch den Berliner Vertrag zuerkannten Gebieten von Gusinje und Plava Besiß zu ergreifen. Da die Alba- nesen sih in der Richtung von Andrijevica in starken Ab- theilungen zusammenrotten und Miene machen, die Besißz- ergreifung Seitens der Montenegriner mit den Waffen in der Hand zu verhindern, so treffen die Lebteren alle Vor- kehrungen für einen Kampf. In Andrizjevica ist viel montenegrinischer Proviant- und Munitionsvorrath aufge- stapelt. Der Herzog von Württemberg wird heute er- wartet.

9, Oktober. Die amtlihe „Wiener Zeitung“ ver- öffentliht ein Handschreiben des Kaisers an den Grafen Andrassy vom 8. d. M, durch welches derselbe auf feine Bitte von dem Amte des Ministers des Kaiser- lichen Hauses und des Aeußeren enthoben wird. Das Hand- schreiben lautet: „Wenn Jch, obgleih mit Widerstreben und Bedauern, Fhrer Bitte um Enthebung vom Amte des Ministers Meines Hauses und des Aeußern entspreche, so möge Jhnen dies als Beweis des hohen Werthes gelten, den Jh auf die Erhaltung Jhrer Gesundheit lege. Sie haben während einer Reihe von Jahren und einer der ereignißreihsten und dent: würdigsten Epochen die Last \{hwerer Verantwortung mit Muth, Kraft und Erfolg getragen, und können mit vollberech- tigter Befriedigung aus einem Wirkungskreise scheiden, in welchem Sie der Monarchie und Meinem Hause die hervor- ragendsten Dienste geleistet haben. Jhren Rücktritt betrachte Jh jedo keineswegs als den Abschluß Jhres staatsmännischen Wirkens ; vielmehr bürgt Mir Jhre Ergebenheit für Meine Person und die aufopfernde Hingebung, mit welcher Sie die- selbe bethätigten, dafür, daß Sie bereitwilligst Meinem Nufe folgen werden, sofort, auf welhem Felde immer Jh Jhre be- währten Dienste wieder in Anspruch nehmen sollte. Mein vollstes Vertrauen bleibt Jhnen ebenso gewahrt, wie Meine dankbarste Anerkennung.“ Ein weiteres Handschreiben des Kaisers an den Baron von Haymerle ernennt denselben zum Minister des Kaiserlichen Hauses und des Aus- wärtigen und betraut ihn mit dem Vorsiße im gemeinsamen Ministerrathe.

Pest, 8. Oktober Jn der heutigen Sißung des Unter- hauses theilte der Minister-Präsident Tisza das sür den Reichstag entworfene Arbeitsprogramm mit und kündigte zahlxeiche Vorlagen an. Unter denselben befinden si solche über die Verwaltung Bosniens, über das Jnkolat, über die Verleihung von Privilegien an Bodenkreditinstitute, über das Konkursverfahren, über die Einbeziehung der ofkkupirten Länder in das Zollgebiet und über die Modifikation des Wehrgeseßes. Das Budget werde im Laufe des Monats vor- gelegt werden. Sodann machte der Minister-Präsident Mit- theilung über den Stand der Szegediner Rekonstruktions- arbeiten, die aus fast allen Ländern der Welt eingegangenen Spenden im Betrage von 2 600 000 Fl. seien bei den Spar- kassen deponirt und würden \. Z. ihrer Bestimmung zugeführt werden. Der Bericht wurde vom Hause zur Kenniniß ge- nommen. Schließlich erwähnte der Minister-Präsident die gegen einen etwa drohenden Nothstand zu ergreifenden Maß- nahmen und erklärte, die Befürchtungen von einer Hungers- noth seien unbegründet; vor allem sei die L1ndbevölkerung mit Sämereien zu versehen, die Obergespane seien angewiesen worden, den dringendsten Bedürfnissen unverzüglich abzuhelfen und an die Regierung zu berichten.

Großbritannien und Jrland. London, 7. Oktober. (Allg. Corr.) Das Fndishe Amt hat von dem Vize- König folgende Depesche, datirt vom 5. d. M, erhalten : „General Roberts wurde gestern in Zahidabad aufgehalten, da er auf Transportmittel warten mußte. Er rückt heute nah Charasiah, einen Tagesmarsch von Kabul, vor.“

Dem „Standard“ wird aus Zargunshar, vom 3,., gemeldet: „Drei Leute vom 12. bengalischen Kavallerie-Regi- ment, welche sich während der Mebeleien auf Urlaub in Kabul befanden, flüchteten gestern aus dieser Stadt und trafen heute im Lager ein. Dieselben behaupten, daß der Aufstand in Kabul weder Haupt noch Leitung besiße, und daß die vollständigste Verwirrung herrshe. Die Artillerie habe sich den Aufständischen niht angeschlossen, sondern halte fich gänzlich abseits; sie halte Bala Hissar für den Emir und beshirme sein Eigenthum und seine Familie, drohe jedoch offen, falls der Emir niht unverzüglich nah Kabul zurück- kehre und die Führung sämmtlicher Truppen gegen die Briten übernehme, Bala Hissar zu plündern und sich aufzulösen, da sie niht ohne Führer kämpfen könne. Die afghanischen Regimenter errichteten starke Verschanzungen auf der Höhe, welche Bala Hissar vom Rücken aus beherrsht. Vor Kabul steht nunmehr eine entscheidende Aktion in Aussicht.“

8, Oktober. (W. T. B.) General Roberts meldet aus Charasaib, vom 6. d. M., Abends: Bei früh am Morgen auf allen nach Kabul führenden Straßen vorge- nommenen Rekognoszirungen stießen die englischen Trup- pen auf starke von der Stadt her vorrückende feindliche Ab- theilungen. Während die englischen Rekognoszirungs-Abthei- lungen sih zurüczogen, erschienen afghanische Truppen und Bewohner von Kabul auf den Hügeln zwischen Charasaib und Kabul. Zugleich sammelten sh Ghilzais auf den Hügeln zu beiden Seiten tes englischen Lagers. Nach einem harinäckigen Kampfe wurden die Hügel von den englischen Truppen beseßt und der Feind in allgemeiner Ver- wirrung in die Flucht geschlagen. Die englischen Truppen verloren an Verwundeten und Todten etwa 85 Mann ; außer- dem sind 2 Offiziere und 1 Arzt verwundet. Ueber die Größe des von dem Feinde erlittenen Verlustes ist nichts bekannt. Den Afghanen wurden 12 Kanonen und 2 Fahnen abge- nommen. Es sind starke Pikets ausgestellt worden, da sch noch viele Ghilzais in der Nachbarschaft des englischen Lagers aufhalten. General Roberts hoffte, am 7. d. bis auf eine geringe Entfernung von Kabul vormarschiren zu können. Der Emir theilte mit, daß seine Familie nah der Stadt gegangen sei, weil Balahissar niht mehr im Besiße von Leuten sei, denen er trauen könne. Die Häuptlinge von Chardeh und aus den Vorstädten haben sich bereit erklärt, dem General Roberts ihre Ergebenheit zu erzeigen. General Roberts ist der Meinung, daß diesem Beispiele andere Häupt- linge folgen werden, und glaubt, daß das Land sich be- ruhigen werde, sobald das Volk jehe, daß sein Widerstand nuglos sei. Zur Zeit herrsht in der Stadt wie auf dem Lande große Aufregung.

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